Desiderio desideravi
Desiderio desiderav |
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von Papst
Franziskus
an die Bischöfe, die Priester, die Diakone, an die gottgeweihten Personen und an die gläubigen Laien über die liturgische Bildung
Allgemeiner Hinweis: Was bei der Lektüre von Wortlautartikeln der Lehramtstexte zu beachten ist |
Inhaltsverzeichnis
- 1 Desiderio desideravi hoc Pascha manducare vobiscum, antequam patiar (Lc 22,15).
- 2 Die Liturgie: das Heute der Heilsgeschichte
- 3 Die Liturgie: Ort der Begegnung mit Christus
- 4 Die Kirche: Sakrament des Leibes Christi
- 5 Der theologische Sinn der Liturgie
- 6 Die Liturgie: das Gegenmittel gegen das Gift der spirituellen Weltlichkeit
- 7 Jeden Tag die Schönheit der Wahrheit des christlichen Feierns wiederentdecken
- 8 Das Staunen über das Pascha-Mysterium: wesentlicher Bestandteil des liturgischen Aktes
- 9 Die Notwendigkeit einer ernsthaften und belebenden liturgischen Bildung
- 10 Ars celebrandi
- 11 Anmerkungen
- 12 Weblinks
Desiderio desideravi hoc Pascha manducare vobiscum, antequam patiar (Lc 22,15).
1. Meine lieben Schwestern und Brüder,
mit diesem Brief möchte ich mich an alle wenden - nachdem ich mich nach der Veröffentlichung des Motu Proprio Traditionis custodes bereits eigens an die Bischöfe gewandt habe -, um mit Euch einige Überlegungen zur Liturgie, einer grundlegenden Dimension für das Leben der Kirche, zu teilen. Das Thema ist sehr umfangreich und verdient in all seinen Aspekten eine sorgfältige Betrachtung: Mit diesen Zeilen beabsichtige ich jedoch nicht das Thema erschöpfend zu behandeln. Ich will hier schlichtweg einige Denkanstöße geben, um die Schönheit und Wahrheit der christlichen Feier zu betrachten.
Die Liturgie: das Heute der Heilsgeschichte
2. „Mit großer Sehnsucht habe ich danach verlangt, vor meinem Leiden dieses Paschamahl mit euch zu essen.“ (Lk 22,15) Die Worte Jesu, mit denen der Bericht über das letzte Abendmahl beginnt, sind der Spalt, durch den wir die erstaunliche Möglichkeit erhalten, die Tiefe der Liebe der Personen der Heiligsten Dreifaltigkeit zu uns zu ermessen.
3. Petrus und Johannes waren gesandt worden, um sich auf das Paschamahl vorzubereiten, aber bei genauerem Hinsehen ist die gesamte Schöpfung, die gesamte Geschichte – die sich schließlich als Heilsgeschichte offenbaren sollte – eine große Vorbereitung auf dieses Mahl. Petrus und die anderen stehen an diesem Tisch, unwissend und doch unverzichtbar: Jede Gabe, die eine solche sein soll, muss jemanden haben, der bereit ist, sie zu empfangen. In diesem Fall ist das Unverhältnis zwischen der Größe des Geschenks und der Kleinheit des Empfängers unendlich und kann uns nur überraschen. Doch durch die Barmherzigkeit des Herrn wird die Gabe den Aposteln anvertraut, damit sie jedem Menschen zuteil werden kann.
4. Bei diesem Abendmahl hat sich niemand einen Platz verdient, alle waren eingeladen, oder besser gesagt, sie wurden von Jesu brennendem Wunsch angezogen, dieses Pascha mit ihnen zu essen: Er weiß, dass er das Paschalamm ist, er weiß, dass er das Pascha ist. Dies ist die absolute Neuheit dieses Abendmahls, die einzige wirkliche Neuheit in der Geschichte, die dieses Abendmahl einzigartig und aus diesem Grund „endgültig“, unwiederholbar macht. Sein unendliches Verlangen, diese Gemeinschaft mit uns wiederherzustellen, die sein ursprüngliches Vorhaben war und bleibt, wird jedoch erst dann gestillt sein, wenn alle Menschen aus allen Stämmen, Sprachen, Völkern und Nationen (Offb 5,9) von seinem Leib gegessen und sein Blut getrunken haben: Deshalb wird dasselbe Abendmahl bis zu seiner Wiederkunft in der Feier der Eucharistie gegenwärtig gemacht.
5. Die Welt weiß es noch nicht, aber alle sind zum Hochzeitsmahl des Lammes eingeladen (Offb 19,9). Alles, was es dazu braucht, ist das Hochzeitskleid des Glaubens, der aus dem Hören seines Wortes kommt (vgl. Röm 10,17): Die Kirche schneidert es aus einem weißen, im Blut des Lammes gewaschenen Tuches (vgl. Offb 7,14). Wir sollten nicht einmal einen Augenblick Ruhe haben, wenn wir wissen, dass noch nicht alle die Einladung zum Abendmahl erhalten haben oder dass andere sie auf den verschlungenen Wegen des menschlichen Lebens vergessen oder verloren haben. Deshalb habe ich gesagt: „Ich träume von einer missionarischen Entscheidung, die fähig ist, alles zu verwandeln, damit die Gewohnheiten, die Stile, die Zeitpläne, der Sprachgebrauch und jede kirchliche Struktur ein Kanal werden, der mehr der Evangelisierung der heutigen Welt als der Selbstbewahrung dient.“ (Evangelii gaudium, Nr. 27): damit alle am Opfermahl des Lammes Platz nehmen und von Ihm leben können.
6. Vor unserer Antwort auf seine Einladung – viel früher – gibt es sein Verlangen nach uns: Wir sind uns dessen vielleicht nicht einmal bewusst, aber jedes Mal, wenn wir zur Messe gehen, ist der Hauptgrund, dass wir von seinem Verlangen nach uns angezogen werden. Die mögliche Antwort, die anspruchsvollste Askese, besteht für uns wie immer darin, uns seiner Liebe hinzugeben, uns von Ihm anziehen zu lassen. Sicher ist, dass unsere Gemeinschaft mit dem Leib und Blut Christi von ihm beim letzten Abendmahl gewollt war.
7. Der Inhalt des gebrochenen Brotes ist das Kreuz Jesu, sein Opfer im liebenden Gehorsam gegenüber dem Vater. Ohne das letzte Abendmahl, d.h. die rituelle Vorwegnahme seines Todes, hätten wir nicht verstehen können, wie die Vollstreckung seines Todesurteils der vollkommene und wohlgefällige Akt des Kultes gegenüber dem Vater, der einzig wahre Akt des Kultes sein kann. Wenige Stunden später hätten die Apostel am Kreuz Jesu erkennen können, was „geopferter Leib“ und „vergossenes Blut“ bedeuten, wenn sie die Last des Kreuzes getragen hätten: und daran erinnern wir uns in jeder Eucharistie. Wenn er auferstanden von den Toten zurückkehrt, um für die Emmausjünger und für seine Jünger, die zum Fischfang und nicht zum Fischen von Menschen an den See Genezareth zurückgekehrt waren, das Brot zu brechen, dann öffnet diese Geste ihre Augen, heilt sie von der Blindheit, die ihnen der Schrecken des Kreuzes zugefügt hat, und macht sie fähig, den Auferstandenen zu „sehen“, an die Auferstehung zu glauben.
'8. Wenn wir nach Pfingsten nach Jerusalem gekommen wären und den Wunsch verspürt hätten, nicht nur Informationen über Jesus von Nazareth zu erhalten, sondern Ihm zu begegnen, hätten wir keine andere Möglichkeit gehabt, als die Seinen aufzusuchen, um seine Worte zu hören und seine Taten zu sehen, lebendiger denn je. Wir hätten keine andere Möglichkeit der wahren Begegnung mit Ihm gehabt als die der feiernden Gemeinschaft. Deshalb hat die Kirche den Auftrag des Herrn: „Tut dies zu meinem Gedächtnis“ immer als ihren kostbarsten Schatz gehütet.
9. Die Kirche war sich von Anfang an darüber im Klaren, dass es sich nicht um eine Darstellung des Abendmahls handelte, auch nicht um eine heilige: Es hätte keinen Sinn gemacht, und niemand wäre auf die Idee gekommen, diesen erhabenen Moment im Leben des Meisters zu „inszenieren“, schon gar nicht unter den Augen von Maria, der Mutter des Herrn. Von Anfang an hat die Kirche, erleuchtet vom Heiligen Geist, verstanden, dass das, was von Jesus sichtbar war, was man mit den Augen sehen und mit den Händen anfassen konnte, seine Worte und Taten, die Konkretheit des fleischgewordenen Wortes, alles von Ihm in die Feier der Sakramente übergegangen ist.<ref> Vgl. Leo Magnus, Sermo LXXIV: De ascensione Domini II,1: «quod [...] Redemptoris nostri conspicuum fuit, in sacramenta transivit».</ref>
Die Liturgie: Ort der Begegnung mit Christus
10.' Darin liegt die ganze kraftvolle Schönheit der Liturgie. Wenn die Auferstehung für uns ein Konzept, eine Idee, ein Gedanke wäre; wenn der Auferstandene für uns die Erinnerung an die Erinnerung anderer wäre, und seien sie noch so maßgebend wie die Apostel, wenn wir nicht auch die Möglichkeit einer echten Begegnung mit Ihm hätten, wäre das so, als würde man die Neuheit des fleischgewordenen Wortes für erschöpft erklären. Stattdessen ist die Inkarnation nicht nur das einzige neue Ereignis, das die Geschichte kennt, sondern auch die Methode, welche die heiligste Dreifaltigkeit gewählt hat, um uns den Weg der Gemeinschaft zu öffnen. Der christliche Glaube ist entweder eine Begegnung mit Ihm, dem Lebendigen, oder er ist nicht.
