Signum magnum (Wortlaut)
Signum magnum |
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von Papst
Paul VI.
an alle Bischöfe, die in Eintracht mit dem Apostolischen Stuhle leben
zum fünfzigsten Jahrestag der ersten Erscheinung in Fatima am 13. Mai 1917
über die Notwendigkeit der Verehrung und Nachfolge Mariens, der Mutter der Kirche und Vorbild aller Tugenden
13. Mai 1967
(Quelle: Das große Zeichen, Signum magnum, Papst Paul VI. über die Frau, die Mutter, herausgegeben: Die Frau aller Völker – deutschsprachige Arbeitsgemeinschaft, Pattloch Verlag Aschaffenburg 1971, S. 3-23; Die fehlenden Anmerkungen wurden nach der lateinischen Fassung ergänzt und an die deutsche Sprache teils angeglichen; auch in: Rudolf Graber/Anton Ziegenaus: Die marianischen Weltrundschreiben der Päpste von Pius IX. bis Johannes Paul II., Einführung von Prof. Dr. Leo Scheffczyk; Herausgabe im Auftrag des Institutum Marianum e.V.; Schnell & Steiner Verlag Regensburg 1997; 3. erweiterte und überarbeitete Auflage, Seiten 299-309)
Allgemeiner Hinweis: Was bei der Lektüre von Wortlautartikeln der Lehramtstexte zu beachten ist |
Inhaltsverzeichnis
- 1 Hintergrund
- 2 Einleitend
- 3 Hinweis auf das Konzil von Ephesus und das II. Vatikanum
- 4 Fatima und die geistige Mutterschaft Mariens
- 5 Das Gesetz des Glaubens bestimmt das Gesetz des Betens
- 6 Maria, die Mutter der Kirche
- 7 Geistige Mutter durch ihre Fürsprache beim Sohn
- 8 Mütterliche Erzieherin der Kirche durch ihr Vorbild
- 9 Maria, bewährt sich durch ihr Mittun
- 10 Beispiele ihres Lebens im Evangelium
- 11 Dienerin des Herrn, von Nazareth bis zur leiblichen Aufnahme in den Himmel
- 12 Verpflichtung zu Lob und Dank an die Mutter der Kirche
- 13 Die wahre Verehrung der Mutter Gottes beachtet deren Eigenschaften
- 14 Durch Maria zu Jesus
- 15 Die neue Eva, Zuversicht des Neuen Bundes
- 16 Marias Aufruf zum Gebet, zur Umkehr und zur Ehrfurcht vor Gott
- 17 Die Kirchengeschichte, überzeugender Beweis für die gnadenerfüllte Gegenwart der Frau und Mutter
- 18 Das Mutterherz, Zeichen der Eintracht, Ansporn zur Nächstenliebe
- 19 Einladung zur persönlichen Weihe an ihr Unbeflecktes Herz
- 20 Anmerkungen
- 21 Weblinks
Hintergrund
Papst Paul VI. besuchte den Wallfahrtsort in Portugal und würdigte die Ereignisse in Fatima mit diesem apostolischen Schreiben.
Einleitend
1 Das Große Zeichen, das der heilige Apostel Johannes am Himmel sah<ref> vgl. Offb 12, 1</ref>, die Frau, von der Sonne umkleidet, wird von der Liturgie der katholischen Kirche<ref>vgl. Lesung der Messe am Fest der Erscheinung der Unbefleckten Jungfrau, 11. Februar.</ref> zurecht gedeutet als die Allerseligste Jungfrau, die, aufgrund der Gnade Christi, die Mutter aller Menschen ist.
Hinweis auf das Konzil von Ephesus und das II. Vatikanum
2 Bewegt und ergriffen denken wir zurück an die Verkündigung der Dogmatischen Konstitution über die Kirche zum Abschluss des Vatikanums II. Sie begann mit den Worten: «Das Licht der Völker!»<ref>vgl. AAS 57 (1965), S. 1-67.</ref> -In ihr haben wir die ganze Schöpfung überragende Mutter Gottes zur Mutter der Kirche proklamiert. Wir haben sie als die Mutter aller an Christus Glaubenden herausgestellt und damit auch, als die Mutter aller, die durch ihre besondere Sendung priesterliche Sorgeträger sind.
An dieser Feier haben zahlreiche Konzilsväter und Gläubige teilgenommen. Mit ihnen war voller Freude eine große Anzahl Gläubiger auf dem ganzen Erdkreis verbunden. Vielen wurde an diesem Tage wieder bewusst, welch alles überragende Verherrlichung der demütigen Magd des Herrn<ref>vgl. Lk 1, 38</ref> zuteil wurde, als die Bischöfe aus Ost und West während des Konzils von Ephesus im Jahre 431 Maria einstimmig als die Mutter Gottes begrüßten. Freudig bewegt vereinigten sich damals die Bewohner von Ephesus mit den Konzilsvätern. Mit brennenden Fackeln geleiteten sie diese in ihre Häuser.
