Pastores gregis (Wortlaut)
Pastores gregis |
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von Papst Johannes Paul II.
zum Thema „Der Bischof als Diener des Evangeliums Jesu Christi für die Hoffnung der Welt"
Die X. Ordentliche Generalversammlung der Weltbischofssynode fand am 30. September bis 27. Oktober 2001 statt
16. Oktober 2003
Offizieller lateinischer Text: L'Osservatore Romano vom 17. Oktober 2003.
Allgemeiner Hinweis: Was bei der Lektüre von Wortlautartikeln der Lehramtstexte zu beachten ist |
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1 Die Hirten der Herde wissen, dass sie bei der Ausübung ihres Bischofsamtes auf eine besondere göttliche Gnade zählen können. Wie im Pontificale Romanum angegeben, wiederholt der Hauptzelebrant der Bischofsweihe nach der Anrufung um die Ausgießung des Geistes, der führt und leitet, während des feierlichen Weihegebetes die Worte, die schon in dem alten Text der Traditio Apostolica stehen: »Du, Vater, kennst die Herzen und hast deinen Diener zum Bischofsamt berufen. Gib ihm die Gnade, dein heiliges Volk zu leiten« .<ref> De ordinatione episcopi: Weihegebet.</ref> So wird der Wille des Herrn Jesus Christus, des ewigen Hirten, weiter erfüllt: Er sandte die Apostel aus, wie er selbst gesandt war vom Vater (vgl. Joh 20, 21), und wollte, dass deren Nachfolger, also die Bischöfe, in seiner Kirche bis zur Vollendung der Weltzeit Hirten sein sollten (vgl. Apg 20, 28; 1 Petr 5, 2).<ref>Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, 18.</ref>
Das Bild vom Guten Hirten, das schon in der frühesten christlichen Kunst ein sehr beliebtes Motiv war, stand den Bischöfen, die vom 30. September bis zum 27. Oktober 2001 zur X. Ordentlichen Vollversammlung der Bischofssynode aus aller Welt zusammengekommen waren, deutlich vor Augen. Am Grab des Apostels Petrus haben sie mit mir zusammen über die Gestalt des Bischofs als Diener des Evangeliums Jesu Christi für die Hoffnung der Welt nachgedacht. Alle waren übereinstimmend der Meinung, dass die Gestalt Jesu als Guter Hirt das bevorzugte Vorbild darstellt, auf das man ständig Bezug nehmen muss. Denn als Hirt, der dieses Namens würdig ist, kann niemand angesehen werden, »nisi per caritatem efficiatur unum cum Christo«<ref>Thomas von Aquin, Expositio in Evangelium secundum Ioannem, X, 3.</ref> Das ist der eigentliche Grund, weshalb »das Idealbild des Bischofs, auf den die Kirche weiterhin zählt, das des Hirten ist, der, in der Heiligkeit des Lebens Christus gleichgestaltet, sich hochherzig für die ihm anvertraute Kirche einsetzt und gleichzeitig die Sorge für alle Kirchen auf der ganzen Erde im Herzen trägt (vgl. 2 Kor 11, 28)« .<ref>Johannes Paul II., Predigt bei der Eucharistiefeier zum Abschluß der X. Ordentlichen Vollversammlung der Bischofssynode (27. Oktober 2001), 3: AAS 94 (2002), 114.</ref>
Die Zehnte Versammlung der Bischofssynode
2 Wir wollen dem Herrn nun dafür danken, dass er uns die Gabe gewährt hat, noch ein weiteres Mal eine Versammlung der Bischofssynode abzuhalten und dabei eine wirklich tiefe Erfahrung des Kircheseins zu machen. Die X. Ordentliche Vollversammlung der Bischofssynode, die in dem noch anhaltenden Klima des Großen Jubiläums des Jahres Zweitausend am Beginn des dritten christlichen Jahrtausends abgehalten wurde, stand am Ende einer langen Reihe anderer Versammlungen: Das waren zum einen die Sonderversammlungen, die alle miteinander verbunden waren durch die Blickrichtung auf die Evangelisierung in den verschiedenen Kontinenten – von Afrika bis Amerika, Asien, Ozeanien und Europa. Zum anderen waren es die ordentlichen Versammlungen, deren letzte ihre Betrachtungen dem unermeßlichen Reichtum widmete, den die im Volk Gottes vom Geist geweckten Berufungen in der Kirche darstellen. Aus dieser Perspektive hat die Beschäftigung mit dem besonderen Amt der Bischöfe das Bild jener Ekklesiologie der Gemeinschaft und Sendung vervollständigt, die man immer vor Augen haben soll.
