Ludwig Maria Grignion: Das Geheimnis Mariens

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Le secret de Maria - Das Geheimnis Mariens
Ludwig Maria Grignion (1673-1716)

Quelle: Ludwig Maria Grignion: Das Goldene Buch. Die Wahre Andacht zu Maria, das Geheimnis Mariä und die Liebe zum Kreuz, S. 88-101, Lins Verlag (261 Seiten, Imprimatur Friburgi Helv., die 27 Martii 1920 L. EMS, Adm. dioec.). Die Überschriften folgen meist der Ausgabe: Ludwig Maria Grignion: Das Goldene Buch der vollkommenen Hingabe an Jesus durch Maria, Kanisius Verlag Freiburg/Schweiz 1980, S. 251-291 (22. Auflage; Mit kirchlicher Druckerlaubnis), außerdem einige Worte.

Dieses Schriftchen ist eine kurze Zusammenfassung der Lehren, welche wir in der vorstehenden Abhandlung über die wahre Andacht zu Maria kennen gelernt haben. Obwohl sie daher viele Wiederholungen enthält, dürfte es dem frommen Leser trotzdem erwünscht sein, den einen oder anderen Gedanken des heiligen Ludwig Maria hier in einer wohl etwas leichter verständlichen Form wiederzufinden.

Einführung

Bedeutung der Ganzhingabe

Auserwählte Seele! Siehe, ich teile Dir ein Geheimnis mit, das der Allerhöchste mich selbst gelehrt hat und das ich weder in einem alten noch in einem neuen Buche finden konnte. Ich offenbare es dir mit Hilfe des Heiligen Geistes unter folgenden Bedingungen:

1. Dass du dieses Geheimnis nur solchen Personen mitteilst, welche desselben durch ihre Gebete, Almosen und Abtötungen, durch ihre Losschälung und ihren Eifer für das Heil der Seelen würdig sind.

2. Dass du dich dieses Geheimnisses auch wirklich bedienst, um dich zu vervollkommnen und heilig zu werden; denn es wird für dich nur in dem Maße ein wertvolles und großes Geheimnis sein, als du es dir zu Nutzen machst. Hüte dich daher, mit verschränkten Armen untätig zu bleiben; mein Geheimnis könnte sonst leicht ein Gift für dich werden und dein Verdammungsurteil erwirken.

3. Dass du alle Tage deines Lebens Gott für die Gnade dankst, ein Geheimnis kennen gelernt zu haben, das zu wissen du nicht verdient hast. Nur soweit, als du dieses Geheimnis bei den gewöhnlichen Handlungen deines Lebens anwendest, wirst du seinen Wert und seine Vortrefflichkeit erfahren. Wegen der Menge und Schwere deiner Sünden und deiner verborgenen Anhänglichkeit an dich selbst wirst du seine Vorzüge anfangs nur unvollkommen erkennen können. Bevor du deswegen im vorschnellen und natürlichen Wissensdurst nach der Wahrheit weiter gehst, bete jedesmal auf den Knien zuerst andächtig das Ave maris stella und das Veni creator, um von Gott die Gnade zu erflehen, dieses göttliche Geheimnis zu begreifen und seine Süßigkeit zu kosten.

Wegen der Kürze der Zeit, die ich zum Schreiben habe und dir zum Lesen übrig bleibt, will ich alles in gedrängter Form darlegen.

Erstes Kapitel: Maria und unsere Heiligung

Die Notwendigkeit der Selbstheiligung

O Seele! Lebendiges Abbild Gottes, erkauft mit dem kostbaren Blute Jesu Christi, Gott hat dir gegenüber den dringenden Wunsch, dass du nach seinem Vorbild heilig werdest in diesem Leben und glückselig im andern. Die Erlangung der Heiligkeit Gottes ist deine ständige Lebensaufgabe. Darauf müssen alle deine Gedanken, Worte und Werke, deine Leiden und alle Bestrebungen deines Lebens gerichtet sein; sonst widerstehst du Gott, indem du nicht den Zweck erfüllst, zu dem er dich erschaffen und bis auf diesen Augenblick erhalten hat. Welch erhabene Aufgabe! Der Staub soll verwandelt werden in Licht, der Schmutz in Reinheit, die Sünde in Heiligkeit, das Geschöpf in seinen Schöpfer und der Mensch in Gott! Welch wunderbares Werk! Aber ein Werk, schwierig in sich selbst und unmöglich für unsere rein natürlichen Kräfte. Gott allein kann dich durch seine Gnade und zwar nur durch eine überfließende außerordentliche Gnade zu diesem Ziele führen. Die Schöpfung der ganzen Welt ist ein Meisterwerk, aber nicht so groß, wie dieses Werk der Gnade.

Mittel zur Selbstheiligung

O Seele, was wirst du tun, welches Mittel wirst du wählen, um die Höhe zu erreichen, auf die dich Gott beruft? Die Mittel des Heils und der Heiligung sind jedermann bekannt; im heiligen Evangelium sind sie verkündet, erklärt von den Lehrern des geistlichen Lebens, geübt von den Heiligen und notwendig für alle, welche ihre Seele retten und zur Vollkommenheit gelangen wollen. Es sind die Demut des Herzens, das beständige Gebet, die allseitige Abtötung, die Hingabe an die göttliche Vorsehung und die Gleichförmigkeit mit dem Willen Gottes.

Um aber diese Heiligungsmittel richtig zu gebrauchen, ist die Gnade Gottes unerlässlich notwendig, und diese wird allen Menschen mehr oder weniger reichlich verliehen. Ich sage: mehr oder weniger reichlich; denn obschon Gott unendlich gütig ist, erteilt er doch nicht allen gleich viel Gnade, wenn er auch jedem die hinlängliche Gnade gibt, dass er selig werden kann. Die treue Seele vollführt mit reichlicher Gnade eine große Tat, mit weniger Gnade eine geringere Tat. Der Wert und die Vortrefflichkeit der Gnade, die Gott verleiht und mit der die Seele mitwirkt, macht den Wert und die Vortrefflichkeit unserer Werke aus. Diese Grundwahrheiten sind unanfechtbar. Alles kommt daher darauf an, ein leichtes Mittel zu finden, um von Gott die notwendige Gnade zu erlangen , heilig zu werden und dieses leichte Mittel will ich dich lehren und sage kurz: Um diese Gnade Gottes zu erlangen, musst du Maria suchen und finden.

Stellung und Vorrechte der allerseligsten Jungfrau in der göttlichen Heilsordnung

1. Maria allein hat Gnade gefunden vor Gott und zwar für sich wie für jeden einzelnen Menschen. Die Patriarchen und Propheten, alle Heiligen des alten Bundes konnten diese Gnade nicht erlangen.

2. Maria hat dem Urheber aller Gnaden Dasein und Leben geschenkt, und deswegen wird sie die Mutter der Gnade, Mater gratiæ, genannt.

3. Gott Vater, von dem jede vollkommene Gabe und jede Gnade wie aus ihrer Quelle herabkommt, übergab Maria seinen Sohn und schenkte ihr damit alle seine Gnade, so dass, wie der hl. Bernhard sagt, in und mit dem Sohn ihr auch die Macht Gottes verliehen wurde.

4. Gott hat Maria zur Schatzmeisterin, zur Verwalterin und Ausspenderin aller seiner Gnaden erwählt, so dass alle seine Gnaden und Gabe durch ihre Hände gehen. Vermöge der Macht, die sie dazu von Gott erhielt, schenkt sie seitdem, wie der heilige Bernhard lehrt, die Gnade des ewigen Vaters, die Tugenden Jesu Christi und die Gaben des Heiligen Geistes, wem sie will und wie sie will, wann sie will und soviel sie will.

