Martin Luther: Unterschied zwischen den Versionen
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− | Die Entfremdung von der katholischen Lehre (die anfänglich freilich eher eine Entfremdung vom Katholzismus seiner Zeit war) soll auf das - von Luther ein Jahr vor seinem Tod (1545), im Vorwort zur lateinischen Ausgabe seiner gesammelten Schriften, selbst geschilderte - "Turmerlebnis" zurückgehen, das sich jedoch nicht genau datieren lässt und wohl zwischen 1512 und 1517 stattgefunden hat. Im Südturm des Wittenberger Augustinerklosters hatte Luther über die Rechtfertigung vor Gott meditiert und hierzu den Römerbrief (Röm 1,17) hinzugezogen. Luther kam zu einer Neuinterpretation der paulinischen Rechtfertigungslehre, die mit der kirchliche Lehre | + | Die Entfremdung von der katholischen Lehre (die anfänglich freilich eher eine Entfremdung vom Katholzismus seiner Zeit war) soll auf das - von Luther ein Jahr vor seinem Tod (1545), im Vorwort zur lateinischen Ausgabe seiner gesammelten Schriften, selbst geschilderte - "Turmerlebnis" zurückgehen, das sich jedoch nicht genau datieren lässt und wohl zwischen 1512 und 1517 stattgefunden hat. Im Südturm des Wittenberger Augustinerklosters hatte Luther über die Rechtfertigung vor Gott meditiert und hierzu den Römerbrief (Röm 1,17) hinzugezogen. Luther kam zu einer Neuinterpretation der paulinischen Rechtfertigungslehre, die mit der kirchliche Lehre in Spannung geriet. |
− | In seiner Vorlesung über den Hebräerbrief folgerte Luther gemäß seiner Lehre, dass nicht das [[Sakramente|Sakrament]] als Sakrament rechtfertige ("ex opere operato"), sondern der Glaube, im Sakrament Christus zu empfangen. Dies stellte einen | + | In seiner Vorlesung über den Hebräerbrief folgerte Luther gemäß seiner Lehre, dass nicht das [[Sakramente|Sakrament]] als Sakrament rechtfertige ("ex opere operato"), sondern der Glaube, im Sakrament Christus zu empfangen. Dies stellte einen fundamentalen Angriff auf die damalige kirchliche Sakramentenlehre dar. Heute urteilen sowohl katholische wie protestantische Theologen an dieser Stelle vorsichtiger. Man kann vermutlich sagen, daß weniger die Sakramentenlehre als vielmehr die Ablehnung von fünf der sieben Sakramente, die Luther ungenügend biblisch begründet bzw. nicht nachweisbar von Christus selber eingesetzt ansah, den Bruch mit der Kirche unumkehrbar machte. |
Die Lehren Luthers werden von vielen prägnant durch die vier sola-Prinzipien - auch "particula exclusiva" genannt - zusammengefaßt: | Die Lehren Luthers werden von vielen prägnant durch die vier sola-Prinzipien - auch "particula exclusiva" genannt - zusammengefaßt: | ||
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== Der Ablassstreit == | == Der Ablassstreit == | ||
− | 1514 wurde Albrecht von Brandenburg (1490 - 1545), bislang Erzbischof von Magdeburg und Administrator von Halberstadt, auch noch Erzbischof von Mainz. Für eine derartige Ämterhäufung hatte der Fürst dem Papst große Gebühren zu entrichten. Diese ließ Albrecht vor allem durch den berühmten Dominikanermönch und Ablassprediger [[Johann Tetzel]] eintreiben. Hieran nahm Luther schon früh Anstoß, insbesondere weil Tetzel für die Austellung eines [[Ablass]]briefes nicht den Stand der Gnade forderte. Am 31. Oktober 1517 schlug Luther ein Papier mit 95 Thesen an die Tür der Wittenberger Schloßkirche, in denen er gegen die Praxis des Ablasshandels und die fehlende Bußgesinnung, keineswegs aber gegen den Ablass als solchen protestierte. Die Historizität dieses Thesenanschlages wird jedoch heute von vielen bezweifelt. Es spricht vieles dafür, daß der Thesen"anschlag" so nicht stattgefunden hat. Gleichwohl hat er den "Gründungsmythos" der [[Reformation]] bewirkt. Unstrittig ist lediglich, daß es die 95 Thesen gab und sie auf Luther zurückgehen. Die | + | 1514 wurde Albrecht von Brandenburg (1490 - 1545), bislang Erzbischof von Magdeburg und Administrator von Halberstadt, auch noch Erzbischof von Mainz. Für eine derartige Ämterhäufung hatte der Fürst dem Papst große Gebühren zu entrichten. Diese ließ Albrecht vor allem durch den berühmten Dominikanermönch und Ablassprediger [[Johann Tetzel]] eintreiben. Hieran nahm