11. Die Liturgie gewährleistet uns die Möglichkeit einer solchen Begegnung. Wir brauchen keine vage Erinnerung an das letzte Abendmahl: Wir müssen bei diesem Abendmahl anwesend sein, seine Stimme hören, seinen Leib essen und sein Blut trinken können: Wir brauchen Ihn. In der Eucharistie und in allen Sakramenten wird uns die Möglichkeit garantiert, dem Herrn Jesus zu begegnen und von der Kraft seines Paschas erreicht zu werden. Die rettende Kraft des Opfers Jesu, jedes seiner Worte, jede Geste, jeder Blick, jedes Gefühl erreicht uns in der Feier der Sakramente. Ich bin Nikodemus und die samaritanische Frau, der Besessene von Kafarnaum und der Gelähmte im Haus des Petrus, die Sünderin, der vergeben wurde, und die blutflüssige Frau, die Tochter des Jairus und der Blinde von Jericho, Zachäus und Lazarus, der Schächer und Petrus, denen vergeben wurde. Der Herr Jesus, der am Kreuz geopfert wurde, stirbt nicht mehr, sondern lebt mit den Zeichen seiner Passion unsterblich weiter,<ref> Præfatio paschalis III, Missale Romanum (2008) S. 367: «Qui immolátus iam non móritur, sed semper vivit occísus».</ref> um uns zu vergeben, uns zu heilen und uns mit der Kraft der Sakramente zu retten. Es ist die konkrete Art und Weise, in der er uns durch die Inkarnation liebt; es ist die Art und Weise, in der er den Durst nach uns stillt, den er am Kreuz bekundet hat (Joh 19,28).
12. Unsere erste Begegnung mit seinem Pascha ist das Ereignis, das das Leben von uns allen, die wir an Christus glauben, kennzeichnet: unsere Taufe. Es ist nicht ein geistiges Festhalten an seinen Gedanken oder das Unterschreiben eines von Ihm auferlegten Verhaltenskodex: es ist das Eintauchen in sein Leiden, seinen Tod, seine Auferstehung und seine Himmelfahrt. Es handelt sich nicht um eine magische Geste: Magie ist das Gegenteil der Logik der Sakramente, weil sie behauptet, Macht über Gott zu haben, und aus diesem Grund vom Versucher kommt. In vollkommener Kontinuität mit der Inkarnation wird uns durch die Gegenwart und das Wirken des Heiligen Geistes die Möglichkeit gegeben, in Christus zu sterben und aufzuerstehen.
13. Die Art und Weise, wie das geschieht, ist beeindruckend. Das Gebet zur Segnung des Taufwassers<ref> Vgl. Missale Romanum (2008) S. 532.</ref> zeigt uns, dass Gott das Wasser gerade im Hinblick auf die Taufe geschaffen hat. Das bedeutet, dass Gott bei der Erschaffung des Wassers an die Taufe eines jeden von uns gedacht hat, und dieser Gedanke hat ihn bei seinem Handeln im Laufe der Heilsgeschichte immer dann begleitet, wenn er mit Absicht das Wasser nutzen wollte. Es ist, als ob er es erschaffen hätte, um es zu vervollkommnen, damit es zum Wasser der Taufe wird. Und so wollte er es mit der Bewegung seines Geistes erfüllen, der über ihm schwebte (vgl. Gen 1,2), damit es im Keim die Kraft zur Heiligung enthalte; er benutzte es, um die Menschheit in der Sintflut zu erneuern (vgl. Gen 6,1-9,29); er beherrschte es, indem er es teilte, um einen Weg der Befreiung im Roten Meer zu öffnen (vgl. Ex 14); er weihte es im Jordan, indem er das Fleisch des vom Geist durchdrungenen Wortes untertauchte (vgl. Mt 3,13-17; Mk 1,9-11; Lk 3,21-22). Schließlich vermischte er es mit dem Blut seines Sohnes, der Gabe des Geistes, die untrennbar mit der Gabe des Lebens und des Todes des für uns geopferten Lammes verbunden ist, und goss es aus der durchbohrten Seite über uns aus (Joh 19,34). In dieses Wasser sind wir eingetaucht, damit wir durch seine Kraft in den Leib Christi eingepfropft werden und mit Ihm zum unsterblichen Leben auferstehen (vgl. Röm 6,1-11).
Die Kirche: Sakrament des Leibes Christi
14. Wie das Zweite Vatikanische Konzil (vgl. Sacrosanctum Concilium, Nr. 5) unter Berufung auf die Heilige Schrift, die Väter und die Liturgie – die Säulen der wahren Tradition – daran erinnert hat, ist aus der Seite des am Kreuz entschlafenen Christus das wunderbare Sakrament der ganzen Kirche hervorgegangen.<ref> Vgl. Augustinus, Enarrationes in psalmos. Ps. 138,2; Oratio post septimam lectionem, Vigilia paschalis, Missale Romanum (2008) S. 359; Super oblata, Pro Ecclesia (B) , Missale Romanum (2008) S. 1076.</ref> Die Parallele zwischen dem ersten und dem neuen Adam ist überraschend: So wie Gott aus dem ersten Adam, nachdem er ihn in einen tiefen Schlaf versetzt hatte, Eva schuf, so wird aus dem neuen Adam, der im Schlaf des Todes liegt, die neue Eva, die Kirche, geboren. Wir staunen über die Worte, die sich der neue Adam zu eigen macht, wenn er die Kirche betrachtet: „Das endlich ist Bein von meinem Bein und Fleisch von meinem Fleisch.“ (Gen 2,23). Weil wir dem Wort geglaubt haben und in das Wasser der Taufe hinabgestiegen sind, sind wir Bein von seinem Bein und Fleisch von seinem Fleisch geworden.
15. Ohne diese Eingliederung gibt es keine Möglichkeit, den Kult gegenüber Gott in Fülle zu leben. In der Tat gibt es nur einen Akt des vollkommenen und angemessenen Kultes gegenüber dem Vater, den Gehorsam des Sohnes, dessen Maß sein Tod am Kreuz ist. Die einzige Möglichkeit, an seinem Opfer teilzuhaben, besteht darin, Söhne im Sohn zu werden. Dies ist das Geschenk, das wir erhalten haben. Das Subjekt, das in der Liturgie handelt, ist immer und einzig Christus-Kirche, der mystische Leib Christi.
Der theologische Sinn der Liturgie
16. Dem Konzil – und der ihm vorangegangenen liturgischen Bewegung – verdanken wir die Wiederentdeckung des theologischen Verständnisses der Liturgie und ihrer Bedeutung für das Leben der Kirche: Die allgemeinen Grundsätze, die Sacrosanctum Concilium formuliert hat, waren für die Reform von grundlegender Bedeutung und sind es auch weiterhin für die Förderung jener vollen, bewussten, tätigen und fruchtbaren Teilnahme an der Feier (vgl. Sacrosanctum Concilium, Nrn. 11.14), „die erste und unentbehrliche Quelle [ist], aus der die Christen wahrhaft christlichen Geist schöpfen sollen“ ( Sacrosanctum Concilium, Nr. 14). Mit diesem Brief möchte ich schlicht und einfach die ganze Kirche einladen, die Wahrheit und die Kraft der christlichen Feier wiederzuentdecken, zu bewahren und zu leben. Ich wünsche, dass die Schönheit des christlichen Feierns und ihre notwendigen Konsequenzen für das Leben der Kirche nicht durch ein oberflächliches und verkürztes Verständnis ihres Wertes oder, was noch schlimmer ist, durch ihre Instrumentalisierung im Dienste einer ideologischen Vision, wie immer sie aussieht, entstellt wird. Das priesterliche Gebet Jesu beim letzten Abendmahl, dass alle eins sein mögen (Joh 17,21), richtet alle unsere Spaltungen durch das gebrochene Brot, Sakrament der Frömmigkeit, Zeichen der Einheit, Band der Liebe.<ref> Vgl. Augustinus, In Ioannis Evangelium tractatus XXVI,13.</ref>
Die Liturgie: das Gegenmittel gegen das Gift der spirituellen Weltlichkeit
17. Ich habe wiederholt vor einer gefährlichen Versuchung für das Leben der Kirche gewarnt, nämlich der „spirituellen Weltlichkeit“: Ich habe mich ausführlich im Apostolischen Schreiben Evangelii gaudium (Nrrn. 93-97) darüber geäußert und den Gnostizismus und den Neo-Pelagianismus als die beiden miteinander verbundenen Formen bezeichnet, die sie nähren.
Der Erste reduziert den christlichen Glauben auf einen Subjektivismus, der den Einzelnen „in der Immanenz seiner eigenen Vernunft oder seiner Gefühle“ (Evangelii gaudium, Nr. 94) einschließt.
Der Zweite hebt den Wert der Gnade auf, um sich nur auf die eigene Kraft zu verlassen, was zu „narzisstischem und autoritärem Elitebewusstsein [führt], wo man, anstatt die anderen zu evangelisieren, sie analysiert und bewertet und, anstatt den Zugang zur Gnade zu erleichtern, die Energien im Kontrollieren verbraucht.“ (Evangelii gaudium, Nr. 94).
Diese verzerrten Formen des Christentums können verheerende Folgen für das Leben der Kirche haben.
