Relativismus
Relativismus ist die erkenntistheoretische Lehre, welche die wahre Erkenntnis nicht am Seienden, sondern am Erkenntnisprozess bemisst. Der Relativismus besagt, dass alle Wahrheit veränderlich sei. Er leugnet, dass es allgemeingültige Wahrheiten gibt.
Nach dem Relativismus ist nicht das objektive Sein der Dinge und Sachverhalte maßgebend für die Wahrheit, sondern die subjektive Auffassung des Erkennenden. Er ist eine Lehre, nach der nur die Beziehungen der Dinge zueinander, nicht aber diese selbst erkennbar sind.
Mit dem systematischen Relativismus darf jedoch nicht verwechselt werden die relativ verschiedene Erfassung oder Erkenntnis von seiten des erkennenden Subjekts; denn diese kann sich ändern, kann mehr oder weniger vollkommen, wahr oder falsch sein, während die Geltung der objektiven Wahrheit davon unabhängig bleibt. Ebenso wenig ist der systematische Relativismus gleichzusetzen mit der Tatsache, dass viele Dinge und Sachverhalte veränderlich sind; denn diese mannigfache Veränderlichkeit kann niemand in Abrede stellen; und weil die Dinge der Maßstab für die Wahrheit der Erkenntnis sind, muss sich auch die Erkenntnis nach den veränderten Dingen richten, um wahr zu sein. Der philosophische Relativismus hingegen lehrt die allgemeine Veränderlichkeit aller objektiven Wahrheit, so dass es nach ihm überhaupt keine absolut geltenden Wahrheiten gibt.<ref> Bernard Kälin OSB: Lehrbuch der Philosophie I, Einführung in die Logik, Ontologie, Kosmologie, Psychologie (heute Philosophische Anthropologie), Kriteriologie, Theodizee, bearbeitet von P. Raphael Fäh OSB, Selbstverlag Benediktinerkollegium Sarnen 1957, S. 353 (5. Auflage; Mit kirchlicher Druckerlaubnis des Bischöflichen Ordinariates Chur vom 30. Juli 1957).</ref>
Inhaltsverzeichnis
Philosophische Arten des Relativismus
Der Relativismus kann in verschiedenen Arten auftreten mit fast fließenden Übergängen und Mischungen.
A) Der psychologische Relativismus
Der psychologische Relativismus macht allgemein die Natur der Seele und des Verstandes oder ihre besondere Eigenart zum Maßstab der Wahrheit.
a) Einige nehmen die allgemeine menschliche Natur als das Bestimmende für die Wahrheitserfassung an; nach ihm gäbe es wohl für alle Menschen geltende, aber nicht absolut gültige Wahrheiten. Manche wollen Immanuel Kant in diese Gruppe einreihen, indem sie seine apriorischen Formen und Begriffe psychologisch aus der menschlichen Natur hervorgehend deuten.
b) Nach andern ist die Wahrheit bedingt durch die Eigenart des Volkes, der Rasse, der geistigen oder materiellen Kulturentwicklung, also durch Gemeinschaftseigentümlichkeiten. Jedes Volk, jede Zeit hätte also einen eigenen Maßstab der Wahrheit. Dahin gehören der Historismus, Evolutionismus, Marxismus und andere. So schreibt Paulsen: «Die großen Systeme, die als herrschende Denkformen sich durchgesetzt haben, Aristoteles, Thomas von Aquin, Baruch de Spinoza, Locke, Immanuel Kant, sie sind notwendige Schöpfungen des Menschengeistes; er musste, so meinen wir zu erkennen, in solcher religiöser und politischer Lebensumgebung, bei solchem Stande der wissenschaftlichen Erkenntnis, solche letzte Gedanken über die Natur und den Sinn aller Dinge hervorbringen. Wenn also z. B. Thomas von Aquin sagt, das Dasein Gottes lässt sich beweisen, und Kant behauptet, es lasse sich nicht beweisen, so ist bei des nur relativ wahr, d. h. in bezug auf den jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis.»
c) Noch andere sehen in der Eigenart jedes Einzelmenschen das Maß für die Wahrheit, d. h. die durch individuelle Anlagen, Erziehung, Gewohnheit, Sitte, Temperament, Stimmungen, örtliche und zeitliche Einflüsse sich ergebende Struktur der Seele entscheide, was für einen jeden wahr oder falsch sei.
