Kirchenjahr

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Als Kirchenjahr (lateinisch annus ecclesiasticus oder annus liturgicus; auch liturgisches Jahr oder Herrenjahr) bezeichnet man seit dem ausgehenden 16. Jahrhundert eine jährlich wiederkehrende festgelegte Abfolge von christlichen Festen und Festzeiten, nach der sich vor allem die Gottesdienstpraxis und Liturgie richten. Es beginnt mit der Vesper am Vorabend zum 1. Adventssonntag und endet mit der Non am Samstag vor dem 1. Advent im folgenden Jahr.

Aufbau des Kirchenjahres

Die Grundordnung des Kirchenjahres von 1969 enthält den heute gültigen liturgischen Kalender der römisch-katholischen Kirche. Er gliedert das Kirchenjahr in drei Hauptteile:

Die Sonntage des Jahreskreises werden vom Sonntag nach dem Fest Taufe des Herrn (2. Sonntag) bis zum Hochfest Christkönig (33./34. Sonntag) durchgezählt. Fallen bestimmte Hoch- oder Herrenfeste auf einen dieser Sonntage, verdrängen diese den Sonntag im Jahreskreis. Die Leseordnungen umfassen Schriftlesungen für die heiligen Messen und die Feier des Stundengebets an allen Tagen des Kirchenjahres.

Besonderheiten des Weihnachtsfestkreises sind:

(Ende der Weihnachtsoktav)

(Ende des Weihnachtsfestkreises)

  • 2. Februar: Fest der Darstellung des Herrn im Tempel, volkstümlich auch Mariä Lichtmess genannt. Die Zeit zwischen den Festen der Taufe des Herrn und der Darstellung des Herrn gehört seit der Liturgiereform in der ordentlichen Form des römischen Ritus nicht mehr zum Weihnachtsfestkreis und das Fest zählt zu den Herrenfesten. Das Festgeheimnis der Darstellung des Herrn ist aber eng mit dem Weihnachtsfest verbunden.

Besonderheiten der Osterzeit sind:

Weitere Herrenfeste im Jahreskreis sind:

Hochfeste der Gottesmutter im Jahreskreis sind:

Weitere Feste und Gedenktage werden teilweise nur in einzelnen Regionen, Diözesen, Ordensgemeinschaften oder einzelnen Kirchen gefeiert.

Geschichte und Strukturmerkmale

Die strukturierenden Grunddaten des Kirchenjahres – Sonntage, Ostern und Weihnachten – orientieren sich an der Siebentagewoche, am jüdischen Festkalender und einigen solaren Fixdaten im Zusammenhang der Tagundnachtgleiche. Sie erhalten als Stationen einer offenbarten Heilsgeschichte einen neuen Sinn.

Der Sonntag

Die frühe Kirche feierte das Herrenmahl wöchentlich. Zentraler Bezugspunkt für die Christen in frühchristlicher Zeit war dabei das Gedächtnis des Pascha-Mysteriums, des Erlösungswerks Christi, d. h. seines Leidens und Sterbens für das Heil der Welt und seiner Auferstehung am dritten Tag, das in der Erwartung seiner Wiederkunft als „Brotbrechen“ (Abendmahl/Eucharistie) gefeiert wurde. Daher wird der Sonntag – in Anlehnung an die neutestamentliche Anrede „Herr“ für Jesus Christus – „Tag des Herrn“ oder „Herrentag“ genannt. Liturgisch kann er als „Wochen-Ostern“ gedeutet werden.<ref>Hansjörg Auf der Maur: Feiern im Rhythmus der Zeit I. Herrenfeste in Woche und Jahr. Regensburg 1983, S. 129.</ref>

Als Folgetag des jüdischen Sabbats war der Sonntag der erste, nicht der letzte Wochentag. So wie der Sabbat als arbeitsfreier Tag das Ziel der Schöpfung Gottes symbolisierte, so markierte der Sonntag für die Christen den Beginn der neuen Schöpfung, des Reiches Gottes. Die Liturgieerklärungen der Kirchenväter nehmen daher besonders Bezug auf den Sonntagsgottesdienst. Kaiser Konstantin der Große legte im Jahr 321 den Sonntag gesetzlich als wöchentlichen Ruhetag fest, auch um das Christentum zur bevorzugten Religion zu erheben. Damit verdrängte der Sonntag den Sabbat und wurde zusammen mit dem Samstag im Alltagsbewusstsein zum „Wochenende“.

Das Zweite Vatikanische Konzil bezeichnete den Sonntag als „Ur-Feiertag“: „Der Herrentag ist Fundament und Kern des ganzen liturgischen Jahres.“<ref>Konstitution über die heilige Liturgie Sacrosanctum Concilium, Nr. 106.</ref>

Osterfestkreis

Der Ostersonntag war die christliche Variante des letzten Pessachtages: Dem Auszug aus Ägypten entsprach die in der Osternacht gefeierte Rettung Jesu und mit ihm aller Menschen aus dem Tod. In dieser Form wurde der Ostersonntag zum Ausgangs- und Mittelpunkt des Kirchenjahres. Er blieb lange Zeit das einzige christliche Jahresfest, bei dem auch die Taufe der Katechumenen stattfand und der Märtyrer des vergangenen Jahres gedacht wurde.

