Diakonisse
Diakonisse (weibliche Form von altgriechisch διάκονος diákonos ‚Diener, Knecht‘: spätgriechisch διακονίσσα diakoníssa; kirchenlateinisch diaconissa ‚[Kirchen-]Dienerin‘, in der Spätantike auch ‚Ehefrau eines Diakons‘ (J.F. Niermeyer & C. van de Kieft: Mediae Latinitatis Lexicon Minus, Bd. 1 A - L, 2. Aufl., Leiden 2002, S. 432.), im 6. Jahrhundert auch Diakonin<ref> Synode von Epaôn (517), can. 21 (C. de Clercq, Concilia Galliae: 511–695 [CCL 148A, 29]). Diakonin ist lt. Duden die heutige weibliche Sprachform von Diakon (Duden. Die deutsche Rechtschreibung, 25. Auflage, S. 243).
Mit "Diakonisse" war eine Frau (oft eine Witwe oder Jungfrau) gemeint, die mit gewissen Hilfeleistungen bezüglich der Frauen in der Seelsorge betraut war.
In der Ostkirche ist die Existenz von Diakonnien vom 3. bis zum 10. Jahrhundert bezeugt; Voraussetzung war Ehelosigkeit oder Witwenschaft. "Im Westen gab es während der ersten fünf Jahrhunderte keine Spur von Diakonissen",<ref>vgl..</ref> vom 6. bis ins 13. Jahrhundert ist der Stand der Diakonin auch in der Westkirche bezeugt, allerdings schwer mit dem Amt des Diakons zu vergleichen.<ref>Eva-Maria Faber: Art. Diakon. II.3. Zur Geschichte der Diakoninnen in: Lexikon für Theologie und Kirche, 3. Aufl., Bd. 3, Sp.180f.</ref>
Diakonissen empfingen eine Weihe, die genau wie die Abtsweihe kein Sakrament war, sondern ein Sakramentale. In der Spätantike konnte mit diaconissa auch die Frau eines Diakons oder eine Äbtissin gemeint sein.<ref>Konzil von Tours (567), can. 20 Diaconus cum sua diaconissa, zitiert nach: J.F. Niermeyer & C. van de Kieft: Mediae Latinitatis Lexicon Minus, Bd. 1 A - L, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 2. Aufl., Leiden 2002, S. 432.</ref>
Der Begriff "Diakonisse" wird im katholischen Sprachgebrauch heute nur in historisch-beschreibender Bedeutung benutzt. Als Diakonisse wird eine "in einer Schwesterngemeinschaft lebende, in der Diakonie tätige Frau" bezeichnet, gemeint sind nahezu ausschließlich die Mitglieder evangelischer Schwesterngemeinschaften. Der Duden nennt als konfessionsneutralen Begriff "Diakonin" und als Definition für "Diakonisse": "ev. Kranken- u. Gemeindeschwester" (Die deutsche Rechtschreibung, 25. Auflage, S. 243).
Inhaltsverzeichnis
Historische Aufgaben
Die Didaskalia Apostolorum (Syrien, um 280), Kapitel XVI (Die syrische Didaskalia, übersetzt und erklärt von Hans Achelis und Johs. Flemming, Band 2, Leipzig 1904 online) sagt zu den Aufgaben:
- Deshalb, o Bischof, sollst du um dich Arbeiter der Gerechtigkeit berufen, die dir lebenslange Helfer sind. Unter allen Leuten sollst du die, die dir gut erscheinen, als Diakone wählen und berufen, einen Mann, um viele nötige Dinge zu tun, und eine Frau für den Dienst an den Frauen. Denn es gibt Häuser, wohin du den Diakon nicht zu Frauen senden kannst wegen der Heiden, sondern du sollst die Diakonisse senden. Denn es ist auch in vielen andern Dingen das Amt einer Frau erforderlich. (85,4)
Diese Quelle zeigt, dass Diakonissen spezifisch für solche Dienste notwendig waren, bei denen ein Mann aus sittlichen Gründen nicht eingesetzt werden konnte. Dazu gehörten:
- der Beistand bei der Taufe erwachsener Frauen: „Es ist erforderlich, dass die, die in das Taufbecken hinein gehen, von einer Diakonisse mit dem Salböl gesalbt werden.“ (85,13) Der Hintergrund ist hier die Ganzkörpersalbung vor der Taufe.