B) Der Zeit- und Raumrelativismus
Der Zeit- und Raumrelativismus meint, dass durch die bloße Veränderung von Zeit und Raum auch die Wahrheit sich ändere. So schreibt Spitta: «Wenn man behauptet, dass 2 + 2 = 4 sei überall, auf allen Planeten und stets, in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, von Ewigkeit zu Ewigkeit wahr, so ist das eine völlig unerwiesene und unbeweisbare Behauptung.»
C) Der Pragmatismus oder Utilitarismus
Der Pragmatismus oder Utilitarismus bemisst die Wahrheit und Falschheit unserer Aussagen nach dem Nutzen oder Schaden, Erfolg oder Misserfolg, den sie für unser Handeln haben. Auch diese Lehre ist nicht neu. Ihr bekanntester, moderner Befürworter ist William James († 1910), der die Wahrheit für eine Art des Guten hält, das Gute aber mit dem Nützlichen gleichsetzt. So wäre beispielsweise die Überzeugung von der Unsterblichkeit der Menschenseele wahr, wenn sie zum erfolgreichen Handeln antreibt, dagegen falsch, wenn sie lähmend auf den Handelnden wirkt. Nicht bloß in Amenka und England, auch sonst huldigen viele dieser Ansicht. So verkündete Friedrich Nietzsche: "Die Falschheit eines Urteils ist kein Einwand; ... die Frage ist, wie weit es lebensfördernd, arterhaltend, vielleicht gar artzüchtend ist." Verwandt mit dieser Richtung ist auch das Prinzip der «Ökonomie des Denkens» von Ernst Mach († 1916), wonach jene Theorien als wahr zu gelten haben, die uns erlauben, Leben und Natur mit möglichst geringem Aufwand an Energie zu meistern.
Von dieser Auffassung sind auch der Modernismus und andere moderne Denkrichtungen stark beeinflusst.<ref> Bernard Kälin OSB: Lehrbuch der Philosophie I, Einführung in die Kriteriologie, S. 353.</ref>
D) Der ethische Relativismus und Evolutionismus
Der Moral-Relativismus und Evolutionismus leugnet eine allgemeingültige Sittennorm. Er führt die sittlichen Anschauungen weniger auf den positiven menschlichen Willen zurück, als vielmehr auf die stets wechselnde Entwicklung (Evolution), die sozusagen naturnotwendig die sittlichen Auffassungen dauernd wandelt. Fortschritt, Entwicklung ist hier höchstes Moralprinzip.
1. Auf darwinistischer Grundlage verficht diesen ethischen Evolutionismus der Engländer Herbert Spencer (1820-1903), Nach seiner Auffassung folgten die Menschen ursprünglich den Trieben wie die Tiere; nur allmählich sollen sich daraus zunächst primitiv sittliche und rechtliche Gewohnheiten und Gesetze herausentwickelt haben. Auf dem Wege über die individualistische Moral führe diese Entwicklung schließlich zu einem selbstlosen Altruismus empor, so dass die altruistischen (uneigennützigen) Gefühle die unbestrittene Oberhand über die egoistischen (selbstsüchtigen) gewinnen werden.
E. Haeckel (1834-1919) betrachtet die Ethik als einen Teil der Naturwissenschaft im monistisch-evolutionistischen Sinne. Er meint, dass «die Sitten durch Anpassung der sozialen Säugetiere an die natürlichen Existenzbedingungen erworben, also auf physische Gesetze zurückzuführen sind. Unsere moderne Biologie erblickt demnach in den Sitten die Wirkung von physiologischen Tätigkeiten des Organismus».