Luther schon früh Anstoß, insbesondere weil Tetzel für die Austellung eines [[Ablass]]briefes nicht den Stand der Gnade forderte. Am 31. Oktober 1517 schlug Luther ein Papier mit 95 Thesen an die Tür der Wittenberger Schloßkirche, in denen er gegen die Praxis des Ablasshandels und die fehlende Bußgesinnung, keineswegs aber gegen den Ablass als solchen protestierte. Die Historizität dieses Thesenanschlages wird jedoch heute von vielen bezweifelt. Es spricht vieles dafür, daß der Thesen"anschlag" so nicht stattgefunden hat. Gleichwohl hat er den "Gründungsmythos" der [[Reformation]] bewirkt. Unstrittig ist lediglich, daß es die 95 Thesen gab und sie auf Luther zurückgehen. Die berühmte erste These lautet: "Wenn unser Herr und Heiland Jesus Christus spricht: 'Tut Buße!', dann will er, daß unser ganzes Leben eine Buße sei." Damals war das eine kritische Spitze gegen die allzu vordergründig-rationalistische Ablasstheologie Tetzels (der gleichwohl, einem lange gezeichneten Zerrbild zum Trotz, ein zu seiner Zeit zu Recht berühmter, als begnadet geltender Prediger war). Heute würde diese These keine Kirchenspaltung mehr begründen können. |
Die Thesen Luthers fanden - auch mit Hilfe des gerade beginnenden Buchdrucks - schnell weite Verbreitung. Die Gewinnung von mehreren Anhängern (Martin Bucer, Philipp Melanchton, Johannes Brenz), die seine Theologie der Rechtfertigung verbreiteten löste die [[Reformation]] aus, die bald zur Kirchenspaltung führte. | Die Thesen Luthers fanden - auch mit Hilfe des gerade beginnenden Buchdrucks - schnell weite Verbreitung. Die Gewinnung von mehreren Anhängern (Martin Bucer, Philipp Melanchton, Johannes Brenz), die seine Theologie der Rechtfertigung verbreiteten löste die [[Reformation]] aus, die bald zur Kirchenspaltung führte. | ||
== Prozeß und Verurteilung == | == Prozeß und Verurteilung == | ||
− | Albrecht von Brandenburg und die Dominikaner zeigten Luther schon 1518 in Rom an. Im Juli wurde er nach Rom zitiert. Noch ehe der dortige Prozess zu Ende geführt werden konnte, wurde Luther vom 12. bis zum 14. Oktober 1518 von [[Thomas Cajetan|Kardinal Cajetan]], einem der besten Theologen der Kurie, der als Apostolischer Legat am Augsburger Reichstag teilgenommen hatte, verhört. Luther weigerte sich, seine Lehren zurückzunehmen, falls er nicht mit Hilfe der Schrift oder aus Vernunftgründen widerlegt werden könne. Kurz darauf floh er aus der Stadt, da er | + | Albrecht von Brandenburg und die Dominikaner zeigten Luther schon 1518 in Rom an. Im Juli wurde er nach Rom zitiert. Noch ehe der dortige Prozess zu Ende geführt werden konnte, wurde Luther vom 12. bis zum 14. Oktober 1518 von [[Thomas Cajetan|Kardinal Cajetan]], einem der besten Theologen der Kurie, der als Apostolischer Legat am Augsburger Reichstag teilgenommen hatte, verhört. Luther weigerte sich, seine Lehren zurückzunehmen, falls er nicht mit Hilfe der Schrift oder aus Vernunftgründen widerlegt werden könne. Kurz darauf floh er aus der Stadt, da er mit seiner Verhaftung rechnen mußte. Luthers Landesherr, der sächsische Kurfürst Friedrich der Weise, der mit den neuen Lehren sympathisierte, verhinderte forthin die Auslieferung Luthers an die Kurie. |
Im Jahr 1519 beauftragte der Papst den päpstlichen [[Nuntius]] Karl von Miltitz mit Luther über eine Verfahrenspause zu verhandeln, in welcher Luther schweigen sollte. Während dieser Verfahrenspause ereignete sich jedoch ein Disput zwischen dem Dominikaner [[Johannes Eck]] und dem der Lutherlehre nahestehenden [[Andreas Karlstadt]]. Luther brach daraufhin sein Schweigen und nahm an der sog. Leipziger Disputation teil. Dort leugnete er die Irrtumslosigkeit der Konzilien und somit die Existenz eines höchsten kirchlichen [[Lehramt]]s. Im Frühjahr 1520 wurde sein Prozess wiederaufgenommen. Die am 15. Juni 1520 erschienene Bulle ''Exsurge Domine'' verurteilte 41 Sätze aus Luthers Schriften als irrig und [[Häresie|häretisch]] und drohte mit dem [[Bann]], falls Luther nicht innerhalb von 60 Tagen widerriefe. | Im Jahr 1519 beauftragte der Papst den päpstlichen [[Nuntius]] Karl von Miltitz mit Luther über eine Verfahrenspause zu verhandeln, in welcher Luther schweigen sollte. Während