Materie und Form der Sakramente
Die Materie und Form der Sakramente sind die wirksamen Bestandteile des sichtbaren Zeichens eines Sakramentes.
Im Ritus von Vollzug und Spendung eines jeden Sakraments unterscheidet man zwischen dem zermoniellen Teil und dem wesenhaften Teil, den man "Materie und Form" nennt (DH 3315).<ref>Leo XIII.: Motu proprio Apostolicae curae über die Nichtigkeit der anglikanischen Weihen vom 13. September 1896.</ref> Den wesenhaften Teil kann die Kirche nicht verändern.<ref>DH 1061; 1699, 1728, 3356, 3857.</ref>
Inhaltsverzeichnis
Materie der Sakramente
Die Materie der Sakramente (materia sacramentorum) ist der allgemeinere, unbestimmtere, in sich allein noch nicht wirksame Bestandteil des sichtbaren Zeichens eines Sakramentes, der erst durch die sogenannte Form der Sakramente seine eindeutige Bestimmtheit als Sinnbild der Gnade des betreffenden Sakramentes und die Fähigkeit, sie zu wirken, erhält.<ref>Joseph Braun: Handlexikon der katholischen Dogmatik, Herder & Co., Freiburg im Breisgau 1926, S. 202, Materie der Sakramente (Imprimatur Friburgi, die 17. Iulii 1926 Dr. Sester, Vic. Gen.).</ref>
Die Materie der Sakramente besteht bei den meisten Sakramenten in einer die Anwendung einer physischen Substanz darstellenden Handlung, kann aber auch eine bloße Handlung sein, wie beim Bußsakrament und dem Ehesakrament, und heißt in diesem Falle "quasi materia". Rein gegenständlich ist sie bei dem Altarssakrament, bei dem sie in den nach der Konsekration noch vorhandenen Gestalten des Brotes und Weines besteht.<ref>Joseph Braun: Handlexikon der katholischen Dogmatik, S. 202.</ref>
Seit Johannes Duns Scotus unterscheidet man eine entfernte Materie (materia remota) und eine nächste (materia proxima). Materia remota bedeutet die Materie in sich betrachtet, z. B. das Taufwasser bei der Taufe, das Krankenöl bei der Krankensalbung; materia proxima dagegen in ihrer Anwendung betrachtet, z. B. die Abwaschung mit Wasser bei der Taufe, die Salbung mit Öl bei der Krankensalbung. Dass das sinnfällige Zeichen der Sakramente nicht bloß in der sogenannten Form bestehe und die sakramentale Gnade nicht bloß durch sie gewirkt werde, ist allgemeine Lehre.<ref>Joseph Braun: Handlexikon der katholischen Dogmatik, S. 202.</ref>
Form der Sakramente
Die Form der Sakramente (forma sacramentorum) ist das die Materie der Sakramente näher bestimmende und ihr ihre Wirksamkeit verleihende zweite Element des sinnfälligen Zeichens derselben.<ref>Joseph Braun: Handlexikon der katholischen Dogmatik, S. 89, Form der Sakramente.</ref>
Die Form besteht bei der Taufe, Firmung, Bußsakrament, Krankensalbung, dem Altarssakrament und dem Weihesakrament in Worten, bei der Ehe in Worten oder in einer Worten gleichen Gebärde. Ihrem Sinn und Wortlaut nach ist sie entweder indikativ (forma indicativa), d. i. sie gibt einen Tatbestand an, bildet einen Hinweis, wie die Taufformel: ."Ich taufe dich im Namen des Vaters usw., oder deprekativ, d. i. in die Gestalt eines kürzeren oder längeren Gebetes gekleidet, wie z. B. die Form der Krankensalbung: "Durch diese heilige Salbung und seine mildeste Barmherzigkeit verzeihe dir Gott, was du durch Sehen usw. gesündigt hast." (Näheres bei den einzelnen Sakramenten) Imperative, d. i. einen Befehl darstellende Formeln hat es nur im Mittelalter gegeben und auch in diesem nur vereinzelt. Immer muß die Form so beschaffen sein, dass sie entsprechend dem Charakter des Sakramentes der Materie ihre volle Bestimmtheit gibt.<ref>Joseph Braun: Handlexikon der katholischen Dogmatik, S. 89.</ref>
Verbindung von Materie und Form
