Neue liturgische Bewegung

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Als Neue Liturgische Bewegung werden zusammenfassend Bestrebungen bezeichnet, das "eigentliche liturgische Erbe" des Zweiten Vatikanischen Konzils zum Leben zu erwecken. Sie beabsichtigt eine liturgische "Hermeneutik der Kontinuität" der Liturgiereform, möchte die Bedeutung der Liturgie in der Katholischen Kirche tiefer erschließen und das Verständnis für sie fördern. Sie sieht sich in der Tradition der Liturgischen Bewegung des 19. und 20. Jahrhunderts bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil.

Begriffsgeschichte

Die Bezeichnung wird zurückgeführt auf Joseph Kardinal Ratzinger, später Papst Benedikt XVI.: „Weil es die Gemeinde aus sich gar nicht gibt, sie vielmehr immer nur durch den Glauben vom Herrn her überhaupt als Einheit entsteht, ist Zerfall in Parteiungen aller Art [...] unter diesen Bedingungen unwiderruflich. Darum brauchen wir eine neue Liturgische Bewegung, die das eigentliche Erbe des II. Vatikanischen Konzils zum Leben erweckt.“<ref>Joseph Ratzinger: Aus meinem Leben. Erinnerungen. Stuttgart 2000, S. 174.</ref> „Eine solche neue liturgische Bewegung [die Fehlentwicklungen ungeschehen macht] kann man nicht ‚machen’, wie man überhaupt nichts Lebendiges ‚machen’ kann, aber man kann dem Heraufkommen dienen, indem man selbst den Geist der Liturgie neu anzueignen sich müht und für das so Empfangene auch öffentlich eintritt.“<ref>Joseph Ratzinger: Gesammelte Schriften. Band 11. Theologie der Liturgie. Freiburg, Basel, Wien 2008, S. 634.</ref> Er wirbt für eine "Wiederentdeckung des Wesentlichen in der Liturgie". Liturgie sei allgemein ein Überschreiten des alltäglichen Lebens, und Selbstüberschreitung (Transzendenz) sei in den Kern christlicher Liturgie eingeschrieben (von mir weg zu einem Höheren). Es gehe darum, die Liturgie nicht zu banalisieren und zu profanieren, hingegen die Ehrfurcht und das Übernatürliche aufleuchten zu lassen."<ref>so ein Tagungsbericht (40 Jahre Liturgiereform-Festakt in Trier mit Joseph Kardinal Ratzinger, Die Tagespost 6. Dez. 2003; Michael Schneider, Zur Grundlegung und Erneuerung der Liturgie nach der Theologie Joseph Ratzingers - Papst Benedikts XVI.)</ref>

Theoretische und praktische Richtung

Die "Neue Liturgische Bewegung" entfaltet sich in zwei Richtungen. Sie studiert einerseits auf einer akademischen historischen Ebene das Wesen und die Entwicklung des Römischen Ritus. Auf der anderen Seite geht es ihr auf einer praktischen Ebene um eine Revision der nachkonziliären liturgischen Reform in Übereinstimmung mit einer präziseren Umsetzung von Sacrosanctum concilium. Sie ergründet die Absichten der Konzilsväter zur Liturgiereform des Zweiten Vatikanischen Konzils und ebenso wie eine Zelebrationsweise auszusehen hat, die das Depositum fidei am meisten stützt<ref> vgl. Brian W. Harrison: Die Reform der liturgischen Reform: in: Franz Breid: "Die heilige Liturgie" 1997, S. 211-213 (siehe Literatur).</ref> und den katholischen Glauben des Mystischen Leibes Christi in der Liturgie am treffendsten zum Ausdruck bringt.

Reform der Reform

Eine "Reform der Reform", wie Benedikt XIV. sie angesprochen hat, bedeute, so der amtierende Präfekt der Gottesdienstkongregation Antonio Cañizares Llovera 2010, Fehlentwicklungen zu korrigieren, die sich bei der Liturgiereform im Anschluss an das Zweite Vatikanische Konzil eingestellt hätten. Es sei bei dem vom Konzil gewünschten "berechtigten Fortschriftt" zu prüfen, ob der vom Konzil gewünschte "wirkliche und sicher zu erhoffende Nutzen der Kirche"" (SC, Nr. 23) gegeben sei. Llovera ließ keinen Zweifel an der Güte der nachkonziliaren liturgischen Erneuerung und an ihren großenh Vorteilen für das Leben der Kirche wie die Actuosa participatio und eine reichere Präsenz der Heiligen Schrift. Die Reform sei als "ein Werk der Hände des Menschen und nicht Gottes" verstanden worden; „die liturgische Erneuerung ist wie eine Forschung im Labor gesehen worden, Ergebnis der Vorstellungskraft und der Kreativität: magisches Wort jener Zeit“, so Antonio Cañizares Llovera.<ref>Eine 'neue Liturgische Bewegung'? Kath.net am 28. Dezember 2010 von Armin Schwibach</ref>