In diesem Zusammenhang haben die Arbeiten der Synode ständig Bezug genommen auf die vom Zweiten Vatikanischen Konzil – besonders im dritten Kapitel der dogmatischen Konstitution über die Kirche Lumen gentium und im Dekret über die Hirtenaufgabe der Bischöfe Christus Dominus – vorgelegte Lehre über das Bischofsamt und den Dienst des Bischofs. Von dieser erhellenden Lehre, welche die überlieferten theologischen und rechtlichen Elemente zusammenfaßt und weiterentfaltet, konnte mein Vorgänger seligen Angedenkens, Paul VI., mit Recht sagen: »Die bischöfliche Autorität ist, so scheint Uns, gestärkt aus dem Konzil hervorgegangen: in ihrer göttlichen Einsetzung geltend gemacht, in ihrer unersetzbaren Amtsfunktion bestätigt, in ihren pastoralen Gewalten des Lehrens, Heiligens und Leitens bekräftigt, durch die kollegiale Gemeinschaft in ihrer Ausdehnung auf die Gesamtkirche geehrt, in ihrer hierarchischen Stellung präzise festgelegt, in der brüderlichen Mitverantwortung mit den anderen Bischöfen für die allgemeinen und besonderen Bedürfnisse der Kirche bestärkt und im Geist untergeordneter Einheit und solidarischer Zusammenarbeit mit dem Haupt der Kirche, dem konstitutiven Zentrum des Bischofskollegiums, enger verbunden« .<ref> Ansprache an die Kardinäle, Erzbischöfe und Bischöfe Italiens (6. Dezember 1965): AAS 58 (1966), 68.</ref>
Zugleich haben die Synodenväter, entsprechend dem vorgegebenen Thema, ihr Amt im Licht der theologalen Hoffnung neu überdacht. Auch diese Aufgabe gehört, wie sogleich deutlich wurde, in einzigartiger Weise zum Auftrag des Hirten, der in der Kirche vor allem der Träger des österlichen und eschatologischen Zeugnisses ist.
Eine auf Christus gegründete Hoffnung
3 In der Tat ist es Aufgabe jedes Bischofs, ausgehend von der Verkündigung des Evangeliums Jesu Christi, der Welt die Hoffnung zu verkünden: die Hoffnung »nicht nur in bezug auf die vorletzten Dinge, sondern auch und vor allem die eschatologische Hoffnung, die den Reichtum der Herrlichkeit Gottes erwartet (vgl. Eph 1, 18), die über alles hinausgeht, was dem Menschen je in den Sinn gekommen ist (vgl. 1 Kor 2, 9), und mit der die Leiden der gegenwärtigen Zeit nicht zu vergleichen sind (vgl. Röm 8, 18)« .<ref> Propositio 3.</ref> Die Perspektive der theologalen Hoffnung muss, zusammen mit jener des Glaubens und der Liebe, das Hirtenamt des Bischofs von Grund auf formen.
Ihm obliegt im besonderen die Aufgabe, Prophet, Zeuge und Diener der Hoffnung zu sein. Er hat die Pflicht, Vertrauen zu stiften und jedem die Gründe für die christliche Hoffnung zu erklären (vgl. 1 Petr 3, 15). Der Bischof ist vor allem dort Prophet, Zeuge und Diener dieser Hoffnung, wo der Druck einer vom Immanenzdenken beherrschten Kultur, die jede Öffnung gegenüber der Transzendenz ablehnt, sehr stark ist. Wo die Hoffnung fehlt, wird der Glaube selbst in Frage gestellt. Auch die Liebe schwindet, wenn diese Tugend versiegt. Die Hoffnung ist tatsächlich, besonders in Zeiten wachsender Ungläubigkeit und Gleichgültigkeit, eine starke Stütze für den Glauben und ein wirksamer Ansporn für die Liebe. Sie schöpft ihre Kraft aus der Gewißheit vom universalen Heilswillen Gottes (vgl. 1 Tim 2, 4) und der ständigen Gegenwart des Herrn Jesus, des Immanuel, der immer bei uns ist bis zum Ende der Welt (vgl. Mt 28, 20). Nur durch das Licht und den Trost aus dem Evangelium schafft es ein Bischof, die eigene Hoffnung lebendig zu erhalten (vgl. Röm 15, 4) und sie in allen zu nähren, die seiner Hirtensorge anvertraut sind. Er soll also Nachahmer der Jungfrau Maria, der Mater spei, sein, die an die Erfüllung der Worte des Herrn geglaubt hat (vgl. Lk 1, 45). Indem er sich auf das Wort Gottes stützt und sich fest an die Hoffnung klammert, die wie ein sicherer und fester Anker ist, der in den Himmel hineinreicht (vgl. Hebr 6, 18- 20), ist der Bischof in der Mitte seiner Kirche wachsamer Hüter, mutiger Prophet, glaubwürdiger Zeuge und treuer Diener Christi, der »Hoffnung auf Herrlichkeit« (vgl. Kol 1, 27), dank dem »der Tod nicht mehr sein wird, keine Trauer, keine Klage, keine Mühsal« (Offb 21, 4).
