Konstantinopel
Konstantinopel (heute: Istanbul) ist die größe Stadt in der Türkei und war in der Kirchengeschichte jahrhundertelang eine der wichtigsten christlichen Stätten. Heute befinden sich in Istanbul noch immer wichtige christliche Kirchen. Bedeutend ist die Stadt auch heute noch weiters als Ökumenisches Patriarchat von Konstantinopel.
Die (Kirchen)geschichte von Konstantinopel
Die (kirchen)politische Bedeutung von Konstantinopel begann im 4. Jahrhundert. Um 330 verlegte Kaiser Konstantin - daher auch der Name der Stadt - seinen Sitz von Alt-Rom nach Neu-Rom, dem alten Byzanz, und nannte von nun an Byzanz Konstantinopolis (Konstantin-Stadt). Während das Weströmische Reich 476 unterging, bestand das Byzantinische Reich (=Oströmisches Reich) bis zur Eroberung seiner Hauptstadt Konstantinopel im Jahre 1453. Bereits im 4. Jahrhundert gewann der Bischof von Konstantinopel, der sein Amt auf den Apostel Andreas zurückführte, mehr Einfluss. Konstantinopel wurde von Anfang an mit prächtigen Kirchen ausgestattet und wollte mit dem Alt-Rom mithalten. Beispielsweise ließ Konstantin die Apostelkirche bauen, wo die Leiber des Apostel Andreas und der Apostelschüler Lukas und Timotheos aufbewahrt wurden. Auch Helena, die Mutter von Konstantin, war eifrig darum bemüht, wertvolle Reliquien nach Konstantinopel zu schaffen. In der Marienkirche wurde ein Gürtel der Gottesmutter aufbewahrt, in der Kirche im Blachernenviertel ein Kleid Mariens. In der Marienkirche im Bukoloeon verehrte man das Christusbild von Edessa. Auch das Bild der Hodegetria, eine Marienikone, die der Tradition nach der Evangelist Lukas malte, befand sich damals in Konstantinopel.
Bereits beim Ersten Konzil von Konstantinopel im Jahre 381 wurde dem Sitz von Konstantinopel ausdrücklich ein Ehrenrang vor Alexandrien und Antiochien unmittelbar nach Rom zugebilligt und der Bischof war ab diesem Zeitpunkt als Patriarch anerkannt. Zu diesem Zeitpunkt war aber der Primat des Bischofs von Rom auch im Osten noch anerkannt. Allerdings gab es aufgrund der dogmatischen Kämpfe im 4. Jahrhundert bereits große Spannungen zwischen Ost und West.
Ein Beispiel war die Auseinandersetzung rund um den hl. Athanasius. Dieser flüchtete während des Streites um die arianischen Irrlehren nach Rom und suchte Schutz beim Papst Julius, während sein Bischofssitz von den Arianern besetzt wurde. Im Jahr 341 richtete der Papst ein Schreiben an die Bischöfe des Orients und trat für Athanasius ein. In der Synode von Sardika (342) wurde der Spalt zwischen Ost und West erstmal offenkundig. Die Ostbischöfe verweigerten Athanasius die Anerkennung und verließen die Versammlung. Die westlichen Bischöfe exkommunizierten zuerst die Orientbischöfe. Diese wiederum exkommunizierten die westlichen Bischöfe. Diese erste Spaltung wurde zwar 381 wieder behoben. Allerdings wurde schon damals der Samen des endgültigen Bruches gelegt.
Die Kluft zwischen Ost und West sollte sich im 5. Jahrhundert weiter vertiefen. Papst Leo I. (440-461) ließ keine Zweifel, dass dem Bischof von Rom die Primatgewalt auch über die Kirche des Ostens zustand. Allerdings konnten selbst seine Legaten am Konzil von Chalkedon (451) nicht verhindern, dass im Kanon 28 dem Patriarchen von Konstantinopel die gleichen Rechte zugesanden wurden, wie sie der römische Bischof besaß. Papst Leo hatte gegen den damaligen Kanon protestiert.