Der im Jahre 2016 amtierende Präfekt der Gottesdienstkongregation, Kardinal Robert Sarah, sagte im Juli 2016, einige der nach dem II. Vatikanischen Konzil durchgeführten Reformen seien zu sehr vom damaligen Zeitgeist beeinflusst gewesen und über die Liturgiekonstitution „Sacrosanctum Concilium“ hinausgegangen. Eine vollständige Umsetzung der Konstitution bedürfe einer „Hermeneutik der Kontinuität“. Die Konzilsväter „beabsichtigten keine Revolution, sondern eine Evolution“, betonte er.<ref>Kardinal Sarah bittet Priester, ‚ad orientem’ zu zelebrieren Kath.net am 6 Juli 2016.</ref> Unter Berufung auf Joseph Kardinal Ratzinger| Papst Benedikt verweist Sarah Ende März 2017 auf die Krise der Kirche, die vor allem seit dem Konzil zu beobachten sei und in Verbindung mit der Krise der Liturgie gesehen werden müsse. Respektlosigkeit, Entsakralisierung sowie Horizontalisierung des wesentlichen Elemente des Gottesdienstes seien hier zu nennen. Viele Menschen wüssten nicht mehr, dass der Zweck der Messfeier die „Herrlichkeit und die Anbetung Gottes ist, das Heil und die Heiligung der Menschen“. <ref>Nachkonziliare Kirche ohne christliche Wurzeln Kath.net am 1. April 2017, Bericht von Martin Lohmann</ref>

Tatsächlich, so Kardinal Sarah, sei das, was man die „Reform der Reform“ nennt und was man vielleicht noch genauer als „gegenseitige Befruchtung der Riten“ bezeichnen solle, um einen Ausdruck des Lehramts von Benedikt XVI. aufzugreifen, eine vor allem geistliche Notwendigkeit. Und sie betreffe selbstverständlich die beiden Formen des römischen Ritus. Der Kardional plädierte für ein ausgewogenes Gleichgewicht zwischen der Treue zur Tradition und einer legitimen Veränderung und die Zurückweisung jeglicher Hermeneutik des Bruchs und der Diskontinuität.<ref>„Reform der Reform“ ist eine geistliche Notwendigkeit Kathnews am 4. April 2017; Summorum Pontificum: Wiedererwachen der liturgischen Bewegung Kathnews am 10. April 2017.</ref>

Der Vatikansprecher Federico Lombardi erklärte am 11. Juli 2016 im Anschluss an eine Audienz, die Papst Franziskus Kardinal Sarah gewährte, der Begriff einer "Reform der Reform" sei besser zu vermeiden, da er Missverständnisse hervorrufen könne.<ref>domradio.de: Vatikan erteilt Liturgiereform eine Absage Nicht mit dem Rücken zur Gemeinde, 12. Juli 2016</ref>

Handlungsfelder der Bewegung

Liturgiesprache und Gregorianischer Choral

Papst Benedikt XVI. schreibt im Nachsynodalem Apostolischem Schreiben Sacramentum caritatis vom 22. Februar 2007, Nr. 62, sich auf die Konstitution über die heilige Liturgie Sacrosanctum concilium 36 und 54 beziehend: "Es ist gut, wenn außer den Lesungen, der Predigt und den Fürbitten der Gläubigen die (Eucharistie-)Feier in lateinischer Sprache gehalten wird; ebenso sollen die bekanntesten Gebete aus der Überlieferung der Kirche in Latein gesprochen und eventuell einige Teile in gregorianischem Choral ausgeführt werden." Die zukünftigen Priester sollten darauf vorbereitet werden, die heilige Messe in Latein zu verstehen und zu zelebrieren, lateinische Texte zu nutzen und den gregorianischen Choral zu verwenden. Auch die Gläubigen sollzen angeleitet werden, die allgemeinsten Gebete in Latein zu kennen und gewisse Teile der Liturgie im gregorianischen Stil zu singen."