Die Hoffnung angesichts des Scheiterns der Hoffnungen
4 Alle werden sich daran erinnern, dass die Sitzungen der Bischofssynode in höchst dramatischen Tagen stattfanden. Die Synodenväter standen innerlich noch unter dem Eindruck der schrecklichen Ereignisse vom 11. September 2001, die den Tod unzähliger unschuldiger Opfer zur Folge hatten und in der Welt neue, sehr ernste Situationen der Unsicherheit und Angst um die menschliche Zivilisation selbst und um das friedliche Zusammenleben der Nationen auslösten. So zeichneten sich zusätzlich zu den bereits bestehenden Konfliktsituationen weitere Horizonte von Krieg und Tod ab, die den dringenden Bedarf deutlich machten, den Friedensfürsten anzurufen, damit die Herzen der Menschen wieder zu Versöhnung, Solidarität und Frieden bereit würden.<ref> Vgl. Johannes Paul II., Gebet am 11. Oktober 2001: L'Osservatore Romano, 12. Oktober 2001, 1.</ref>
Zugleich mit dem Gebet erhob die Synodenversammlung ihre Stimme, um jede Form von Gewalt zu verurteilen und auf deren tiefste Wurzeln hinzuweisen, die in der Sünde des Menschen liegen. Angesichts des Scheiterns der auf materialistische, immanentistische und ökonomische Ideologien gegründeten menschlichen Hoffnungen, die sich einbilden, alles nach den Bedingungen der Effizienz und der Macht- und Marktverhältnisse bemessen zu können, haben die Synodenväter wieder die Überzeugung bekräftigt, dass allein das Licht des Auferstandenen und der Impuls des Heiligen Geistes dem Menschen helfen, seine Erwartungen auf die Hoffnung zu stützen, die nicht zugrunde gehen lässt. Darum erklärten sie: »Wir dürfen uns nicht durch die verschiedenen Verneinungen des lebendigen Gottes einschüchtern lassen, die mehr oder weniger offen die christliche Hoffnung zu untergraben oder lächerlich zu machen suchen. Wir bekennen in der Freude des Geistes: Christus ist wahrhaft auferstanden! In seiner verklärten Menschheit hat er allen, die die Gnade der Bekehrung annehmen, das ewige Leben erschlossen«.<ref> Bischofssynode, X. Ordentliche Vollversammlung, Botschaft, 8: L'Osservatore Romano, 27. Oktober 2001, 5; vgl. Paul VI., Apostolisches Schreiben Octogesima adveniens (14. Mai 1971), 41: AAS 63 (1971), 429-430.</ref>
Die Gewißheit dieses Glaubensbekenntnisses muss so stark sein, dass sie die Hoffnung eines Bischofs von Tag zu Tag mehr festigt, indem sie ihn darauf vertrauen lässt, dass Gottes barmherzige Güte niemals aufhören wird, Heilswege zu errichten und sie der Freiheit jedes Menschen zu öffnen. Es ist die Hoffnung, die ihn dazu ermutigt, in der Umgebung, wo er sein Amt ausübt, die Zeichen des Lebens zu erkennen, die imstande sind, die schädlichen und tödlichen Keime auszumerzen. Die Hoffnung ist es auch, die ihn dabei unterstützt, sogar die Konflikte in Wachstumschancen umzuwandeln, indem er sie der Versöhnung öffnet. Es wird auch die Hoffnung auf Jesus, den Guten Hirten, sein, die sein Herz mit Mitleid erfüllt und ihn veranlaßt, sich dem Schmerz jedes leidenden Menschen zuzuneigen, um seine Wunden zu lindern, wobei er immer die Zuversicht bewahrt, dass das verlorene Schaf wiedergefunden werden kann. Auf diese Weise wird der Bischof immer leuchtender zum Zeichen Christi, des Hirten und Bräutigams der Kirche. Indem er als Vater, Bruder und Freund jedes Menschen handelt, wird er für einen jeden lebendiges Bild Christi, unserer Hoffnung,<ref> Vgl. Propositio 6.</ref> sein, in dem sich alle Verheißungen Gottes erfüllen und alle Erwartungen der Schöpfung zur Vollendung gebracht werden.