In der Folgezeit baute auch Konstantinopel immer mehr seine primatiale Positon aus und geriet immer mehr unter den verhängnisvollen Einfluss der Politik des byzantinischen Kaiserreichs. Seit dem 6. Jahrhundert führte Patriarch Johannes IV. den Titel Ökumenischer Patriarch.
Am 5. Mai 553 wurde vom Kaiser Justinan I. in Einverständnis mit Papst Virgilus das 2. Konzil von Konstantinopel einberufen. Grund für die Einberufung war der sogenannte Drei-Kapitel-Streit, der für weitere Spannungen zwischen dem Kaiser und dem Papst sorgte.
Die Lehre vom Monotheletismus verursachte um 638 weitere Streitigkeiten. Die Lehre, dass Christus nur einen, gottmenschlichen Willen gehabt, wurde in diesem Jahr sogar ein Reichsgesetz. Papst Martin I. verurteilte diese Lehre und wurde darauf vom Kaiser als Hochverräter auf die Krim verbannt, wo er 655 starb. Erst durch das 3. Konzil von Konstantinopel im Jahre 680 wurde die Lehre vom Monotheletismus endgültig verurteilt.
Für weitere Spannungen zwischen Ost und West sorgte im 8. Jahrhundert der Bilderstreit. 730 erließ Kaiser Leon III. ein Edikt gegen den Bilderkult. Dies wurde allerdings selbst Germanos I., dem damaligen Patriarchen von Konstantinopel zuviel, der dagegen protestierte. Bei dem heftigen Disput trat auch Johannes von Damaskus auf, der sich für die Bilderverehrung einsetzte. Bizarr wurde es als Konstantin V., der Sohn von Kaiser Leon III., 754 auf der Synode von Hiereia die Herstellung und Verehrung von Bildern als Häresie bezeichnete. Beim 2. Konzil von Nizäa im Jahre 787 wurde allerdings klargestellt, dass die Verehrung der Bilder weiter erlaubt und sogar ausdrücklich erwünscht wurde. Der Bilderstreit tobte allerdings noch jahrzehntelang weiter und sollte bis 843 andauern, als auf der Synode von Konstantinopel auch vom Kaiser und seinem Anhang die Bilderverehrung anerkannt wurde. Bei dieser Synode waren übrigens keine westlichen Kirchenvertreter mehr anwesend.
Im 9. Jahrhundert kommt es noch auf einer anderen Front zu Auseinandersetzungen. Photios, der damalige Ökumenische Patriarch, verfasste eine Anklageschrift gegen die Westkirche und schickte diese an alle Patriarchaten des Orients. Inhaltlich ging es um das Fasten, verheiratete Priester und das Filioque, das seit 381 für Spannung sorgte. Photius wurde auf der Lateran-Synode im Jahre 858 vom Papst Nikolaus I. für abgesetzt erklärt, weil man Photios vorwarf, dass er unrechtmäßig zum Patriarchen erhoben wurde. 867 wurde schließlich der Papst von Konstantinopel aus mit einem Bann belegt. Allerdings wurde bereits kurze Zeit später Photius vom Kaiser für abgesetzt erklärt. Auf dem 4. Konzil von Konstantinopel in den Jahren 869/870 wurde Photios exkommuniziert und in ein Kloster verbannt. Bei einer weiteren Kirchenversammlung in Konstantinopel im Jahre 879 wurde er allerdings wieder rehabilitiert.