5. Wie in der Ordnung der Natur das Kind einen Vater und eine Mutter hat, ebenso muss in der Ordnung der Gnade ein wahres Kind der Kirche Gott zum Vater und Maria zur Mutter haben. Wer sich dagegen rühmt, Gott zum Vater zu haben, aber nicht die Zärtlichkeit eines wahren Kindes Maria gegenüber besitzt, ist ein Betrüger, der nur den Teufel zum Vater hat.

6. Weil Maria das Haupt der Auserwählten, welches Christus ist, gebildet hat, so kommt es auch ihr zu, die Glieder dieses Hauptes zu bilden, welches die wahren Christen sind. Denn eine Mutter bildet nicht das Haupt ohne die Glieder, noch die Glieder ohne das Haupt. Wer immer also ein Glied Jesu Christi sein will, der voll der Gnade und Wahrheit ist, muss in Maria gebildet werden, mittels der Gnade Jesu Christi, deren Fülle in ihr wohnt, um in Fülle den Gliedern Jesu Christi und ihren wahren Kindern mitgeteilt zu werden.

7. Weil der Hl. Geist Maria zur Braut gewählt und in ihr und durch sie und aus ihr jene Meisterwerk, Jesus Christus, das fleischgewordene Wort, hervorgebracht und sie seitdem nie verlassen hat, so fährt er auch fort, Tag für Tag, zwar geheimnisvoll, aber doch wahrhaft in ihr und durch sie die Auserwählten hervorzubringen.

8. Maria hat von Gott eine besondere Macht über die Seelen erhalten, um sie zu nähren und in Gott großzuziehen. Der hl. Augustinus sagt sogar, dass in dieser Welt die Auserwählten alle im Schoß Mariä eingeschlossen sind, und dass sie gewissermaßen erst dann zur Welt kommen, wenn diese gute Mutter sie zum ewigen Leben wiedergebiert. Wie demnach das Kind alle seine Nahrung von der Mutter erhält, die sie ihm seinem Bedürfnis entsprechend, darreicht, ebenso wird den Auserwählten alle ihre Nahrung und Kraft von Maria zu teil.

9. Zu Maria hat Gott Vater gesagt: In Jacob inhabita: Meine Tochter, nimm Wohnung in Jakob, d.h. in meinen Auserwählten, welche in Jakob ihr Vorbild haben. – Zu Maria sprach Gott der Sohn: In Israel hæreditare: Teure Mutter, in Israel, d.h. in den Auserwählten, habe dein Erbe. Der Heilige Geist endlich forderte Maria auf: In electis meis mitte radices: Geliebte Braut, in meinen Auserwählten sollst du Wurzel schlagen. Wer daher auserwählt und zum ewigen Leben bestimmt ist, in dessen Seele wohnt die allerseligste Jungfrau (Dieses Innewohnen Mariä in den Seelen bedeutet natürlich nicht eine wesentliche und persönliche Gegenwart Mariä, sondern nur ihr Liebe und Sorge für die Seelen und ihr Wirken in den Seelen) und schlägt in ihm Wurzel, aus der die tiefste Demut, die feurigste Liebe und alle anderen Tugenden hervorsprossen.

Wie Maria Jesus in uns bildet

Maria wird vom hl. Augustinus die lebendige Form Gottes genannt, forma Dei, weil in ihr allein der Gottmensch gebildet wurde, ohne dass ihm ein einziger Zug der Gottheit und der Menschheit fehlte. In ihr allein kann daher auch der Mensch durch die Gnade Jesu Christi naturgetreu zu einem gottähnlichen Geschöpf gebildet werden, soweit die menschliche Natur dazu fähig ist.

Ein Bildhauer kann eine Figur oder ein Bildnis auf zweifache Weise naturgetreu zustande bringen: Entweder meißelt er das Bildnis aus einer harten, gestaltlosen Masse, indem er all seine Geschicklichkeit und sein Wissen aufbietet und die besten Werkzeuge benützt, oder aber er gießt es in eine Form. Die erste Arbeit ist langwierig, schwer und vielen Zufälligkeiten unterworfen; oft kann ein einziger misslungener Schlag mit dem Meißel oder Hammer die ganze Arbeit verderben. Die zweite Art geht schnell, leicht, sanft und ohne besondere Mühe von statten, wenn nur die Form genau und naturgetreu darstellt, und die Materie, derer er sich bedient, ganz flüssig ist und sich widerstandslos ergießt.

Maria ist die erhabene Form Gottes, die vom Heiligen Geiste bereitet wurde, um in ihr den Gottmenschen durch die Vereinigung der göttlichen und menschlichen Natur in der einen Person des Sohnes Gottes naturgetreu zu bilden. Diesem Modell fehlt wahrlich kein Zug des Göttlichen. Wer sich daher jener Form anpasst und widerstandslos in ihr bilden lässt, nimmt alle Züge Jesu Christi an und zwar auf eine leichte und angenehme Weise, die der menschlichen Schwäche entspricht. Ohne großen Kampf und ohne drückende Beschwerde wird er Christus ähnlich werden, wobei auch jede Gefahr einer Täuschung ausgeschlossen ist, da der Teufel zu Maria keinen Zutritt hat und niemals haben wird. O, welch ein Unterschied zwischen einer Seele, die, wie ein Bildhauer auf ihre eigene Kraft angewiesen, sich mühsam in Christus umzuwandeln sucht, – und einer lenksamen, losgeschälten, selbstlosen Seele, welche, ohne auf sich zu vertrauen, sich ganz in Maria verliert und dort von der Hand des Heiligen Geistes bilden lässt! Ach, wie viele Flecken und Mängel, wie viel Verblendung und Selbsttäuschung, wie viel Natürliches und Menschliches haftet so leicht der ersten Seele an; wie sicher, wie schnell, wie mühelos gelangt die andere zur Ähnlichkeit mit Christus!

Lobpreis Mariens

Es gibt kein Geschöpf und wird nie ein solches geben, in welchem Gott mehr verherrlicht wird als in der heiligsten Jungfrau Maria; selbst die Cherubim und die Seraphim im Himmel nehme ich nicht davon aus. Maria ist das Paradies Gottes, seine geheimnisvolle Welt, in die der Sohn Gottes eintrat, um in ihr Wunder seiner Allmacht und Weisheit zu wirken, um sie unversehrt zu erhalten und sich ewig in ihr zu gefallen. Gott schuf eine Welt für den pilgernden Menschen, nämlich die Erde, die wir bewohnen, und eine Welt für den seligen Menschen, das himmlische Paradies. Für sich selbst schuf er eine andere Welt, der er den Namen Maria gab, unbekannt fast allen Sterblichen hienieden, unbegreiflich selbst den Engeln und Heiligen des Himmels. Überwältigt von Staunen, Gottes Herrlichkeit und Majestät in Maria verborgen zu sehen, rufen sie unaufhörlich bewundernd und jauchzend vor Freude: Heilig, Heilig, Heilig.

Die Seele findet Gott in Maria

Glücklich, tausendmal glücklich hienieden die Seele, welcher der Heilige Geist das Geheimnis Mariä offenbart und diesen verschlossenen Garten öffnet, die er hinzutreten lässt zu diesem versiegelten Quell, um aus ihm die lebendigen Wasser der Gnade zu schöpfen und in vollen Zügen zu trinken! In Maria, diesem liebenswürdigsten Geschöpfe, findet eine solche Seele keine irdischen Schwächen, keine menschlichen Gebrechen. Gott allein wohnt in ihr, unendlich heilig und erhaben, aber auch unendlich herablassend und gnädig. Weil Gott überall ist, so kann man ihn auch überall finden, selbst in der Hölle offenbart er seine Macht und Gerechtigkeit. Aber keinen Ort gibt es, wo er sich dem Menschen mehr nähert, sich herablassender seiner Schwäche anpasst und sich klarer offenbart als in Maria, in die er zu diesem Zwecke hinabgestiegen ist. Überall sonst bietet er sich dar als das Brot der Starken und der Engel, in Maria aber als das Brot der Kinder.