dieser Verfahrenspause ereignete sich jedoch ein Disput zwischen dem Dominikaner [[Johannes Eck]] und dem der Lutherlehre nahestehenden [[Andreas Karlstadt]]. Luther brach daraufhin sein Schweigen und nahm an der sog. Leipziger Disputation teil. Dort leugnete er die Irrtumslosigkeit der Konzilien und somit die Existenz eines höchsten kirchlichen [[Lehramt]]s. Im Frühjahr 1520 wurde sein Prozess wiederaufgenommen. Die am 15. Juni 1520 erschienene Bulle ''Exsurge Domine'' verurteilte 41 Sätze aus Luthers Schriften als irrig und [[Häresie|häretisch]] und drohte mit dem [[Bann]], falls Luther nicht innerhalb von 60 Tagen widerriefe. | ||
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== Beginn der Reformation == | == Beginn der Reformation == | ||
− | Luther wies die Androhung des Bannes als ungültig zurück und verbrannte öffentlich ein Exemplar der Bulle. Dieser Akt des "öffentlichen Ungehorsams" wird als der eigentliche | + | Luther wies die Androhung des Bannes als ungültig zurück und verbrannte öffentlich ein Exemplar der Bulle. Dieser Akt des "öffentlichen Ungehorsams" wird historisch als der eigentliche Bruch mit der Kirche angesehen. Theologisch gesehen wird der Bruch durch die berühmten drei "Reformatorischen Hauptschriften" im Jahr 1520 markiert: "Von der Freiheit eines Christenmenschen", "Von der babylonischen Gefangenschaft der Kirche" sowie "An den christlichen Adel deutscher Nation von des christlichen Standes Besserung". In diesen Schriften bestritt Luther u.a. die Legitimität des Papsttumes, forderte ein antikuriales Reformprogramm, verwarf fünf der sieben Sakramente und bestritt den Opfercharakter der Messe . Am [[3. Januar]] [[1521]] wurde er durch die Bulle ''Decet Romanum Pontificem'' von [[Leo X.]] [[Exkommunikation|exkommuniziert]]. Im gleichen Monat bekräftigte Luther die verurteilten Thesen. |
− | Luther entwickelte ein Kirchenbild, nach dem die Kirche keine Hierarchie göttlichen Rechtes besitzt, aber Wort und Sakrament als Heilsmittel verwaltet. Die Gemeinschaft der Gläubigen hat geistliche Schlüsselgewalt, nicht aber im Gewissen verpflichtende Leitungsgewalt. Das Kirchenverständnis, das für die reformatorischen Kirchen (mindestens lutherischen Teil davon) bis heute maßgebend werden sollte, gründet sich v.a. auf den berühmten Art. VII "Von der Kirche" der vom "Cheftheologen der Reformation", [[Philipp Melanchthon]] formulierten "[[Confessio Augustana]]", des Augsburger Bekenntnisses von 1530. Dort heißt es: "Es wird auch gelehrt, dass allezeit eine heilige, christliche Kirche sein und bleiben muß, die die Versammung aller Gläubigen ist, bei denen das Evangelium rein gepredigt und die heiligen Sakramente laut dem Evangelium gereicht werden. Denn das genügt zur wahren Einheit der christlichen Kirche, daß das Evangelium einträchtig im reinen Verständnis gepredigt und die Sakramente göttlichem Wort gemäß gereicht werden müssen. Und es ist nicht zur wahren Einheit der Kirche nötig, daß über alldie gleichen, von den Menschen eingesetzten Zeremonien eingehalten werden, wie St. Paulus sagt: 'Ein Leib und ein Geist, ein Herr, ein Glaube, eine Taufe' (Eph 4,4.5)" Was damals viele als befreiende Elementarisierung und Konzentration ansahen, wird heute auch von | + | Luther entwickelte ein Kirchenbild, nach dem die Kirche keine Hierarchie göttlichen Rechtes besitzt, aber Wort und Sakrament als Heilsmittel verwaltet. Die Gemeinschaft der Gläubigen hat geistliche Schlüsselgewalt, nicht aber im Gewissen verpflichtende Leitungsgewalt. Das Kirchenverständnis, das für die reformatorischen Kirchen (mindestens den lutherischen Teil davon) bis heute maßgebend werden sollte, gründet sich v.a. auf den berühmten Art. VII "Von der Kirche" der vom "Cheftheologen der Reformation", [[Philipp Melanchthon]] formulierten "[[Confessio Augustana]]", des Augsburger Bekenntnisses von 1530. Dort heißt es: "Es wird auch gelehrt, dass allezeit eine heilige, christliche Kirche sein und bleiben muß, die die Versammung aller Gläubigen ist, bei denen das Evangelium rein gepredigt und die heiligen Sakramente laut dem Evangelium gereicht werden. Denn das genügt zur wahren Einheit der christlichen Kirche, daß das Evangelium einträchtig im reinen Verständnis gepredigt und die Sakramente göttlichem Wort gemäß gereicht werden müssen. Und es ist nicht zur wahren Einheit der Kirche nötig, daß über alldie gleichen, von den Menschen eingesetzten Zeremonien eingehalten werden, wie St. Paulus sagt: 'Ein Leib und ein Geist, ein Herr, ein Glaube, eine Taufe' (Eph 4,4.5)" Was damals viele als befreiende Elementarisierung und Konzentration ansahen, wird heute auch von lutherischen Theologen zunehmend als ein unzureichender Kirchenbegriff erkannt. |