Welch große Freude für das mütterliche Herz Marias! - Jene Stunde gehört zu den bedeutendsten der Kirchengeschichte. Sie, die Jungfrau, sah auf die Gläubigen und Hirten. Diese aber sangen das Lob des göttlichen Sohnes und damit auch das Lob der Gottesmutter. Sie sangen den prophetischen Lobgesang, den die Mutter Gottes, vom Heiligen Geist erfüllt, selbst dem Allerhöchsten gesungen hat: «Hoch preist meine Seele den Herrn! Er hat herabgeschaut auf seine niedrige Magd. Siehe, von nun an werden mich selig preisen alle Geschlechter, denn Großes hat an mir getan, der mächtig ist. ..»<ref>Lk 1, 46.48-49</ref>
Fatima und die geistige Mutterschaft Mariens
3 Anlass zu diesem Schreiben sind die Feiern, die in diesen Tagen zu Ehren der Allerseligsten Jungfrau in Fatima stattfinden. Dort verehren Scharen von Gläubigen sie wegen ihrer immer zur Barmherzigkeit neigenden Mütterlichkeit.<ref>Radioansprache Pius XII, 13 Mai 1946, Lusitaniae christifidelibus datus, sollemnia celebrantibus ad templum B. Mariae Fatimensis, aurea corona nomine Summi Pontificis redimitae: AAS 38 (1946) S. 264.</ref>
Und deshalb wollen Wir immer wieder alle Kinder der Kirche auf die Dogmatische Konstitution über die Kirche hinweisen, die mit den Worten beginnt: «Das Licht der Völker!»<ref>vgl. Kap. VIII, par. III, De Beata Virgine et Ecclesia: AAS 57 (1965) S. 62-65.</ref> - Denn in ihr ist der Zusammenhang zwischen der geistigen Mutterschaft Mariens für alle Erlösten und den Verpflichtungen der erlösten Menschen ihr gegenüber als der Mutter der Kirche ausführlich dargelegt.
Betrachten wir die Zeugnisse der Kirchenväter und der Heiligen Schrift. Sie sind in der Dogmatischen Konstitution über die Kirche dargelegt worden. Sie geben Zeugnis davon, dass Maria die Mutter Gottes mit dem göttlichen Erlöser<ref>vgl. Ebd., n. 53, p. 58.</ref> durch ein unauflösliches Band<ref>vgl. Ebd.</ref> vereint ist. Sie hat ihm in einzigartiger Weise gedient, sowohl bei der göttlichen Menschwerdung, als auch, im Rahmen der Gnadenordnung des Heilsgeschehens<ref>Ebd.. n. 55, S. 59.</ref> für die Menschheit, beim Werden des alles umfassenden mystischen Leibes Christi.<ref>Ebd., n. 54, S. 59.</ref>
Wird uns das klar, dann wird uns auch bewusst, dass die Jungfrau und Gottesgebärerin nicht nur als Mutter Gottes, sondern auch, durch einen besonderen Kult<ref>vgl. Dogm. Konstitution über die Kirche “Lumen gentium” , n. 66: AAS 57 (1965) S. 65.</ref>, zurecht als die Mutter der Kirche<ref>Allocutio in Vaticana Basilica ad Patres Conciliares habita, die festo Praesentationis B.M.V., tertia exacta Oecumenicae Synodi sessione: AAS 56 (1964) p. 1016.</ref> verehrt wird.
Das Gesetz des Glaubens bestimmt das Gesetz des Betens
4 Habt keine Furcht, die Reform der Liturgie könne der einzigartigen Größe und Ehre Marias auch nur den geringsten Abbruch tun, vor allem dann nicht, wenn man sich an die Formel hält: «Das Gesetz des Glaubens bestimmt das Gesetz des Betens!»<ref>Pius XII., Enzyklika „Mediator Dei“ AAS 39 (1947) S. 541.</ref>
5 Aber seid auch nicht besorgt, dass die persönliche<ref>vgl. Dogm. Konstitution über die Kirche “Lumen gentium”, n. 66: AAS 57 (1965) p. 65.</ref> oder liturgische Verehrung der Mutter Gottes dem «Fleisch gewordenen Worte Gottes», dem Vater oder dem Heiligen Geist<ref>Ebd., n. 66, S. 65.</ref> Abbruch tun könne, oder deren Bedeutung verdunkeln oder mindern könne. Es ist darum auch nicht unsere Absicht, wiederum die Fülle der überlieferten Lehre über die Aufgabe der Mutter Gottes in der Ordnung des ewigen Heils vorzutragen und alle ihre Aufgaben, die so sehr denen der Kirche entsprechen, aufzuzählen. Doch wir glauben ein Werk von Bedeutung für jeden Gläubigen zu tun, wenn wir zwei bedeutende Glaubenswahrheiten für die Erneuerung des Lebens der Christen herausheben!
