Sertum laetitiae (Wortlaut)

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Enzyklika
Sertum laetitiae

unseres Heiligen Vaters
Pius XII.
an die Bischöfe der USA
150. Jahrestag der Konstitution zur Errichtung der kirchlichen Hierarchie in den Staaten von Amerika
1. November 1939

(Offizieller lateinischer Text AAS XXXI (1939) 635-644)

(Quelle: Arthur Fridolin Utz O.P., Joseph-Fulko Groner O.P, Hrsg.: Aufbau und Entfaltung des gesellschaftlichen Lebens, Soziale Summe Pius XII. (1939-1958), Übersetzerkollegium: Herausgeber und Franz Schmal u. H. Schäufele, Paulus Verlag, Freiburg/Schweiz. Imprimatur Friburgi Helv., die 5. Maii 1954 N. Luyten O.P. Imprimatur Friburgi Helv., die 29. Junii 1954 R. Pittet, v.g.; Band II, Seite 1413-1430. Die Nummerierung folgt der englischen Fassung)

Allgemeiner Hinweis: Was bei der Lektüre von Wortlautartikeln der Lehramtstexte zu beachten ist


1. Amerika ist durch den Einfluss der Religion groß geworden

1 Vom Wunsche beseelt, den Strauß heiliger Freude zu vermehren, überqueren Wir im Geiste den weiten Ozean, und siehe, Wir sind in Eurer Mitte, während Ihr mit allen Euren Gläubigen das hundertfünfzigjährige Jubiläum der Errichtung der kirchlichen Hierarchie in den Vereinigten Staaten von Amerika feiert. Dies tun Wir überaus gern. Denn damit ist Uns gleich zu Beginn Unseres höchsten Pontifikats je festlicher, desto willkommener die Gelegenheit geboten, offen zu bekunden, mit welcher Hochachtung und mit welchem Interesse Wir das jugendkräftige und berühmte amerikanische Volk begleiten.

2 Denen, die Eure Annalen aufschlagen und den Ursachen dessen, was geschehen ist, nachspüren, springt in die Augen, dass zum Ruhm und zur Wohlfahrt, deren sich Euer Vaterland erfreut, nicht wenig der Triumph der göttlichen Religion beigetragen hat, die, weil sie aus dem Himmel stammt, zwar die Menschen durch Einrichtungen und Gesetze zur ewigen Seligkeit führen soll, die aber auch das sterbliche Leben mit soviel Segnungen überschüttet, dass sie selbst dann, wenn sie nur dazu gegründet worden wäre, die Erdgeborenen während der kurzen Frist ihres diesseitigen Lebens glücklich zu machen, nicht mehr dazu beisteuern könnte.

2. Erinnerungen aus der religiösen Geschichte der Vereinigten Staaten

a) Freundschaft Washingtons mit dem Bischof von Baltimore

3 Es ist Uns eine Freude, Wohlbekanntes ins Gedächtnis zurückzurufen. Als Papst Pius VI. Euren Vorfahren den Amerikaner John Caroll als ersten Bischof mit dem Sitz in Baltimore schenkte, war die Zahl der Katholiken in Eurem Land klein und kümmerlich. Zugleich schwebten die Vereinigten Staaten damals in einem so gefährlichen Zustand, dass ihre Einheit und ihr Zusammenhalt auf dem Spiele stand. Denn, weil ein grausamer Krieg lange Zeit getobt hatte, drückte eine riesige Schuldenlast auf die Staatskasse, lag die Industrie darnieder und waren die durch die Not geschwächten Bürger in einander bekämpfende Parteien gespalten. Das bedrängte, ja sogar schon zerfallende Staatswesen richtete der berühmte, durch seinen zähen Mut und seine Weisheit hervorragende George Washington wieder auf. Diesen aber verband eine treue Freundschaft mit dem ehrwürdigen Bischof von Baltimore. So sind die beiden durch die Bande der Freundschaft vereinten Männer, der Vater des Vaterlandes und der erste ehrwürdige Oberhirte der Kirche in jenem Uns so teuren lande, - zum bleibenden Vorbild für ihre Nachkommen und zum Denkmal für alle Zeiten gleichsam einander die Hände reichend - ein Wahrzeichen dafür, dass es dem amerikanischen Volk eine hohe und heilige Verpflichtung ist, den Glauben an Christus in Ehren zu halten, weil er ja die Grundlage der Gerechtigkeit und der guten Sitte in sich birgt und deshalb die Bausteine der gemeinsamen Wohlfahrt und des Fortschrittes liefert.

