Haud mediocre

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Ansprache
Haud medocre

von Papst
Paul VI.
an die Mitglieder und Berater des "Consilium", die zur turnusgemäßen Sitzung nach Rom gekommen waren.
29. Oktober 1964

(Offizieller lateinischer Text: AAS 56 [1964] 993-996)

(Quelle: Dokumente zur Erneuerung der Liturgie, Band 1, S. 141-143, Nr. 299-302)
Allgemeiner Hinweis: Was bei der Lektüre von Wortlautartikeln der Lehramtstexte zu beachten ist


Euer aller Anwesenheit am heutigen Tage ist für Uns ein Trost und eine Freude. Ihr seid nach Rom zur turnusgemäßen Sitzung eures "Consilium" gekommen und habt lobenswerterweise die Absicht bekundet, dem Oberhirten der Kirche dieses höchst dankenswerte Zeugnis eurer Liebe und eurer Ehrerbietung zu erweisen. Wir nehmen dieses Zeichen eurer Ehrerbietung um so lieber entgegen, weil es Uns die ersehnte Gelegenheit bietet, euch von Herzen zu beglückwünschen und den verdienten Dank für die fleißige und gewaltige Arbeit auszusprechen, die ihr, ohne Mühen zu scheuen, unverzüglich übernommen habt.

Ihr wißt sehr wohl, mit welcher Hochachtung und unablässigen Sorge Wir eure Arbeit verfolgen, der Wir, wie es sich geziemt, höchste Bedeutung zumessen. Denn weil euch zusammen mit der Ritenkongregation die schwierige Aufgabe der Ausführung der Normen der Liturgiekonstitution, die vom 2. Vatikanischen Konzil erfreulicherweise verabschiedet worden ist, übertragen wurde, hängen ganz offensichtlich die äußerst reichen Früchte, die Wir für die Kirche erhoffen, entscheidend von eurer Arbeit ab. Tatsächlich liegt es an euch, dass die weisen Vorschriften des Konzils bereitwillig angenommen werden, täglich mehr geschätzt werden und das christliche Volk sein Verhalten allmählich ganz und gar mit ihrem Anliegen in Einklang bringt.

Deshalb halten Wir es für angebracht, euch einiges in dieser Angelegenheit zur Erwägung vorzuschlagen. Wenngleich es euch - wie wir wissen - nicht unbekannt sein wird, so möchten Wir dennoch daran erinnern, vor allem aber anläßlich dieser Versammlung, von der ihr alle neue Kraft und hilfreiche Anstöße zum Handeln zu empfangen wünscht.

Ein Teil der euch übertragenen Aufgabe zielt zum ersten dahin, dass ihr die Überarbeitung der liturgischen Bücher in Angriff nehmt. Man braucht nicht zu betonen, um welch mühevolles und schwieriges Unternehmen es sich dabei handelt. Denn es handelt sich um die liturgischen Gebete, zu deren Beurteilung, Erneuerung oder völligen Neuschöpfung nicht nur eure höchste Weisheit und ein scharfsinniges Urteil nötig sind, sondern eine richtige Einschätzung der Bedürfnisse unserer Zeit, die mit der umfassenden Kenntnis des überlieferten Erbes verknüpft sein muss.

Dabei müßt ihr davon ausgehen, dass die Texte des öffentlichen Gebetes nicht Gott würdig sein können, wenn sie nicht getreu die katholische Lehre wiedergeben; sie sollen nach den Regeln auserlesener Kunst abgefaßt sein, so wie es der Würde des Gottesdienstes geziemt; sie sollen zutiefst den Geist religiöser Frömmigkeit ausstrahlen; weiter sollen sie sich durch Kürze und Einfachheit auszeichnen, so dass sie richtig verstanden und ihre Wahrheit und Schönheit leicht erkannt werden. Nur so wird erreicht werden können, dass die öffentlichen Gebete der Kirche der Natur und dem Wesen der heiligen Liturgie entsprechen und dass das christliche Volk durch sie Gott die gebührende Ehre erweist.