2. Verfeinert und mehr in sozial-kulturell gerichteter Form vertreten den Moral·Relativismus die deutschen Philosophen Wilhelm Wundt (1832-1920) und Fr. Paulsen (1846-1908). Letzterer meint: «Wie ein Engländer ein anderer ist als ein Chinese oder ein Neger und auch ein anderer sein will und sein soll, so gilt für jeden unter ihnen auch eine andere Moral. Ja, nicht bloß für die verschiedenen Völker und Klassen, sondern auch für die verschiedenen Stände, für Männer und Frauen, für Künstler und Kaufleute, ja schließlich für jeden einzelnen Menschen gibt es eine besondere Moral.»
Ähnliche Meinungen vertreten Vaihinger (1853-1933), Oswald Spengler (1830-1936)1, Jodl (1849-1914), Ziegler (1846-1918) und viele andere.
3. Ausgesprochene Relativisten und Evolutionisten sind auch die führenden Theoretiker des Sozialismus und Kommunismus: Karl Marx (1818-1833), Friedrich Engels (1820-1895) und August Bebel (1840-1913). Nach diesen liegt das Maßgebende für die sittlichen, rechtlichen und religiösen Auffassungen in den sozialen und wirtschaftlichen Verhältnissen der jeweiligen Zeitepoche und Gesellschaft (ökonomischer Determinismus). Der historisch-ökonomische Materialismus ist die Umkehrung der dialektischen Methode Georg Wilhelm Friedrich Hegels. Karl Marx schreibt: «Für Hegel ist der Denkprozeß der Demiurg des Wirklichen. Bei mir ist umgekehrt das Ideelle nichts anderes als das im Menschenkopf umgesetzte und übersetzte Materielle.» Engels meint: «Die jedesmalige ökonomische Struktur der Gesellschaft bildet die reale Grundlage, aus welcher der gesamte Überbau der rechtlichen und politischen, sowie der religiösen und philosophischen Auffassungen eines jeden geschichtlichen Zeitabschnittes in letzter Instanz zu erklären ist.» August Bebel faßt die sozialistioche Anschauung in die Worte zusammen: «Wie die Religion, so entspringen auch die Begriffe über die Moral dem jeweiligen Sozialzustand der Menschen.» Nach diesen gibt es auch eine verschiedene «Klassenmoral», je nach den Eigentums- und Erwerbsverhältnissen.
4. Den absoluten Egoismus verteidigt Max Stirner (1806--1856). Jeder Mensch hat das Recht auf alles. Je größer seine Macht, sich alles zu unterwerfen, um so besser, tugendhafter, weiser, glücklicher sei der Mensch.
Mit noch mehr Nachdruck hat Friedrich Nietzsche (1844-1900) diese Ansicht verbreitet. Er meint, der Mensch müsse sich zum «Übermenschen» entwickeln, für den es keine Moral mehr gebe; er sei sich selber Gesetz. Es ist der Gewaltmensch, der jenseits von Gut und Böse stehe.