Maria, die Mutter der Kirche
6 Maria ist die Mutter der Kirche! Vor dieser erstrangigen Wahrheit stehen wir. Sie ist die Mutter Jesu Christi und Ihm, als «Gefährtin in der neuen Heilsordnung», eng verbunden. Sie war die «Gehilfin» des Sohnes Gottes, als er die menschliche Natur aus Maria annahm, um durch sein «Fleischwerden» die Menschen von der Sünde<ref>Ebd., n. 55, S. 60.</ref> zu befreien. Doch nicht nur deshalb ist sie die Mutter der Kirche. Sie ist es auch, weil sie der ganzen Gemeinschaft der erwählten<ref>Ebd., n. 65, p. 64; vgl. auch, n. 63.</ref> Menschen in ihrer Haltung als Leitbild voranleuchtet.
Mit ihr, als der Mutter der Kirche, ist es ähnlich, wie im natürlichen Menschenleben. Auch Maria kann ihre Mutterschaft nicht allein auf die Geburt des Kindes beschränken. Auch sie muss ihre Mutterschaft ausweiten und sich dem Kind zuwenden durch Ernährung und Erziehung.
Genauso handelte die selige Jungfrau Maria. Sie nahm teil am Opfer ihres Sohnes, der Ursache unserer Erlösung. Sie tat dies so innig mit dem Opfer des Sohnes verbunden, dass sie vom Herrn nicht nur als Mutter des Johannes bezeichnet wurde, sondern des ganzen Menschengeschlechtes. Denn dieses wurde von Johannes in seiner Person<ref>vgl. Ebd., n. 58, S. 61; Leo XIII., Enzyklika „Adiutricem populi“: Acta Leonis XIII, 15 (1896), S. 302.</ref> vertreten.
So erfüllt sie auch weiterhin ihre von Gott gefügte mütterliche Aufgabe. Sie trägt dazu bei, das Leben in jedem einzelnen, erlösten Menschen zu vermehren. Diese Tatsache bedeutet Trost. Nach Gottes Willen und seiner umfassenden Weisheit ist dies die Ergänzung im Heilsgeschehen für die Menschheit. Deshalb müssen alle Christen diese Wahrheit im Glauben<ref>Dogm. Konstitution über die Kirche “Lumen gentium”, n. 58: AAS 57 (1965), S. 61.</ref> bewahren.
Geistige Mutter durch ihre Fürsprache beim Sohn
7 Wie hilft die Mutter Gottes aus der Gnade allen Gliedern der Kirche, allen gutwollenden Menschen beim geistigen Wachstum? Vor allem ist es ihre nie endende Fürsprache aus glühender Liebe! Wenn die heilige Jungfrau auch selig ist, hingewandt in die Anschauung des Dreifaltigen Gottes, so wendet sie sich doch ganz ihren Kindern zu. Denn so, wie sie selbst einmal, befinden sich ihre Kinder auf der Pilgerschaft des Glaubens. Mehr noch! Wie Maria in Gott ihre Kinder mitsieht und ihre Not mitschaut, so zeigt sie sich uns fürsprechend<ref>Hebr 7, 25</ref> beim Vater, dies in Gemeinschaft mit unserem Herrn Jesus Christus, der ewig für uns eintritt. So wirkt sie als «Helferin», Fürsprecherin und Mittlerin.<ref> vgl. Dogm. Konstitution über die Kirche “Lumen gentium”, n. 62: AAS 57 (1965) S. 63.</ref>
Von den ersten Zeiten an war die Kirche immer überzeugt von der niemals versagenden Fürsprache der Gottesmutter bei ihrem Sohn. Das beweisen die liturgischen Gebete der Kirchen in Ost und West: «In den Schutz Deines Herzens, Mutter voller Barmherzigkeit, fliehen wir, o Mutter Gottes! Verschmähe nicht unsere Bitten in vieler Not, sondern beschütze uns vor dem Verderben. Du, die Du vor allen die Gesegnete<ref>vgl. Dom. F. MERCENIER, L'Antienne Mariale grecque la plus ancienne, in Le Muséon, 52 (1939), S. 229-233.</ref> bist».
8 Weit hergeholt sind alle Überlegungen, die mütterliche Fürbitte der Allerseligsten Jungfrau könnte die Heilswirksamkeit Christi in irgendeiner Weise herabsetzen. Denn die Heilswirksamkeit Christi geht voraus und kann durch nichts ersetzt werden. Die mütterliche Fürbitte der Mutter Gottes leitet sich doch ab von der Heilswirksamkeit Christi. Die tatsächliche Wirkung ihrer Fürbitte aber ist ein Beweis<ref>vgl. Dogm. Konstitution über die Kirche “Lumen gentium”, n. 62: AAS 57 (1965) S. 63.</ref> für die einmalige Heilswirksamkeit Christi!
