Redemptoris missio (Wortlaut)

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Enzyklika
Redemptoris missio

unseres Heiligen Vaters
Johannes Paul II.
über die fortdauernde Gültigkeit des missionarischen Auftrages
7. Januar 1990
(Offizieller lateinischer Text: AAS 83 [1991] 249-340; Die lateinische Fassung auf der Vatikanseite)

(Quelle: Die deutsche Fassung auf der Vatikanseite; siehe auch: VAS 100; DAS 1990, S. 1165-1227;
Die englische Fassung auf der Vatikanseite)
Allgemeiner Hinweis: Was bei der Lektüre von Wortlautartikeln der Lehramtstexte zu beachten ist


Ehrwürdige Brüder und geliebte Söhne,
Gruß und Apostolischen Segen!

Inhaltsverzeichnis

EINLEITUNG

1 Die Sendung Christi, des Erlösers, die der Kirche anvertraut ist, ist noch weit davon entfernt, vollendet zu sein. Ein Blick auf die Menschheit insgesamt am Ende des zweiten Jahrtausends zeigt uns, dass diese Sendung noch in den Anfängen steckt und dass wir uns mit allen Kräften für den Dienst an dieser Sendung einsetzen müssen. Der Geist ist es, der dazu ermuntert, die Großtaten Gottes zu verkünden: "Ich kann mich deswegen nicht rühmen; denn ein Zwang liegt auf mir. Weh mir, wenn ich das Evangelium nicht verkünde!" (1 Kor 9, 16).

Im Namen der ganzen Kirche fühle ich die Verpflichtung, diesen Ruf des Apostels Paulus erneut aufzugreifen. Seit dem Beginn meines Pontifikates habe ich mich entschlossen, bis an die äußersten Enden der Erde zu reisen, um dieser missionarischen Verantwortung Ausdruck zu verleihen. Gerade der unmittelbare Kontakt mit den Völkern, die Christus nicht kennen, hat mich von der Dringlichkeit einer solchen Aktivität, der diese Enzyklika gelten soll, noch mehr überzeugt. Das Zweite Vatikanische Konzil wollte das Leben und die Tätigkeit der Kirche in Anpassung an die Bedürfnisse der heutigen Welt erneuern. Es hat die missionarische Aufgabe, deren Dynamik es auf die trinitarische Sendung selbst gründete, in den Vordergrund gestellt. Der missionarische Impuls ist mithin zutiefst in der Natur des christlichen Lebens verwurzelt und gibt auch der ökumenischen Bewegung ihre Stoßrichtung: "Alle sollen eins sein: Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir bin, sollen auch sie in uns sein, damit die Welt glaubt, dass du mich gesandt hast" (Joh 17, 21).

2 Das Konzil hat schon reiche missionarische Früchte getragen. Es entstanden Ortskirchen mit eigenen Bischöfen, mit Klerus und Laienaposteln. Die christlichen Gemeinden werden immer intensiver in das Leben der Völker eingebunden. Die Verbindung der Kirchen untereinander bringt einen lebhaften Austausch geistlicher und materieller Güter mit sich. Das kirchliche Leben ist im Begriff, sich durch den Verkündigungsauftrag an die Laien zu verändern. Die Ortskirchen öffnen sich für die Begegnung, für den Dialog und für die Zusammenarbeit mit Mitgliedern anderer christlicher Kirchen und Religionen. Es zeigt sich insbesondere ein neues Bewusstsein: der Sendungsauftrag gilt für alle Christen, für alle Diözesen und Pfarreien, für die kirchlichen Institutionen und Vereinigungen.

In diesem "neuen Frühling" des Christentums kann jedoch nicht eine negative Tendenz übersehen werden, der mit diesem Schreiben begegnet werden soll: die eigentliche Sendung ad gentes scheint nachzulassen, was gewiss nicht den Weisungen des Konzils und den damit zusammenhängenden Aussagen des Lehramtes entspricht. Innere und äußere Schwierigkeiten haben den missionarischen Schwung im Hinblick auf die Nicht-Christen erlahmen lassen. Diese Tatsache muss allen, die an Christus glauben, zu denken geben. In der Geschichte der Kirche ist die Befolgung des missionarischen Auftrages immer ein Zeichen kraftvollen Lebens gewesen, wie die Nachlässigkeit diesem gegenüber Zeichen einer Glaubenskrise ist.<ref> Vgl. Paul VI., Botschaft zum Weltmissionstag 1972: "Wie viele interne Spannungen, die manche Ortskirchen und lokalen Institutionen schwächen und zerreißen, würden verschwinden angesichts der festen Überzeugung, dass das Heil der Ortsgemeinden durch die Mitwirkung an der Missionstätigkeit erworben wird, "damit diese bis an die Grenzen der Erde ausgeweitet werden kann"" (Insegnamenti X 1972], 522). </ref>

Fünfundzwanzig Jahre nach Beendigung des Konzils und nach der Veröffentlichung des Dekretes über die missionarische Tätigkeit der Kirche Ad Gentes, fünfzehn Jahre nach dem Apostolischen Schreiben Evangelii Nuntiandi von Papst Paul VI. ehrwürdigen Angedenkens möchte ich in Fortführung des Lehramtes meiner Vorgänger <ref> Vgl. Benedikt XV., Apostolisches Schreiben Maximum illud (30. November 1919): AAS 11 (1919), 440-455; Pius X., Enzyklika Rerum ecclesiae (28. Februar 1926): AAS 18 1926], 65-83; Pius XII., Enzyklika Evangelii praecones (2. Juni 1951): AAS 43 (1951), 497-528; Enzyklika Fidei donum (21. April 1957) AAS 49 (1957), 225-248; Johannes XXIII., Enzyklika Princeps pastorum (28. November 1959) AAS 51 (1959), 833-864. </ref> zu dieser Frage die Kirche zu einer Erneuerung des missionarischen Eifers einladen. Das vorliegende Dokument hat eine innere Zielrichtung: die Erneuerung des Glaubens und des christlichen Lebens. Durch die Mission wird die Kirche tatsächlich erneuert, Glaube und christliche Identität werden bestärkt und erhalten neuen Schwung und neue Motivation. Der Glaube wird stark durch Weitergabe! Die neue Evangelisierung der christlichen Völker findet Anregung und Halt im Einsatz für die sich weltweit betätigende Mission.

Aber was mich noch mehr zur Betonung der Dringlichkeit der missionarischen Verkündigung bewegt, ist die Tatsache, dass diese vorrangig den Dienst ausmacht, den die Kirche jedem Menschen und der ganzen Menschheit von heute erweisen kann. Die Menschheit hat zwar erstaunliche Errungenschaften aufzuweisen, aber sie scheint den Sinn für letzte Wirklichkeiten und für das Dasein selbst verloren zu haben. "Christus, der Erlöser, macht - wie ich in meiner ersten Enzyklika schrieb - dem Menschen den Menschen selbst voll kund. Der Mensch, der sich selbst bis in die Tiefe verstehen will, muss sich Christus nahen. Die Erlösung, die durch das Kreuz erfolgt ist, hat dem Menschen endgültig seine Würde und den Sinn seiner Existenz in der Welt zurückgegeben".<ref> Enzyklika Redemptor hominis (4. März 1979), Nr. 10: AAS 71 (1979), 274f. </ref>

Es gibt auch noch andere Leitgedanken und Beweggründe: vielen Anfragen soll durch ein solches Schreiben eine Antwort gegeben werden; Zweifel und Unklarheiten bezüglich der Mission ad gentes sollen beseitigt werden; diejenigen Schwestern und Brüder, die sich der missionarischen Tätigkeit widmen, und jene, die ihnen dabei behilflich sind, sollen in ihrem Einsatz bestärkt werden; die Missionsberufe sollen gefördert werden; die Theologen sollen ermutigt werden, die verschiedenen Aspekte der Mission zu vertiefen und systematisch darzulegen, an den Gedanken der Mission im eigentlichen Sinn soll erinnert werden, indem die Ortskirchen, insbesondere die jungen, Missionare schicken und aufnehmen; den Nicht-Christen, besonders den Behörden jener Länder, denen die missionarische Tätigkeit gilt, soll versichert werden, dass letztere nur ein Ziel hat, nämlich dem Menschen zu dienen, indem man ihm die in Jesus Christus erschienene Liebe Gottes aufzeigt.

3 Ihr Völker alle, öffnet eure Tore für Christus! Sein Evangelium tut der Freiheit des Menschen, der anderen Kulturen gebührenden Achtung, allem Positiven in jeder Religion keinen Abbruch. Wenn ihr Christus aufnehmet, öffnet ihr euch dem endgültigen Wort Gottes, jenem gegenüber, in dem Gott sich restlos zu erkennen gab und uns den Weg zu ihm gewiesen hat.

Die Zahl jener, die Christus nicht kennen und nicht zur Kirche gehören, ist ständig im Wachsen; seit dem Ende des Konzils hat sie sich sogar beinahe verdoppelt. Diese ungeheure Zahl von Menschen wird vom Vater, der für sie seinen Sohn gesandt hat, geliebt; die Dringlichkeit der Mission für sie liegt klar auf der Hand.

Andererseits bietet unsere Zeit der Kirche auf diesem Gebiet neue Möglichkeiten: der Zusammenbruch von Ideologien und oppressiven politischen Systemen; die Öffnung der Grenzen und das Entstehen einer dank der wachsenden Informationsangebote sich einenden Welt; die Durchsetzung bei den Völkern jener evangelischen Werte, die Jesus in seinem Leben verkörpert hat (Friede, Gerechtigkeit, Brüderlichkeit, Sorge für die Kleinen); eine fortschreitende Seelenlosigkeit in Wirtschaft und Technik lässt die Suche nach der Wahrheit über Gott, über den Menschen, über den Sinn des Lebens besonders dringlich erscheinen.

Gott öffnet der Kirche die Horizonte einer Menschheit, die für den Samen des Wortes der Frohbotschaft leichter empfänglich ist. Ich halte die Zeit für gekommen, da alle kirchlichen Kräfte für die neue Evangelisierung und für die Mission ad gentes einzusetzen sind. Keiner, der an Christus glaubt, keine Institution der Kirche kann sich dieser obersten Pflicht entziehen: Christus muss allen Völkern verkündet werden.

KAPITEL I: JESUS CHRISTUS, ALLEINIGER ERLÖSER

4 "Die grundlegende Aufgabe der Kirche in allen Epochen und besonders in der unsrigen ist es - so rief ich in der ersten programmatischen Enzyklika in Erinnerung - den Blick des Menschen, das Bewusstsein und die Erfahrung der ganzen Menschheit auf das Geheimnis Christi zu lenken".<ref> Ebd, a.a.O., 275. </ref>

Die weltweite Sendung der Kirche kommt aus dem Glauben an Jesus Christus, wie es im Bekenntnis des Glaubens an den dreieinigen Gott heißt: "Ich glaube an den einen Herrn Jesus Christus, Gottes eingeborenen Sohn. Er ist aus dem Vater geboren vor aller Zeit ... Für uns Menschen und um unseres Heiles willen ist er vom Himmel herabgestiegen. Er hat Fleisch angenommen durch den Heiligen Geist, aus Maria, der Jungfrau, und ist Mensch geworden."<ref> Nizäno-Konstantinopolitanisches Glaubensbekenntnis: DS 150. </ref> Im Ereignis der Erlösung ist das Heil aller begründet, "denn jeder ist vom Geheimnis der Erlösung betroffen, mit jedem ist Christus für immer durch dieses Geheimnis verbunden".<ref> Enzyklika Redemptor hominis, Nr. 13: a.a.O., 283. </ref> Allein im Glauben kann die Sendung verstanden werden, auf ihn hin ist sie gegründet.

Und dennoch fragen sich einige, auch im Hinblick auf die Veränderungen in der modernen Welt und der Verbreitung neuer theologischer Ideen: Ist die Mission unter den Nicht-Christen noch aktuell? Wird sie vielleicht durch den Dialog unter den Religionen ersetzt? Ist die Förderung im Bereich des Menschlichen nicht eines ihrer Ziele, das genügt? Schließt nicht die Achtung vor dem Gewissen und vor der Freiheit jeden Bekehrungsversuch aus? Kann man nicht in jeder Religion gerettet werden? Warum also Mission?

"Keiner kommt zum Vater außer durch mich" (Joh 14, 6)

5 Wenn wir zu den Ursprüngen der Kirche zurückgehen, so finden wir dort die klare Aussage, dass Christus der alleinige Erlöser von allen ist, jener, der allein Gott auszusagen und zu ihm zu führen vermag. Den jüdischen religiösen Behörden, die die Apostel wegen der durch Petrus gewirkten Heilung am Gelähmten befragen, erwidert dieser: "Im Namen Jesu Christi, des Nazoräers, den ihr gekreuzigt habt und den Gott von den Toten auferweckt hat, steht dieser Mann gesund vor euch ... In keinem anderen ist das Heil zu finden. Denn es ist uns Menschen kein anderer Name unter dem Himmel gegeben, durch den wir gerettet werden sollen" (Apg 4, 10.12 ).

Diese Aussage hat universale Bedeutung, weil für alle - Juden wie Heiden - das Heil nur von Jesus Christus kommen kann.

Die von Christus gewirkte Universalität des Heiles wird im ganzen Neuen Testament bezeugt. Paulus anerkennt im auferstandenen Christus den Herrn: "Und selbst wenn es im Himmel oder auf der Erde sogenannte Götter gibt - und solche Götter und Herren gibt es viele -, so haben doch wir nur einen Gott, den Vater. Von ihm stammt alles, und wir leben auf ihn hin. Und einer ist der Herr: Jesus Christus. Durch ihn ist alles, und wir sind durch ihn" (1 Kor 8, 5-6). Der einzige Gott und der alleinige Herr stehen im Gegensatz zur Vielheit von "Göttern" und "Herren", die vom Volk angenommen waren. Paulus reagiert gegen den Polytheismus der religiösen Umwelt seiner Zeit und stellt das Charakteristische des christlichen Glaubens heraus: Glaube an einen einzigen Gott und an einen einzigen, von Gott gesandten Herrn.

Im Johannesevangelium umfasst diese Universalität des Heiles Christi die Aspekte seiner Sendung von Gnade und Wahrheit, von Heil und Offenbarung: Das Wort ist das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet (vgl. Joh 1, 9). Und weiter: "Niemand hat Gott je gesehen. Der einzige, der Gott ist und am Herzen des Vaters ruht, er hat Kunde gebracht" (Joh 1, 18; vgl. Mt 11, 27). Die Offenbarung Gottes wird endgültig und ist vollendet durch das Wirken seines eingeborenen Sohnes: "Gott, der viele Male und auf vielerlei Weise einst zu den Vätern gesprochen hat durch die Propheten, hat in dieser Endzeit zu uns gesprochen durch den Sohn, den er zum Erben des Alls eingesetzt und durch den er auch die Welt erschaffen hat" (Hebr 1, 1-2; vgl. Joh 14, 6). In diesem endgültigen Wort seiner Offenbarung hat Gott sich in vollendetster Weise der Welt zu erkennen gegeben: er hat der Menschheit mitgeteilt, wer er ist. Und diese endgültige Selbstoffenbarung Gottes ist der tiefste Grund, weshalb die Kirche ihrer Natur nach missionarisch ist. Sie kann nicht davon absehen, das Evangelium, d.h. die Fülle der Wahrheit, die Gott uns über sich selbst zur Kenntnis gebracht hat, zu verkünden.

Christus ist der einzige Mittler zwischen Gott und den Menschen. "Einer ist Gott, einer auch Mittler zwischen Gott und den Menschen: der Mensch Christus Jesus, der sich als Lösegeld hingegeben hat für alle, ein Zeugnis zur vorherbestimmten Zeit, als dessen Verkünder und Apostel ich eingesetzt wurde - ich sage die Wahrheit und lüge nicht - , als Lehrer der Heiden im Glauben und in der Wahrheit" (1 Tim 2, 5-7; vgl. Hebr 4, 14-16). Die Menschen können demnach mit Gott nicht in Verbindung kommen, wenn es nicht durch Jesus Christus unter Mitwirkung des Geistes geschieht. Durch seine einzigartige und universale Mittlertätigkeit, weit entfernt davon, Hindernis auf dem Weg zu Gott zu sein, ist er der von Gott selbst bestimmte Weg. Er ist sich dessen voll bewusst. Andere Mittlertätigkeiten verschiedener Art und Ordnung, die an seiner Mittlerschaft teilhaben, werden nicht ausgeschlossen, aber sie haben doch nur Bedeutung und Wert allein in Verbindung mit der Mittlerschaft Christi und können nicht als gleichrangig und notwendiger Zusatz betrachtet werden.

6 Es widerspricht dem christlichen Glauben, wenn man eine, wie auch immer geartete, Trennung zwischen dem Wort und Jesus Christus einführt. Johannes sagt klar, dass das Wort, das am Anfang bei Gott war, dasselbe ist wie jenes, das Fleisch geworden ist (vgl. Joh 1, 2.14). Jesus ist das fleischgewordene Wort, eine einzige und unteilbare Person. Man kann auch nicht Jesus von Christus trennen oder von einem "Jesus der Geschichte" sprechen, der vom "Christus des Glaubens" verschieden wäre. Die Kirche kennt und bekennt Jesus als "den Christus, den Sohn des lebendigen Gottes" (Mt 16, 16): Christus ist kein anderer als Jesus von Nazareth, und dieser ist das für das Heil aller menschgewordene Wort Gottes. In Christus "wohnt wirklich die ganze Fülle Gottes" (Kol 2, 9) und "aus seiner Fülle haben wir alle empfangen" (Joh 1, 16). Der "einzige Sohn, der am Herzen des Vaters ruht" (Joh 1, 18), ist "der geliebte Sohn, durch den wir die Erlösung haben" (Kol 1, 13-14). Im Heilsplan Gottes ist das Wort nicht zu trennen von Christus: "Denn Gott wollte mit seiner ganzen Fülle in ihm wohnen, um durch ihn alles zu versöhnen. Alles im Himmel und auf Erden wollte er zu Christus führen, der Frieden gestiftet hat am Kreuz durch sein Blut" (Kol 1, 19-20). Gerade diese Einzigartigkeit Christi ist es, die ihm eine absolute und universale Bedeutung verleiht, durch die er, obwohl selbst Teil der Geschichte, Mitte und Ziel der Geschichte selbst ist: <ref> Vgl. Zweites Vatikanisches Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, Nr 2. </ref> "Ich bin das Alpha und das Omega, der erste und der letzte, der Anfang und das Ende" (Off 22, 13).

Wenn es also möglich und nützlich ist, die verschiedenen Aspekte des Geheimnisses Christi ins Auge zu fassen, so darf man dennoch nie seine Einheit außer acht lassen. Während wir darangehen, die von Gott jedem Volk zugeteilten Gaben aller Art, insbesondere die geistigen, zu entdecken und zu bewerten, können wir solche Jesus Christus, der im Zentrum des göttlichen Heilsplanes steht, nicht absprechen. Wenn "der Sohn Gottes sich in seiner Menschwerdung mit jedem Menschen vereinigt", so "müssen wir festhalten, dass der Heilige Geist allen die Möglichkeit anbietet, diesem österlichen Geheimnis in einer Gott bekannten Weise verbunden zu sein".<ref> Ebd, Nr. 22. </ref> Es ist Gottes Absicht, "in Christus alles zu vereinen, alles, was im Himmel und auf Erden ist" (Eph 1, 10).

Der Glaube an Christus ist ein Angebot an die Freiheit des Menschen

7 Die Dringlichkeit missionarischer Tätigkeit geht aus der von Christus gebrachten und von seinen Jüngern gelebten grundlegenden Erneuerung des Lebens hervor. Dieses neue Leben ist Gabe Gottes. Von seiten des Menschen ist erforderlich, sie einzulassen und ihr zum Wachstum zu verhelfen, wenn er sich selbst entsprechend seiner ganzheitlichen Berufung nach dem Bild Christi verwirklichen will. Das ganze Neue Testament ist ein Loblied auf das neue Leben des Menschen, der an Christus glaubt und in seiner Kirche lebt. Das von der Kirche bezeugte und verkündete Heil in Christus ist Selbstmitteilung Gottes: "Es ist die Liebe, die nicht nur das Gute hervorbringt, sondern am Leben Gottes selbst, des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes, teilhaben lässt. Wer liebt, den drängt es ja, sich selbst zum Geschenk zu machen."<ref> Enzyklika Dives in misericordia (30. November 1980), Nr. 7: AAS 72 (1980), 1202. </ref>

Gott bietet dem Menschen dieses neue Leben an. "Kann man Christus und all das, was er in die Geschichte des Menschen einbrachte, verwerfen? Natürlich kann man. Der Mensch ist frei. Doch eine prinzipielle Frage: Darf man? Und: In wessen Namen darf man?"<ref> Predigt bei der Eucharistiefeier in Krakau, 10. Juni 1979: AAS 71 (1979), 873. </ref>

8 In der modernen Welt neigt der Mensch dazu, sich auf die horizontale Dimension einzuengen. Aber was wird aus dem Menschen ohne Öffnung auf das Absolute hin? Die Antwort liegt innerhalb des Erfahrungsbereiches jedes Menschen, sie ist aber auch eingeschrieben in die Geschichte der Menschheit mit dem im Namen von Ideologien und politischen Regimen vergossenen Blut, die "eine neue Menschheit" ohne Gott aufbauen wollten.<ref> Vgl. Johannes XXIII., Enzyklika Mater et magistra (15. Mai 1961), IV: AAS 53 (1961), 451-453. </ref>

Im übrigen gibt das Zweite Vatikanische Konzil jenen eine Antwort, denen die Erhaltung der Gewissensfreiheit ein Anliegen ist: "Die menschliche Person hat das Recht auf religiöse Freiheit. Diese Freiheit besteht darin, dass alle Menschen frei sein müssen von jedem Zwang, sowohl von seiten Einzelner wie gesellschaftlicher Gruppen, wie jeglicher menschlichen Gewalt, so dass in religiösen Dingen niemand gezwungen wird, gegen sein Gewissen zu handeln, noch daran gehindert wird, privat oder öffentlich, als einzelner oder in Verbindung mit anderen innerhalb der gebührenden Grenzen nach seinem Gewissen zu handeln."<ref> Erklärung über die Religionsfreiheit Dignitatis humanae, Nr. 2. </ref>

Verkündigung und Zeugnis für Christus verletzen die Freiheit nicht, wenn sie mit Achtung vor dem Gewissen erfolgen. Der Glaube verlangt die freie Zustimmung des Menschen. Aber er muss angeboten werden, weil "alle Menschen das Recht haben, den Reichtum des Geheimnisses Christi kennen zulernen, worin, nach unserem Glauben, die Menschheit in unerschöpflicher Fülle alles das finden kann, was sie suchend und tastend über Gott, über den Menschen und seine Bestimmung, über Leben und Tod und über die Wahrheit in Erfahrung zu bringen sucht. Darum ist die Kirche darauf bedacht, ihren missionarischen Elan lebendig zu erhalten, ja ihn im geschichtlichen Augenblick unserer heutigen Zeit noch zu verstärken."<ref> Paul VI., Apostolisches Schreiben Evangelii nuntiandi (8. Dezember 1975), Nr. 53: AAS 68 (1976), 42. </ref> Es ist aber auch, wiederum mit dem Konzil, zu sagen, dass die Menschen, "weil sie Personen sind, d.h. mit Vernunft und freiem Willen begabt und damit auch zu persönlicher Verantwortung erhoben, alle - ihrer Würde gemäß - von ihrem eigenen Wesen gedrängt und zugleich durch eine moralische Pflicht gehalten werden, die Wahrheit zu suchen, vor allem jene Wahrheit, welche die Religion betrifft. Sie sind auch dazu verpflichtet, an der erkannten Wahrheit festzuhalten und ihr ganzes Leben nach den Forderungen der Wahrheit zu ordnen."<ref> Erklärung über die Religionsfreiheit Dignitatis humanae, Nr. 2. </ref>

Die Kirche als Zeichen und Werkzeug des Heiles

9 Als erste kann die Kirche von der Wohltat des Heiles Nutzen ziehen. Christus hat sie sich mit seinem Blut erworben (vgl. Apg 20, 28) und sie als seine Mitarbeiterin im universalen Heilswerk eingesetzt. Wirklich, Christus lebt in ihr, ist ihr Bräutigam, wirkt ihr Wachstum und vollbringt durch sie seine Sendung.

Das Konzil hat immer wieder ausführlich die Rolle der Kirche für das Heil der Menschheit betont. Während die Kirche anerkennt, dass Gott alle Menschen liebt und allen die Möglichkeit gibt, ihr Heil zu wirken (vgl. 1 Tim 2, 4),<ref> Vgl. Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, Nr. 14-17; Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche Ad gentes, Nr. 3. </ref> glaubt sie doch, dass Gott Christus als einzigen Mittler eingesetzt hat und dass sie selbst als Sakrament umfassenden Heiles bestellt ist:<ref> Vgl. dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, Nr. 48; Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, Nr. 43; Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche Ad gentes, Nr. 7.21. </ref> "Zu dieser katholischen Einheit des Gottesvolkes ... sind alle Menschen berufen. Auf verschiedene Weise gehören ihr zu oder sind ihr zugeordnet die katholischen Gläubigen, die anderen an Christus Glaubenden und schließlich alle Menschen überhaupt, die durch die Gnade Gottes zum Heil berufen sind."<ref> Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, Nr. 13. </ref> Man muss diese beiden Wahrheiten zusammen gegenwärtig haben, die tatsächlich gegebene Möglichkeit des Heiles in Christus für alle Menschen und die Notwendigkeit der Anwesenheit der Kirche für dieses Heil. Beide tragen bei zum Verständnis des einen Heilsgeheimnisses. So können wir der Barmherzigkeit Gottes und unserer Verantwortung gewahr werden. Das Heil, das immer Gabe des Geistes ist, erfordert die Mitarbeit des Menschen, sowohl zur Erlangung des eigenen Heiles wie des Heiles anderer. So hat Gott es gewollt, darum hat er die Kirche bestellt und sie in den Heilsplan eingesetzt. "Dieses messianische Volk - sagt das Konzil - ist von Christus als Gemeinschaft des Lebens, der Liebe und der Wahrheit gestiftet. Es wird von ihm auch als Werkzeug der Erlösung angenommen und als Licht der Welt und Salz der Erde in alle Welt gesandt."<ref> Ebd, Nr. 9. </ref>

Das Heil ist ein Angebot an alle Menschen

10 Die Universalität des Heiles bedeutet nicht, dass es nur jenen gilt, die ausdrücklich an Christus glauben und in die Kirche eingetreten sind. Wenn das Heil für alle ist, muss es allen zur Verfügung stehen. Aber es ist klar, dass es heute, wie dies früher der Fall war, viele Menschen gibt, die keine Möglichkeit haben, die Offenbarung des Evangeliums kennen zulernen und sich der Kirche anzuschließen. Sie leben unter sozio-kulturellen Bedingungen, die solches nicht zulassen. Oft sind sie in anderen religiösen Traditionen aufgewachsen. Für sie ist das Heil in Christus zugänglich kraft der Gnade, die sie zwar nicht förmlich in die Kirche eingliedert - obschon sie geheimnisvoll mit ihr verbunden sind -, aber ihnen in angemessener Weise innerlich und äußerlich Licht bringt. Diese Gnade kommt von Christus, sie ist Frucht seines Opfers und wird vom Heiligen Geist geschenkt: sie macht es jedem Menschen möglich, bei eigener Mitwirkung in Freiheit das Heil zu erlangen.

Darum erklärt das Konzil nach der zentralen Aussage über das österliche Geheimnis: "Das gilt nicht nur für die Christgläubigen, sondern für alle Menschen guten Willens, in deren Herz die Gnade unsichtbar wirkt. Da nämlich Christus für alle gestorben ist und da es in Wahrheit nur eine letzte Berufung des Menschen gibt, die göttliche, müssen wir festhalten, dass der Heilige Geist allen die Möglichkeit anbietet, diesem österlichen Geheimnis in einer Gott bekannten Weise verbunden zu sein."<ref> Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, Nr. 22. </ref>

"Wir können nicht schweigen" (Apg 4, 20)

11 Was ist nun bezüglich der schon erwähnten Einwende gegen die Mission ad gentes zu sagen? Bei aller Achtung für andere Überzeugungen und andere Auffassungen müssen wir vor allem, ohne Überheblichkeit, unseren Glauben an Christus, den alleinigen Erlöser der Menschen, zum Ausdruck bringen; den Glauben, den wir ohne irgendein Verdienst unsererseits von oben empfangen haben. Wir sagen mit Paulus: "Ich schäme mich des Evangeliums nicht: es ist eine Kraft Gottes, die jeden rettet, der glaubt" (Röm 1, 16). Die christlichen Glaubenszeugen aller Zeiten - auch unserer Zeit - gaben und geben ihr Leben, um diesen Glauben vor den Menschen zu bekennen, aus der Überzeugung heraus, dass jeder Mensch Jesus Christus braucht, der die Sünde und den Tod besiegt und die Menschen mit Gott versöhnt hat.

Christus hat sich als Sohn Gottes bezeichnet, der in enger Verbindung mit dem Vater als solcher von den Jüngern anerkannt wurde und sein Wort durch Wunder und durch die Auferstehung von den Toten als wahr erwiesen hat. Die Kirche bietet den Menschen das Evangelium an, ein prophetisches Dokument, das Antworten gibt auf die Fragen und Anliegen des Menschenherzens und immer "gute Nachricht" ist. Die Kirche kann nicht davon Abstand nehmen zu verkünden, dass Jesus gekommen ist, um das Antlitz Gottes zu offenbaren und durch Kreuz und Auferstehung für alle Menschen das Heil zu verdienen.

Auf die Frage warum Mission? antworten wir mit dem Glauben und der Erfahrung der Kirche: sich der Liebe Christi öffnen bedeutet wahre Befreiung. In ihm, und in ihm allein, werden wir befreit von jeder Entfremdung und Verirrung, von der Sklaverei, die uns der Macht der Sünde und des Todes unterwirft. Christus ist wahrhaft "unser Friede" (Eph 2, 14), und "die Liebe Christi drängt uns" (2 Kor 5,14), die unserem Leben Sinn und Freude gibt. Die Mission ist eine Frage des Glaubens, sie ist ein unbestechlicher Gradmesser unseres Glaubens an Christus und seine Liebe zu uns.