== Der Reichstag zu Worms == | == Der Reichstag zu Worms == | ||
− | Der neugewählte Kaiser Karl V. zitierte Luther im April 1521 schließlich vor den Wormser Reichstag, wo er abermals gefragt wurde, ob er seinen Lehren abschwöre. Luther erbat sich einen Tag Bedenkzeit, dann verweigerte er am 18. April 1521 endgültig die Rücknahme seiner Lehre und am 24. April auch die Unterordnung unter ein Konzil. Die berühmten Worte, mit denen er seine Weigerung, abzuschwören, beendete: "Hier stehe ich, ich kann nicht anders. Gott helfe mir, Amen" sind ein Musterbeispiel für die Entstehung eines Mythos. Ob Luther sie tatsächlich gesagt hat, gilt als äußerst unsicher. Gleichwohl werden sie bis heute mit Pathos zur Geburtsstunde der "neuzeitlichen Gewissensfreiheit" hochstilisiert. Jedenfalls verhängte dann das [[Wormser Edikt]] vom 26. Mai 1521 die Reichsacht über Luther und ordnete die Verbrennung seiner Schriften an. | + | Der neugewählte Kaiser Karl V. zitierte Luther im April 1521 schließlich vor den Wormser Reichstag, wo er abermals gefragt wurde, ob er seinen Lehren abschwöre. Luther erbat sich einen Tag Bedenkzeit, dann verweigerte er am 18. April 1521 endgültig die Rücknahme seiner Lehre und am 24. April auch die Unterordnung unter ein Konzil. Die berühmten Worte, mit denen er seine Weigerung, abzuschwören, beendete: "Hier stehe ich, ich kann nicht anders. Gott helfe mir, Amen" sind ein Musterbeispiel für die Entstehung eines Mythos. Ob Luther sie tatsächlich gesagt hat, gilt als äußerst unsicher. Gleichwohl werden sie bis heute mit Pathos zur Geburtsstunde der "neuzeitlichen Gewissensfreiheit" hochstilisiert. Jedenfalls verhängte dann das [[Wormser Edikt]] vom 26. Mai 1521 die Reichsacht über Luther und ordnete die Verbrennung seiner Schriften an. Luther war nun "vogelfrei" und an Leib und Leben bedroht. |
== Exil auf der Wartburg == | == Exil auf der Wartburg == | ||
− | Friedrich der Weise | + | Luthers Landesherr Friedrich der Weise kam der drohenden Vollstreckung der Reichsacht zuvor, indem er Luther nach einem Scheinüberfall auf die Wartburg entführen und dort in Sicherheit bringen ließ. Unter dem Decknamen "Junker Jörg" übersetzte Luther dort innert 13 Wochen das [[Neues Testament|Neue Testament]] ins Deutsche (Sprache der sächsisch-böhmischen Staatskanzlei). Die Bibelübersetzung, die - in diesem Fall zu Recht - als Geburtsstunde einer einheitlichen deutschen Sprache gilt, war eine kulturelle Großtat, deren geistesgeschichtliche Bedeutung nicht hoch genug eingeschätzt werden kann. Mithilfe des neu erfundenen Buchdrucks kam die Bibel schnell in Umlauf und wurde ein echtes "Hausbuch". 1534 folgte das [[Altes Testament|Alte Testament]]. Er verfasste aber auch Schriften gegen das Mönchsgelübde, was anschließend eine Anzahl von Klöstern veröden ließ. |
In Wittenberg hatte sich unter Führung Melanchtons und Karlstadts inzwischen eine lutherische Abendmahlsgemeinschaft gebildet, deren radikale Elemente bald Unruhen hervorriefen. Es kam zu "Bilderstürmen". Luther sah sich zum Eingreifen gezwungen und erschien am 6. März 1522 in Wittenberg, wo er durch die sog. "Invokavitpredigten" die öffentliche Ordnung widerherstellen konnte. | In Wittenberg hatte sich unter Führung Melanchtons und Karlstadts inzwischen eine lutherische Abendmahlsgemeinschaft gebildet, deren radikale Elemente bald Unruhen hervorriefen. Es kam zu "Bilderstürmen". Luther sah sich zum Eingreifen gezwungen und erschien am 6. März 1522 in Wittenberg, wo er durch die sog. "Invokavitpredigten" die öffentliche Ordnung widerherstellen konnte. | ||
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== Person == | == Person == | ||