Knapp 200 Jahre später kam es dann im Jahre 1054 zum endgültigen Bruch und zum Schisma zwischen Ost und West. Patriarch Michael Kerularios ließ in Konstantinopel alle westlichen Kirchen schließen und erklärte die Hl. Eucharistie der Lateiner wegen der Verwendung von ungesäuertem Brot für ungültig. Das ganze war eine Racheaktion, weil die damaligen Päpste in Süditalien in den dortigen griechischen Kirchen die lateinische Liturgie einführen wollten. Papst Leo IX. schickte Kardinal Humbert nach Konstantinopel. Am 16. Juni 1054 wurde die Exkommunikationsbulle auf dem Altar der Hagia Sophia niedergelegt. Kaiser Konstantin IX. verbrannte diese und exkommunizierte den Kardinal und seine Delegation. Diese gegenseitige Exkommunikation sollte erst 900 Jahre später, anlässlich des II. Vatikanischen Konzils, im Jahre 1965 durch Papst Paul VI. und Athenagoras I. aufgehoben werden.
Die Geschichte von Konstantinopel geht auch nach dem Schisma weiter. Ab der Mitte des 11. Jahrhunderts kommt es immer mehr zu Angriffen von türkischen Seldschuken, die das Kaiserreich immer wieder angreifen. Der Osten bat den Westen um Hilfe. Es begann damit die Geschichte der Kreuzzüge. Im Spätsommmer 1095 wurde von Papst Urban der erste Kreuzzug legitimiert. Man wollte allerdings nicht nur Konstantinopel sondern vor allem auch Jerusalem helfen. 1096 trafen die ersten Heerscharen unter der Führung von Gottfried von Bouillon ein. Doch die westlichen Heere hatten auch eigene Interessen und übergaben die rückeroberten Gebiete nicht Konstantinopel sondern gründeten zum Teil selbstständige Staaten.
Nach zwei weiteren Kreuzzügen durch ein deutsch-französisches Heer im Jahre 1147 und einem Kreuzzug durch Kaiser Friedrich Barbarossa im Jahre 1189/90 kam es zur Tragödie des 4. Kreuzzugs. 1202 sammelten sich ein französisch-flämisches Heer in Venedig und brach erneut in den Orient auf. Die Führung des Kreuzzugs entglitt allerdings Papst Innozenz III. völlig. Die Venezianer, die vom Papst dann sogar exkommuniziert wurden, machten sich selbstständig und stürmten 1204 Konstantinopel, das vollkommen geplündert wurde. Konstantinopel wurde dem Papst unterstellt und es wurde ein lateinischer Patriarch eingesetzt. 1261 wurde Konstantinopel allerdings wieder vom Osten zurückerobert.
Im 13. Jahrhundert kam es beim 2. Konzil von Lyon im Jahre 1274 zu einem Versuch, Ost und West wieder zu versöhnen. Im Prinzip kam es auch zu einer Einigung, allerdings wurde diese in der Praxis von den Griechen nicht angenommen.
Durch die fortgesetzte Türkengefahr kam es im 14. Jahrhundert zu einem weiteren Annäherungsversuch. Der damalige Kaiser Johannes V. trat sogar zur katholischen Kirche über. Auch dies hatte allerdings keine Auswirkungen in Konstantinopel. Auch das Konzil von Basel im Jahre 1430 bemühte sich um eine Union. Das Konzil wurde später nach Ferrara und dann nach Florenz verlegt, wo man sich 1439 über das Filoque einigte. Am 22. November 1439 wurde die Union mit den Armenieren beschlossen, 1442 die Union mit den monophysitischen Jakobiten. Allerdings blieb dies ebenfalls erfolglos, weil das normale Volk und viele Mönche dies ablehnten.
Nachdem die kirchenpolitischen Einigungsversuche in der Praxis scheiterten, kam es schließlich zur eigentlichen Katastrophe für Konstantinopel. Die Türkenangriffe auf das Reich wurden immer heftiger. Der Westen war aufgrund der gescheiterten Einigungsversuchen auch nicht mehr länger bereit zu helfen. Schließlich kam es 1453 zum endgültigen Fall der Stadt. Die christliche Ära von Konstantinopel ging zu Ende.
Literatur
Rudolf Grulich, Konstantinopel. Ein Reiseführer für Christen. Ulm 1998.