Barmherzigkeit Gottes
Die Barmherzigkeit Gottes (lat. misericordia) gehört neben der Heiligkeit Gottes und der Gerechtigkeit Gottes zu den drei wesentlichen Eigenschaften Gottes. Insofern wir als gottebenbildliche Geschöpfe seinem Wesen gleichgestaltet werden sollen, ist es Ziel geistlichen Lebens, auch im eigenen Leben die Barmherzigkeit zu verwirklichen - immer im Bewusstsein, dass wir dies nur auf unvollkommene Weise tun können.
Das hebräische Wort für Barmherzigkeit, rachamim, ist die Mehrzahl von "rechem", was eigentlich wörtlich Gebärmutter bedeutet. Solcherart ist Gottes Barmherzigkeit: mütterlich, bergend, ein Ort an dem wir heranwachsen können, Er liebt uns zum Leben! Die Wortwurzel "cham" bedeutet: Wärme.... Das ist ein ganz archaisches Bild, das uns tief an der Wurzel unseres Seins anspricht (und weit mehr ist als Verzeihung) - die wärme- und lebensspendende Mütterlichkeit Gottes. Sie hat heilende Kraft.
Inhaltsverzeichnis
Definition
Gott ist barmherzig. Das heißt, dass er jede Sünde dem Sünder verzeiht, wenn er sich bekehrt und die Sünden bereut.
Biblische Hinweise
"So wahr Ich lebe, spricht der Herr, Ich habe kein Wohlgefallen an dem Tod des Sünders, vielmehr daran, dass er sich abwende von seinen bösen Wegen und lebe. Kehret um von euren schlimmen Wegen! Warum wollt ihr des Todes sterben?" (Ez. 33,11).
"Der Herr ist gütig und barmherzig, langmütig und von großer Erbarmung" (Ps 103,8).
"Barmherzigkeit will ich, nicht Schlachtopfer, Gotteserkenntnis statt Brandopfer." ("quia misericordiam volui et non sacrificium et scientiam Dei plus quam holocausta"- Ho 6,6).
"Er erbarmt sich von Geschlecht zu Geschlecht über alle, die ihn fürchten" (Lk 1,50).
Im Magnificat des Lukasevangeliums (1,78) heißt es: "durch die barmherzige Liebe unseres Gottes, wird uns besuchen das aufstrahlende Licht aus der Höhe...". In der lateinischen Sprache wird von "per viscera misericordiae DEI nostri" gesprochen, was bedeutet: "durch die Gebärmuter der Barmherzigkeit Gottes". Damit wird in der lateinischen wie in der hebräischen Sprache, das Innerste Gottes, welche die Barmherzigkeit ist, ausgedrückt.
Die Kirche und die Barmherzigkeit
Das Leben der Kirche ist seit ihren Ursprüngen der Ausbreitung der Liebe unter den Völkern verpflichtet. Insbesondere Papst Johannes Paul II. widmete seine zweite Enzyklika "Dives in misericordia" dem besonders drängenden Thema des göttlichen Erbarmens. Seit 2000 wird der 2. Ostersonntag (Weißer Sonntag) im Festkalender der Kirche zugleich als Sonntag der Barmherzigkeit gefeiert.<ref>Papst Johannes Paul II über die Bedeutung des Barmherzigkeitssonntags</ref>
Zeugnisse
Die bekannteste Zeugin der Barmherzigkeit Gottes der jüngsten Neuzeit ist die Heilige Faustyna Kowalska. Im ihrem berühmten Tagebuch schreibt Faustyna: "Die erste Eigenschaft, die Gott mir zu erkennen gab, ist Seine Heiligkeit. Diese Heiligkeit ist so groß, dass vor Ihm alle Gewalten und Mächte zittern. Reine Geister verhüllen ihr Angesicht und versinken in unaufhörlicher Anbetung. Das Wort ihrer höchsten Verehrung ist nur eines - 'Heiliger' - 'Sanctus'... Die Heiligkeit Gottes ist ausgegossen auf Seine Kirche und auf jede in ihr lebende Seele - jedoch nicht im gleichen Maße. Es gibt ganz vergöttlichte Seelen und auch Seelen, die kaum Leben besitzen. Die zweite Erkenntnis erteilte mir der Herr - dies ist Seine Gerechtigkeit. Seine Gerechtigkeit ist so groß und durchdringend, dass sie bis ins Wesen der Dinge reicht und alles vor Ihm in entblößter Wahrheit steht und nichts bestehen kann. Die dritte Eigenschaft ist die Liebe und Barmherzigkeit. Ich begriff, dass die größte Eigenschaft Gottes die Liebe ist und die Barmherzigkeit. Sie verbindet das Geschöpf mit dem Schöpfer. Die allergrößte Liebe und den Abgrund der Barmherzigkeit erkenne ich in der Menschwerdung des Wortes, in Seiner Erlösung. Ich erkannte hier, dass diese Eigenschaft die größte in Gott ist."
Somit werden Motive der Herz Jesu-Verehrung in intensiver Weise wieder aufgegriffen und vertieft.
Die Nachahmung der göttlichen Barmherzigkeit
Diese Werke gehören zu den Formeln der katholischen Lehre.
Die sieben leiblichen Werke der Barmherzigkeit
- Die Hungrigen speisen.
- Den Dürstenden zu trinken geben.
- Die Nackten bekleiden.
- Die Fremden aufnehmen.
- Die Kranken besuchen.
- Die Gefangenen besuchen.
- Die Toten begraben.
Die sieben geistigen Werke der Barmherzigkeit
- Die Unwissenden lehren.
- Den Zweifelnden recht raten.
- Die Betrübten trösten.
- Die Sünder zurechtweisen (vgl. Correctio fraterna).
- Die Lästigen geduldig ertragen.
- Denen, die uns beleidigen, gerne verzeihen.
- Für die Lebenden und die Toten beten.
Einzelnachweise
<references />
Literatur
- H. Bauer, Die Kirche als Mutter der leiblichen und geistlichen Barmherzigkeit, Verlag Erziehungs-Verein Donauwörth 1876 (in deutschen Buchstaben; Mit bischöflicher Approbation)
- Richard Gräf, Selig die Hungernden, Verlag Friedrich Pustet Regensburg 1940 (Mit kirchlicher Druckerlaubnis)
- Wilhelm Sandfuchs (Hsgr.), Die Werke der Barmherzigkeit, Herder Bücherei Freiburg im Breisgau 1962