Die Verbindung der Materie mit der Form muss in der Weise erfolgen, dass beide ein einheitliches Zeichen bilden. Am sichersten ist das der Fall, wenn Form und Materie gleichzeitig angewendet werden. Auf keinen Fall dürfen Materie und Form durch eine solche Zwischenzeit voneinander getrennt werden, dass sie nach gewöhnlicher Schätzung keine moralische Einheit mehr bilden. Am größten kann die Zwischenzeit beim Bußsakrament und dem Ehesakrament sein. Im Mittelalter war der Wortlaut der Form der einzelnen Sakramente bei wesentlicher Gleichheit des Sinnes sehr mannigfaltig und wechselnd.<ref>Joseph Braun: Handlexikon der katholischen Dogmatik, S. 89.</ref>
Herkunft der Begriffe
Die beiden Teile Materie und Form zu nennen, ist dagegen eine von der Scholastik (→ Hylemporphismus) im Anschluss an das aristotelisch-scholastische System eingeführte, in den Sprachgebrauch der Kirche (Konzil von Trient<ref>14. Sitzung Sacrosancta oecumenica (4) über das Sakrament der Buße und der Letzen Ölung vom 25. November 1551.</ref>) übergegangene Sprechweise, durch die lediglich die Zusammensetzung des äußern Zeichens aus zwei Teilen und das Verhältnis dieser bei den Teile zueinander ausgedrückt werden soll, aus der jedoch nicht folgt, dass Materie und Form in sich bei allen Sakramenten in völlig gleichem Sinne verstanden werden müssen. Ihrer Beschaffenheit nach richtet sich die Materie vielmehr je nach dem besondern Zweck und der Art des Sakramentes.<ref>Joseph Braun: Handlexikon der katholischen Dogmatik, S. 202.</ref>
Materie und Form jedes einzelnen Sakramentes
Taufe
Die Materie der Taufe ist wahres und natürliches Wasser, gleichgültig, ob es kalt ist oder warm.
Die Form aber ist: "Ich taufe Dich im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes". Wir bestreiten jedoch nicht, dass auch durch jene Worte: "Es soll der Diener Christi N. getauft werden im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes", oder: "Es wird durch meine Hände N. getauft im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes".<ref>Konzil von Florenz: Bulle Exsultate Deo über die Union mit den Armeniern vom 22. November 1439, Nr. 1314.</ref>
Firmung
Die Materie oder Firmung ist das Chrisam.
Die Form ist: "Ich bezeichne dich mit dem Zeichen des Kreuzes und stärke dich mit dem Chrisam des Heiles im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes".<ref>Konzil von Florenz: Bulle Exsultate Deo über die Union mit den Armeniern vom 22. November 1439, Nr. 1317.</ref>
Eucharistie
Die Materie der Eucharistie ist Weizenbrot und der Wein vom Weinstock ist, dem vor der Konsekration ein klein wenig Wasser beigemischt werden muss.<ref>Konzil von Florenz: Bulle Exsultate Deo über die Union mit den Armeniern vom 22. November 1439, Nr. 1320.</ref>
Hostien, die überhaupt kein Gluten enthalten, sind für die Eucharistie ungültige Materie. Hostien, die wenig Gluten enthalten, jedoch so viel, dass die Zubereitung des Brotes möglich ist ohne fremdartige Zusätze und ohne Rückgriff auf Vorgangsweisen, die dem Brot seinen natürlichen Charakter nehmen, sind gültige Materie. Die Ordinarien sind zuständig, einzelnen Gläubigen oder Priestern die Erlaubnis zu gewähren, Brot mit wenig Gluten als Materie für die Eucharistie zu verwenden. Ein Gläubiger, der an Zöliakie leidet und dem es nicht möglich ist, unter der Gestalt des Brotes, auch nicht des Brotes mit wenig Gluten, zu kommunizieren, kann unter der Gestalt des Weines allein die Kommunion empfangen.(vgl. genaue Angaben: Materien für die Eucharistie 2003)
Gültige Materie für die Eucharistie ist sowohl frischer als auch konservierter Traubensaft, dessen Gärung durch Vorgangsweisen unterbrochen wurde, die nicht dessen Natur verändern (zum Beispiel durch Einfrieren) (vgl. genaue Angaben: Materien für die Eucharistie 2003).