Mütterliche Erzieherin der Kirche durch ihr Vorbild
Sorge und Hilfe der Mutter der Kirche erschöpfen sich nicht in der Fürbitte bei ihrem Sohn. Dem erlösten Menschen kommt sie auch durch ihr Vorbild zur Hilfe. Dieses Vorbild bat großes Gewicht. Denken wir an den Ausspruch: Worte belehren, Beispiele ziehen an. Es ist so im Leben! Die Worte der Eltern haben mehr Einfluss, wenn sie durch das Beispiel der Lebenshaltung bekräftigt werden, die sowohl von menschlicher Klugheit als von göttlicher Weisheit bestimmt ist. So zieht auch die Schönheit und Würde an, die aus der Vollkommenheit der Mutter Gottes hervorgehen. Sie ist es, die uns anregt, unseren Herrn Jesus Christus nachzuahmen, das göttliche Vorbild, dessen vollkommenstes menschliches Abbild Maria ist. Das bezeugt auch das Kirchenkonzil. Die Kirche betrachtet Maria «im Wort, das Mensch geworden ist». Sie tritt dabei ehrfürchtig in das Mysterium der göttlichen Menschwerdung ein. Und dadurch wird sie ihrem göttlichen Bräutigam entsprechend.<ref>Ebd., n. 65, S. 64.</ref>
Maria, bewährt sich durch ihr Mittun
9 Es ist gut, sich bewusst zu machen: die besondere Heiligkeit der Allerseligsten Jungfrau gründet nicht nur im Walten der göttlichen Gnade und Güte, sondern ist auch Ergebnis ihres freien Wollens. Mit glühendem Eifer folgte sie selbst ganz dem Wirken des Heiligen Geistes. So hat sie im vollständigen Zusammenklingen von göttlicher Gnade und Mitarbeit der menschlichen Natur der Heiligsten Dreifaltigkeit die Ehre gegeben. Darin ist sie wirklich «Bild und Ruhm der Kirche. Ihren Lobpreis singt unsere heilige Liturgie: «Du bist der Ruhm Jerusalems, die Freude Israels! - Du bist die Ehre unseres Volkes!»<ref>Antiph. 2 zur Laudes, am Fest der Unbefleckten Empfängnis.</ref>
Beispiele ihres Lebens im Evangelium
10 Betrachten wir die Zeugnisse des steten Zusammenklingens zwischen Gewissen und Zustimmung in ihrer Person. Obwohl die gestellte Aufgabe die Kräfte ihrer schwachen, menschlichen Natur überstieg, stimmte Maria der Botschaft des Erzengels Gabriel zu, Gott habe sie zur unbefleckten Mutter seines Sohnes erwählt. Sie tat dies mit den Worten: «Siehe ich bin die Magd des Herrn, mir geschehe nach Deinem Wort!»<ref>Lk 1, 38</ref>
Und sie gab sich ganz dem Dienst am himmlischen Vater hin, dem Dienst am «Wort Gottes» im Geheimnis seiner Menschwerdung und gleichzeitig dem Dienst am ganzen Menschengeschlecht. Denn sie hatte erkannt, Jesus werde dieses, ihr Volk, aus der Sünde befreien. Er werde ohne End als König regieren im alles umfassenden messianischen Reich Gottes.<ref>vgl. Mt 1, 21; Lk 1, 33</ref>
Dienerin des Herrn, von Nazareth bis zur leiblichen Aufnahme in den Himmel
11 Die unberührte Braut des HI. Josef blieb in und nach der Geburt Jungfrau. Dies ist zu allen Zeiten von der Katholischen Kirche geglaubt und bezeugt worden. Und das ist richtig!<ref>vgl. Leo der Große, Epist. Lectis dilectionis tuae ad Flavianum: PL 54, 759; IDEM, Ep. Licet per nostros ad Iulian. Ep. Coënsem: PL 54, 803; S. HORMISDA, Ep. Inter ea quae ad Iustinum imper: PL 63, 514; PELAGIUS I, Ep. Humani generis ad Childebertum I: PL 69, 407; CONC. LATER., oct. 649 sub Martino I, can. 3: Caspar. ZKG, 51, 1932, p. 88; CONC. TOLET. XVI, Symbol. art. 22: J. MADOZ, El Símbolo del Concilio XVI de Toledo, in Estudios Onienses, sez. I, vol. 3, 1946; Const. dogm. de Ecclesia Lumen gentium, nn. 52, 55, 57, 59, 63: AAS 57 (1965) pp. 58-64.</ref> Denn Maria ist zum Vorrang der Mutter Gottesschaft erhoben worden.<ref> vgl. St. Thomas, Summa theologica, P. I., q. 25, a. 6, ad 4.</ref> Durch die unlösbare Vereinigung mit dem göttlichen Sohn wurde ihr Leben so vollständig erfüllt und herausgehoben, dass sie mit ihm, dem göttlichen Sohn, sowohl Freuden und Leiden, als auch endlich die Verherrlichung teilte!