5. Einen relativistischen Einschlag zeigt auch die von manchen Existentialisten vertretene Situationsethik. Sie sind der Meinung, der Mensch dürfe beim sittlichen Handeln sich nicht von allgemeingültigen Grundsätzen und Gesetzen leiten lassen; denn jede Handlung geschehe unter so einmaligen Bedingungen und Umständen, dass das Einzelgewissen nur nach den augenblicklich gegebenen Verhältnissen und Umständen und aus der guten Absicht der Handelnden heraus sich zu entscheiden habe.<ref>Bernard Kälin OSB: Lehrbuch der Philosophie, Einführung in die Ethik, umgearbeitet von Dr. P. Raphael Fäh OSB, Selbstverlag Benediktinerkollegium Sarnen 1954, S. 75, Nr. 111; S. , Nr. 117 (Imprimatur Curiae, die 8, Juni 1954 † Christianus Caminada. Episcopus).</ref>
E) Absoluter Relativismus
Ein absoluter Relativismus ist der so genannte "Moralische, rechtliche und soziale Modernismus", der "nicht mehr die Norm des Wahren und Falschen, des Guten und des Bösen als unveränderliches Sittengesetz" anerkennt. "Er will vielmehr die ständig sich wandelnden Bedürfnisse der Individuen, der Klassen und Staaten zum obersten Prinzip erheben."<ref>vgl. Pius XI. Ansprache Sollemnis conventus vom 24. Juni 1939 an die Kleriker von Rom (Nr. 9)</ref>
Ein absoluter Relativismus ist auch einer, "der nichts als definitiv anerkennt und als letzten Maßstab nur das eigene Ich mit seinen Gelüsten gelten lässt und unter dem Anschein der Freiheit für jeden zu einem Gefängnis wird. In den verschiedenen Formen des Agnostizismus und des Relativismus, die im zeitgenössischen Denken verbreitet sind, ist ,die legitime Pluralität von Denkpositionen... einem indifferenten Pluralismus gewichen, der auf der Annahme fußt, alle Denkpositionen seien gleichwertig: Das ist eines der verbreitetsten Symptome für das Misstrauen gegenüber der Wahrheit, das man in der heutigen Welt feststellen kann. Auch manche aus dem Orient stammende Lebensanschauungen entgehen nicht diesem Vorbehalt. In ihnen wird nämlich der Wahrheit ihr Exklusivcharakter abgesprochen. Dabei geht man von der Annahme aus, dass die Wahrheit in verschiedenen, ja sogar einander widersprechenden Lehren gleichermaßen in Erscheinung trete´. Wenn der Mensch seine grundsätzliche Wahrheitsfähigkeit leugnet, wenn er skeptisch wird gegenüber seinem Vermögen, das Wahre wirklich zu erkennen, wird er am Ende gerade das verlieren, was auf einzigartige Weise seinen Verstand ergreifen und sein Herz faszinieren kann."<ref>Kongregation für die Glaubenslehre Lehrmäßige Note zu einigen Aspekten der Evangelisierung vom 3. Dezember 2007</ref>
Beurteilung
a) Der philosophische Relativismus hebt sich selber auf, weil er allgemein jede absolut geltende Wahrheit leugnet und doch zugleich die absolute Geltung seiner Denkrichtung behauptet.
b) Der Relativismus widerspricht sich auch dadurch, dass er ohne absolut geltende Prinzipien gar keine Behauptung tun darf; denn für jede Behauptung muss vorausgesetzt werden, dass die darin gebrauchten Begriffe eine feste bestimmte Bedeutung haben und nicht zugleich das Gegenteil meinen (Kontradiktionsprinzip), also dass Wahrheit nicht zugleich Falschheit, relativ nicht zugleich nicht-relativ (absolut) sei. Überdies könnte, wenn der Relativismus wahr wäre, die Relativität der Wahrheit gar nie von uns festgestellt werden, weil der absolute Maßstab fehlte.
c) Der Relativismus ist im praktischen Leben verhängnisvoll. Wie sollen sich die Menschen verständigen, der Lehrer die Schüler unterrichten, wenn jeder die Worte nach seinem Sinn versteht, wenn das wahr ist, was jedem wahr scheint. So könnte auch die Lüge und Unwahrheit wahr sein, was höchst absurd wäre.
