Bernhard von Clairvaux: Sermones super Cantica Canticorum

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Sermones super Cantica Canticorum (Predigten über das Hohelied) sind Homilien des Kirchenlehrers Bernhard von Clairvaux zum Hohelied der Liebe König Salomos. Er verfasste davon 86 in den Jahren 1135 bis zu seinem Tod 1153. Sie enthalten Unterweisungen in den Grundlagen des Glaubens und des geistlichen Lebens mit anthropologischer Tiefe und psychologischer Gültigkeit.

Die Sermones sind Bernhards umfangreichstes und inhaltlich bedeutendstes Werk.<ref>Bernhard von Clairvaux: Sämtliche Werke, lateinisch-deutsch, Bd. V: Sermones super Cantica Canticorum - Predigten über das Hohelied 1-38, Tyrolia Verlag Innsbruck 1994, Einleitung von Ulrich Köpf, S. 37.</ref> Die fortlaufende Auslegung des Hohenliedes beginnt von Kapitel 1, Vers 1, bis Kapitel 3, Vers 1, bricht jedoch im letzten Abschnitt unvermittelt ab. Bernhard hat für sie keine Überschriften und Zwischentitel formuliert, die einzelnen Abschnitte sind jedoch bereits in der handschriftlichen Überlieferung voneinander abgegrenzt.<ref>Bernhard von Clairvaux: Sämtliche Werke, lateinisch-deutsch, Bd. V: Sermones super Cantica Canticorum - Predigten über das Hohelied 1-38, Tyrolia Verlag Innsbruck 1994, Einleitung von Ulrich Köpf, S. 28.</ref> Die Predigten sind von sechs bis zehn Seiten Länge.<ref>Bernhard von Clairvaux: Sämtliche Werke, Bd. V 1994, Schutzumschlag.</ref> Die Sinnschichten des Hoheliedes, die Bernhard herausarbeitet, sind die ekklesiologische (geistliches Leben der Gemeinschaft) und die mystische (geistliches Leben des Einzelnen), wobei konkrete Ereignisse, teils weit schweifend, eingewoben sind.<ref>Bernhard von Clairvaux: Sämtliche Werke, Bd. V 1994, Einleitung von Ulrich Köpf, S. 37+38.</ref>

Spiritueller und theologischer Gehalt

In der Geschichte des Christentums wurde das Hohelied der Liebe König Salomos zu einer Quelle theologischer Erkenntnis über die Kirche, das geistliche Leben und Maria, der Mutter Jesu Christi. Das ist umso erstaunlicher, als in dieser Liebesdichtung keine Rede von Gott ist. Das Mittel, um in ihr tiefe religiöse und theologische Einsichten aus den genannten Gebieten zu entdecken, bot die Allegorese. Auch Bernhards Sermones verlangen geduldige Versenkung in die das ganze Werk beherrschende allegorische Auslegungsmethode der Sammlung hebräischer Gesänge der Bibel. Ihr Verständnis wird leichter, wenn man ihren geschichtlichen Hintergrund kennt.<ref>Bernhard von Clairvaux: Sämtliche Werke, Bd. V 1994, Einleitung von Ulrich Köpf, S. 34.</ref><ref>Diese Form der Schriftauslegung war in der vorchristlichen Philosophie der Griechen, vor allem in der Stoa, bereits zur Virtuosität entwickelt worden. Sie ermöglichte es, hinter dem Wortlaut von Dichtungen wie Homers Ilias und Odyssee einen verborgenen, passenderen oder tieferen Sinn zu erfassen und damit auch anstößige Äußerungen zu entschärfen. Nach dem Vorbild der griechischen Homerexegese wandte das hellenistische Judentum (Philon von Alexandreia) die Allegorese auf die Deutung des Alten Testaments an. In der Reihe der christlichen Theologen gebrauchte bereits der Apostel Paulus diese Auslegungsmethode ({{#ifeq: Brief des Paulus an die Galater | Bernhard von Clairvaux: Sermones super Cantica Canticorum |{{#if: Gal|Gal|Brief des Paulus an die Galater}}|{{#if: Gal |Gal|Brief des Paulus an die Galater}}}} 4{{#if:24|,24}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}). Sie wurde rasch in der Christenheit heimisch und beherrschte seitdem die Schriftauslegung bis zum Humanismus des Spätmittelalters. Erst durch die seit dem 18. Jahrhundert entwickelte echt historische Geschichtsbetrachtung wurde ihre Geltung nachhaltig in Frage gestellt. Inzwischen ist sie so weitgehend durch die Suche nach dem treuen Wortsinn verdrängt, dass ihr Gebrauch in der Exegese den heutigen Leser in Verlegenheit setzt. Auch Bernhards Sermones super Cantica Canticorum verlangen vom Leser geduldige Versenkung in die das ganze Werk beherrschende allegorische Auslegungsmethode der Sammlung hebräischer Gesänge der Bibel. Ihr Verständnis wird aber leichter, wenn man ihren geschichtlichen Hintergrund kennt. aus: Bernhard von Clairvaux: Sämtliche Werke, Bd. V 1994, Einleitung von Ulrich Köpf, S. 33+34.</ref> Bereits im Judentum waren Allegorese und religiöse Deutung des Hohenliedes eng miteinander verbunden. Seine profane Auffassung als Hochzeitslied wurde schon früh verworfen, dagegen die religiöse Auslegung auf das Verhältnis Gottes zu Israel nach dem Vorbild alttestamentlicher Vorstellungen vom Bund Gottes mit seinem Volk als Liebesbeziehung, Brautschaft und Ehe für verbindlich erklärt. Die Kirchenväter haben an die jüdische Allegorese angeknüpft, aber auch auf paulinische Aussagen (z. B. {{#ifeq: 2. Brief des Paulus an die Korinther | Bernhard von Clairvaux: Sermones super Cantica Canticorum |{{#if: 2 Kor|2 Kor|2. Brief des Paulus an die Korinther}}|{{#if: 2 Kor |2 Kor|2. Brief des Paulus an die Korinther}}}} 11{{#if:2|,2}} Kor%2011{{#if:2|,2}}/anzeige/context/#iv EU | BHS =bibelwissenschaft.de">Kor%2011{{#if:2|,2}}/anzeige/context/#iv EU | #default =bibleserver.com">EU }}) zurückgegriffen.<ref>Bernhard von Clairvaux: Sämtliche Werke, Bd. V 1994, Einleitung von Ulrich Köpf, S. 33+34.</ref>