Die Versuchung heute besteht darin, das Christentum auf eine rein menschliche Weisheit zu reduzieren, gleichsam als Lehre des guten Lebens. In einer stark säkularisierten Welt ist "nach und nach eine Säkularisierung des Heiles" eingetreten, für die man gewiss zugunsten des Menschen kämpft, aber eines Menschen, der halbiert und allein auf die horizontale Dimension beschränkt ist. Wir unsererseits wissen, dass Jesus gekommen ist, um das umfassende Heil zu bringen, das den ganzen Menschen und alle Menschen erfassen soll, um die wunderbaren Horizonte der göttlichen Kindschaft zu erschließen.

Warum Mission? Weil uns, wie dem heiligen Paulus, "die Gnade geschenkt wurde, den Heiden den unergründlichen Reichtum Christi zu verkündigen" (Eph 3, 8). Das neue Leben in ihm ist die "gute Nachricht" für den Menschen aller Zeiten: alle Menschen sind dazu gerufen und dazu bestimmt. Alle suchen es in der Tat, wenn auch manchmal verschwommen, und haben das Recht, die Bedeutung eines solchen Geschenkes kennen zulernen und es zu erlangen. Die Kirche, und in ihr jeder Christ, kann dieses neue Leben und dessen Reichtum weder verbergen noch für sich allein zurückhalten, da dies alles von der göttlichen Güte gegeben wurde, um allen Menschen mitgeteilt zu werden.

Über den äußeren Auftrag des Herrn hinaus steht zugunsten der Mission auch das tiefe Bedürfnis des Lebens Gottes in uns. Jene, die in die katholische Kirche eingegliedert sind, können sich als bevorzugt empfinden, sind deswegen aber gleichzeitig um so mehr verpflichtet, den Glauben und das christliche Leben zu bezeugen als Dienst an den Brüdern und schuldige Antwort an Gott, eingedenk dessen, "dass ihre ausgezeichnete Stellung nicht den eigenen Verdiensten, sondern der besonderen Gnade Christi zuzuschreiben ist; wenn sie ihr im Denken, Reden und Handeln nicht entsprechen, wird ihnen statt Heil strengeres Gericht zuteil."<ref> Zweites Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, Nr. 14. </ref>

KAPITEL II: DAS REICH GOTTES

12 "Gott, der voll Erbarmen ist, wurde uns von Jesus Christus als Vater geoffenbart: sein Sohn selbst hat ihn uns in sich kundgetan und kennen gelernt".<ref> Enzyklika Dives in misericordia, Nr. 1: a.a.O., 1177. </ref> Dies schrieb ich zu Beginn der Enzyklika Dives in misericordia, um zu zeigen, wie Christus die Offenbarung und Verkörperung der Barmherzigkeit des Vaters ist. Das Heil besteht darin, an das Geheimnis des Vaters und seiner Liebe zu glauben und es anzunehmen. Diese Liebe zeigt sich und wird Gabe in Jesus durch den Geist. So vollendet sich das Reich Gottes, das schon im Alten Bund vorbereitet, durch Christus und in Christus verwirklicht und von der Kirche allen Nationen verkündet wurde. Diese wirkt und betet darum, dass es sich in vollkommener und endgültiger Weise verwirklichen möge.

Das Alte Testament bezeugt, dass Gott sich ein Volk erwählt und geformt hat, um seinen Plan der Liebe zu offenbaren und zu verwirklichen. Aber zugleich ist Gott Schöpfer und Vater aller Völker, er trägt Sorge für alle, sein Segen gilt allen (vgl. Gen 12, 3), mit allen hat er einen Bund geschlossen (vgl. Gen 9, 1-17). Israel macht die Erfahrung der Existenz eines persönlichen Gottes und Erlösers (vgl. Dtn 4, 37; 7, 6-8; Jes 43, 1-7) und wird so Zeuge und Verkünder inmitten der Völker. Im Laufe seiner Geschichte wird sich Israel bewusst, dass seine Erwählung weltumfassende Bedeutung hat (vgl. z.B. Jes 2, 2-5; 25, 6-8; 60, 1-6; Jer 3, 17; 16, 19).

Christus bewirkt die Anwesenheit des Reiches

13 Jesus von Nazareth bringt den Plan Gottes zur Vollendung. Nachdem er in der Taufe den Heiligen Geist empfangen hat, tut er seine messianische Berufung kund: er durchwandert Galiläa, "er verkündet das Evangelium Gottes und spricht: "Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe; kehrt um und glaubt an das Evangelium"" (Mk 1, 14-15; vgl. Mt 4, 17; Lk 4, 43). Die Verkündigung und Errichtung des Reiches Gottes sind Gegenstand seiner Sendung: "Dazu bin ich gesandt worden" (Lk 4, 43). Aber da ist noch mehr: Jesus ist selbst die "gute Nachricht", wie er schon am Anfang der Sendung in der Synagoge seiner Heimat betont, indem er die Worte Jesajas über den Gesalbten, der vom Geist des Herrn gesandt ist, auf sich selbst bezieht (vgl. Lk 4, 14-21). Da Christus also die "gute Nachricht" ist, besteht kein Unterschied zwischen Botschaft und Verkünder, zwischen Wort, Handeln und Sein. Seine Kraft, das Geheimnis der Wirkung seines Handelns liegt in der völligen Identität mit der Botschaft, die er bringt: er sagt die "gute Nachricht" an, nicht nur in dem, was er spricht und tut, sondern in dem, was er ist.

Jesu Tätigkeit wird beschrieben im Zusammenhang mit seinen Wanderungen durch sein Land. Der Horizont seiner Sendung vor Ostern ist mit Israel umschrieben. Mit Jesus ist jedenfalls etwas Neues von entscheidender Bedeutung gegeben. Die eschatologische Realität wird nicht auf ein fernes Ende der Welt verlegt, sie ist schon nahe und beginnt sich zu verwirklichen. Das Reich Gottes ist nahe (vgl. Mk 1, 15), man soll bitten, dass es komme (vgl. Mt 6, 10), der Glaube sieht es bereits am Werk in den Zeichen, wie sie vorhanden sind in den Wundern (vgl. Mt 11, 4-5), in den Dämonenaustreibungen (vgl. Mk 3, 13-19), in der Verkündigung der Frohbotschaft an die Armen (vgl. Lk 4, 18). In der Begegnung Jesu mit den Heiden wird klar, dass der Zugang zum Reich durch den Glauben und durch Bekehrung (vgl. Mk 1, 15) ermöglicht wird, und nicht einfach durch völkische Zugehörigkeit.

Das Reich, das Jesus bringt, ist das Reich Gottes. Jesus selbst macht offenbar, wer dieser Gott ist, dem er zutraulich den Namen "Abba", Vater, gibt (vgl. Mk 14, 36). Gott, wie er insbesondere in den Gleichnissen erscheint (vgl. Lk 15, 3-32; Mt 20, 1-6), ist den Nöten und Leiden jedes Menschen gegenüber offen: er ist ein liebender Vater, voll Mitleid, er verzeiht und gewährt ungeschuldet die erbetene Gnade.

Der heilige Johannes sagt uns, dass Gott die Liebe ist (vgl. 1 Joh 4, 8.16). Jeder Mensch ist demnach eingeladen, "sich zu bekehren" und zu "glauben" an die barmherzige Liebe, die Gott für ihn hat: das Reich wird in dem Maße wachsen, in dem jeder Mensch lernt, sich in inniger Vertrautheit des Gebetes an Gott wie an einen Vater zu wenden (vgl. Lk 11, 2; Mt 23, 9) und indem er sich bemüht, seinen Willen zu erfüllen (vgl. Mt 7, 21).

Besonderheiten und Erfordernisse des Reiches

14 Jesus offenbart nach und nach die Besonderheiten und Erfordernisse des Reiches durch sein Wort, durch sein Handeln und überhaupt durch seine Person.

Das Reich Gottes ist für alle Menschen bestimmt, da alle dazu berufen sind, darin eingegliedert zu werden. Um diesen Aspekt hervorzuheben hat Jesus sich insbesondere jenen zugewandt, die am Rande der Gesellschaft existieren. Er gab ihnen bei seiner Verkündigung der frohen Botschaft den Vorzug. Am Anfang seiner Tätigkeit verkündete er, dass er gesandt sei, den Armen eine gute Nachricht zu bringen (vgl. Lk 4, 18). Allen, die Opfer von Ablehnung und Verachtung geworden sind, erklärt er: "Selig die Armen" (Lk 6, 20); darüber hinaus ermöglicht er diesen Randexistenzen eine Erfahrung der Befreiung, indem er bei ihnen ist und mit ihnen Mahl hält (vgl. Lk 5, 30; 15, 2), sie als gleichwertig und als Freunde behandelt (vgl. Lk 7, 34), sie merken lässt, dass sie von Gott geliebt sind, und auf diese Weise offenbart er sein grenzenlos zartfühlendes Herz gegenüber den Bedürftigen und Sündern (vgl. Lk 15, 1-32).

Befreiung und Heil im Reich Gottes betreffen die menschliche Person in ihrer physischen wie geistigen Dimension. Zwei Tätigkeiten Jesu sind für seine Sendung bezeichnend: heilen und vergeben. Die zahlreichen Heilungen zeigen sein großes Mitleid angesichts menschlichen Elendes; sie tun aber auch kund, dass es im Reich weder Krankheit noch Leid geben wird und dass seine Sendung von Anfang an darauf abzielt, die Menschen davon zu befreien. In der Sicht Jesu sind die Heilungen auch Zeichen für das geistliche Heil, die Befreiung von der Sünde. Wenn Jesus Krankenheilungen vollbringt, so ruft er zum Glauben, zur Bekehrung, zum Verlangen nach Verzeihung (vgl. Lk 5, 24). Ist der Glaube da, so will die Heilung mehr erreichen: sie führt zur Heilssituation (vgl. Lk 18, 42-43 ). Die Befreiung von Besessenheit und Dämonen, äußerstes Übel und sichtbarer Ausdruck der Sünde und der Auflehnung gegen Gott, ist Zeichen dafür, dass "das Reich Gottes zu euch gekommen ist" (Mt 12, 28).

15 Das Reich ist darauf angelegt, die Beziehungen unter den Menschen zu verändern und verwirklicht sich schrittweise insofern sie lernen einander zu lieben, einander zu vergeben und einander zu dienen. Jesus nimmt das ganze Gesetz auf und gibt ihm im Gebot der Liebe seine Mitte (vgl. Mt 22, 34-40; Lk 10, 25-28). Bevor er von den Seinen scheidet, gibt er ihnen ein "neues Gebot": "Wie ich euch geliebt habe, so sollt auch ihr einander lieben" (Joh 13, 14; vgl. 15, 12). Die Liebe, mit der Jesus die Welt geliebt hat, findet ihren höchsten Ausdruck in der Hingabe seines Lebens für die Menschen (vgl. Joh 3, 16). Darum ist die Natur des Reiches die Gemeinschaft aller Menschen untereinander und mit Gott.

Das Reich bezieht alle ein: die einzelnen, die Gesellschaft, die ganze Welt. Für das Reich wirken bedeutet Anerkennung und Förderung der göttlichen Dynamik, die in der Geschichte der Menschheit anwesend ist und sie umformt. Das Reich aufbauen bedeutet arbeiten zur Befreiung vom Übel in allen seinen Formen. Das Reich Gottes ist letztlich die Offenbarung und Verwirklichung seiner Heilsabsicht in ganzer Fülle.

Im Auferstandenen kommt das Reich zur Vollendung und wird durch ihn verkündet

16 Indem Gott Jesus von den Toten erweckte, hat er den Tod besiegt, und in ihm hat er sein Reich in endgültiger Weise eingesetzt. Während seines Erdenlebens ist Jesus Prophet des Reiches und nach seinem Leiden, seiner Auferstehung und Himmelfahrt hat er Anteil an der Macht Gottes und an seiner Herrschaft über die Welt (vgl. Mt 28, 28; Apg 2, 36; Eph 1, 18-21). Die Auferstehung gibt der Botschaft Christi, seinem Handeln und seiner ganzen Sendung universale Bedeutung. Die Jünger erkennen, dass das Reich in der Person Jesu schon anwesend ist und dass es im Menschen und in der Welt mittels einer geheimnisvollen Verbindung mit ihm nach und nach eingerichtet wird.

Nach der Auferstehung predigen die Jünger vom Reich, indem sie verkünden, dass Jesus gestorben und auferstanden ist. Philippus verkündet in Samaria "das Evangelium vom Reich Gottes und vom Namen Jesu Christi" (Apg 8, 12). Paulus verkündet in Rom "das Reich Gottes und trug ungehindert und mit allem Freimut die Lehre über Jesus Christus, den Herrn, vor" (Apg 28, 31). Die ersten Christen verkünden "das Reich Christi und Gottes" (Eph 5, 5; vgl. Off 11, 15; 12, 10) oder einfach "das ewige Reich unseres Herrn und Retters Jesus Christus" (2 Petr 1, 11). In der Verkündigung über Jesus Christus, mit dem das Reich identisch ist, findet die Verkündigung der frühen Kirche ihre Mitte. Wie damals, so gilt es auch heute, die Verkündigung über das Reich Gottes (Inhalt des "Kerygmas" Jesu) und die Verkündigung des Ereignisses Jesus Christus ("Kerygma" der Apostel) zu verbinden. Beide ergänzen sich und beleuchten einander.

Das Reich in seiner Beziehung zu Christus und zur Kirche

17 Heute spricht man viel vom Reich, aber nicht immer im Gleichklang mit kirchlichem Denken. Es gibt Auffassungen über Heil und Sendung, die man "anthroprozentrisch" in einem verkürzten Sinn dieses Begriffes nennen könnte, insofern sie auf die irdischen Bedürfnisse des Menschen ausgerichtet sind. In solcher Sicht wird das Reich eher zu einer rein irdischen und säkularisierten Wirklichkeit, in der Programme und der Kampf für sozio-ökonomische, politische und kulturelle Befreiung den Ausschlag geben, aber der Horizont bleibt der Transzendenz gegenüber verschlossen. Ohne zu leugnen, dass auch auf dieser Ebene Werte zu fördern sind, bleibt diese Auffassung doch innerhalb der Grenzen eines Reiches, in dem der Mensch um seine echten und tiefen Dimensionen gebracht wird und allzu leicht einer der rein irdischen Fortschrittsideologien verhaftet bleibt. Das Reich Gottes aber ist nicht von dieser Welt, es ist nicht von hier (vgl. Joh 18, 36).

Es gibt sodann jene Ansichten, die eindeutig den Akzent auf das Reich legen und sich als "reich-zentriert" bezeichnen. Sie wollen das Bild einer Kirche entwerfen, die nicht an sich selbst denkt, die vielmehr ganz damit befasst ist, Zeugnis vom Reich zu geben und ihm zu dienen. Sie ist eine "Kirche für die anderen", so sagt man, wie Christus der "Mensch für die anderen" ist. Man beschreibt die Aufgabe der Kirche so, als sollte sie in zwei Richtungen gehen; einerseits soll sie die sogenannten "Werte des Reiches", wie Friede, Gerechtigkeit, Freiheit, Brüderlichkeit fördern; andererseits soll sie den Dialog unter den Völkern, Kulturen, Religionen begünstigen, damit sie sich gegenseitig bereichern und der Welt helfen, sich zu erneuern und immer mehr den Weg auf das Reich hin zu gehen.

Neben positiven Aspekten bieten diese Auffassungen oft negative Seiten. Insbesondere übergehen sie die Person Christi mit Schweigen: das Reich, von dem sie sprechen, gründet sich auf eine "Theozentrik", weil - wie sie sagen - Christus von jenen nicht verstanden werden kann, die nicht den christlichen Glauben haben, während verschiedene Völker, Kulturen und Religionen in einer einzigen göttlichen Wirklichkeit, wie immer diese genannt werden mag, sich wiederfinden können. Aus dem gleichen Grund geben sie dem Geheimnis der Schöpfung den Vorzug, das sich in der Verschiedenheit de Kulturen und religiösen Anschauungen widerspiegelt, sagen aber nichts über das Geheimnis der Erlösung. Darüber hinaus erliegt das Reich, wie sie es verstehen, der Gefahr, die Kirche an den Rand zu drängen oder sie unterzubewerten, als Reaktion auf eine vermeintliche "Ekklesiozentrik" in der Vergangenheit, und weil sie die Kirche als bloßes Zeichen betrachten, das im übrigen nicht frei ist von Zweideutigkeiten.

18 Dies ist aber nun nicht das Reich Gottes, wie wir es von der Offenbarung her kennen: es kann weder von Christus noch von der Kirche losgelöst werden.

Wie schon gesagt, hat Christus das Reich nicht nur verkündet, in seiner Person ist es anwesend und kommt in ihr zur Vollendung. Dies nicht nur durch seine Worte und seine Taten: "Vor allem wird dieses Reich offenbar in der Person Christi selbst, des Sohnes Gottes und des Menschensohnes, der gekommen ist, "um zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für die vielen" (Mk 10, 45)<ref> Zweites Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, Nr. 5. </ref> Das Reich Gottes ist nicht eine Anschauung, eine Doktrin, ein Programm, das man frei ausarbeiten kann, es ist vor allem eine Person, die das Antlitz und den Namen Jesu von Nazareth trägt, Abbild des unsichtbaren Gottes.<ref> Vgl. Zweites Vatikanisches Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, Nr. 22. </ref> Wenn man das Reich von der Person Jesu trennt, hat man nicht mehr das von ihm geoffenbarte Reich Gottes, man verkehrt schließlich entweder den Sinn des Reiches, das ein rein menschliches oder ideologisches Objekt zu werden droht, oder man verfälscht die Identität Christi, der nicht mehr als der Herr, dem alles unterzuordnen ist, erscheint (vgl. 1 Kor 15, 27).

Ebenso kann man das Reich nicht von der Kirche loslösen. Gewiss, sie ist nicht selbst Ziel, da sie auf das Reich Gottes hingeordnet ist, dessen Wirklichkeit sie keimhaft und zeichenhaft darstellt und dessen Werkzeug sie ist. Aber bei aller klaren Unterscheidung zwischen Kirche einerseits und Christus und Reich andererseits, bleibt die Kirche doch untrennbar mit beiden verbunden. Christus hat die Kirche, seinen Leib, mit der Fülle der Heilsgüter und -mittel ausgestattet; der Heilige Geist wohnt in ihr, gibt ihr Leben mit seinen Gaben und Charismen, heiligt, leitet und erneuert sie ständig.<ref> Vgl. Zweites Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, Nr 4. </ref> Daraus resultiert eine besondere und einzigartige Beziehung, die der Kirche eine spezifische und notwendige Rolle zuweist, obschon sie das Werk Christi und des Geistes nicht auf ihre sichtbaren Grenzen einengt. Von hier aus ergibt sich auch das besondere Band zwischen Kirche und Reich Gottes und Christi, "das anzukündigen und in allen Völkern zu begründen sie die Sendung hat".<ref> Ebd., Nr. 5. </ref>

19 In dieser Gesamtschau kann die Wirklichkeit des Reiches verstanden werden. Es macht gewiss die Förderung der menschlichen Güter und Werte erforderlich, die man passend als "evangelisch" bezeichnen kann, weil sie aufs engste mit der frohen Botschaft verbunden sind. Aber diese Förderung, die auch der Kirche am Herzen liegt, soll nicht losgelöst werden von und nicht in Gegensatz gebracht werden zu ihren anderen grundlegenden Aufgaben, wie die Verkündigung Christi und seines Evangeliums, die Gründung und Entwicklung der Gemeinschaft, wodurch ein lebendiges Bild des Reiches unter den Menschen entsteht. Man soll nicht befürchten, auf diese Weise einer gewissen Form der "Ekklesiozentrik" zu verfallen. Paul Vl., der die Existenz "eines in die Tiefe reichenden Bandes zwischen Christus, Kirche und Evangelisierung"<ref> Apostolisches Schreiben Evangelii nuntiandi, Nr. 16: a.a.O., 15. </ref> feststellt, hat ebenso gesagt, dass die Kirche "sich nicht selbst Ziel ist, dass sie sich aber eifrig bemüht, ganz Christus zu gehören, in ihm und für ihn zu sein, und ganz auf der Seite der Menschen zu stehen, unter ihnen und für sie dazusein".<ref> Ansprache bei Eröffnung der m Sitzungsperiode des II. Vatikanischen Konzils, 14. September 1964: AAS 56 ( 1964), 810. </ref>

Die Kirche im Dienst für das Reich

20 Die Kirche ist tatsächlich und konkret für den Dienst am Reich da. Sie ist es insbesondere mit der Verkündigung, die zur Bekehrung aufruft: dies ist der erste und grundlegende Dienst für das Kommen des Reiches in den einzelnen und in der menschlichen Gesellschaft. Das eschatologische Heil nimmt schon jetzt im neuen Leben in Christus seinen Anfang: "Allen, die ihn aufnahmen, gab er Macht, Kinder Gottes zu werden, allen, die an seinen Namen glauben" (Joh 1, 12).

Die Kirche dient dem Reich sodann, indem sie auf der Welt die "evangelischen Werte" der Seligpreisungen bekannt macht, die authentischer Ausdruck des Reiches sind und die den Menschen helfen, Gott mit seinem Vorhaben einzulassen. Es ist also wahr, dass die Wirklichkeit des Reiches in Ansätzen sich auch jenseits der Grenzen der Kirche in der gesamten Menschheit finden kann, insofern diese die "evangelischen Werte" lebt und sich der Tätigkeit des Geistes öffnet, der weht, wo und wie er will (vgl. Joh 3, 9); es ist aber auch zu sagen, dass diese zeitliche Dimension des Reiches unvollständig bleibt, wenn sie nicht zusammen mit dem Reich Christi ausgesagt wird, das in der Kirche anwesend und auf die eschatologische Vollendung ausgerichtet ist.<ref> Paul VI., Apostolisches Schreiben Evangelii nuntiandi, Nr. 34: a.a.O., 28. </ref>

Die vielfältigen Aspekte des Reiches Gottes<ref> Vgl. Internationale Theologische Kommission, Ausgewählte Themen der Ekklesiologie zum 20. Jahrestag des Abschlusses des II. Vatikanischen Konzils (7. Oktober 1985), Nr. 10: "Die eschatologische Natur der Kirche: Reich Gottes und Kirche".</ref> schwächen die Grundlagen und Ziele der missionarischen Tätigkeit nicht, sie bestärken und erweitern sie vielmehr. Die Kirche ist Sakrament des Heiles für die ganze Menschheit, und ihre Tätigkeit beschränkt sich nicht auf jene, die die Heilsbotschaft annehmen. Sie ist treibende Kraft auf dem Weg der Menschheit auf das eschatologische Reich hin, ist Zeichen und Förderin der evangelischen Werte unter den Menschen.<ref> Vgl. Zweites Vatikanisches Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, Nr. 39. </ref> Für das Einschlagen dieses Weges der Hinwendung zum Plan Gottes liefert die Kirche ihren Beitrag durch ihr Zeugnis und ihre Tätigkeit, durch Dialog, durch Förderung im menschlichen Bereich, durch Einsatz für Gerechtigkeit und Frieden, für Erziehung und für Pflege der Kranken, durch Sorge für die Armen und Kleinen, wobei sie die transzendentale und geistliche Wirklichkeit im Auge behält, die auf das eschatologische Heil vorbereitet.

Die Kirche dient schließlich dem Reich auch durch ihre Fürbitte, denn dieses ist seiner Natur nach Gabe und Werk Gottes, wie die Gleichnisse im Evangelium und das Gebet, das Jesus uns selbst gelehrt hat, in Erinnerung bringen. Wir müssen es erbitten, aufnehmen und in uns und in der Welt zum Wachsen bringen; wir müssen aber auch daran mitarbeiten, dass es von den Menschen angenommen wird und wächst, bis Christus "das Reich dem Vater übergibt und Gott über alles und in allem herrscht" (1 Kor 15, 24.28).

KAPITEL III: DER HEILIGE GEIST ALS VORKÄMPFER FÜR DIE MISSION

21 "Auf dem Höhepunkt der messianischen Sendung Jesu wird der Heilige Geist im österlichen Geheimnis ganz als göttliche Person gegenwärtig: als derjenige, der das Heilswerk, das im Kreuzesopfer gründet, fortführen soll. Zweifelsohne wird dieses Werk von Jesus Menschen anvertraut: den Aposteln, der Kirche. Doch bleibt der Heilige Geist in diesen Menschen und durch sie der transzendental Handelnde bei der Verwirklichung dieses Werkes im Geiste des Menschen und der Weltgeschichte".<ref> Enzyklika Dominum et vivificantem (18. Mai 1986), Nr. 42: AAS 78 (1986), 857. </ref>

Der Heilige Geist ist wahrlich die Hauptperson für die ganze kirchliche Sendung: sein Werk leuchtet großartig auf in der Mission ad gentes, wie es in der ersten Kirche bei der Bekehrung des Kornelius aufscheint (vgl. Apg 13 ), für die Entscheidungen bei aufkommenden Problemen (vgl. Apg 15), für die Auswahl von Ländern und Völkern (vgl. Apg 16, 6ff). Der Geist wirkt durch die Apostel, gleichzeitig aber auch in den Hörern: "Durch sein Wirken nimmt die Frohe Botschaft Gestalt im Gewissen und Herzen der Menschen an und breitet sich in der Geschichte aus. In all diesen Dimensionen macht der Heilige Geist lebendig".<ref> Ebd, Nr. 64: a.a.O., 892. </ref>

Die Sendung im Geist "bis an die Grenzen der Erde" (Apg 1, 8)

22 Wenn die Evangelisten von Begegnungen des Auferstandenen mit den Aposteln berichten, schließen sie alle mit dem messianischen Auftrag: "Mir ist alle Macht gegeben im Himmel und auf der Erde. Darum geht zu allen Völkern ... Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt" (Mt 28, 18-20; vgl. Mk 16, 15-18; Lk 24, 46-49; Joh 20, 21-23).

Diese Sendung ist Sendung im Geist, wie aus dem Text bei Johannes klar hervorgeht: Christus sendet die Seinen in die Welt, wie der Vater ihn gesandt hat, und darum gibt er ihnen den Geist. Lukas seinerseits verbindet das Zeugnis, das die Apostel für Christus geben sollen, eng mit dem Wirken des Geistes, das sie befähigen wird, den empfangenen Auftrag zu verwirklichen.

23 Die verschiedenen Formen des Missionsauftrages enthalten Gemeinsamkeiten und charakteristische Akzente, zwei gemeinsame Elemente finden sich aber in allen Fassungen. Vor allem die universale Dimension der den Aposteln übertragenen Aufgabe: "Alle Völker" (Mt 28, 19); "die ganze Welt, allen Geschöpfen" (Mk 16, 15); "alle Völker" (Lk 24, 47); "bis an die Grenzen der Erde" (Apg 1, 8). An zweiter Stelle ist zu nennen die vom Herrn gegebene Zusicherung, dass sie bei dieser Aufgabe nicht allein sein werden, sondern dass sie die Kraft und Ausrüstung erhalten werden, um ihre Sendung auszuführen. Das ist die Gegenwart und die Macht des Geistes und die Gegenwart Jesu: "Sie zogen aus und predigten überall. Der Herr stand ihnen bei" (Mk 16, 20).

Was die unterschiedlichen Akzente für den Missionsauftrag betrifft, so stellt Markus die Sendung als Ausrufung oder Kerygma dar: "Verkündet das Evangelium" (Mk 16, 15). Ziel des Evangelisten ist es, den Leser dazu zu bringen, das Bekenntnis des Petrus zu wiederholen: "Du bist der Messias" (Mk 8, 29) und wie der römische Hauptmann in Gegenwart des am Kreuz gestorbenen Jesus zu sagen: "Wahrhaftig, dieser Mensch war Gottes Sohn" (Mk 15, 39). Bei Matthäus liegt der missionarische Akzent auf der Gründung der Kirche und der Unterweisung (vgl. Mt 28, 19-20; 16, 18): bei ihm also macht der Auftrag deutlich, dass die Verkündigung des Evangeliums durch eine spezifisch kirchliche und sakramentale Unterweisung ergänzt werden muss. Bei Lukas wird die Sendung als Zeugnis dargestellt (vgl. Lk 24, 48; Apg 1, 8), das besonders die Auferstehung betrifft (vgl. Apg 1, 22). Der mit der Sendung Beauftragte ist aufgerufen, an die verwandelnde Kraft des Evangeliums zu glauben und das zu verkünden, was Lukas gut zur Darstellung bringt, nämlich die Hinwendung zur Liebe und Barmherzigkeit Gottes, zur Erfahrung einer umfassenden Befreiung, die bis auf den Grund allen Übels reicht, die Sünde.

Johannes ist der einzige, der ausdrücklich vom "Auftrag" spricht, einem Wort, das mit "Mission" gleichbedeutend ist und die Sendung, die Jesus den Seinen aufträgt, unmittelbar mit jener verbindet, die er selbst vom Vater empfangen hat: "Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch" (Joh 20, 21). Jesus spricht zum Vater: "Wie du mich in die Welt gesandt hast, so habe auch ich sie in die Welt gesandt" (Joh 17, 18). Die ganze Bedeutung der Sendung im Johannesevangelium kommt im Hohenpriesterlichen Gebet zum Ausdruck: "Das ist das ewige Leben: dich, den einzigen wahren Gott zu erkennen und Jesus Christus, den du gesandt hast" (Joh 17, 3). Letzter Sinn der Sendung ist es, Anteil zu geben an der Gemeinschaft, die zwischen Vater und Sohn besteht. Die Jünger sollen die Einheit untereinander leben, sie sollen im Vater und im Sohn "bleiben", damit die Welt erkennt und glaubt (vgl. Joh 17, 21-23). Dies ist ein bezeichnender missionarischer Text. Er lässt begreifen, dass man Missionar zuallererst ist durch das, was man ist, als Kirche, die zutiefst die Einheit der Liebe lebt, bevor man es ist durch das, was man sagt oder tut.

Die vier Evangelien weisen also bei der grundsätzlichen Einheitlichkeit der Darstellung der Mission Unterschiede auf, die verschiedene Erfahrungen und Situationen in den ersten christlichen Gemeinden widerspiegeln. Sie ist auch Frucht des dynamischen Antriebs durch denselben Geist; sie weist auch darauf hin, auf die verschiedenen missionarischen Charismen und die unterschiedlichen menschlichen Verhältnisse zu achten. Aber alle Evangelisten betonen, dass die Sendung der Jünger ein Mitwirken mit der Sendung Christi ist: "Seid gewiss, ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt" (Mt 28, 20). Die Sendung gründet sich demnach nicht auf menschliche Fähigkeit, sondern auf die Macht des auferstandenen Herrn.