d) Endlich widerspricht der Relativismus offensichtlichen Tatsachen; denn alle Menschen müssen die absolute Geltung wenigstens der allgemeinen Prinzipien anerkennen. Auch die mathematischen Wahrheiten werden tatsächlich von allen als absolut anerkannt. Und wenn einige sie mit dem Munde leugnen, so können sie doch innerlich solchen einleuchtenden Wahrheiten unmöglich die Zustimmung im Ernst versagen. Auch die Tatsachen als solche und sonst viele Wahrheiten werden von den Relativisten für sicher wahr gehalten, z. B. dass es eine Stadt Rom gibt.<ref> Bernard Kälin OSB: Lehrbuch der Philosophie I, Einführung in die Kriteriologie, S. 355.</ref>
Beurteilung des ethischen Relativismus und Evolutionismus
Der Moral-Relativismus und -Evolutionismus ist vielfach herausgewachsen aus einer pantheistischen und materialistischen Grundansehauung, oft verbunden mit Leugnung der Willensfreiheit (biologischer, psychologischer, ökonomischer Determinismus). Damit ist aber die wesentliche Voraussetzung für sittliches Handeln preisgegeben; denn nur der verantwortungsbewußte, frei handelnde Mensch kann Träger der Sittlichkeit sein.
Auch beginnt die sittliche Entwicklung nicht, wie der Evolutionismus wahr haben möchte, mit einem moral- und rechtlosen, tierartigen Zustand; noch endigt er bei einer neuen, höheren Idealmoral, die keine Gesetze kenne und sich nur von selbstlosem Altruismus, d. h. von freiwilliger Selbstaufopferung im Dienste der Mitmenschen und der Gemeinschaft leiten lasse.
Die Auffassung, es gebe eine grundsätzlich verschiedene Moral für die verschiedenen Zeiten, Völker, Stände und Klassen, kann vor der Vernunft nicht standhalten. Denn die Menschennatur bleibt die nämliche trotz der Unterschiede nach Rasse, Farbe, Zeiten und Klassen, trotz des Wandels der äußern Sitten und Lebensformen. Darum sind die allgemeinsten Grundsätze des natürlichen Sittengesetzes für alle einheitlich. Selbst Paulsen gesteht: «In einem eingeschränkten Sinne kann es allerdings eine allgemeine Moral geben. Sofern nämlich gewisse Grundzüge des Wesens und der Lebensbedingungen bei allen Menschen gleich sind, insofern wird es auch gewisse, für alle gleiche Grundbedingungen gesunder Lebensentwicklung geben.»
In gewisser Beziehung freilich enthält der Moral-Relativismus und -Evolutionismus etwas Wahres:
a) Es ist richtig, dass die Anwendung der sittlichen Grundsätze die jeweiligen Umstände der Einzelhandlung zu berücksichtigen hat. Darin besteht gerade die Aufgabe der Klugheit und des Gewissens, nach aufmerksamer Untersuchung zu entscheiden, welche Grundsätze man anwenden soll und in welcher Weise das zu geschehen hat.
b) Auch darin liegt ein Kern Wahrheit, dass in bezug auf die klare und vollständige Erkenntnis der Folgerungen aus dem natürlichen Sittengesetz ein Fortschritt möglich ist.
c) Endlich ist insofern eine Entwicklung im sittlichen Bereich möglich, dass die Forderungen des Sittengesetzes auf den verschiedenen Gebieten besser durchgeführt werden, sei es im Handeln des einzelnen, sei es in den sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Bereichen.<ref>Bernard Kälin OSB: Lehrbuch der Philosophie, Einführung in die Ethik, 1954, S. 79+80, Nr. 117.</ref>
Folgerung für die Philosophie
Die erkenntistheoretische Position des Relativismus führt folgerichtig in allen philosophischen Disziplinen zur Leugnung absolut gültiger Prinzipien. In der Ethik wird die allgemeingültige Sittenordnung, in der Rechtsphilosophie das Naturrecht, in der Religionsphilosophie der Geltungsanspruch der Religion abgelehnt. Durch den Relativismus wird der Maßstab aus einer Ideologie auszusteigen, "aus der Hand geschlagen".<ref>Winfried Czapiewski in: Lexikon für Theologie und Kirche, 2. Auflage; Band 8, Stichwort Relativismus, Sp. 1159+1160.</ref>
Das Philosophiestudium darf sich nicht nur im Historischen erschöpfen. Es ist die Gefahr, dass man "jeden Glauben an die Möglichkeit, dass die menschliche Vernunft auf irgendeine Weise die Wahrheit finden könne" verliert, und "dadurch einem Relativismus, oder einem nicht minder zerstörerischen Skeptizismus" verfällt.<ref>Studienkongregation Instruktion über die Methoden des Philosophiestudiums in der Oberstufe der höheren Lehranstalten vom 1. Juli 1958</ref>
Theologischer und dogmatischer Relativismus
Der theologische und dogmatische Relativismus beschreibt Papst Pius XII. in der Enzyklika Humani generis über einige falsche Ansichten, die die Grundlagen der katholischen Lehre zu untergraben drohen vom 12. August 1950, in der Nr. 14-17. Ebenso die Kongregation des Heiligen Offiziums in Mysterium ecclesiae über die Kirche und ihre Verteidigung gegen einige Irrtümer von heute, 1973 im 5. Kapitel.