− | War Luther mehr eine Person des ausgehenden Mittelalters oder ein frühes Kind der anbrechenden Neuzeit? Diese Frage ist so alt wie die Forschung über die Reformation. Sie kann hier nicht erörtert werden. Unstreitig ist: Luther war die zentrale Person der Reformation. Sein Charisma und seine Sprachgewalt erzeugten großen Eindruck und Wirkung bei seinen Zeitgenossen. Er war zwar ein originärer, aber kein systematischer theologischer Denker. Eine Gesamtdarstellung der christlichen Glaubensinhalte ([[Dogmatik]])hat er, anders als [[Melanchthon]] und später [[Calvin]], nicht vorgelegt. Er war mehr ein Meister der "kleinen Form". Wie bei allen "Großen" der Geschichte ist seine Person nicht frei von Schattenseiten, liegen Größe und Begrenzungen eng beieinander. Neben bewegenden Zeugnissen tiefer Christlichkeit (etwa sein "Sermon von der Bereitung zum Sterben"), die auch für den treuen Katholiken erbaulich und nützlich zu lesen sind, treten in seinem Werk und Wirken Anfälle von Maßlosigkeit und mangelnde Demut | + | War Luther mehr eine Person des ausgehenden Mittelalters oder ein frühes Kind der anbrechenden Neuzeit? Diese Frage ist so alt wie die Forschung über die Reformation. Sie kann hier nicht erörtert werden. Unstreitig ist: Luther war die zentrale Person der Reformation. Sein Charisma und seine Sprachgewalt erzeugten großen Eindruck und Wirkung bei seinen Zeitgenossen. Er war zwar ein originärer, aber kein systematischer theologischer Denker. Eine Gesamtdarstellung der christlichen Glaubensinhalte ([[Dogmatik]])hat er, anders als [[Melanchthon]] und später [[Calvin]], nicht vorgelegt. Er war mehr ein Meister der "kleinen Form". Wie bei allen "Großen" der Geschichte ist seine Person nicht frei von Schattenseiten, liegen Größe und Begrenzungen eng beieinander. "Simul iustus et peccator": was Luther über den Stand des Menschen coram deo lehrte, gilt in eminentem Sinn auch für ihn selbst. Neben bewegenden Zeugnissen tiefer Christlichkeit (etwa sein "Sermon von der Bereitung zum Sterben"), die auch für den treuen Katholiken erbaulich und nützlich zu lesen sind, treten in seinem Werk und Wirken auch Anfälle von Maßlosigkeit und mangelnde Demut zu Tage. In seiner Spätzeit etwa ließ er sich zu schlimmen antisemitischen Schriften hinreißen. Die von Luther eigentlich angestrebte "Reformation der Kirche an Haupt und Gliedern" konnte aus zwei Gründen nicht gelingen: zum einen ging sie von einer veränderten Lehrgrundlage aus, die den bisherigen Weg der Kirche durch die Zeit als Irrweg darstellte. Zum anderen freilich war der Katholizismus in seiner Zeit in einer schlechten Verfassung und äußerlich vielfach depraviert. Die Kirche war nicht imstande, auf die Herausforderungen des Wittenberger Theologen produktiv zu reagieren. Dies wird heute - wegbereitet durch die Arbeiten des großen katholischen Reformationshistorikers [[Joseph Lortz]] in Mainz - auch katholischerseits (mit Ausnahme vielleicht des [[Traditionalismus]]) allgemein anerkannt. Erst das [[Konzil]] von Trient ([[Tridentinum]]), mit dem die weitgehend erfolgreiche [[Gegenreformation]] eingeleitet wurde, brachte eine Wende - leider zu spät, um die Kichenspaltung und mit ihr das Entstehen des [[Protestantismus]] zu verhindern. |
==Weblinks== | ==Weblinks== |
Version vom 11. Juni 2009, 22:51 Uhr
Martin Luther (*10. November 1483 in Eisleben, † 18. Februar 1546 ebenda) war ein deutscher Augustinermönch, Priester und Theologe. Seine Theologie löste ab 1517 die Reformation aus, die zu einer Kirchenspaltung führte.
Inhaltsverzeichnis
Leben bis zum Bruch mit der Kirche
Martin Luther wurde am 10. November 1483 als Sohn des Bergmannes Hans Luder geboren, der ihn nach streng christlichen Grundsätzen erzog. 1501 begann Luther das Studium der Artes an der Universität Erfurt, das er 1505 mit dem Magistergrad abschloss. Auf Wunsch seines Vaters begann er darauf mit einem Jurastudium, welches er jedoch im gleichen Jahr jäh abbrach. In ein schweres Gewitter geraten, gelobte Luther der Hl. Anna für den Fall seiner Rettung in ein Kloster einzutreten. Am 17. Juli 1505 trat er bei den Augustinereremiten von Erfurt ein. Am 3. April 1507 wurde er zum Priester geweiht.
