Quod multum (Wortlaut)

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Enzyklika
Quod multum

unseres Heiligen Vaters
Leo XIII.
an die Bischöfe Ungarns
Die Religion als Vorraussetzung der Rettung der Sitten
22. August 1886

(Offizieller lateinischer Text ASS XIX (1886) 97-106)

(Quelle : Die katholische Sozialdoktrin in ihrer geschichtlichen Entfaltung, Hsgr. Arthur Fridolin Utz + Birgitta Gräfin von Galen, II 280-291, Band 3, S. 358-377, Scientia humana Institut Aachen 1976 (Imprimatur Friburgi Helv., die 2. decembris 1975 Th. Perroud, V.G.; Die Nummerierung folgt der englischen Fassung)

Allgemeiner Hinweis: Was bei der Lektüre von Wortlautartikeln der Lehramtstexte zu beachten ist


Ehrwürdige Brüder,
Gruß und Apostolischen Segen !

Einleitung

1 Seit langem war es Unser lebhafter Wunsch, an Euch, wie Wir es bereits gegenüber den Bischöfen anderer Länder getan haben, einen Brief zu richten, um Euch Unsere Ratschläge zu übermitteln bezüglich jener Dinge, die das Heil und Wohlergehen der Christen Ungarns betreffen. Hierzu bietet sich Uns in diesen Tagen die beste Gelegenheit, da Ungarn das Gedächtnis der Befreiung Budas vor 200 Jahren feiert. - Es wird immer ein Ruhmesblatt der Geschichte Ungarns bleiben, dass es Euren Vorvätern gelang, die Hauptstadt, die anderthalb Jahrhunderte lang vom Feind besetzt war, durch Mut und Ausdauer zurückzuerobern. Damit die Erinnerung an diese göttliche Wohltat und ihre heilsame Wirkung weiter fortbestehen, hat Papst Innozenz XI. zu Recht angeordnet, dass am Tage nach den Kalenden des September, dem Tag, an dem diese große Tat vollbracht wurde, in der ganzen christlichen Welt zu Ehren des hl. Stephan, des ersten Eurer apostolischen Könige, Feierlichkeiten abgehalten werden. Es ist auch genügend bekannt, dass der Heilige Stuhl einen nicht geringen Anteil an diesem bedeutenden glücklichen Ereignis hatte, das eine unausbleibliche Folge jenes drei Jahre zuvor bei Wien gegen den gleichen Feind errungenen glänzenden Sieges war, der zu Recht zu einem großen Teil dem apostolischen Eifer Innozenz' XI. zugeschrieben wird und auf Grund dessen die Macht des Mohammedanismus in Europa schwächer zu werden begann. - Übrigens haben Unsere Vorgänger auch schon vorher bei ähnlichen Anlässen vielfach durch Rat und Unterstützung, Geld und Bündnisse zum Gedeihen Ungarns beigetragen. Mehrere Päpste von Calixtus III. bis zu Innozenz XI. können in diesem Zusammenhang rühmlich genannt werden. Es möge hier genügen, nur an Clemens VIII. zu erinnern, dem der oberste Reichsrat nach der Befreiung Strigoniens und Vincestgraz' von den Türken öffentlich Dank abstatten ließ, weil er wirksam und großmütig die Interessen des Staates unterstützt hatte zu einer Zeit, da er von allen verlassen war und seine Sache verloren schien. - Und so wie dieser Heilige Stuhl die ungarische Nation nie im Stich gelassen hat, wenn sie gegen die Feinde der christlichen Religion und Sitte kämpfen musste, so will er auch heute, da die Erinnerung an ein glückliches Ereignis die Herzen erfreut, an Eurer Freude teilnehmen. Wir bleiben Uns dabei der Verschiedenheit der Zeitumstände bewusst und zielen nur darauf ab und arbeiten darauf hin, dass das Volk im Bekenntnis des katholischen Glaubens bestärkt werde, und Wir richten Unsere Bemühungen, soweit Wir es vermögen, gegen gemeinsame Gefahren. Auf diese Weise dienen Wir am besten dem öffentlichen Wohl.