Der Geist hat die führende Rolle bei der Sendung

24 Die Sendung der Kirche ist, wie die Jesu, Werk Gottes oder, wie Lukas oft schreibt, Werk des Geistes. Nach der Auferstehung und Himmelfahrt Jesu machen die Apostel eine intensive Erfahrung, die sie umwandelt: Pfingsten. Die Ankunft des Heiligen Geistes macht aus ihnen Zeugen und Propheten (vgl. Apg 1, 8; 2, 17-18). Sie sind beseelt von einer unaufdringlichen Kühnheit, die sie anleitet, anderen ihre Erfahrungen mit Jesus und die Hoffnung, die sie erfüllt, mitzuteilen. Der Geist macht sie fähig, für Jesus "freimütig" Zeugnis abzulegen.<ref> Dieser Ausdruck entspricht dem griechischen parresia, der auch Begeisterung, Stärke bezeichnet; vgl. Apg 2, 29; 4, 13 29 31; 9, 27 28; 13, 46; 14, 3; 18, 26; 19, 8 26; 28, 31. </ref>

Als die Verkünder der Botschaft aus Jerusalem hinausziehen, übernimmt der Geist noch mehr die Führerrolle, sei es in der Auswahl der Personen oder der zu beschreitenden Wege in der Mission. Sein Wirken zeigt sich insbesondere im Anstoß zur Mission, die nach den Worten Christi von Jerusalem aus sich über ganz Judäa und Samaria bis an die äußersten Enden der Erde ausbreitet.

Die Apostelgeschichte bietet sechs zusammenfassende Berichte von "Missionsreden", die in den Anfängen der Kirche an die Juden gerichtet sind (vgl. Apg 2, 22-39; 3, 12-26; 4, 9-12; 5, 29-32; 10, 34-43; 13, 16-41). Diese Reden können als Modelle gelten, die von Petrus und Paulus gehalten wurden. Sie verkünden Jesus, rufen zur "Bekehrung", d.h. Jesus soll im Glauben aufgenommen werden und vom Geist soll man sich in ihn umwandeln lassen.

Paulus und Barnabas werden vom Geist zu den Heiden gedrängt (vgl. Apg 13, 46-48), was nicht ohne Spannungen und Probleme vor sich geht. Wie sollen die bekehrten Heiden ihren Glauben an Jesus leben? Sind sie an die jüdische Tradition gebunden und an das Gesetz der Beschneidung? Beim ersten Konzil, das um die Apostel Mitglieder verschiedener Kirchen versammelt, wird eine Entscheidung gefällt, die als vom Geist stammende anerkannt wird: es ist nicht nötig, dass ein Heide sich dem jüdischen Gesetz unterwirft, um Christ zu werden (vgl. Apg 15, 5-11). Von da an öffnet die Kirche ihre Tore und wird das Haus, in das alle eintreten und sich zu Hause fühlen können, indem sie die eigene Kultur und die eigene Tradition beibehalten, sofern diese nicht im Gegensatz zum Evangelium stehen.

25 Die Missionare sind dieser Linie gefolgt und halten sich stets die Erwartungen und Hoffnungen, die Sorgen und Leiden, die Kultur der Menschen gegenwärtig, um ihnen das Heil in Christus zu verkünden. Die Reden in Lystra und Athen (vgl. Apg 14, 11-17; 17, 22-31) werden als Muster der Evangelisierung bei den Heiden angesehen: Paulus kommt mit den Kulturen und religiösen Werten verschiedener Völker ins Gespräch. Den Bewohnern von Lykaonien, die eine kosmische Religion praktizierten, bringt er religiöse Erfahrungen in Erinnerung, die sich auf den Kosmos beziehen; mit den Griechen spricht er über Philosophie und zitiert ihre Dichter (vgl. Apg 17, 18. 26-28). Der Gott, den er ihnen offenbaren will, ist in ihrem Leben schon anwesend: er hat sie nämlich geschaffen und leitet geheimnisvoll die Völker und die Geschichte (vgl. Apg 14, 16-17); dennoch sollen sie, um den wahren Gott zu erkennen, ihre falschen, von ihnen selbst verfertigten Götter verlassen und sich für jenen öffnen, den Gott gesandt hat, um ihrer Unwissenheit abzuhelfen und die Erwartung ihres Herzens zu erfüllen (vgl. Apg 17, 20. 30). Dies sind Reden, die als Beispiele für die Inkulturation des Evangeliums gelten können.

Unter dem Drängen des Geistes öffnet sich der christliche Glaube mit Entschiedenheit gegenüber den "Völkern", und das Zeugnis von Christus gelangt zu den wichtigsten Zentren des östlichen Mittelmeeres, um dann nach Rom und den äußersten Westen zu kommen. Der Geist drängt dazu, immer weiter zu gehen, nicht nur im geographischen Sinne, sondern auch dazu, ethnische und religiöse Barrieren zugunsten einer wahrhaft universalen Mission zu überwinden.


Der Geist erweist die Kirche insgesamt als Missionskirche

26 Der Geist drängt die Gruppe der Glaubenden dazu, "Gemeinde zu bilden", Kirche zu sein. Nach der ersten Verkündigung von Petrus am Pfingsttag und den Bekehrungen, die darauf folgten, bildet sich die erste Gemeinde (vgl. Apg 2,42-47; 4,32-35).

Es ist in der Tat eines der wichtigsten Ziele der Mission, das Volk zum Hören der Frohbotschaft, zur brüderlichen Gemeinschaft, zum Gebet und zur Eucharistie zu versammeln. "Brüderliche Gemeinschaft" (koinonia) leben bedeutet, "ein Herz und eine Seele" haben (Apg 4, 32), eine Gemeinschaft unter allen humanen, spirituellen und materiellen Gesichtspunkten aufbauen. Wahrhaft christliche Gemeinde ist auch um die Teilung der irdischen Güter bemüht, damit es keine Notleidenden gebe und alle "je nach Bedarf" Zugang zu diesen Gütern haben (Apg 2,45; 4,35, 11,27-30). Die ersten Gemeinden, in denen "die Freude und die Einfachheit des Herzens" vorherrschten (Apg 2, 46), besaßen eine dynamische und missionarische Offenheit: "Sie waren beim ganzen Volk geschätzt" (Apg 2, 47). Mission bedeutet noch vor aller Aktivität Zeugnis und Ausstrahlung.<ref> Vgl. Paul VI., Apostolisches Schreiben Evangelii nuntiandi; Nr. 41-42: a.a.O., 31-33. </ref>

27 In der Apostelgeschichte gibt es Hinweise darauf, dass die Mission, die sich zunächst an Israel und dann an die anderen Völker wandte, sich auf mehreren Ebenen entfaltet. Da sind zuallererst die Zwölf, die vereint unter der Leitung des Petrus die Frohe Botschaft verkünden. Da ist weiters die Gemeinde der Gläubigen, die mit ihrer Art zu leben und zu handeln den Herrn bezeugt und die Heiden bekehrt (vgl. Apg 2, 46-47). Weiters gibt es Sonderbeauftragte, die für die Verkündigung des Evangeliums bestimmt werden. So sendet die christliche Gemeinde von Antiochien ihre Mitglieder in die Mission: nach Fasten, Gebet und Eucharistiefeier stellt sie fest, dass der Geist Paulus und Barnabas für die Sendung ausgewählt hat (vgl. Apg 13, 1-4). Die Mission ist also in ihren Anfängen als Aufgabe der Gemeinde, als Verantwortung der Ortskirche angesehen worden. Die Gemeinde braucht "Missionare", um sich auszubreiten. Neben diesen Ausgesandten gab es auch solche, die spontan die ihr Leben verändernde Neuheit bezeugten und die die im Entstehen begriffenen Gemeinden mit der Apostolischen Kirche in Verbindung brachten.

Die Apostelgeschichte gibt uns zu verstehen, dass es in der Mission ad gentes am Anfang der Kirche zwar Missionare "auf Lebenszeit" gibt, die sich ihr aufgrund einer speziellen Berufung widmen, dass die Mission aber gleichzeitig als eine ganz selbstverständliche Frucht des christlichen Lebens, als Auftrag an jeden Gläubigen angesehen wurde, durch seine Lebensführung und wenn möglich durch ausdrückliche Verkündigung ein persönliches Glaubenszeugnis zu geben.

Der Geist ist zu jeder Zeit und an jedem Ort gegenwärtig und am Werk

28 Der Geist zeigt sich in besonderer Weise in der Kirche und in ihren Mitgliedern; jedoch ist seine Gegenwart und sein Handeln allumfassend, ohne Begrenzung durch Raum und Zeit.<ref> Enzyklika Dominum et vivificantem, Nr. 53: a.a.O., 874f. </ref> Das Zweite Vatikanische Konzil erinnert an das Wirken des Geistes im Herzen jedes Menschen, durch "die Samen des Wortes", auch durch religiöse Anregungen, durch Anstrengungen allen menschlichen Handelns, sofern es auf die Wahrheit, auf das Gute, auf Gott ausgerichtet ist.<ref> Vgl. III. Vatikanisches Konzil, Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche Ad gentes, Nr. 3. 11. 15; Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, Nr. 10-11. 22. 26. 38. 41. 92-93 . </ref>

Der Geist gibt dem Menschen "Licht und Kraft, um auf seine höchste Berufung zu antworten"; durch den Geist "kann der Mensch im Glauben zum Betrachten und Verkosten des Geheimnisses des Göttlichen Heilsplanes gelangen"; überdies "müssen wir annehmen, dass der Heilige Geist allen die Möglichkeit bietet, mit dem Ostergeheimnis in Berührung zu kommen in einer Weise, die nur Gott kennt";<ref> Zweites Vatikanisches Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, Nr. 10. 15. 22. </ref> in jedem Fall weiß die Kirche, "dass der Mensch, vom Geist Gottes angespornt, vom Problem der Religion nicht völlig unberührt bleiben" und "dass er immer den Wunsch haben wird, wenigstens in Umrissen zu erkennen, was der Sinn seines Lebens, seines Tuns, seines Todes sei".<ref> Ebd., Nr. 41. </ref> Der Geist steht also am Ursprung der Existenz und Glaubensfrage jedes Menschen, die sich ihm nicht nur in bestimmten Situationen, sondern aus der Struktur seines Daseins selbst stellt.<ref> Vgl. Enzyklika Dominum et vivificantem, Nr. 54: a.a.O., 875f. </ref>

Die Gegenwart und das Handeln des Geistes berühren nicht nur einzelne Menschen, sondern auch die Gesellschaft und die Geschichte, die Völker, die Kulturen, die Religionen. Der Geist steht ebenso am Ursprung edler Ideale und guter Initiativen der Menschheit auf deren Wege: "In wunderbarer Vorsehung lenkt er den Weg der Zeiten und erneuert er das Gesicht der Erde".<ref> Zweites Vatikanisches Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, Nr. 26. </ref> Der auferstandene Christus "wirkt im Herzen der Menschen in der Kraft seines Geistes, indem er nicht nur den Wunsch nach einer zukünftigen Welt weckt, sondern dadurch auch jene großmütigen Gedanken inspiriert, reinigt und festigt, durch die die Menschheitsfamilie das eigene Leben menschlicher zu gestalten und die ganze Welt diesem Ziele unterzuordnen versucht".<ref> Ebd, Nr. 38 vgl. Nr. 93. </ref> Und nochmals: es ist der Geist, der "die Samen des Wortes" aussät, die in den Riten und Kulturen da sind und der sie für ihr Heranreifen in Christus bereit macht.<ref> Vgl. Zweites Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, Nr. 17; Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche Ad gentes, Nr. 3. 15. </ref>

29 So leitet uns der Geist, der "weht, wo er will" (Joh 3, 8), der "in der Welt wirkte, noch bevor Christus verherrlicht wurde",<ref> Zweites Vatikanisches Konzil, Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche Ad gentes, Nr. 4. </ref> der "das Universum, alles umfassend, erfüllt und jede Stimme kennt" (Weish 1, 7), dazu an, unseren Blick zu erweitern, um so sein zu jeder Zeit und an jedem Ort vorhandenes Wirken in Betracht zu ziehen. Es ist ein Aufruf, den ich selbst wiederholt gemacht habe<ref> Vgl. Enzyklika Dominum et vivificantem, Nr. 53: a.a.O, 874. </ref> und der mich bei den Begegnungen mit den verschiedensten Völkern geleitet hat. Das Verhältnis der Kirche zu anderen Religionen ist bestimmt von einem doppelten Respekt: "dem Respekt vor dem Menschen bei seiner Suche nach Antworten auf die tiefsten Fragen des Lebens und vom Respekt vor dem Handeln des Geistes im Menschen".<ref> Ansprache an Vertreter der nichtchristlichen Religionen in Madras, 5. Februar 1986: MS 78 (1986), 767; vgl. Botschaft an die Völker Asiens in Manila, 21. Februar 1981, 2-4: AAS 73 (1981), 392f; Ansprache an die Vertreter der nichtchristlichen Religionen in Tokyo, 24. Februar 1981, 3-4: Insegnamenti IV/I (1981), 507f. </ref> Die Begegnung zwischen den Religionen in Assisi wollte unmissverständlich meine Überzeugung bekräftigen, dass "jedes authentische Gebet vom Heiligen Geist geweckt ist, der auf geheimnisvolle Weise im Herzen jedes Menschen gegenwärtig ist".<ref> Ansprache an die Kardinäle, die Päpstliche Familie und die Römische Kurie und Prälatur, 22 Dezember 1986, 11: MS 79 (1987), 1089. </ref>

Es ist derselbe Geist, der bei der Menschwerdung, im Leben, im Tode und bei der Auferstehung Jesu mitgewirkt hat und der in der Kirche wirkt. Er ist nicht eine Alternative zu Christus, er füllt nicht eine Lücke aus zwischen Christus und dem Logos, wie manchmal angenommen wird. Was immer der Geist im Herzen der Menschen und in der Geschichte der Völker, in den Kulturen und Religionen bewirkt, hat die Vorbereitung der Verkündigung zum Ziel<ref> Vgl. Zweites Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, Nr. 16. </ref> und geschieht in bezug auf Christus, das durch das Wirken des Geistes fleischgewordene Wort, "um Ihn zu erwirken, den vollkommenen Menschen, das Heil aller und die Zusammenführung des Universums".<ref> Vgl. Zweites Vatikanisches Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, Nr. 45; vgl. Enzyklika Dominum et vivificantem, Nr. 54: a.a.O., 876. </ref>

Das universale Wirken des Geistes darf andererseits nicht getrennt werden von der Eigenart des Wirkens am Leib Christi, der die Kirche ist. Denn es ist immer der Geist, der wirkt, sei es dass er die Kirche belebt und sie zur Verkündigung Christi drängt, sei es dass er seine Gaben auf alle Menschen und Völker ausbreitet und sie entfaltet, indem er die Kirche durch den Dialog anleitet, diese Gaben zu entdecken, zu fördern und anzunehmen. Jede Gegenwart des Geistes muss mit Achtung und Dankbarkeit aufgenommen werden. Seine Unterscheidung ist aber eine Aufgabe der Kirche, der Christus seinen Geist gegeben hat, um sie zur vollen Wahrheit zu führen (vgl. Joh 16, 13).

Die Missionstätigkeit steht erst in den Anfängen

30 In unserer Zeit, mit einer Menschheit in Bewegung und auf der Suche, braucht es einen neuen Anstoß zur Missionstätigkeit der Kirche. Die Horizonte und die Möglichkeiten der Mission weiten sich aus, und wir Christen sind aufgerufen zu apostolischem Mut, der auf das Vertrauen in den Geist gegründet ist. Er ist die Hauptfigur der Mission!

Zahlreich sind in der Geschichte der Menschheit die Zeitenwenden, die zu einer missionarischen Dynamik anregen. Die Kirche hat, geführt vom Geist, darauf immer mit Großmut und Weitblick geantwortet. Es gab dabei gute Ergebnisse. Vor kurzem wurde die Tausendjahrfeier der Evangelisierung Russlands und der Slawischen Völker begangen. Derzeit bereiten wir die Feier des fünfhundertsten Jahrestages der Evangelisierung Amerikas vor. In der letzten Zeit gab es auch festliche Jahrhundertfeiern im Gedenken an die ersten Missionen in verschiedenen Ländern Asiens, Afrikas und Ozeaniens. Heute sieht die Kirche sich mit anderen Herausforderungen konfrontiert; sie muss zu neuen Ufern aufbrechen, sei es in ihrer Erstmission ad gentes, sei es in der Neuevangelisierung von Völkern, die die Botschaft von Christus schon erhalten haben. Heute wird von allen Christen, von den Ortskirchen und von der Weltkirche derselbe Mut verlangt, der die Missionare der Vergangenheit bewegt hat und dieselbe Verfügbarkeit, um die Stimme des Geistes zu hören.

KAPITEL IV: DAS UNBEGRENZTE AUSMAß DER MISSION AD GENTES

31 Jesus der Herr sendet seine Apostel zu allen Menschen, zu allen Völkern und in alle Gegenden der Welt. Mit den Aposteln erhielt die Kirche eine weltweite Sendung, die keine Grenzen kennt und die das Heil in seiner ganzen Fülle betrifft, entsprechend jener Fülle des Lebens, die die Ankunft Christi gebracht hat (vgl. Joh 10, 10): die Kirche wurde "ausgesandt, um die Liebe Gottes allen Menschen und allen Völkern der Erde zu offenbaren und weiterzugeben".<ref> III. Vatikanisches Konzil, Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche Ad gentes, Nr. 10. </ref>

Es ist ein und dieselbe Mission mit demselben Ursprung und demselben Ziel; aber innerhalb von ihr gibt es verschiedene Aufgaben und Tätigkeiten. Vor allem ist es die Missionstätigkeit, die wir unter Berufung auf das Konzilsdekret als Missio ad gentes bezeichnen. Es handelt sich dabei um eine wesentliche und nie abgeschlossene Haupttätigkeit der Kirche. Denn die Kirche "kann sich der dauerhaften Sendung, allen das Evangelium zu bringen, die Christus, den Erlöser der Menschen, noch nicht kennen - es sind Millionen und Abermillionen von Männern und Frauen - nicht entziehen. Das ist die ganz spezifische Missionsaufgabe, die Jesus seiner Kirche anvertraut hat und täglich anvertraut".<ref> Nachsynodales Apostolisches Schreiben Christifideles laici (30. Dezember 1988), Nr. 35 AAS 81 (1989), 457. </ref>

Ein komplexes und in Bewegung geratenes religiöse Bild

32 Wir befinden uns heute vor einer stark veränderten und schillernden religiösen Situation: die Völker sind in Bewegung; soziale und religiöse Wirklichkeiten, die früher klar definiert waren, entwickeln sich zu komplexen Situationen. Man denke dabei nur an einige Phänomene wie die Verstädterung, die Massenwanderungen, die Flüchtlingsbewegung, die Entchristlichung von Ländern mit alter christlicher Tradition, an den deutlich erkennbaren Einfluss des Evangeliums und seiner Werte in Ländern mit größtenteils nichtchristlicher Mehrheit, an das Umsichgreifen von messianischen und religiösen Sekten. Es geht eine Umwälzung von sozialen und religiösen Situationen vor sich, die es schwer macht, gewisse kirchliche Unterscheidungen und Kategorien, an die man gewöhnt war, konkret anzuwenden. Schon vor dem Konzil sagte man von einigen Hauptstädten oder christlichen Ländern, sie seien "Missionsländer" geworden. Die Situation hat sich in den darauffolgenden Jahren sicher nicht verbessert.

Andererseits hat die Missionstätigkeit in allen Teilen der Welt reiche Früchte gebracht; deshalb gibt es tief verwurzelte, zum Teil so gefestigte und gereifte Kirchen, dass sie sowohl für die Bedürfnisse der eigenen Gemeinden als auch für die Aussendung von Personal zur Evangelisierung in anderen Kirchen und Gebieten gut gerüstet sind. Dies im Kontrast zu Gebieten der alten Christenheit, deren Neuevangelisierung notwendig geworden ist. Inzwischen fragen sich nicht wenige, ob man noch von spezifischer Missionstätigkeit oder von abgrenzbaren Bereichen sprechen könne, oder ob man nicht zugeben müsse, dass es nur eine einheitliche Missionssituation und folglich auch nur eine einheitliche, überall gleiche Sendung gebe. Die Schwierigkeit, diese komplexe und veränderliche Realität in bezug auf den Auftrag zur Evangelisierung zu deuten, zeigt sich bereits im "Missionsvokabular": es gibt zum Beispiel eine gewisses Zögern im Gebrauch der Ausdrücke "Missionen" und "Missionare"; sie werden als überholt und von negativen historischen Resonanzen belastet angesehen. Man zieht es vor, zur Kennzeichnung des Wirkens der Kirche generell das Hauptwort "Mission" in der Einzahl und das Eigenschaftswort "missionarisch" zu verwenden.

Diese Not weist auf eine tatsächliche Veränderung hin, die auch positive Aspekte hat. Die sogenannte Rückkehr oder "Wiederbeheimatung" der Missionen in die Sendung der Kirche, das Einfließen der Missiologie in die Ekklesiologie und die Einbindung beider in den trinitarischen Heilsplan haben die Missionstätigkeit selbst neu aufatmen lassen; sie wird nicht als eine Aufgabe am Rande der Kirche begriffen, sondern eingebunden in das Herz ihres Lebens; sie wird als wesentliche Verpflichtung des gesamten Volkes Gottes verstanden. Man muss sich jedoch vor der Gefahr hüten, die sehr verschiedenen Situationen auf die gleiche Stufe zu stellen und die Mission sowie die Missionare ad gentes zu reduzieren, wenn nicht gar verschwinden zu lassen. Die Feststellung, dass die ganze Kirche eine Missionskirche ist, schließt nicht aus, dass es eine spezifische Mission ad gentes gibt; so wie die Feststellung, dass alle Katholiken Missionare sein sollen, nicht ausschließt, sondern im Gegenteil erfordert, dass es aufgrund einer spezifischen Berufung "Missionare ad gentes und auf Lebenszeit" geben soll.

Die Mission ad gentes behält ihren Wert

33 Die Unterschiede in der Tätigkeit im Rahmen der einen Mission der Kirche ergeben sich nicht aus Gründen, die in der Sache selbst, also in der Sendung liegen, sondern aus den unterschiedlichen Umständen, in denen die Mission sich entfaltet.<ref> Vgl. III. Vatikanisches Konzil, Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche Ad gentes, Nr. 6. </ref> Wenn man die heutige Welt unter dem Gesichtspunkt der Evangelisierung betrachtet, kann man drei Situationen unterscheiden.

Zunächst jene Situation, an die sich die Missionstätigkeit der Kirche wendet: an Völker, Menschengruppen, soziokulturelle Zusammenhänge, in denen Christus und sein Evangelium nicht bekannt sind oder in denen es an genügend reifen christlichen Gemeinden fehlt, um den Glauben in ihrer eigenen Umgebung Fuß fassen zu lassen und anderen Menschengruppen verkündigen zu können. Das ist die eigentliche Mission ad gentes.<ref> Vgl. ebd. </ref>

Sodann gibt es christliche Gemeinden, die angemessene und solide kirchliche Strukturen besitzen, die eifrig sind im Glauben und im Leben, die mit ihrem Zeugnis vom Evangelium in ihre Umgebung ausstrahlen und die Verantwortung für die Weltmission spüren. In ihnen entfaltet sich die Seelsorgstätigkeit der Kirche.

Schließlich gibt es eine Situation dazwischen, vor allem in Ländern mit alter christlicher Tradition, aber manchmal auch in jüngeren Kirchen, wo ganze Gruppen von Getauften den lebendigen Sinn des Glaubens verloren haben oder sich gar nicht mehr als Mitglieder der Kirche erkennen, da sie sich in ihrem Leben von Christus und vom Evangelium entfernt haben. In diesem Fall braucht es eine "neue Evangelisierung" oder eine "Wieder-Evangelisierung".

34 Die spezifische Missionstätigkeit oder die Mission ad gentes wendet sich an "die Völker und die Gruppen, die noch nicht an Christus glauben", an "jene, die fern von Christus sind", bei denen die Kirche "noch nicht Wurzeln geschlagen hat"<ref> Ebd, Nr. 6. 23, vgl. 27. </ref> und deren Kultur noch nicht vom Evangelium beeinflusst ist.<ref> Vgl. Paul VI., Apostolisches Schreiben Evangelii nuntiandi, Nr. 18-20: a.a.O., 457. </ref> Sie unterscheidet sich von den anderen kirchlichen Tätigkeiten, weil sie sich an Gruppen und Umfelder wendet, die aufgrund des Fehlens oder des Ungenügens der evangelischen Verkündigung und der kirchlichen Präsenz nicht christlich sind. Sie hat den Charakter eines Werkes der Verkündigung Christi und seines Evangeliums, des Aufbaus der Ortskirche, der Verbreitung der Werte des Reiches Gottes. Die Besonderheit dieser Mission ad gentes ergibt sich aus der Tatsache, dass sie sich an "Nicht Christen" wendet. Es ist deshalb zu vermeiden, dass diese "ausgesprochen missionarische Aufgabe, die Jesus seiner Kirche anvertraut hat und täglich neu anvertraut",<ref> Johannes Paul II. , Nachsynodales Apostolisches Schreiben Christifideles laici , Nr. 35: a.a.O., 457. </ref> innerhalb der umfassenden Sendung des ganzen Volkes Gottes zu einer abgewerteten Wirklichkeit und folglich vernachlässigt oder vergessen wird.

Andererseits sind die Grenzen zwischen der Seelsorge der Gläubigen, der Neu-Evangelisierung und der ausgesprochen missionarischen Tätigkeit nicht eindeutig bestimmbar und es ist undenkbar, zwischen ihnen Barrieren oder scharfe Trennungen zu machen. Doch darf die Kraft nicht verloren gehen für die Verkündigung und Gründung von neuen Kirchen unter Völkern oder Menschengruppen, wo es sie noch nicht gibt. Denn die erste Aufgabe der Kirche ist ihre Sendung zu allen Völkern und bis an die Grenzen der Erde. Ohne die Mission ad gentes wäre die missionarische Dimension der Kirche selbst ihres ursprünglichen Sinnes und ihrer gezielten Umsetzung beraubt.

Ebenfalls zu beachten ist eine reale und wachsende gegenseitige Abhängigkeit zwischen den verschiedenen Sendungsaufträgen der Kirche: jede von ihnen hat Einfluss auf die andere, regt sie an und hilft ihr. Die missionarische Dynamik schafft einen Austausch zwischen den Kirchen und ist auf die Außenwelt ausgerichtet, mit positiven Einflüssen in jeder Hinsicht. Die Kirchen mit alter christlicher Tradition zum Beispiel, die sich mit der spannenden Aufgabe der Neuevangelisierung befassen, begreifen besser, dass sie gegenüber den Nicht-Christen in anderen Ländern und Kontinenten nicht missionarisch wirken können, wenn sie sich nicht ernsthaft um die Nicht-Christen im eigenen Haus kümmern: die Missionsbereitschaft nach innen ist ein glaubwürdiges Zeichen und Anreiz für jene nach außen und umgekehrt.

Trotz Schwierigkeiten allen Völkern

35 Die Mission ad gentes steht vor einer ungeheuren Aufgabe, die keineswegs im Schwinden ist. Im Gegenteil, sie scheint ein noch viel weiteres Blickfeld vor sich zu haben, sowohl unter der zahlenmäßigen Rücksicht der demographischen Zunahme als auch unter der sozio-kulturellen Rücksicht des Entstehens neuer Beziehungen, neuer Kontakte und sich verändernder Situationen. Der Auftrag zur Verkündigung Jesu Christi bei allen Völkern ist sehr umfangreich und im Vergleich zu den menschlichen Kräften der Kirche unverhältnismäßig groß.

Die Schwierigkeiten scheinen unüberwindbar und könnten entmutigen, wenn es sich um ein rein menschliches Unterfangen handelte. In einigen Ländern ist den Missionaren die Einreise verboten; in anderen ist nicht nur die Evangelisierung verboten, sondern auch die Konversion und sogar der christliche Kult. Noch anderswo bestehen Hindernisse kultureller Art: die Vermittlung der evangelischen Botschaft erscheint irrelevant oder unverständlich; Bekehrung wird als Verleugnung des eigenen Volkes und der eigenen Kultur angesehen.

36 Es gibt im Volk Gottes auch interne Schwierigkeiten, die noch viel schmerzlicher sind. Schon mein Vorgänger Papst Paul VI. hat an erster Stelle hingewiesen auf "das Fehlen des Eifers, was umso schlimmer ist, weil es von innen kommt; dies zeige sich in der Müdigkeit, in der Enttäuschung, in der Bequemlichkeit, in mangelndem Interesse und vor allem im Fehlen der Freude und der Hoffnung".<ref> Apostolisches Schreiben Evangelii nuntiandi; Nr. 80: a.a.O., 73. </ref> Große Hindernisse für die Missionsbereitschaft der Kirche bilden auch die früheren und gegenwärtigen Spaltungen unter den Christen,<ref> Vgl. Zweites Vatikanisches Konzil, Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche Ad gentes, Nr. 6. </ref> die Entchristlichung in christlichen Ländern, das Zurückgehen der Berufe zum Apostolat, die abstoßenden Zeugnisse von Gläubigen und christlichen Gemeinden, die in ihrem Leben nicht dem Modell Christi folgen. Eine der schwerwiegendsten Ursachen des geringen Interesses für den Missionseinsatz ist jedoch eine Denkweise der Gleichgültigkeit, die leider auch unter Christen weit verbreitet ist und die ihre Wurzeln in theologisch nicht richtigen Vorstellungen hat. Diese Denkweise ist durchdrungen von einem religiösen Relativismus, der zur Annahme führt, dass "eine Religion gleich viel gilt wie die andere". Wir können hinzufügen - wie derselbe Papst sagte -, dass es auch "Alibis gibt, die von der Evangelisierung ablenken. Am gefährlichsten sind sicher jene, von denen man sich einbildet, sie fänden in dieser oder jener Lehre des Konzils einen Anhaltspunkt".<ref> Apostolisches Schreiben Evangelii nuntiandi, Nr. 80: a.a.O. 73. </ref>

Ich lege diesbezüglich den Theologen und den Fachleuten der christlichen Presse lebhaft nahe, den eigenen Dienst für die Mission zu verstärken und den tiefen Sinn ihres wichtigen Dienstes auf dem rechten Wege des "sentire cum Ecclesia" zu entdecken.