Diener des Evangeliums für die Hoffnung der Welt
5 In dieses Apostolische Schreiben nehme ich den im Verlauf der X. Ordentlichen Vollversammlung der Bischofssynode herangereiften Bestand an Reflexionen auf – von den ersten Lineamenta bis zum Instrumentum Laboris, von den Beiträgen der Synodenväter in der Aula bis zu den beiden Relationes zur Einleitung und zur Zusammenfassung dieser Beiträge, von der Bereicherung an Gedanken und pastoraler Erfahrung, die sich in den circuli minores ergab, bis zu den Propositiones, die mir zum Abschluß der Synodenarbeiten vorgelegt wurden, damit ich für die Gesamtkirche ein eigens zum Synodenthema »Der Bischof – Diener des Evangeliums Jesu Christi für die Hoffnung der Welt« vorgesehenes Dokument erstelle.<ref> Vgl. Propositio 1.</ref> Während ich mich also auf die Übergabe dieses meines Apostolischen Schreibens vorbereite, richte ich meinen brüderlichen Gruß und sende ich den Friedenskuß an alle Bischöfe, die sich in Gemeinschaft mit diesem Bischofsstuhl befinden, der als erstem Petrus anvertraut wurde, damit er Garant der Einheit sein und, wie von allen anerkannt wird, den Vorsitz in der Liebe haben sollte.<ref> Vgl. Optatus von Mileve, Contra Parmenianum donatistam, 2, 2: PL 11, 947; Ignatius von Antiochien, Ad Romanos, 1, 1: PG 5, 685.</ref>
An euch, ehrwürdige und geliebte Brüder, wiederhole ich die Aufforderung, die ich zu Beginn des neuen Jahrtausends an die ganze Kirche gerichtet habe: Duc in altum! Ja, Christus selbst ist es, der den Ruf erneut an die Nachfolger jener Apostel richtet, die diese Aufforderung aus seinem eigenen Mund vernahmen und im Vertrauen auf ihn zur Mission in alle Welt aufbrachen: Duc in altum! (Lk 5, 4). Im Lichte dieser eindringlichen Aufforderung des Herrn »können wir das dreifache munus, das uns in der Kirche übertragen wurde: munus docendi, sanctificandi et regendi auf neue Weise deuten. Duc in docendo! ,,Verkünde das Wort – würden wir mit dem Apostel sagen –, ,,tritt dafür ein, ob man es hören will oder nicht; weise zurecht, tadle, ermahne, in unermüdlicher und geduldiger Belehrung (2 Tim 4, 2). Duc in sanctificando! Die Netze, die wir unter den Menschen auswerfen sollen, sind in erster Linie die Sakramente, deren erste Spender und Hüter wir sind und deren Ausspendung wir zu regeln und zu fördern haben. Sie bilden eine Art heilbringendes Netz, das vom Bösen befreit und zur Fülle des Lebens führt. Duc in regendo! Als Hirten und wahre Väter haben wir die Aufgabe, mit der Unterstützung der Priester und unserer anderen Mitarbeiter die Familie der Gläubigen zusammenzuführen und in ihr die Liebe zu entzünden und die brüderliche Gemeinschaft zu fördern. Obwohl es sich um einen schwierigen und mühevollen Auftrag handelt, soll niemand den Mut verlieren. Mit Petrus und den ersten Jüngern erneuern auch wir vertrauensvoll unser aufrichtiges Glaubensbekenntnis: Herr, ,,wenn du es sagst, werde ich die Netze auswerfen (Lk 5, 5)! Wenn du es sagst, Christus, wollen wir deinem Evangelium dienen für die Hoffnung der Welt!« .<ref> Johannes Paul II., Predigt bei der Eucharistiefeier zur Eröffnung der X. Ordentlichen Vollversammlung der Bischofssynode (30. September 2001), 6: AAS 94 (2002), 111-112.</ref>
Auf diese Weise werden die Bischöfe, wenn sie als Männer der Hoffnung leben und in ihrem eigenen Dienstamt die Ekklesiologie der Gemeinschaft und Sendung widerspiegeln, wirklich ein Grund zur Hoffnung für ihre Herde sein. Wir wissen, die Welt braucht »Hoffnung, die nicht zugrunde gehen lässt« (Röm 5, 5). Wir wissen, dass diese Hoffnung Christus ist. Das wissen wir und verkündigen deshalb die Hoffnung, die aus dem Kreuz entspringt.
Ave Crux spes unica! Dieser Gruß, der in der Synodenaula im entscheidenden Augenblick der Arbeiten der X. Vollversammlung der Bischofssynode erschollen ist, soll stets auf unseren Lippen erklingen, weil das Kreuz das Mysterium von Tod und Leben ist. Das Kreuz ist für die Kirche zum »Baum des Lebens« geworden. Deshalb verkünden wir, dass das Leben den Tod besiegt hat.
In dieser österlichen Verkündigung ist uns eine Schar heiliger Bischöfe vorausgegangen, die in medio Ecclesiae beredte Zeichen des Guten Hirten gewesen sind. Darum loben wir stets den allmächtigen und ewigen Gott und danken ihm, weil er uns – wie wir in der heiligen Liturgie singen – in ihrem Leben aus dem Glauben ein Vorbild gibt, uns durch die Botschaft ihrer Predigt belehrt und uns auf ihre Fürbitte Schutz und Hilfe gewährt.<ref> Vgl. Missale Romanum, Präfation von den Hirten der Kirche.</ref> Das Antlitz jedes dieser heiligen Bischöfe, von den Anfängen der Kirche bis in unsere Tage, ist – wie ich zum Abschluß der Synodenarbeiten sagte – gleichsam ein Mosaikstein, der zusammen mit allen anderen in einer Art mystischem Mosaik das Antlitz Christi, des Guten Hirten, bildet. Auf Christus also richten wir unseren Blick und werden auch darin zum Vorbild für die Herde, die der Hirt der Hirten uns anvertraut hat; schauen wir auf ihn, um mit immer größerem Engagement Diener des Evangeliums für die Hoffnung der Welt zu sein.