2 Ungarn selbst ist auch ein Beweis dafür, dass Gott den einzelnen Menschen wie den Nationen keine größere Gabe gewähren kann, als dass sie mit seiner Hilfe die Wahrheit des katholischen Glaubens annehmen und treu darin beharren. Diese eine Gabe enthält in sich eine solche Fülle weiterer Güter, dass mit ihrer Hilfe nicht nur die einzelnen Menschen die ewige Seligkeit des Himmels, sondern auch die Nationen wahre Größe und Wohlfahrt erlangen. Das hat auch der erste Apostolische König klar erkannt, sodass er nichts inständiger von Gott erflehte, als dass der katholische Glaube im ganzen Reich verbreitet und von Anfang an auf dauerhafte Grundlagen gestellt werde. So entstand zwischen den Römischen Päpsten und den Königen aus dem Volke Ungarns schon früh jene wechselseitige Dienstbeflissenheit und jener Austausch von Dienstleistungen, die auch in den folgenden Jahrhunderten nie mehr aufhörten. Stephan errichtete und begründete das Königreich, aber er erhielt die Königskrone vom Römischen Papst; aufgrund päpstlicher Autorität ist er zum König geweiht worden, aber er wollte sein Königreich gleichsam dem Apostolischen Stuhl zum Geschenk machen. Eine große Anzahl von Bischofssitzen baute er großzügig aus; er errichtete selbst mehrere andere; aber in all seinen verdienstvollen Taten half ihm die große Güte des Heiligen Stuhles, der in vielen Fällen eine ganz außergewöhnliche Huld bewies. Aus seinem Glauben und seiner Frömmigkeit gewann dieser sehr heilige König Rat und Richtschnur für die Regierung seines Landes; allein durch sein beständiges Gebet erlangte er eine solche Seelenstärke, dass er die frevelhaften Verschwörungen der Rebellen unterdrücken und alle Angriffe seiner Feinde abwehren konnte. - So ist Eure Nation im Zeichen der Religion gegründet worden; unter ihrem Schutz und ihrer Leitung wuchs Euer Reich und gelangtet Ihr zu Macht und Ruhm. Den Glauben, den Ungarn von seinem König und Vater wie ein Erbe übernommen hat, hat es heilig und makellos bewahrt, selbst in den äußerst schwierigen Zeiten, da die benachbarten Völker durch unheilvollen Irrtum aus dem mütterlichen Schoße der Kirche fortgeführt wurden. Zusammen mit dem katholischen Glauben blieb auch die Hingabe und Treue gegenüber dem Stuhle Petri im Apostolischen König, in den Bischöfen und dem ganzen Volke unwandelbar erhalten: dementsprechend bestätigen fortwährende Zeugnisse das Wohlwollen und die väterliche Zuneigung der Römischen Päpste für die Ungarn. Und selbst heute nach so vielen Jahrhunderten und so vielen Ereignissen besteht noch immer durch Gottes Hilfe diese unzertrennliche Verbindung; und die Tugenden Eurer Vorfahren wurden von der Nachkommenschaft nicht ausgelöscht. Besonders lobenswert sind die fruchtbaren Bemühungen in der Erfüllung der bischöflichen Aufgaben: die Hilfeleistung bei Unglücksfällen, der Eifer in der Verteidigung der Rechte der Kirche, der unbeugsame und hingebungsvolle Wille, den katholischen Glauben zu erhalten.