Die inneren und äußeren Schwierigkeiten dürfen uns nicht untätig oder zu Pessimisten machen. Was hier - wie in jedem Bereich des christlichen Lebens - zählt, ist das Vertrauen, das aus dem Glauben kommt, aus der Überzeugung also, dass nicht wir die Hauptpersonen der Mission sind, sondern Jesus Christus und sein Geist. Wir sind nur Mitarbeiter; und wenn wir alles getan haben, was uns möglich ist, müssen wir sagen: "Wir sind unnütze Diener. Wir haben getan, was zu tun uns aufgetragen war" (Lk 17, 10).

Bereiche der Mission ad gentes

37 Die Mission ad gentes kennt kraft des weltumspannenden Auftrages Christi keine Grenzen. Man kann jedoch verschiedene Bereiche umreißen, in denen sie sich entfaltet, sodass man ein reales Bild der Situation erhält.

a) Gebietsbezogene Bereiche: Die Missionstätigkeit ist normalerweise in bezug auf genau umrissene Gebiete definiert worden. Das 2. Vatikanische Konzil hat die gebietsbezogene Dimension der Mission ad gentes anerkannt;<ref> Vgl. Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche Ad gentes, Nr. 6. </ref> sie ist auch heute noch wichtig und hat den Zweck, die Verantwortung, die Zuständigkeit und die geographischen Handlungsräume abzugrenzen. Es ist zwar wahr, dass einer Weltmission eine Weltperspektive entsprechen muss: die Kirche kann in der Tat keine Grenzen und politischen Hindernisse akzeptieren, die ihre Missionspräsenz eingrenzen. Aber es ist auch wahr, dass die Missionstätigkeit ad gentes, die von der Seelsorge der Gläubigen und der Neu-Evangelisierung der Nicht Praktizierenden verschieden ist, in klar abgegrenzten Gebieten und bei bestimmten Menschengruppen ausgeübt wird.

Man darf sich nicht täuschen lassen von der starken Zunahme der jungen Kirchen in letzter Zeit. In den diesen Kirchen anvertrauten Gebieten, besonders in Asien, aber auch in Afrika, in Lateinamerika und in Ozeanien gibt es ausgedehnte, nicht evangelisierte Zonen. In einer Reihe von Nationen sind ganze Völker und Kulturen von großer Bedeutung noch nicht von der Glaubensverkündigung und von der Ortskirche erfasst.<ref> Vgl. ebd, Nr. 20. </ref> Auch in traditionell christlichen Ländern gibt es Gegenden, Menschengruppen und nicht evangelisierte Bereiche, die der speziellen Leitung der Mission ad gentes anvertraut sind. Es ist also auch in diesen Ländern nicht nur eine Neu-Evangelisierung, sondern in einigen Fällen eine erstmalige Evangelisierung geboten.<ref> Vgl. Ansprache an die Teilnehmer des VI. Symposions des Rates der Europäischen Bischofskonferenzen, 11. Oktober 1985: AAS 78 (1986), 178-189; dtsch.: Der Apostolische Stuhl (DAS), 1985, S. 1548- 1560. </ref>

Die einzelnen Situationen sind jedoch nicht gleichgeartet. Auch wenn man dazu steht, dass die Aussagen bezüglich der missionarischen Verantwortung der Kirche nicht glaubwürdig sind, wenn sie nicht vom ernsthaften Einsatz einer Neu-Evangelisierung in den Ländern mit christlicher Tradition begleitet sind, wird man die Situation eines Volkes, das Christus nie kennen gelernt hat, nicht gleichsetzen können mit jener eines anderen Volkes, das ihn kennen gelernt, angenommen und dann abgelehnt hat und das dennoch in einer Kultur mit zum großen Teil evangelischen Prinzipien und Werten weiterlebt. Es sind dies in bezug auf den Glauben zwei grundverschiedene Ausgangsbedingungen.

Deshalb gilt das geographische Kriterium weiterhin als eine Richtlinie zur Absteckung der Grenzen, nach der sich - auch wenn nicht sehr genau und immer vorläufig - die Missionstätigkeit richten muss. Es gibt Länder und geographische sowie kulturelle Räume, in denen einheimische christliche Gemeinden fehlen; anderswo sind diese Gemeinden so klein, dass sie kein eindeutiges Zeichen der Präsenz des Christentums sein können; oder es fehlt ihnen an Dynamik, in ihrer Umgebung das Evangelium zu künden, oder sie gehören Volksminderheiten an, die nicht in die vorherrschende nationale Kultur eingebettet sind. Vor allem auf dem asiatischen Kontinent, auf den sich das Hauptaugenmerk der Mission ad gentes richten sollte, bilden die Christen nur eine kleine Minderheit, auch wenn man dort manchmal nennenswerte Konversions-Bewegungen und beispielhafte Formen christlicher Präsenz feststellen kann.

b) Neue Soziale Welten und Phänomene: Die raschen und tiefgreifenden Umwälzungen, die heute die Welt, besonders die südliche Hälfte, charakterisieren, haben einen starken Einfluss auf das Bild der Mission: wo zuerst menschlich und sozial stabile Verhältnisse herrschten, ist heute alles in Bewegung geraten. Man denke zum Beispiel an die Verstädterung und an das massive Anwachsen der Städte, vor allem dort, wo der Bevölkerungsdruck am stärksten ist. Derzeit lebt in vielen Staaten schon mehr als die Hälfte der Bevölkerung in einigen wenigen Großstädten, in denen sich die Probleme des Menschen oft verschlimmern, gerade wegen der Anonymität, in die die Massen sich eingetaucht fühlen.

In der Neuzeit erfolgte die Missionstätigkeit überwiegend in verlassenen Gebieten, fernab von zivilisierten Zentren und in Gebieten, die aufgrund der Kommunikationsschwierigkeiten, der Sprache und des Klimas unzugänglich waren. Heutzutage verändert sich das Bild der Mission ad gentes zusehends: zu den bevorzugten Orten müssten die Großstädte werden, in denen neue Gewohnheiten und Lebensstile, neue Formen der Kultur und der Kommunikation entstehen, die ihrerseits wieder die Bevölkerung beeinflussen. Es stimmt, dass "die Wahl für die Geringsten" dazu führen muss, diejenigen Menschengruppen am wenigsten zu vernachlässigen, die am meisten am Rande stehen und isoliert sind. Es stimmt aber auch, dass man Einzelnen und kleinen Gruppen nicht das Evangelium verkünden kann, wann man diejenigen Zentren vernachlässigt, in denen sozusagen eine neue Menschheit mit neuen Entwicklungsmodellen heranwächst. Die Zukunft der jungen Nationen nimmt ihren Ausgang in den Städten.

Wenn man von der Zukunft spricht, darf man die Jugend nicht vergessen, die in zahlreichen Ländern mehr als die Hälfte der Bevölkerung ausmacht. Wie erreicht die Botschaft Christi die nichtchristliche Jugend, die die Zukunft ganzer Kontinente bildet? Die herkömmlichen Mittel der Pastoral reichen offensichtlich nicht mehr aus. Es braucht Vereine und Institutionen, Gruppen und Jugendhäuser, kulturelle und soziale Initiativen für die Jugend. Das ist das Betätigungsfeld, auf dem sich die modernen kirchlichen Bewegungen in breitem Ausmaße entfalten können.

Zu den großen Veränderungen der Gegenwart gehören die Aus- und Einwanderer, durch die ein neues Phänomen entsteht: zahlreiche Nichtchristen kommen in Länder mit alter christlicher Tradition; es ergibt sich die Gelegenheit zu neuen Kontakten und kulturellem Austausch; die Kirche sieht sich zu ihrer Aufnahme, zu Dialog, zu Hilfe, mit einem Wort, zu Brüderlichkeit herausgefordert. Unter den Einwanderern nehmen die Flüchtlinge einen ganz eigenen Platz ein und verdienen volle Aufmerksamkeit. Es sind inzwischen viele Millionen auf der ganzen Welt und es werden immer mehr. Sie sind geflüchtet vor politischer Unterdrückung und unmenschlichem Elend, vor Hungersnot und Trockenheit in katastrophalen Ausmaßen. Die Kirche muss sie im Umfeld ihrer apostolischen Sorge aufnehmen.

Schließlich muss an die oft unerträglichen Situationen der Armut erinnert werden, die es in vielen Ländern gibt und die oft am Ursprung des Massenauszugs stehen. Die Gemeinschaft der Gläubigen in Christus weiß sich von diesen unmenschlichen Situationen herausgefordert. Die Verkündigung Christi und des Reiches Gottes muss für diese Völker zu einem menschlichen Instrument der Erlösung werden.

c) Kulturbereiche oder moderne Areopage: Nachdem Paulus an zahlreichen Orten gepredigt hat, kam er nach Athen und begab sich auf den Areopag; dort verkündet er das Evangelium in einer Sprache, die für diese Umgebung geeignet und verständlich war (vgl. Apg 17, 22-31). Der Areopag stellte damals das Kulturzentrum des gebildeten Volkes von Athen dar; er kann heute als Symbol für neue Bereiche aufgefasst werden, denen das Evangelium zu verkünden ist.

Ein solcher erster Areopag der neuen Zeit ist die Welt der Kommunikation, die die Menschheit immer mehr eint und - wie man zu sagen pflegt - zu einem "Weltdorf" macht. Die Mittel der sozialen Kommunikation spielen eine derartig wichtige Rolle, dass sie für viele zum Hauptinstrument der Information und Bildung, der Führung und Beratung für individuelles, familiäres und soziales Verhalten geworden sind. Vor allem die neuen Generationen wachsen in einer davon geprägten Welt auf. Vielleicht ist dieser Areopag etwas vernachlässigt worden. Man bevorzugt im allgemeinen andere Hilfsmittel für die Verkündigung des Evangeliums und für die Bildung, während die Massenmedien der Initiative einzelner oder kleiner Gruppen überlassen werden und in der pastoralen Planung erst an untergeordneter Stelle Eingang finden. Die Einbeziehung der Massenmedien hat jedenfalls nicht nur den Zweck, die Botschaft des Evangeliums vielen zugänglich zu machen. Es handelt sich um eine weitaus tiefere Angelegenheit, da die Evangelisierung der modernen Kultur selbst zum großen Teil von ihrem Einfluss abhängt. Es genügt also nicht, sie nur zur Verbreitung der christlichen Botschaft und der Lehre der Kirche zu benutzen; sondern die Botschaft selbst muss in diese, von der modernen Kommunikation geschaffene "neue Kultur" integriert werden. Es ist ein komplexes Problem, da diese Kultur noch vor ihren Inhalten aus der Tatsache selbst entsteht, dass es neue Arten der Mitteilung in Verbindung mit einer neuen Sprache, mit neuen Techniken und mit neuen psychologischen Haltungen gibt. Mein Vorgänger Papst Paul VI. sagte, dass "der Bruch zwischen Evangelium und Kultur ohne Zweifel das Drama unserer Zeit ist".<ref> Apostolisches Schreiben Evangelii nuntiandi, Nr. 20: a a O, 19. </ref> Das weite Feld der heutigen Kommunikation bestätigt dieses Urteil voll und ganz.

Es gibt noch viele andere Areopage der modernen Welt, an denen sich die Missionstätigkeit der Kirche orientieren muss. Da ist zum Beispiel der Einsatz für den Frieden, die Entwicklung und Befreiung der Völker; da sind die Menschen und Völkerrechte, vor allem jene der Minderheiten; da sind die Förderung der Frau und des Kindes. Der Schutz der Schöpfung ist ebenfalls ein Bereich, der im Lichte des Evangeliums zu erhellen ist.

Es sei weiters an den überaus weitläufigen Areopag der Kultur, der wissenschaftlichen Forschung und an die internationalen Beziehungen erinnert, die alle einen Dialog begünstigen und zu neuen Projekten zugunsten des Lebens führen. Man muss sich aufmerksam und engagiert in diesen modernen Instanzen einbringen. Die Menschen fühlen sich wie Seeleute auf der stürmischen See des Lebens, aufgerufen zu immer größerer Einheit und Solidarität. Lösungen für die existenziellen Probleme können nur unter Mitwirkung aller studiert, diskutiert und experimentiert werden.

Dazu erweisen sich internationale Organismen und Zusammenkünfte in vielen Sektoren des menschlichen Lebens, von der Kultur bis zur Politik, von der Wirtschaft bis zur Forschung als immer wichtiger. Die Christen, die in dieser internationalen Dimension leben und arbeiten, sollen sich ihre Pflicht, das Evangelium zu bezeugen, vor Augen halten.

38 Unsere Zeit hat zugleich etwas Dramatisches und Faszinierendes an sich. Während die Menschen einerseits dem materiellen Erfolg nachzulaufen und sich immer mehr im konsumistischen Materialismus einzutauchen scheinen, zeigt sich auf der anderen Seite die ängstliche Suche nach Sinn, das Bedürfnis nach Innerlichkeit, die Sehnsucht nach dem Erlernen neuer Formen der Konzentration und des Gebetes. Nicht nur in den religiös geprägten Kulturen, sondern auch in den säkularisierten Gesellschaften wird die geistliche Dimension des Lebens als Heilmittel gegen Entmenschlichung gesucht. Dieses sogenannte Phänomen der "Rückkehr zur Religion" ist nicht ohne Zweideutigkeit, enthält aber auch eine Einladung. Die Kirche besitzt ein unschätzbares geistliches Gut, das sie der Menschheit anbieten kann: es ist Christus, der sich als "der Weg, die Wahrheit und das Leben" bezeichnet (Joh 14,16). Es ist der christliche Weg der Begegnung mit Gott, mit dem Gebet, mit der Askese, mit der Entdeckung des Lebenssinnes. Auch das ist auf dem Areopag zu verkündigen.

Treue zu Christus und Förderung der Freiheit des Menschen

39 Alle Formen der Missionstätigkeit sind gekennzeichnet vom Bewusstsein, die Freiheit des Menschen zu fördern, indem ihm Jesus Christus verkündigt wird. Die Kirche muss Christus treu sein, dessen Leib sie ist und dessen Sendung sie fortsetzt. Sie "folge demselben Weg, der von Christus gegangen wurde, dem Weg der Armut, des Gehorsams, des Dienstes und seines Opfers bis zum Tod, aus dem er dann auferstand und als Sieger hervorging".<ref> Zweites Vatikanisches Konzil, Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche Ad gentes, Nr. 5; dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, Nr. 8. </ref> Die Kirche hat also die Pflicht, alles daranzusetzen, um ihre Sendung in der Welt zu entfalten und alle Völker zu erreichen; und sie hat auch das Recht, das ihr zur Verwirklichung seines Planes von Gott gegeben wurde. Die religiöse Freiheit, manchmal noch begrenzt oder vergewaltigt, ist Voraussetzung und Garantie für alle Freiheiten, die das Gemeinwohl der Menschen und der Völker sichern. Es bleibt zu hoffen, dass die wahre religiöse Freiheit allen und überall gewährt wird. Die Kirche setzt sich für dieses Ziel in verschiedenen Ländern ein, vor allem in Ländern mit katholischer Mehrheit, wo sie einen größeren Einfluss hat. Es handelt sich dabei jedoch nicht um ein Problem der Mehrheits- oder Minderheitsreligion, sondern vielmehr um ein unverrückbares Recht jedes Menschen.

Andererseits wendet sich die Kirche an den Menschen im vollen Respekt vor seiner Freiheit.<ref> Vgl. Zweites Vatikanisches Konzil, Erklärung über die Religionsfreiheit Dignitatis humanae, Nr. 3-4, 14; Paul VI., Apostolisches Schreiben Evangelii nuntiandi, Nr. 79-80: a.a.O., 71-75; Johannes Paul II. , Enzyklika Redernptor hominis, Nr. 12: a.a.O, 278-281. </ref> Die Mission bezwingt die Freiheit nicht, sondern begünstigt sie. Die Kirche schlägt vor, sie drängt nichts auf: Sie respektiert die Menschen und Kulturen, sie macht Halt vor dem Heiligtum des Gewissens. Vor denen, die sich unter den verschiedensten Vorwänden der Missionstätigkeit widersetzen, wiederholt die Kirche: Öffnet Christus die Türen!

Ich wende mich an alle Teilkirchen, an die jungen und an die alten. Die Welt findet immer mehr zusammen, der Geist des Evangeliums muss zur Überwindung von kulturellen und nationalistischen Barrieren führen und jedes Sich-Verschließen zu vermeiden suchen. Schon Papst Benedikt XV. ermahnte die Missionare seiner Zeit, sie würden "ihre eigene Würde verlieren, wenn sie mehr an ihre irdische Heimat als an jene des Himmels dächten".<ref> Apostolisches Schreiben Maximum illud: a.a.O. 446. </ref>

Dieselbe Aufforderung gilt heute für alle Ortskirchen: Öffnet den Missionaren die Türen, denn "jede Ortskirche, die sich bewusst von der Weltkirche trennen wollte, würde ihre Rückbindung an den Plan Gottes verlieren und in ihrer kirchlichen Dimension verarmen".<ref> Paul VI., Apostolisches Schreiben Evangelii nuntiandi Nr. 62: a.a.O. 52. </ref>

Die Aufmerksamkeit dem Süden und dem Orient zuwenden

40 Die Missionstätigkeit stellt auch heute noch die größte Herausforderung für die Kirche dar. Während wir uns dem Ende des zweiten Jahrtausends des Erlösungswerkes nähern, wird es immer deutlicher, dass jene Völker, zu denen noch keine erste Verkündigung von Christus gedrungen ist, die Mehrheit der Menschheit bilden. Die Bilanz der Missionstätigkeit in der Neuzeit ist sicher positiv: die Kirche ist in allen Kontinenten verwurzelt, ja die Mehrheit der Gläubigen und der Ortskirchen lebt heute nicht mehr im alten Europa, sondern in jenen Kontinenten, die von den Missionaren für den Glauben geöffnet wurden.

Es bleibt aber die Tatsache, dass die "äußersten Enden der Erde", denen das Evangelium zu bringen ist, sich immer mehr entfernen. Die Feststellung Tertullians, wonach "das Evangelium auf der ganzen Welt und bei allen Völkern verkündet worden ist",<ref> Vgl De praescriptione haereticorum XX: CCL I, 201f. </ref> ist recht weit von ihrer konkreten Verwirklichung entfernt. Die Mission ad gentes steht noch in ihren Anfängen. Neue Völker treten in Erscheinung; auch sie haben das Recht auf die Verkündigung des Heiles. Der Bevölkerungszuwachs im Süden und im Orient, in nichtchristlichen Ländern, lässt ständig die Zahl jener Menschen anwachsen, die die Erlösung in Christus nicht kennen.

Die missionarische Aufmerksamkeit muss also auf jene geographischen Gebiete und auf jene kulturellen Umfelder gelenkt werden, die außerhalb des Einflusses des Evangeliums geblieben sind. Alle, die an Christus glauben, sollen die apostolische Verantwortung als einen integrierenden Teil ihres Glaubens spüren, anderen die Freude und das Licht zu vermitteln. Diese Verantwortung muss gewissermaßen zum Hunger und Durst werden, den Herrn bekannt zumachen, sobald sich der Blickwinkel auf die weiten Teile der nichtchristlichen Welt ausweitet.

KAPITEL V: WEGE DER MISSION

41 "Missionstätigkeit ist nichts anderes und nichts weniger als Kundgabe oder Epiphanie und Erfüllung des Planes Gottes in der Welt und ihrer Geschichte, in der Gott durch die Mission die Heilsgeschichte sichtbar vollzieht".<ref> Zweites Vatikanisches Konzil, Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche Ad gentes, Nr. 9; vgl. Kap. II, 10-18. </ref> Welchen Wegen folgt nun die Kirche, um zu diesem Ergebnis zu kommen?

Mission ist eine einzige, aber komplexe Wirklichkeit, die sich in verschiedenen Formen entfaltet, unter denen einige in der gegenwärtigen Situation der Kirche und der Welt von besonderer Wichtigkeit sind.

Die erste Form der Evangelisierung ist das persönliche Zeugnis

42 Der Mensch unserer Zeit glaubt mehr den Zeugen als den Lehrern,<ref> Vgl. Paul VI., Apostolisches Schreiben Evangelii nuntiandi; Nr. 41: a.a.O., 31f. </ref> mehr der Erfahrung als der Lehre, mehr dem Leben und den Taten als den Theorien. Das Zeugnis des christlichen Lebens ist die erste und unersetzbare Form der Mission. Christus, dessen Sendung wir fortsetzen, ist der "Zeuge" schlechthin (Off 1, 5; 3, 14) und das Modell christlichen Zeugnisses. Der Heilige Geist begleitet den Weg der Kirche und lässt sie teilnehmen am Zeugnis, das er von Christus gibt (vgl. Joh 15, 26-27).

Die erste Form des Zeugnisses ist das Leben des Missionars, der christlichen Familie und der kirchlichen Gemeinschaft; diese Form lässt eine neue Verhaltensweise erkennen. Der Missionar, der trotz aller Grenzen und menschlichen Schwächen in Einfachheit nach dem Modell Christi lebt, ist ein Zeichen Gottes und der transzendenten Wirklichkeit. Dieses Zeugnis können und müssen jedoch alle in der Kirche geben, indem sie sich bemühen, den göttlichen Meister nachzuahmen;<ref> Vgl. Zweites Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, Nr. 28. 35. 38; Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, Nr. 43; Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche Ad gentes, Nr. 11-12. </ref> ein Zeugnis, das in vielen Fällen die einzig mögliche Form ist, Missionar zu sein.

Das evangelische Zeugnis, das die Welt am ehesten wahrnimmt, ist jenes der Aufmerksamkeit für die Menschen und der Liebe zu den Armen und den Kleinen, zu den Leidenden. Der Geschenkcharakter dieses Verhaltens und dieser Aktivitäten, die sich abgrundtief von dem in jedem Menschen vorhandenen Egoismus unterscheiden, führt zu gezielten Fragen nach Gott und dem Evangelium. Auch der Einsatz für den Frieden, die Gerechtigkeit, die Menschenrechte und die menschliche Entfaltung ist ein evangelisches Zeugnis, wenn er Zeichen der Aufmerksamkeit für die Menschen ist, ausgerichtet auf die Gesamtentfaltung des Menschen.<ref> Vgl. Paul VI., Enzyklika Populorum progressio (26. März 1967), Nr. 21. 42: AAS 59 (1967), 267f. 278. </ref>

43 Der Christ und die christliche Gemeinde sind tief verwurzelt im Leben der jeweiligen Völker; sie sind Zeugen des Evangeliums auch in der Treue zu ihrer Heimat, zu ihrem Volk, zu ihrer Landeskultur, immer jedoch in der Freiheit, die Christus gebracht hat. Das Christentum ist offen für eine weltweite Brüderlichkeit, weil alle Menschen Söhne und Töchter desselben Vaters und Geschwister in Christus sind.

Die Kirche ist aufgerufen, ihr Zeugnis von Christus zu geben, indem sie mutig und prophetisch Position ergreift gegen die Korruption der politischen und wirtschaftlichen Macht; indem sie selbst weder Ruhm noch materielle Güter sucht; indem sie ihre Güter für den Dienst an den Ärmsten verwendet und zur Einfachheit des Lebens in Christus einlädt. Die Kirche und die Missionare müssen auch ein Zeugnis der Demut geben, bezogen vor allem auf sich selbst. Diese Demut drückt sich auf persönlicher und gemeinschaftlicher Ebene aus in der Fähigkeit zur Gewissenserforschung, um in den eigenen Verhaltensweisen das auszubessern, was unevangelisch ist und das Angesicht Christi entstellt.

Die Erst-Verkündigung Christi, des Erlösers

44 Die Verkündigung hat in der Mission jederzeit Vorrang. Die Kirche darf sich dem ausdrücklichen Auftrag Christi nicht entziehen; sie darf den Menschen die "gute Nachricht", dass sie von Gott geliebt und gerettet sind, nicht vorenthalten. "Die Evangelisierung wird - als Basis, Zentrum und zugleich Höhepunkt ihrer Dynamik - immer auch eine klare Aussage enthalten, dass in Jesus Christus ... jedem Menschen das Heil angeboten ist, als Geschenk der Gnade und Barmherzigkeit Gottes selbst".<ref> Paul VI., Apostolisches Schreiben Evangelii nuntiandi, Nr. 27: a.a.O., 23. </ref> Alle Formen der Missionstätigkeit haben diese Verkündigung zum Ziel; sie führt in das in der Zeit verborgene und in Christus enthüllte Geheimnis ein und enthüllt es (vgl. Eph 3, 3-9; Kol 1, 25-29). Christus ist das Herzstück der Mission und des Lebens der Kirche, der Angelpunkt der gesamten Evangelisierung.

In der komplexen Wirklichkeit der Mission spielt die erstmalige Verkündigung eine zentrale und unersetzbare Rolle, weil sie eine Einführung ist "in das Geheimnis der Liebe Gottes, die zu einer engen persönlichen Beziehung in Christus ruft"<ref> Zweites Vatikanisches Konzil, Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche Ad gentes, Nr. 13. </ref> und den Weg zur Bekehrung öffnet. Der Glaube erwächst aus der Verkündigung. Jede kirchliche Gemeinschaft beginnt mit und lebt aus der persönlichen Antwort jedes einzelnen Glaubenden auf diese Verkündigung.<ref> Vgl. Paul VI., Apostolisches Schreiben Evangelii nuntiandi, Nr. 15: a.a.O., 13-15; Zweites Vatikanisches Konzil, Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche Ad gentes., Nr. 13-14. </ref> So wie die ganze Heilsökonomie auf Christus ausgerichtet ist, so ist die Verkündigung seines Geheimnisses das Ziel jeder Missionstätigkeit.

Die Verkündigung hat Christus, den Gekreuzigten, Gestorbenen und Auferstandenen zum Gegenstand: durch ihn ereignet sich die volle und echte Befreiung vom Bösen, von der Sünde und vom Tod; in ihm schenkt Gott das "neue Leben", ein göttliches und ewiges Leben. Das ist die "gute Nachricht", die den Menschen und die Geschichte der Menschheit verändert und auf deren Kenntnis alle Völker ein Recht haben. Diese Verkündigung hat im Kontext des Lebens der Menschen und der Völker, die sie erhalten, zu geschehen. Sie muss weiters aus der Haltung der Liebe und der Wertschätzung des Hörenden heraus erfolgen, in einer konkreten und den Umständen angepassten Sprache. In ihr ist der Geist am Werk und stellt eine Gemeinschaft zwischen dem Missionar und den Hörenden her, die dadurch möglich ist, dass sowohl der eine als auch die anderen durch Christus mit dem Vater verbunden sind.<ref> Vgl. Enzyklika Dominum et vivificantem, Nr. 42.64: a.a.O., 857-859. 892-894. </ref>

45 Verkündigung als Geschehen in Einheit mit der ganzen kirchlichen Gemeinschaft ist niemals eine rein persönliche Angelegenheit. Der Missionar ist da und wirkt kraft eines erhaltenen Auftrages; auch wenn er allein ist, ist er durch ein unsichtbares, aber enges Band mit der Missionstätigkeit der ganzen Kirche verbunden.<ref> Vgl. Paul VI., Apostolisches Schreiben Evangelii nuntiandi, Nr. 60: a.a.O., 50f. </ref> Die Hörer erkennen früher oder später hinter ihm die Gemeinde, die ihn gesandt hat und die ihn unterstützt.

Die Verkündigung ist vom Glauben beseelt, der beim Missionar Enthusiasmus und Eifer hervorruft. Wie schon gesagt wurde, bezeichnet die Apostelgeschichte diese Haltung mit dem Wort Parresía, das heißt: mit Offenheit und Freimut sprechen. Dieser Begriff wird auch bei Paulus verwendet: "Im Vertrauen auf unseren Gott haben wir den Mut gehabt, euch trotz harter Kämpfe das Evangelium von Gott zu künden" (1 Thess 2, 2). "Betet ... auch für mich, dass Gott mir das rechte Wort schenkt, wenn es darauf ankommt, mit Freimut das Geheimnis des Evangeliums zu verkünden, als dessen Gesandter ich im Gefängnis bin. Bittet, dass ich in seiner Kraft freimütig zu reden vermag, wie es meine Pflicht ist" (Eph 6, 18-20).

Der Missionar geht bei der Verkündigung Christi unter Nicht-Christen von der Überzeugung aus, dass sowohl bei den einzelnen als auch bei den Völkern durch das Wirken des Geistes schon eine - wenn auch unbewusste - Erwartung da ist, die Wahrheit über Gott, über den Menschen, über den Weg zur Befreiung von Sünde und Tod zu erfahren. Die Begeisterung bei der Verkündigung Christi kommt von der Überzeugung, auf diese Erwartung antworten zu können, sodass der Missionar sich weder entmutigen lässt noch von seinem Zeugnis abgeht, auch wenn er seinen Glauben in einer feindseligen oder gleichgültigen Umgebung zu bekennen hat. Er weiß, dass der Geist des Vaters in ihm spricht (vgl. Mt 10, 17-20; Lk 12, 11-12) und kann mit den Aposteln wiederholen: "Zeugen dieser Ereignisse sind wir und der Heilige Geist" (Apg 5, 32). Er weiß, dass er nicht eine Menschenweisheit verkündet, sondern das "Wort Gottes", das eine ihr eigene innere und geheimnisvolle Kraft besitzt (vgl. Röm 1, 16).

Den besten Beweis dafür bildet das Geschenk des Lebens, bis zur Annahme des Todes als Zeugnis des Glaubens an Jesus Christus. Seit jeher kennt die Geschichte des Christentums zahlreiche und unverzichtbare "Märtyrer" d.h. Zeugen auf dem Weg des Evangeliums. Auch in unserer Zeit gibt es sie in großer Zahl: Bischöfe, Priester, Ordensmänner und Ordensfrauen, Laien und oft unbekannte heldenhafte Menschen, die ihr Leben als Zeugen des Glaubens hingeben. Sie sind an erste Stelle Verkünder und Zeugen.