1508 schickte der Ordensvikar Johann von Staupitz Luther auf die neugegründete Universität Wittenberg, wo er über die Ethik des Aristoteles las. Später befasste er sich mit den Sentenzen des Petrus Lombardus und den Schriften des hl. Augustinus. Am 18. Oktober 1512 wurde er in Wittenberg zum Doktor der Theologie promoviert und übernahm anschließend die Professur für die Auslegung der Heiligen Schrift, die er bis zu seinem Tod innehaben sollte. Von seinen Vorlesungen über die Paulusbriefe (1513-1517) sind Autographien erhalten, in denen manche Theologen seine spätere Abkehr vom Katholizismus vorgezeichnet finden.
Die neue Lehre Luthers: Bruch mit der Kirche
Die Entfremdung von der katholischen Lehre (die anfänglich freilich eher eine Entfremdung vom Katholzismus seiner Zeit war) soll auf das - von Luther ein Jahr vor seinem Tod (1545), im Vorwort zur lateinischen Ausgabe seiner gesammelten Schriften, selbst geschilderte - "Turmerlebnis" zurückgehen, das sich jedoch nicht genau datieren lässt und wohl zwischen 1512 und 1517 stattgefunden hat. Im Südturm des Wittenberger Augustinerklosters hatte Luther über die Rechtfertigung vor Gott meditiert und hierzu den Römerbrief (Röm 1,17) hinzugezogen. Luther kam zu einer Neuinterpretation der paulinischen Rechtfertigungslehre, die mit der kirchliche Lehre in Spannung geriet.
In seiner Vorlesung über den Hebräerbrief folgerte Luther gemäß seiner Lehre, dass nicht das Sakrament als Sakrament rechtfertige ("ex opere operato"), sondern der Glaube, im Sakrament Christus zu empfangen. Dies stellte einen fundamentalen Angriff auf die damalige kirchliche Sakramentenlehre dar. Heute urteilen sowohl katholische wie protestantische Theologen an dieser Stelle vorsichtiger. Man kann vermutlich sagen, daß weniger die Sakramentenlehre als vielmehr die Ablehnung von fünf der sieben Sakramente, die Luther ungenügend biblisch begründet bzw. nicht nachweisbar von Christus selber eingesetzt ansah, den Bruch mit der Kirche unumkehrbar machte.
Die Lehren Luthers werden von vielen prägnant durch die vier sola-Prinzipien - auch "particula exclusiva" genannt - zusammengefaßt: sola scriptura (allein die Schrift als Quelle - ohne die Tradition und das Lehramt) sola fide (allein der Glaube als Grund für die Rechtfertigung - ohne Berücksichtigung der Taten) sola gratia (allein die Gnade als Ursache der Rettung - ohne Mitwirkung der Natur) solus Christus (allein Jesus Christus als Quelle der Offenbarung - nicht die Natur)
Insbesondere bei den Themen Erbsünde und Konkupiszenz verfing sich Luther in Fehler. (Simul iustus et peccator = Gerecht und Sünder zugleich) Luthers Denken war stark beeinflußt durch William von Occam.
Der Ablassstreit
1514 wurde Albrecht von Brandenburg (1490 - 1545), bislang Erzbischof von Magdeburg und Administrator von Halberstadt, auch noch Erzbischof von Mainz. Für eine derartige Ämterhäufung hatte der Fürst dem Papst große Gebühren zu entrichten. Diese ließ Albrecht vor allem durch den berühmten Dominikanermönch und Ablassprediger Johann Tetzel eintreiben. Hieran nahm Luther schon früh Anstoß, insbesondere weil Tetzel für die Austellung eines Ablassbriefes nicht den Stand der Gnade forderte. Am 31. Oktober 1517 schlug Luther ein Papier mit 95 Thesen an die Tür der Wittenberger Schloßkirche, in denen er gegen die Praxis des Ablasshandels und die fehlende Bußgesinnung, keineswegs aber gegen den Ablass als solchen protestierte. Die Historizität dieses Thesenanschlages wird jedoch heute von vielen bezweifelt. Es spricht vieles dafür, daß der Thesen"anschlag" so nicht stattgefunden hat. Gleichwohl hat er den "Gründungsmythos" der Reformation bewirkt. Unstrittig ist lediglich, daß es die 95 Thesen gab und sie auf Luther zurückgehen. Die berühmte erste These lautet: "Wenn unser Herr und Heiland Jesus Christus spricht: 'Tut Buße!', dann will er, daß unser ganzes Leben eine Buße sei." Damals war das eine kritische Spitze gegen die allzu vordergründig-rationalistische Ablasstheologie Tetzels (der gleichwohl, einem lange gezeichneten Zerrbild zum Trotz, ein zu seiner Zeit zu Recht berühmter, als begnadet geltender Prediger war). Heute würde diese These keine Kirchenspaltung mehr begründen können.
Die Thesen Luthers fanden - auch mit Hilfe des gerade beginnenden Buchdrucks - schnell weite Verbreitung. Die Gewinnung von mehreren Anhängern (Martin Bucer, Philipp Melanchton, Johannes Brenz), die seine Theologie der Rechtfertigung verbreiteten löste die Reformation aus, die bald zur Kirchenspaltung führte.