- die Instruktion neugetaufter Frauen: „Wenn die Getaufte aus dem Wasser kommt, soll die Diakonisse sie empfangen und sie lehren, wie das Siegel der Taufe in Keuschheit und Heiligkeit ungebrochen bleibt.“ (85,22) Hierzu gehörten auch klare Worte zu sexuellen Dingen, deshalb kam ein Mann für dieses Gespräch nicht in Frage.
- Hausbesuchebei Frazuen und das Überbringen von Botschaften des Bischofs an Frauen (85,33)
- Kranke und Arme zu betreuen (85,33).
Im Westen verlor sich das Institut der Diakonissen schon im frühen Mittelalter, wenn sich auch Formulare für deren Weihe vereinzelt noch in Pontifikalien der zweiten Hälfte desselben finden.<ref>Joseph Braun: Handlexikon der katholischen Dogmatik, Herder & Co., Freiburg im Breisgau 1926, Diakonissen: S. 53 (Imprimatur Friburgi, die 17. Iulii 1926 Dr. Sester, Vic. Gen.)</ref>
Neuzeitliche Wiederbelebungen
Evangelisch: Diakonissen
Eine Diakonisse im aktuellen deutschen Sprachgebrauch<ref>Duden, Die deutsche Rechtschreibung; Lexikon für Theologie und Kirche, 3. Aufl., Bd. 3</ref> ist eine Frau, die in einer evangelischen, verbindlichen Lebens-, Glaubens- und Dienstgemeinschaft (Schwesterngemeinschaft) lebt und in der Diakonie tätig ist. Diakonissen leben in der Regel in einem Diakonissenhaus oder einer Diakonissenanstalt.<ref>Reinhard Turre: Art. "Diakonissen" in Lexikon für Theologie und Kirche, 3. Aufl., Bd. 3, Sp. 187f.</ref>
Die Diakonissen-Gemeinschaften entstanden im 19. Jahrhundert. Theodor Fliedner gab 1836 den Diakonissen eine Lebensordnung und beschrieb ihre Sendung: "Diakonissen, das heißt Dienerinnen sein; Dienerinnen des Herrn Jesus, Dienerinnen der Hilfsbedürftigen um Jesu willen, Dienerinnen untereinander." Ihnen entspricht im katholischen Bereich die Gründung zahlreicher Kongregationen von Ordensschwestern zur selben Zeit, die sich der Krankenpflege und anderen sozialen und erzieherischen Aufgaben widmeten.<ref>Benedikt XVI.: Enzyklika Deus caritas est (25. Dezember 2005), Nr. 27.</ref>
Katholisch: Geweihte Jungfrau
Papst Paul VI. knüpfte an die Tradition der frühen Kirche und den urchristlichen Gedanken der Berufung zu einem geweihten Leben einer Frau als Diakonisse an, als er 1970 die Jungfrauenweihe wiederbelebte. Die Empfängerinnen der Weihe werden "geweihte Jungfrau" genannt. Das Institut der geweihten Jungfrau nimmt in der katholischen Kirche .
Diakonat der Frau
Hauptartikel: Diakon#Zu einem "Diakonat der Frau"
Die Studie Der Diakonat: Entwicklung und Perspektiven der Internationalen Theologenkommission des Vatikans hat im Jahre 2002 festgestellt:
"Was die Ordination von Frauen zum Diakonat betrifft, sei angemerkt, dass sich aus dem bisher Dargelegten zwei wichtige Hinweise ergeben: Die Diakonissen, die in der Überlieferung der frühen Kirche erwähnt werden, sind - entsprechend dem, was der Ritus der Einsetzung und die ausgeübten Funktionen nahelegen - nicht schlicht und einfach mit den Diakonen gleich zu setzen. [...]" "Es scheint klar, dass dieses Dienstamt nicht als das einfache weibliche Äquivalent des männlichen Diakonats aufgefasst wurde." "Nach dem Ambrosiaster (Rom, Ende 4. Jahrhundert) war der weibliche Diakonat das Erbe der häretischen Montanisten."<ref> Vgl. Ambrosiaster, ed. H.I. Vogels (CSEL 81/3, 268).</ref>
Literatur
- Leo Scheffczyk (Hrsg.): Diakonat und Diakonissen, EOS Verlag St. Ottilien 2002 (376 Seiten; ISBN 3-8306-7119-9).
- Gerta Scharffenorth, Schwestern. Leben und Arbeit Evangelischer Schwestern in: Kennzeichen, Band 10; Burckhardthaus, Offenbach am Main 1984; ISBN 3-7664-0111-4.
Anmerkungen
<references/>