In der Betrachtung des Antlitzes unseres Herrn und Meisters lassen wir uns alle – wie der Apostel Petrus in der Stunde, in der Jesus »den Seinen seine Liebe bis zur Vollendung erwies« (vgl. Joh 13, 1-9) – von ihm die Füße waschen, um Anteil an ihm zu haben. Und mit der Kraft, die wir von ihm in der heiligen Kirche erhalten, wiederholen wir vor unseren Priestern und Diakonen, vor allen Personen des geweihten Lebens und vor allen geliebten gläubigen Laien mit lauter Stimme: »Wie immer wir sein mögen, ihr sollt nicht eure Hoffnung auf uns setzen: Wenn wir gut sind, sind wir Diener; wenn wir schlecht sind, sind wir Diener. Wenn wir jedoch gute und treue Diener sind, dann sind wir wirklich Diener« .<ref> Augustinus, Sermo 340/A, 9: PL 2, 644.</ref> – Diener des Evangeliums für die Hoffnung der Welt.
ERSTES KAPITEL: MYSTERIUM UND DIENST DES BISCHOFS
»… und wählte aus ihnen zwölf aus« (Lk 6, 13)
6 Der Herr Jesus verkündete während seiner Erdenpilgerschaft das Evangelium vom Reich Gottes, dessen Anbruch er selbst einleitete, indem er allen Menschen sein Geheimnis offenbarte.<ref> Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, 3.</ref> Er berief Männer und Frauen in seine Nachfolge, und wählte unter den Jüngern zwölf aus, »die er bei sich haben wollte« (Mk 3, 14). Das Lukasevangelium führt genauer aus, dass Jesus diese Wahl traf, nachdem er eine ganze Nacht im Gebet auf einem Berg verbracht hatte (vgl. Lk 6, 12). Was das Markusevangelium betrifft, so scheint es diese Handlung Jesu als einen souveränen Akt, einen konstitutiven Akt einzustufen, der denen, die er ausgewählt hat, Identität verleiht: »Er setzte zwölf ein« (Mk 3, 14). So enthüllt sich das Geheimnis der Wahl der Zwölf: Es ist ein Akt der Liebe, von Jesus frei gewollt in tiefer Einheit mit dem Vater und dem Heiligen Geist.
Die von Jesus den Aposteln anvertraute Sendung muss bis ans Ende der Zeiten andauern (vgl. Mt 28, 20), weil das Evangelium, zu dessen Weitergabe sie beauftragt sind, das Leben der Kirche zu jeder Zeit ist. Eben deshalb trugen die Apostel für die Bestellung von Nachfolgern Sorge, so dass, nach dem Zeugnis des hl. Irenäus, die apostolische Überlieferung durch die Jahrhunderte hin kundgemacht und bewahrt werden sollte.<ref> Vgl. Adversus haereses, III, 2,2; III, 3,1: PG 7, 847; 848; vgl. Propositio 2.</ref>
An der besonderen Ausgießung des Heiligen Geistes, mit dem die Apostel vom auferstandenen Herrn beschenkt wurden (vgl. Apg 1, 5.8; 2, 4; Joh 20, 22-23), ließen sie ihre Mitarbeiter durch die Auflegung der Hände teilhaben (vgl. 1 Tim 4, 14; 2 Tim 1, 6-7). Diese wiederum gaben sie mit derselben Geste an andere weiter, und diese wieder an andere. Auf diese Weise ist die geistliche Gabe des Anfangs durch die Auflegung der Hände, das heißt durch die Bischofsweihe, welche die Fülle des Weihesakramentes, das Hohepriestertum, die Ganzheit des heiligen Dienstamtes überträgt, bis auf uns gekommen. Durch die Bischöfe und die Priester, die ihnen zur Seite stehen, ist also der Herr Jesus Christus, auch wenn er zur Rechten des Vaters sitzt, weiterhin inmitten der Gläubigen anwesend. Zu allen Zeiten und an allen Orten verkündet er allen Völkern Gottes Wort, spendet den Gläubigen die Sakramente des Glaubens und lenkt und ordnet gleichzeitig das Volk des Neuen Bundes auf seiner Pilgerschaft zur ewigen Seligkeit. Der Gute Hirt verlässt seine Herde nicht, sondern hütet und schützt sie immer mittels derjenigen, die, wenn sie kraft der seinsmäßigen Teilhabe an seinem Leben und seiner Sendung die Aufgabe des Lehrers, Hirten und Priesters in hervorragender und sichtbarer Weise innehaben, an seiner Stelle handeln. Bei der Ausübung der mit dem Hirtenamt verbundenen Aufgaben sind sie als seine Stellvertreter und Gesandte eingesetzt.<ref> Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, 21; 27.</ref>
Das trinitarische Fundament des Bischofsamtes
7 Die christologische Dimension des Hirtenamtes, wenn man sie in ihrer Tiefgründigkeit betrachtet, führt hin zum Verständnis des trinitarischen Fundamentes des Amtes selbst. Das Leben Christi ist trinitarisch. Er ist der ewige und eingeborene Sohn des Vaters und der mit dem Heiligen Geist Gesalbte, der in die Welt gesandt worden ist; er ist der, welcher zusammen mit dem Vater der Kirche den Heiligen Geist sendet. Diese trinitarische Dimension, die in der ganzen Seins- und Handlungsweise Christi offenbar wird, formt auch das Sein und Handeln des Bischofs. Mit Recht hatten also die Synodenväter den ausdrücklichen Wunsch, Leben und Dienstamt des Bischofs im Licht der in der Lehre des Zweiten Vatikanischen Konzils enthaltenen trinitarischen Ekklesiologie zu veranschaulichen.