Bekehrung und Taufe

46 Die Verkündigung des Wortes Gottes hat die christliche Bekehrung zum Ziel, das heißt die volle und ehrliche Zugehörigkeit zu Christus und seinem Evangelium durch den Glauben. Die Bekehrung ist ein Geschenk Gottes, ein Werk der Dreifaltigkeit: es ist der Geist, der die Herzen öffnet, damit die Menschen an den Herrn glauben und "ihn bekennen" können (vgl. 1 Kor 12, 3). Jesus sagt zu dem, der sich ihm im Glauben nähert: "Niemand kann zu mir kommen, wenn nicht der Vater, der mich gesandt hat, ihn zu mir führt" (Joh 6, 44).

Die Bekehrung ist von Anfang an ein voller und radikaler Glaubensausdruck, der weder Grenzen noch Einhalt kennt und das Geschenk Gottes voll und ganz annimmt. Zugleich jedoch setzt sie mit Bestimmtheit einen dynamischen und dauerhaften Prozess in Gang, der das ganze Leben lang dauert und der einen ständigen Übergang vom "Leben nach dem Fleisch" zu einem "Leben nach dem Geist" erfordert (vgl. Röm 8, 3-13). Sie bedeutet, die Heilswirklichkeit Christi durch persönliche Entscheidung annehmen und sein Jünger werden.

Die Kirche ruft alle zu dieser Bekehrung auf, nach dem Beispiel Johannes des Täufers, der den Weg für Christus bereitete, "indem er Umkehr und Taufe zur Vergebung der Sünden predigte" (Mk 1, 4), und nach dem Beispiel Christi selbst, "der, nachdem man Johannes ins Gefängnis geworfen hatte, wieder nach Galiläa ging und dort das Evangelium Gottes verkündete mit den Worten: Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe. Kehrt um, und glaubt an das Evangelium" (Mk 1, 14-15).

Heute steht der Aufruf zur Bekehrung, den die Missionare an Nicht-Christen richten, zur Diskussion oder wird verschwiegen. Man sieht darin einen Akt des "Proselitismus"; man sagt, es genüge, den Menschen zu helfen, mehr Mensch zu werden oder der eigenen Religion treuer zu sein; man sagt, es genüge, Gemeinschaften ins Leben zu rufen, die fähig seien, für Gerechtigkeit, Freiheit, Frieden und Solidarität einzutreten. Aber man vergisst dabei, dass jeder Mensch das Recht hat, von der "guten Nachricht" Gottes zu hören, der sich in Christus offenbart und schenkt; so erst kann der Mensch seine eigene Berufung voll verwirklichen. Die Größe dieses Geschehens klingt in den Worten Jesu an die Samaritanerin an: "Wenn du wüsstest, worin die Gabe Gottes besteht" und in dem unbewussten, aber brennenden Verlangen der Frau: "Herr, gib mir dieses Wasser, damit ich nicht mehr Durst habe" (Joh 4, 10.15).

47 Die Apostel luden, bewegt vom Heiligen Geist, alle zur Änderung des Lebens, zur Bekehrung und zum Empfang der Taufe ein. Sofort nach dem Pfingstereignis spricht Petrus in überzeugender Weise zu der Menge: "Als sie das hörten, traf es sie mitten ins Herz und sie sagten zu Petrus und den übrigen Aposteln: Was sollen wir tun, Brüder? Petrus antwortete ihnen: Kehrt um und jeder von euch lasse sich auf den Namen Jesu Christi taufen zur Vergebung seiner Sünden. Dann werdet ihr die Gabe des Heiligen Geistes empfangen" (Apg 2, 37-38). Und er taufte an jenem Tag ungefähr dreitausend Menschen. Ein anderes Mal spricht Petrus nach der Heilung eines Gelähmten zu der Menge und wiederholt: "Kehrt also um und tut Buße, damit eure Sünden getilgt werden!" (Apg 3, 19).

Die Bekehrung zu Christus ist eng mit der Taufe verbunden: diese Verbindung besteht nicht nur wegen der Praxis der Kirche, sondern aufgrund des Willens Christi und seines Aussendungsauftrags, alle Völker zu seinen Jüngern zu machen und sie zu taufen (vgl. Mt 28, 19); sie besteht auch aus einem inneren Zusammenhang heraus, um die Fülle des neuen Lebens in ihm zu erhalten: "Amen, Amen, ich sage dir - spricht Jesus zu Nikodemus -: wenn jemand nicht aus Wasser und Geist geboren wird, kann er nicht in das Reich Gottes eingehen" (Joh 3, 5). Die Taufe schafft uns in der Tat neu zum Leben als Kinder Gottes. Sie verbindet uns mit Jesus Christus und salbt uns im Heiligen Geist. Die Taufe ist nicht einfach die Besiegelung der Bekehrung, gleichsam ein äußerliches Zeichen der Bestätigung; sie ist vielmehr das Sakrament, das diese Neugeburt im Geist bezeichnet und bewirkt, das reale und unlösbare Bande mit der Trinität knüpft und die Getauften zu Gliedern Christi und seiner Kirche macht.

An all das muss erinnert werden, da nicht wenige gerade dort, wo sich die Mission ad gentes entfaltet, dazu neigen, die Bekehrung zu Christus von der Taufe zu trennen, letztere als nicht notwendig zu bezeichnen. Es ist wahr, dass in bestimmten Gegenden soziologische Aspekte bezüglich der Taufe zu beobachten sind, die den wahren Sinn des Glaubens eher verdunkeln. Das rührt von verschiedenen historischen und kulturellen Faktoren her, die - wo sie noch vorhanden sind - zu beseitigen sind, damit das Sakrament der geistlichen Neugeburt in seiner vollen Bedeutung erscheine. Dieser Aufgabe müssen sich die lokalen kirchlichen Gemeinschaften widmen. Es ist auch wahr, dass nicht wenige Menschen zugeben, innerlich Christus und seiner Botschaft verpflichtet zu sein; aber sie wollen es nicht im Sakrament sein, weil sie aufgrund ihrer Vorurteile oder der Schuld von Christen die wahre Natur der Kirche als Geheimnis des Glaubens und der Liebe nicht zu erfassen vermögen.<ref> Vgl. Zweites Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, Nr. 6-9. </ref> Ich möchte diese Menschen ermutigen, sich Christus voll zu öffnen und sie daran erinnern, dass - wenn sie die Faszination Christi spüren - er selbst die Kirche als den "Ort" gewollt hat, an dem man ihm tatsächlich begegnen kann. Gleichzeitig lade ich die Gläubigen und die christlichen Gemeinden ein, Christus mit ihrem neuen Leben glaubhaft zu bezeugen.

Sicher, jeder Bekehrte ist ein Geschenk auch an die Kirche und bedeutet für sie eine schwere Verantwortung; nicht nur, weil er im Katechumenat auf die Taufe vorbereitet und dann durch religiöse Unterweisung begleitet werden muss, sondern auch weil er, speziell als Erwachsener, mit neuer Energie die Begeisterung des Glaubens mitbringt und den Wunsch, in der Kirche selbst ein gelebtes Evangelium vorzufinden. Es wäre für ihn eine Enttäuschung, wenn er, der in die kirchliche Gemeinschaft eingetreten ist, dort ein müdes, freudloses, nicht erneuerungsbereites Leben anträfe. Wir können nicht die Bekehrung predigen, wenn wir uns nicht selbst jeden Tag bekehren.

Bildung von Ortskirchen

48 Bekehrung und Taufe gliedern in die Kirche ein, wo sie schon besteht, oder erfordern die Bildung neuer Gemeinden, die Jesus als Herrn und Heiland bekennen. Dies ist Teil des Heilsplans Gottes, dem es gefallen hat, "die Menschen nicht bloß als einzelne zur Teilhabe an seinem Leben zu rufen, sondern sie zu einem Volk zu bilden, in dem seine Kinder, die verstreut waren, in eins versammelt werden sollen".<ref> Zweites Vatikanisches Konzil, Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche Ad gentes, Nr. 2; vgl. Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, Nr. 9. </ref>

Die Mission ad gentes hat das Ziel, christliche Gemeinden zu gründen und Kirchen zu entfalten bis zu ihrer vollendeten Reifung. Dies ist ein Hauptanliegen und bestimmt das missionarische Handeln in dem Maße, dass es nur dann als erfüllt gelten kann, bis es gelingt, neue Ortskirchen zu errichten, die im lokalen Umfeld angemessen ihre Funktion wahrnehmen. Davon ist im Dekret Ad Gentes ausführlich die Rede,<ref> Vgl. Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche Ad gentes, Kap. m 19-22. </ref> und nach dem Konzil unterstrich die theologische Entwicklung, dass das Mysterium der Kirche in jeder Teilkirche enthalten ist, sofern sie sich nicht isoliert, sondern in Gemeinschaft mit der Gesamtkirche bleibt und ihrerseits missionarisch wird. Es handelt sich dabei um ein großes und langwieriges Unternehmen. Und es ist schwierig, genau die Phasen anzugeben, in denen das missionarische Handeln im engeren Sinn aufhört und in normale Seelsorge übergeht. Einige Punkte jedoch müssen klar bleiben.

49 Es ist vor allem notwendig zu versuchen, überall christliche Gemeinden zu errichten, die "Zeichen der Gegenwart Gottes in der Welt"<ref> Zweites Vatikanisches Konzil, Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche Ad gentes, Nr. 15. </ref> sein und sich zu Kirchen entwickeln sollen. Trotz der großen Zahl der Diözesen gibt es weite Gebiete, in denen Ortskirchen entweder völlig fehlen oder angesichts der Weite des Territoriums oder der Bevölkerungsdichte bzw. -vielfalt unzureichend sind. Die kirchengeschichtliche Phase der plantatio Ecclesiae ist nicht abgeschlossen; sie ist vielmehr bei vielen Menschengruppen erst zu beginnen.

Die Verantwortung für eine solche Aufgabe tragen sowohl die Gesamtkirche als auch die Teilkirchen, das gesamte Volk Gottes wie die verschiedenen missionarischen Kräfte. Jede Kirche - auch jene, die aus Neubekehrten besteht - ist ihrer Natur nach missionarisch, hat das Evangelium empfangen und trägt es weiter. Der Glaube erweist sich immer als Geschenk Gottes, das in Gemeinschaft (Familie, Pfarreien, Vereinigungen) gelebt werden und im Zeugnis des Lebens und des Wortes nach außen strahlen soll. Das Verkünden des Evangeliums durch die christliche Gemeinde - zunächst in ihrem eigenen Gebiet und schließlich auch anderswo - ist Teilhabe an der allgemeinen Mission und so das deutlichste Zeichen für die Reife des Glaubens. Es bedarf einer radikalen Umkehr der Geisteshaltung, um Missionar zu werden - das gilt für Personen wie für Gemeinden. Der Herr ruft uns unaufhörlich, aufzubrechen aus unserer Selbstverfangenheit, um mit den anderen zu teilen, was wir haben, beginnend mit dem Kostbarsten: dem Glauben. An diesem missionarischen Auftrag sind alle kirchlichen Organe, Bewegungen, Pfarren und apostolische Werke zu messen. Nur indem sie missionarisch wird, kann die christliche Gemeinschaft innere Spaltungen und Spannungen überwinden und ihre Einheit sowie Glaubenskraft wiederfinden.

Die missionarischen Kräfte, die von anderen Kirchen und Ländern ausgehen, müssen in Verbindung mit den Ortskirchen wirken für die Entwicklung der christlichen Gemeinschaft. Besonders kommt es ihnen zu - stets gemäß den Weisungen der Bischöfe und in Zusammenarbeit mit den Verantwortlichen vor Ort - die Verbreitung des Glaubens und die Ausbreitung der Kirche in nichtchristlichem Umfeld voranzutreiben, auf die Ortskirchen im missionarischen Geist einzuwirken, damit die pastorale Sorge immer ausgerichtet sei auf jene für die Mission ad gentes. Jede Kirche mache sich die Sorgen Christi, des Guten Hirten, zueigen, der sich der eigenen Herde annimmt, aber zugleich auch sorgt um alle "anderen Schafe, die nicht aus diesem Stall sind" (Joh 10, 16).

50 Diese Sorge bildet Motiv und Antrieb für eine erneute ökumenische Aufgabe. Die bestehenden Bindungen zwischen ökumenischer und missionarischer Aktivität machen es notwendig, zwei Begleitfaktoren in Betracht zu ziehen. Zum einen muss man anerkennen, dass "die Spaltung der Christen ein Schaden für die heilige Sache der Verkündigung des Evangeliums vor allen Geschöpfen ist und vielen den Zugang zum Glauben verschließt".<ref> Ebd, Nr. 6. </ref> Die Tatsache, dass die frohe Botschaft der Versöhnung von den untereinander gespaltenen Christen verkündet wird, vermindert ihre Zeugniskraft; daher muss dringend für die Einheit der Christen gearbeitet werden, damit die missionarische Aktivität überzeugender wirkt. Gleichzeitig darf nicht vergessen werden, dass eben diese Anstrengungen um die Einheit schon aus sich ein Zeichen der Versöhnung darstellen, die Gott unter ihnen wirkt.

Zum anderen darf nicht übersehen werden, dass all jene, die die Taufe in Christus empfangen haben, untereinander eine gewisse, wenn auch unvollkommene Gemeinschaft bilden. Darauf gründet die vom Konzil gegebene Ausrichtung: "Die Katholiken sollen mit den von ihnen getrennten Brüdern, gemäß den Richtlinien des Dekretes über den Ökumenismus, brüderlich zusammenarbeiten im gemeinsamen Bekenntnis des Glaubens an Gott und an Jesus Christus vor den Heiden, soweit dies vorhanden ist, ebenso im Zusammenwirken in sozialen und technischen sowie kulturellen und religiösen Dingen, wobei man jeden Anschein von Indifferentismus und Verwischung sowie ungesunder Rivalität vermeiden muss".<ref> Ebd, Nr. 15; vgl. Dekret über den Ökumenismus Unitatis redintegratio , Nr. 3. </ref>

Das ökumenische Bemühen und das mit der Lehre Christi übereinstimmende Zeugnis von Christen, die verschiedenen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften angehören, haben schon reiche Früchte getragen. Aber es wird immer dringlicher, dass sie zusammenarbeiten und gemeinsam Zeugnis ablegen in dieser Zeit, in der christliche und außerchristliche Sekten Verwirrung stiften. Die Ausbreitung dieser Sekten stellt eine Bedrohung für die katholische Kirche und für alle kirchlichen Gemeinschaften dar, mit denen sie einen Dialog führt. Wo immer es möglich ist und gemäß den örtlichen Umständen, wird die Antwort selbst eine ökumenische sein können.

"Kirchliche Basisgemeinden" Verkünder des Evangeliums

51 Die kirchlichen Basisgemeinden (bekannt auch unter anderen Namen) wachsen rasch in den jungen Kirchen. Sie werden von den Bischöfen und deren Konferenzen mitunter als pastorale Priorität gefördert und bewähren sich als Zentren der christlichen Ausbildung und missionarischen Ausstrahlung. Es handelt sich dabei um Gruppen von Christen, die sich auf familiärer Ebene oder in begrenztem Umkreis treffen, um zu beten, die Heilige Schrift zu lesen, das Glaubenswissen zu vertiefen und menschliche und kirchliche Probleme im Hinblick auf ein gemeinsames Engagement zu besprechen. Sie sind Zeichen für die Lebendigkeit der Kirche, Hilfe für die Ausbildung und bei der Verkündigung des Evangeliums und wertvoller Ausgangspunkt für eine neue Gesellschaft, die gegründet ist auf die "Zivilisation der Liebe".

Solche Gemeinden gliedern und prägen die Pfarrgemeinde, mit der sie stets verbunden bleiben. Sie wurzeln in städtischen und ländlichen Schichten und werden Sauerteig des christlichen Lebens, der Aufmerksamkeit für die Vernachlässigten und des Engagements für die Umwandlung der Gesellschaft. In ihnen erfährt der einzelne Christ Gemeinschaft, fühlt sich selbst als aktives Element und wird angeregt, an der Aufgabe für alle mitzuwirken. Auf diese Weise sind die Basisgemeinden Hilfe zur ersten und zur vertieften Verkündigung des Evangeliums und Ursprung neuer Dienste. Getrieben von der Liebe Christi, bieten sie auch Hilfe an, wie man Spaltungen, Stammesegoismen und Rassismen überwinden kann. Jede Gemeinschaft, die christlich sein will, muss in der Tat in Christus gründen und in ihm leben, im Hören des Wortes Gottes, im Gebet, das seine Mitte in der Eucharistie hat, in der Gemeinschaft, die einig ist in Herz und Sinn, und im Teilen untereinander, entsprechend den Bedürfnissen der Mitglieder (vgl. Apg 2, 42-47). Jede Gemeinde - daran erinnerte Paul VI. - muss in Einheit mit der Teil- und der Gesamtkirche leben, in aufrichtiger Gemeinschaft mit den Hirten und dem Lehramt; dabei bemüht sie sich, missionarisch zu wirken und jede ideologische Abschließung oder Instrumentalisierung zu vermeiden.<ref> Vgl. Apostolisches Schreiben Evangelii nuntiandi, Nr. 58: a.a.O., 46-49. </ref> "Da die Kirche Gemeinschaft ist, sind die neuen Basisgemeinden, die wirklich in Einheit mit der Kirche leben, ein wahrer Ausdruck der Gemeinschaft und Mittel, um eine noch tiefere Gemeinschaft zu bilden. Daher geben sie Grund zu großer Hoffnung für das Leben der Kirche". <ref> Außerordentliche Versammlung 1985, Schlussbericht, II, C 6. </ref>

Das Evangelium in den Kulturen der Völker lebendig werden lassen

52 Bei ihrer Mission unter den Völkern trifft die Kirche auf verschiedene Kulturen und wird in den Prozess der Inkulturation eingebunden. Diese hat als Erfordernis den gesamten geschichtlichen Weg der Kirche geprägt, ist aber heute besonders wichtig und dringlich.

Der Prozess der Einfügung der Kirche in die Kulturen der Völker verlangt viel Zeit. Es handelt sich ja nicht nur um eine äußere Anpassung, denn Inkulturation "bedeutet die innere Umwandlung der authentischen kulturellen Werte durch deren Einfügung ins Christentum und die Verwurzelung des Christentums in den verschiedenen Kulturen".<ref> Ebd, II, D 4. </ref> Sie ist also ein tiefgreifender und umfassender Prozess, der sowohl die christliche Botschaft als auch die Betrachtung und die Praxis der Kirche betrifft. Es handelt sich aber auch um einen schwierigen Prozess, da die Eigenart und Vollständigkeit des christlichen Glaubens auf keine Weise geschmälert werden dürfen.

Durch die Inkulturation macht die Kirche das Evangelium in den verschiedenen Kulturen lebendig und führt zugleich die Völker mit ihren Kulturen in die Gemeinschaft mit ihr ein<ref> Vgl. Apostolisches Schreiben Catechesi tradendae (16. Oktober 1979), Nr. 53: AAS 71 (1979), 1320; Enzyklika Slavorum apostoli (2. Juni 1985), Nr. 21: AAS 77 (1985), 802f. </ref> und überträgt ihnen die eigenen Werte, indem sie aufnimmt, was in diesen Kulturen an Gutem ist, und sie von innen her erneuert.<ref> Vgl. Paul VI., Apostolisches Schreiben Evangelii nuntiandi, Nr. 20: a.a.O., 18f. </ref> Ihrerseits wird die Kirche durch die Inkulturation immer verständlicheres Zeichen von dem, was geeigneteres Mittel der Mission ist.

Dank dieses Handelns der Ortskirchen, wird die Gesamtkirche selbst in ihren verschiedenen Lebensbereichen an Ausdrucksformen und Werten bereichert, wie etwa in der Verkündigung des Evangeliums, im Kult, in der Theologie, in der Caritas. Sie lernt das Mysterium Christi tiefer kennen und auszudrücken und wird zu ständiger Erneuerung angeregt. Diese Themen waren Gegenstand des Konzils und der folgenden lehramtlichen Äußerungen. Ich habe mich während meiner Besuche bei den jungen Kirchen wiederholt darauf bezogen.<ref> Vgl. Ansprache an die Bischöfe von Zaire in Kinshasa, 3. Mai 1980, 4-6: AAS 72 (1980), 432-435; Ansprache an die Bischöfe von Kenya in Nairobi, 7. Mai 1980, 6: AAS 72 (1980), 497; Ansprache an die Bischöfe Indiens in Delhi, 1. Februar 1986, 5: AAS 78 (1986), 748f.; Predigt in Kartagena, 6. Juli 1986, 7-8: AAS 79 (1987), 105f.; vgl. auch Enzyklika Slavorum apostoli , Nr . 2 1 -22: a. a. O., 802 -804. </ref>

Die Inkulturation ist ein langsamer Weg, der das gesamte missionarische Leben begleitet und die verschiedenen Mitarbeiter der Mission ad gentes einbezieht: die christlichen Gemeinden im Zuge ihrer Entwicklung, die Seelsorger, die Verantwortung für Beurteilung und Anregung dieses Bemühens tragen.<ref> Vgl. Zweites Vatikanisches Konzil, Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche Ad gentes, Nr. 22. </ref>

53 Die Missionare, die aus anderen Kirchen und Ländern kommen, müssen sich in die sozio-kulturelle Welt derer, zu denen sie gesandt sind, einfügen und die begrenzenden Prägungen der eigenen Herkunft überwinden. Sie müssen die Sprache der Gegend, in der sie arbeiten, lernen, die bezeichnendsten Ausdrucksformen jener Kultur kennen und deren Werte in unmittelbarer Erfahrung entdecken. Nur in dieser Kenntnis werden sie den Völkern in glaubhafter und fruchtbarer Weise Kunde vom verborgenen Geheimnis geben (vgl. Röm 16, 25-27; Eph 3, 5). Sie sollen sicherlich ihre eigene kulturelle Identität nicht verleugnen, sondern die Umgebung, in der sie wirken, verstehen, schätzen, fördern und mit dem Evangelium durchwirken. So bringen sie sich in die Lage, wirklich mit der neuen sozio-kulturellen Welt in Dialog treten zu können. Der Lebensstil, den sie dabei annehmen, soll Zeichen für das Zeugnis des Evangeliums und der Solidarität mit den Menschen sein.

Die sich entfaltenden christlichen Gemeinden werden vom Evangelium inspiriert. So können sie ihre eigene christliche Erfahrung immer besser in origineller Art und Weise zum Ausdruck bringen, harmonisch mit den eigenen kulturellen Traditionen, doch immer in Einklang mit den objektiven Erfordernissen des Glaubens selbst. Vor allem in Hinblick auf die heikleren Bereiche der Inkulturation, sollen deshalb die Teilkirchen desselben Gebiets untereinander<ref> Vgl. ebd. </ref> und mit der gesamten Kirche zusammenarbeiten in der Überzeugung, dass nur ein Bemühen um die Gesamt- wie die Teilkirche sie fähig macht, den Schatz des Glaubens in die berechtigte Verschiedenheit seiner Ausdrucksformen zu übersetzen.<ref> Vgl. Paul VI., Apostolisches Schreiben Evangelii nuntiandi; Nr. 64: a.a.O., 55. </ref> So bieten die Gruppen, die das Evangelium angenommen haben, die Elemente für eine "Übersetzung" der Botschaft des Evangeliums<ref> Die Teilkirchen "haben die Aufgabe, das Wesentliche der Botschaft des Evangeliums sich tief zu eigen zu machen und es ohne den geringsten Verrat an seiner wesentlichen Wahrheit in eine Sprache zu übersetzen, die diese Menschen verstehen, um es dann in dieser Sprache zu verkünden... 'Sprache' aber darf hier weniger im semantischen oder literarischen Sinn aufgefasst werden, sondern vielmehr anthropologisch und kulturell" (Ebd Nr. 63: a.a.O. 53). </ref> im Bewusstsein des positiven Beitrages, den es im Laufe der Jahrhunderte gegeben hat dank der Kontaktpflege des Christentums mit den verschiedenen Kulturen, aber ohne die Gefahren der Entfremdung zu vergessen, die des öfteren aufgetreten sind.<ref> Vgl. Ansprache bei der Generalaudienz vom 13. April 1988: Insegnamenti XI/1 ( 1988), 877-881. </ref>

54 Diesbezüglich bleiben einige Hinweise von grundlegender Bedeutung. Die Inkulturation in ihrem recht verstandenen Prozess muss sich von zwei Prinzipien der "Vereinbarkeit mit dem Evangelium und der Gemeinschaft mit der Gesamtkirche"<ref> Apostolisches Schreiben Familiaris consortio (22. November 1981), Nr. 10, wo besonders von der Inkulturation "im Bereich der Ehe und Familie" die Rede ist: AAS 74 (1982), 91. </ref> leiten lassen. Die Bischöfe als Hüter des Glaubensgutes tragen Sorge für die Glaubenstreue und die unterscheidende Beurteilung,<ref> Vgl. Paul VI., Apostolisches Schreiben Evangelii nuntiandi, Nr. 63-65: a.a.O., 53-55. </ref> wofür ein wohlausgewogenes Gleichgewicht erforderlich ist. Es besteht nämlich die Gefahr des unkritischen Übergangs von einer Form der kulturellen Entfremdung zu deren Überbewertung, die eine Hervorbringung des Menschen und damit von der Sünde gezeichnet ist. Auch sie muss "geheilt, erhoben und vollendet"<ref> Zweites Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, Nr. 17. </ref> werden.

Ein solcher Prozess muss schrittweise vor sich gehen, damit er wirklich Ausdruck der christlichen Erfahrung der Gemeinde sein kann. "Das christliche Mysterium bedarf einer Zeit der Reife im Geist eures Volkes - sagte Paul VI. in Kampala - damit seine natürliche Stimme noch klarer und freier sich harmonisch erheben kann im Chor aller Stimmen der gesamten Kirche".<ref> Paul VI., Ansprache an die Teilnehmer am Symposion der afrikanischen Bischöfe in Kampala, 31. Juli 1969, 2: AAS 61 (1969), 577. </ref> Schließlich muss die Inkulturation das ganze Volk Gottes und nicht nur einige Experten einbeziehen, denn es ist bekannt, dass das Volk über den ursprünglichen Glaubenssinn nachdenkt, was nie aus dem Blick verloren werden soll. Diese muss zwar angeleitet und angeregt, darf aber nicht erzwungen werden, um keine negativen Reaktionen der Christen hervorzurufen. Sie hat Ausdruck des gemeinschaftlichen Lebens und nicht ausschließliche Frucht gelehrter Forschung zu sein, muss also in der Gemeinschaft selber reifen. Die Bewahrung der traditionellen Werte ist ein Erfolg gereiften Glaubens.

Der Dialog mit den Brüdern aus anderen Religionen

55 Der interreligiöse Dialog ist Teil der Sendung der Kirche zur Verkündigung des Evangeliums. Wenn er als Methode und Mittel zur wechselseitigen Kenntnis und Bereicherung verstanden wird, steht er nicht in Gegensatz zur Mission ad gentes sondern hat vielmehr eine besondere Bindung zu ihr und ist sogar Ausdruck davon. Diese Mission richtet sich ja an jene Menschen, die Christus und sein Evangelium nicht kennen und ganz überwiegend anderen Religionen angehören. In Christus ruft Gott alle Völker zu sich und will ihnen die Fülle seiner Offenbarung und Liebe mitteilen. Er macht sich auf vielfältige Weise gegenwärtig, nicht nur dem einzelnen, sondern auch den Völkern im Reichtum ihrer Spiritualität, die in den Religionen ihren vorzüglichen und wesentlichen Ausdruck findet, auch wenn sie "Lücken, Unzulänglichkeiten und Irrtümer"<ref> Paul VI., Ansprache Eröffnung der II. Sitzungsperiode des II. Vatikanischen Konzils, 29. September 1963: AAS 55 (1963), 858; vgl. Zweites Vatikanisches Konzil, Erklärung über das Verhältnis der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen Nostra aetate, Nr. 2; Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, Nr. 16; Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche Ad gentes, Nr. 9; Paul VI., Apostolisches Schreiben Evangelii nuntiandi, Nr. 53: a.a.O., 41f. </ref> enthalten. Das Konzil und die folgenden lehramtlichen Äußerungen haben all das ausführlich unterstrichen und dabei immer daran festgehalten, dass das Heil und die Fülle der Offenbarung von Christus kommt und der Dialog nicht von der Verkündigung des Evangeliums enthebt.<ref> Vgl Paul VI., Enzyklika Ecclesiam suam (6. August 1964): AAS 56 (1964), 609-659; Zweites Vatikanisches Konzil, Erklärung über das Verhältnis der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen Nostra aetate; Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche Ad gentes, Nr. 11. 41. Sekretariat für die Nichtchristen, Die Haltung der Kirche gegenüber den Anhängern anderer Religionen - Überlegungen und Richtlinien zu Dialog und Mission (4. September 1984): AAS 76 (1984), 816-828. </ref>

Im Lichte der Heilsökonomie sieht die Kirche keinen Gegensatz zwischen der Verkündigung Christi und dem lnterreligiösen Dialog, sondern weiß um die Notwendigkeit, beide im Bereich der Mission ad gentes aneinander zu fügen. Es ist jedoch angebracht, dass diese bei den Elemente sowohl ihre enge Bindung als auch ihre Unterscheidung wahren, damit sie weder verwechselt noch missbraucht werden und auch nicht als austauschbar gelten. Ich habe jüngst den Bischöfen Asiens geschrieben: "Wenn auch die Kirche gerne alles anerkennt, was in den religiösen Traditionen des Buddhismus, des Hinduismus und des Islam wahr und heilig ist –Widerspiegelungen jener Wahrheit, die alle Menschen erleuchtet - so mindert dies doch nicht ihre Pflicht und Entschlossenheit, ohne Zögern Jesus Christus zu verkünden, der „der Weg, die Wahrheit und das Leben" ist ... Die Tatsache, dass die Anhänger anderer Religionen auch außerhalb der normalen Wege, die Christus festgelegt hat, die Gnade Gottes empfangen und durch Christus erlöst werden können, nimmt den Aufruf zum Glauben und zur Taufe nicht zurück, die Gott für alle Völker will".<ref> Brief an die Bischöfe Asiens anlässlich der 5. Vollversammlung der Vereinigung ihrer Bischofskonferenzen (23. Juni 1990), 4: L'Osservatore Romano, 18. Juli 1990. </ref> Christus selbst hat in der Tat „indem er die Notwendigkeit des Glaubens und der Taufe ausdrücklich lehrte, zugleich auch die Notwendigkeit der Kirche bekräftigt, in die die Menschen durch die Taufe wie durch eine Tür eintreten".<ref> Zweites Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, Nr. 14; vgl. Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche Ad gentes, Nr. 7. </ref> Der Dialog muss geführt und realisiert werden in der Überzeugung, dass die Kirche der eigentliche Weg des Heiles ist und dass sie allem im Besitz der Fülle der Heilsmittel ist.<ref> Vgl. Zweites Vatikanisches Konzil, Dekret über den Ökumenismus Unitatis redintegratio , Nr. 3; vgl. Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche Ad gentes, Nr. 7. </ref>

56 Der Dialog entsteht nicht aus Taktik oder Eigeninteresse, sondern hat Gründe, Erfordernisse und Würde eigener Art. Er kommt aus dem tiefen Respekt vor allem was er Geist der weht, wo er will, im Menschen bewirkt tat.<ref> Vgl. Enzyklika Redemptor hominis, Nr. 12: a.a O., 279. </ref> In ihm beabsichtigt die Kirche, „die Saatkörner des Wortes"<ref> Zweites Vatikanisches Konzil, Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche Ad gentes, Nr. 11. 15. </ref> und die „Strahlen der Wahrheit, die alle Menschen erleuchtet",<ref> Zweites Vatikanisches Konzil, Erklärung über das Verhältnis der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen Nostra aetate, Nr. 2. </ref> zu entdecken -Saatkörner und Strahlen, die sich in den Personen und in den religiösen Traditionen der Menschheit finden. Der Dialog gründet auf der Hoffnung und der Liebe und wird im Geist Frucht bringen. Die anderen Religionen stellen eine positive Herausforderung für die dar; sie regen sie sowohl dazu an, die Zeichen der Gegenwart Christi und des Wirkens des Geistes zu entdecken und anzuerkennen, als auch dazu, die eigene Identität zu vertiefen und die Gesamtheit der Offenbarung zu bezeugen, dessen Wahrerin sie zum Wohl aller ist.