Themen

Bernhard schuf aus großer Belesenheit in den biblischen Schriften und besonders in den Kirchenvätern wie Augustinus von Hippo, Ambrosius von Mailand und Gregor dem Großen, aus seiner pastoralen Begegnung mit gottsuchenden Menschen und aus seiner eigenen geistlichen Erfahrung immer wieder künstlerische Sprachgebilde, die den höchsten kritischen Anforderungen entsprechen. Sie erwecken den Anschein, als habe das Ringen des Menschen um Frieden, Erlösung und Gottesnähe, der Rhythmus von Umkehr, Lobpreis und Kontemplation, das Ineinander von kirchlichem Dienst, trinitarischer Sendung und erfahrener Kreatürlichkeit einen vollendeten Ausdruck gefunden.<ref>Bernhard von Clairvaux: Sämtliche Werke, Bd. V 1994, Schutzumschlag.</ref>

Die Erfahrungen des einzelnen, auf die sich Bernhard beruft, haben wenig Außergewöhnliches an sich. Man stößt bei ihm nicht auf spektakuläre Visionen und Auditionen, wie wir sie vor allem bei den mittelalterlichen Mystikerinnen finden. Es sind zunächst die Alltagserfahrungen des Mönchs, Erfahrungen des Unheils: der Anfechtung durch das Fleisch, die Welt und den Teufel, des Versagens vor der Forderung, ja, geradezu eines inneren Zwangs, der den freien Willen überwältigt, aber auch Erfahrungen des Heils: der Langmut und Nachsicht Jesu, der Stärkung und Bewährung. Obgleich sie aus der monastischen Lebenssphäre genommen sind, führen sie doch weit ins allgemein Christliche hinein. Daneben beschreibt Bernhard aber auch zahlreiche spezifisch geistliche Erfahrungen von der inneren Erschlaffung, Stumpfheit und Trägheit über den plötzlichen Umschlag von der Erstarrung zur überwältigenden inneren Bewegung bis hin zu Vorgängen, die man als ,mystisch' zu bezeichnen pflegt. Sie bilden inhaltlich wie in ihrer sprachlichen Gestaltung Höhepunkte des Werks.<ref>Bernhard von Clairvaux: Sämtliche Werke, Bd. V 1994, Einleitung von Ulrich Köpf, S. 40+41.</ref>