18. Aus dem, was ich zuvor gesagt habe, wird deutlich, dass die Liturgie von Natur aus das wirksamste Gegenmittel gegen diese Gifte ist. Natürlich spreche ich von der Liturgie in ihrem theologischen Sinn und sicherlich nicht - wie Pius XII. bereits sagte - als würdige Aufmachung von Zeremonien oder als bloße Sammlung von Gesetzen und Vorschriftenzur Regelung des Gottesdienstes.<ref> Vgl. Litteræ encyclicæ Mediator Dei (20 Novembris 1947) in AAS 39 (1947) 532.</ref>
19. Wenn der Gnostizismus uns mit dem Gift des Subjektivismus berauscht, befreit uns die liturgische Feier aus dem Gefängnis einer Selbstreferentialität, die von der eigenen Vernunft oder dem eigenen Gefühl genährt wird: Die feierliche Handlung gehört nicht dem Einzelnen, sondern Christus-Kirche, der Gesamtheit der mit Christus vereinten Gläubigen. In der Liturgie heißt es nicht „ich“, sondern „wir“, und jede Einschränkung des Umfangs dieses „wir“ ist immer dämonisch. Die Liturgie lässt uns bei der Suche nach einer vermeintlichen individuellen Erkenntnis des Geheimnisses Gottes nicht allein, sondern nimmt uns gemeinsam als Gemeinde an die Hand, um uns in das Geheimnis zu führen, das uns das Wort und die sakramentalen Zeichen offenbaren. Und sie tut dies in Übereinstimmung mit dem Handeln Gottes, auf dem Weg der Inkarnation, durch die symbolische Sprache des Körpers, die sich in die Dinge, den Raum und die Zeit hinein erstreckt.
20. Wenn uns der Neo-Pelagianismus mit der Anmaßung eines durch eigene Anstrengung verdienten Heils berauscht, so reinigt uns die liturgische Feier, indem sie die Unverdientheit der im Glauben angenommenen Heilsgabe verkündet. Die Teilnahme am eucharistischen Opfer ist nicht unsere Leistung, mit der wir uns vor Gott und unseren Brüdern und Schwestern brüsten könnten. Der Beginn jeder Feier erinnert mich daran, wer ich bin, und fordert mich auf, meine Sünde zu bekennen und die allerseligste Jungfrau Maria, die Engel, die Heiligen und alle meine Brüder und Schwestern zu bitten, für mich beim Herrn zu beten: wir sind gewiss nicht würdig, sein Haus zu betreten, wir brauchen sein Wort, um gerettet zu werden (vgl. Mt 8,8). Wir haben keinen anderen Ruhm als den des Kreuzes unseres Herrn Jesus Christus (vgl. Gal 6,14). Die Liturgie hat nichts mit asketischem Moralismus zu tun: Sie ist das Geschenk des Paschas des Herrn, das, wenn wir es mit Fügsamkeit annehmen, unser Leben neu macht. Man betritt den Abendmahlssaal nur, wenn man seinen Wunsch verspürt, das Pascha mit uns zu essen: Desiderio desideravi hoc Pascha manducare vobiscum, antequam patiar (Lc 22,15).
Jeden Tag die Schönheit der Wahrheit des christlichen Feierns wiederentdecken
21. Wir müssen jedoch aufpassen: Damit das Gegenmittel der Liturgie wirksam sein kann, sind wir aufgefordert, jeden Tag die Schönheit der Wahrheit des christlichen Feierns neu zu entdecken. Ich verweise noch einmal auf ihre theologische Bedeutung, wie sie in Nr. 7 von Sacrosanctum Concilium wunderbar beschrieben ist: Die Liturgie ist das Priestertum Christi, das uns in seinem Pascha geoffenbart und geschenkt wurde, das heute durch sensible Zeichen (Wasser, Öl, Brot, Wein, Gesten, Worte) gegenwärtig und lebendig gemacht wird, damit der Geist, der uns in das Pascha-Mysterium eintaucht, unser ganzes Leben umwandelt und uns immer mehr Christus gleichgestaltet.
22. Die ständige Wiederentdeckung der Schönheit der Liturgie ist nicht das Streben nach einem rituellen Ästhetizismus, der sich nur an der Pflege der äußeren Formalität eines Ritus erfreut oder sich mit einer skrupulösen Einhaltung der Rubriken zufrieden gibt. Mit dieser Aussage soll natürlich keineswegs die gegenteilige Haltung gebilligt werden, die Einfachheit mit nachlässiger Banalität, die Wesentlichkeit mit ignoranter Oberflächlichkeit, die Konkretheit der rituellen Handlung mit übertriebenem praktischen Funktionalismus verwechselt.
23. Um es deutlich zu sagen: Jeder Aspekt des Feierns muss gepflegt werden (Raum, Zeit, Gesten, Worte, Gegenstände, Kleidung, Gesang, Musik, ...) und jede Rubrik muss beachtet werden: Diese Aufmerksamkeit würde ausreichen, um zu vermeiden, dass die Gemeinde dessen beraubt wird, was ihr zusteht, nämlich das Pascha-Mysterium, das in der von der Kirche festgelegten rituellen Form gefeiert wird. Aber selbst wenn die Qualität und die Norm der feiernden Handlung garantiert wären, würde dies nicht ausreichen, um unsere Teilnahme vollständig zu gewährleisten.
Das Staunen über das Pascha-Mysterium: wesentlicher Bestandteil des liturgischen Aktes
24. Wenn uns das Staunen über das Pascha-Mysterium, das in der Konkretheit der sakramentalen Zeichen gegenwärtig wird, fehlen würde, könnten wir wirklich Gefahr laufen, für den Ozean der Gnade, der jede Feier überflutet, unempfänglich zu sein. Die zwar lobenswerten Bemühungen um eine Verbesserung der Qualität der Feier reichen ebenso wenig aus wie ein Aufruf zur Innerlichkeit: Selbst letztere läuft Gefahr, sich auf eine leere Subjektivität zu reduzieren, wenn sie die Offenbarung des christlichen Geheimnisses nicht aufnimmt. Die Begegnung mit Gott ist nicht die Frucht einer individuellen inneren Suche nach Ihm, sondern ein geschenktes Ereignis: Wir können Gott durch die neue Tatsache der Inkarnation begegnen, die im Letzten Abendmahl so weit geht, dass sie von uns gegessen werden möchte. Wie kann uns das Unglück passieren, der Faszination der Schönheit dieses Geschenks zu entgehen?
25. Wenn ich vom Staunen über das Pascha-Mysterium spreche, so meine ich keineswegs das, was mir manchmal durch den nebulösen Ausdruck „Sinn für das Geheimnis“ ausgedrückt zu werden scheint: Zu den angeblichen Vorwürfen gegen die Liturgiereform gehört auch der Vorwurf, sie habe ihn – so heißt es – aus der Feier entfernt. Das Staunen, von dem ich spreche, ist nicht eine Art Verwunderung angesichts einer obskuren Realität oder eines rätselhaften Ritus, sondern im Gegenteil das Staunen darüber, dass sich uns der Heilsplan Gottes im Pascha Jesu offenbart hat (vgl. Eph 1,3-14), dessen Wirksamkeit uns in der Feier der „Geheimnisse“, d.h. der Sakramente, weiterhin erreicht. Es bleibt jedoch wahr, dass die Fülle der Offenbarung im Vergleich zu unserer menschlichen Endlichkeit einen Überschuss hat, der uns übersteigt und am Ende der Zeit, wenn der Herr wiederkommt, seine Erfüllung finden wird. Wenn das Staunen wahr ist, besteht keine Gefahr, dass wir die Andersartigkeit der Gegenwart Gottes nicht wahrnehmen, selbst in der Nähe, die die Inkarnation beabsichtigt. Wenn die Reform diesen „Sinn für das Geheimnis“ beseitigt hätte, wäre dies eher ein Verdienst als eine Anklage. Die Schönheit ruft wie die Wahrheit immer Staunen hervor, und wenn sie sich auf das Geheimnis Gottes bezieht, führt sie zur Anbetung.
26. Das Staunen ist ein wesentlicher Bestandteil des liturgischen Aktes, denn es ist die Haltung derjenigen, die wissen, dass sie mit der Eigentümlichkeit der symbolischen Gesten konfrontiert sind; es ist die Verwunderung derjenigen, die die Macht des Symbols erfahren, die nicht darin besteht, auf einen abstrakten Begriff zu verweisen, sondern in seiner Konkretheit zu enthalten und auszudrücken, was es bedeutet.
Die Notwendigkeit einer ernsthaften und belebenden liturgischen Bildung
27. Die grundlegende Frage lautet daher: Wie kann man die Fähigkeit wiedererlangen, die liturgische Handlung in vollem Umfang zu leben? Die Reform des Konzils hat dies zum Ziel. Die Herausforderung ist sehr anspruchsvoll, weil der moderne Mensch – nicht in allen Kulturen in gleicher Weise – die Fähigkeit verloren hat, sich auf die symbolische Handlung einzulassen, die ein wesentliches Merkmal des liturgischen Aktes ist.
28.' Die Postmoderne – in der sich der Mensch noch verlorener fühlt, ohne Bezugspunkte jeglicher Art, der Werte beraubt, weil sie gleichgültig geworden sind, verwaist von allem, in einer Zersplitterung, in der ein Sinnhorizont unmöglich erscheint – ist immer noch mit dem schweren Erbe belastet, das uns die vorherige Epoche hinterlassen hat, welches besteht aus Individualismus und Subjektivismus (die wiederum an den Pelagianismus und Gnostizismus erinnern) sowie einem abstrakten Spiritualismus, der dem Wesen des Menschen widerspricht, der ein verkörperter Geist ist und daher an sich zu symbolischem Handeln und Verstehen fähig ist.
29. Es ist die Realität der Moderne, mit der sich die auf dem Konzil versammelte Kirche auseinandersetzen wollte, indem sie ihr Bewusstsein bekräftigte, Sakrament Christi und Licht der Heiden zu sein (Lumen Gentium), indem sie sich in das religiöse Hören auf das Wort Gottes versetzte (Dei Verbum) und indem sie die Freuden und Hoffnungen der Menschen von heute als die ihren anerkannte (Gaudium et spes). Die großen konziliaren Konstitutionen sind untrennbar miteinander verbunden, und es ist kein Zufall, dass diese einzige große Reflexion des Ökumenischen Konzils – der höchster Ausdruck der Synodalität der Kirche ist, deren Hüter ich zusammen mit Euch allen zu sein berufen bin – ihren Ausgangspunkt in der Liturgie (Sacrosanctum Concilium) hatte.