Sie blieb auch dann in vollkommener Liebe mit dem Sohn verbunden, als dieser zur Rechten des Vaters in den Himmel eingegangen war. Fest und treu erfüllte sie ihre neue Aufgabe, als geistige Mutter dem Lieblingsjünger und der jungen Kirche beizustehen. So sagt man zu Recht von ihr: Das ganze Leben der demütigen Magd des Herrn war ein Leben im Dienst der Liebe, vom Gruß des Engels an, bis zur Stunde, in der sie mit Leib und Seele von dieser Erde in den Himmel aufgenommen und zur himmlischen Verherrlichung erhoben wurde.
12 Wir sind uns einig mit den Verfassern des Evangeliums und mit den Vätern und Lehrern der Kirche? Fest war sie im Glauben. Prompt im Gehorchen. Sie war schlicht in ihrer Demut. Voller Freude war sie auf den Herrn hinbezogen. Tapfer und treu, glühend in Liebe bei der Erfüllung ihrer Aufgabe. Ihre Haltung war so, dass sie sich selbst hinopferte. Mit allen Kräften ihrer Seele hing sie am Sohn, der am Kreuz starb, um der Menschheit ein neues Leben zu schenken.
Verpflichtung zu Lob und Dank an die Mutter der Kirche
13 In Maria strahlt der Glanz der Vollkommenheit wider. Deshalb ist es die Hauptaufgabe aller, die in der Gottesmutter das Urbild der Kirche erkennen und anerkennen, sich mit ihr inniger zu vereinen. So danken sie Gott in der Höhe, der in Maria so Großes zum Heil des ganzen Menschengeschlechtes gewirkt hat.
Doch das genügt nicht. Über Lob, Dank und Liebe hinaus müssen wir der Dienerin des Herrn nachfolgen. Denn nach dem göttlichen Willen und der Ordnung des Heilsgeschehens hat die freie Zustimmung Marias und ihr persönliches, immer bereites Dienen bei der Ausführung des göttlichen Ratschlusses, wesentlich beigetragen, den Menschen das Heil zu bringen<ref>vgl. Dogm. Konstitution über die Kirche “Lumen gentium”, n. 56: AAS 57 (1965) S. 60.</ref>. - Und diese ihre Haltung trägt noch immer dazu bei! Deshalb sollte sich jeder Gläubige das Wort des Heiligen Anselmus aneignen:
«Lass uns durch Dich, glorreiche Königin, verdienen, dass wir zu Jesus, Deinem Sohn, gelangen, der durch dich zu uns gekommen ist.<ref>Orat. 54: PL 158, 961.</ref>»
Die wahre Verehrung der Mutter Gottes beachtet deren Eigenschaften
14 Beachten wir: weder die Gnade des göttlichen Erlösers, noch die Fürbitte Seiner und aller Menschen geistige Mutter, können uns zum Heil führen, wenn unser persönlicher Wille nicht immer zustimmend daraufhin ausgerichtet ist. Sie können uns nicht zum Heil führen, wenn wir nicht ständig Jesus Christus und die Allerseligste Jungfrau durch die fromme Nachahmung ihrer voranleuchtenden Lebenshaltung ehren.
15 Ehrfürchtig müssen wir alle das Vorbild der Liebe nachahmen. Dies geht allem voran! Wir empfehlen es Euch, ehrwürdige Brüder und allen Euch Anvertrauten. Wir empfehlen es allen, die den Mahnungen der Konzilsväter folgen: «Seid Euch bewusst - die wahre Verehrung besteht nicht in unfruchtbaren Gemütbewegungen, noch in irgendeiner Form von Leichtgläubigkeit. Die echte Verehrung der Gottesmutter muss aus dem wirklichen Glauben hervorgeben. Durch den Glauben werden wir zur Erkenntnis der Größe der Gottesmutter geführt. Er führt uns auch zur Kindesliebe und zur Nachahmung ihrer Haltung und Eigenschaften<ref>Dogm. Konstitution über die Kirche “Lumen gentium”, n. 67: AAS 57 (1965) S. 66; vgl. St. Thomas, Summa theologica, P. II-II, q. 81, a. 1, ad 1; P. III, q. 25, aa. 1, 5.</ref>.»