Daraus entsteht jene Geisteshaltung, die diesen Dialog im Zusammenhang mit der Mission ad gentes beleben soll. Der Dialogpartner muss seinen eigenen Traditionen und religiösen Überzeugungen entsprechen und offen sein, um die des anderen zu verstehen, ohne Vortäuschungen einerseits und Sperren andererseits, sondern im Geist der Wahrheit, Demut und Loyalität, im Wissen darum, dass der Dialog jeden bereichern kann. Dabei darf es keine Verzichtserklärungen und keine falsche Friedfertigkeit geben. Es braucht das gegenseitige Zeugnis für einen gemeinsamen Fortschritt auf dem Weg der religiösen Suche und Erfahrung. Dies dient zugleich der Überwindung von Vorurteilen, Missverständnissen und Intoleranz. Der Dialog zielt auf die innere Läuterung und Umkehr, der geistlich fruchtbar sein wird, wenn er sich wirklich vom Geist leiten lässt.

57 Dem Dialog öffnet sich ein weites Feld, und er kann vielfältige Formen und Ausdrucksweisen annehmen: vom Gedankenaustausch zwischen Experten der religiösen Traditionen oder deren offiziellen Vertretern bis zur Zusammenarbeit für die ganzheitliche Entwicklung und die Wahrung der religiösen Werte, vom Mitteilen der entsprechenden spirituellen Erfahrungen bis zum sogenannten „Dialog des Lebens", in dem die Gläubigen verschiedener Religionen einander im Alltag die eigenen menschlichen und religiösen Werte bezeugen und einander helfen, diese zu leben und so eine gerechtere und brüderlichere Gesellschaft zu schaffen.

Alle Gläubigen und christlichen Gemeinschaften sind gerufen, diesen Dialog zu führen, wenn auch auf unterschiedliche Art und Weise. Dazu ist der Beitrag der Laien unersetzlich. Sie können „durch das Beispiel ihres Lebens und ihr Handeln zu einer Verbesserung der Beziehungen zwischen den Anhängern verschiedener Religionen beitragen".<ref> Nachsynodales Apostolisches Schreiben Christifideles laici , Nr. 35: a.a.O., </ref> Einige von ihnen werden auch in Wissenschaft und Forschung ihren Beitrag dazu leisten können.<ref> Vgl. Zweites Vatikanisches Konzil, Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche Ad gentes, Nr. 41. </ref>

Ich weiß, dass nicht wenige Missionare und christliche Gemeinschaften im schwierigen und oft unverstandenen Weg des Dialogs die einzige Möglichkeit sehen, aufrichtig für Christus Zeugnis abzulegen und den Menschen großzügig zu dienen, und möchte sie ermutigen, in Glauben und Liebe auch dort auszuharren, wo ihre Bemühungen weder Gehör noch Antwort finden. Es steht uns nicht zu, Zeiten und Fristen zu erfahren, die der Vater in seiner Macht festgesetzt hat. Der Dialog ist ein Weg zum Reich Gottes und wird sicherlich Frucht bringen, auch wenn Zeiten und Fristen dem Vater vorbehalten sind (vgl. Apg 1, 7).

Die Entwicklung fördern durch die Formung des Gewissens

58 Die Mission ad gentes erfolgt auch heute zum Großteil in jenen Regionen der südlichen Hemisphäre, wo der Einsatz für die ganzheitliche Entwicklung und die Befreiung von jeder Unterdrückung besonders dringlich sind. Die Kirche hat es seit jeher verstanden, bei den Völkern, denen sie das Evangelium gebracht hat, den Fortschritt anzuspornen, und auch heute werden die Missionare mehr als in der Vergangenheit von Regierungen und internationalen Experten als Förderer der Entwicklung anerkannt. Oft ernten sie Bewunderung für die beachtlichen Ergebnisse, die sie mit dürftigsten Mitteln erzielt haben.

In der Enzyklika Sollicitudo rei socialis habe ich festgestellt, dass „die Kirche keine technischen Lösungen für die Unterentwicklung als solche anzubieten hat", aber „den ersten Beitrag zur Lösung des drängenden Problems der Entwicklung leistet, wenn sie die Wahrheit über Christus, über sich selbst und über den Menschen verkündet und sie auf die konkrete Situation anwendet".<ref> Enzyklika Sollicitudo rei socialis (30. Dezember 1987), Nr. 41: AAS 80 (1988), 570f. </ref> Die Konferenz der lateinamerikanischen, Bischöfe in Puebla hat betont, dass „der beste Dienst am Mitmenschen die Verkündigung des Evangeliums ist, die ihn in die Lage versetzt, sich als Kind Gottes zu verwirklichen, ihn von Ungerechtigkeiten befreit und ihn ganzheitlich fördert".<ref> Dokumente der m. Vollversammlung der lateinamerikanischen Bischöfe in Puebla (1979), (3760) 1145. </ref> Es ist nicht Aufgabe der Kirche, direkt auf der wirtschaftlichen, technischen und politischen Ebene bzw. der des materiellen Beitrags zur Entwicklung tätig werden. Es geht ihr wesentlich darum, den Völkern nicht „Mehr haben“ anzubieten, sondern „Mehr Sein“, indem sie durch das Evangelium die Gewissen aufrüttelt. „Der wahre menschliche Fortschritt muss auf einer immer umfassenderen Verwirklichung des Evangeliums gründen".<ref> Ansprache an die Priester und Ordensleute in Jakarta, 10. Oktober 1989, 5: L'Osservatore Romano, 11. Oktober 1989. </ref>

Die Kirche und ihre Missionare fördern die Entwicklung auch durch ihre Schulen, Krankenhäuser, Druckereien, Universitäten, landwirtschaftlichen Musterbetriebe. Doch ereignet sich die Entwicklung eines Volkes in erster Linie weder durch Geld noch durch materielle Hilfe und auch nicht durch technische Strukturen, sondern vielmehr durch die Formung der Gewissen, durch das Reifen der Einstelllungen und Gebräuche. Der Mensch ist Hauptfigur der Entwicklung, nicht das Geld und nicht die Technik. Die Kirche bildet die Gewissen, sie offenbart den Völkern den Gott, den sie suchen, aber nicht kennen, die Größe des von Gott nach seinem Bild geschaffenen und geliebten Menschen, die Gleichheit aller Menschen als Kinder Gottes, die Herrschaft über die geschaffene Natur als Dienst des Menschen und die Pflicht, sich für die Entwicklung jedes und aller Menschen einzusetzen.

59 Mit der Botschaft des Evangeliums bietet die Kirche eine befreiende Kraft und fördert die Entwicklung, gerade weil sie zu einer Bekehrung von Herz und Sinn führt. Sie hilft, die Würde jeder Person zu erkennen, befähigt zur Solidarität, zum Engagement und zum Dienst an den Brüdern. Sie führt den Menschen in den Plan Gottes ein, der die Errichtung jenes Reiches der Gerechtigkeit und des Friedens vorsieht, das schon in diesem Leben seinen Anfang nimmt. Die biblische Sicht der „neuen Himmel und der neuen Erde" (vgl. Jes 65, 17; 2 Petr 3,13; Apg 21,1) hat in die Geschichte Ansporn und Ziel für das Voranschreiten der Menschheit eingefügt. Die Entwicklung des Menschen kommt von Gott - im Vorbild Jesu, des Gott-Menschen – und sie muss zu Gott führen.<ref> Vgl. Paul VI., Enzyklika Populorum progressio , Nr. 14-21. 40-42: a.a.O., 264-268. 277f.; Johannes Paul II. , Enzyklika Sollicitudo rei socialis, Nr. 27-41: a.a.O. 547-572. </ref> Deshalb besteht eine enge Verbindung zwischen der Verkündigung des Evangeliums und der Förderung des Menschen.

Der Beitrag der Kirche und ihres Werkes der Evangelisierung zur Entwicklung der Völker betrifft nicht nur die südliche Hemisphäre, um dort materielle Armut und Unterentwicklung zu bekämpfen, sondern auch die nördlichen, die einer durch „Überentwicklung“<ref> Vgl. Enzyklika Sollicitudo rei socialis, Nr. 28: a.a.O., 548-550. </ref> verursachten moralischen und spirituellen Armut ausgesetzt ist. Eine gewisse areligiöse Modernität, die heute in einigen Teilen der Welt herrscht, gründet in der Meinung, es genüge, alle reich zu machen und den ökonomisch-technischen Fortschritt fortzusetzen, um den Menschen mehr Mensch werden zu lassen: Aber eine seelenlose Entwicklung kann den Menschen nicht befriedigen. Der übermäßige Wohlstand ist schädlich wie die übermäßige Armut. Der Norden hat ein solches Entwicklungsmodell" erfunden und verbreitet es in den Suden, wo der religiöse Sinn und die menschlichen Werte, die dort gegenwärtig sind, in einer Welle des Konsumismus unterzugehen drohen. „Gegen den Hunger: das Leben ändern“ Dieses in kirchlichen Kreisen entstandene Motto zeigt den reichen Völkern den Weg, um Brüder der Armen zu werden: die Rückkehr zu einem einfachen Leben, das ein Entwicklungsmodell begünstigt, das die ethischen und religiösen Werte berücksichtigt. Die Mission bringt den Armen Ansporn und Erleuchtung für die wahre Entwicklung. Die neue Verkündigung des Evangeliums unter den Reichen muss unter anderem das Bewusstsein schaffen, dass der Zeitpunkt gekommen ist, wirklich Brüder der Armen zu werden in der gemeinsamen Umkehr zur ganzheitlichen Entwicklung, die offen ist auf das Absolute hin.<ref> Vgl. Ebd, Kap. IV, 27-34: a.a.O., 547-560; PAIJL VI., Enzyklika Populorum progressio , Nr. 19-21. 41-42: a.a.O., 266-268. 177f. </ref>

Die Liebe -Ursprung und Maßstab der Mission

60 „Die Kirche auf der ganzen Welt - so habe ich während meines Besuches in Brasilien gesagt - will die Kirche der Armen sein. Sie will die ganze Wahrheit ausschöpfen, die in den Seligpreisungen enthalten ist, vor allem in der ersten: "Selig, die arm sind vor Gott" ... Sie will diese Wahrheit lehren und sie verwirklichen wie Jesus, der gekommen ist, um zu wirken und zu lehren".<ref> Ansprache an die Bewohner des Elendsviertels Vidigal in Rio de Janeiro, 2. Juli 1980, 4: AAS 72 (1980), 854. </ref>

Die jungen Kirchen leben meist unter den Völkern, die von ziemlich verbreiteter Armut geplagt sind, und bringen diese Sorge oft als den bestimmenden Teil ihrer Mission zum Ausdruck. Die Konferenz der lateinamerikanischen Bischöfe in Puebla erinnert an das Beispiel Jesu und schreibt: „Die Armen verdienen bevorzugte Aufmerksamkeit, wie auch immer die moralische und persönliche Lage sei, in der sie sich befinden. Sie sind nach dem Bild und Gleichnis Gottes geschaffen, um seine Kinder zu sein, doch ist dieses Bild oft verdüstert und sogar geschändet. Daher nimmt sich Gott ihrer Verteidigung an und liebt sie. Daraus folgt, dass sich die Mission zuerst an die Armen richtet, und die Verwirklichung des Evangeliums unter ihnen ist aufs vorzüglichste Zeichen und Beweis der Mission Jesu".<ref> Dokumente der III. Vollversammlung der lateinamerikanischen Bischöfe in Puebla (1979), (3757) 1142. </ref>

Die Kirche, in Treue zum Geist der Seligpreisungen, ist auch gerufen, mit den Armen und Unterdrückten aller Art zu teilen. Ich rufe daher alle Jünger Christi und alle christlichen Gemeinschaften- von den Familien bis zu den Diözesen, von den Pfarren bis zu den Ordensgemeinschaften – dazu auf, ihr Leben im Sinne der Solidarität mit den Armen aufrichtig umzugestalten. Zugleich danke ich den Missionaren, die mit ihrer liebevollen Gegenwart und ihrem demütigen Dienst in Schulen, Gesundheitszentren, Leprastationen, Häusern für behinderte und alte Menschen, Institutionen für die Förderung der Frau und ähnlichem für die ganzheitliche Entwicklung der Person und der Gesellschaft arbeiten. Ich danke den Priestern, Ordensleuten und Laien für ihre Hingabe und ermutige die freiwilligen Mitarbeiter der privaten Organisationen, die sich diesen Werken der Nächstenliebe und der menschlichen Förderung widmen. Es sind in der Tat Werke der Nächstenliebe die Zeugnis ablegen für die Seele jeglicher missionarischen Aktivität: die Liebe , der Beweggrund der Mission ist und bleibt und zugleich „das einzige Kriterium, nach dem zu handeln oder zu unterlassen, zu ändern oder zu bewahren ist. Sie ist das Prinzip, das alles Handeln leiten, und das Ziel, auf das es sich ausrichten muss. Was mit Blick auf die Liebe oder inspiriert von ihr geschieht ist nie zu gering und immer gut".<ref> Isaak von Stella, Predigt 31: PL 194, 1793. </ref>

KAPITEL VI: DIE VERANTWORTLICHEN UND MITARBEITER DER SEELSORGE IN DEN MISSIONEN

61 Es gibt kein Zeugnis ohne Zeugen und keine Mission ohne Missionare. Jesus hat Menschen als seine Zeugen und Apostel auserwählt und ausgesandt, damit sie an seiner Mission mitwirkten und sein Heilswerk fortsetzten: "Ihr werdet meine Zeugen sein in Jerusalem und in ganz Judäa und Samarien und bis an die Grenzen der Erde" (Apg 1, 8).

Die Zwölf sind die ersten Arbeiter der universalen Mission: Die Apostel stellen ein "kollegiales Subjekt" der Mission dar; sie sind von Jesus erwählt, bei ihm zu bleiben, und "zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel" (Mt 10, 6) gesandt. Diese Kollegialität verhindert nicht, dass in der Gruppe einzelne Persönlichkeiten hervorragen, wie etwa Jakobus, Johannes und vor allem Petrus, dessen Person von solcher Bedeutung ist, dass sie den Ausdruck "Petrus und die anderen Apostel" rechtfertigt (Apg 2, 14.37). Dank ihm öffnet sich der Horizont für die universale Mission, in der im weiteren Paulus hervorragt, der nach dem Willen Gottes zur Mission unter den Heiden gerufen und gesandt wurde (vgl. Gal 1, 15-16).

In der ersten Phase des missionarischen Aufbruchs finden wir neben den Aposteln andere, demütige Mitwirkende, die nicht vergessen werden dürfen; es sind die Personen, Gruppen und Gemeinden. Ein typisches Beispiel einer Ortskirche ist die Gemeinde von Antiochien, die das Evangelium annimmt und es weiterträgt, indem sie ihre Missionare zu den Heiden sendet (vgl. Apg 13, 2-3). Die Urkirche lebt die Mission als gemeinsame und gemeinschaftliche Aufgabe, kennt aber "besondere Gesandte" oder "Missionare, geweiht für die Heiden", wie Paulus und Barnabas.

62 Was von den Anfängen des Christentums an für die universale Mission unternommen wurde, behält seine Gültigkeit und Dringlichkeit bis zum heutigen Tag. Die Kirche ist ihrer Natur nach missionarisch, da der Auftrag Christi nicht bedingt und äußerlich ist, sondern das Herz der Kirche betrifft. Daraus folgt, dass die gesamte und jede einzelne Kirche zu den Völkern gesandt ist. "Damit der missionarische Eifer unter ihren Landsleuten gedeihe", sollen sie daran teilhaben, dass die jungen Kirchen selber "möglichst bald tatsächlich an der universalen Mission der Kirche teilnehmen und Missionare aussenden, die in aller Welt das Evangelium verkünden, selbst wenn sie im eigenen Bereich noch unter Priestermangel leiden".<ref> Zweites Vatikanisches Konzil, Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche Ad gentes, Nr. 20. </ref> Viele handeln schon danach, und ich ermutige sie lebhaft zum Weitermachen.

In dieser wesentlichen Verbundenheit der Gesamtkirche mit den Teilkirchen entfaltet sich die wahre und volle Missionstätigkeit. "In einer Welt, die durch schrumpfende Entfernungen immer kleiner wird, müssen sich die kirchlichen Gemeinschaften untereinander zusammenschließen, Energie und Mittel austauschen und sich gemeinsam einsetzen für die eine und gemeinsame Aufgabe, das Evangelium zu verkünden und zu leben... Die sogenannten jungen Kirchen ... brauchen die Kraft der alten während diese das Zeugnis und die Energie der jüngeren nötig haben, sodass die einzelnen Kirchen aus dem Reichtum der anderen Kirchen schöpfen können".<ref> Nachsynodales Apostolisches Schreiben Christifideles laici , Nr. 35: a.a.O., 458. </ref>

Die Erstverantwortlichen der Missionsarbeit

63 Wie der auferstandene Herr dem Apostelkollegium mit Petrus an der Spitze den Auftrag zur Weltmission übertragen hat, so liegt diese Verantwortung vor allem auf dem Kollegium der Bischöfe mit dem Nachfolger Petri an deren Spitze.<ref> Vgl. Zweites Vatikanisches Konzil, Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche Ad gentes, Nr. 38. </ref> Im Bewusstsein dieser Verantwortung sehe ich es in den Begegnungen mit den Bischöfen als meine Pflicht an, sowohl in bezug auf die Neuevangelisierung als auch auf die Weltmission, sie mit ihnen zu teilen. Ich habe mich über die Straßen der Welt auf den Weg gemacht, "um das Evangelium zu verkünden, um "die Brüder im Glauben zu stärken", um die Kirche zu trösten, um dem Menschen zu begegnen. Es sind Reisen des Glaubens... Es sind darüber hinaus Gelegenheiten zu einer Wanderkatechese, zur Verkündigung der frohen Botschaft und des apostolischen Lehramtes im vollen Umfang, auf allen Ebenen und rund um den ganzen Erdkreis".<ref> Ansprache an die Mitglieder des HI. Kollegiums und an alle Mitarbeiter der Römischen Kurie, der Vatikanstadt und des Vikariats von Rom, 28. Juni 1980, 10: Insegnamenti III, 1 (1980), 1887. </ref>

Die Mitbrüder im Bischöflichen Amt sind mit mir unmittelbar für die Evangelisierung der Welt verantwortlich, sei es als Mitglieder des Bischofskollegiums, sei es als Hirten ihrer Ortskirchen. Dazu erklärt das Konzil: "Die Sorge, das Evangelium überall auf Erden zu verkündigen, geht die ganze Körperschaft der Hirten an. Ihnen allen zusammen hat Christus den Auftrag gegeben".<ref> Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, Nr. 23. </ref> Es betont auch, dass die Bischöfe "nicht nur für die bestimmte Diözese, sondern für das Heil der ganzen Welt die Weihe empfangen" haben.<ref> Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche Ad gentes, Nr. 38. </ref> Diese kollegiale Verantwortung hat praktische Auswirkungen. So muss "die Bischofsynode... unter den Obliegenheiten von allgemeiner Bedeutung der Missionstätigkeit als der wichtigsten und heiligsten Aufgabe der Kirche besondere Aufmerksamkeit schenken".<ref> Ebd, Nr 29</ref> Die gleiche Verantwortung spiegelt sich - in verschiedenem Maß - in den Bischofskonferenzen und in deren Einrichtungen auf kontinentaler Ebene wider. Deshalb haben sie einen eigenen Beitrag zum Missionseinsatz anzubieten.<ref> Vgl. ebd, Nr. 38. </ref>

Auch die Pflicht zur Mission eines jeden Bischofs als Oberhirte einer Ortskirche ist groß. Ihm fällt die Aufgabe zu, "als Haupt und einigendes Zentrum des diözesanen Apostolates die Missionstätigkeit voranzutreiben, zu lenken und zu koordinieren ... Überdies möge er Sorge tragen, dass die apostolische Tätigkeit nicht auf die schon Bekehrten beschränkt bleibe, sondern dass ein angemessener Anteil der Mitarbeiter und der Mittel für die Evangelisierung der Nichtchristen bestimmt werde".<ref> Ebd, Nr 30. </ref>

64 Jede Ortskirche muss sich großzügig den Bedürfnissen der anderen öffnen. Die Zusammenarbeit der Kirchen in echter Gegenseitigkeit, die sie bereit macht zu geben und zu empfangen, ist auch eine Quelle der Bereicherung für alle und betrifft die verschiedenen Bereiche des kirchlichen Lebens. In dieser Hinsicht bleibt die Erklärung der Bischöfe von Puebla vorbildlich: "Endlich ist die Stunde für Lateinamerika gekommen ... sich über seine Grenzen hinaus ad gentes zu wenden. Gewiss, wir selbst haben noch Bedarf an Missionaren, aber wir müssen etwas von unserer Armut geben".<ref> Dokumente der m. Vollversammlung der lateinamerikanischen Bischöfe in Puebla (1979), 2941 (368). </ref>

Mit diesem Geist lade ich die Bischöfe und die Bischofskonferenzen ein, großzügig zu verwirklichen, was in den "Richtlinien" vorgesehen ist, die die Kongregation für den Klerus für die Zusammenarbeit der Ortskirchen und für eine bessere Verteilung des Klerus in der Welt erstellt hat.<ref> Vgl. Direktive für die Förderung der gegenseitigen Zusammenarbeit der Teilkirchen und insbesondere für die geeignetere Verteilung des Klerus Postquam apostoli (25. März 1980): AAS 72 (1980), 343-364. </ref>

Die Sendung der Kirche ist umfassender als die "Communio zwischen den Kirchen"; sie muss sich über die Hilfe für die Neuevangelisierung hinaus auch und vor allem von ihrem ausgesprochenen Missionscharakter bestimmen lassen. Ich appelliere an alle Kirchen, an die jungen und die alten, dass sie diese meine Sorge teilen, indem sie sich um eine Zunahme der Missionsberufe und die Überwindung der verschiedenen Schwierigkeiten bemühen.

Missionare und Institute ad gentes

65 Unter den Arbeitern in der Missionspastoral nehmen - wie in der Vergangenheit - immer noch jene Menschen und Institutionen einen Platz von grundlegender Bedeutung ein, denen das Dekret Ad gentes ein besonderes Kapitel mit dem Titel "Die Missionare" widmet.<ref> Vgl. Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche Ad gentes, Kap. IV, Nr. 23-27. </ref> Diesbezüglich drängt sich eine gründliche Reflexion auf, die vor allem die Missionare selbst betrifft. Sie könnten durch die Veränderungen in den Missionen dazu verleitet sein, den Sinn ihrer eigenen Berufung nicht mehr zu verstehen und nicht mehr zu wissen, was die Kirche heute von ihnen eigentlich erwartet.

Bezugspunkt sind jene Worte des Konzils: "Obwohl jedem Jünger Christi die Pflicht obliegt, nach seinem Teil den Glauben auszusäen, beruft Christus der Herr aus der Schar der Jünger immer wieder solche, die er selbst will, damit sie bei ihm seien und er sie zur Verkündigung bei den Völkern aussende. Deshalb regt er durch den Heiligen Geist, der seine Gnadengaben, wie er will, zum allgemeinen Nutzen austeilt, im Herzen einzelner die Berufung zum Missionar an und erweckt gleichzeitig im Herzen der Kirche Institute, welche die Pflicht der Verkündigung des Evangeliums, die der gesamten Kirche obliegt, auf sich nehmen".<ref> Ebd., Nr. 23. </ref>

Es handelt sich also um eine "besondere Berufung", die nach dem Beispiel der Apostel geformt ist. Sie zeigt sich in der Ganzheit des Einsatzes für den Dienst der Evangelisierung: es ist ein Einsatz, der die ganze Person und das Leben des Missionars einbezieht und von ihm eine grenzenlose Hingabe der Kräfte und der Zeit verlangt. Die mit einer solchen Berufung beschenkt sind, "gehen, von der rechtmäßigen Autorität gesandt, in gläubigem Gehorsam zu jenen, die fern von Christus sind, und sie widmen sich ausschließlich dem Werk, das sie als Diener des Evangeliums übernommen haben".<ref> Ebd. </ref> Die Missionare sollen stets darüber nachdenken, wie sie der ihnen geschenkten Gabe entsprechen können und ihre theologische und apostolische Weiterbildung pflegen.

66 Weiters müssen die Missions-Institute alle notwendigen Hilfsquellen nützen, indem sie ihre Erfahrung und Kreativität in Treue zu ihrem ursprünglichen Charisma zur Entfaltung bringen, um die Kandidaten angemessen vorzubereiten und sicherzustellen, dass ihre Mitglieder ihre geistlichen, moralischen und physischen Energien erneuern.<ref> Ebd, Nr. 23. 27. </ref> Sie sollen sich als lebendiger Teil der kirchlichen Gemeinschaft fühlen und mit ihr geeint arbeiten. Denn, "jedes Institut ist für die Kirche geboren und dazu angehalten, diese mit seinen eigenen Merkmalen, entsprechend einem besonderen Geist und einer besonderen Sendung zu bereichern". Über diese Treue zum ursprünglichen Charisma haben die Bischöfe selbst zu wachen.<ref> Vgl. Hl. Kongregation für die Ordensleute und die Säkularinstitute und Hl. Kongregation für die Bischöfe, Direktiven für die gegenseitigen Beziehungen zwischen den Bischöfen und den Ordensleuten in der Kirche Mutuae relationes (14. Mai 1978), 14 b: AAS 70 (1978), 482; vgl. Nr. 28: a.a.O., 490. </ref>

Die Missions-Institute sind im allgemeinen aus den Kirchen mit alter Tradition hervorgegangen und sind - historisch betrachtet - Werkzeuge der Kongregation Propaganda Fide zur Ausbreitung des Glaubens und zur Gründung neuer Kirchen gewesen. Sie nehmen heute in steigender Zahl Kandidaten aus den jungen Kirchen auf, die sie selber gegründet haben, während neue Institute gerade in den Ländern entstanden sind, die früher nur Missionare erhalten haben, heute aber solche aussenden. Diese doppelte Tendenz ist zu begrüßen. Sie erweist die Gültigkeit und die Aktualität der spezifischen Berufung zur Mission dieser Institute, die noch immer "absolut notwendig" sind:<ref> Zweites Vatikanisches Konzil, Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche Ad gentes, Nr. 27. </ref> nicht nur wegen des missionarischen Wirkens ad gentes aus ihrer Tradition heraus, sondern auch wegen der Belebung der Mission sowohl in den Kirchen des alten Christentums als auch in jenen viel jüngeren.

Die besondere Berufung der Missionare auf Lebenszeit behält ihre volle Gültigkeit: Sie verkörpert das Beispiel des missionarischen Einsatzes der Kirche, die immer auf die radikale und ganzheitliche Hingabe angewiesen ist, auf neue und kühne Impulse. Die Missionare und die Missionarinnen, die ihr ganzes Leben dem Zeugnis des Auferstandenen unter den Völkern geweiht haben, sollen sich deshalb nicht von Zweifeln, von Unverständnis, Zurückweisung und Verfolgung einschüchtern lassen. Sie sollen die Gnade ihres besonderen Charismas wachrufen und ihren Weg mit Mut wieder aufnehmen, in dem sie die niedrigsten und schwierigsten Posten im Geist des Glaubens, des Gehorsams und in Gemeinschaft mit den eigenen Hirten bevorzugen.

Diözesanpriester für die Weltmission

67 Als Mitarbeiter des Bischofs sind die Priester kraft des Weihesakramentes aufgerufen, die Sorge für die Mission mit ihm zu teilen. "Die geistliche Gabe, die die Priester in der Weihe empfangen haben, bereitet sie nicht auf eine begrenzte und enge Sendung vor, sondern auf eine umfassende und allgemeine Heilssendung im weitesten Sinn, "bis an die äußersten Grenzen der Erde"; denn jeder priesterliche Dienst hat an der weltumfassenden Sendung Anteil, die Christus den Aposteln anvertraut hat."<ref> Zweites Vatikanisches Konzil, Dekret über Dienst und Leben der Priester Presbyterorum ordinis, Nr. 10; Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche Ad gentes, Nr. 39. </ref> Infolgedessen muss schon die Ausbildung der Kandidaten für das Priestertum das Ziel haben, ihnen "jenen wahrhaft katholischen Geist zu vermitteln, der sie daran gewöhnt, über die Grenzen der eigenen Diözese, der Nation oder des Ritus hinauszuschauen, um so auf die Bedürfnisse der Weltmission einzugehen und überall für die Verkündigung des Evangeliums bereit zu sein".<ref> Zweites Vatikanisches Konzil, Dekret über die Ausbildung der Priester Optatam totius, Nr. 20. Vgl. "Guide de vie pastorale pour les pretres diocesains des Eglises qui dependent de la Congregation pour l'Evangelisation des Peuples", Rom 1989. </ref> Alle Priester müssen ein missionarisches Herz und eine missionarische Mentalität haben. Sie müssen offen sein für die Bedürfnisse der Kirche und der Welt; sie müssen auch die Fernstehenden beachten und vor allem die nichtchristlichen Gruppen in ihrer eigenen Umgebung. Im Gebet und besonders im eucharistischen Opfer mögen sie die Sorge der ganzen Kirche für die ganze Menschheit mittragen.

