Magna Charta
Als Magna Charta oder Charta (auch Carta) werden im gesellschaftlichen und kirchlichen Sprachgebrauch bedeutende Gesetzestexte und Positionspapiere bezeichnet, die grundlegende oder richtungweisende Bedeutung für ein Rechtsgebiet haben.
Inhaltsverzeichnis
Begriff
Das Wort Charta oder carta ist lateinisch und bedeutet "Papier, Schriftstück, Dokument", es ist ein Lehnwort vom griechischen χἀρτης chártēs "Blatt Papier". Magna Charta heißt "großes Dokument".
Der Sprachgebrauch leitet sich von der Magna Carta libertatum ("Große Urkunde der Freiheit") her, einer Vereinbarung, die der englische König Johann Ohneland am 15. Juni 1215 mit dem englischen Adel schloss und die grundlegende Bedeutung für die englische Staatsverfassung bekam.<ref>www.verfassungen.eu, Quelle: Bromme, Die Verfassungen der Vereinigten Staaten von Nordamerika, ... und die Englische Staatsverfassung, Hoffmannsche Verlags-Buchhandlung Stuttgart 1849; übersetzt aus der Kopie der Cottonian Library zu Oxford; abgerufen am 18. März 2015.</ref> Es entwickelte sich im Sprachgebrauch geradezu zu einem Typus für wichtige, richtungsweisende Dokumente in verschiedenen gesellschaftlichen und kirchlichen Lebensbereichen.
Religiöse Texte, die als Charta bezeichnet werden
Der Dekalog
Papst Benedikt XVI. bezeichnete den Dekalog, die 10 Gebote ({{#ifeq: Exodus | Magna Charta |{{#if: Ex|Ex|Exodus}}|{{#if: Ex |Ex|Exodus}}}} 20{{#if:1-7|,1-7}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}/{{#ifeq: Deuteronomium | Magna Charta |{{#if: Dtn|Dtn|Deuteronomium}}|{{#if: Dtn |Dtn|Deuteronomium}}}} 5{{#if:1–21|,1–21}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}) als "ethische ‚Magna Charta’ für die ganze Menschheit".<ref>Ansprache beim Besuch in der Synagoge zu Rom am 17. Januar 2010, Kath.net am 17. März 2015.</ref>
Die Seligpreisungen
Franziskus bezeichnete im Angelusgebet des Papstes am 29. Januar 2017 die Bergpredigt Jesu (Mt 5,1-12a) als „Magna Charta“ des Christentums.<ref>Angelus: „Glücklich ist, wer bescheiden lebt“ Radio Vatikan am 29. Januar 2017</ref>
Die Kongregation für die Institute geweihten Lebens und für die Gesellschaften apostolischen Lebens nennt in den Leitlinien Für jungen Wein neue Schläuche vom 6. Januar 2017 "Die Bergpredigt [ist] die Magna Charta für den Weg eines jeden Jüngers und Schülers.
Carta Caritatis
Die Carta Caritatis ("Dokument der Liebe") ist eine Art Verfassung des Zisterzienserordens. Sie entstand im 12. Jahrhundert und regelt das Verhältnis der Zisterzienserklöster untereinander. Ihre erste Fassung stammt von Stephan Harding, dem dritten Abt von Citeaux, und wurde 1119 von Papst Calixtus II. approbiert. In der Carta Caritatis ist das Filiationsprinzip grundgelegt, das für die Ausbreitung des Ordens von höchster Bedeutung wurde.<ref>Monika R. Dihsmaier: Carta Caritatis. Verfassung der Zisterzienser. Rechtsgeschichtliche Analyse einer Manifestation monastischer Reformideale im 12. Jahrhundert, Duncker & Humblot, Berlin 2010</ref><ref>www.cistercium.info, abgerufen am 17. März 2015.</ref>
Neuzeit
Als "Magna Charta" wurden manche päpstliche Schreiben und Konzilstexte bezeichnet, um ihre grundlegende Bedeutung für ihren Themenbereich zu unterstreichen.