16 Bestimmt ist die Nachfolge Christi der erste Weg! Auf ihm müssen wir weitergehen, damit wir die Heiligung unseres Lebens, die Vollkommenheit und die Freiheit der Erlösten erreichen. Immer ist diese Wahrheit von der Katholischen Kirche herausgestellt worden. Immer aber hat sie auch dazu gelehrt, dass die Nachahmung der Jungfrau Maria von treuer Christusnachfolge nicht ablenkt, sondern sie leichter und liebenswerter gestaltet. Denn in ihrer ganzen Größe hat sich doch gerade die Allerseligste Jungfrau immer auf den Willen Gottes hin ausgerichtet. Vor allen Menschen hat sie das Lob Jesus Christi an seine Jünger verdient: «Wer immer den Willen meines Vaters tut, der im Himmel ist, der ist mir Bruder und Schwester!<ref>Mt 12, 50</ref>
Durch Maria zu Jesus
17 Das Leitwort «Durch Maria zu Jesus» - gilt deshalb auch für die Nachfolge Christi. Lassen wir unseren Glauben nicht verwirren. Die Hilfe durch Maria, die ähnlich uns in allem ist außer der Sünde, sollte unsere Selbstachtung nicht verletzen und kann uns nicht hindern, die innigen Bande an Jesus Christus immer zu bewahren. Erkennen wir doch mit der Hilfe Marias die Güte und Menschenfreundlichkeit Gottes<ref>vgl. Tit 3, 4</ref>, der uns zwar in unendlicher Heiligkeit so unähnlich ist. Erkennen wir aber, dass er Mitleid mit uns hat. Darum gab er uns die Hilfe der Menschenmutter. Ihre Person stellte er uns als Beispiel vor Augen, damit wir seine Heiligkeit nachahmen. Sie ist vor allen Menschen das vollkommenste Vorbild, das uns gleichzeitig am ähnlichsten ist. Sie ist das Beispiel des vollkommenen Gehorsams, mit dem wir uns dem Willen des Vaters in Freiheit und in Liebe unterwerfen. Wir wissen: Christus selbst hat diesen vollkommenen Gehorsam gegenüber dem Vater uns in seiner eigenen Lebensweise vorgelebt. Er sagte:
«Allzeit tue ich, was ihm gefällt!<ref> Joh 8, 29</ref>
Die neue Eva, Zuversicht des Neuen Bundes
18 Wir erkennen die neue Eva<ref>vgl. S. IRENAEUS, Adv. Haer. III, 22, 4: PG 7, 959; S. Epiphanius, Haer 78, 18: PG 42, 728-729; S. Johannes Damascenus., Homil. 1 in Nativitate B.M.V: PG 96, 671ss.; Dogm. Konstitution über die Kirche “Lumen gentium”, n. 56: AAS 57, 1965, S. 60-61.</ref>, wenn wir die demütige Jungfrau von Nazareth betrachten, hell aufleuchtend im Glanz ihrer Haltung und ihres Wesens. Wir erkennen sie als die alles überragende Tochter Zions. Wir erkennen in ihr den Gipfel des Alten Bundes. Und in ihr sehen wir die Morgenröte, die Zuversicht des Neuen Bundes. Die Fülle der Zeiten<ref>Gal 4, 4</ref> ist in ihr angebrochen. Der Vater im Himmel hat sie bestimmt, um seinen eingeborenen Sohn in die Welt zu senden! Die selige Jungfrau Maria hat mehr als alle Patriarchen und Propheten, mehr als der gottesfürchtige Simeon im Tempel, den Herrn Jesus Christus<ref>Lk 2, 25-26</ref>, den Trost Israels erbetet und erwartet. Seine Ankunft hat sie im Magnificat gefeiert, als er Mensch werdend, in ihren keuschen Mutterschoß herabstieg.
Mit allem Recht stellt uns deshalb die Kirche Maria als Leitbild für die Nachfolge Christi vor! Sie tut es, damit wir ihr nachfolgen. Sie tut es, damit wir so würdig, wie es eben geht, das Wort Gottes in uns aufnehmen. So sollen wir es aufnehmen, wie es der Heilige Augustinus weise vermerkt: «Seliger ist Maria durch die Annahme des Glaubens an Christus, als durch das Empfangen seines Fleisches.»<ref>Serm. 215, 1: PL 38, 1074.</ref>
Die Mutterschaft, als Verwandtschaft allein, hätte nichts genützt, hätte sie Christus in ihrem Gemüt nicht inniger als in ihrem Schoß getragen. Deshalb können alle Christgläubigen Maria auch weiterhin als ihr Vorbild betrachten. Sie können es befolgen und dadurch in Demut und rückhaltslos die Aufgaben erfüllen, die Gott jedem in diesem Leben zugeteilt hat. Sie können es befolgen, um das eigene Heil und das ewige Heil der anderen zu erwerben.