Man glaube deshalb nicht, wie manche Aufgeklärte, Maria sei als Geschöpf ein Hindernis für die Vereinigung mit dem Schöpfer; nicht Maria ist es mehr, die da lebt und uns das Leben bringt, sondern Jesus Christus, Gott allein, der in ihr lebt und in ihr wirkt. Ihre eigene Umwandlung in Gott übersteigt unendlich die innere Umgestaltung des hl. Paulus und anderer Heiligen, ja mehr, als der Himmel die Erde überragt. Maria ist nur für Gott erschaffen. Weit entfernt, eine Seele, die sich ihr anvertraut, für sich zu behalten, sucht sie diese vielmehr in Gott zu versenken und mit ihm um so vollkommener zu vereinigen, je mehr sie sich mit ihr vereinigt hat. Maria ist das wunderbare Echo Gottes, aus welchem nur „Gott“ zurückhallt, wenn man „Maria“ ruft, welches nur Gott verherrlicht, wenn man Maria mit den Worten der heiligen Elisabeth selig preist. Wenn jene sogenannten Aufgeklärten, die der Satan selbst bei ihren Gebeten betört, Maria gefunden hätten und durch Maria Jesus und durch Jesus Gott, wären sie nicht so tief gefallen. Hat man erst einmal Maria gefunden und durch Maria Jesus und durch Jesus Gott den Vater, so hat man alle Güter zugleich gewonnen, wie die Heiligen erklären. Mit Absicht sage ich: „alle“ Güter, denn nichts ist ausgenommen, alle Gnade und Freundschaft bei Gott, alle Sicherheit gegen die Feinde Gottes, alle Wahrheit gegen die Lüge, alle Kraft, um die Schwierigkeiten des Heils leicht zu überwinden, alle Süßigkeiten und Freude in den Bitterkeiten des Lebens.

Kein Kind Mariens ohne Kreuz

Damit soll nicht gesagt sein, dass jeder, der Maria durch wahre Andacht gefunden hat, frei sei von Kreuz und Leiden. Keineswegs, er ist von Leiden sogar oft mehr heimgesucht, als irgendein anderer; denn Maria schenkt, als Mutter der Lebendigen, ihren Kindern Anteil am Baume des Lebens, welcher das Kreuz Jesu Christi ist. Aber indem sie ihnen gute Kreuze zubereitet, verschafft sie ihnen auch die Gnade, sie geduldig und sogar freudig zu tragen. Daher sind die Kreuze, welche sie ihnen gibt, mehr süß als bitter. Wenn sie vielleicht auch eine Zeit lang die Bitterkeit des Kelches fühlen, den man notwendig trinken muss, um ein Freund Gottes zu sein, so ermutigt der Trost und die Freude, welche Maria der Traurigkeit folgen lässt, diese Seelen, bereitwillig noch schwerere und drückendere Kreuze zu tragen.

Maria der Weg zu Gott

Die Schwierigkeit unseres Geheimnisses besteht hauptsächlich darin, zu wissen, wie man die allerseligste Jungfrau wahrhaft findet, um mit ihr auch jede Gnade in überreichem Maße zu empfangen. Gott, als unumschränkter Herr, könnte uns zwar aus eigener Kraft alles mitteilen, was er uns jetzt nur durch Maria zukommen lässt. Oft genug tut er es auch selbst, was keineswegs geleugnet werden darf. Nach der Ordnung jedoch, welche die göttliche Weisheit festgesetzt hat, teilt er seine Gnaden gewöhnlich nur durch Maria mit, wie der hl. Thomas sagt. Man muss eben, um zu ihm emporzusteigen und sich mit ihm zu vereinigen, dasselbe Mittel gebrauchen, dessen er sich bediente, um zu uns herabzusteigen, Mensch zu werden und uns seine Gnaden mitzuteilen; und dieses Mittel ist die allerseligste Jungfrau Maria.

Zweites Kapitel: Die vollkommene Marienverehrung: Die Ganzhingabe

Drei Arten echter Marienverehrung

Es gibt mehrere Arten wahrer Andacht zur Mutter Gottes; von den falschen Andachten will ich hier gar nicht reden.

Die erste Art besteht darin, die Pflichten eines Christen gewissenhaft zu erfüllen, indem man die Todsünde meidet, mehr aus Liebe als aus Furcht handelt, von Zeit zu Zeit zur allerseligsten Jungfrau betet und sie als Mutter Gottes verehrt, ohne dass man sonst eine besondere Andacht zu ihr hegt.

Die zweite Art Andacht besteht darin, der allerseligsten Jungfrau vollkommenere Gesinnungen der Achtung, der Liebe, des Vertrauens und der Verehrung entgegenzubringen und diese Tugenden zu pflegen. So fühlt man sich z.B. veranlasst, den Rosenkranz- und Skapulierbruderschaften beizutreten, Altäre Mariä zu verehren, ihr Lob zu verkünden und sich in ihre Kongregationen aufnehmen zu lassen. Hütet man sich dabei vor der Sünde, so ist diese Andacht gewiss gut, heilig und löblich; aber sie ist doch nicht so vollkommen und so geeignet, die Seelen von den Geschöpfen abzuziehen und sie von sich selbst loszuschälen, um mit Jesus vereinigt zu leben, wie die folgende.

Diese dritte Andacht, welche nur von wenigen gekannt und von noch wenigeren geübt wird, will ich euch, auserwählte Seelen, jetzt offenbaren!

Die Ganzhingabe an Maria

Sie besteht darin, sich in der Eigenschaft eines Liebessklaven Mariä zu weihen, um durch sie Jesus ganz anzugehören, und alles mit Maria, in Maria, durch Maria und für Maria zu tun. Ich will diese Worte ausführlicher erklären.

Wer sich zu dieser Andacht entschließen will, muss zunächst einen bestimmten Tag dafür wählen, um sich freiwillig, ohne Zwang, aus Liebe, ganz und ohne Rückhalt der Mutter Gottes und durch sie dem Heilande zu schenken und zu opfern. Man weiht ihr nämlich seinen Leib und seine Seele, seine äußeren Güter, wie Haus, Familie und Einkünfte, seine inneren seelischen Güter, seine Verdienste, Gnaden und Sühneleistuungen.

Es ist zu beachten, dass man bei dieser Andacht das Teuerste, was die Seele besitzt, durch die Hände Mariä Jesus aufopfert. Nicht einmal in einem religiösen Orden wird dies verlangt, nämlich auf das Verfügungsrecht über den Wert seiner Gebete, Almosen, Abtötungen und Genugtuungswerke zu verzichten. Alle Rechte hierüber überlässt man bei dieser Andacht der allerseligsten Jungfrau, die alles nach ihrem Wohlgefallen zur größeren Ehre Gottes verwenden kann, die ihr am besten bekannt ist.

Man stellt ihr den ganzen genugtuenden und erlangenden Wert seiner guten Werke anheim, so dass man, auch ohne ein Gelübde zu machen, nach dieser Hingabe nicht mehr als Herr über das Gute schalten und walten kann, das man getan hat. Die allerseligste Jungfrau kann es nach ihrem Gutdünken einer armen Seele des Fegfeuers zuwenden, um sie zu trösten oder zu befreien, oder einem armen Sünder, um ihn zu bekehren usw.