30. Zum Abschluss der zweiten Sitzungsperiode des Konzils (4. Dezember 1963) äußerte sich der heilige Paul VI. wie folgt:
„Im Übrigen fehlt es dieser schwierigen und komplexen Diskussion keineswegs an reicher Frucht: Das Thema, das vor allem anderen behandelt worden ist und in gewisser Hinsicht von allen das wichtigste ist, sowohl wegen seiner Natur wie auch wegen seiner Würde, die ihm in der Kirche zukommt, die heilige Liturgie, ist zu einem glücklichen Abschluss gekommen und wird heute in feierlicher Form von Uns promulgiert. Wir empfinden darüber aufrichtige Freude. Wir können nämlich feststellen, dass auf diese Weise die rechte Ordnung der Gegenstände und Pflichten gewahrt worden ist. Wir haben dadurch bekannt, dass Gott der erste Platz zukommt, dass das Gebet unsere erste Pflicht ist, dass die heilige Liturgie die erste Quelle jener Verbindung mit Gott ist, in der das göttliche Leben uns selbst mitgeteilt wird, die erste Schule unseres geistlichen Lebens, das erste Geschenk, das wir dem christlichen Volk anbieten können, das mit uns im Glauben und im Gebet verbunden ist, dass es schließlich die erste Einladung an die Welt ist, damit ihre stumme Zunge sich zu beglückendem und wahrhaftem Gebet löse und jene unaussprechliche und die Seele stärkende Kraft spüre, die aus dem gemeinsamen Lob Gottes und der menschlichen Hoffnung durch Christus im Heiligen Geist fließt.“<ref> AAS 56 (1964) 34.</ref>
31. Ich kann in diesem Brief nicht auf den Reichtum der einzelnen Ausdrücke eingehen, das überlasse ich Eurer Betrachtung. Wenn die Liturgie „der Höhepunkt [ist], dem das Tun der Kirche zustrebt, und zugleich die Quelle, aus der all ihre Kraft strömt“ (Sacrosanctum Concilium, Nr. 10), dann verstehen wir gut, was in der Frage der Liturgie auf dem Spiel steht. Es wäre banal, die Spannungen, die es leider rund um die Feier gibt, als einfache Unterschiede zwischen verschiedenen Empfindungen gegenüber einer rituellen Form zu deuten. Die Problematik ist in erster Linie ekklesiologischer Natur. Ich verstehe nicht, wie man sagen kann, dass man die Gültigkeit des Konzils anerkennt – obwohl ich mich ein wenig wundere, dass ein Katholik sich anmaßen kann, dies nicht zu tun – und nicht die Liturgiereform akzeptieren kann, die aus Sacrosanctum Concilium hervorgegangen ist und die die Realität der Liturgie in enger Verbindung mit der Vision der Kirche zum Ausdruck bringt, die in Lumen Gentium auf bewundernswerte Weise beschrieben wurde. Aus diesem Grund fühlte ich mich – wie ich in dem Brief an alle Bischöfe erklärt habe – verpflichtet zu bekräftigen, dass „die von den heiligen Päpsten Paul VI. und Johannes Paul II. in Übereinstimmung mit den Dekreten des Zweiten Vatikanischen Konzils promulgierten liturgischen Bücher […] die einzige Ausdrucksform der Lex orandi des Römischen Ritus [sind]“ (Motu Proprio Traditionis custodes, Art. 1).
Die Nichtannahme der Reform und das oberflächliche Verständnis der Reform lenken uns von der Aufgabe ab, Antworten auf die Frage zu finden, die ich immer wieder stelle: Wie können wir in der Fähigkeit wachsen, die liturgische Handlung voll zu leben? Wie können wir weiterhin darüber staunen, was bei der Feier vor unseren Augen geschieht? Wir brauchen eine ernsthafte und belebende liturgische Bildung.
32. Gehen wir noch einmal zurück in den Abendmahlssaal in Jerusalem: Am Pfingstmorgen wurde die Kirche, die Urzelle der neuen Menschheit, geboren. Nur die Gemeinschaft von Männern und Frauen, die versöhnt sind, weil ihnen vergeben wurde, die leben, weil Er lebt, die wahrhaftig sind, weil sie vom Geist der Wahrheit beseelt sind, kann den engen Raum des spirituellen Individualismus aufbrechen.
33. Es ist die Gemeinschaft von Pfingsten, die das Brot in der Gewissheit brechen kann, dass der Herr lebt, dass Er auferstanden ist von den Toten, gegenwärtig mit seinem Wort, mit seinen Gesten, mit der Gabe seines Leibes und Blutes. Von diesem Moment an wird die Feier zum bevorzugten, aber nicht zum einzigen Ort der Begegnung mit Ihm. Wir wissen, dass der Mensch erst dank dieser Begegnung ganz Mensch wird. Nur die Kirche von Pfingsten kann den Menschen als Person begreifen, die offen ist für eine umfassende Beziehung zu Gott, zur Schöpfung und zu den Brüdern und Schwestern.
34. Hier stellt sich die entscheidende Frage der liturgischen Bildung. Guardini sagt: „Damit ist auch die erste praktische Aufgabe gezeichnet: Getragen von dieser inneren Umformung unserer Zeit müssen wir wieder lernen, als volle Menschen im religiösen Verhältnis zu stehen.“<ref> R. Guardini, Liturgische Bildung (1923) in Liturgie und liturgische Bildung (Mainz 1992) S. 43.</ref> Das ist es, was die Liturgie ermöglicht, das ist es, wozu wir uns formen müssen. Guardini selbst zögert nicht zu bekräftigen, dass ohne liturgische Bildung „Reformen in Ritus und Text nicht viel [helfen]“.<ref> R. Guardini, Der Kultakt und die gegenwärtige Aufgabe der Liturgischen Bildung (1964) in Liturgie und liturgische Bildung (Mainz 1992) S. 14.</ref> Ich habe nicht die Absicht, das sehr umfangreiche Thema der liturgischen Bildung erschöpfend zu behandeln, sondern möchte einige Punkte zum Nachdenken anbieten. Ich denke, wir können zwei Aspekte unterscheiden: die Bildung zur Liturgie hin und die Bildung von der Liturgie her. Die Erste steht im Dienst der Zweiten, die wesentlich ist.
35. Es ist notwendig, Wege für eine Bildung als Studium der Liturgie zu finden: ausgehend von der liturgischen Bewegung ist in dieser Hinsicht viel getan worden, mit wertvollen Beiträgen von vielen Gelehrten und akademischen Institutionen. Es ist jedoch notwendig, dieses Wissen außerhalb der akademischen Welt zu verbreiten, und zwar auf eine zugängliche Art und Weise, damit jeder Gläubige in der Kenntnis der theologischen Bedeutung der Liturgie wachsen kann – dies ist die entscheidende und grundlegende Frage allen Wissens und aller liturgischen Praxis – sowie in der Entwicklung christlichen Feierns, indem er die Fähigkeit erwirbt, euchologische Texte, rituelle Dynamiken und deren anthropologische Bedeutung zu verstehen.
36. Ich denke an unsere normalen Versammlungen, die sich zur Feier der Eucharistie am Tag des Herrn, Sonntag für Sonntag, Ostern für Ostern, zu bestimmten Zeiten im Leben der Einzelnen und der Gemeinschaften, in verschiedenen Lebensaltern versammeln: Die geweihten Amtsträger vollziehen eine pastorale Handlung von größter Bedeutung, wenn sie die getauften Gläubigen an die Hand nehmen, um sie in die wiederholte Erfahrung des Pascha-Mysteriums zu führen. Erinnern wir uns daran, dass die Kirche, der Leib Christi, das feiernde Subjekt ist und nicht nur der Priester. Das Wissen, das aus dem Studium kommt, ist nur der erste Schritt, um in das gefeierte Geheimnis einzutreten. Es liegt auf der Hand, dass die Amtsträger, die der Versammlung vorstehen, den Weg kennen müssen, um die Brüder und Schwestern zu leiten, indem sie ihn sowohl auf der Landkarte der theologischen Wissenschaft studiert als auch in der Praxis einer lebendigen Glaubenserfahrung – die durch das Gebet genährt wird und gewiss nicht nur eine zu erfüllende Verpflichtung darstellt – begangen haben. Am Tag der Weihe sagt der Bischof zu jedem Priester: „Bedenke, was du tust, ahme nach, was du vollziehst, und stelle dein Leben unter das Geheimnis des Kreuzes.“<ref> De Ordinatione Episcopi, Presbyterorum et Diaconorum (1990) S. 95: «Agnosce quod ages, imitare quod tractabis, et vitam tuam mysterio dominicæ crucis conforma».</ref>
37. Der Ansatz für das Studium der Liturgie in den Seminaren muss auch der außerordentlichen Eigenschaft Rechnung tragen, dass die Feier an sich eine organische Vision des theologischen Wissens bietet. Jede theologische Disziplin muss, je nach ihrer eigenen Perspektive, ihre eigene enge Verbindung mit der Liturgie aufzeigen, durch die die Einheit der Priesterausbildung offenbart und verwirklicht wird (vgl. Sacrosanctum Concilium, Nr. 16). Ein liturgisch-sapientialer Ansatz in der theologischen Ausbildung in den Seminaren würde sich sicherlich auch positiv auf das pastorale Handeln auswirken. Es gibt keinen Aspekt des kirchlichen Lebens, der nicht in ihr seinen Höhepunkt und seine Quelle findet. Die umfassende, organische und ganzheitliche pastorale Arbeit ist nicht das Ergebnis ausgearbeiteter Programme, sondern die Folge davon, dass die sonntägliche Eucharistiefeier, die Grundlage der Gemeinschaft, in den Mittelpunkt des Lebens der Gemeinschaft gestellt wird. Das theologische Verständnis der Liturgie erlaubt es keineswegs, diese Worte so zu verstehen, als ob alles auf den kultischen Aspekt reduziert würde. Eine Feier, die nicht evangelisiert, ist nicht authentisch, ebenso wie eine Verkündigung, die nicht zu einer Begegnung mit dem auferstandenen Herrn in der Feier führt, nicht glaubwürdig ist: beide sind also ohne das Zeugnis der Liebe wie dröhnendes Erz oder eine lärmende Pauke (vgl. 1 Kor 13,1).