19 So kann auch die Mutter der Kirche, mit mehr Recht noch<ref>vgl. Lk 1, 48</ref>, als es der Apostel Paulus in seinem Hirtenbrief an die Korinther getan hat, alle, die mit uns und den Menschen aller Zeiten Maria einträchtig im Glauben selig preisen, auffordern: «Ich bitte Euch also, seid meine Nachahmer, wie ich Nachahmer Christi bin!»<ref>1 Kor 4, 16</ref>
Marias Aufruf zum Gebet, zur Umkehr und zur Ehrfurcht vor Gott
20 Es scheint, als habe die von Erbschuld bewahrte, in ihrer vollkommenen Heiligkeit voran leuchtende Gottesgebärerin eine Botschaft von allergrößter Wichtigkeit für alle Christgläubigen in unserer Zeit überbracht. Sie tat dies als «Helferin des Sohnes» bei der Wiederherstellung des übernatürlichen Lebens der Seelen der Menschen<ref>vgl. Dogm. Konstitution über die Kirche “Lumen gentium”, n 61: AAS 57 (1965), S. 63.</ref>. Im Aufblick zu ihr schöpfen die Gläubigen die Kraft, vertrauensvoll zu beten, umzukehren und die rechte Ehrfurcht vor Gott zu leben. Zugleich damit erinnern sich alle Christgläubigen an die Worte Christi: «Kehrt um und glaubt dem Evangelium!»<ref>Mk 1, 15; vgl. Mt 3, 2; Mt 4,17</ref> und: «Wenn ihr nicht Buße tut, werdet ihr alle zugrunde gehen!»<ref>Lk 13, 5</ref>
Gestärkt durch das Vertrauen in Seine Barmherzigkeit, müssen wir als Ausgleich gegen das Gott in seiner Gerechtigkeit und Heiligkeit zugefügte Unrecht die Bedrängnisse und Leiden des Leibes und der Seele annehmen. Denn damit sühnen wir die eigenen Sünden und die aller Mitmenschen. So entgehen wir dem doppelten Verderben: dem ewigen Tod und der läuternden Strafe! Denn es heißt: «Damit wir nicht Gott, das höchste Gut, verlieren und - damit wir nicht in das ewige Feuer geworfen werden!»<ref>vgl. Mt 25, 41; Dogm. Konstitution über die Kirche “Lumen gentium”, n. 48: AAS 57 (1965) S. 54.</ref>
21 Und deshalb legen Wir es allen Christen noch nachdrücklicher nahe, dem Vorbild der Allerseligsten Jungfrau zu folgen. Denn Jesus selbst hat, als er Maria uns zur Mutter gab, sie damit als Leitbild vor die Augen der Menschen gestellt. Ihr Beispiel sollen wir nachahmen.
Es ist natürlich, dass Kinder mit ihren Eltern im Fühlen und Denken eins sind. Natürlich ist es, dass die Kinder die liebenswerten Tugenden der Mutter ins eigene Leben übernehmen. Und jeder Mensch darf auf sich den Ausspruch des Heiligen Paulus beziehen: «Der Sohn Gottes hat mich geliebt und sich für mich hingegeben!»<ref>Gal 2, 20; vgl. Eph 5, 2</ref>
So muss es im Glauben auch jeder als gegeben nehmen, dass der göttliche Heiland ihm auch seine Mutter als geistiges Erbe hinterlassen hat. Er hat sie uns allen hinterlassen, mit der Fülle der Gnaden und der vollständigen Heiligkeit, mit der er sie ausgestattet hat. Diese werden auch uns zu eigen, dank ihrer mächtigen Fürsprache und unserer Nachahmung ihrer Haltung. So sagt der Heilige Bernhard treffend: «Durch die Kraft des Heiligen Geistes war sie gnadenvoll für sich. Als derselbe Heilige Geist über sie herabkam, wurde sie an Gnaden übervoll und überströmend, für uns.»<ref>Homil. 2 super Missus est, n. 2: PL 183, 64.</ref>
Die Kirchengeschichte, überzeugender Beweis für die gnadenerfüllte Gegenwart der Frau und Mutter
22 Die heiligen Evangelien und die Überlieferung beleuchten das bisher Dargelegte. Daraus ergibt sich klar, die geistige Mutterschaft der Allerseligsten Jungfrau und Gottesgebärerin überschreitet alle Grenzen von Ort und Zeit und weitet sich aus in die ganze Kirchengeschichte, die Heilsgeschichte der Menschheit. Immer hat sie aufgrund ihres mütterlichen Heilsauftrages der Kirche beigestanden. Und so steht fest und ist klar, was die heute immer wieder gehörte Feststellung zu bedeuten hat: «Unsere Zeit kann eine marianische Zeit genannt werden!