Das Osterdatum wurde in der westlichen Tradition im Jahre 325 auf den Sonntag nach dem ersten Vollmond des Frühlings gelegt. Es fügte sich damit in die Sonntagsreihe ein und bildete einen zum Pessach analogen Festkreis aus.

Weihnachtsfestkreis

Während die ersten Christen das Weihnachtsfest gar nicht feierten, entstand im vierten Jahrhundert ein Geburtsfest Jesu. Der 25. Dezember als Tag der Geburt Jesu Christi wurde ausdrücklich erstmals von Furius Dionysius Filocalus in seinem Chronograph von 354 genannt, der auf römischen Quellen aus dem Jahre 336 beruht, ein Jahr vor dem Tod Konstantins und zu einer Zeit des Aufschwungs des Christentums.

Die Adventszeit entwickelte einen Charakter als Zeit der freudigen Erwartung auf die Wiederkunft Jesu am Ende der Zeiten (Parusie). Die Adventszeit wurde zunächst als Zeit des Fastens begangen; dieser Charakter ist mittlerweile eher in den Hintergrund getreten.<ref>Bieritz, Karl-Heinrich, Das Kirchenjahr. Feste, Gedenk- und Feiertage in Geschichte und Gegenwart, München, 2. Aufl. 1988, 165–181; Wahle, Stephan, Die stillste Nach. Das Fest der Geburt Jesu von den Anfängen bis heute, Freiburg i.Br. 2018, 43–61.</ref>

Weitere Bestandteile

Gedenktage der Märtyrer wurden seit dem 2. Jahrhundert als Festtage neben dem Auferstehungsfest Jesu Christi in das Kirchenjahr aufgenommen. Dabei wurde der Todestag zum „Geburtstag“ (dies natalis) des jeweiligen Heiligen, mit dem er in das ewige Leben eintrat.

Seit dem 5. Jahrhundert wurde das Kirchenjahr vor allem in Rom durch neue Elemente und Festdaten ergänzt und ausgestaltet. Ab dem Hochmittelalter fanden Ideenfeste, die bestimmte Glaubensgeheimnisse in den Mittelpunkt einer eigenen liturgischen Feier rücken, Aufnahme in das Kirchenjahr:

Weitere Fest- und Gedenktage des Kirchenjahres gelten kirchengeschichtlichen Ereignissen, die für einzelne Konfessionen, Ordensgemeinschaften oder Gemeinden – etwa Kirchweihefeste – prägend wurden.

Seit Anfang des 20. Jahrhunderts wurden zunehmend Sonntage im Jahreskreis zusätzlich als Zwecksonntage unter ein bestimmtes Motto gestellt oder einem bestimmten Anliegen gewidmet, etwa der Sonntag der Weltmission oder der Welttag der sozialen Kommunikationsmittel oder Barmherzigkeitssonntag.

Lesejahr

Seit der Liturgiereform des Zweiten Vatikanischen Konzils gilt im römischen Ritus für die Sonntage eine Leseordnung, in der die wichtigsten Textstellen der Bibel in einem dreijährigen Turnus vorgetragen werden. Die drei Jahreszyklen (Lesejahre) werden mit den Buchstaben A, B und C bezeichnet. Jedes Jahr ist einem der drei synoptischen Evangelisten Matthäus (Lesejahr A), Markus (Lesejahr B) und Lukas (Lesejahr C) gewidmet, das heißt, es werden vorwiegend Evangelien dieses Evangelisten gelesen. Die wichtigsten Teile des Johannesevangeliums werden in den geprägten Zeiten (Advent, Weihnachtszeit, Fastenzeit und Osterzeit) jedes Kirchenjahres vorgetragen.

An den Werktagen werden biblische Texte fortlaufend in einem zweijährigen Turnus gelesen.

Lehramtliches

Paul VI.

Literatur

Zum Kirchenjahr nach Inkrafttreten der Normae universales des anno liturgico et de calendario (1969)