Damit ihr aber besser und passender für die Erneuerung der heiligen Liturgie sorgt, empfiehlt es sich, eine andere Norm von nicht geringer Bedeutung zu beachten; es ist nämlich notwendig, dass ihr die erzieherische Wirkung der heiligen Riten berücksichtigt. Denn ihr wißt, dass die Väter des Ökumenischen Konzils sich bei der Festsetzung der Normen zur Förderung der heiligen Liturgie von diesem pastoralen Anliegen leiten ließen, damit die Christgläubigen tätiger an den liturgischen Handlungen teilnähmen. So sollen sie bei diesen erhabenen Quellen der Wahrheit und der Gnade lernen, dass sie reichlicher und einfacher Nahrung für das christliche Leben empf!lngen. In der Tat ermahnt die erwähnte Konstitution des Ökumenischen Konzils: Obwohl die heilige Liturgie vor allem Anbetung der göttlichen Majestät ist, birgt sie doch auch viel Belehrung für das gläubige Volk in sich. Denn in der Liturgie spricht Gott zu seinem Volk; in ihr verkündet Christus noch immer die Frohe Botschaft (Vgl. Konstitution über die heilige Liturgie, Art. 33). Deshalb muss es euch ein besonderes Anliegen sein, dass der liturgische Kult wirklich zu einer Schule des christlichen Volkes wird: eine Schule der Frömmigkeit, in der die Gläubigen den innigen Austausch mit Gott zu vertiefen lernen; eine Schule der Wahrheit, in der der Geist durch sichtbare Zeichen zur Erkenntnis und Liebe der unsichtbaren Dinge geführt wird; eine Schule der christlichen Nächstenliebe, in der ein jeder sich mehr und mehr mit den übrigen Gliedern der Kirche in brüderlicher Gemeinschaft verbunden fühlt.

Schließlich verlangt die rechte Ausführung der Liturgiekonstitution von euch, dass Neues und Altes in geeigneter und vortrefflicher Verbindung untereinander zusammengefügt werden. Hierbei ist zu vermeiden, dass der Eifer für das Neue das Maß überschreitet und dem überlieferten liturgischen Erbe nicht genügend Rechnung getragen oder es gar völlig außer acht gelassen wird. Ein solch verkehrtes Vorgehen wäre keine Erneuerung der heiligen Liturgie, sondern eher eine Zerstörung. Denn die Liturgie gleicht einem starken Baum, dessen ständiges Neuwachsen der Blätter zwar seine Schönheit zeigt, aber seine Lebenskraft bezeugt erst das Alter des Stammes, der seine tiefen und festen Wurzeln in den Boden hineinwachsen läßt. Deshalb darf in liturgischen Fragen kein wirklicher Widerspruch zwischen Gegenwart und Vergangenheit auftreten; alles soll so geschehen, dass jede Erneuerung den Zusammenhang und die Kontinuität mit der gesunden Tradition aufweist und neue Formen aus den schon bestehenden gewissermaßen wie von selbst herauswachsen.

Wie ihr seht, habt ihr einen langen Weg zurückzulegen, der voll von Unebenheiten ist. Da dennoch euer Eifer schon so erfreuliche Früchte erbracht hat - deren herausragender Beweis die kürzlich von der Ritenkongregation promulgierte Instruktion über die Liturgie ist -, ist dies für Uns ein Grund, eurer zukünftigen Arbeit die größte Hoffnung entgegenzubringen. Indessen sollt ihr aber wissen, dass nicht nur Wir, sondern die ganze Kirche in besorgter Erwartung die Augen auf euch richtet. Und denkt immer daran, dass euer Werk fürwahr groß ist, der betenden Kirche gleichsam die Stimme und die Instrumente zu verleihen, mit denen sie das göttliche Lob feiern und die Bitten der Menschen vor Gott hintragen soll. Dieses Werk, zu dessen rechter Ausführung der Himmel und die Erde gewissermaßen gemeinsam beitragen, ist wahrhaft ein menschliches und ein göttliches: menschlich, weil es auf eurer Fähigkeit, Gelehrtheit und Frömmigkeit beruht; aber zugleich und vor allem göttlich, weil der Anhauch und das Wirken des Heiligen Geistes von ihm nicht wegzudenken sind, ohne den nichts Heiliges, nichts Starkes, nichts Heilsames bewirkt werden kann.

Diesen für euch nie versiegenden und überreichen himmlischen Beistand erbitten Wir gerne von dem allmächtigen Gott; sein Unterpfand und sein Zeichen sei der Apostolische Segen, den Wir euch Einzelnen gemeinsam liebevoll im Herrn erteilen.