Die Form dieses Sakramentes sind die Worte des Erlösers, mit denen er dieses Sakrament vollzog;
"Nehmet und esset alle davon: Das ist mein Leib, der für euch hingegeben wird." ... "Nehmet und trinket alle daraus: Das ist der Kelch des neuen und ewigen Bundes, mein Blut, das für euch und für viele vergossen wird zur Vergebung der Sünden. Tut dies zu meinem Gedächtnis." (Aus dem Messbuch).
der Priester vollzieht dieses Sakrament nämlich, indem er in der Person Christi spricht. Denn kraft der Worte selbst wird die Substanz des Brotes in den Leib Christi und die Substanz des Weines in das Blut verwandelt, jedoch so, dass Christus in der Gestalt des Brotes ganz enthalten ist und ganz in der Gestalt des Weines. Auch in jedem beliebigen Teil der konsekrierten Hostie und des konsekrierten Weines ist nach der Teilung Christus ganz.<ref>Konzil von Florenz: Bulle Exsultate Deo über die Union mit den Armeniern vom 22. November 1439, Nr. 132.</ref>
Bußsakrament
Die Materie der Beichte sind gleichsam die Akte des Büßenden, bei denen drei Teile unterschieden werden. Von diesen ist der erste die Reue des Herzens; dazu gehört, dass man über die begangene Sünde Schmerz empfindet, mit dem Vorsatz, fortan nicht zu sündigen. Der zweite ist das Bekenntnis des Mundes; dazu gehört, dass der Sünder alle Sünden, deren er sich erinnert, seinem Priester vollständig bekennt. Der dritte ist die Genugtuung für die Sünden nach dem Ermessen des Priesters; sie geschieht freilich vor allem durch Beten, Fasten und Almosen.<ref>Konzil von Florenz: Bulle Exsultate Deo über die Union mit den Armeniern vom 22. November 1439, Nr. 1323.</ref>
Die Form dieses Sakramentes sind die Worte der Lossprechung, die der Priester vorträgt, wenn er sagt: "Ich spreche Dich los". Der Spend er dieses Sakramentes ist der Priester, der entweder von Amts wegen oder aufgrund des Auftrags seines Vorgesetzten die Vollmacht hat, loszusprechen. Die Wirkung dieses Sakramentes ist die Lossprechung von den Sünden.<ref>Konzil von Florenz: Bulle Exsultate Deo über die Union mit den Armeniern vom 22. November 1439, Nr. 1323.</ref>
Krankensalbung
Die Materie der Krankensalbung ist das durch den Bischof gesegnete Olivenöl. Dieses Sakrament darf nur einem Kranken gespendet werden, dessen Tod befürchtet wird; er ist an folgenden Stellen zu salben: an den Augen wegen des Sehens, an den Ohren wegen des Hörens, an der Nase wegen des Riechens, am Mund wegen des Schmeckens bzw. des Sprechens, an den Händen wegen des Tastens, an den Füßen wegen des Gehens, an den Nieren wegen der Lust, die sich dort regt.<ref>Konzil von Florenz: Bulle Exsultate Deo über die Union mit den Armeniern vom 22. November 1439, Nr. 1324.</ref>
Die Form dieses Sakramentes ist folgende: "Durch diese heilige Salbung und seine gütigste Barmherzigkeit vergebe dir der Herr alles, was du durch das Gesicht gefehlt hast", und ähnlich bei den anderen Gliedern.<ref>Konzil von Florenz: Bulle Exsultate Deo über die Union mit den Armeniern vom 22. November 1439, Nr. 1324.</ref>
Weihesakrament<ref>Pius XII.: Apostolische Konstitution "Sacramentum ordinis" vom 30. November 1947, DH 3860.</ref>
Bei der Diakonenweihe ist die Materie die Handauflegung des Bischofs, die im Ritus dieser Weihe ein einziges Mal vorkommt.