Besonders die Priester, die sich in Gebieten einer christlichen Minderheit befinden, sollten von einzigartigem Eifer und missionarischem Engagement bewegt sein: der Herr vertraut ihnen nicht bloß die Seelsorge für die christliche Gemeinde an, sondern auch und vor allem die Evangelisierung jener Mitbürger, die nicht zu seiner Herde gehören. Sie "werden sich dem Heiligen Geist und dem Bischof ganz konkret zur Verfügung zu stellen versuchen, um zur Verkündigung des Evangeliums jenseits der Grenzen ihres Landes ausgesandt zu werden. Das erfordert von ihnen nicht bloß eine ausgereifte Berufung, sondern auch eine ungewöhnliche Fähigkeit, sich vom eigenen Vaterland, dem eigenen Volk und der eigenen Familie loszulösen, sowie eine besondere Eignung, sich mit Klugheit und Ehrfurcht in die Kulturen einzuleben".<ref> Ansprache an die Teilnehmer der Vollversammlung der Kongregation für die Evangelisierung der Völker (14. April 1989), 4: AAS 81 (1989), 1140. </ref>

68 In der Enzyklika Fidei Donum hat Papst Pius XII. mit prophetischer Sicht die Bischöfe ermutigt, einige ihrer Priester für einen zeitweiligen Dienst den Kirchen Afrikas freizustellen, indem er die schon vorhandenen Initiativen approbierte. 25 Jahre später wollte ich die große Neuerung dieses Dokumentes unterstreichen, "das die territoriale Dimension des priesterlichen Dienstes überwinden und ihn der ganzen Kirche zuzuweisen half".<ref> Botschaft zum Weltmissionstag 1982: Insegnamenti V/2 (1982), 1879; dtsch: DAS, 1982, S. 1396-1402. </ref> Heute bestätigen sich die Gültigkeit und die Fruchtbarkeit dieser Erfahrung: in der Tat, die sogenannten Fidei-Donum-Priester machen in einzigartiger Weise das Band der Einheit zwischen den Kirchen offenbar. Sie leisten für die bedürftigen kirchlichen Gemeinden einen kostbaren Beitrag und erfahren ihrerseits von ihnen Frische und Lebendigkeit des Glaubens. Freilich ist es nötig, dass der Missionsdienst des Diözesanpriesters gewissen Kriterien und Bedingungen entspricht. Man sollte Priester schicken, die aus den Besten ausgewählt wurden und die für die besondere Arbeit, die sie erwartet, geeignet und richtig vorbereitet sind.<ref> Vgl. Zweites Vatikanisches Konzil, Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche Ad gentes Nr. 38, Hl. Kongregation für den Klerus, Direktive Postquam apostoli Nr 24-25: a.a.O., 361. </ref> Sie müssen sich in die neue Umgebung der Kirche, die sie aufnimmt, mit offenem und brüderlichem Geist einfügen und unter der Autorität des Bischofs mit den Ortspriestern ein einziges Presbyterium bilden.<ref> Vgl. HL. Kongregation für den Klerus, Direktive Postquam apostoli, Nr. 29: a.a.O., 362f., Zweites Vatikanisches Konzil, Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche Ad gentes, Nr. 20. </ref> Ich wünsche mir, dass der Geist des Dienstes bei den Priestern der alten Kirche wachse und auch bei denen der jüngeren Kirchen weiter gefördert werde.

Die missionarische Fruchtbarkeit der Weihe

69 Die Berufungen der Institute des geweihten Lebens gehören zum unerschöpflichen und vielfältigen Reichtum des Geistes. Ihre Mitglieder sind von dem Augenblick an, wo sie sich kraft ihrer Weihe dem Dienst der Kirche anbieten, zum Auftrag verpflichtet, ihre Arbeit in besonderer Weise als Missionsarbeit zu leisten, in einem dem Institut entsprechenden Stile.<ref> Vgl. CIC, can. 783. </ref> Die Geschichte bestätigt die großen Verdienste der Ordensfamilien bei der Ausbreitung des Glaubens und der Bildung neuer Kirchen: von den alten monastischen Einrichtungen zu den mittelalterlichen Orden bis zu den neuzeitlichen Kongregationen.

a) Dem Konzil folgend, lade ich die Institute des kontemplativen Lebens ein, Kommunitäten bei den jungen Kirchen zu errichten, um "unter den Nicht-Christen ein herrliches Zeugnis der Majestät und der Liebe Gottes wie auch der Einheit in Christus zu geben".<ref> Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche Ad gentes, Nr. 40. </ref> Diese Anwesenheit in der nichtchristlichen Welt ist überall wohltuend, besonders in jenen Gegenden, wo die Religionen das kontemplative Leben in der Askese und bei der Suche des Absoluten besonders hochschätzen.

b) Die Institute des aktiven Lebens verweise ich auf das überaus weite Feld der tätigen Liebe, der Verkündigung des Evangeliums, der christlichen Erziehung, der Kultur und der Solidarität mit den Armen und Benachteiligten, mit den Randgruppen und Unterdrückten. Diese Institute mögen sich - unabhängig davon, ob sie einen direkt missionarischen Zweck anstreben oder nicht - nach ihren Möglichkeiten und ihrer Verfügbarkeit fragen, ihr eigene Arbeit auszuweiten auf die Verbreitung des Reiches Gottes hin. Dieses Anliegen wurde in jüngster Zeit von nicht wenigen Instituten aufgegriffen. Aber ich möchte, dass es um eines authentischen Dienstes willen noch besser beachtet und verwirklicht werde. Die Kirche muss die großen Werte des Evangeliums, deren Trägerin sie ist, bekannt machen. Niemand bezeugt diese Werte wirksamer als der, der ein geweihtes Leben in Keuschheit, Armut und Gehorsam, in der Ganzhingabe an Gott und in voller Verfügbarkeit gelobt, um den Menschen und der Gesellschaft nach dem Beispiel Christi zu dienen.<ref> Vgl. Paul VI., Apostolisches Schreiben Evangelii nuntiandi, Nr. 69: a.a.O., 58f. </ref>

70 Ein besonderes Wort der Anerkennung richte an die Missionsschwestern, deren jungfräuliches Leben für das Reich Gottes vielfältige Früchte einer geistlichen Mutterschaft trägt. Gerade die Sendung ad gentes bietet ihnen ein überaus weites Feld, "sich aus Liebe voll und ungeteilt hinzugeben".<ref> Apostolisches Schreiben Mulieris dignitatem (15. August 1988), Nr. 20: AAS 80 (1988), 1703. </ref> Das Beispiel und der Arbeitseifer einer ehelos gebliebenen Frau, die ihr Leben der Liebe zu Gott und dem Nächsten, insbesondere dem Ärmsten geweiht hat, ist als Zeichen des Evangeliums für jene Völker und Kulturen unentbehrlich, wo die Frau noch einen weiten Weg bezüglich ihrer menschlichen Förderung und Befreiung zurücklegen muss. Ich wünsche mir, dass viele junge, christliche Frauen es anziehend finden, sich Christus großzügig anzubieten und dass sie aus ihrer Weihe die Kraft und die Freude schöpfen, ihn unter jenen Völkern zu bezeugen, die ihn noch nicht kennen.

Alle Laien sind Kraft der Taufe Missionare

71 Die Päpste der jüngeren Zeit haben die Bedeutung der Rolle der Laien in der Missionsarbeit sehr hervorgehoben.<ref> Vgl. PnJS XII., Enzyklika Evangelii praecones: a.a.O., 510ff; Enzyklika Fidei donum: a.a.O., 228ff.; Johannes XXIII., Enzyklika Princeps Pastorum: a.a.O., 855ff.; Paul VI., Apostolisches Schreiben Evangelii nuntiandi Nr. 70-73: a.a.O., 59-63. </ref> In der Apostolischen Exhorte Christifideles laici habe auch ich "die ständige Sendungsaufgabe, das Evangelium denen zu verkünden, die Christus, den Erlöser des Menschen, noch nicht kennen - und das sind Millionen und Abermillionen von Männern und Frauen" sowie die entsprechende Verpflichtung der gläubigen Laien ausdrücklich behandelt.<ref> Nachsynodales Apostolisches Schreiben Christifideles laici , Nr. 35: a.a.O., 457. </ref> Es ist die Sendung des ganzen Volkes Gottes; auch wenn die Gründung einer neuen Kirche die Eucharistie und daher den priesterlichen Dienst erfordert, ist die Mission, die sich ja in verschiedenen Formen entfaltet, durchaus eine Aufgabe aller Gläubigen.

Die Teilnahme der Laien an der Ausbreitung des Glaubens seit den ersten Zeiten des Christentums steht sowohl auf der Ebene der einzelnen Gläubigen und Familien als auch auf der ganzen Gemeindeebene eindeutig fest. Schon Papst Pius XII. rief dies in Erinnerung, als er in seiner ersten Missionsenzyklika auf die bewegte Geschichte der Laienmission aufmerksam machte.<ref> Vgl. Enzyklika Evangelii praecones: a.a.O., 510-514. </ref> In der Neuzeit hat es nicht an der aktiven Mitarbeit von Laien-Missionaren gefehlt.

Wie könnten wir die wichtige Rolle vergessen, die diese gespielt haben? Wie ihre Arbeit in den Familien, in den Schulen, im politischen, sozialen, kulturellen Leben und vor allem ihren Unterweisung in der christlichen Lehre? Im Gegenteil, wir müssen - zu ihrer großen Ehre - anerkennen, dass eine Reihe von Kirchen nur dank des Wirkens der Laien-Missionare und -Missionarinnen entstehen konnte.

Das Zweite Vatikanum hat diese Tradition bestätigt. Es hat den missionarischen Charakter des ganzen Volkes Gottes erläutert, besonders das Apostolat der Laien.<ref> Vgl. Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, Nr. 17. 33. </ref> Und es hat den besonderen Beitrag unterstrichen, den sie in der Missionsarbeit zu leisten berufen sind.<ref> Vgl. Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche Ad gentes, Nr. 35-36. 41. </ref> Dass alle Gläubigen diese Verantwortung mittragen, ist nicht nur eine Frage der apostolischen Wirksamkeit, sondern ist eine Pflicht und ein Recht, das in der Taufwürde gründet, wodurch "die gläubigen Laien ihren bestimmten Anteil haben an dem dreifachen Amt Jesu Christi - dem priesterlichen, prophetischen und königlichen".<ref> Nachsynodales Apostolisches Schreiben Christifideles laici , Nr. 14: a.a.O, 410. </ref> Sie sind daher "allgemein verpflichtet und haben das Recht, sich sowohl als Einzelne als auch in Vereinigungen dafür einzusetzen, dass die Heilsverkündigung von jedem Menschen an jedem Ort erkannt und angenommen werde; diese Verpflichtung bindet sie noch mehr in jenen Situationen, in denen die Menschen das Evangelium nicht hören und Christus nicht kennen können, es sei denn durch ihre Vermittlung".<ref> CIC, can. 225, 1; vgl. Zweites Vatikanisches Konzil, Dekret über das Laienapostolat Apostolicam actuositatem, Nr. 6. 13. </ref>

Außerdem haben sie wegen ihres ihnen eigenen weltlichen Charakters die besondere Berufung, "das Reich Gottes zu suchen, indem sie sich mit den zeitlichen Dingen befassen und sie auf Gott hin ausrichten".<ref> Zweites Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, Nr. 31; vgl. CIC, can. 225, 2. </ref>

72 Die Bereiche missionarischer Präsenz und Wirksamkeit der Laien sind sehr breit gestreut. "Das erste Feld... ist die weite und komplizierte Welt der Politik, der sozialen Wirklichkeit, der Wirtschaft..."<ref> Paul VI., Apostolisches Schreiben Evangelii nuntiandi, Nr. 70: a.a.O., 60. </ref> auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene. Innerhalb der Kirche bieten sich verschiedene Arten des Dienstes, der Funktionen, der Ämter und Formen der Hinführung zum christlichen Leben an. Ich denke dabei an eine Neuheit in der jüngsten Zeit in nicht wenigen Kirchen: an die große Entfaltung von "kirchlichen Bewegungen", die von einer starken missionarischen Kraft geprägt sind. Wenn sie sich in Demut in das Leben der Ortskirchen einfügen und von Bischöfen und Priestern herzlich in die Diözesan- und Pfarrstrukturen aufgenommen werden, bilden diese Bewegungen ein wahres Gottesgeschenk für die Neuevangelisierung und die Missionsarbeit im eigentlichen Sinn des Wortes. Ich empfehle daher, sie zu propagieren und einzubeziehen, um vor allem unter den Jugendlichen dem christlichen Leben und der Evangelisierung aus einer pluralistischen Sicht der Vereins- und Ausdrucksformen wieder neue Kraft zu verleihen.

In der Missionstätigkeit müssen die verschiedenen Formen des Laientums aufgewertet und deren Natur und Zielrichtung beachtet werden: missionarische Laienvereinigungen, christliche Organe des internationalen freiwilligen Dienstes, kirchliche Bewegungen, Gruppen und Vereine verschiedener Art, sie alle seien in der Mission ad gentes und in der Zusammenarbeit mit den Ortskirchen engagiert. Auf diese Weise wird das Wachstum "jenes reifen und verantwortlichen Laientums" begünstigt, dessen "Formung in den jungen Kirchen als wesentliches und unverzichtbares Element der Plantatio Ecclesiae angesehen wird".<ref> Nachsynodales Apostolisches Schreiben Christifideles laici , Nr. 35: a.a.O., 458. </ref>

Die Arbeit der Katecheten und die Verschiedenheit der Ämter

73 Zu den Laien, die Verkündiger werden, zählen vorrangig die Katecheten. Das Missions-Dekret definiert sie als "jene lobwürdige Schar, die sich um das Missionswerk unter den Völkern sehr verdient gemacht hat ... Von apostolischem Geist bewegt, leisten sie unter großen Opfern einen einzigartigen und unersetzbaren Beitrag zur Ausbreitung des Glaubens und der Kirche".<ref> Zweites Vatikanisches Konzil, Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche Ad gentes, Nr. 17. </ref> Nicht ohne Grund haben die Kirchen von altersher die Zahl der Katecheten vermehrt und die Katechese intensiviert, wenn sie eine neue Evangelisierung begannen. "Es sind die Katecheten in den Missionsgebieten, die in ganz besonderer Weise diesen Titel "Katecheten" verdienen. Heute blühende Kirchen hätten ohne sie nicht aufgebaut werden können".<ref> Johannes Paul II. , Apostolisches Schreiben Catechesi tradendae, Nr. 66: a.a.O., 1331. </ref>

Auch bei der Vermehrung der kirchlichen und außerkirchlichen Dienste bleibt das Katecheten-Amt mit seinem ihm eigenen Charakter immer wichtig: die Katecheten sind spezialisierte Arbeiter, direkte Zeugen, unersetzbare Verkündiger. Sie bilden die Grundkraft der christlichen Gemeinden, besonders in den jungen Kirchen. Ich habe dies auf meinen Missionsreisen schon öfters gesagt und festgestellt. Der neue Kodex des Kirchenrechts anerkennt ihre Aufgaben, Qualitäten und Erfordernisse.<ref> Vgl. can. 785,1. </ref>

Man darf jedoch nicht vergessen, dass die Arbeit der Katecheten wegen der gegenwärtigen kirchlichen und kulturellen Veränderungen immer schwieriger und anspruchsvoller wird. Deshalb gilt weiterhin, was schon das Konzil angeregt hat: es braucht eine sorgfältigere theoretische und pädagogische Vorbereitung, die ständige spirituelle und apostolische Erneuerung, und es ist notwendig, den Katecheten "einen angemessenen Lebensstandard und eine soziale Sicherheit zu garantieren".<ref> Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche Ad gentes Nr. 17. </ref> Es ist auch wichtig, die Errichtung und Stärkung von regionalen, nationalen und internationalen - von den Bischofskonferenzen approbierten - Katecheten-Schulen zu fördern, die offiziell von letzteren anerkannte Titel verleihen können.<ref> Vgl. Vollversammlung der Kongregation für die Evangelisierung der Völker 1969 zum Thema "Katecheten" und die entsprechende "Instruktion" vom April 1970: Bibliografia missionaria 34 (1970), 197-212, und Sacra Congregatio de Propaganda Fide Memoria Rerum, III/2 (1976), 821-831. </ref>

74 Neben den Katecheten sind die anderen Formen des Dienstes für das Leben der Kirche und für die Mission zu erwähnen und die übrigen Personengruppen: die Förderer des Gebets, des Gesanges und der Liturgie, die Leiter kirchlicher Basisgemeinden und Bibelrunden, die Beauftragten der Caritas, die Verwalter der Kirchen-Einkünfte, die Leiter verschiedener apostolischer Vereinigungen, die Religionslehrer in den Schulen. Alle gläubigen Laien sollen der Kirche einen Teil ihrer Zeit widmen, indem sie ein überzeugtes Glaubensleben führen.

Die Kongregation für die Evangelisierung der Völker und die übrigen Strukturen der Missionstätigkeit

75 Die Verantwortlichen und die Mitarbeiter der Missionspastoral sollen sich in der Gemeinschaft vereint fühlen, die den mystischen Leib kennzeichnet. Dafür hat Christus beim Letzten Abendmahl gebetet: "Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir, so seien auch sie in uns eins, damit die Welt glaube, dass du mich gesandt hast" (Joh 17, 21). Der Grund der Fruchtbarkeit der Mission besteht genau darin.

Aber die Kirche ist auch eine sichtbare und organische Gemeinschaft; deshalb macht die Mission auch eine äußere und geordnete Einheit mit verschiedener Verantwortung und Ämtern erforderlich, in der Weise, dass alle Glieder "in voller Einmütigkeit ihre Kräfte auf den Aufbau der Kirche richten".<ref> III. Vatikanisches Konzil, Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche Ad gentes, Nr. 28. </ref>

"Es ist Aufgabe der Missions-Kongregation, in der ganzen Welt das Werk der Evangelisierung der Völker und der Zusammenarbeit in der Mission zu leiten und zu koordinieren, unter Wahrung des Rechts der Kongregation für die orientalischen Kirchen".<ref> Apostolische Konstitution Pastor bonus (28. Juni 1988), 85: AAS 80 (1988), 881; vgl. Zweites Vatikanisches Konzil, Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche Ad gentes, Nr. 29. </ref> Das heißt, "es ist ihre Aufgabe, sich um Missionare zu bemühen und sie entsprechend der Vordringlichkeit der Bedürfnisse zu verteilen ..., einen organischen Aktionsplan auszuarbeiten, Leitlinien und entsprechende Prinzipien für die Evangelisierung zu erlassen und den Anfangsimpuls zu setzen".<ref> II. Vatikanisches Konzil, Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche Ad gentes, Nr. 29; vgl. Johannes Paul II., Apostolische Konstitution Pastor bonus, 86: a.a.O., 882. </ref> Ich kann diese weisen Bestimmungen nur bestätigen: um die Mission ad gentes neu zu beleben, ist ein Animations-, Leitungs- und Koordinierungs-Zentrum nötig, d.i. die Kongregation für die Evangelisierung. Ich lade die Bischofskonferenzen und ihre Organe, die Höheren Ordensoberen, die Kongregationen und Institute, die Laien-Organe, also alle, die in der Missionsarbeit engagiert sind, ein, mit der genannten Kongregation verlässlich zusammenzuarbeiten. Sie besitzt die nötige Autorität, um die Missionsarbeit und Zusammenarbeit auf Weltebene zu programmieren und zu leiten.

Eben diese Kongregation, die eine lange und ruhmreiche Geschichte hat, soll auch eine Hauptrolle einnehmen auf der Ebene der Reflexion und der Aktionsprogramme, derer die Kirche bedarf, um sich der Mission in ihren verschiedenen Formen entschiedener zuzuwenden. Zu diesem Zweck muss die Kongregation enge Beziehungen zu den anderen Ämtern des Heiligen Stuhls, zu den Ortskirchen und den Missionswerken pflegen. In einer Ekklesiologie der Gemeinschaft ist die ganze Kirche missionarisch; gleichzeitig erweisen sich aber besondere Berufungen und Institutionen für die Arbeit ad gentes als unverzichtbar. Die Führungs- und Koordinierungsrolle der Missionskongregation bleibt sehr wichtig, um gemeinsam die großen Fragen von allgemeinem Interesse anzugehen, unter Wahrung der eigenen Zuständigkeiten jeder Autorität und Struktur.

76 Für die Ausrichtung und Koordinierung der Missionstätigkeit auf nationaler und regionaler Ebene haben die Bischofskonferenzen und ihre verschiedenen Gruppierungen große Bedeutung. Von ihnen verlangt das Konzil, dass sie "schwerwiegendere Fragen und dringende Probleme in gemeinsamer Beratung behandeln, ohne jedoch die örtlich gegebenen Unterschiede zu vernachlässigen".<ref> Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche Ad gentes, Nr. 31. </ref> Das gilt auch für das komplizierte Problem der Inkulturation. Tatsächlich gibt es schon eine große und regelrechte Aktion auf diesem Gebiet und die Früchte sind sichtbar. Es ist eine Aktion, die intensiviert und mit der anderer Organe derselben Konferenzen besser abgestimmt werden muss, damit die Sorge für die Mission nicht auf einen bestimmten Sektor oder eine Gruppe begrenzt bleibe, sondern von allen gemeinsam wahrgenommen werde.

Alle betroffenen Organe und Institutionen, die sich um die Missionsarbeit kümmern, sollen ihre Anstrengungen und Initiativen sinnvollerweise verbinden. Ebenso mögen sich die Konferenzen der Höheren Oberen in ihrem Bereich bemühen, in Kontakt mit den Bischofskonferenzen, entsprechend den festgelegten Weisungen und Normen<ref> Vgl. ebd, Nr. 33. </ref> und indem sie auch auf gemischte Kommissionen zurückgreifen.<ref> Vgl. Paul VI., Motu proprio Ecclesiae sanctae (6. August 1966), II, 43: AAS 58 (1966), 782. </ref> Schließlich sind auch Treffen und Formen der Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Missionsinstituten in bezug auf die Ausbildung und das Studium<ref> Vgl. Zweites Vatikanisches Konzil, Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche Ad gentes, Nr. 34; Paul VI., Motu proprio Ecclesiae sanctae, III, 22: a.a.O., 787. </ref> oder auf die Durchführung einer apostolischen Aktion wünschenswert.

KAPITEL VII: DIE ZUSAMMENARBEIT IN DER MISSIONSTÄTIGKEIT

77 Als Glieder der Kirche aufgrund der Taufe sind alle Christen für die Missionstätigkeit mitverantwortlich. Die Teilnahme der Gemeinden und der einzelnen Gläubigen an diesem Recht und dieser Pflicht bezeichnen wir als "Zusammenarbeit in der Mission".

Eine solche Zusammenarbeit hat ihre Wurzeln und lebt aus der persönlichen Einheit mit Christus. Nur wenn alle mit ihm eins sind wie die Reben mit dem Weinstock (vgl. Joh 15, 5), können gute Früchte hervorgebracht werden. Ein heilig geführtes Leben ermöglicht es jedem Christen, in der Mission der Kirche fruchtbar zu sein: "Das Heilige Konzil lädt alle zu einer tiefen, inneren Erneuerung ein, auf dass sie, aufgrund eines lebendigen Bewusstseins der eigenen Verantwortlichkeit für die Verbreitung des Evangeliums, ihren Anteil an der Missionstätigkeit ad gentes übernehmen".<ref> Zweites Vatikanisches Konzil, Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche Ad gentes, Nr. 35; vgl. CIC, cann. 211. 781. </ref>

Die Teilnahme an der Weltmission beschränkt sich daher nicht auf einige wenige Aktivitäten, sondern ist das Zeichen des gereiften Glaubens und eines christlichen Lebens, das Früchte trägt. So weitet der Gläubige die Grenzen seiner Liebe aus und kümmert sich um die, die weit weg sind ebenso wie um die, die nahe sind: er betet für die Missionen und um Missionsberufe, er unterstützt die Missionare und verfolgt ihre Arbeit mit Interesse; und wenn sie zurückkehren, nimmt er sie mit jener Freude auf, mit der die ersten christlichen Gemeinden von den Aposteln die Wundertaten erfuhren, die Gott durch ihre Predigt gewirkt hatte (vgl. Apg 14, 27).

Gebet und Opfer für die Missionare

78 Unter den Formen der Teilnahme kommt der geistlichen Zusammenarbeit der erste Platz zu: Gebet, Opfer, Zeugnis des christlichen Lebens. Das Gebet muss den Weg der Missionare begleiten, damit die Verkündigung des Wortes durch die göttliche Gnade wirksam werde. Der hl. Paulus bittet in seinen Briefen die Gläubigen oft um ihr Gebet für ihn, damit er das Evangelium mit Vertrauen und Freimut zu verkünden in der Lage sei.

Mit dem Gebet muss notwendigerweise das Opfer verbunden werden. Der heilbringende Wert jedes angenommenen und Gott in Liebe aufgeopferten Leidens hat seinen Ursprung im Opfer Christi, der die Glieder seines mystischen Leibes aufruft, sich mit seinem Leiden zu vereinigen und sie im eigenen Fleisch zu vollenden (vgl. Kol 1, 24). Das Opfer des Missionars muss von jenem aller Gläubigen geteilt und unterstützt werden.

Deshalb lege ich denen, die ihren pastoralen Dienst unter Kranken leisten, ans Herz, diese über den Wert des Leides zu unterweisen und sie zu ermutigen, es Gott für die Missionare aufzuopfern. Mit einem solchen Opfer werden auch die Kranken selber zu Missionaren, wie einige unter ihnen und für sie entstandene Bewegungen unterstreichen. Auch die Feier des Pfingstfestes - des Beginnes der Missionskirche - wird in manchen Gemeinden als "Tag des Leidens für die Missionen" gefeiert.

Hier bin ich Herr, ich bin bereit! Sende mich! (vgl. Jes 6, 8)

79 Die Zusammenarbeit drückt sich vor allem in der Förderung der Missionsberufe aus, welche ein unentbehrliches Element sind. Diesbezüglich wird die Gültigkeit der verschiedenen Formen des missionarischen Einsatzes anerkannt, aber zugleich muss die Priorität der totalen und lebenslangen Hingabe an die Missionsarbeit aufs Neue betont werden, besonders in den Missionsinstituten sowie in den Männer- und Frauen-Kongregationen. Die Förderung der Missionsberufe ist das Herz der Zusammenarbeit: Die Verkündigung des Evangeliums erfordert Verkündiger, die Ernte braucht Arbeiter, Mission geschieht vor allem durch Männer und Frauen, die sich lebenslang dem Dienst des Evangeliums geweiht haben und bereit sind, in die ganze Welt zu gehen, um allen das Heil zu bringen.

Ich möchte somit diese Sorge um Missionsberufe in Erinnerung rufen und allen ans Herz legen. Im Wissen um die allgemeine Verantwortung der Christen für die Missionsarbeit und den Fortschritt der armen Völker einen Beitrag zu leisten, müssen wir uns alle fragen, warum in manchen Nationen zwar die materiellen Spenden wachsen, die Missionsberufe aber zu verschwinden drohen, Berufe, die der wahre Maßstab der Hingabe an die Mitmenschen sind. Berufungen zum Priester- und Ordensstand sind ein sicheres Zeichen der Lebendigkeit einer Kirche.

80 Wenn ich an dieses schwierige Problem denke, appelliere ich mit besonderem Vertrauen und mit Zuneigung an die Familien und die Jugendlichen. Die Familien und vor allem die Eltern mögen sich dessen bewusst sein, dass sie "einen besonderen Beitrag für das Missionsanliegen der Kirche zu leisten haben, indem sie unter ihren Söhnen und Töchtern Missionsberufe pflegen".<ref> Apostolisches Schreiben Familiaris consortio , Nr. 54: a.a.O., 147. </ref>

Ein intensiv gepflegtes Gebetsleben, ein wirklichkeitsnaher Sinn für den Dienst am Nächsten und eine großmütige Teilnahme an den kirchlichen Aktivitäten bieten den Familien günstige Voraussetzungen für Berufe unter der Jugend. Wenn die Eltern bereit sind, ihr Einverständnis zu geben, dass eines ihrer Kinder in die Mission gehen will, wenn sie Gott um eine solche Gnade gebeten haben, wird er sie mit Freude belohnen an dem Tag, an dem ihr Sohn, ihre Tochter dem Ruf des Herrn folgen wird.

Die Jugendlichen selbst bitte ich, das Wort Christi zu hören, der ihnen - wie schon Simon Petrus und Andreas am Ufer des Sees - zuruft: Folgt mir nach, ich werde euch zu Menschenfischern machen! (vgl. Mt 4, 19) Mögen sie den Mut haben, wie Jesaja zu antworten: "Siehe, Herr, ich bin bereit! Sende mich!" (Jes 6, 8). Sie werden ein faszinierendes Leben vor sich haben und eine wirkliche Genugtuung dabei verspüren, den Brüdern und Schwestern die Frohe Botschaft zu verkünden und sie auf den Weg des Heiles zu führen.

"Geben ist seliger als nehmen" (Apg 20, 35)

81 Die materiellen und wirtschaftlichen Bedürfnisse der Missionare sind zahlreich: es handelt sich nicht nur um die Ausstattung der Kirche mit den notwendigsten Strukturen (Kapellen, Schulen für Katecheten und Seminaristen, Wohnungen), sondern auch um den Unterhalt der Werke der Caritas, der Erziehung und der Entfaltung der Menschen, also um ein Aktionsfeld, das besonders in den armen Ländern unendlich groß ist. Die Missionskirche gibt das, was sie empfängt, sie verteilt an die Armen, was ihre mit materiellen Gütern besser ausgestatteten Kinder ihr großzügig zur Verfügung stellen. Ich möchte bei dieser Gelegenheit all jenen danken, die dem Missionswerk unter Opfern Spenden zukommen lassen: ihr Verzicht und ihre Anteilnahme sind unentbehrlich beim Aufbau der Kirche und für das Zeugnis der Liebe.

