Ansprache vom 1. Juli 1986

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Ansprache

von Papst
Johannes Paul II.
bei seinem Besuch in Sant' Anselmo auf dem Aventin
25 Jahre "Päpstliches Liturgisches Institut
1. Juni 1986

(Quelle: Der Apostolische Stuhl 1986, S. 1415-1419)
Allgemeiner Hinweis: Was bei der Lektüre von Wortlautartikeln der Lehramtstexte zu beachten ist


Hochwürdigster Abt Primas, verehrter Herr Rektor,

liebe Professoren,

liebe Studenten!

1. Ich bin gern auf den Aventin gekommen, wo das benediktinische Mönchtum seine Zentrale, seinen Sitz im Leben Roms hat. Wo ich mit euch zusammen sein kann, den Lehrern und Studenten des Athenäums, das nach dem hl. AnseIm, dem Mönch und Kirchenlehrer, benannt ist, und mit euch Benediktinermönchen, die auf diesem Hügel in den Fußstapfen eures großen Gründers sich täglich in der Suche nach Gott ("quaerere Deum") üben, die das wesentliche Programm eures Lebens ist.

Die traditionelle Verbindung von Ordensleben und Studium gibt diesem Zentrum eine besondere Atmosphäre, die sowohl das Gebet und das gemeinschaftliche Leben begünstigt wie die Vertiefung in die heiligen Wissenschaften. Mit großer Freude habe ich mit euch die Vesper gesungen in der Form, wie ihr sie jeden Sonntag feiert. Und mit großer Freude grüße ich jetzt den Abt und die Mönchsgemeinschaft, den Rektor des Athenäums, die Professoren und Studenten. Zu meiner Freude gehört auch die Feststellung, dass im Lehrkörper wie unter den Studenten viele Nationen vertreten sind, viele Orden und Ortskirchen. Allen, die hier zugegen sind, meinen sehr herzlichen Gruß.

Ich möchte auch die wertvolle tägliche Arbeit für die Förderung der theologischen Studien würdigen, die ihr, vor allem auf liturgischem Gebiet, leistet, nicht nur zum Nutzen der Benediktiner-Konföderation, die hier ihr internationales Bildungszentrum hat, sondern zum Nutzen der ganzen katholischen Kirche.

Daher fühle ich das Bedürfnis, die Arbeiten und Initiativen zu ermutigen, die hier betrieben werden, das Ergebnis brüderlicher Zusammenarbeit und fruchtbarer Einheit der Studien von Wissenschaftlern aus allen Erdteilen, die dennoch ihre unterschiedliche Mentalität und Kultur zu koordinieren und harmonisieren wissen, zum Nutzen von Aufrechterhaltung und Aufbau dieser Institution.

2. Ich denke in diesem Moment an ein besonders bedeutsames Zusammentreffen von Ereignissen im Leben des Athenäums. Damit möchte ich auf das 25jährige Jubiläum der Gründung des Liturgischen Instituts durch Papst Johannes XXIII. anspielen, dem mein Vorgänger seligen Angedenkens das Recht einräumte, sich "Päpstliches Institut" zu nennen, als Beweis des Vertrauens, das er ihm schenken wollte, wie auch der Erwartungen, die er für eine spezifische Zusammenarbeit in ständiger Abstimmung mit den Weisungen und Programmen des Heiligen Stuhls mit dieser Gründung verband.

Der Hauptzweck eures Instituts, das vor Beginn des II. Vatikanischen Konzils gegründet wurde und sich während seiner Durchführung konsolidierte, ist, wie ihr wisst, ein Studien- und Forschungszentrum zu sein, das der Liturgiereform des Konzils eine wissenschaftliche Grundlage gibt. Das ist ein Ziel von erstrangiger Bedeutung. Denn die Erneuerung der Liturgie hat "dem Leben der Kirche, ja dem gesamten religiösen Fühlen und Handeln unserer Zeit eine eigene Note" gegeben (SC 43).

Die liturgische Erneuerung hatte zur Folge, dass die Feier des Gottesdienstes sich stärker dem Wert einer verständigeren und aktiveren Beteiligung des ganzen Gottesvolkes öffnete. Das führte zu dem anschließenden Bedürfnis, bei den liturgischen Feiern die Rolle der Priester und der Gläubigen klarer zu präzisieren, damit in Erfüllung der eigenen Aufgabe jeder alles und nur das tue, was in seine Zuständigkeit fällt, so dass schon in der Ordnung der Feier deutlich wird, dass die Kirche sich aus verschiedenen Ämtern und Diensten bildet (vgl. Institutio generalis Missalis Romani, Nr. 58).