1. Gefahren, die den Glauben bedrohen

3 Indem Wir all dies überdenken, erfüllt eine tiefe Freude Unser Herz, und nur zu gern spenden Wir Euch; Ehrwürdige Brüder, und dem ungarischen Volk das verdiente Lob. - Doch können Wir nicht mit Schweigen übergehen, was übrigens jeder weiß, wie sehr die gegenwärtige Zeit die Übung der Tugenden feindselig ablehnt, durch wie viele Machenschaften die Kirche bekämpft wird und wie sehr zu befürchten ist, dass inmitten so großer Gefahren der Glaube auch dort zu wanken beginnt, wo er am stärksten war und wo er die tiefsten Wurzeln geschlagen hatte. Es genügt, auf die unheilvolle Wurzel so vieler Übel hinzuweisen, nämlich auf die Prinzipien des Rationalismus und des Naturalismus, die überall frei verbreitet werden. Ihnen schließen sich vielfältige verderbenbringende Verführungen an: die oftmals feindliche Haltung, wenn nicht gar offene Feindschaft der öffentlichen Gewalt gegenüber der Kirche, die hartnäckige Dreistigkeit der Geheimorganisationen, die weit verbreitete Tendenz, die Jugend nicht mehr in der Gottesfurcht zu erziehen. - Und doch waren das Bewusstsein und die Überzeugung von der Nützlichkeit, ja absoluten Notwendigkeit des katholischen Glaubens für die öffentliche Ruhe und Wohlfahrt niemals angebrachter als in dieser Zeit. Die tägliche Erfahrung zeigt, wohin jene den Staat bringen können, die es sich angewöhnt haben, keine Autorität anzuerkennen und keine Beschränkung ihrer Wünsche zu dulden. Niemandem kann mehr verborgen sein, was sie beabsichtigen, welche Mittel sie anwenden, mit welcher Hartnäckigkeit sie sich durchzusetzen suchen. Die größten Reiche, die blühendsten Republiken werden fast zu jeder Stunde von Menschengruppen angegriffen, die miteinander verbunden sind durch gemeinsame Ziele und gleiche Aktionsmittel, sodass die öffentliche Ordnung immer von irgendeiner Gefahr bedroht ist. Wohl war es eine wirksame Maßnahme, dass verschiedene Staaten, um die große Dreistigkeit des Bösen zu bekämpfen, den Behörden eine größere Machtbefugnis verliehen und die Gesetze verschärft haben.

4 Aber das beste und wirkungsvollste Mittel, die Schrecken des Sozialismus abzuwenden, bleibt trotzdem immer noch, den Bürgern tief religiöse Gefühle und Achtung und Liebe gegenüber der Kirche einzuflößen, ohne die alle Furcht vor Strafe nicht viel nützt. Die Kirche ist nämlich die heilige Hüterin der Religion und die Mutter und Lehrmeisterin der Sittenreinheit und aller Tugenden, die wie von selbst aus der Religion entspringen. Jeder, der gewissenhaft und genau den Geboten des Evangeliums folgt, ist schon allein dadurch notwendigerweise von jedem Verdacht des Sozialismus frei. Denn ebenso wie die Religion gebietet, Gott zu verehren und zu fürchten, so befiehlt sie auch, der rechtmäßigen Obrigkeit untertan zu sein und ihr zu gehorchen; sie verbietet jede Aufsässigkeit; sie befiehlt, den Besitz und die Rechte eines jeden zu achten; sie befiehlt den Reichen, der großen Zahl jener, die in Not sind, mit Güte zu Hilfe zu kommen. Sie umgibt die Armen mit allen Mitteln der Fürsorge; sie spendet den Unglücklichen den aufrichtenden Trost durch die Hoffnung auf die höchsten und unvergänglichen Güter, die umso größer sein werden, je härter und länger sie gelitten haben. - Darum können die Lenker der Staaten nichts Weiseres und Nützlicheres tun, als der Religion zu gestatten, frei von jeglicher Behinderung ihren Einfluss auf den Geist des Volkes auszuüben und es durch ihre Gebote zur Tugend und Sittenreinheit zurückführen zu lassen. Der Kirche zu misstrauen und sie zu verdächtigen, ist nicht nur offensichtlich ungerecht, sondern kann auch niemandem nützen, außer den Feinden der staatlichen Ordnung und jenen, die den Umsturz der Gesellschaft wünschen.

[Fortsetzung folgt]