38. Für die Amtsträger und für alle Getauften ist die liturgische Bildung in ihrer ersten Bedeutung nicht etwas, das man ein für alle Mal als erledigt betrachten kann: Da die Gabe des gefeierten Geheimnisses unser Erkenntnisvermögen übersteigt, muss diese Verpflichtung sicherlich die ständige Weiterbildung eines jeden begleiten und zwar mit der Demut der Kleinen, die eine Haltung ist, die zum Staunen einlädt.
39. Eine letzte Bemerkung zu den Seminaren: Sie müssen neben dem Studium auch die Möglichkeit bieten, dass eine Feier erlebbar wird, die nicht nur rituell vorbildlich, sondern authentisch und lebendig ist, die es erlaubt, jene wahre Gemeinschaft mit Gott zu erfahren, nach der auch das theologische Wissen streben muss. Nur das Wirken des Geistes kann unsere Erkenntnis des Geheimnisses Gottes vervollkommnen, das nicht eine Sache des Verstandes ist, sondern eine Beziehung, die das Leben berührt. Diese Erfahrung ist von grundlegender Bedeutung, damit die Seminaristen nach ihrer Weihe die Gemeinden auf demselben Weg der Erkenntnis des Geheimnisses Gottes, das ein Geheimnis der Liebe ist, begleiten können.
40. Diese letzte Überlegung führt uns dazu, über die zweite Bedeutung nachzudenken, in der wir den Ausdruck „liturgische Bildung“ verstehen können. Ich spreche davon, dass jeder entsprechend seiner Berufung durch die Teilnahme an der liturgischen Feier geformt wird. Auch das soeben erwähnte Studienwissen muss, damit es nicht zum Rationalismus wird, funktional sein für die Verwirklichung des formenden Wirkens der Liturgie in jedem an Christus Glaubenden.
41. Aus dem, was wir über das Wesen der Liturgie gesagt haben, wird deutlich, dass die Kenntnis des Geheimnisses Christi, die für unser Leben entscheidend ist, nicht in der gedanklichen Übernahme einer Idee besteht, sondern in einer wirklichen existentiellen Einbeziehung in seine Person. In diesem Sinne geht es in der Liturgie nicht um „Wissen“, und ihr Zweck ist nicht in erster Linie pädagogisch (obwohl sie einen großen pädagogischen Wert hat: vgl. Sacrosanctum Concilium, Nr. 33), sondern sie ist Lobpreis, Danksagung für das Pascha des Sohnes, dessen rettende Kraft unser Leben erreicht. Bei der Feier geht es darum, dass wir dem Wirken des Geistes, der in uns wirkt, gefügig sind, bis Christus in uns geformt ist (vgl. Gal 4,19). Die Fülle unserer Bildung ist die Angleichung an Christus. Ich wiederhole: Es geht nicht um einen geistigen, abstrakten Prozess, sondern darum, Er zu werden. Das ist der Zweck, zu dem der Geist gegeben wurde, dessen Wirken immer und ausschließlich darin besteht, den Leib Christi zu bilden. So ist es mit dem eucharistischen Brot, so ist es mit jedem Getauften, der dazu berufen ist, immer mehr das zu werden, was er in der Taufe als Gabe empfangen hat, nämlich Glied des Leibes Christi zu sein. Leo der Große schreibt: „Unsere Teilnahme am Leib und am Blut Christi bewirkt nichts anderes, als dass wir zu dem werden, was wir essen“.<ref> Leo Magnus, Sermo XII: De Passione III,7.</ref>
42. Diese existentielle Einbeziehung geschieht – in Fortführung und im Einklang mit der Weise der Inkarnation – durch sakramentale Mittel. Die Liturgie besteht aus Tatsachen, die genau das Gegenteil von spirituellen Abstraktionen sind: Brot, Wein, Öl, Wasser, Duft, Feuer, Asche, Stein, Tuch, Farben, Körper, Worte, Töne, Stille, Gesten, Raum, Bewegung, Handlung, Ordnung, Zeit, Licht. Die gesamte Schöpfung ist eine Manifestation der Liebe Gottes: Da sich diese Liebe in ihrer ganzen Fülle im Kreuz Jesu manifestiert hat, wird die gesamte Schöpfung von ihr angezogen. Es ist die gesamte Schöpfung, die in den Dienst der Begegnung mit dem fleischgewordenen, gekreuzigten, gestorbenen, auferstandenen und zum Vater aufgefahrenen Wort gestellt wird. So wie es im Gebet über das Wasser der Taufe gesungen wird, aber auch im Gebet über das Öl für den heiligen Chrisam und in den Worten der Darreichung von Brot und Wein, den Früchten der Erde und der menschlichen Arbeit.
43. Die Liturgie gibt Gott die Ehre, nicht, weil wir etwas zur Schönheit des unzugänglichen Lichts, in dem er wohnt (vgl. 1 Tim 6,16), oder zur Vollkommenheit des Engelsgesangs, der ewig in den himmlischen Wohnungen erklingt, beitragen können. Die Liturgie gibt Gott die Ehre, weil sie es uns hier auf der Erde ermöglicht, Gott in der Feier der Geheimnisse zu sehen und, im Schauen, von seinem Pascha zum Leben zu erwachen: Wir, die wir durch die Sünden tot waren und durch die Gnade mit Christus wieder lebendig gemacht wurden (vgl. Eph 2,5), sind die Herrlichkeit Gottes. Irenäus, der doctor unitatis, erinnert uns daran: „Denn Gottes Ehre ist der lebendige Mensch, das Leben des Menschen ist die Schau Gottes. Denn wenn schon das Sichtbarwerden Gottes durch die Schöpfung allen Lebewesen der Erde das Leben gibt, dann gibt die Offenbarung des Vaters durch den Sohn noch viel mehr denen Leben, die Gott sehen.“<ref> Irenæus Lugdunensis, Adversus hæreses IV,20,7.</ref>
44. Guardini schreibt: „Damit zeichnet sich die erste Aufgabe der liturgischen Bildungsarbeit ab: der Mensch muss wieder symbolfähig werden“.<ref> R. Guardini, Liturgische Bildung (1923) in Liturgie und liturgische Bildung (Mainz 1992) S. 36.</ref> Diese Verpflichtung geht alle an, geweihte Amtsträger und Gläubige gleichermaßen. Die Aufgabe ist nicht leicht, denn der moderne Mensch ist ein Analphabet geworden, er kann Symbole nicht mehr lesen, er ahnt nicht einmal ihre Existenz. Dies geschieht auch mit dem Symbol unseres Körpers. Es ist ein Symbol, weil es die innige Verbindung von Seele und Leib ist, die Sichtbarkeit der geistigen Seele in der Ordnung des Körperlichen, und darin besteht die Einzigartigkeit des Menschen, die Besonderheit der Person, die auf keine andere Form der Lebewesen angewandt werden kann. Unsere Offenheit für das Transzendente, für Gott, ist konstitutiv: Sie nicht anzuerkennen, führt unweigerlich dazu, dass wir nicht nur Gott, sondern auch uns selbst nicht kennen. Man betrachte gegenwärtig nur den paradoxen Umgang mit dem Körper, der einerseits geradezu obsessiv auf der Suche nach dem Mythos der ewigen Jugend ausgerichtet ist und andererseits auf eine Materialität reduziert wird, dem jede Würde abgesprochen wird. Es ist eine Tatsache, dass man dem Körper nicht allein durch den Körper einen Wert geben kann. Jedes Symbol ist gleichzeitig mächtig und zerbrechlich: Wenn es nicht respektiert wird, wenn es nicht als das behandelt wird, was es ist, zerbricht es, verliert an Kraft, wird unbedeutend.
Wir haben nicht mehr den Blick des heiligen Franziskus, der die Sonne betrachtete – die er Bruder nannte, weil er sie so empfand –, die er schön und strahlend in großem Glanz sah und voller Staunen sang: de te Altissimu, porta significatione (von dir, Höchster, ein Sinnbild).<ref> Sonnengesang, Franziskanische Quellen, Nr. 263.</ref> Da wir die Fähigkeit verloren haben, den symbolischen Wert des Körpers und jeder Kreatur zu verstehen, ist die symbolische Sprache der Liturgie für den modernen Menschen fast unzugänglich. Es geht jedoch nicht darum, auf eine solche Sprache zu verzichten: Es ist nicht möglich, darauf zu verzichten, weil es das ist, was die heiligste Dreifaltigkeit gewählt hat, um uns im Fleisch des Wortes zu erreichen. Vielmehr geht es darum, die Fähigkeit wiederzuerlangen, die Symbole der Liturgie einzuordnen und zu verstehen. Wir dürfen nicht verzweifeln, denn diese Dimension ist, wie ich soeben gesagt habe, für den Menschen konstitutiv und trotz der Übel des Materialismus und des Spiritualismus – die beide die Einheit von Körper und Seele leugnen – immer bereit, wie jede Wahrheit wieder aufzutauchen.