b) Die Hilfe der aus Europa geflohenen Priester

4 Warum drüben die Katholische Kirche prächtig aufblühte, ist auf viele Ursachen zurückzuführen. Mit einer, die würdig ist, in Erinnerung gebracht zu werden, wollen Wir Uns näher befassen. Jene Priester, die unter dem Druck wütender Verfolgungen fliehen mussten und drüben landeten, brachten dem erwähnten ehrwürdigen Hirten willkommene Hilfe und säten, ihn kräftig unterstützend, die kostbare Saat, die zu einer reichen Tugendernte heranreifte. Einige von ihnen, die später mit der Bischofswürde bekleidet wurden, machten sich um das Wachstum der Katholischen Kirche besonders verdient. Wie es nach dem Zeugnis der Geschichte meistens einzutreten pflegt, wird das apostolische Feuer immer dann, wenn es, von ungeheucheltem Glauben und aufrichtiger Liebe genährt, großmütige Herzen entflammt, durch die losbrechenden Stürme der Verfolgung nicht ausgelöscht, sondern mächtig ausgebreitet.

c) Das Rundschreiben « Longinqua oceani» Leos XIII.

5 Als über das Ereignis, das Euer Herz mit berechtigter Freude erfüllt, hundert Jahre verstrichen waren, hielt Papst Leo XIII. seligen Andenkens in seinem Weltrundschreiben Longinqua oceani Rückschau und Rechenschaft über den Weg, den die Kirche drüben zurückgelegt hatte. Seiner Darstellung fügte er einige Mahnungen und Weisungen hinzu, in denen die Weisheit und das Wohlwollen einander die Waage halten.

6 Was Unser erlauchter Vorgänger damals ausgezeichnet schrieb, verdient immer wieder erwogen zu werden. In den letzten fünfzig Jahren hat die Kirche drüben ihren Lauf nicht verlangsamt, sondern vielmehr sich weiter verbreitet und größeren Zuwachs erreicht.

3. Die hervorragende Qualität des nordamerikanischen Katholizismus

a) Lebendiges Glaubensleben

Drüben blüht ja ein Leben, das die Gnade des Heiligen Geistes im innersten Heiligtum des Herzens nährt. In dichten Scharen kommen die Gläubigen fleißig in die Kirchen. Sie gehen häufig zum Tisch des Herrn, an dem die Speise der Engel gereicht, das Brot der Starken genossen wird. Sie beteiligen sich mit großem Eifer an den ignatianischen Exerzitien, die in der Weltabgeschlossenheit abgehalten werden. Viele sind der zu Höherem rufenden Stimme Gottes gefolgt und ergreifen den Priester- oder den Ordensstand.

7 Heute bestehen drüben neunzehn Kirchenprovinzen, einhundertfünfzehn Bistümer, beinahe zweihundert kirchliche Seminarien und unzählige Kirchen und Kapellen, niedere und hohe Schulen, Studien-, Kranken-, Armenhäuser und Klöster. Mit Fug und Recht bewundern Besucher den Aufbau und die Arbeitsweise, nach der Eure Schulen jedweder Art geleitet werden, getragen von der Spendefreudigkeit der Christgläubigen, behütet von der wachsamen Sorge der Bischöfe. Aus diesen Schulen gehen Scharen von wohlgebildeten und wohlerzogenen Bürgern hervor, die wegen ihrer Ehrfurcht vor den göttlichen und menschlichen Gesetzen mit Recht für die Stärke, die Blüte und den Ruhm der Kirche und des Vaterlandes gehalten werden.

b) Eifer für die Heidenmission und die Betreuung der Neger im eigenen Land

8 Missionsvereine, besonders das Päpstliche Werk der Glaubensverbreitung, die durch Festigkeit und Arbeitseifer vorbildlich sind, unterstützen durch Gebet, Geldspenden und andere Hilfsmittel verschiedener Art die Herolde des Evangeliums, die das Zeichen des heilbringenden Kreuzes in die Heidenländer tragen. Wir können Uns nicht zurückhalten, die Eurer Nation eigentümlichen Missionswerke, die sich mit erfinderischem Eifer der Verbreitung des katholischen Glaubens widmen, offen und frei mit Unserem Lob zu ehren. Sie sind unter folgenden Namen bekannt: Die «Catholic Church Extension Society», eine durch den Glanz ihrer frommen Spenden berühmte Gesellschaft; die «Catholic Near East Welfare Association», eine Vereinigung, die der christlichen Sache im Nahen Osten, wo sie mit so großen Schwierigkeiten ringt, wirksame Hilfe leistet; die «Indian and Negroes Mission», ein vom dritten Baltimorer Konzil gutgeheißenes Unternehmen (Vgl. die Akten dieses Konzils, Kap. 2.), das Wir bestätigen und empfehlen, weil die ganz besondere Liebe zu den Mitbürgern es erforderlich macht.