Prozeß und Verurteilung
Albrecht von Brandenburg und die Dominikaner zeigten Luther schon 1518 in Rom an. Im Juli wurde er nach Rom zitiert. Noch ehe der dortige Prozess zu Ende geführt werden konnte, wurde Luther vom 12. bis zum 14. Oktober 1518 von Kardinal Cajetan, einem der besten Theologen der Kurie, der als Apostolischer Legat am Augsburger Reichstag teilgenommen hatte, verhört. Luther weigerte sich, seine Lehren zurückzunehmen, falls er nicht mit Hilfe der Schrift oder aus Vernunftgründen widerlegt werden könne. Kurz darauf floh er aus der Stadt, da er mit seiner Verhaftung rechnen mußte. Luthers Landesherr, der sächsische Kurfürst Friedrich der Weise, der mit den neuen Lehren sympathisierte, verhinderte forthin die Auslieferung Luthers an die Kurie.
Im Jahr 1519 beauftragte der Papst den päpstlichen Nuntius Karl von Miltitz mit Luther über eine Verfahrenspause zu verhandeln, in welcher Luther schweigen sollte. Während dieser Verfahrenspause ereignete sich jedoch ein Disput zwischen dem Dominikaner Johannes Eck und dem der Lutherlehre nahestehenden Andreas Karlstadt. Luther brach daraufhin sein Schweigen und nahm an der sog. Leipziger Disputation teil. Dort leugnete er die Irrtumslosigkeit der Konzilien und somit die Existenz eines höchsten kirchlichen Lehramts. Im Frühjahr 1520 wurde sein Prozess wiederaufgenommen. Die am 15. Juni 1520 erschienene Bulle Exsurge Domine verurteilte 41 Sätze aus Luthers Schriften als irrig und häretisch und drohte mit dem Bann, falls Luther nicht innerhalb von 60 Tagen widerriefe.
Beginn der Reformation
Luther wies die Androhung des Bannes als ungültig zurück und verbrannte öffentlich ein Exemplar der Bulle. Dieser Akt des "öffentlichen Ungehorsams" wird historisch als der eigentliche Bruch mit der Kirche angesehen. Theologisch gesehen wird der Bruch durch die berühmten drei "Reformatorischen Hauptschriften" im Jahr 1520 markiert: "Von der Freiheit eines Christenmenschen", "Von der babylonischen Gefangenschaft der Kirche" sowie "An den christlichen Adel deutscher Nation von des christlichen Standes Besserung". In diesen Schriften bestritt Luther u.a. die Legitimität des Papsttumes, forderte ein antikuriales Reformprogramm, verwarf fünf der sieben Sakramente und bestritt den Opfercharakter der Messe . Am 3. Januar 1521 wurde er durch die Bulle Decet Romanum Pontificem von Leo X. exkommuniziert. Im gleichen Monat bekräftigte Luther die verurteilten Thesen.
Luther entwickelte ein Kirchenbild, nach dem die Kirche keine Hierarchie göttlichen Rechtes besitzt, aber Wort und Sakrament als Heilsmittel verwaltet. Die Gemeinschaft der Gläubigen hat geistliche Schlüsselgewalt, nicht aber im Gewissen verpflichtende Leitungsgewalt. Das Kirchenverständnis, das für die reformatorischen Kirchen (mindestens den lutherischen Teil davon) bis heute maßgebend werden sollte, gründet sich v.a. auf den berühmten Art. VII "Von der Kirche" der vom "Cheftheologen der Reformation", Philipp Melanchthon formulierten "Confessio Augustana", des Augsburger Bekenntnisses von 1530. Dort heißt es: "Es wird auch gelehrt, dass allezeit eine heilige, christliche Kirche sein und bleiben muß, die die Versammung aller Gläubigen ist, bei denen das Evangelium rein gepredigt und die heiligen Sakramente laut dem Evangelium gereicht werden. Denn das genügt zur wahren Einheit der christlichen Kirche, daß das Evangelium einträchtig im reinen Verständnis gepredigt und die Sakramente göttlichem Wort gemäß gereicht werden müssen. Und es ist nicht zur wahren Einheit der Kirche nötig, daß über alldie gleichen, von den Menschen eingesetzten Zeremonien eingehalten werden, wie St. Paulus sagt: 'Ein Leib und ein Geist, ein Herr, ein Glaube, eine Taufe' (Eph 4,4.5)" Was damals viele als befreiende Elementarisierung und Konzentration ansahen, wird heute auch von lutherischen Theologen zunehmend als ein unzureichender Kirchenbegriff erkannt.