Inhaltsübersicht der Themen der Predigten

"Mittelpunkt" des Buches

Die Sermones sind vom programmatischen Anfang (1,8) an von Reflexionen auf die vielfältigen Beziehungen der individuellen Seele zum göttlichen Bräutigam durchzogen. Im Fortgang der Sermones rückt aber die Annäherung und Begegnung zwischen beiden immer stärker in den Vordergrund. Ein Problem ihrer Darstellung liegt darin, dass es sich um ein ganz und gar unanschauliches Geschehen handelt, das sich in seiner Unmittelbarkeit nicht ausdrücken lässt. Bernhard kann es nur annäherungsweise durch Analogien aus dem zwischenmenschlich-natürlichen Bereich beschreiben: als Besuch (visitare), als Kommen und Gehen, Anwesenheit und Abwesenheit (venire-vadere, abscedere-redire, adesseabesse), Begegnung (occurrere), Beisammensein (cum Christo esse), Gespräch (confabulatio, locutio-responsio), Verbundenheit (adhaerere) Vermischung (commixtio), Vereinigung (uniri, unum esse, unio) und Genuss (frui). Häufig verharrt er ganz in der Bildersprache des Hohenliedes, um die Suche der Seelenbraut nach ihrem Bräutigam und ihren Umgang mit dem göttlichen Wort zu schildern. Bernhard kreist diese Beziehung in immer neuen Anläufen ein: ihren Beginn, ihr Wachstum und ihre Erfüllung, ihre Wirkungen wie ihren unvermeidlichen Abbruch und dessen Folgen. Der eigentliche Höhepunkt in diesem Geschehen - die Gegenwart des göttlichen Wortes in der Seele - lässt sich freilich am schlechtesten beschreiben, ja nicht einmal erfahren. Er ist nicht nur selten, sondern auch kurz und vergänglich. Erfahrbar sind vielmehr nur seine beglückenden Wirkungen, aus denen man mit Sicherheit auf die Anwesenheit des Gegenübers schließen kann. Schon das Nahen des göttlichen Wortes bekundet sich an gewissen äußeren und inneren Zeichen, etwa an Ermahnung und Tadel in der Predigt sowie an eigener Reue und Hinwendung zu Gott, an Regungen der Liebe in uns und an einem inneren Umschwung, einer Erneuerung unseres Wesens. In all diesen Vorgängen fassen wir also nicht das Wort und sein Wirken selbst, sondern nehmen allein die Bewegung unseres Herzens wahr und können daraus auf die Anwesenheit und Wirksamkeit des Wortes schließen.<ref>Bernhard von Clairvaux: Sämtliche Werke, Bd. V 1994, Einleitung von Ulrich Köpf, S. 40+41.</ref>

Die Sermones literarisch

Bernhard führt in den Sermones eine große hellenistisch-jüdische Tradition der spekulativen Bibelauslegung (Hohelied - Allegorese) weiter.<ref>Bernhard von Clairvaux: Sämtliche Werke, lateinisch-deutsch, Bd. VI: Sermones super Cantica Canticorum - Predigten über das Hohelied 39-86, Tyrolia Verlag Innsbruck 1995, Schutzumschlag.</ref> Die Kunstprosa ist von überzeitlicher literarischer Qualität, sodass Erasmus von Rotterdam die Predigten 1522/23 in einen Katalog der zehn besten Werke der lateinischen Literatur aufnahm.<ref>Bernhard von Clairvaux: Sämtliche Werke, lateinisch-deutsch, Bd. V und VI: Sermones super Cantica Canticorum, Tyrolia Verlag Innsbruck 1994, Schutzumschlag.</ref> Die Sermones stellen sprachliche Schöpfungen von höchstem Rang dar; sie gehören zu den kunstvollsten Werken, die das lateinische Mittelalter hervorgebracht hat. Nicht nur ihr Aufbau im ganzen nach rhetorischen und literarischen Gesichtspunkten, sondern auch ihre sprachliche Durchgestaltung bis in Satzbau und Wortwahl, ja bis in die Formung einzelner Wörter hinein, verrät feinstes Stilgefühl des Autors, erfordert aber auch beim Aufnehmenden eine hochentwickelte Empfänglichkeit. Man darf davon ausgehen, dass die Sermones keine getreue Wiedergabe gehaltener Predigten sind, sondern ein sorgfältig ausgefeiltes literarisches Werk.<ref>Bernhard von Clairvaux: Sämtliche Werke, lateinisch-deutsch, Bd. V 1994, Einleitung von Ulrich Köpf, S. 30.</ref>