Durch diese Andacht legt man ferner seine Verdienste in die Hände der Mutter Gottes, aber nur damit sie dieselben bewahre, vermehre und verschönere. Denn die Verdienste der heiligmachenden Gnade und der Glorie können anderen nicht mitgeteilt werden. Nur die erlangenden und genugtuenden Werte unserer Gebete und guten Werke kann sie austeilen und zuwenden, wem sie will. Wenn wir nach erfolgter Weihe an die allerseligste Jungfrau einer armen Seele im Fegfeuer Erleichterung oder einem Sünder Bekehrung oder sonst jemandem von unseren Verwandten und Freunden durch unsere Gebete, Almosen Abtötungen und Opfer Hilfe verschaffen wollen, müssen wir Maria demütig darum bitten und mit dem zufrieden sein, was sie beschließt. Wir können, auch wenn wir darüber in Unkenntnis bleiben, überzeugt sein, dass der Wert unserer guten Werke ganz sicher zur größeren Ehre Gottes verwendet wird, da ja dieselbe Hand darüber verfügt, deren sich selbst Gott zur Austeilung seiner Gnaden und Geschenke an uns bedient.

Grade der Abhängigkeit

Ich sagte soeben, diese Andacht bestehe darin, dass wir uns Maria in der Eigenschaft eines Sklaven hingeben, was manchem zuerst hart klingen mag. Es ist aber dabei zu bedenken, dass es drei Arten von Knechtschaft gibt. Da gibt es zunächst eine Knechtschaft von Natur; alle Menschen, die guten und bösen, sind in dieser Art Knechte oder Sklaven Gottes. – Die zweite Art ist Knechtschaft aus Zwang; so sind die Teufel und die Verdammten Sklaven Gottes. – Die dritte Art ist schließlich die Knechtschaft aus Liebe und freiem Willen und das ist diejenige, welche ich hier meine. Durch sie weihen wir uns Gott durch Maria auf die vollkommenste Weise, die einem Geschöpf möglich ist, um sich seinem Schöpfer hinzugeben.

Um dies besser zu verstehen, ist noch zu beachten, dass zwischen einem Diener und einem Sklaven ein großer Unterschied besteht (Heutzutage gebrauchen wir selbst das Wort „Knecht“ oft im Sinne von „Diener“. Das Wort „Sklave“ deckt sich daher nicht mehr mit dem Wort „Knecht“. Wir nehmen das Wort „Sklave“ hier im Sinne der alten Griechen und Römer, ohne damit den Gedanken ungerechter, gewalttätiger Unterdrückung zu verbinden). Der Diener beansprucht Lohn für seinen Dienst, auf den der Sklave zu verzichten hat. Dem Diener steht es frei, seinen Herrn zu verlassen, wann er will, er dient ihm nur für bestimmte Zeit; der Sklave kann seinen Herrn aber nie verlassen, er gehört ihm für immer an. Dem Diener gegenüber besitzt der Herr nicht das Recht über Leben und Tod; der Sklave gehört aber dem Herrn mit seiner ganzen Person, so dass sein Herr ihn töten lassen könnte, ohne von der weltlichen Gerechtigkeit gestraft zu werden. Man ersieht daraus leicht, dass der Sklave in vollkommener Abhängigkeit von seinem Herrn steht, wie es eigentlich für einen Menschen nur seinem Schöpfer gegenüber der Fall sein dürfte und soll. Deshalb halten sich Christen nie solche Sklaven; nur bei den Türken und Götzendienern ist diese Art von Sklaverei gebräuchlich. Glücklich und tausendmal glücklich aber die hochherzige Seele, welche sich gänzlich Jesu und Maria in der Eigenschaft eines Sklaven aus Liebe weiht, nachdem sie durch die Taufe die tyrannische Knechtschaft des Satans abgeschüttelt hat.

Vorzüge dieser Weihe

Viel Erleuchtung von oben hätte ich nötig, um die Vortrefflichkeit dieser Übung vollständig zu beschreiben. Ich will nur kurz sagen:

1. Sich in dieser Weise Jesus durch die Hände der allerseligsten Jungfrau als Leibeigener weihen, heißt Gott den Vater nachahmen, welcher seinen Sohn uns nur durch Maria gegeben hat und seine Gnaden uns nur durch Maria mitteilt. Auch Gott den Sohn ahmen wir nach, der nur durch Maria zu uns kam, und uns durch sein Beispiel auffordert, auf dem Wege durch Maria zu ihm zu kommen. Schließlich folgen wir auch dem Heiligen Geist, der seine Gnaden und Gaben uns nur durch Maria zuerteilt. Ist es da nicht gerecht, sagt der hl. Bernhard, dass die Gnade durch denselben Kanal zu ihrem Urheber zurückfließe, durch den sie zu uns gekommen ist?

2. In dieser Weise durch Maria zu Jesus gehen, heißt wahrhaft Jesus Christus ehren. Denn dadurch zeigen wir, dass wir uns wegen unserer Sünden nicht für würdig halten, seiner unendlichen Majestät unmittelbar und durch uns selbst zu nahen, und dass wir Maria, seine heilige Mutter, nötig haben, damit sie unsere Fürsprecherin und Mittlerin bei ihm sei, der wiederum unser Mittler beim Vater ist. Das heißt zugleich, sich ihm als unserm Mittler und Bruder nahen und sich vor ihm erniedrigen als vor unserem Gott und Richter, oder mit einem Worte, das heißt Demut üben, welche Gottes Herz stets entzückt.

3. Wer sich so Jesus durch Maria weiht, legt seine guten Handlungen in die Hände Mariä. Denn trotz ihres guten Scheines sind unsere Werke sehr oft befleckt und unwürdig der Annahme von Seiten Gottes, vor dem selbst die Sterne nicht rein erscheinen. Ach, bitten wir diese gute Mutter und Herrin, dass sie das armselige Geschenk unserer Handlungen reinige, heilige und verschönere, um es Gottes würdig zu machen. Alle Früchte unserer guten Werke sind vor Gott minderwertiger und weniger geeignet, uns seine Freundschaft und Gnade zu erwerben, als wenn ein armer Bauer seinem König die Pacht für sein Landgut mit einem wurmstichigen Apfel bezahlen wollte. Was würde dieser arme Mann wohl tun, wenn er verständig und bei der Königin in Gunst wäre? Würde er ihr nicht seinen Apfel geben, und würde nicht die Königin ihrerseits aus Güte gegen den Armen und aus Ehrerbietung vor dem König vom Apfel das Wurmstichige und Verdorbene entfernen, ihm zwischen Blumen auf einen goldenen Teller legen, um ihn so selbst dem König zu überreichen? Und könnte dann der König ihn anders als mit Freuden aus der Hand der Königin annehmen, welche diesem Landmann wohl will und Fürsprache für ihn einlegt? Modicum quid offerre desideras? Manibus Mariæ tradere cura, si non vis sustinere repulsam, „wenn du eine geringe Gabe Gott darzubringen wünschest, so übergib sie den Händen Mariä, wenn du nicht eine Zurückweisung erfahren willst“, sagt der hl. Bernhard. Ach Gott! Wie gering ist doch alles, was wir tun! Aber legen wir nur alles mittelst dieser Andacht in die Hände Mariä. Wenn wir uns ihr ganz schenken, so weit es geschehen kann, indem wir uns ihr zu Ehren alles Besitztums berauben, so wird sie gegen uns noch unendlich großmütiger sein und uns für ein Ei ein Huhn schenken. Sie wird sich uns völlig hingeben mit all ihren Verdiensten und Tugenden. Sie wird unsere Geschenke in die goldene Schale ihrer Liebe legen, wird uns bekleiden, wie Rebekka den Jakob, mit den schönen Kleidern ihres erstgeborenen und einzigen Sohnes Jesus Christus, d.h. mit den Verdiensten, welche zu ihrer Verfügung stehen. So werden wir als ihre Hausgenossen und Sklaven, welche ihr zu Ehren auf alles verzichtet haben, doppelte Kleidung besitzen: Omnes domestici eius vestiti sunt duplicibus: die Kleider und Kleinodien, die Verdienste und Tugenden Jesu und Mariä werden uns zu Verfügung stehen, mit denen wir uns als Sklaven Jesu und Mariä bekleiden können, nachdem wir uns unserer Armseligkeit entäußert haben.