Der Reichstag zu Worms
Der neugewählte Kaiser Karl V. zitierte Luther im April 1521 schließlich vor den Wormser Reichstag, wo er abermals gefragt wurde, ob er seinen Lehren abschwöre. Luther erbat sich einen Tag Bedenkzeit, dann verweigerte er am 18. April 1521 endgültig die Rücknahme seiner Lehre und am 24. April auch die Unterordnung unter ein Konzil. Die berühmten Worte, mit denen er seine Weigerung, abzuschwören, beendete: "Hier stehe ich, ich kann nicht anders. Gott helfe mir, Amen" sind ein Musterbeispiel für die Entstehung eines Mythos. Ob Luther sie tatsächlich gesagt hat, gilt als äußerst unsicher. Gleichwohl werden sie bis heute mit Pathos zur Geburtsstunde der "neuzeitlichen Gewissensfreiheit" hochstilisiert. Jedenfalls verhängte dann das Wormser Edikt vom 26. Mai 1521 die Reichsacht über Luther und ordnete die Verbrennung seiner Schriften an. Luther war nun "vogelfrei" und an Leib und Leben bedroht.
Exil auf der Wartburg
Luthers Landesherr Friedrich der Weise kam der drohenden Vollstreckung der Reichsacht zuvor, indem er Luther nach einem Scheinüberfall auf die Wartburg entführen und dort in Sicherheit bringen ließ. Unter dem Decknamen "Junker Jörg" übersetzte Luther dort innert 13 Wochen das Neue Testament ins Deutsche (Sprache der sächsisch-böhmischen Staatskanzlei). Die Bibelübersetzung, die - in diesem Fall zu Recht - als Geburtsstunde einer einheitlichen deutschen Sprache gilt, war eine kulturelle Großtat, deren geistesgeschichtliche Bedeutung nicht hoch genug eingeschätzt werden kann. Mithilfe des neu erfundenen Buchdrucks kam die Bibel schnell in Umlauf und wurde ein echtes "Hausbuch". 1534 folgte das Alte Testament. Er verfasste aber auch Schriften gegen das Mönchsgelübde, was anschließend eine Anzahl von Klöstern veröden ließ.
In Wittenberg hatte sich unter Führung Melanchtons und Karlstadts inzwischen eine lutherische Abendmahlsgemeinschaft gebildet, deren radikale Elemente bald Unruhen hervorriefen. Es kam zu "Bilderstürmen". Luther sah sich zum Eingreifen gezwungen und erschien am 6. März 1522 in Wittenberg, wo er durch die sog. "Invokavitpredigten" die öffentliche Ordnung widerherstellen konnte.
Spätzeit
In seinen letzten Jahren bekräftigte Luther seine Kritik am Papsttum und entwickelte in den Schmalkaldischen Artikeln eine scharfe Abgrenzung zur katholischen Lehre. Am 18. Februar 1546 starb er in Eisleben. Seine letzten Worte, die er nur noch auf einen Zettel notieren konnte, sind wie eine Summe seiner Theologie: "Wir sind Bettler, hoc est verum."
Person
War Luther mehr eine Person des ausgehenden Mittelalters oder ein frühes Kind der anbrechenden Neuzeit? Diese Frage ist so alt wie die Forschung über die Reformation. Sie kann hier nicht erörtert werden. Unstreitig ist: Luther war die zentrale Person der Reformation. Sein Charisma und seine Sprachgewalt erzeugten großen Eindruck und Wirkung bei seinen Zeitgenossen. Er war zwar ein originärer, aber kein systematischer theologischer Denker. Eine Gesamtdarstellung der christlichen Glaubensinhalte (Dogmatik)hat er, anders als Melanchthon und später Calvin, nicht vorgelegt. Er war mehr ein Meister der "kleinen Form". Wie bei allen "Großen" der Geschichte ist seine Person nicht frei von Schattenseiten, liegen Größe und Begrenzungen eng beieinander. "Simul iustus et peccator": was Luther über den Stand des Menschen coram deo lehrte, gilt in eminentem Sinn auch für ihn selbst. Neben bewegenden Zeugnissen tiefer Christlichkeit (etwa sein "Sermon von der Bereitung zum Sterben"), die auch für den treuen Katholiken erbaulich und nützlich zu lesen sind, treten in seinem Werk und Wirken auch Anfälle von Maßlosigkeit und mangelnde Demut zu Tage. In seiner Spätzeit etwa ließ er sich zu schlimmen antisemitischen Schriften hinreißen. Die von Luther eigentlich angestrebte "Reformation der Kirche an Haupt und Gliedern" konnte aus zwei Gründen nicht gelingen: zum einen ging sie von einer veränderten Lehrgrundlage aus, die den bisherigen Weg der Kirche durch die Zeit als Irrweg darstellte. Zum anderen freilich war der Katholizismus in seiner Zeit in einer schlechten Verfassung und äußerlich vielfach depraviert. Die Kirche war nicht imstande, auf die Herausforderungen des Wittenberger Theologen produktiv zu reagieren. Dies wird heute - wegbereitet durch die Arbeiten des großen katholischen Reformationshistorikers Joseph Lortz in Mainz - auch katholischerseits (mit Ausnahme vielleicht des Traditionalismus) allgemein anerkannt. Erst das Konzil von Trient (Tridentinum), mit dem die weitgehend erfolgreiche Gegenreformation eingeleitet wurde, brachte eine Wende - leider zu spät, um die Kichenspaltung und mit ihr das Entstehen des Protestantismus zu verhindern.