Thomas Morus
Der heilige Thomas Morus (auch Thomas More, Sir Thomas) (* 7. Februar 1477 oder 1478 in London, † 6. Juli 1535 in London), war ein Märtyrer, Philosoph und Humanist. Sein Gedenktag ist am 22. Juni, dem Sterbetag seines Weggefährten, des hl. John Fisher. Im Jahr 2000 wurde er von Papst Johannes Paul II. zum Patron der Regierenden und Politiker ernannt.
Inhaltsverzeichnis
Biografie
Thomas More erhielt seine schulische Ausbildung an der St. Anthony Lateinschule in der Threadneelde Street in London. Im Anschluss daran wechselte er als Page in den Haushalt des damaligen Lordkanzlers und Erzbischofs von Canterbury, John Morton, dem er in seiner Schrift Utopia ein ehrendes Denkmal setzte: John Morton, Erzbischof von Canterbury, Kardinal und damals Lordkanzler von England war ein Mann … der nicht weniger um seiner Klugheit und Tüchtigkeit willen als seiner angesehenen Stellung wegen Verehrung verdiente … Gewandt und eindrucksvoll war seine Rede, seine Rechtskenntnis groß, geradezu fabelhaft sein Gedächtnis – kurz, er war ein ungewöhnlich geistvoller Mann, der seine natürlichen Anlagen noch durch Studien und Übung zu steigern wusste. Im Alter von circa 15 Jahren schickte Morton seinen Zögling, von dessen ausgezeichneten Anlagen und seiner spirituellen Neigung er sich hatte überzeugen können, zum Studium nach Oxford. Thomas studierte dort mit Begeisterung Theologie, Latein und Griechisch. Sein Vater, der nicht damit einverstanden war, dass sein Sohn einen geistlichen Beruf ergriff, kürzte seine Studienzuwendungen und holte ihn nach London zurück, damit er am dortigen New Inn und ab 1496 an der renommierten Rechtsschule Lincolns Inn Jura studierte.
Thomas, der dem Ordensleben zugeneigt war, lebte dennoch von 1499 bis 1503 als Gast im Londoner Charterhouse, einer Niederlassung des Kartäuserordens, entschloss sich aber schließlich, zu heiraten, da er lieber ein reiner Ehemann als ein unkeuscher Priester sein wollte. Eine asketische Lebensführung behielt er jedoch zeitlebens bei. Seinen Entscheidungsfindungsprozess ließ er in sein 1504/05 geschriebene und 1510 erstmals veröffentlichte Life of John Picus einfließen. In ihr zeigt er, Giovanni Pico della Mirandola ein Denkmal setzend, in der Tradition der Psychomachia-Literatur den Weg des sündigen Menschen hin zu einer ethisch entwickelten christlichen Persönlichkeit. Thomas More hatte gemeinsam mit seiner Frau, Jane Colt vier Kinder: Margaret, geboren 1505, Elisabeth, geboren 1506, Cecily, geboren 1507 und John, geboren 1509. Als Jane nach sechsjähriger Ehe im Kindbett starb, heiratete Thomas Alice Middleton, die ihre Tochter Alice in die Ehe mitbrachte. Beide Frauen wurden ebenso wie seine Töchter und sein Sohn literarisch und musikalisch gefördert und exzellent ausgebildet. Thomas Lieblingstochter Margaret galt als eine der gebildetsten Frauen ihrer Zeit. Thomas verteidigt die in seiner Zeit unübliche Bildung für Frauen in seiner Schrift Die Apologie der weiblichen Bildung aus dem Jahr 1518: Weil Gelehrsamkeit bei Frauen neu und ein Vorwurf an die Trägheit der Männer ist, werden viele sie kritisieren … Sollte aber eine Frau ihrer außergewöhnlichen Tugend nicht das Bollwerk einer vielleicht nur mäßigen Kenntnis der Literatur hinzufügen, dann wird sie mehr realen Nutzen daraus ziehen, als hätte sie den Reichtum eines Croesus und die Schönheit einer Helena. Nicht deshalb, weil Bildung ihr zum Ruhme gereichen wird, obwohl Tugend und Bildung sie begleiten wie der Schatten den Körper, sondern weil der Lohn der Weisheit zu gut fundiert ist, als dass er mit Reichtümern verloren werden oder mit der Schönheit vergehen könnte; denn er beruht auf dem verborgenen Wissen dessen, was recht ist, und nicht auf dem Gerede der Männer.