4. Sich so der allerseligsten Jungfrau weihen, heißt im höchsten Grade die christliche Nächstenliebe üben, weil man Maria das Teuerste gibt, was man hat, damit sie nach ihrem Willen darüber zu Gunsten der Lebendigen und Toten verfüge.

5. Vermöge dieser Andacht bringt man auch seine Gnaden, Verdienste und Tugenden in Sicherheit, indem man sie Maria zur Bewahrung anvertraut und zu ihr spricht: „Siehe, meine gute Herrin, das ist das Gute, das ich mit der Gnade Deines Sohnes vollbracht habe. Ich bin nicht im Stande, es zu bewahren wegen meiner Schwäche und Unbeständigkeit, wegen der großen Zahl und Bosheit meiner Feinde, welche mich ohne Unterlass bedrängen. Ach, täglich sieht man Zedern des Libanon in den Staub fallen und Adler, welche sich bis zur Sonne erhoben, Nachtvögel werden. Tausend Gerechte fallen zu meiner Linken und zehntausend zu meiner Rechten. Himmlische und mächtige Fürstin, halte mich, damit nicht auch ich falle! Bewahre alle meine Güter, damit man sie mir nicht stehle! Ich lege alles, was ich habe, mit Vertrauen bei Dir nieder: Depositum custodi! – Scio cui credidi: ich weiß, wer Du bist, daher vertraue ich mich ganz Dir an. Du bist treu gegen Gott und gegen die Menschen und wirst nicht gestatten, dass etwas von dem verloren geht, was ich Dir anvertraue. Du bist mächtig, nichts kann Dir schaden und niemand Dir entreißen, was Du in den Händen hast. Ipsam sequens, non devias, ipsam rogans, non desperas: ipsam cogitans, non erras, ipsa tenente, non corruis, ipsa protegente, non metuis, ipsa duce, non fatigaris; ipsa propitia, pervenis (St. Bernhard). Und an einer anderen Stelle: Detinet Filium, ne percutiat; detinet diabolum, ne noceat; detinet virtutes, ne fugiant; detinet merita, ne pereant; detinet gratias, ne effluant. Das sind die Worte des hl. Bernhard, welche im wesentlichen das zusammenfassen, was ich soeben gesagt habe. Wenn dies der einzige Beweggrund wäre, um mich zu dieser Andacht zu ermuntern, dass sie nämlich das sichere Mittel ist, um mich in der Gnade Gottes zu erhalten und sie sogar in mir zu vermehren, so müsste ich schon deshalb für sie ganz Feuer und Flamme sein.

6. Diese Andacht macht die Seele schließlich wahrhaft frei in der Freiheit der Kinder Gottes. Da man aus Liebe zu Maria sich freiwillig zu ihrem Sklaven macht, so erweitert diese gute Herrin aus Erkenntlichkeit das Herz ihres Dieners, und lässt ihn mit Riesenschritten den Weg der Gebote Gottes gehen. Sie nimmt Überdruss, Traurigkeit und Skrupeln aus seinem Herzen hinweg. Das war die Andacht, welche unser Heiland die sel. Agnes von Jesus lehrte, als ein sicheres Mittel, um aus den großen Leiden und Verwirrungen herauszukommen, unter denen sie so lange gelitten hatte. „Mache dich zur Sklavin meiner Mutter!“ sprach Jesus zu ihr. Sie tat es und im Augenblick hörten ihre Leiden auf.

Um alle dies Vorteile zu bestätigen, könnte ich hier noch anführen alle Bullen und Ablässe der Päpste, alle Hirtenschreiben von Bischöfen zu Gunsten unserer Andacht, ebenso die zu ihrer Ehre errichteten Bruderschaften, das Beispiel von mehreren heiligen und großen Personen, welche sie geübt haben; aber ich übergehe das alles stillschweigend.

Innere Übungen der Ganhingabe

Ich sagte weiter, diese Andacht bestehe darin, dass man alle seine Handlungen durch Maria, mit Maria, in Maria, und für Maria vollbringt. Es ist nicht genug, sich einmal Jesus durch Maria in der Eigenschaft eines Sklaven zu weihen, es ist auch nicht genug, diese Weihe alle Monate oder Wochen zu wiederholen. Das wäre eine schnell vorübergehende Andacht, welche die Seele nicht zu der Vollkommenheit erheben könnte, zu welcher sie dieselbe wirklich zu erheben imstande ist. Es bietet nicht viel Schwierigkeit, sich in eine Bruderschaft aufnehmen zu lasse, oder äußerlich diese Andacht anzunehmen, und täglich einige mündliche Gebete zu sprechen, wie sie es vorschreibt. Die Schwierigkeit liegt vielmehr darin, in den Geist dieser Andacht einzudringen, welcher darin besteht, eine Seele innerlich abhängig zu machen von der allerseligsten Jungfrau, und durch sie von Jesus selbst. Ich habe viele Personen gefunden, welche äußerlich mit dem größten Eifer in die heilige Knechtschaft Jesu und Mariä eingetreten sind; aber selten habe ich solche gefunden, welche den Geist derselben erfasst haben, und noch weniger solche, welche darin ausharrten.

Alles mit Maria

1. Die wesentliche Übung dieser Andacht besteht darin, alle seine Handlungen durch Maria zu verrichten. Dies geschieht, wenn man sich nur durch Maria an Gott wendet, um nie allein, sondern nur durch ihre Fürbitte und Macht unterstützt, vor ihm im Gebete zu erscheinen.

2. Man soll alle seine Handlungen auch mit Maria verrichten, d.h. die allerseligste Jungfrau sich zum vollkommenen Vorbild nehmen bei allem, was man zu tun hat. Bevor man daher etwas unternimmt, soll man sich selbst und seinen Absichten entsagen, sich geradezu vor Gott vernichten und für ganz unfähig halten, etwas übernatürlich Gutes und Heilsames zu tun. Sodann soll man sich an die allerseligste Jungfrau wenden, um sich mit ihr und ihren, wenn auch unbekannten Absichten vereinigen. Durch Maria soll man sich dann mit den Absichten Jesu zu vereinigen suchen, d.h. sich wie ein Werkzeug in ihre Hände legen, damit sie in uns und mit uns handle, mit uns und für uns das tue, was ihr gut scheint, zur größeren Ehre des Sohnes und durch ihn zur Ehre des Vaters. Kurz, man soll in Bezug auf das innere geistliche Leben nichts unternehmen, als nur in Abhängigkeit von ihr.

Alles in Maria

3. Alle seine Handlungen soll man ferner verrichten in Maria, d.h. von Zeit zu Zeit soll man sich im eigenen Innern sammeln, um in sich ein geistiges Bild von Maria zu erwecken. Sie soll für die Seele der Tempel sein, in dem man Gott alle Gebet darbringt, ohne Furcht, zurückgewiesen zu werden; oder der Turm Davids, hinter dem man Schutz sucht gegen alle seine Feinde; oder das ewige Licht, um das ganze Innere zu erleuchten und es mit der göttlichen Liebe zu entzünden; oder der heilige Tabernakel, um in Maria und mit Maria Gott zu sehen.