Kniende Mundkommunion

Papst Benedikt XVI. wollte den Empfang der hl. Eucharistie in kniender Form fördern und äußérte den Wunsch, die Mundkommuion solle die übliche Praxis werden, da diese besser die "Wahrheit der Realpräsenz in der Eucharistie" hervorhebe und leichter in den Sinn des Mysteriums einführe.<ref>Päpstlicher Zeremonienmeister: Papst bevorzugt Mundkommunion Kath.net 26. Juni 2008; Papst Benedikt Peter & Paul 2009 - Eucharistieverteilung Video bei Kathtube</ref>

Benedikt XVI. hatte als Bischof von Rom den Indult für die Handkommunion bei Messen mit dem Heiligen Vater außer Kraft gesetzt. Seit Weihnachten 2010 wird im Petersdom die Kommunion generell nur als kniende Mundkommunion gespendet. Der Papst folgt damit der einzigen vom Missale Pauls VI. vorgesehenen Weise der Austeilung der Heiligen Kommunion an die Gläubigen.<ref>Eine 'neue Liturgische Bewegung'? Kath.net am 28. Dezember 2010 von Armin Schwibach</ref>

Kommunionspender durch Laien

Nach 800 war die Berührung des Leibes Christi mit der Hand oder den Fingern nur noch als ein Privileg des Klerus nachzuweisen<ref>vgl. Martin Lugmayr: Handkommunion, Eine historisch-dogmatische Untersuchung, mit einem Vorwort von Robert Spaemann. Stella Maris Verlag Buttenwiesen 2001, S. 23 (64 Seiten; ISBN: 978-3-934225-13-8).</ref> und war Praxis bis kurz nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil. Zwar wurde in Zeiten der Verfolgung, Laien erlaubt, die Sakramentale Kommunion in Gefängnisse zu bringen oder zu Einsiedlern, jedoch während der Heiligen Messe, sei es in der Ost- oder Westkirche, gab es keine Laienkommunionhelfer.<ref> so Athanasius Schneider auf der DVD mit dem Titel: "Dominus est. Es ist der Herr. Die Eucharistie im Lichte des II. Vatikanischen Konzils" vom Josanto-Media.</ref>

Das geltende Kirchenrecht legt fest, dass Bischof, Priester und Diakon die "ordentlichen Spender der heiligen Kommunion" sind. Akolythen und andere beauftragte Gläubige können als "außerordentliche Spender" fungieren.<ref>Codex Iuris Canonici c. 910, [1].</ref>

Zelebrationsrichtung

Weder die Liturgiekonstitution Sacrosanctum concilium vom 4. Dezember 1963, noch die Diskussionen der Konzilsväter machen eine Aussage zur Zelebrationsrichtung.<ref>DVD 51 Min.: Dominus est. Es ist der Herr. Die Eucharistie im Lichte des Zweiten Vatikanischen Konzils, Gespräch von Reiner Müller mit Athanasius Schneider im Josanto-Media 2011.</ref>

Kardinal Robert Sarah, der amtierende Präfekt der Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung, stellte Ende Mai 2016 in einem Interview mit der französischen Zeitung „Famille Chrétienne“ fest, es sei ab dem Offertorium „wesentlich, dass der Priester und die Gläubigen gemeinsam nach Osten blicken“,<ref>Kardinal Sarah: „Priester sollen ad orientem zelebrieren“ Kath.net am 31. Mai 2016</ref> Anfang Juli 2016 bat er in einem Vortrag bei der Konferenz „Sacra Liturgia“ in London, die Priester der katholischen Kirche mögen die heilige Messe auch in der ordentlichen Form des Römischen Ritus „ad orientem“ feiern, wo immer es möglich sei, und nannte den ersten Adventssonntag 2016 als geeigneten Termin, um die Änderung einzuführen.<ref>Kardinal Sarah bittet Priester, ‚ad orientem’ zu zelebrieren Kath.net am 6 Juli 2016.</ref> Papst Franziskus reagierte darauf mit einer deutlichen Klarstellung. Er betonte, dass der Außerordentliche Ritus von Papst Benedikt deswegen genehmigt worden sei, um "einigen Nostalgikern" entgegen zu kommen. Er werde aber gerade deswegen als Außerordentlicher Ritus bezeichnet, weil seine Feier nicht die Norm sei. Der Begriff "Reform der Liturgiereform" sein unangebracht.<ref> Deutsche Tagespost, November 2016.</ref>