45. Die Frage, die wir uns stellen, lautet also: Wie können wir wieder zu Symbolen fähig werden? Wie kann man wieder in der Lage sein, sie zu lesen, um sie zu leben? Wir wissen sehr wohl, dass die Feier der Sakramente – durch Gottes Gnade – in sich selbst wirksam ist (ex opere operato), aber dies garantiert nicht die volle Beteiligung der Menschen, wenn sie nicht auf angemessene Weise mit der Sprache der Feier umgehen. Symbole zu lesen ist keine Angelegenheit des mentalen Wissens, der Aneignung von Begriffen, sondern eine lebendige Erfahrung.
46. Zuallererst müssen wir das Vertrauen in die Schöpfung zurückgewinnen. Damit meine ich, dass die Dinge – mit denen die Sakramente „gemacht“ sind – von Gott kommen, auf Ihn ausgerichtet sind und von Ihm aufgenommen wurden, besonders bei der Inkarnation, damit sie Werkzeuge des Heils, Träger des Geistes, Kanäle der Gnade werden konnten. Hier spürt man die volle Distanz sowohl zur materialistischen als auch zur spiritualistischen Vision. Wenn die geschaffenen Dinge ein unverzichtbarer Teil des sakramentalen Wirkens sind, das unser Heil bewirkt, müssen wir uns ihnen gegenüber mit einem neuen Blick vorbereiten, der nicht oberflächlich, sondern respektvoll und dankbar ist. Sie enthalten von Anfang an den Keim der heiligmachenden Gnade der Sakramente.
47. Ein weiterer entscheidender Punkt – wiederum mit Blick auf die Art und Weise, wie die Liturgie uns formt – ist die Erziehung, die notwendig ist, um die innere Haltung zu erlangen, die es uns ermöglicht, liturgische Symbole einzuordnen und zu verstehen. Ich drücke es einfach aus. Ich denke dabei an die Eltern und noch mehr an die Großeltern, aber auch an unsere Pfarrer und Katecheten. Viele von uns haben von ihnen die Kraft der liturgischen Gesten – wie das Kreuzzeichen, das Knien, die Glaubensbekenntnisse – gelernt. Wir haben vielleicht keine lebhafte Erinnerung daran, aber wir können uns leicht die Geste einer größeren Hand vorstellen, die die kleine Hand eines Kindes ergreift und sie langsam begleitet, während sie zum ersten Mal das Zeichen unserer Erlösung zeichnet. Die Bewegung wird von den Worten begleitet, die ebenfalls langsam sind, als ob sie jeden Moment dieser Geste, des ganzen Körpers, in Besitz nehmen wollten: „Im Namen des Vaters ... und des Sohnes ... und des Heiligen Geistes ... Amen“. Dann die Hand des Kindes loszulassen und ihm zuzusehen, wie es sie allein wiederholt – bereit, ihm zu Hilfe zu kommen –, diese Geste, die jetzt abgegeben wird, wie ein Gewand, das mit ihm wächst und es auf eine Weise kleidet, die nur der Geist kennt. Von diesem Moment an gehört diese Geste, ihre symbolische Kraft, uns, oder besser gesagt, wir gehören zu dieser Geste, sie gibt uns Form, wir werden durch sie geformt. Es ist nicht notwendig, zu viel zu reden, es ist nicht notwendig, alles über diese Geste verstanden zu haben: es ist notwendig, klein zu sein, sowohl beim Überbringen als auch beim Empfangen der Geste. Der Rest ist das Werk des Geistes. Auf diese Weise sind wir in die symbolische Sprache eingeweiht worden. Von diesem Reichtum dürfen wir uns nicht berauben lassen. Wenn wir erwachsen werden, haben wir vielleicht mehr Mittel, um zu verstehen, aber immer unter der Bedingung, dass wir klein bleiben.
Ars celebrandi
48. Eine Möglichkeit, das lebendige Verständnis der Symbole der Liturgie zu pflegen und zu vertiefen, besteht sicherlich darin, die Kunst des Feierns (ars celebrandi) zu pflegen. Auch dieser Ausdruck kann unterschiedlich interpretiert werden. Er wird deutlicher, wenn man ihn im Zusammenhang mit der theologischen Bedeutung der Liturgie versteht, die in Sacrosanctum Concilium Nr. 7 beschrieben wird und auf die wir schon mehrfach hingewiesen haben. Die ars celebrandi kann nicht auf die bloße Einhaltung eines rubrizistischen Apparats reduziert werden, noch kann sie als eine phantasievolle – manchmal wilde – Kreativität ohne Regeln betrachtet werden. Der Ritus ist in sich selbst eine Norm, und die Norm ist nie Selbstzweck, sondern steht immer im Dienst der höheren Wirklichkeit, die sie schützen will.
49. Wie jede Kunst erfordert sie unterschiedliche Kenntnisse.
Zunächst einmal ein Verständnis für die Dynamik, die die Liturgie ausmacht. Der Augenblick der feiernden Handlung ist der Ort, an dem das Pascha-Mysterium durch das Gedächtnis vergegenwärtigt wird, damit die Getauften es durch ihre Teilnahme in ihrem Leben erfahren können: Ohne dieses Verständnis verfällt man leicht in (mehr oder weniger verfeinerte) Äußerlichkeiten und in einen (mehr oder weniger starren) Rubrizismus.
Man muss also wissen, wie der Heilige Geist in jeder Feier wirkt: Die Kunst des Feierns muss im Einklang mit dem Wirken des Geistes stehen. Nur so wird sie frei von Subjektivismus, der das Ergebnis des Vorherrschens individueller Befindlichkeiten ist, und von Kulturalismus, der unkritischen Übernahme kultureller Elemente, die nichts mit einem korrekten Inkulturationsprozess zu tun haben.
Schließlich ist es notwendig, die Dynamik der symbolischen Sprache, ihre Besonderheiten und ihre Wirksamkeit zu kennen.
50. Aus diesen kurzen Ausführungen wird deutlich, dass die Kunst des Feierns nicht improvisiert werden kann. Wie jede Kunst erfordert sie eine gewissenhafte Anwendung. Ein Handwerker braucht nur die Technik, ein Künstler braucht neben dem technischen Wissen auch die Inspiration, die eine positive Form des Besitzes ist: der Künstler, der wahre, besitzt keine Kunst, noch ist er von ihr besessen. Die Kunst des Feierns lernt man nicht, indem man einen Kurs in public speaking (öffentliches Reden) oder überzeugenden Kommunikationstechniken besucht (ich beurteile nicht die Absichten, ich sehe die Wirkungen). Jedes Werkzeug kann nützlich sein, muss aber immer dem Wesen der Liturgie und dem Wirken des Heiligen Geistes unterworfen sein. Was wir brauchen, ist eine gewissenhafte Hinwendung zur Feier, damit die Feier selbst ihre Kunst auf uns übertragen kann. Guardini schreibt: „Wir müssen einsehen, wie tief wir noch im Individualismus und Subjektivismus stecken; wie sehr der Beanspruchung durch das Große entwöhnt, und wie klein die Maße unseres religiösen Lebens sind. Der Sinn für den großen Stil des Betens, der Wille zum Existentiellen auch im Gebet muss wieder erwachen. Der Weg dahin ist aber die Zucht, der Verzicht auf schwächliche Sentimentalität; ernste, im Gehorsam gegen die Kirche vollzogene Arbeit und unserem religiösen Sein und Verhalten“.<ref> R. Guardini Liturgische Bildung (1923) in Liturgie und liturgische Bildung (Mainz 1992) S. 99.</ref> So lernt man die Kunst des Feierns.
51. Wenn wir über dieses Thema sprechen, sind wir geneigt zu denken, dass es nur die geweihten Amtsträger betrifft, die den Dienst des Vorsitzes ausüben. In Wirklichkeit ist es eine Haltung, zu der alle Getauften aufgerufen sind. Ich denke an all die Gesten und Worte, die zur Versammlung gehören: sich versammeln, in Prozession gehen, sitzen, stehen, knien, singen, schweigen, jubeln, zusehen, zuhören. Es gibt viele Möglichkeiten, wie die Gemeinde als Einheit (Neh 8,1) an der Feier teilnimmt. Wenn alle gemeinsam die gleiche Geste ausführen, wenn alle mit einer Stimme sprechen, wird dem Einzelnen die Stärke der gesamten Versammlung verliehen. Es ist eine Einheitlichkeit, die nicht nur nicht tötet, sondern im Gegenteil die einzelnen Gläubigen dazu erzieht, die authentische Einzigartigkeit ihrer Persönlichkeit nicht in individualistischen Haltungen zu entdecken, sondern im Bewusstsein, ein Leib zu sein. Es geht nicht darum, eine liturgische Etikette zu befolgen: Es geht vielmehr um eine „Zucht“ – im Sinne Guardinis –, die uns, wenn sie authentisch befolgt wird, formt: Es sind Gesten und Worte, die unsere innere Welt in Ordnung bringen, indem sie uns Gefühle, Einstellungen und Verhaltensweisen erleben lassen. Sie sind nicht die Äußerung eines Ideals, um uns zu inspirieren, sondern sie sind eine Handlung, die den Körper in seiner Gesamtheit einbezieht, d.h. in seinem Wesen als Einheit von Seele und Körper.