Thomas arbeitete nach dem 1501 abgelegten juristischen Examen als Rechtsanwalt und wurde 1504 Mitglied des englischen Parlaments, wo er, was große Aufmerksamkeit erregte, gegen die von Heinrich VIII. geforderte Steuererhöhung in Form einer Beihilfe von 90.000 Pfund anlässlich der Heirat von Heinrichs Tochter Margarete mit Jakob IV. von Schottland argumentierte und erreichte, dass diese vom Parlament abgelehnt wurde. In der Folge ließ Heinrich Thomas Vater aus fadenscheinigen Gründen im Tower einkerkern. Thomas musste 100 Pfund Kaution für seine Freilassung zahlen. Deshalb agierte er nach seiner 1510 erfolgten erneuten Wahl ins Parlament diplomatischer. Neben seiner parlamentarischen Tätigkeit arbeitete er als Untersheriff und lehrte Jura am Lincolns Inn. Heinrich VIII. nahm ihn zunächst als Diplomat in seine Dienste und bot ihm eine jährliche Pension an, die Thomas aber ablehnte, weil er überzeugt war, dann als Untersheriff das Vertrauen der Bürger zu verlieren. Während dieser Zeit verfasste er sein Hauptwerk "Utopia". 1518 wurde Thomas Master of Request und gab, da er als hoher Richter am Court of Request, einem mobilen Armengericht des Königs abwechselnd in Woodstock und Greenwich Dienst tat, das Amt des Untersheriff auf. Er arbeitete stattdessen zusätzlich als Sekretär Heinrichs VIII., eine Funktion, in der er die Korrespondenz des Königs mit dessen Lordkanzler Wolsey vermittelte, begleitete zahlreiche Gesandtschaften und wurde 1521 zum Subtreasurer und in den Adelsstand erhoben. Da der Lord-High-Tresurer überwiegend repräsentative Aufgaben wahrnahm, verwaltete Thomas faktisch die Staatsfinanzen. Seine zu dieser Zeit veröffentlichte Meditation über den Tod, das Jüngste Gericht und die Hölle mit dem Titel The four last things gilt als eine Reflektion, dieThomas bewusst als Gegengewicht zu seinen weltlichen Aufgaben schrieb. 1523 wurde er zum Sprecher des Parlamentes ernannt.
Nach seinem Ritterschlag schrieb er für Heinrich VIII. eine Streitschrift, die sich gegen Martin Luther richtete. Zu dieser Zeit war der englische König noch katholisch und wurde unter anderem vom Papst mit dem Titel "Verteidiger des Glaubens" geehrt. 1529 wurde Thomas More Lordkanzler von England, ein Amt, das er jedoch drei Jahre später wieder niederlegte. In dieser Zeit versuchte Heinrich VIII. die Anullierung seiner Ehe zu erreichen, was Rom ihm jedoch verweigerte. Als Reaktion setzte sich der König selbst an die Spitze der englischen Kirche und heiratete erneut. Thomas Morus legte deshalb am 16. Mai 1532 das Amt des Lordkanzlers nieder, gab aber gesundheitliche Gründe an. Das Parlament erließ zwei Gesetze, die zum einen verlangten, dass der Klerus sich auf den König vereidigen lasse, und zum anderen führten sie einen Eid ein, der die Legitimität der Kinder der neuen Ehe beinhaltete. Dieser "Act of Succession" musste von Personen abgelegt werden, die vorgeladen wurden. Thomas More verweigerte den Eid aus Gewissensgründen, die zu benennen er sich weigert - wohl wissend, dass eine juristisch korrekte Verurteilung so erschwert würde. Tatsächlich erfolgte das Urteil letztlich aufgrund eines Meineides des Kronanwalts Richard Rich, der angab, Thomas habe hochverräterische Äußerungen getan. Als Thomas die Aussichtslosigkeit des Verfahrens erkannte,entschloss er sich dann zu einer umfassenden Begründung seiner Weigerung. Seine Rede ist ein fabelhaftes Beispiel für Moralität in einer moralisch verkommenen Politszene und ein bewegendes Plädoyer für die Freiheit des Gewissens. Thomas Morus wurde am 6. Juli 1535 auf dem Schafott vor dem Tower hingerichtet.