Sehr alt ist die Überlieferung, die den Bischof als Abbild des himmlischen Vaters darstellt, der – wie der heilige Ignatius von Antiochien schrieb – so etwas wie der unsichtbare Bischof, der Bischof aller ist. Jeder Bischof nimmt folglich den Platz des Vaters Jesu Christi ein, so dass er wegen dieser Vertretung von allen geachtet werden muss.<ref> Vgl. Ad Magnesios, 6, 1: PG 5, 764; Ad Trallianos, 3, 1: PG 5, 780; Ad Smyrnæos, 8, 1: PG 5, 852.</ref> Im Zusammenhang mit dieser symbolischen Struktur kann der Bischofsstuhl, der besonders in der Tradition der Ostkirche an die väterliche Autorität Gottes erinnert, nur vom Bischof besetzt werden. Aus dieser selben Struktur ergibt sich für jeden Bischof die Pflicht, sich mit väterlicher Liebe des heiligen Gottesvolkes anzunehmen und es zusammen mit den Priestern, den Mitarbeitern des Bischofs in seinem Dienst, und mit den Diakonen auf dem Weg des Heiles zu führen.<ref> Vgl. Pontificale Romanum: De ordinatione episcopi, Versprechen des Erwählten.</ref> Umgekehrt sollen die Gläubigen, wie ein alter Text mahnt, die Bischöfe lieben, die nach Gott ihre Väter und Mütter sind.<ref> Vgl. Didascalia Apostolorum, II, 33,1: F.X. Funk, I, 115.</ref> Daher wird gemäß einem in einigen Kulturen verbreiteten Brauch die Hand des Bischofs wie die Hand des liebevollen Vaters und Spenders des Lebens geküßt.
Christus ist das ursprüngliche Abbild des Vaters und die Kundmachung seiner barmherzigen Anwesenheit unter den Menschen. Der Bischof, der in der Person und im Namen Christi selbst handelt, wird in der ihm anvertrauten Kirche zum lebendigen Zeichen des Herrn Jesus, des Hirten und Bräutigams, Lehrers und Hohenpriesters der Kirche.<ref> Vgl. Propositio 6.</ref> Hier liegt die Quelle des Hirtenamtes, durch das, wie es das vom Pontificale Romanum vorgeschlagene Homilieschema empfiehlt, die drei Funktionen der Belehrung, Heiligung und Leitung des Gottesvolkes mit den charakteristischen Eigenschaften des Guten Hirten ausgeübt werden müssen: Liebe, Kennen der Herde, Sorge um alle, barmherziges Handeln gegenüber den Armen, den Fremden, den Notleidenden, Suche nach den verlorenen Schafen, um sie in den einen Schafstall zurückzubringen.
Da schließlich die Salbung mit dem Heiligen Geist den Bischof Christus gleichgestaltet, befähigt sie ihn dazu, in seinem Leben das Geheimnis Christi zugunsten der Kirche fortzuführen. Wegen dieser trinitarischen Kennzeichnung seines Wesens ist jeder Bischof in seinem Dienst verpflichtet, liebevoll über die ganze Herde zu wachen, in deren Mitte er vom Geist gestellt wurde, um die Kirche Gottes zu führen: im Namen des Vaters, dessen Bild er vergegenwärtigt; im Namen Jesu Christi, seines Sohnes, von dem er zum Lehrer, Priester und Hirten eingesetzt worden ist; im Namen des Heiligen Geistes, der der Kirche Leben verleiht und mit seiner Kraft die menschliche Schwachheit stärkt.<ref> Vgl. Pontificale Romanum: De ordinatione episcopi, Homilie.</ref>
Kollegialer Charakter des Bischofsamtes
8 »... er setzte zwölf ein« (Mk 3, 14). Mit diesem Hinweis auf das Evangelium leitet die dogmatische Konstitution Lumen gentium die Lehre über den kollegialen Charakter des Kreises der Zwölf ein, die eingesetzt wurden »nach Art eines Kollegiums oder eines festen Kreises, an dessen Spitze er den aus ihrer Mitte erwählten Petrus stellte« <ref> Nr. 19.</ref> In gleicher Weise sind der Papst als Nachfolger des seligen Petrus als Bischof von Rom und alle Bischöfe in ihrer Gesamtheit als Nachfolger der Apostel untereinander nach Art eines Kollegiums verbunden.<ref> Vgl. ebd., 22; Codex des kanonischen Rechtes, can. 330; Gesetzbuch der katholischen Ostkirchen, can. 42.</ref>
Die kollegiale Einheit zwischen den Bischöfen gründet zugleich auf der Bischofsweihe und auf der hierarchischen Gemeinschaft; daher berührt sie die Tiefe des Seins eines jeden Bischofs und gehört zur Struktur der Kirche, wie sie dem Willen Jesu Christi entspricht. In die Fülle des Bischofsamtes wird man nämlich versetzt kraft der Bischofsweihe und durch die hierarchische Gemeinschaft mit dem Haupt des Kollegiums und mit den Gliedern, das heißt mit dem Kollegium, das immer als eine Einheit mit seinem Haupt zu verstehen ist. Das ist das Wesen der Eingliederung in das Bischofskollegium,<ref> Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, 22; Codex des kanonischen Rechtes, can. 336; Gesetzbuch der katholischen Ostkirchen, can. 49.</ref> und darum müssen auch die drei bei der Bischofsweihe empfangenen Ämter – das Amt des Heiligens, des Lehrens und des Leitens – in der hierarchischen Gemeinschaft ausgeübt werden, was allerdings wegen ihrer verschiedenen unmittelbaren Zielsetzungen in unterschiedlicher Weise geschieht.<ref> Vgl. Propositio 20; II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, 21; Codex des kanonischen Rechtes, can. 375 § 2.</ref>