52. Unter den rituellen Gesten, die zur gesamten Versammlung gehören, nimmt das Schweigen einen Platz von herausragender Bedeutung ein. Mehrmals ist es in den Rubriken ausdrücklich vorgeschrieben: Die gesamte Eucharistiefeier ist in die Stille getaucht, die ihrem Beginn vorausgeht und jeden Moment ihrer rituellen Entfaltung prägt. Sie findet sich im Bußakt, nach der Einladung zum Gebet, im Wortgottesdienst (vor den Lesungen, zwischen den Lesungen und nach der Homilie), im eucharistischen Hochgebet und nach der Kommunion.<ref> Vgl. Institutio Generalis Missalis Romani, Nrn. 45; 51; 54-56; 66; 71; 78; 84; 88; 271.</ref> Es ist kein Zufluchtsort, an dem man sich in eine private Abgeschiedenheit zurückzieht und das Ritual fast wie eine Ablenkung erträgt: Ein solches Schweigen würde dem eigentlichen Wesen der Feier widersprechen. Die liturgische Stille ist viel mehr: Sie ist das Symbol für die Anwesenheit und das Wirken des Heiligen Geistes, der die gesamte feierliche Handlung belebt, weshalb sie oft den Höhepunkt einer rituellen Handlung darstellt. Gerade weil sie ein Symbol des Geistes ist, hat sie die Kraft, sein vielgestaltiges Wirken auszudrücken. So führt die Stille, wenn ich die zuvor genannten Momente wiederhole, zur Reue und zum Wunsch nach Umkehr; sie weckt das Hören auf das Wort und das Gebet; sie führt zur Anbetung des Leibes und des Blutes Christi; sie zeigt jedem in der Vertrautheit der Gemeinschaft, was der Geist im Leben wirken will, um es dem gebrochenen Brot gleich zu machen. Deshalb sind wir aufgerufen, die symbolische Geste des Schweigens mit äußerster Sorgfalt auszuführen: In ihr gibt uns der Geist Gestalt.
53. Jede Geste und jedes Wort enthält eine genaue Handlung, die immer wieder neu ist, weil sie auf einen immer neuen Moment in unserem Leben trifft. Dies möchte ich anhand eines einfachen Beispiels erläutern. Wir knien nieder, um um Vergebung zu bitten; um unseren Hochmut zu zügeln; um Gott unsere Tränen zu übergeben; um ihn um sein Eingreifen zu bitten; um ihm für ein erhaltenes Geschenk zu danken: es ist immer dieselbe Geste, die im Wesentlichen besagt, dass wir vor Gott klein sind. In verschiedenen Momenten unseres Lebens formt sie jedoch unser tiefes Inneres, um sich dann äußerlich in unserer Beziehung zu Gott und unseren Brüdern und Schwestern zu manifestieren. Auch das Niederknien sollte kunstvoll erfolgen, d.h. im vollen Bewusstsein seiner symbolischen Bedeutung und des Anliegens, durch diese Geste auszudrücken, wie wir in der Gegenwart des Herrn sein möchten. Wenn all dies für diese einfache Geste wahr ist, wie viel mehr gilt es dann für die Feier des Wortes? Welche Kunst sollen wir lernen, das Wort zu verkünden, es zu hören, es zur Inspiration unseres Gebets zu machen, es zum Leben zu bringen? All das verdient höchste Sorgfalt, nicht formell, äußerlich, sondern lebendig, innerlich, denn jede Geste und jedes Wort der Feier, das mit „Kunst“ ausgedrückt wird, formt die christliche Persönlichkeit des Einzelnen und der Gemeinschaft.
54. Es ist zwar richtig, dass die ars celebrandi die gesamte feiernde Gemeinde betrifft, aber es ist ebenso richtig, dass die geweihten Amtsträger sich besonders darum bemühen müssen. Bei meinen Besuchen in christlichen Gemeinden habe ich oft festgestellt, dass die Art und Weise, wie sie die Feier leben, davon abhängt – im Guten und leider auch im Schlechten –, wie ihr Pfarrer der Versammlung vorsteht. Man könnte sagen, dass es verschiedene „Modelle“ des Vorstehens gibt. Hier ist eine mögliche Liste von Haltungen, die, obwohl sie gegensätzlich sind, das Vorstehen auf eine Art und Weise charakterisieren, die sicherlich unzureichend ist: rigide Strenge oder übertriebene Kreativität; vergeistigender Mystizismus oder praktischer Funktionalismus; hastende Eile oder betonte Langsamkeit; lieblose Vernachlässigung oder übertriebene Raffinesse; überbordende Freundlichkeit oder hieratische Unbeweglichkeit. Trotz der Brandbreite glaube ich, dass die Unzulänglichkeit dieser Modelle eine gemeinsame Wurzel hat: ein übertriebener Personalismus des Feierstils, der zuweilen eine schlecht verdeckte Manie des Protagonismus zum Ausdruck bringt. Dies wird oft noch deutlicher, wenn unsere Feiern im Internet übertragen werden, was nicht immer angemessen ist und worüber wir nachdenken sollten. Wohlgemerkt, das sind nicht die am weitesten verbreiteten Haltungen, aber Versammlungen sind nicht selten solchen „Misshandlungen“ ausgesetzt.
55. Es ließe sich viel über die Bedeutung und das Feingefühl des Vorstehens sagen. Bei mehreren Gelegenheiten habe ich mich mit der anspruchsvollen Aufgabe der Homilie befasst.<ref> Siehe Apostolisches Schreiben Evangelii gaudium (24 November 2013), Nrn. 135-144.</ref> Ich werde mich nun auf einige umfassendere Überlegungen beschränken und möchte mit Euch darüber nachdenken, wie wir durch die Liturgie geformt werden. Ich denke dabei an die Normalität der Sonntagsmessen in unseren Gemeinden: Ich beziehe mich also auf die Priester, aber implizit auf alle geweihten Amtsträger.
56. Der Priester lebt seine ihm eigene Teilhabe an der Feier kraft der Gabe, die er im Sakrament der Weihe empfangen hat: Diese Eigenart kommt gerade im Vorstehen zum Ausdruck. Wie alle Ämter, zu denen er berufen ist, ist dies nicht in erster Linie eine Aufgabe, die ihm von der Gemeinschaft zugewiesen wird, sondern vielmehr die Folge der Ausgießung des Heiligen Geistes, die er bei der Weihe empfangen hat und die ihn zu dieser Aufgabe befähigt. Der Priester wird auch dadurch geformt, dass er der Versammlung vorsteht, die feiert.
57. Damit dieser Dienst gut – ja sogar kunstvoll – ausgeführt werden kann, ist es von grundlegender Bedeutung, dass der Priester vor allem ein lebendiges Bewusstsein dafür hat, durch die Barmherzigkeit eine besondere Gegenwart des Auferstandenen zu sein. Der geweihte Amtsträger ist selbst eine der Formen der Gegenwart des Herrn, die die christliche Versammlung einzigartig machen und von allen anderen unterscheiden (vgl. Sacrosanctum Concilium, Nr. 7). Diese Tatsache verleiht allen Gesten und Worten des Vorstehenden – im weitesten Sinne – eine „sakramentale“ Tiefe. Die Versammlung hat das Recht, in diesen Gesten und Worten den Wunsch zu spüren, dass der Herr auch heute, wie beim letzten Abendmahl, das Pascha mit uns essen will. Der Auferstandene ist also der Protagonist, und sicher nicht unsere Unreife, die nach einer Darstellbarkeit einer Rolle und eine Haltung strebt, die sie nicht haben kann. Der Priester selbst ist überwältigt von dem Wunsch nach Gemeinschaft, die der Herr für alle hat: Es ist, als stünde er zwischen dem in Liebe brennenden Herzen Jesu und dem Herzen jedes Gläubigen, dem Objekt seiner Liebe. Der Eucharistie vorzustehen bedeutet, in den Schmelzofen der Liebe Gottes einzutauchen. Wenn wir in der Lage sind, diese Realität zu verstehen oder auch nur zu erahnen, brauchen wir sicherlich kein Direktorium mehr, das uns ein angemessenes Verhalten vorschreibt. Wenn wir das brauchen, dann wegen der Härte unseres Herzens. Der höchste und daher anspruchsvollste Maßstab ist die Realität der Eucharistiefeier selbst, die Worte, Gesten und Gefühle auswählt und uns zu verstehen gibt, ob sie der Aufgabe, die sie zu erfüllen haben, angemessen sind oder nicht. Natürlich kann auch dies nicht improvisiert werden: es ist eine Kunst, sie verlangt vom Priester die Anwendung, d.h. das eifrige Ausüben des Feuers der Liebe, das der Herr auf die Erde gebracht hat (vgl. Lk 12,49).
58. Als die erste Gemeinde im Gehorsam gegenüber dem Gebot des Herrn das Brot bricht, tut sie dies unter dem Blick Marias, die die ersten Schritte der Kirche begleitet: „Sie alle verharrten dort einmütig im Gebet, zusammen mit den Frauen und Maria, der Mutter Jesu, und seinen Brüdern“ (Apg 1,14). Die jungfräuliche Mutter „beaufsichtigt“ die Handlungen ihres Sohnes, die den Aposteln anvertraut wurden. So wie sie nach den Worten des Engels Gabriel das fleischgewordene Wort in ihrem Schoß bewahrte, so bewahrt die Jungfrau im Schoß der Kirche die Handlungen, die den Leib ihres Sohnes ausmachen. Der Priester, der kraft der mit dem Weihesakrament empfangenen Gabe diese Handlungen wiederholt, ist in den Schoß der Jungfrau eingebettet. Brauchen wir eine Norm, die uns sagt, wie wir uns verhalten sollen?
59. Die Priester sind zu Werkzeugen geworden, um das Feuer seiner Liebe auf der Erde zu entfachen; sie sind im Schoß Marias, der Jungfrau, die die Kirche geschaffen hat (wie der heilige Franziskus gesungen hat), eingeschlossen und lassen sich vom Geist leiten, der das Werk, das er bei ihrer Weihe begonnen hat, zu Vollendung führen will. Das Wirken des Geistes bietet ihnen die Möglichkeit, den Vorsitz der eucharistischen Versammlung auszuüben, mit der Furcht des Petrus, der sich seiner Sündhaftigkeit bewusst ist (vgl. Lk 5,1-11), mit der starken Demut des leidenden Knechtes (vgl. Jes 42 ff.), mit dem Wunsch, von den Menschen „gegessen zu werden“, die ihnen in der täglichen Ausübung des Dienstes anvertraut sind.