Es ist Tatsache: die gläubige Christenheit erkennt klarer als früher: Der Allerseligsten Jungfrau Maria ist in der Heilsgeschichte die Fürsorge anvertraut! - Doch niemand möge diese Wahrheit so auffassen, als hätte man sie in früheren Zeiten nicht verstanden! Oder aber, als könne man diese in späteren Zeiten vergessen! Denn: alle Zeiten stehen in der mütterlichen Gegenwart der Mutter Gottes. Und es werden alle Zeiten in ihrer mütterlichen Gegenwart stehen! Bleibt sie doch für immer durch das unauflösliche Band mit dem Geheimnis des mystischen Leibes der Kirche verbunden, über dessen geistigem Haupt geschrieben steht: «Jesus Christus, gestern, heute, so auch in Ewigkeit! »<ref> Hebr 13, 8</ref>
Das Mutterherz, Zeichen der Eintracht, Ansporn zur Nächstenliebe
23 Ehrwürdige Brüder! Wir sind überzeugt, dass die Lehre der Kirche über die der Allerseligsten Jungfrau und Gottesgebärerin zu erweisende Verehrung, ganz mit dem Evangelium übereinstimmt. Diese Lehre der Kirche ist entfaltet und genau erläutert durch die Überlieferung des Ostens und des Westens. So haben Wir die Zuversicht, überall wird Unsere Hirtenaufforderung zur kindlichen und tatkräftigen Verehrung der Mutter Gottes bereiten Herzens aufgenommen werden.
Wir hoffen dies nicht nur von den Gläubigen, die Eurer Sorge anvertraut sind. Wir hoffen dies auch von all jenen, die sich nicht der vollen Gemeinschaft mit der Kirche erfreuen, - jenen, die aber doch zusammen mit uns, die Allerseligste Jungfrau Maria die demütige Magd des Herrn, als Mutter Gottes erkennen, anerkennen und ihr Vorbild nachahmen.
24 Möge das Unbefleckte Herz der seligsten Jungfrau Maria allen Christen als das Vorbild der vollständigen Liebe zu Gott und zum Mitmenschen voranleuchten. Möge es alle zum Empfang der Sakramente der Kirche führen. Denn dadurch werden die Gläubigen von der Sünde befreit und beschützt. Möge es alle bewegen, die Abwendungen der Menschen aus der Ordnung der Ebenbildlichkeit Gottes zu sühnen. Möge es schließlich Zeichen und Band der Einheit sein, um die Bruderliebe aller Christen innerhalb der einen Kirche Christi zu stärken. - Jener Kirche, die erfüllt vom Heiligen Geist, mit dem Wollen zur kindlichen Verehrung, Maria, ihrer liebevollen Mutter, nachfolgt.<ref>Dogm. Konstitution über die Kirche “Lumen gentium”, n. 53: AAS 57, 1965, S. 59.</ref>
Einladung zur persönlichen Weihe an ihr Unbeflecktes Herz
25 Fünf jahrzehnte sind seit den Erscheinungen der Mutter Gottes in Fatima vergangen. In der Radioansprache an das portugiesische Volk am 31. Oktober 1942. weihte Pius XII die Kirche und das ganze Menschengeschlecht Maria der Mutter Gottes, und ihrem Unbeflecktem Herzen<ref>vgl. Radiobotschaft , Pius XII., vol. IV, S. 260-262; AAS 34 (1942) S. 345-346.</ref>. Diese Weihe haben Wir selbst, am 21. November 1964 erneuert<ref>vgl. AAS 56 (1964), S. 1017.</ref>. Nun aber bitten Wir, und rufen dazu alle Söhne und Töchter der Kirche auf, sich persönlich und von neuem aufrichtig dem Unbefleckten Herzen der Mutter der Kirche anzuvertrauen. Und dieses Zeichen vollständiger kindlicher Liebe, die Nachahmung des Beispiels der Mutter, soll in ein tatkräftiges Leben übertragen werden! Mehr und mehr soll der einzelne sein Leben nach dem Willen Gottes<ref>vgl. Gebet am Fest der Unbefleckten Herzens Mariae, 22. August.</ref>, nach dem Vorbild des Lebens der himmlischen Königin ausrichten und ihr so nach echter Kinderart dienen.
26 Ehrwürdige Brüder! Wir zweifeln nicht daran, dass ihr die Priester und die Eurer Sorge anvertrauten Gläubigen anleitet und ermutigt, dieser Aufforderung nachzukommen. Dann halten wir es für gegeben, dass die glorreiche Königin des Himmels und der Erde, unsere gütige Mutter, ohne Unterlass ihren geistigen Kindern beistehen wird. Vom Himmel her wird sie ohne Unterlass die ganze Kirche beschützen. Euch und allen Gläubigen erteilen Wir mit Freude zum Beweis der göttlichen Gnade und zum Zeichen Unseres guten Willens den apostolischen Segen.
Anmerkungen
<references />