- 14. Mai 1891: Die Enzyklika Rerum novarum über die Arbeiterfrage nannten Pius XII. "Magna Charta der christlichen Sozialtätigkeit" und Johannes XXIII. "Magna Charta einer neuen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung".<ref>Pius XII.: La solennità della Pentecoste Nr. 16; Radiobotschaft Amadísimos hijos; Johannes XXIII.: Enzyklika Mater et magistra Nr. 26.</ref>
- 18. November 1893: Die Enzyklika Providentissimus Deus bezeichnete die Päpstliche Bibelkommission einmal als "Magna Charta" für den Unterricht in der Heiligen Schrift.<ref>Consta alla Pontifìcia Commissione.</ref>
- 22. November 1903 Motu proprio Tra le sollecitudini „Die Magna Charta der Kirchenmusik identifiziert den gregorianischen Choral als die Musik, die wesenhaft zur katholischen Kirche gehört und als wahrhaftig heilige und wahre Kunst“.<ref> Wem gehört die Gregorianik? Peter Spichting, Gregorianik und „rechtes“ Kirchenverständnis, Kampfplatz Liturgie, in: Wort und Antwort 53 (2012), Seite 10–14</ref>
- 26. Juni 1943: Die Enzyklika Mystici corporis über den Geheimnisvollen Leib Christi würdigte Bischof Rudolf Graber als die "Magna Charta" der modernen Ekklesiologie.<ref>Rudolf Graber: Papst Paul VI. und die innerkirchliche Krisis. Schriftenreihe Una Voce Helvetica. Thomas Verlag Zürich 1966, S. 13.</ref>
- 1. August 1952: Die Apostolische Konstitution Exsul familia betrachtet der Päpstliche Rat der Seelsorge für die Migranten und Menschen unterwegs bis heute als "die Magna Charta des Denkens der Kirche über die Migranten", da sie "das erste offizielle Dokument des Heiligen Stuhls" sei, "das in globaler und systematischer Weise aus historischer und kirchenrechtlicher Sicht die Seelsorge für die Migranten entfaltet".<ref>Instruktion Erga migrantes caritas christi des Päpstlichen Rats der Seelsorge für die Migranten und Menschen unterwegs, 3. Mai 2004.</ref>
- 11. April 1963: Die Enzyklika Pacem in terris ist im Urteil der Bischofssynode von 1971 "die Magna Charta der Menschenrechte".<ref>Convenientes ex universo mundo.</ref>
- 4. Dezember 1963: Zur Konstitution Sacrosanctum concilium über die heilige Liturgie des Zweiten Vatikanischen Konzils sagte Papst Paul VI. am 10. April 1970 gegenüber den Mitgliedern und Beratern des "Consilium" anlässlich dessen letzter Tagung: "Alle diese eure Werke haben die durch die Konzilskonstitution über die heilige Liturgie festgesetzten Prinzipien beachtet. Denn diese - wie man so sagen darf - "Magna Charta" der liturgischen Erneuerung hat eine gewisse Bewegung um den Gottesdienst in der Kirche veranlasst mit dem Ziel, die Menschen unserer Zeit zu befähigen, die Gefühle des Herzens in der heiligen Liturgie wahrhaft und wirksam auszudrücken und zugleich das Erbe der lateinischen Kirche in dieser Angelegenheit so gut wie möglich zu bewahren."<ref>Ansprache vom 10. April 1970 Nr. 2073.</ref>
- 11. Oktober 1962 bis 8. Dezember 1965: Die II. Außerordentliche Generalversammlung der Weltbischofssynode anlässlich des 20. Jahrestages des Abschlusses des II. Vatikanischen Konzils betonte in ihrem Schlussdokument Exeunte coetu secundo: "Die Botschaft des Zweiten Vatikanischen Konzils, die schon von der ganzen Kirche mit großer Zustimmung aufgenommen worden ist, ist und bleibt eine Magna Charta für künftige Zeiten"..
- 6. August 1964 Die Enzyklika Ecclesiam suam wird als Magna Charta des Dialogs angesehen (vgl. Dialog im Dienst der Kirche und Völker)
- 8. Dezember 1975 Apostolisches Schreiben Evangelii nuntiandi über die Evangelisierung in der Welt von heute. Papst Franziskus nannte sie am 22. März 2023 die Magna Charta der Evangelisierung.<ref>Papst: Die Kirche muss sich selbst evangelisieren Vatican News am 22. März 2023</ref>
- 22. November 1981: Apostolisches Schreiben Familiaris consortio über die Aufgaben der christlichen Familie in der Welt von heute. Papst Benedikt XVI. nennt sie ‚Magna Charta’ der Familienpastoral.<ref>
SCHREIBEN VON PAPST BENEDIKT XVI. AN DEN PRÄSIDENTEN DES PÄPSTLICHEN RATES FÜR DIE FAMILIE, ENNIO KARDINAL ANTONELLI, ANLÄSSLICH DES VII. WELTTREFFENS DER FAMILIEN IN MAILAND am 23. August 2010</ref>
- 22. Oktober 1983: Päpstlicher Rat für die Familie: Charta der Familienrechte an "alle Personen, Institutionen und Autoritäten, die mit der Sendung der Familie in der heutigen Welt befasst sind".<ref>VAS 52.</ref>
- 25. März 1995 Enzyklika Evangelium vitae über das Lebensrecht. Werner Münch nennt sie im Wochenkommentar am 27. Juni 2015 bei Radio Horeb die Magna Charta des Lebensschutzes.<ref>Wochenkommentar am 27.Juni 2015 bei Radio Horeb</ref>
- 18. Juni 2015: Enzyklika Laudato si' über die Sorge für das gemeinsame Haus. "Magna Charta für den Umweltschutz" nennt sie Pfr. Dr. Richard Kocher in einer Predigt am 18. Januar 2018.<ref>
hier auf youtu.be</ref>
Anmerkungen
<references />