Die Form aber besteht in den Worten der "Präfation", von denen die folgenden wesentlich und deshalb zur Gültigkeit erforderlich sind: "Sende auf ihn, so bitten wir, Herr, den Heiligen Geist, damit er für die Aufgabe, deinen Dienst treu zu erfüllen, mit dem Geschenk deiner siebenförmigen Gnade gestärkt werde".
Bei der Priesterweihe ist die Materie die erste Auflegung der Hände des Bischofs, die schweigend geschieht, nicht aber die Fortsetzung ebendieser Auflegung durch die Ausstreckung der rechten Hand, und auch nicht die letzte, mit der die Worte verbunden werden: "Empfange den Heiligen Geist: denen du die Sünden vergibst, usw." Die Form aber besteht in den Worten der "Präfation", von denen die folgenden wesentlich und deshalb zur Gültigkeit erforderlich sind: "Verleihe, so bitten wir, allmächtiger Vater, diesem deinem Diener die Würde des Priestertums; erneuere in seinem Herzen den Geist der Heiligkeit, damit er das von Dir, Gott, empfangene Amt des zweiten Ranges fest halte und durch das Beispiel seines Lebenswandels die Zucht der Sitten fördere".
Schließlich ist bei der Bischofsweihe bzw. -konsekration die Materie die Auflegung der Hände, die vom konsekrierenden Bischof geschieht. Die Form aber besteht in den Worten der "Präfation", von denen die folgenden wesentlich und deshalb zur Gültigkeit erforderlich sind: "Vollende in deinem Priester die Fülle deines Dienstes und heilige den mit den Kostbarkeiten der ganzen Verherrlichung Ausgestatteten mit dem Tau himmlischen Salböls" ....
Ehesakrament
Das Sakrament der Ehe ist die nach dem Wort des Apostels das Zeichen der Verbindung Christi und der Kirche ist: "Dieses Geheimnis ist groß: ich rede aber im Hinblick auf Christus und im Hinblick auf die Kirche" [Eph 5,32]. Die Wirkursache der Ehe ist normalerweise das durch gegenwartsbezogene Worte ausgedrückte gegenseitige Einverständnis.
Es wird aber ein dreifaches Gut der Ehe angeführt. Das erste ist, Nachkommenschaft zu empfangen und zur Verehrung Gottes zu erziehen. Das zweite ist die Treue, die der eine der Gatten dem anderen wahren muss. Das dritte ist die Untrennbarkeit der Ehe, deswegen, weil sie die untrennbare Verbindung Christi und der Kirche versinnbildlicht. Obwohl man aber aufgrund von Unzucht eine Trennung des Bettes vornehmen darf, ist es dennoch nicht erlaubt, eine andere Ehe zu schließen, da das Band einer rechtmäßig geschlossenen Ehe immerwährend ist.<ref>Konzil von Florenz: Bulle Exsultate Deo über die Union mit den Armeniern vom 22. November 1439, Nr. 1327.</ref>
Im Handlexikon der katholischen Dogmatik, ist die Materie und Form der Ehe leichter herauslesbar: Materie ist der Ehewille. Die Form ist der Ehekonsens (Ja-Wort), d.h. der von Mann und Frau durch Worte oder Zeichen ausgesprochene Wille zur Ehe (S. 61).
Anmerkungen
<references />