Alles durch Maria

Maria soll endlich dieser Seele bei Gott ihr ein und alles und ihre ganze Zuflucht sein. Wenn die Seele betet, so geschehe es in Maria; wenn sie Jesus empfängt in der heiligen Kommunion, so überlasse sie ihn Maria, damit er bei ihr sein Gefallen finde; wenn sie arbeitet, so geschehe es in Maria; überall und in allem wird sie dann Akte der Selbstentsagung üben.

Alles für Maria

4. Endlich soll man alle seine Handlungen für Maria verrichten. Da man Sklave dieser erhabenen Fürstin ist, darf man ja nur noch für sie arbeiten, für ihren Nutzen, für ihre Ehre als dem nächsten Ziel und zur Ehre Gottes als dem letzten Ziel. Die Seele soll deswegen bei allem, was sie tut, ihrer Eigenliege entsagen, die sich selbst oft unbemerkt zu befriedigen trachtet. Sie soll schließlich oft von Grund des Herzens wiederholen: „O meine teure Herrin, für Dich gehe ich hierhin oder dorthin, für Dich tue ich dieses oder jenes, für Dich dulde ich diesen Schmerz und ertrage diese Unbilden!“

Wichtige Ratschläge

Hüte dich, teure Seele, zu glauben, dass es vollkommener sei, geradewegs zu Jesus, unmittelbar zu Gott zu gehen. Dein Handeln, deine Absicht würde von geringem Werte sein. Wenn du aber durch Maria zu Gott gehst, so wird Maria dich begleiten und in dir tätig sein, so dass dein Handeln erhaben und Gottes würdig ist.

Bemühe dich nicht, Trost oder Befriedigung zu suchen aus dem, was du tust und sagst. Handle, rede und lebe nur aus dem Glauben mit kindlichem Vertrauen, wie es Maria auf Erden tat, eine Gnade, die sie dir mit der Zeit mitteilen wird. Im Übrigen überlasse als armer, kleiner Sklave deiner Herrin die klare Anschauung Gottes, die Entzückungen, die Freuden, die Wonnen und Reichtümer. Dich selbst aber leite nur der reine, demütige Glaube, trotz allen Missbehagens, trotz deiner Zerstreuungen, deiner Langweile und deiner Trockenheiten. Sprich „Ja“ und „Amen“ zu allem, was Maria, deine himmlische Herrin, im Himmel tut. Das ist das Beste, was du für jetzt tun kannst. Betrübe dich vor allem nicht, wenn du nicht sogleich der süßen Gegenwart der allerseligsten Jungfrau in deinem Innern dich erfreust; diese Gnade wird nicht allen verliehen. Falls Gott in seiner großen Barmherzigkeit eine Seele damit beglückt, so kann sie diese doch wieder leicht verlieren, wenn sie sich nicht Mühe gibt, die innere Sammlung öfters zu erneuern. Wenn dir dieses Unglück begegnen sollte, so kehre gelassen wieder zu deiner Herrin zurück und leiste Sühne.

Die Früchte der Ganzhingabe

Wenn du diese Andacht übst und das wenige, was ich dich gelehrt, treu befolgst, wird deine eigene Erfahrung, schneller und besser, als ich es zu sagen vermag, dir zeigen, welch große Gnadenschätze mit dieser Übung verbunden sind; du wirst darüber staunen und mit Jubel erfüllt werden. Arbeiten wir demnach, geliebte Seele, und handeln wir so, dass durch treue Übung dieser Andacht die Seele Mariä in jedem von uns sei, um den Herrn zu verherrlichen, und der Geist Mariä uns innewohne, um in Gott, unserem Heilande, zu frohlocken. Das sind die Worte des hl. Ambrosius: Sit in singulis anima Mariæ, ut magnificet Dominum, sit in singulis spiritus Mariæ, ut exsultet in Deo. Sei überzeugt, dass keineswegs mehr Ehre und Glück darin besteht, im Schoß Abrahams, im Paradies zu ruhen, als im Schoß Mariä, denn in diesem hat Gott selbst seinen Thron aufgeschlagen. Das sind die Worte des gelehrten Abtes Guerricus: Ne credideris maioris esse felicitatis habitare in sinu Abrahæ, qui vocabatur Paradisus, quam in sinu Mariæ, in quo Dominus posuit thronum suum.

Diese Andacht, treu geübt, bringt in der Seele eine Fülle der herrlichsten Wirkungen hervor. Die hauptsächlichste aber besteht darin, dass das Leben Mariä in einer Seele so fest gegründet wird, dass es gewissermaßen nicht mehr die Seele ist, welche da lebt, sondern Maria in ihr; denn die Seele Mariä wird sozusagen ihre Seele. Ist aber durch diese unaussprechliche, aber doch wahrhafte Gnade die Gottesmutter Maria Königin in einer Seele, welche Wunder bringt sie nicht in derselben hervor! Sie ist ja die Meisterin der großen Wunderdinge, besonders im Inneren und arbeitet dort im Geheimen, sogar ohne Wissen der Seele, welche bei der Kenntnis hiervon leicht die Schönheit ihrer Arbeiten zerstören könnte.

Da Maria ferner überall die fruchtbare Jungfrau ist, so bringt sie in das Innere eines jeden Menschen, bei dem sie einkehrt, Reinheit des Herzens und des Leibes, Reinheit der Absichten und der Gedanken, sowie die Fruchtbarkeit der guten Werke hervor. Denke daher nicht, teure Seele, Maria, das fruchtbarste unter allen Geschöpfen, das sogar einen Gottmenschen zur Welt gebracht hat, bleibe müßig in einer reinen Seele. Sie wird diese immerdar für Jesus Christus und Jesus Christus in ihr leben lassen nach dem Worte des hl. Paulus: Filioli mei, quos iterum parturio, donec formetur Christus in vobis (Gal 4,19), „o meine Kindlein, für die ich abermals Geburtsschmerzen habe, bis Christus in euch gestaltet wird.“ Wenn Jesus Christus die Frucht Mariä in jeder einzelnen Seele ist, ebenso wie die Welt im allgemeinen, so ist Jesus Christus ganz besonders ihre Frucht und ihr Meisterwerk in jener Seele, in der sie Wohnung genommen hat.

Endlich wird Maria für eine solche Seele bei Jesus Christus alles erwirken. Sie erleuchtet den Verstand mir ihrem reinen Glauben, vertieft das Herz durch ihre Demut, erweitert und erwärmt es durch ihre Liebe, reinigt es durch ihre Reinigkeit, adelt und verherrlicht es durch ihre Mutterschaft. Doch wozu noch lange reden! Die Erfahrung lehrt diese Wunderwerke Mariä, die den Weisen und Stolzen, ja selbst den mittelmäßigen Christen beiderlei Geschlechtes unglaublich erscheinen.

Wenn Gott durch Maria das erste Mal in Erniedrigung und Selbstentäußerung in die Welt gekommen ist, warum sollte man nicht glauben, dass er auch das zweite Mal durch Maria kommen werde, wie die ganze Kirche ihn erwartet, um überall zu herrschen und zu richten die Lebendigen und Toten? Freilich, wie und wann dies geschehen wird, wer kann das wissen? Doch, das weiß ich, dass Gottes Gedanken von den unsrigen weiter entfernt sind, als der Himmel von der Erde, und dass er zu einer Zeit und auf eine Weise kommen wird, wann und wie es selbst die Gelehrtesten und schriftkundigsten Menschen am wenigsten erwarten. Man darf auch überzeugt sein, dass Gott gegen das Ende der Zeiten, und vielleicht eher als man meint, große, vom Hl. Geiste und vom Geiste Mariä erfüllte Männer erwecken wird, denen Maria die Gnade vermitteln wird, große Wunder in der Welt zu wirken, um die Sünde zu zerstören und das Reich Jesu Christi, ihres Sohnes, auf dem zertrümmerten Reich der verdorbenen Welt wiederherzustellen. Ja, gerade durch diese Andacht zur allerseligsten Jungfrau, welche ich freilich nur in kurzen Zügen andeuten und bei meiner Schwachheit nur unvollkommen darlegen kann, werden diese heiligen Männer alles zustande bringen.