9 Denn Wir gestehen, dass Wir, von Gott dazu gedrängt, gegen Eure Negerbevölkerung eine väterliche Liebe empfinden, weil Wir wissen, dass sie, was die Religion und die Bildung betrifft, eine besondere Sorge und Ermutigung nötig haben und verdienen. Deshalb rufen Wir die Hilfe Gottes in reichem Maße auf sie herab und bitten um überfließenden Segen für jene die sich mit großmütigem Eifer ihrer annehmen.

10 Über die senden Eure auf kühne Taten emsig bedachten Landsleute um Gott für das unsagbar große Geschenk des unverkürzten Glaubens würdiger zu danken, dem Heer der Missionare geschlossene Kämpferscharen, die durch mühevolle Geduld, und beugsame Ausdauer und hervorragenden Unternehmungsgeist zur Förderung des Reiches Christi Verdienste ernten, die der Erdkreis bewundert und der Himmel mit entsprechender Kronen vergelten wird.

c) Soziale Einrichtungen

11 Nicht weniger erstarken drüben jene Unternehmungen, die im Schoß des Vaterlandes den Kindern der Kirche auf verschiedene Weise nützlich sind: die praktisch eingerichteten und geleiteten Caritasverbände, die, von den Seelsorgern beraten und von Ordensgesellschaften unterstützt, den Armen, Notleidenden und Kranken die Geschenke der christlichen Freigebigkeit bringen und das Elend lindern. Bei der Ausübung dieses höchst erhabenen Dienstes erblicken die scharfsichtigen und liebevollen Augen des Glaubens in den Armen und Bedrängten Christus, den mildreichsten Erlöser, dessen leidende mystische Glieder sie sind.

d) Laienorganisationen

12 Vor allen anderen männlichen Laienvereinigungen, die sämtlich aufzuzählen lange dauern würde, haben sich unverwelkliche Ruhmeslorbeeren verdient die Katholische Aktion, die Männerkongregationen und die «Bruderschaft der christlichen Lehre», die sich schon ihrer Früchte, noch mehr aber der Hoffnung auf die künftige Ernte erfreuen. Desgleichen die «Gesellschaft vom Heiligen Namen», die sehr gut zur Förderung des Gottesdienstes und der Frömmigkeit anleitet.

13 Die vielgestaltige Tätigkeit der katholischen Laien, die ihre Kräfte je nach den Zeitverhältnissen in die verschiedenen Gegenden entsendet, untersteht jenem Rat, der den Namen «National Catholic Welfare Conference» erhalten hat und Eurem bischöflichen Dienst einsatzfähige Werkzeuge liefert.

14 Die wichtigsten dieser Einrichtungen besichtigten Wir kurz im Oktober 1936, als Wir eine Reise über das Meer unternahmen und die sehr große Freude erlebten, Euch und Eure Welt von Angesicht kennenzulernen. Unverlierbar und beglückend haftet das Bild dessen, was Wir damals mit eigenen Augen gesehen haben, in Unserem Gedächtnis.

4. Dank an Gott, Anerkennung des Geleisteten und Ermunterung zu weiterer Arbeit

15 Deshalb sagen Wir Gott in gebührender Ehrfurcht gemeinsam mit Euch Dank und lobsingen ihm: «Confitemini Deo caeli, quoniam in aeternum misericordia ejus !» - «Preiset den Gott des Himmels! Denn ewig währet sein Erbarmen» (Ps 135, 26). Wie er, dessen Güte keine Grenzen kennt, Euer Land mit dem Reichtum seiner Milde überhäuft hat, so hat er auch Euren Kirchengemeinden Stärke und Tatkraft verliehen und ihre rastlosen Anstrengungen mit Früchten überschüttet. Nachdem Wir nun Gott, von dem alles Gute kommt, den schuldigen Dank abgestattet haben, anerkennen Wir, Geliebte, dass eben diese reiche Ernte, die Wir heute mit Euch frohen Herzens vor Uns sehen, auch dem rüstigen Geist und der emsigen Arbeit der Hirten und der Schafe zu verdanken ist, aus denen drüben die Herde Christi besteht. Wir anerkennen, dass sie zu verdanken ist Eurem Klerus, der, zu entschlossener Tat geneigt, Eure Befehle mit hochherzigem Eifer ausführt, den Mitgliedern aller Männerorden und Ordensgesellschaften, die, durch Tugendschmuck berühmt, den Acker Gottes wetteifernd bebauen, desgleichen auch den Schwestern, die als Lilien Christi und Augenweide der Heiligen ungezählt, oft schweigend und den Menschen unbekannt, vom Feuer der Gottesliebe entflammt, sich vorbildlich der Sache des Evangeliums weihen.