Diktatur des Relativismus
Der Begriff des Relativismus ist durch die Ansprache von Joseph Ratzinger am Vorabend des Konklave 2005 <ref>Ratzinger warnte 2005: 'Es entsteht eine Diktatur des Relativismus' Kath.net am 2. Januar 2015</ref> einer breiteren Öffentlichkeit geläufig geworden. Er sprach damals von der drohenden Diktatur des Relativismus. Damit ist aber keine Abkehr von der freien Überzeugungsbildung auch der Geisteswissenschaften gefordert, sondern im Gegenteil die bessere Fortführung des Anliegens eines Kulturfortschritts, durch Besinnung auf Religion und Wahrheit. Die Vorstellung, dass man die Freiheit dadurch "sichert" und dadurch das Gewissen befreit, indem man unterschiedslos allen Beiträgen der 'Diskursteilnehmer' denselben Wert beimisst, führt in die Irre. Der Relativismus setzt sich nämlich selbst in intoleranter Weise an die Stelle objektiver Wahrheit (oder besser: ihrer Abwesenheit).
Insbesondere der ethische Relativismus ist nicht nur eine Grundüberzeugung der Freimaurer sondern heute sicherlich, in unterschiedlicher Schärfe, der breiten Mehrheit der "westlichen" Intelligenz.
Beim Relativismus, dessen verherrende Folgen für die Alltagsvernunft der großen Bevölkerungsmehrheit regelmäßig noch nicht gesehen werden, wird schon das Reden über Wahrheit als Quelle von Streitigkeiten und Zerwürfnissen angesehen; daher müsse dieses Thema eher der Privatsphäre vorbehalten bleiben.
Literatur
- Josef Seifert: Der Widersinn des Relativismus: Befreiung von seiner Diktatur, Patrimonium Verlag (1. Auflage, 236 Seiten, ISBN 978-3-86417-053-9 Broschur).
- Josef Seifert: Unbezweifelbare Wahrheitserkenntnis Jenseits von Skeptizismus und Diktatur des Relativismus , Patrimonium Verlag 2015 (1. Auflage, 292 Seiten, ISBN 978-3-86417-038-6).
- Joseph Ratzinger und Marcello Pera: Ohne Wurzeln: Der Relativismus und die Krise der europäischen Kultur, Sankt Ulrich Verlag 1. August 2005.
- Gabriele Kuby: Die Gender Revolution - Relativismus in Aktion, Das Aufklärungsbuch über die Gender-Ideologie Fe Medienverlag 2008 (4. Auflage; 160 Seiten; ISBN 978-939684-04-6).
- Janne Haaland Matlary: Veruntreute Menschenrechte. Droht eine Diktatur des Relativismus? Sankt Ulrich Verlag 1. August 2006.
siehe: Klugheit und Relativismus
Weblinks
- Tagung im Stift Heiligenkreuz: Gegen die Diktatur des Relativismus Kath.net Juni 2012
- Der katholische Glaube und der Relativismus von Athanasius Schneider bei K-TV
Anmerkungen
<references />