Äußere Übungen der Ganzhingabe

Außer der innerlichen Übung dieser Andacht gibt es auch mehrere äußere Übungen, die man nicht unterlassen und vernachlässigen darf.

Vollzug der Weihe

Die erste Übung besteht darin, dass man sich an einem besonderen Gedenktag durch die Hände Mariä, zu deren Sklaven man sich macht, vollkommen dem Heiland schenkt. Zu diesem Zwecke wird man an dem betreffenden Tage die hl. Kommunion empfangen und ihn in größter Sammlung zubringen. Diesen Weiheakt soll man jährlich wenigsten einmal an demselben Tage erneuern.

Opfer

Zweitens soll man der allerseligsten Jungfrau jedes Jahr am gleichen Tage eine kleine Abgabe als Zeichen der Knechtschaft und Abhängigkeit entrichten. Auf solche Weise pflegten die Sklaven immer ihren Gebietern zu huldigen. Diese Abgabe kann in irgend einer Abtötung, einem Almosen, einer Wallfahrt oder einigen Gebeten bestehen. Der sel. Marinus hat sich, wie sein Bruder, der sel. Petrus Damianus, berichtet, alljährlich am Jahrestag seiner Aufopferung öffentlich vor dem Altare der allerseligsten Jungfrau gegeißelt. Derartiges wird aber von niemand verlangt, nicht einmal angeraten. Wenn man Maria auch nicht viel gibt, so soll man doch das wenige, das man ihr anbietet, mit demütigem und dankbarstem Herzen opfern.

Das Hauptfest der Ganzhingabe

Drittens soll man alljährlich mit besonderer Andacht das Fest der Verkündigung des Herrn, das Hauptfest dieser Andacht, begehen, an welchem man vor allem die Abhängigkeit betrachtet, ehrt und nachahmt, der sich das ewige Wort Gottes aus Liebe zu uns an diesem Tage unterzogen hat.

Besondere Gebete

Die vierte äußere Übung besteht darin, jeden Tag, ohne sich jedoch durch eine Sünde dazu verpflichtet zu halten, die kleine Krone der allerseligsten Jungfrau zu beten, die aus drei Vater unser und zwölf Ave Maria besteht. Auch ist es ratsam, oft das Magnifikat zu beten, welches der einzige Gesang ist, den wir von Maria haben, um Gott für seine Wohltaten zu danken und um neue Gnaden zu erlangen. Ganz besonders sollen wir es uns angelegen sein lassen, diesen Lobgesang nach der hl. Kommunion zur Danksagung zu verrichten, wie es nach der Meinung des gelehrten Gerson die allerseligste Jungfrau selbst nach der Kommunion zu tun pflegte.

Drittes Kapitel: Pflege und Wachstum des Lebensbaumes

Die Ganzhingabe: der wahre Lebensbaum

Auserwählte Seele, hast du durch die Wirkung des Heiligen Geistes begriffen, was ich dir soeben gesagt habe? Danke Gott dafür; denn es ist ein den meisten unbekanntes Geheimnis. Wenn du den im Acker Mariä verborgenen Schatz, die kostbare Perle, gefunden hast, von der das Evangelium redet, so verkaufe alles, was du hast, um sie zu erwerben. Bringe dich selbst als Opfer dar, lege es in die Hände Mariä und verliere dich ganz in ihr, um daselbst Gott allein zu finden.

Wenn der Heilige Geist in deine Seele den wahren Baum des Lebens gepflanzt hat – das ist die Andacht, welche ich soeben erklärt habe –, so musst du allen Fleiß anwenden, um ihn zu pflegen, damit er zur rechten Zeit Früchte bringe. Diese Andacht ist das Senfkörnlein, von dem es im Evangelium heißt, dass es zwar das kleinste Samenkorn ist, aber dennoch zu einem großen Baume heranwächst, dass die Vögel des Himmels, d.h. die Auserwählten, in seinen Zweigen sich einnisten, bei der Hitze der Sonne in seinem Schatten ausruhen und sich dort vor den wilden Tieren in Sicherheit bringen.

Die Pflege des Lebensbaumes

1. Ist dieser Baum erst einmal in einem getreuen Herzen gepflanzt, so will er in freier Luft und ohne menschliche Stütze wachsen. Weil göttlichen Ursprungs, soll ihn kein Geschöpf hindern, sich zu Gott, seinem Ursprung, zu erheben. Nicht auf ihren eigenen Fleiß und ihre natürlichen Talente, auf ihr Ansehen oder auf die Autorität der Menschen soll sich die Seele stützen: zu Maria soll sie ihre Zuflucht nehmen und nur auf ihre Hilfe zählen.

2. Die Seele, in welcher dieser Baum gepflanzt ist, muss wie ein guter Gärtner unaufhörlich damit beschäftigt sein, ihn zu bewachen und im Auge zu haben. Denn dieser Baum, der Leben hat und Früchte des Lebens hervorbringen soll, will durch beständige und sorgfältige Pflege von Seiten der Seele großgezogen werden. Eine Seele, welche vollkommen werden will, muss oft an diese Aufgabe denken, ja ihre Hauptbeschäftigung daraus machen.

3. Dornen und Disteln muss man ausreißen und abschneiden, welche mit der Zeit diesen Baum ersticken oder daran hindern könnten, seine Frucht zu tragen, das heißt man muss sich befleißigen, durch Abtötung und Selbstüberwindung alle unnützen Vergnügungen und eitlen Beschäftigungen mit den Geschöpfen unnachsichtig zu vermeiden, oder mit andern Worten, man muss sein Fleisch kreuzigen, das Sillschweigen halten und seine Sinne abtöten.

4. Man muss sorgfältig darüber wachen, dass die Raupen diesem Baum keinen Schaden zufügen. Diese Raupen sind die Eigenliebe, die Liebe zur Bequemlichkeit, welche die grünen Blätter zernagen und die schönsten Früchte zerstören. Die Eigenliebe verträgt sich nie und nimmer mit der wahren Liebe zu Maria.

5. Böse und schädliche Tiere muss man sorgfältig fernhalten. Diese Tiere sind die Sünden, welche dem Baume des Lebens durch die bloße Berührung schon den Tod bringen können; nicht einmal ihr Hauchs soll sie anwehen, d.h. die lässlichen Sünden, welche stets sehr gefährlich sind, wenn man sie leichtsinnig begeht.

6. Man muss diesen göttlichen Baum häufig begießen, indem man seine Übungen der Frömmigkeit, seine Beichten, seine Kommunionen und andere öffentliche und private Gebetsübungen gut verrichtet; sonst würde der Baum aufhören, Früchte zu tragen.

7. Man soll sich keine Sorge machen, wenn dieser Baum vom Winde bewegt und geschüttelt wird. Es ist selbstverständlich, dass der Wind der Versuchungen weht, um ihn zum Falle zu bringen, und dass Schnee und Eis auf ihn fallen, um ihn zu verderben. Diese Andacht zur allerseligsten Jungfrau wird sicher viel angegriffen werden und Widerspruch erleiden; wenn man aber in der Pflege derselben beharrlich bleibt, ist nichts zu fürchten.

Die Frucht des Lebensbaumes: Jesus Christus

Auserwählte Seele, wen du so den vom Heiligen Geiste in deine Seele neu gepflanzten Baum hegst und pflegst, so versichere ich dir, wird er in kurzer Zeit so hoch wachsen, dass die Vögel des Himmels darin wohnen können. Er wird so vollkommen werden, dass er zu seiner Zeit die Frucht der Ehre und der Gnade, d.h. den liebens- und anbetungswürdigen Jesus hervorbringen wird, der ja immer die einzige Frucht Mariä gewesen ist und sein wird.