16 Unser Lob soll Euch zum Heile dienen. Die Betrachtung der vollbrachten Leistungen darf nicht zum Erlahmen des Eifers und zum Müßiggang verleiten, nicht den Genuss eitlen Ruhms, der den Geist kitzelt, hervorrufen, sondern soll zu neuer Begeisterung entflammen, damit das Schädliche ferngehalten werde und das, was heilsam, nützlich und lobenswert ist, immer stärker und kräftiger gedeihe. Wenn ein Christ der Ehre seines Namens treu bleibt, ist er jederzeit Apostel. Ein Streiter Christi darf niemals aus dem Kampf ausscheiden. Nur der Tod setzt seiner Teilnahme am Ringen ein Ende.

5. Die verheerenden persönlichen und sozialen Folgen der Religionslosigkeit

17 Ihr wisst, wo Eure Sorge frischer erwachen soll und wo die Priester und die Gläubigen zur Arbeit aufgerufen werden müssen, damit die christliche Religion nach Überwindung der Hindernisse die Geister erhebe, die Sitten lenke und einzig und allein um des Heiles willen auch die Adern und die innersten Lebensbahnen der bürgerlichen Gemeinschaft durchpulse. Wenn auch der Fortschritt der äußeren und leiblichen Güter, der dem Leben immer praktischere und ausgiebigere Erleichterungen bringt, nicht verachtet werden darf, genügt er dennoch keineswegs dem Menschen, der zu Höherem und Erhabenerem geboren ist. Nach Gottes Bild und Gleichnis geschaffen, sucht er Gott mit einem unbezwingbaren Drang des Geistes und ist immer niedergeschlagen und traurig, wenn er seine Liebe dorthin richtet, wo die höchste Wahrheit und das unendliche Gut nicht zu finden ist.

18 Gott aber, von dem zu weichen sterben, zu dem zu gelangen leben, in dem zu stehen erstrahlen heißt, erreicht man nicht durch die Bezwingung des körperlichen Raumes, sondern unter Christi Führung durch einen ganz ehrlichen Glauben, durch ein unbeflecktes Gewissen, durch einen guten Willen, durch heilige Werke, durch das Erkämpfen und Anwenden jener wahren Freiheit, deren erhabene Gesetze das Evangelium verkündet hat. Wenn dagegen die Gebote Gottes verachtet werden, muss man nicht nur an der ewigen Seligkeit verzweifeln, die ihren Ort außerhalb der kurzen Zeitspanne des Erdenlebens hat, sondern es wankt auch das Fundament, auf dem die unverfälschte Kultur und Menschlichkeit ruht, und es sind Ruinen zu erwarten, über die einmal Tränen vergossen werden. Denn was zum Ewigen führt, ist auch die beständige Kraft und der sichere Halt des Zeitlichen. Wie können das gemeinsame Wohl und der Glanz der feinen Sitte bestehen, wenn die Rechte mit Füßen getreten, die Tugenden weggeworfen und verachtet werden? Ist nicht Gott der Urheber und Erhalter der Rechte, nicht der Spender und Vergelter, Ursprung und Lohn der Tugenden? Er, dem unter den Gesetzgebern keiner gleicht (Vgl. Job 36,22)? Hier liegt, wie die wahrhaft Wissenden gestehen, allüberall die bittere und ergiebige Wurzel der Übel: die Ablehnung der göttlichen Majestät, die Vernachlässigung der himmlischen Gebote Gottes oder eine gewisse beklagenswerte Unbeständigkeit, die zwischen Recht und Unrecht, zwischen Gut und Böse hin- und herwankt.

19 Von dort kommt die blinde und maßlose Eigenliebe, der Durst nach Vergnügen, das Laster der Trunksucht, die verschwenderische und schamlose Kleidertracht, die Zunahme der Verbrechen, die sogar unter Minderjährigen nicht ungewöhnlich ist, die Gier nach der Macht, die Vernachlässigung der Armen, der Hunger nach unrecht erworbenem Reichtum, die Landflucht, das leichtsinnige Heiraten, die Ehescheidungen, die Auflösung der Familien, das Erkalten der gegenseitigen Liebe zwischen den Eltern und Kindern, die Geburtenverhütung, die Schwächung des Volkes, die verkehrte Einstellung gegenüber der Obrigkeit, sei es mangelnde Ehrfurcht, sei es knechtische Unterwürfigkeit, sei es hartnäckige Widersetzlichkeit, die Pflichtvergessenheit gegenüber dem eigenen Vaterland und gegenüber der Gesamtmenschheit.

[Fortsetzung folgt]