Entstehung

Zweifellos jedoch hat Bernhard über das Hohelied gepredigt. Davon zeugen - ganz abgesehen von den Sermones verschiedene Einzelpredigten und Predigtteile über Hohelied-Texte. Es kann jedoch nicht gefolgert werden, der Heilige habe nie eine fortlaufende Reihe von Predigten über dieses Buch des Alten Testaments gehalten. Andererseits ist aber auch sicher, dass man keine getreue Aufzeichnung der tatsächlich vorgetragenen Predigten besitzt, sondern eine in mehreren Stadien der Redaktion überlieferte, äußerst sorgfältige und kunstvolle Bearbeitung für die Veröffentlichung. Falls man nicht annehmen will, Bernhard habe schriftlich ausgearbeitete Predigten vorgelesen, sondern voraussetzt, er habe frei oder höchstens nach notierten Stichworten gesprochen, so lassen sich im Werden der Sermones folgende Vorgänge unterscheiden: Bernhard sprach (loqui, dicere), seine Sekretäre machten sich Notizen auf der Wachstafel (stilo excipere), Bernhard oder seine Sekretäre arbeiteten diese Aufzeichnungen zu einem lesbaren Text aus (scribere), Bernhard korrigierte die dadurch erzielte Fassung (corrigere) und setzte sie schließlich in Umlauf (edere). Falls er einen fertigen Text vorlas, fiel zumindest der zweite Schritt weg. Es ist auch vorstellbar, dass einzelne Predigten nicht vorgetragen, sondern nur niedergeschrieben wurden.<ref>Bernhard von Clairvaux: Sämtliche Werke, lateinisch-deutsch, Bd. V 1994, Einleitung von Ulrich Köpf, S. 31.</ref> Bernhard hat sein eigenes Exemplar der Sermones fortlaufend überarbeitet und vielfältig verbessert - vor allem in sprachlich-stilistischer Hinsicht, oft nur in Kleinigkeiten, aber in einer für sein hochentwickeltes Sprachempfinden sehr bezeichnenden Weise. Nach dem Tode des Verfassers wurden die Sermones in Clairvaux weiter bearbeitet, freilich nicht zu ihrem Vorteil, sondern vielfach in unzulänglicher und fehlerhafter Weise.<ref>Bernhard von Clairvaux: Sämtliche Werke, lateinisch-deutsch, Bd. V 1994, Einleitung von Ulrich Köpf,, S. 33.</ref>

Literatur

  • Bernhard von Clairvaux, Sämtliche Werke Gesamtausgabe (kritische Edition), lateinisch-deutsch, Hrsg. Gerhard B. Winkler, Tyrolia Verlag Innsbruck 2002 [1992-1999] (1. Auflage; Mit kirchlicher Druckerlaubnis Abbas Generalis Ordinis Cisterciensis,). Der lateinische Text wurde jeweils aus der kritischen Ausgabe "S. Bernardi Opera, ed. Jean Leclercg, Romae 1957-1958" genommen.
    • Band V: Predigten über das Hohelied 1-38 1994 (645 Seiten; ISBN 3-7022-1966-8).
    • Band VI: Predigten über das Hohelied 39-86 1995 (711 Seiten; ISBN 3-7022-2019-4).
  • Die Schriften des honigfließenden Lehrers Bernhard von Clairvaux, Erste deutsche Gesamtausgabe, Nach der Übertragung von Dr. M. Agnes Wolters S. O. Cist., hrsg. von der Abtei Mehrerau durch Dr. P. Eberhard Friedrich S. O. Cist., Georg Fischer Verlag Wittlich (Leinen, in Fraktur abgedruckt, jeweils mit Imprimatur)
    • Fünftes Buch: Das Hohelied. 86 Ansprachen über die beiden ersten Kapitel des Hohenliedes Salomons, erstes Buch, Ansprache 1-46 (über das 1. Kapitel des Hohenliedes) 1937 (382 S.).
    • Sechstes Buch: Das Hohelied. 86 Ansprachen über die beiden ersten Kapitel des Hohenliedes Salomons, zweites Buch, Ansprache 47-86 (über das zweite Kapitel und Vers 1 bis 4 des dritten Kapitels), 1938 (324 S.).

Anmerkungen

<references />