  • Prosper Guéranger: Einführung in das liturgische Jahr, Übersetzt von Wilhelm Hellmann, EOS Verlag St. Ottilien 2014 (216 Seiten, Deutsche Erstausgabe, ISBN 9783830676485).
  • Hansjörg Auf der Maur: Feiern im Rhythmus der Zeit I. Herrenfeste in Woche und Jahr (Gottesdienst der Kirche, Handbuch der Liturgiewissenschaft, Teil 5, Pustet Verlag Regensburg 1983, ISBN 3-7917-0788-4, 230 S.)
  • Philipp Harnoncourt, Hansjörg auf der Maur (Hrsgg.): Feiern im Rhythmus der Zeit II/1. Der Kalender. Feste und Gedenktage der Heiligen (Gottesdienst der Kirche, Handbuch der Liturgiewissenschaft, Teil 6.1, Pustet Verlag Regensburg 1994, ISBN 978-3-7917-1403-5, 404 S.)
  • Adolf Adam: Das Kirchenjahr: Schlüssel zum Glauben. Betrachtungen, Herder Verlag, Freiburg 1990, ISBN 3-451-22098-9 (190 S.)
  • Eckhard Bieger SJ: Das Kirchenjahr entdecken & erleben. Entstehung, Bedeutung und Brauchtum der Festtage. St. Benno Verlag, Leipzig o. J. (2006), ISBN 3-7462-2125-0 (148 S.)
  • Kirchliche Fest- und Feiertage. Reihe: Grundkurs Christentum. St. Benno Verlag (96 Seiten).
  • Stephan Leimgruber: Maria im Kirchenjahr. Kanisius Verlag Freiburg/Schweiz - St. Gabriel Mödling 1979 (47 Seiten; ISBN 3-85764-068-5).
  • Jakob Baumgartner: Das Kirchenjahr. Kleine Einführung. Kanisius Verlag Freiburg/Schweiz; St. Gabriel Mödling 1978 (48 Seiten; ISBN 3-85764-072-3).
  • Maria Prügl: Familien feiern das Kirchenjahr: Jahr der Natur und Jahr der Gnade; Die Feste im Kirchenjahr; Leben im Glauben; Der Sonntag; Christliches Brauchtum Ehe Familie Buch 2016 (überarb. Auflage; Tb; 148 Seiten; ISBN 978-3902336057).

Zum Kirchenjahr vor der Liturgiereform

  • Benedikt Baur, Werde Licht !, Liturgische Betrachtungen an den Sonn- und Wochentagen des Kirchenjahres, Herder & Co. G.m.b.H. Verlagsbuchhandlung Freiburg im Breisgau 1942 (6. Auflage). Band I, Advents- und Weihnachtszeit; Band II. Osterfestkreis, Sonntag Septuagesima bis Pfingsten; Band III. Osterfestkreis, die Nachpfingstzeit (Jeweils mit Imprimatur).
  • Pius Parsch, Das Jahr des Heiles, Klosterneuenburger Liturgiekalender, Verlag Volksliturgisches Apostolat Klosterneuenburg b. Wien, I. Band:: Weihnachtsteil; II. Band: Osterteil; III. Band: Nachpfingstteil (jeweils mit Druckerlaubnis d. erb. Ordinariates Wien vom 28.8.1937, Z. 6768).
  • Gabriel AS. Maria Magdalena, Geheimnis der Gottesfreundschaft, Betrachtungen über das innere Leben für alle Tage des Jahres, Lins Verlag, A-6804 Feldkirch; jeweils mit Imprimatur Freiburg im Breisgau; Erster Band: Vom ersten Sonntag im Advent bis zum Karsamstag (498 Seiten, Band I), Zweiter Band: Vom Ostersonntag bis zum neunten Sonntag nach Pfingsten (430 Seiten, Band II), Dritter Band: Vom Zehnten bis zum Letzten Sonntag nach Pfingsten (441 Seiten, Band III).
  • Aemilia Löhr, Das Herrenjahr, Friedrich Pustet Verlag Regensburg 1955 (6. Auflage; Imprimatur Ratisbonae, die 28 Januarii 1955 J Baldauf Vic. Gen)
  • Bernhard Willenbrink OMI (Hsgr.): Gottes Wort im Kirchenjahr, jährlich drei Bände, etwa 1952-1966, Echter Verlag Würzburg (jeweils mit Imprimatur des Würzburger Generalvikars), Band I: Advent und Weihnachtszeit, Band II: Fasten- und Osterzeit; Die Zeit nach Pfingsten.
  • Moritz Meschler: Aus dem katholischen Kirchenjahr - Betrachtungen über die kleineren Feste des Herrn, der Mutter Gottes und über die vorzüglichen Heiligen jedes Monats, vollständig in 2 Bänden Herder Verlag (Mit Imprimatur, 3., verbesserte Auflage; 416 Seiten).
  • Prosper Guéranger: Das Kirchenjahr, I-IV Abtheilung: Die heilige Adventszeit, Die österliche Zeit, Die Zeit nach Pfingsten, in 15 Bänden, Kirchheim Verlag Mainz 1892-1926 (in Frakturschrift, Autorisierte Uebersetzung. Mit bischöflicher Approbation), spätere Ausgaben teils mit mit einem Vorwort von Johann Bapstist Heinrich (f. Bd. 1, 11, 14 u. 15).

Evangelisches Kirchenjahr

  • Karl Heinrich Bieritz: Feste, Gedenk- und Feiertage in Geschichte und Gegenwart. Neu bearbeitet von Christian Albrecht. C.H. Beck Verlag (336 Seiten; erhältlich beim Mediatrix Verlag).

Siehe auch

Anmerkungen

<references />