Das ist der sogenannte affectus collegialis, jene »kollegiale Gesinnung« oder affektive Kollegialität, aus der die Sorge der Bischöfe für die anderen Teilkirchen und für die Universalkirche entspringt.<ref> Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, 23; Dekret über die Hirtenaufgabe der Bischöfe in der Kirche Christus Dominus, 3; 5; 6; Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben erlassen als »Motu proprio« Apostolos suos (21. Mai 1998), 13: AAS 90 (1998), 650-651.</ref> Wenn man also sagen muss, dass ein Bischof nie allein steht, da er immer durch den Sohn im Heiligen Geist mit dem Vater verbunden ist, muss man außerdem hinzufügen, dass er auch deshalb nie allein steht, weil er immer und ständig mit seinen Brüdern im Bischofsamt und mit demjenigen verbunden ist, den der Herr als Nachfolger des Petrus erwählt hat.
Diese kollegiale Gesinnung verwirklicht und äußert sich den unterschiedlichen Stufen entsprechend in verschiedenen, auch institutionalisierten Formen, wie zum Beispiel der Bischofssynode, den Partikularkonzilien, den Bischofskonferenzen, der Römischen Kurie, den Ad limina-Besuchen, der Zusammenarbeit in der Mission usw. Voll und ganz verwirklicht und äußert sich die kollegiale Gesinnung jedoch nur in der kollegialen Handlung im engen Sinn, das heißt in der Handlung aller Bischöfe zusammen mit ihrem Haupt, mit dem sie die volle und höchste Gewalt über die Gesamtkirche ausüben.<ref> Vgl. Johannes Paul II., Apostolische Konstitution Pastor bonus (28. Juni 1988), Adnexum I, 4: AAS 80 (1988), 914-915; II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, 22; Codex des kanonischen Rechtes, can. 337 §§ 1.2; Gesetzbuch der katholischen Ostkirchen, can. 50 §§ 1.2.</ref>
Dieser kollegiale Charakter des apostolischen Dienstes entspricht dem Willen Christi selbst. Die kollegiale Gesinnung oder affektive Kollegialität (collegialitas affectiva) besteht somit unter den Bischöfen als communio episcoporum immer, sie äußert sich aber nur in einigen Handlungen als effektive Kollegialität (collegialitas effectiva). Die verschiedenen Weisen der Umsetzung der affektiven Kollegialität in effektive Kollegialität sind menschlicher Natur, konkretisieren aber in unterschiedlichen Graden die von Gott her kommende Notwendigkeit, dass sich der Episkopat in kollegialer Form zum Ausdruck bringt.<ref> Vgl. Johannes Paul II., Ansprache zum Abschluß der VII. Ordentlichen Vollversammlung der Bischofssynode (29. Oktober 1987): AAS 80 (1988), 610; Apostolische Konstitution Pastor bonus (28. Juni 1988): Adnexum I, 5: AAS 80 (1988) 915-916; II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, 22.</ref> Auf den Ökumenischen Konzilien wird dann die höchste Gewalt des Kollegiums über die Gesamtkirche in feierlicher Form ausgeübt.<ref> Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, 22.</ref>
Die kollegiale Dimension verleiht dem Episkopat den Charakter der Universalität. Man kann somit eine Parallelität zwischen der einen und allumfassenden, also ungeteilten Kirche und dem einen und ungeteilten, also allumfassenden Episkopat feststellen. Prinzip und Fundament dieser Einheit sowohl der Kirche wie des Kollegiums der Bischöfe ist der Papst. Denn wie das Zweite Vatikanische Konzil lehrt, stellt das Kollegium,»insofern es aus vielen zusammengesetzt ist, die Vielfalt und Universalität des Gottesvolkes, insofern es unter einem Haupt versammelt ist, die Einheit der Herde Christi dar« .<ref> Ebd.</ref> Darum ist»die Einheit des Episkopats eines der konstitutiven Elemente der Einheit der Kirche«.<ref> Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben erlassen als »Motu proprio« Apostolos suos (21. Mai 1998), 8: AAS 90 (1998), 647.</ref>