Bei der materiellen Unterstützung ist es wichtig, auf den Geist zu achten, mit dem man gibt. Dazu ist eine Überprüfung des eigenen Lebensstiles vonnöten. Die Missionen erwarten nicht einfach eine Hilfe, sondern das Teilen bei der Verkündigung und in der Liebe zu den Armen. Alles, was wir von Gott empfangen haben - das Leben wie die materiellen Güter - ist nicht als unser Eigentum, sondern ist uns zur Nutzung gegeben. Die Großzügigkeit des Gebens wird immer aus dem Glauben heraus zu erhellen und zu inspirieren sein. Nur dann ist geben seliger als nehmen.

Der Weltmissionssonntag, der zur Sensibilisierung des Anliegens der Mission, aber auch für die Sammlung von Hilfsmitteln eingerichtet wurde, ist ein wichtiges Datum im Leben der Kirche; denn er zeigt, wie man schenken soll: In der Feier der Eucharistie, d.h. als Gabe für Gott, und für alle Missionen der Welt.

Neue Formen missionarischer Zusammenarbeit

82 Die Zusammenarbeit wird heute um neue Formen erweitert, die nicht nur die wirtschaftliche Unterstützung, sondern auch die direkte Teilnahme einschließen. Neue Situationen in Verbindung mit der Tatsache der großen Mobilität erfordern von den Christen einen echten Missionsgeist.

Der internationale Tourismus ist inzwischen ein Massenphänomen. Er ist ein positives Faktum gegenseitiger kultureller Bereicherung, wenn er mit Rücksichtnahme praktiziert wird. Man vermeide Prahlerei und Verschwendung und suche menschlichen Kontakt. Von den Christen wird vor allem das Bewusstsein gefordert, immer Zeugen des Glaubens und der Liebe Christi zu sein. Auch die unmittelbare Kenntnis des Missionslebens und neuer christlicher Gemeinden kann die Erfahrung bereichern und den Glauben stärken. Besuche in den Missionen, vor allem durch Jugendliche, die für einen Dienst dorthin gehen und um eine tiefe Erfahrung christlichen Lebens zu machen, sind lobenswert.

Berufliche Gründe bringen heute zahlreiche Christen junger Gemeinden in Gebiete, wo das Christentum unbekannt und manchmal verbannt und verfolgt ist. Dasselbe erleben Gläubige aus Ländern mit alter christlicher Tradition, die zeitweilig in nichtchristlichen Ländern arbeiten. Diese Umstände bieten gewiss eine Gelegenheit, den Glauben zu leben und zu bezeugen. In den ersten Jahrhunderten hat sich das Christentum vor allem deshalb ausgebreitet, weil die Christen auf ihren Reisen oder in ihren Niederlassungen in anderen Regionen, wo Christus noch nicht verkündigt worden war, ihren Glauben mutig bezeugten und dort die ersten Gemeinden gründeten.

Immer zahlreicher sind die Bürger aus Missionsländern und die Angehörigen nichtchristlicher Religionen, die sich aus Gründen des Studiums und der Arbeit, oder durch schwierige politische oder wirtschaftliche Verhältnisse in deren Herkunftsorten gezwungen, in anderen Nationen niederlassen. Die Anwesenheit dieser Bürger in den Ländern der alten Christenheit ist für die kirchlichen Gemeinden eine Herausforderung und drängt sie zu deren Aufnahme, zum Dialog, zum Dienst, zum Zusammenleben, zum Zeugnis und zur direkten Verkündigung. Tatsächlich bilden sich auch in den christlichen Ländern humanitäre und kulturelle Gruppen, die zu einer Mission ad gentes aufrufen. Die Ortskirchen sollten sich auch mit Hilfe von Leuten, die aus den Ländern der Immigranten kommen, und mit zurückgekehrten Missionaren mit Großmut und Offenheit um diese Situationen kümmern.

Die Zusammenarbeit kann ebenso das Engagement der Verantwortlichen aus Politik, Wirtschaft, Kultur und Presse umfassen, darüber hinaus Experten der verschiedenen internationalen Organisationen. Es wird in der modernen Welt immer schwieriger, geographische oder kulturelle Grenzen abzustecken: es gibt eine wachsende gegenseitige Abhängigkeit zwischen den Völkern, und das fordert zum christlichen Zeugnis und zur Evangelisierung heraus.

Anregungen und Hinführung des Volkes Gottes zur Mission

83 Die Hinführung zur Mission ist eine Aufgabe der Ortskirche unter Mithilfe der Missionare und ihrer Institute, aber ebenso von Leuten der jungen Kirchen. Diese Arbeit darf nicht nebenbei, sondern muss ganz zentral das christliche Leben bestimmen. Der Missionsgedanke kann für die Neuevangelisierung der christlichen Völker selbst eine große Hilfe sein. Das Zeugnis der Missionare bewahrt seine Anziehungskraft auch bei den Fernstehenden und den Nichtgläubigen und vermittelt christliche Werte. Die Ortskirchen sollen daher die Hinführung zur Mission als wesentliches Element ihrer Pastoral in den Pfarreien, in Vereinigungen und Gruppen, besonders in Jugendgruppen einbeziehen.

Diesem Zweck dienen besonders Informationen durch Missionszeitschriften und verschiedene audiovisuelle Mittel. Ihre Rolle ist insofern von großer Bedeutung, als sie vom Leben der Weltkirche, von den Stimmen und Erfahrungen der Missionare und der Ortskirchen, in denen diese arbeiten, Kenntnis vermitteln. Die Missionsinstitute sollten in den jüngeren Kirchen, die noch nicht in der Lage sind, sich mit einer Presse und anderen Mitteln auszurüsten, Personal und Ausrüstung für diese Initiativen bereitstellen.

Zu entsprechender Bildungsarbeit aufgerufen sind Priester und ihre Mitarbeiter, Erzieher und Lehrer, Theologen, besonders aber die Professoren von Seminarien und Zentren für Laienerziehung. Theologischer Unterricht kann und darf von der Weltmission der Kirche, von der Ökumene, vom Studium der großen Religionen und der Missiologie nicht absehen. Ich empfehle, dass vor allem in Seminaren und Bildungshäusern für Ordensmänner und -frauen ein solches Studium durchgeführt wird und dass Studenten und Studentinnen sich auf den verschiedenen Gebieten der Missiologie spezialisieren.

Die Arbeit der Hinführung soll immer an ihren spezifischen Zielen orientiert werden. Das bedeutet: das Volk Gottes über die allgemeine Mission der Kirche informieren und bilden, Missionsberufe pflegen, auf die Zusammenarbeit bei der Evangelisierung hinwirken. Denn man darf keineswegs ein verengtes Bild der Missionsarbeit zeichnen, als ob diese hauptsächlich eine Unterstützung der Armen, ein Beitrag zur Befreiung der Bedrängten, die Förderung des Fortschritts, die Verteidigung der Menschenrechte wäre. Die Missionskirche ist auch an diesen Fronten engagiert; aber ihre primäre Aufgabe ist eine andere: die Armen haben Hunger nach Gott und nicht bloß nach Brot und Freiheit, und die Missionstätigkeit muss zuerst das Heil in Christus bezeugen und verkünden, indem sie Ortskirchen gründet, die dann ihrerseits Instrumente der Befreiung in jeder Hinsicht sind.

Die besondere Verantwortung der Päpstlichen Missionswerke

84 Bei diesem Werk der Hinführung haben die Päpstlichen Missionswerke eine besondere Aufgabe, wie ich in den Botschaften zum Weltmissionssonntag schon öfters betont habe. Die vier Werke - der Glaubensverbreitung, des Hl. Apostels Petrus, das Kindermissionswerk und der Missions-Bund - haben als gemeinsame Aufgabe, den Geist der Weltmission im Volk Gottes zu fördern. Der Missions-Bund hat als unmittelbares und spezielles Ziel die Sensibilisierung und Missions-Ausbildung von Priestern, Ordensmännern und -frauen, die sich ihrerseits der Ausbildung in den christlichen Gemeinden widmen. Darüber hinaus hat er den Zweck, die anderen Werke zu unterstützen, deren Mitte er ist.<ref> Vgl. Paul VI.. Apostolisches Schreiben Graves et increscentes (5. September 1966): AAS 58 (1966), 750-756. </ref> "Das Leitwort muss dabei sein: Alle Kirchen für die Bekehrung der ganzen Welt".<ref> P. Manna, Le nostre "Chiese" e la propagazizone del Vangelo, Trentola Ducenta 1952 S. 35. </ref>

Als Werke des Papstes und des Bischofskollegiums nehmen sie auch im Bereich der Ortskirchen "zurecht den ersten Platz ein; denn sie sind Mittel, um sowohl den Katholiken von klein auf einen die Welt umfassenden, missionarischen Geist einzugießen, als auch um eine angemessene Sammlung von Hilfen zugunsten aller Missionen zu erwirken, entsprechend dem Bedürfnis einer jeden".<ref> Zweites Vatikanisches Konzil, Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche Ad gentes, Nr. 38. </ref> Ein weiteres Ziel der Missionswerke ist die Weckung von Missionsberufen auf Lebenszeit, sowohl in den alten als auch in den jungen Kirchen. Ich empfehle wärmstens, dass sie ihren Dienst der Animation immer mehr auf dieses Ziel hin ausrichten.

In der Ausübung ihrer Tätigkeit hängen die Missionswerke auf Weltebene von der Kongregation für die Evangelisierung ab, auf Ortsebene von den Bischofskonferenzen und von den Bischöfen der einzelnen Kirchen, in Zusammenarbeit mit schon bestehenden Förderungsstrukturen. Sie mögen den Geist der Universalität und des Dienstes für die Mission in die katholische Welt tragen, ohne den es keine echte Zusammenarbeit gibt.

Der Mission nicht nur geben, sondern auch von ihr empfangen

85 An der Mission mitwirken, heißt fähig zu sein, nicht nur zu geben, sondern auch zu empfangen. Alle Teilkirchen, junge wie alte, sind aufgerufen, für die Weltmission zu geben und zu empfangen, und keine darf sich in sich selbst verschließen. Doch "kraft der Katholizität - sagt das Konzil - bringen die einzelnen Teile ihre eigenen Gaben den übrigen Teilen und der ganzen Kirche hinzu, so dass das Ganze und die einzelnen Teile zunehmen aus allen, die Gemeinschaft miteinander halten und zur Fülle in Einheit zusammenwirken... Daher bestehen schließlich zwischen den verschiedenen Teilen der Kirche die Bande einer innigen Gemeinschaft der geistigen Güter, der apostolischen Arbeiter und der zeitlichen Hilfsmittel".<ref> Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, Nr. 13. </ref>

Ich fordere alle Kirchen und die Bischöfe, Priester, Ordensleute und Gläubigen dazu auf, sich der Universalität der Kirche zu öffnen, indem sie jede Form von Partikularismus, Exklusivität oder Selbstgenügsamkeitsgefühl vermeiden. Auch wenn die Ortskirchen in ihrem Volk und ihrer Kultur verwurzelt sind, müssen sie dennoch konkret an dieser universalistischen Bedeutung des Glaubens festhalten, und zwar dadurch, dass sie geistliche Gaben, pastorale Erfahrungen mit Erstverkündigung und Evangelisierung, apostolisches Personal und materielle Hilfsmittel an die anderen Kirchen weitergeben bzw. von diesen empfangen.

Die Neigung, sich zu verschließen, kann in der Tat stark sein: Die alten Kirchen, die sich um die Neuevangelisierung bemühen, sind der Meinung, nunmehr Mission daheim betreiben zu sollen, und laufen Gefahr, dadurch, dass sie den Missionsinstituten, den Ordenskongregationen und den anderen Kirchen nur widerwillig die Berufe zugestehen, den Elan im Hinblick auf die nichtchristliche Welt zu bremsen. Aber wenn wir freigebig von dem Unseren geben, werden wir empfangen, und schon heute sind die jungen Kirchen, von denen viele eine wunderbare Blüte an Berufungen erleben, in der Lage, Priester, Ordensmänner und Ordensfrauen in die alten Kirchen zu entsenden.

Andererseits fühlen sie das Problem der eigenen Identität, der Inkulturation, der Freiheit eines Wachsens ohne Einflüsse von außen, was die Konsequenz nach sich ziehen kann, den Missionaren die Türen zu verschließen. Diesen Kirchen sage ich: Weit davon entfernt, euch zu isolieren, nehmt die Missionare und Hilfsmittel von den anderen Kirchen an und entsendet sie eurerseits in die Welt. Gerade wegen der Probleme, die euch bedrängen, müsst ihr in ständiger Verbindung mit euren Brüdern und Schwestern im Glauben stehen. Macht mit jedem legitimen Mittel die Freiheit geltend, auf die ihr ein Recht habt, und bedenkt, dass die Jünger Christi "Gott mehr gehorchen" müssen "als den Menschen" (Apg 5, 29).

Gott bereitet dem Evangelium einen neuen Frühling

86 Wenn man die heutige Welt oberflächlich betrachtet, ist man nicht wenig betroffen von den negativen Tatsachen, die zum Pessimismus führen können. Aber dieses Gefühl ist nicht gerechtfertigt: wir glauben an Gott, den Vater und Herrn, an seine Güte und Barmherzigkeit. Unmittelbar vor Anbruch des dritten Jahrtausends der Erlösung ist Gott dabei, einen großen christlichen Frühling zu bereiten, dessen Morgenröte man schon ahnend erkennen kann. Tatsächlich gibt es sowohl in der nichtchristlichen Welt als auch in der alten Christenheit eine fortschreitende Annäherung der Völker an die Ideale und Werte des Evangeliums, die zu fördern sich die Kirche bemüht. In der Tat zeigt sich heute seitens der Völker ein neues Zusammengehen hinsichtlich dieser Werte: die Absage an Gewalt und Krieg; die Achtung der menschlichen Person und ihrer Rechte; der Wunsch nach Freiheit, Gerechtigkeit und Brüderlichkeit; die Überwindung von Rassismen und Nationalismen; die Bejahung der Würde und Aufwertung der Frau.

Die christliche Hoffnung bestärkt uns darin, uns mit allen Kräften für die Neuevangelisierung und für die Weltmission einzusetzen, indem sie uns beten lässt, wie Jesus uns gelehrt hat: "Dein Reich komme, dein Wille geschehe wie im Himmel, so auf der Erde" (Mt 6, 10).

Die Zahl der Menschen, die auf Christus warten, ist noch immer unendlich groß: Die menschlichen und kulturellen Räume, die von der Verkündigung des Evangeliums noch gar nicht erreicht worden sind oder wo die Kirche nur schwach präsent ist, sind so ausgedehnt, dass sie die Einheit aller ihrer Kräfte erfordern. Mit der Vorbereitung auf die Feier des Jubeljahres Zweitausend engagiert sich die ganze Kirche noch mehr für einen neuen missionarischen Advent. Wir müssen in uns den apostolischen Eifer nähren, das Licht und die Freude des Glaubens an andere weiterzugeben, und zu diesem Ideal müssen wir jeden von uns und das ganze Volk Gottes erziehen.

Wir können nicht ruhig vor uns hinleben, wenn wir an die Millionen von Brüdern und Schwestern denken, die, wenn auch durch das Blut Christi erlöst, doch leben, ohne von der Liebe Gottes zu wissen. Sowohl für den einzelnen Gläubigen wie für die ganze Kirche muss das missionarische Anliegen das erste sein, weil es die ewige Bestimmung der Menschen betrifft und auf den geheimnisvollen und barmherzigen Plan Gottes antwortet.

KAPITEL VIII: DIE MISSIONARISCHE SPIRITUALITÄT

87 Die missionarische Aktivität erfordert eine besondere Spiritualität, die jeden Jünger Christi, insbesondere aber alle jene angeht, die Gott zu Missionaren berufen hat.

Sich vom Geist leiten lassen

Diese Spiritualität kommt vor allem in einem Leben in voller Fügsamkeit gegenüber dem Geist zum Ausdruck; sie verpflichtet dazu, sich innerlich von ihm formen zu lassen, um Christus immer ähnlicher zu werden. Man kann nicht Zeugnis geben von Christus, ohne sein Bild widerzuspiegeln, das in uns lebendig wird durch die Gnade und das Wirken des Geistes. Die Fügsamkeit gegenüber dem Geist verpflichtet sodann dazu, die Gaben der Festigkeit und der Unterscheidung anzunehmen, die wesentliche Züge eben dieser Spiritualität sind.

Sinnbildhaft ist der Fall der Apostel, die trotz ihrer Liebe zum Meister und obwohl sie seinem Ruf großzügig Folge leisteten, sich während seines öffentlichen Auftretens als unfähig erwiesen, seine Worte zu begreifen, und ihm nur widerstrebend auf dem Weg des Leidens und der Demütigung folgten. Der Geist wird sie in mutige Zeugen Christi und erleuchtete Verkünder seines Wortes verwandeln: der Geist wird sie über die beschwerlichen und neuen Wege der Mission geleiten.

Auch heute ist die Mission schwierig und komplex wie in der Vergangenheit und erfordert den Mut und das Licht des Geistes: Wir erleben oft das Drama der christlichen Urgemeinde, die sah, wie ungläubige und feindliche Kräfte "sich verbündeten gegen den Herrn und seinen Gesalbten" (Apg 4, 26). Wie damals, so gilt es auch heute darum zu beten, dass Gott uns die Offenheit schenke, das Evangelium zu verkünden, und es gilt, die geheimnisvollen Wege des Geistes zu erforschen und sich von ihm in die ganze Wahrheit führen zu lassen (vgl. Joh 16, 13).

Das Geheimnis Christi, des "Gesandten", leben

88 Ein wesentliches Merkmal der missionarischen Spiritualität ist die innige Gemeinschaft mit Christus: Die Mission kann nur dann verstanden und gelebt werden, wenn wir uns auf Christus als den berufen, der gesandt worden ist, das Evangelium zu verkünden. Paulus beschreibt diese Haltungen: "Seid untereinander so gesinnt, wie es dem Leben in Christus Jesus entspricht: Er war Gott gleich, hielt aber nicht daran fest, wie Gott zu sein, sondern er entäußerte sich und wurde wie ein Sklave und den Menschen gleich. Sein Leben war das eines Menschen; er erniedrigte sich und war gehorsam bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz" (Phil 2, 5-8).

Hier wird das Geheimnis der Menschwerdung und der Erlösung als totale Selbstentäußerung beschrieben, die Christus dazu führt, den Zustand des Menschseins ganz zu leben und dem Plan des Vaters bis zum Äußersten nachzukommen. Es handelt sich um eine tiefe Entsagung, ja Selbstentleerung, die jedoch von Liebe durchdrungen und Ausdruck der Liebe ist. Die Mission durchläuft denselben Weg und hat ihren Zielpunkt am Fuße des Kreuzes.

Vom Missionar wird verlangt, "sich selbst und allem, was er bislang als sein angesehen hat, zu entsagen, um allen alles zu werden":<ref> Zweites Vatikanisches Konzil, Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche Ad gentes, Nr. 24. </ref> in der Armut, die ihn frei macht für das Evangelium, im Abstand zu Personen und Gütern seiner Umgebung, um zum Bruder derer zu werden, zu denen er gesandt ist, um ihnen Christus, den Erlöser, zu bringen. Das ist das Ziel, auf welches die Spiritualität der Missionare hinausläuft: "Den Schwachen wurde ich ein Schwacher... Allen bin ich alles geworden, um auf jeden Fall einige zu retten. Alles aber tue ich um des Evangeliums willen" (1 Kor 9, 22-23).

Gerade weil er "gesandt" ist, erfährt der Missionar die stärkende Gegenwart Christi, der ihn in jedem Augenblick seines Lebens begleitet: "Fürchte dich nicht!.... denn ich bin bei dir" (Apg 18, 9-10), und ihn im Herzen jedes Menschen und jedes Volkes erwartet.

Die Kirche und die Menschen lieben, wie Jesus sie geliebt hat

89 Die missionarische Spiritualität ist auch gekennzeichnet von der apostolischen Liebe, der Liebe Christi, der gekommen ist, "um die versprengten Kinder Gottes wieder zu sammeln" (Joh 11, 52), des Guten Hirten, der seine Schafe kennt, der nach ihnen sucht und sein Leben für sie hingibt (vgl. Joh 10). Wer missionarischen Geist besitzt, spürt die glühende Liebe Christi für die Seelen und liebt die Kirche, wie Christus sie geliebt hat.

Der Missionar wird angetrieben vom "Eifer für die Seelen", der sich seinerseits an der Liebe Christi inspiriert, die in Aufmerksamkeit, Zärtlichkeit, Mitleid, Annahme, Verfügbarkeit und Interesse für die Probleme der Menschen besteht. Die Liebe Christi geht tief: Er, der "wusste, was im Menschen ist" (Joh 2, 25 ), liebte alle, indem er ihnen die Erlösung anbot, und litt, wenn dieses Heil von ihnen verworfen wurde.

Der Missionar ist der Mensch der Liebe: um jedem Bruder zu verkünden, dass er von Gott geliebt wird und selbst lieben kann, muss er seine Liebe zu allen dadurch bezeugen, dass er sein Leben für den Nächsten hingibt.

Der Missionar ist der "Weltbruder", er trägt in sich den Geist der Kirche, seine Offenheit und sein Interesse für alle Völker und alle Menschen, besonders für die geringsten und ärmsten. Als solcher überwindet er die Grenzen und Trennungen von Rasse, Kaste, Ideologie: er ist ein Zeichen der Liebe Gottes in der Welt, einer Liebe, die weder irgendjemanden ausschließt noch bevorzugt.

Schließlich muss er wie Christus die Kirche lieben: "Christus hat die Kirche geliebt und sich für sie hingegeben" (Eph 5, 25). Diese Liebe bis zur Hingabe des Lebens ist für ihn ein Anhaltspunkt. Nur eine tiefe Liebe zur Kirche vermag den Eifer des Missionars stärken: Sein täglicher Antrieb ist - wie der hl. Paulus sagt - "die Sorge für alle Gemeinden" (2 Kor 11, 28). Für jeden gilt: "Die Treue zu Christus kann nicht von der Treue zu seiner Kirche getrennt werden".<ref> Zweites Vatikanisches Konzil, Dekret über Dienst und Leben der Priester Presbyterorum ordinis, Nr. 14. </ref>

Der wahre Missionar ist der Heilige

90 Die Berufung zur Mission stammt an sich aus der Berufung zur Heiligkeit. Jeder Missionar ist nur dann ein echter Missionar, wenn er sich auf den Weg der Heiligkeit einlässt: "Die Heiligkeit ist fundamentale Bedingung und unverzichtbare Voraussetzung für die Erfüllung der Heilssendung der Kirche".<ref> Nachsynodales Apostolisches Schreiben Christifideles laici , Nr. 17: a.a.O.., 419. </ref>

Die universale Berufung zur Heiligkeit ist eng mit der universalen Berufung zur Mission verbunden: jeder Gläubige ist zur Heiligkeit und zur Mission berufen. Dies war auch der dringende Wunsch des Konzils: "Möge das Licht Christi ... durch seine Herrlichkeit, die auf dem Antlitz der Kirche wiederscheint, alle Menschen erleuchten, indem sie das Evangelium allen Geschöpfen verkündet".<ref> Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, Nr. 1. </ref> Die missionarische Spiritualität der Kirche ist ein Weg zur Heiligkeit.

Der erneuerte Drang zur Mission unter den Völkern erfordert heiligmäßige Missionare. Es genügt weder die pastoralen Methoden zu erneuern noch die kirchlichen Kräfte besser zu organisieren bzw. zu koordinieren oder etwa die biblischen und theologischen Glaubensgrundlagen mit größerer Klugheit zu erforschen: es gilt, ein neues "glühendes Verlangen nach Heiligkeit" unter den Missionaren und in der ganzen christlichen Gemeinschaft zu wecken, besonders unter den engsten Mitarbeitern der Missionare.<ref> Vgl. Ansprache an die Vollversammlung des Lateinamerikanischen Bischofsrates (CELAM) in Port-au-Prince, 9. März 1983: AAS 75 (1983), 771-779, dtsch: DAS, 1983, S. 378-386. Predigt zur Eröffnung der vom CELAM vorgesehenen neunjährigen Vorbereitungszeit auf das 500-JahrJubiläum der Evangelisierung Lateinamerikas in Santo Domingo, 12. Oktober 1984: Insegnamenti VII/2 (1984), 885-897; dtsch. in: DAS, 1984, S. 821-831. </ref>

Denken wir, liebe Brüder und Schwestern, an den missionarischen Schwung der ersten Christengemeinden. Trotz der Armseligkeit der damaligen Transport- und Kommunikationsmittel erreichte die Verkündigung des Evangeliums in kurzer Zeit die Grenzen der Welt. Und dabei handelte es sich um die Religion eines am Kreuz gestorbenen Menschen, "für Juden ein empörendes Ärgernis, für Heiden eine Torheit" (1 Kor 1, 23)! Zugrunde liegt diesem missionarischen Dynamismus die Heiligkeit der ersten Christen und der ersten Gemeinden.

91 Ich wende mich deshalb an die Getauften der jungen Gemeinden und der jungen Kirchen. Ihr seid heute die Hoffnung dieser unserer zweitausend Jahre alten Kirche: da ihr jung im Glauben seid, müsst ihr wie die ersten Christen sein und Enthusiasmus und Mut ausstrahlen in selbstloser Hingabe an Gott und an die Brüder: mit einem Wort, ihr sollt euch auf den Weg der Heiligkeit einlassen. Nur so könnt ihr Zeichen Gottes in der Welt sein und in euren Ländern die missionarischen Großtaten der Urkirche neu beleben. Und ihr werdet auch Sauerteig für die älteren Kirchen sein.

Die Missionare sollen ihrerseits über die Pflicht zur Heiligkeit nachdenken, die die Gabe der Berufung von ihnen fordert, indem sie sich täglich im Geist erneuern und auch ihre doktrinelle und pastorale Ausbildung auf den neuesten Stand bringen. Der Missionar muss ein "in Beschaulichkeit Tätiger" sein. Antwort auf die Probleme findet er im Licht des Wortes Gottes und im persönlichen und gemeinschaftlichen Gebet. Der Kontakt mit Vertretern der wichtigsten nichtchristlichen Traditionen, insbesondere mit jenen Asiens, hat mich darin bestärkt, dass die Zukunft der Mission großenteils von der Kontemplation abhängt. Wenn der Missionar nicht kontemplativ ist, kann er Christus nicht glaubwürdig verkünden. Er ist ein Zeuge der Gotteserfahrung und muss wie die Apostel sagen können: "Was wir gesehen und gehört haben, das verkünden wir auch euch: das Wort des Lebens" (1 Joh 1, 1-3).

Der Missionar ist der Mensch der Seligpreisungen. Jesus unterweist die Zwölf, ehe er sie aussendet, das Evangelium zu verkünden, indem er ihnen die Wege der Mission aufzeigt: Armut, Sanftmut, Annahme von Leiden und Verfolgung, Verlangen nach Gerechtigkeit und Frieden, Liebe, also die im apostolischen Leben verwirklichten Seligpreisungen (vgl. Mt 5, 1-12). Indem er die Seligpreisungen lebt, erfährt der Missionar und beweist mit seinem Leben, dass das Reich Gottes schon gekommen ist und dass er es schon angenommen hat. Das Wesensmerkmal jedes echten missionarischen Lebens ist die innere Freude, die aus dem Glauben kommt. In einer von so vielen Problemen verängstigten und bedrängten Welt, die zum Pessimismus neigt, muss der Verkünder der "Frohbotschaft" ein Mensch sein, der in Christus die wahre Hoffnung gefunden hat.

SCHLUSS

92 Noch nie hatte die Kirche so wie heute die Möglichkeit, das Evangelium durch das Zeugnis und das Wort allen Menschen und allen Völkern zukommen zu lassen. Ich sehe ein neues Missionszeitalter heraufdämmern, das zu einem hellen Tag, reich an Früchten, werden wird, wenn alle Christen, besonders die Missionare und die jungen Kirchen, mit Hochherzigkeit und Heiligkeit auf die Appelle und Herausforderungen unserer Zeit antworten.

Wie die Apostel nach der Himmelfahrt Christi, so muss sich die Kirche im Abendmahlssaal versammeln "mit Maria, der Mutter Jesu" (Apg 1, 14), um den Geist zu erflehen und Kraft und Mut für die Erfüllung des Missionsauftrages zu erhalten. Auch wir, mehr noch als die Apostel, müssen vom Geist verwandelt und geführt werden.

An der Schwelle des dritten Jahrtausends ist die ganze Kirche eingeladen, das Geheimnis Christi dadurch tiefer zu leben, dass sie voll Dankbarkeit am Heilswerk mitarbeitet. Das tut sie mit Maria und wie Maria, ihrer Mutter und ihrem Vorbild. Und sie, Maria, ist das Vorbild jener mütterlichen Liebe, von der alle beseelt sein müssen, die in der apostolischen Sendung der Kirche zur Wiedergeburt der Menschen mitwirken. Daher schreitet die Kirche, durch die Gegenwart Christi bestärkt, in der Zeit voran auf die Vollendung der Geschichte zu und geht ihrem Herrn entgegen, der kommt. Aber auf dieser Pilgerschaft geht sie denselben Weg, den auch die Jungfrau Maria zurückgelegt hat.<ref> Enzyklika Redemptoris mater (25. März 1987), Nr. 2: AAS 79 (1987), 362f. </ref>

Der "Mittlerschaft Marias, die ganz auf Christus bezogen und auf die Offenbarung seiner Heilsmacht ausgerichtet ist",<ref> Ebd, Nr. 22: a.a.O., 390. </ref> vertraue ich die Kirche und besonders diejenigen an, die sich für die Verwirklichung des Missionsauftrags in der heutigen Welt einsetzen. Wie Christus seine Apostel im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes ausgesandt hat, so sende ich mit der Erneuerung dieses Auftrags euch allen den Apostolischen Segen im Namen eben dieser Heiligsten Dreifaltigkeit. Amen.

Gegeben zu Rom, bei Sankt Peter, am 7. Dezember,

dem 25. Jahrestag der Verkündigung des Konzilsdekretes Ad gentes, des Jahres 1990,
dem 13. Jahr meines Pontifikates.

Johannes Paul II. PP.

Anmerkungen

<references />