Man fühlte außerdem das Bedürfnis, den Riten bei ihrer zeremoniellen Entfaltung mehr Schönheit zu geben. Die Zeremonien sind, mit der nötigen Sorgfalt und inneren Teilnahme vollzogen, wie die Erfahrung lehrt, der Weg, um den Reichtum der göttlichen Geheimnisse zu offenbaren und den gutvorbereiteten Seelen fruchtbarer mitzuteilen.

3. Die Verwirklichung dieser Aufgaben, liebe Brüder, kommt euch zu, die ihr als Söhne des hl. Benedikt von eurem Gründer das Gebet erhalten habt: "nihil operi Dei praeponatur" - "Dem Gottesdienst werde nichts vorgezogen" (Reg. S.Ben. 43,3). Diese lapidare Vorschrift wurde im Lauf der vergangenen Jahrhunderte verschieden interpretiert und ins Leben umgesetzt, aber sie hat sicher viel zur Gestaltung des christlichen Europa beigetragen. Zuletzt hat die Restauration des benediktinischen Mönchtums in Gründungen wie Solesmes und Beuron das Zeichen einer besonderen Aufmerksamkeit für die Liturgie getragen. Diese Tatsache ist heute als Ausgangspunkt dessen anerkannt, was dann die liturgische Bewegung unserer Zeit genannt wurde.

Im übrigen kann diese Vorschrift der Regel die anderen Christen nicht gleichgültig lassen, die vom Glauben belehrt sind, im Gottesdienst den höchsten Gipfel aller menschlichen Tätigkeit zu sehen. Daher hat das Institut mit Recht seine Pforten auch Professoren und Studenten, die keine Benediktiner sind, geöffnet. Damit begünstigte es sowohl den Zustrom neuer und wertvoller Kräfte zu diesem Zentrum wie auch einen breiteren und entscheidenderen Einfluß auf die Kirchen der ganzen Welt.

Die Pflicht zum Gottesdienst bleibt aber zunächst euer Kennzeichen, Söhne des hl. Benedikt. Denn ihr könnt aus ihrer hochherzigen und getreuen Verwirklichung Anstöße für das Leben eurer monastischen Gemeinschaften und ihre Ausstrahlung auf die christliche Gemeinschaft schöpfen. Muss euer in Gott verborgenes Leben nicht ganz nach dem Modell des liturgischen Lebens der Kirche geformt sein, wie es die Konstitution Sacrosanctum concilium beschreibt: "zugleich göttlich und menschlich, sichtbar und mit unsichtbaren Gütern ausgestattet, voll Eifer der Tätigkeit hingegeben und doch frei für die Beschauung, in der Welt zugegen und doch unterwegs" (Nr. 2)?

Im Rahmen eurer Institutsarbeit kann ich hier nur den Nutzen und die Bedeutung der Ausbildung von theologischen und pastoral-liturgischen Experten unterstreichen, die in der Lage sind, den Diözesen und ganz allgemein allen christlichen Gemeinschaften mit Rat und Tat zu helfen. Aber auch von qualifizierten Lehrern in der liturgischen Bildung des Klerus, der Ordensmänner und -frauen, überhaupt aller Christen, die den Wunsch haben, ihre Vertiefung in das liturgische Leben, "die Quelle und den Höhepunkt" des ganzen kirchlichen Lebens, reifen zu lassen.

Eine Aufgabe, die unter diesem Gesichtspunkt eine weitere Forschung und wissenschaftliche Arbeit verlangt, ist das, was man die "Inkulturation" der Liturgie nennen könnte, also die Aktualisierung, die die nationalen Bischofskonferenzen in Gemeinschaft mit dem Heiligen Stuhl den geeignetsten Weisen und Formen, den katholischen Kult zum Ausdruck zu bringen, der seinem Wesen nach immer und überall der gleiche ist, geben können, in Übereinstimmung mit dem, was aus den religiösen Traditionen der verschiedenen Völker und Kulturen als wertvoll übernommen werden kann. Lehrer und Vorbilder dieser Methode der Pastoral sind die Heiligen Kyrill und Method, von denen ich in der Enzyklika Slavorum apostoli gesprochen habe.

Auch der ökumenische Austausch kann zur Bereicherung des liturgischen Erbes nützlich sein. In diesem Hinblick möchte ich mich darauf beschränken, an die Wichtigkeit eines lebendigen und fruchtbaren Kontakts zwischen der westeuropäischen liturgischen Tradition, die mehr den Aspekt der Gemeinde und der Teilnahme am Gottesdienst unterstreicht, und der östlichen, die empfänglicher für die mystischen und sakralen Aspekte ist, bei Wahrung der eigenen Identität, zu erinnern.