Die Gesamtkirche ist weder die Summe der Teilkirchen, noch eine Föderation von Teilkirchen und auch nicht das Ergebnis ihrer Gemeinschaft, denn nach den Aussagen der frühen Kirchenväter und der Liturgie geht sie in ihrem wesentlichen Mysterium der eigentlichen Schöpfung voraus.<ref> Vgl. Sacramentarium von AngoulÊme, In dedicatione basilicae novae: »Dirige, Domine, quaesumus, ecclesiam tuam dispensatione caelesti, ut, quae ante mundi principium in tua semper est praesentia praeparata, usque ad plenitudinem gloriamque promissam te moderante perveniat« : CCSL 159 C, Rubr. 1851; vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, 758-760; Kongregation für die Glaubenslehre, Schreiben Communionis notio (28. Mai 1992), 9: AAS 85 (1993), 843.</ref> Im Lichte dieser Lehre wird man hinzufügen können, dass die Beziehung eines wechselseitigen Ineinander-Vorhandenseins, die zwischen der Gesamtkirche und der Teilkirche gilt – weshalb die Teilkirchen »nach dem Bild der Gesamtkirche gestaltet sind und in ihnen und aus ihnen die eine und einzige katholische Kirche besteht«<ref> II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, 23.</ref> – sich in der Beziehung zwischen dem Bischofskollegium in seiner Gesamtheit und dem einzelnen Bischof wiederholt. Darum »ist das Bischofskollegium nicht als die Summe der den Teilkirchen vorstehenden Bischöfe, noch als Ergebnis ihrer Gemeinschaft zu verstehen, sondern ist als wesentliches Element der Gesamtkirche eine Wirklichkeit, die dem Auftrag, einer Teilkirche vorzustehen, vorgeordnet ist«.<ref> Vgl. Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben erlassen als »Motu proprio« Apostolos suos (21. Mai 1998), 9.12.13: AAS 90 (1998), 647-651.</ref>
Im Licht der Aussage des Konzils können wir diese Parallelität zwischen der Gesamtkirche und dem Kollegium der Bischöfe besser verstehen: »So bildeten die Apostel die Keime des neuen Israel und zugleich den Ursprung der heiligen Hierarchie«.<ref> Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche Ad gentes, 5.</ref> Bei den Aposteln war, insofern man sie nicht einzeln, sondern als Kollegium betrachtet, die Struktur der Kirche, die in ihrer Universalität und Einheit in ihnen gegründet war, und des Kollegiums der Bischöfe, der Nachfolger der Apostel, als Zeichen dieser Universalität und Einheit, bereits vorgebildet.<ref> Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, 22.</ref>
Somit »ergibt sich die Gewalt des Bischofskollegiums über die ganze Kirche nicht aus der Summe der Gewalten der einzelnen Bischöfe über ihre Teilkirchen; sie ist eine vorgeordnete Wirklichkeit, an der die einzelnen Bischöfe teilhaben, die nur kollegial über die ganze Kirche entscheiden können«.<ref> Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben erlassen als »Motu proprio« Apostolos suos (21. Mai 1998), 12: AAS 90 (1998), 650.</ref> An dieser Lehr- und Leitungsgewalt haben die Bischöfe unmittelbar und solidarisch teil, weil sie Glieder des Bischofskollegiums sind, in dem das Apostelkollegium real fortbesteht.<ref> Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, 22.</ref>
Wie die Gesamtkirche eine und unteilbar ist, so ist auch das Bischofskollegium ein »unteilbares theologisches Subjekt«, und daher ist auch die höchste, volle und universale Gewalt, deren Subjekt das Kollegium ebenso wie der Papst persönlich ist, eine und unteilbar. Eben weil das Bischofskollegium eine Wirklichkeit ist, die dem Amt, einer Teilkirche vorzustehen, vorgeordnet ist, gibt es viele Bischöfe, die zwar eigentliche bischöfliche Aufgaben erfüllen, aber doch keiner Teilkirche vorstehen.<ref> Vgl. Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben erlassen als »Motu proprio« Apostolos suos (21. Mai 1998), 12: AAS 90 (1998), 649-650.</ref> Jeder Bischof vertritt – immer in Einheit mit allen Brüdern im Bischofsamt und mit dem Papst – Christus, das Haupt und den Hirten der Kirche: nicht nur in eigener und spezifischer Weise, wenn er das Hirtenamt einer Teilkirche erhält, sondern auch, wenn er mit dem Diözesanbischof in der Leitung seiner Kirche zusammenarbeitet<ref> Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dekret über das Hirtenamt der Bischöfe in der Kirche Christus Dominus, 25-26.</ref> oder am allgemeinen Hirtenamt des Papstes bei der Leitung der Gesamtkirche teilhat. Infolge der Tatsache, dass die Kirche im Laufe ihrer Geschichte außer dem eigentlichen Vorsitz einer Teilkirche auch andere Formen der Ausübung des Bischofsamtes, wie das der Weihbischöfe oder der Vertreter des Papstes in den Behörden des Heiligen Stuhls oder in den päpstlichen Gesandtschaften anerkannt hat, lässt sie auch heute, nach Maßgabe des Rechts, solche Formen zu, wenn sie sich als notwendig erweisen.<ref> Vgl. Propositio 33.</ref>
[Fortsetzung folgt]
Anmerkungen
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