Intransigenz
Mit Intransigenz wird allgemein eine kompromisslose Haltung bezeichnet. In der Kirchengeschichte wird damit insbesondere die defensive Haltung der Päpste im 19. Jahrhundert bewertet. Vor allem Gregor XVI. und Pius IX. vertraten gegenüber den modernen Ideen ihrer Epoche eine ablehende, verurteilende Position (Enz. Mirari vos 1832, Enz. Quanta cura mit Syllabus, 1864).
Papst Leo XIII., der in allen wesentlichen Fragen gleichermaßen intransigent dachte, bevorzugte jedoch in seinen Lehrschreiben bereits eine dialogische, fast pädagogische Methode. Daher gilt er bei Historikern oft als Urheber der Öffnung zur Welt, die angeblich "erst" im II. Vatikanum zum Durchbruch kam. Jedoch haben Reformpäpste wie Pius X. und Paul VI. stets betont, dass ein Mindestmaß an Intransigenz der Identität des Katholizismus unaufgebbar zu eigen ist. Weder das Dogma noch der Anspruch der Kirche, der Welt eine Soziallehre vorzuschlagen, sind verhandelbar. Ob in der Selbstdarstellung der Kirche intransigente oder dialogische Methoden überwiegen, kann aber nicht unabhängig vom jeweiligen Zeitalter beurteilt werden.
In weltanschaulich ermatteten, fast verstörten Zeiten, wie zu Beginn des XXI. Jahrhunderts, trifft die Wertorientierung durch die Kirche wieder auf mehr Respekt als im optimistisch eingestellten XIX. Jahrhundert, dessen (päpstlich kritisierter) Fortschrittsglaube auf den Schlachtfeldern des XX. Jh. verblutete. Weder Modernität noch Intransigenz eignen sich allein als Maßstab zur Beurteilung amtlicher Akte der Kirche, da fast jede kirchliche Lebensäußerung beiden Aufgaben gerecht werden muss: Die katholische Identität muss sich im Dialog bewähren. So lehrte es u.a. auch Avery Dulles S.J. (siehe auch dort):
Die Intransigenz des Konzils
In Vorträgen von 2002 hat Kardinal Avery Dulles die seiner Ansicht wesentlichsten Irrtümer in der Interpretation des II. Vatikanum in zwölf Punkten zusammengefasst. Seine wichtigsten Richtigstellungen:
- The council taught that salvation cannot be found in any other name that of Jesus.
Dem Konzil wird nachgesagt, es habe nichtchristlichen Religionen zuerkannt, dass sie Offenbarungscharakter enthalten und zum Heil führen können. Anders aber: Ad gentes Nr. 9, Gaudium et spes Nr. 10, Dignitatis humanae Nr. 1, Lumen gentium Nr. 16.
- Scripture is an inspired and privileged sedimentation of tradition but not an independent or separable norm.
Dem Konzil wird nachgesagt, das Konzil habe der Heiligen Schrift vor der Tradition den Vorrang eingeräumt. Anders aber Dei Verbum, insb. Nr. 9.
- It taught that revelation became complete in Jesus Christ and that no further public revelation is to be expected before the end of time, when Christ returns in glory (DV, Nr. 4).
Dem Konzil wird nachgesagt, es messe den "Zeichen der Zeit" normativen Charakter für den Inhalt der Offenbarung heute bei. Das Gegenteil ist der Fall, siehe insb. Gaudium et spes, Nr. 4.
- But in reality the council affirmed that faith and baptism are necessary for salvation and that, since baptism is the door to the church, the church is too necessary.
Dem Konzil wird nachgesagt, es habe auf die Heilsnotwendigkeit der Kirche verzichtet und den Absolutheitsanspruch der wahren Religion preisgegeben. Lumen gentium Nr. 14-16 spricht aber anders.
Fazit
Aus derselben Motivation heraus kann das kirchliche Amt einmal so, einmal anders urteilen (müssen); beispielsweise wurde die Action française 1926 päpstlich verurteilt. In einer anderen Lage wurde das Verbot 1939 aufgehoben. Auch die praktische Zurückdrängung der alten Messe in den 1970er Jahren diente genauso wie ihre Freigabe seit 1984 bzw. erweitert durch Summorum Pontificum 2007 jedesmal der Autorität von Papst und Konzil.