Glücklich eine Seele, in welcher Maria, der Baum des Lebens, gepflanzt ist; glücklicher jene, in welcher er wachsen und blühen kann; überaus glücklich jene, in welcher er seine Früchte bringt; am glücklichsten von allen aber jene, welche seine Frucht verkostet und bewahrt bis in den Tod und in alle Ewigkeit. Amen.

Qui tenet, teneat. - Wer besitzt, bewahre es!

Gebet zu Jesus

Mein liebenswürdigster Jesus, erlaube mir, mich an Dich zu wenden, um meine Dankbarkeit für die Gnade zu bezeugen, dass Du mich durch die Andacht der heiligen Knechtschaft Deiner heiligen Mutter übergeben hast, damit sie meine Fürsprecherin bei Deiner Majestät und meine allseitige Helferin in meinem Elend sei. Ach Herr ich bin so sündhaft und armselig, dass ich ohne diese gute Mutter unfehlbar verloren wäre. Ja, Maria ist mir bei Dir und überall notwendig, um Dich in Deinem gerechten Zorne zu besänftigen, da ich Dich so oft beleidigt habe, und Dich noch alle Tage beleidige. Maria muss mir helfen, um die ewigen Strafen Deiner Gerechtigkeit aufzuhalten, die ich verdiene. Ohne sie dürfte ich nicht mit Dir reden, Dich um etwas bitten, oder überhaupt mich Dir nahen. Ohne ihre Hilfe wäre es mir unmöglich, mich selbst und die Seelen anderer zu retten; mit einem Wort, Maria ist mir notwendig, um immer Deinen heiligen Willen zu erfüllen und in allem Deine größere Ehre zu fördern. Ach wie betrübt es mich, dass ich nicht in der ganzen Welt verkünden kann, welche Barmherzigkeit Du mir erzeigt hast und wie ich ohne Deine Mutter schon längst verdammt wäre! O könnte ich Dir doch würdigen Dank abstatten für eine so große Wohltat! Maria gehört mir, hæc facta es mihi. Welch ein Schatz! Welcher Trost! Und nach all dem sollte ich nicht ganz ihr gehören? O, welche Undankbarkeit! Mein göttlicher Erlöser, schicke mir lieber den Tod, als dass Du zulässt, dass dieses Unglück mich treffe, denn ich will lieber sterben, als leben, ohne ganz Maria zu gehören. Tausend und tausendmal habe ich mit dem hl. Johannes am Fuße des Kreuzes Deine teuerste Mutter zu mir genommen und habe mich ihr ebenso oft geschenkt. Sollte ich damit aber Deinen Wünschen noch nicht genügend entsprochen haben, mein lieber Jesus, so will ich es jetzt wiederholen, wie Du willst, dass ich es tun soll. Und wenn Du in meiner Seele oder in meinem Leben etwas siehst, was nicht dieser erhabenen Herrin angehört, so bitte ich Dich, es mir zu entreißen und es weit von mir fort zu werfen, da es Deiner nicht würdig ist, wenn es Maria nicht gehört.

O Heiliger Geist! Verleihe mir alle diese Gnaden: Pflanze, begieße und pflege in meiner Seele die liebenswürdige Maria, welche der Baum des wahren Lebens ist, damit er wachse, blühe und die Frucht des Lebens in Fülle bringe. O Heiliger Geist! Gib mir eine große Andacht und eine große Zuneigung zu Maria, Deiner hehren Braut, ein großes Vertrauen auf ihren mütterlichen Schutz und lass mich bei ihrer Barmherzigkeit ständig eine Zuflucht finden, damit ich mit Deiner Hilfe in ihr Jesus Christus ähnlich werde und bis zur Fülle seines vollendeten Alters gelange. Amen.

Gebet zu Maria

Ich grüße Dich, Maria, vielgeliebte Tochter des ewigen Vaters, wunderbare Mutter des Sohnes und treueste Braut des Heiligen Geistes. Ich grüße Dich, Maria, meine teure Mutter, meine liebenswürdige Herrin und meine mächtige Fürstin. Ich grüße Dich, meine Freude, mein Ruhm, mein Herz und meine Seele! Du gehörst ganz mir aus Barmherzigkeit, und ich bin ganz Dein aus Gerechtigkeit; aber ich bin es noch nicht genug! Daher schenke ich mich Dir ganz von neuem in der Eigenschaft eines ewigen Sklaven, ohne etwas für mich oder andere zurückzubehalten. Wenn Du in mir etwas siehst, was dir nicht angehört, so bitte ich Dich, dies sofort aus mir zu beseitigen und Dich zur unumschränkten Herrin meines ganzen Wesens zu machen. Zerstöre, rotte aus und vernichte in mir, was Gott missfällt; pflanze, fördere und schaffe, was Dir gefällt. Das Licht Deines Glaubens möge die Finsternis meines Geistes zerstreuen und Deine tiefe Demut an die Stelle meines Stolzes treten; die beseligende Betrachtung Deiner Herrlichkeiten möge den Zerstreuungen meiner umherschweifenden Einbildungskraft Einhalt tun, und Dein beständiges Schauen auf Gott mein Gedächtnis mit seiner Gegenwart erfüllen. Das Feuer der Liebe Deines Herzens möge die Kälte und Lauheit des meinigen entzünden. Deine Tugenden sollen den Platz meiner Sünden einnehmen und Deine Verdienste mein Schmuck und mein Ersatz bei Gott sein! Endlich teuerste und geliebteste Mutter, wenn es möglich ist, gib, dass ich keinen andern Geist habe, als den Deinen, um Jesus Christus und seinen göttlichen Willen zu erkennen; dass ich keine andere Seele habe, als die Deine , um den Herrn zu loben und zu preisen; dass ich kein anderes Herz habe, als das Deine, um Gott mit reiner und glühender Liebe zu lieben, wie Du! Nicht um Gesichte und Offenbarungen bitte ich Dich, noch um Süßigkeit und Freude, wenn es auch geistliche wären. Mögest du nur schauen ohne Finsternis und vollkommen kosten ohne Bitterkeit. Mögest Du nur glorreich triumphieren zu Rechten Deines Sohnes im Himmel ohne irgendeine Demütigung, den Engeln, den Menschen und den Dämonen unbeschränkt gebieten ohne Widerstand, und über die Güter Gottes nach Deinem Willen verfügen ohne Vorbehalt. Das ist, o himmlische Mutter, der beste Teil, den der Herr Dir gegeben hat und der Dir nie wird genommen werden: das erfüllt mich mit großer Freude.

Für mich hienieden will ich keinen anderen Teil, als den, welchen Du selbst hier auf Erden gehabt hast: nämlich reinen Glauben, ohne zu kosten oder zu schauen, freudiges Leiden, ohne Trost von Seiten der Geschöpfe, beständiges Absterben meiner selbst und mutvolle Arbeit für Dich bis in den Tod, ohne einen anderen Gewinn, als der Geringste Deiner Sklaven zu sei. Als einzige Gnade, erbitte ich von Deiner Barmherzigkeit, dass ich alle Tage und alle Augenblicke meines Lebens dreimal Amen sagen könne: Amen zu allem, was Du auf Erden getan hast, als Du hier lebtest; Amen zu allem, was Du im Himmel tust; Amen zu allem, was Du in meiner Seele tust, auf dass niemand dort sei, als Du, um vollkommen Jesus zu verherrlichen in mir für Zeit und Ewigkeit. Amen.

Literatur

Weblinks