60. Es ist die Feier selbst, die zu dieser Qualität des Vorstehens erzieht, es ist, wir wiederholen es, keine mentale Haltung, auch wenn unser ganzer Verstand, wie auch unsere Gefühle, an ihr beteiligt sind. Der Priester wird also darin geschult, mit den Worten und Gesten vorzustehen, die die Liturgie ihm auf die Lippen und in die Hände legt.
Er sitzt nicht auf einem Thron<ref> Vgl. Institutio Generalis Missalis Romani, Nr. 310.</ref>, denn der Herr regiert mit der Demut eines Dienenden.
Er beraubt den Altar nicht seiner zentralen Bedeutung als Zeichen Christi, aus dessen durchbohrter Seite Wasser und Blut geflossen sind, als Quelle der Sakramente der Kirche und als Mittelpunkt unseres Lobes und gemeinsamen Dankes.<ref> Prex dedicationis in Ordo dedicationis ecclesiæ et altaris (1977) S. 102.</ref>
Wenn er sich dem Altar nähert, um die Opfergabe darzubringen, wird er mit den Worten zur Demut und Reue angehalten: „Herr, wir kommen zu dir mit reumütigem Herzen und mit demütigem Sinn. Nimm uns an und gib, dass unser Opfer dir gefalle.“<ref> Missale Romanum (2008) S. 515: «In spiritu humilitatis et in animo contrito suscipiamur a te, Domine; et sic fiat sacrificium nostrum in conspectu tuo hodie, ut placeat tibi, Domine Deus».</ref>
Er kann sich das ihm anvertraute Amt nicht anmaßen, denn die Liturgie fordert ihn auf, im Zeichen des Wassers um seine Reinigung zu bitten: „Herr, wasche ab meine Schuld, von meinen Sünden mache mich rein“.<ref> Missale Romanum (2008) S. 515: «Lava me, Domine, ab iniquitate mea, et a peccato meo munda me».</ref>
Die Worte, die die Liturgie ihm auf die Lippen legt, haben unterschiedliche Inhalte, die bestimmte Tonalitäten verlangen: Wegen der Bedeutung dieser Worte wird der Priester um eine echte ars dicendi gebeten. Sie geben seinen inneren Gefühlen Gestalt, einmal in der Anrufung des Vaters im Namen der Versammlung, einmal in der an die Versammlung gerichteten Ermahnung, einmal in der einstimmigen Akklamation mit der ganzen Versammlung.
Mit dem eucharistischen Hochgebet – an dem auch alle Getauften teilnehmen, indem sie ehrfürchtig und schweigend zuhören und sich mit Akklamationen beteiligen<ref> Vgl. Institutio Generalis Missalis Romani, Nrn. 78-79.</ref> – hat der Vorsteher die Kraft, im Namen des ganzen heiligen Volkes den Vater an die Hingabe seines Sohnes beim Letzten Abendmahl zu erinnern, damit dieses unermessliche Geschenk auf dem Altar wieder gegenwärtig wird. Er nimmt an dieser Opfergabe teil, indem er sich selbst opfert. Der Priester kann dem Vater nicht vom letzten Abendmahl erzählen, ohne daran teilzunehmen. Er kann nicht sagen: „Nehmt und esst alle davon: Das ist mein Leib, der für euch geopfert wird“, ohne dass er den gleichen Wunsch verspürt, seinen eigenen Leib, sein eigenes Leben für die ihm anvertrauten Menschen zu opfern. Dies geschieht bei der Ausübung seines Dienstes.
Aus all dem und vielem anderen wird der Priester ständig im feiernden Handeln geformt.
61. Ich wollte nur einige Überlegungen anstellen, die den unermesslichen Schatz der Feier der heiligen Geheimnisse sicher nicht erschöpfen. Ich bitte alle Bischöfe, Priester und Diakone, Seminarausbilder, Lehrer an den theologischen Fakultäten und Schulen sowie alle Katecheten und Katechetinnen, dem heiligen Volk Gottes zu helfen, aus dem zu schöpfen, was seit jeher die Hauptquelle der christlichen Spiritualität ist. Wir sind aufgerufen, den Reichtum der allgemeinen Grundsätze, die in den ersten Nummern von Sacrosanctum Concilium dargelegt sind, immer wieder neu zu entdecken und die enge Verbindung zwischen der ersten der konziliaren Konstitutionen und allen anderen zu verstehen. Deshalb können wir nicht zu jener rituellen Form zurückkehren, die die Konzilsväter cum Petro und sub Petro für reformbedürftig hielten, indem sie unter der Führung des Geistes und nach ihrem Gewissen als Hirten die Grundsätze billigten, aus denen die Reform hervorging. Die heiligen Päpste Paul VI. und Johannes Paul II. haben die revidierten liturgischen Bücher per Dekret Sacrosancti Œcumenici Concilii Vaticani II genehmigt und damit die Treue der Reform zum Konzil garantiert. Deshalb habe ich Traditionis Custodes geschrieben, damit die Kirche in der Vielfalt der Sprachen ein und dasselbe Gebet erhebt, das ihre Einheit zum Ausdruck bringt.<ref> Vgl. Paulus VI, Constitutio apostolica Missale Romanum (3 Aprilis 1969) in AAS 61 (1969) 222.</ref> Diese Einheit möchte ich, wie ich bereits geschrieben habe, in der gesamten Kirche des Römischen Ritus wiederhergestellt sehen.
62. Ich möchte, dass dieser Brief dazu beiträgt, unser Staunen über die Schönheit der Wahrheit des christlichen Feierns neu zu entfachen, uns an die Notwendigkeit einer authentischen liturgischen Bildung zu erinnern und die Bedeutung einer Kunst des Feierns zu erkennen, die im Dienst der Wahrheit des Pascha-Mysteriums und der Teilnahme aller Getauften steht, jeder mit der Besonderheit seiner oder ihrer Berufung.
All dieser Reichtum ist nicht weit von uns entfernt: Er findet sich in unseren Kirchen, in unseren christlichen Festen, in der zentralen Bedeutung des Sonntags, in der Kraft der Sakramente, die wir feiern. Das christliche Leben ist ein ständiger Weg des Wachstums: Wir sind aufgerufen, uns mit Freude und in Gemeinschaft formen zu lassen.
63. Deshalb möchte ich Euch noch einen Hinweis geben, damit wir unseren Weg fortsetzen können. Ich lade Euch ein, den Sinn des liturgischen Jahres und des Tages des Herrn wiederzuentdecken: auch dies ist eine Aufgabe des Konzils (vgl. Sacrosanctum Concilium, Nrn. 102-111).
64. Im Lichte dessen, was wir zuvor in Erinnerung gerufen haben, verstehen wir, dass das liturgische Jahr für uns die Gelegenheit ist, in der Erkenntnis des Geheimnisses Christi zu wachsen, indem wir unser Leben in das Geheimnis seines Pascha-Mysteriums eintauchen, während wir seine Wiederkunft erwarten. Dies ist eine echte Weiterbildung. Unser Leben ist keine zufällige und ungeordnete Abfolge von Ereignissen, sondern ein Weg, der uns von Ostern zu Ostern mit Ihm in Einklang bringt, während wir die Erfüllung der seligen Hoffnung und das Kommen unseres Erlösers Jesus Christus erwarten.<ref> Missale Romanum (2008) S. 598: « … exspectantes beatam spem et adventum Salvatoris nostri Iesu Christi».</ref>
65. In der durch Ostern neu gewordenen Zeit feiert die Kirche alle acht Tage am Sonntag das Heilsereignis. Der Sonntag ist, bevor er ein Gebot ist, ein Geschenk Gottes an sein Volk (weshalb er von der Kirche mit einem Gebot geschützt wird). Die sonntägliche Feier bietet der christlichen Gemeinschaft die Möglichkeit, sich durch die Eucharistie formen zu lassen. Von Sonntag zu Sonntag erhellt das Wort des Auferstandenen unsere Existenz und will in uns wirken, wozu es gesandt wurde (vgl. Jes 55,10-11). Von Sonntag zu Sonntag will die Gemeinschaft mit dem Leib und dem Blut Christi auch unser Leben zu einem dem Vater wohlgefälligen Opfer machen, in geschwisterlicher Gemeinschaft, die zum Teilen, zur Aufnahme und zum Dienst wird. Von Sonntag zu Sonntag stärkt uns die Kraft des gebrochenen Brotes in der Verkündigung des Evangeliums, in der sich die Authentizität unserer Feier zeigt.
Lassen wir die Streitereien hinter uns, um gemeinsam auf das zu hören, was der Geist der Kirche sagt, pflegen wir die Gemeinschaft, staunen wir weiterhin über die Schönheit der Liturgie. Wir haben das Pascha geschenkt bekommen, lassen wir uns von dem ständigen Wunsch des Herrn beschützen, es mit uns zu essen. Unter dem Blick Mariens, der Mutter der Kirche.
im Jahr 2022, dem zehnten meines Pontifikates.
Der ganze Mensch erschauere, die ganze Welt erbebe,
und der Himmel juble,
wenn auf dem Altar in der Hand des Priesters
Christus, der Sohn des lebendigen Gottes, ist!
O wunderbare Hoheit und staunenswerte Herablassung!
O erhabene Demut! O demütige Erhabenheit,
dass der Herr des Alls, Gott und Gottes Sohn, sich so erniedrigt,
dass er sich zu unserem Heil
unter der anspruchslosen Gestalt des Brotes verbirgt!
Seht, Brüder, Die Demut Gottes und schüttet vor ihm eure Herzen aus!
Erniedrigt auch ihr euch, damit ihr von ihm erhöht werdet!
Behaltet darum nichts von euch für euch zurück,
damit euch ganz aufnehme, der sich euch ganz hingibt!
Heilige Franz von Assisi, Brief an den gesamten Orden II,26-29
Anmerkungen
<references />
Weblinks
- Die deutsche Fassung auf der Vatikanseite
- Die englische Fassung auf der Vatikanseite