Die Seligsprechung von Thomas More erfolgte 1886, heilig gesprochen wurde er 1935. Angesichts seines Lebenslaufes galt die Heiligsprechung als ein Zeichen Roms gegen den Nationalsozialismus.
Das heute bekannteste Werk des berühmten Renaissancegelehrten ist seine Utopia, jenes bemerkenswerten literarischen Werkes, in dem Thomas den Gedanken an ein ideales Staatswesen in einem philosophischen Dialog entfaltet. 1516 erstmals veröffentlicht gab die Utopia den Anstoß zu vielen weiteren Sozialutopien. Morus beschreibt Utopia als Gemeinwesen ohne Privateigentums. Geld wird nur für den Außenhandel oder die Bezahlung von Söldnern verwendet, denen die Utopier die Kriegsführung übertragen. Als wegweisend galt die religiöse Toleranz des gedachten säkularen Staates und die kibbuzähnliche Organisation des Alltagslebens mit Gemeinschaftsküchen, gleichberechtigter Arbeit beider Geschlechter und einer optimalen Krankenversorgung.
Die größte Sammlung mit Literatur von und über Thomas Morus in Deutschland befindet sich derzeit in der Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf. Das sogenannte Morianum der Forschungsstelle für englische Renaissance war eine Zeit lang auch Sitz und Zentrum der inzwischen aufgelösten Thomas-Morus-Gesellschaft.
Werke
- Die Briefe des heiligen Thomas More aus dem Gefängnis (The last Letters of blessed Thomas More), übertragen und eingeleitet von Karlheinz Schmidthüs, (Reihe: Zeugen des Wortes, Band 2) Herder Verlag Freiburg im Breisgau 1938/1951 (1./4. Auflage, 89 Seiten).
- Gebete und Meditationen, herausgegeben von Hubertus Schulte Herbrüggen, Kösel Verlag München 1983 (110 Seiten).
Literatur
- Thomas Mertz: Thomas Morus begegnen, (aus der Reihe: Zeugen des Glaubens), Sankt Ulrich Verlag Augsburg 2011 (169 Seiten, kart., ISBN 978-3-86744-078-3); Paulinus Verlag Trier (kart., ISBN 978-3-7902-5797-7).
- Peter Berglar: Die Stunde des Thomas Morus – Einer gegen die Macht, Freiburg, 1978; Adamas-Verlag, Köln, 1998 ISBN 3925746781.
- Henri Bremond: Thomas Morus. Lordkanzler, Märtyrer und Held. Ein Hochbild heroischen Mannestumes. Josef Habbel Verlag 1935 (302 Seiten).
- Florian Kopp: "Des Königs treuer Diener, doch Gottes zuerst!" Thomas Morus - Märtyrer des Gewissens, in: Gerhard Stumpf (Hrg.): Gewissen, Wahrheit, Menschenwürde - Berichtband der 11. Theologischen Sommerakademie, Dießen 2003 als PDF-Datei.
- Franz Xaver Mäder: Reihe: Lebensbilder Thomas Morus : Märtyrer des Gewissens Kanisius Verlag Freiburg/Schweiz; Kanisiuswerk Konstanz 1989 (31 Seiten; ISBN 3857642939).
- R. W. Chambers: Thomas More. Ein Staatsmann Heinrichs VIII. Kösel Verlag München 1946 (467 Seiten).
- Hans Peter Heinrich: Thomas Morus, rororo, Hamburg, 1984.
- Josef Seufert: Thomas Morus, Topos, Kevelaer, 1999.
Päpstliche Schreiben
- 19. Mai 1935 Predigt zur Heiligsprechung von Thomas Morus (1477-1535) und John Fisher (um 1459-1535)
- 31. Oktober 2000 Motu proprio E sancti thomae mori zur Ausrufung als Patron der Regierenden und Politiker.
Weblinks
- Eintrag in der Catholic Encyclopedia (engl.)
- Rundbrief der Benediktinerabtei St-Joseph de Clairval von Flavigny