Korrektur von Liturgiemissbräuchen

Die Regelung der Liturgie ist Sache der Autorität der Kirche, beim Heiligen Stuhl und gegebenenfalls beim Diözesanbischof. "Deshalb darf durchaus niemand, auch wenn er Priester wäre, nach eigenem Gutdünken in der Liturgie etwas hinzufügen, wegnehmen oder ändern." Damit einerseits "die gesunde Überlieferung beibehalten", aber andererseits "der Weg für einen berechtigten Fortschritt erschlossen werden" kann, muss "bei der Überarbeitung einzelner Teile der Liturgie stets eine sorgfältige theologische, hiostorischge und pastorale Untersuchung vorausgehen". Zu beachten sind die allgemeine Struktur und der Geist der Liturgie, aber auch die Erfahrungen "der jüngsten liturgischen Erneuerung"; neue Formen sollten "aus dern schon bestehennden Formen organisch wachsen.".<ref>Zweites Vatikanisches Konzil, Konstitution über die hl. Liturgie Sacrosanctum concilium, Nr. 22. § 3.</ref>

"Pro multis"

In einem Schreiben von Kardinal Francis Arinze, dem damaligen Präfekten der Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung vom 17. Oktober 2006, wies der Heilige Stuhl im Auftrag von Papst Benedikt XVI. die Bischofskonferenzen an, die richtige Übersetzung des pro multis (im Deutschen: "für viele" statt "für alle") bei den eucharistischen Wandlungsworten vorzubereiten.<ref>Manfred Hauke: "Für viele vergossen", S. 7+8; vgl auch: Vatikan veröffentlicht 'Pro multis'-Klarstellung Kath.net am 20. November 2006.</ref> Denn das eucharistische Opfer "für viele" entspricht auch der Sicht des Johannesevangeliums, wonach der Herr sein Leben für seine Schafe gibt. Die eucharistische Hingabe Jesu wendet sich als Einladung zum Heil an alle Menschen, verwirklicht sich als Bundesgeschehen aber nur in denen, die gemäß dem ewigen Plan Gottes erwählt sind und die im Glauben, der von der Liebe geformt ist, das Selbstopfer Christi annehmen.<ref>Erzbischof Malcolm Ranjith im Vorwort des Buches von Manfred Hauke: "Für viele vergossen", 2. Auflage, S. 9, siehe Literatur.</ref>

Die außerordentliche Form des Römischen Ritus

Mit dem Motu proprio Summorum pontificum im Juli 2007 gestattete Papst Benedikt XVI. jedem Priester, die Heilige Messe in der (jetzt "außerordentlichen") Form des Missale Romanum von 1962 zu feiern; die ordentliche und die außerordentliche Form des Römischen Ritus sollten sich "gegenseitig befruchten".<ref>7. Juli 2007 Begleitbrief zum Motu proprio Summorum pontificum.</ref>

Die Befürworter der außerordentlichen Form der Liturgie ziehen hier eine Parallele zu angestammter liturgischer Pluriformität und zur Gleichrangigkeit der beiden großen Ritenfamilien: Byzanz und Rom.<ref>„Bereicherung“ statt „Reform der Reform“ Kathnews am 14. Juli 2016 von Gero Weishaupt: „So wie die großen Ritenfamilien des Ostens und des Westens im Laufe der Geschichte in wechselndem Austausch und gegenseitigem Befruchten voneinander Elemente übernommen haben, so sollen sich nun auch die beiden Formen des einen Römischen Ritus gegenseitig bereichern und befruchten“ („Päpstliche Weichenstellungen“, 142.). In seinem epochalen Buch „Der Geist der Liturgie” schreibt Joseph Ratzinger: „Die Riten sind nicht streng gegeneinander abgegrenzt. Es gibt Austausch und gegenseitige Befruchtung. Am deutlichsten ist dies bei den zwei großen Schwerpunkten der Ritenbildung: Byzanz und Rom. Die allermeisten östlichen Riten sind in ihrer gegenwärtigen Gestalt sehr stark durch die byzantinischen Einflüsse mitgeprägt worden. Umgekehrt hat Rom immer mehr die verschiedenen Riten des Westens im gemeinsamen römischen Ritus vereinigt. Während Byzanz dem großen Teil der slawischen Welt die Form der Verherrlichung Gottes gab, hat Rom die germanischen, die lateinischen und einen Teil der slawischen Völker liturgisch geprägt. Im ersten Jahrtausend gab es noch liturgischen Austausch zwischen Ost und West; …” (in: J. Ratzinger, Gesammelte Schriften, Theologie der Liturgie, Bd. 11, Freiburg im Breisgau 2008, 142.).</ref>

Initiativen zu einer neuen Liturgischen Bewegung

Literatur

Medien

Päpstliche Schreiben

Benedikt XVI.

Weblinks

Anmerkungen

<references />