Ich vertraue darauf, dass dieses liturgische Institut mit immer grösserer Vitalität seinen Dienst an der Kirche weiterführt und mit der Feier seines 25jährigen Jubiläums einen neuen Aufschwung nimmt, in voller Treue zur liturgischen Tradition und zum authentischen Geist der vom II. Vatikanischen Konzil bewirkten Reform.

4. Ein Wort möchte ich auch einem anderen jetzt bevorstehenden Ereignis vorbehalten: dem Jubiläum der Gründung des Athenäums. Wie das Liturgische Institut verdankt auch eure Universität ihr Dasein einem Papst, dem unvergesslichen Leo XIII., der sie als kulturelles und spirituelles Zentrum der ganzen Benediktiner-Konföderation gründete. Nahe beim Stuhl des Petrus muss sie sich auch heute dieser Funktion voll bewusst sein, die mehr eine Verantwortung bedeutet als einen Ruhm. Bei dieser Aufgabe verdient sie sicher die moralische und materielle Unterstützung der ganzen benediktinischen Familie, denn sie hat den Zweck, ihr zu dienen und sie würdig im Gesamt der Kirche, aber auch der Gesellschaft und Kultur zu repräsentieren.

Der hl. Schutzpatron, dem die Abtei und das Athenäum anvertraut sind, der große Kirchenlehrer Anselm von Aosta, Erzbischof von Canterbury, sei für euch heute noch mehr als je ein Lehrer des geistlichen Lebens, vor allem in dem brennenden Durst nach der Beschauung Gottes und dem Wunsch, in "demütiger Weisheit", wie er sagte, die unaussprechlichen Abgründe seines Geheimnisses der Güte und Schönheit zu erforschen.

Der hl. Anselm ist auch heute noch ein Meister der theologischen Methode, also des rechten und nüchternen Gebrauchs der Vernunft, durch den sie, ausgehend von den Grundsätzen des Glaubens und den Gegebenheiten der Offenbarung, dazu beiträgt, diese durch geeignete Argumente der Konvenienz zu erklären und in ihrer unerschöpflichen Verständlichkeit zu ergründen. So ist auch das Ziel zu verstehen, das er sich in seinem berühmten Proslogion vorgenommen hatte: "Utrum probari possit id, quod de Deo creditur et praedicatur" ("ob bewiesen werden kann, was von Gott geglaubt und gepredigt wird"). Es geht nicht darum, die Wahrheiten des Glaubens auf die Grenzen der Vernünftigkeit zu beschränken, denn damit würden sie zerstört. Es geht vielmehr darum, sich mittels der Vernunft von diesen Wahrheiten erleuchten und führen zu lassen, ihre Bedeutung und ihren Einfluss auf das konkrete Leben ins Licht zu stellen. Wenn sie so handelt, bestätigt die Vernunft, auch wenn sie in ihren natürlichen Grenzen bleibt, mehr als je sich selbst und damit die Würde des Menschen.

Der benediktinische Lehrer greift den Aphorismus des Augustinus wieder auf "Credo ut intelligam" (Ich glaube, damit ich verstehe"), der schon die Grundlage der ganzen theologischen Arbeit der Väter war, und machte ihn auf neue Art wieder lebendig, indem er das Verständnis des Glaubens durch die Hilfsmittel der Dialektik und Metaphysik vervollkommnete. So leitete er die der spekulativen und scholastischen Theologie eigene Methode ein, die in der Folgezeit soviel Erfolg hatte, vor allem durch den hl. Thomas von Aquin, bis in unsere Tage. Der hl. Anselm erinnert alle, aber besonders die, die wie ihr, als Lehrer und Studenten, ihre Verstandeskräfte dem Studium der Theologie widmen, daran, dass die Erkenntnis der göttlichen Geheimnisse nicht so sehr vom menschlichen Geist gewonnen wird, sondern vielmehr ein Geschenk ist, das Gott den Demütigen und den Glaubenden macht.

5. Ich hoffe, dass auch ihr, in den Fussstapfen dieses berühmten und heiligen Lehrers des christlichen Denkens, den Menschen unserer Zeit dieses Empfinden für die göttlichen Wirklichkeiten geben könnt und den Wunsch, sie mittels einer vom Glauben erleuchteten Erkenntnis zu durchdringen. Wenn es auch wahr ist, dass schon die natürliche Vernunft etwas von der Existenz Gottes erkennen kann, so bleibt es doch immer wahr, dass die authentische Erfahrung seines unaussprechlichen Geheimnisses uns nur durch das gläubige Hören auf sein Wort möglich ist, so dass wir nur im Glauben ohne Grenzen eine volle Erkenntnis der göttlichen Wirklichkeit besitzen können.

Mit diesen Gedanken und Hoffnungen rufe ich über euch - mit der Fürbitte des hl. Anselm - den Überfluss der Gaben des heiligen Geistes herab und erteile euch allen von Herzen meinen Segen.