Dasein

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Unter Existenz versteht die katholische Philosophie das Dasein der Dinge im Gegensatz zum Wesen, durch die sich das individuelle Sein vom allgemeinen Sein unterscheidet.

Der Begriff des Daseins gehört zu den Grundbegriffen, die unmittelbar an der Wirklichkeit erfasst werden. Wie alle Bedeutungen des Seins ist es weder definierbar noch eigentlich erklärbar. Dem Wortlaut nach bezeichnet es ein Sein, das räumlich-zeitlich bestimmt «da» ist, erweist also klar seinen Ursprung aus der sinnlichen Welt. Der Name «Wirklichkeit» deutet auf den Seinszustand, dass etwas zu wirken vermag oder gewirkt ist. Während die Wesenheit ausdrückt, was ein Ding ist, gibt das Dasein an, dass es ist, tatsächlich vorhanden ist. Mit Umschreibung kann man also sagen: Die Existenz oder das Dasein ist das, wodurch die Dinge wirklich sind. Erst durch das Dasein ist etwas im Vollsinn seiend. Weil die geschaffenen Dinge ihr Dasein oder Wirklichsein nicht aus sich haben, sondern von außen durch eine Wirkursache empfangen, wird der Akt des Daseins auch umschrieben als das, wodurch die Dinge außerhalb des Nichts und ihrer Ursachen gesetzt sind.<ref> vgl. Bernard Kälin OSB: Lehrbuch der Philosophie I, bearbeitet von P. Raphael Fäh OSB, Selbstverlag Benediktinerkollegium Sarnen 1957, S. 87 (5. Auflage; Mit kirchlicher Druckerlaubnis des Bischöflichen Ordinariates Chur vom 30. Juli 1957).</ref>

Verschiedenheit von Dasein und Wesenheit<ref> vgl. Bernard Kälin OSB: Lehrbuch der Philosophie I, bearbeitet von P. Raphael Fäh OSB 1957, S. 88+89</ref>

Dasein und Wesenheit sind begrifflich je nach der Betrachtungsweise verschieden. Umstritten unter den scholastischen Denkrichtungen ist die Frage, ob bei den geschaffenen Dingen Dasein und Wesenheit sachlich verschieden sind. Selbstverständlich handelt es sich hierbei nicht um das Verhältnis der rein möglichen Wesenheiten (Potenzen) zum wirklichen Dasein. Die bloß möglichen Wesenheiten haben ja kein Dasein. Nichtdasein und Dasein sind aber offenbar sachlich verschieden, da sonst Sein und Nichtsein dasselbe sein müßten.
Bei dieser Frage geht es um das Verhältnis der wirklichen oder physischen Wesenheit zum wirklichen Dasein.

Zu den Ablehnern der realen Unterscheidung gehören: die skotistische Schule, die Nominalisten, Francisco Suárez und seine Schule, auch etliche Dominikaner und andere. Ihre Ansicht kann man kurz in folgende Sätze zusammenfassen:
1. Dasein und Wesenheit sind nur begrifflich (gedanklich, logisch) verschieden.
2. In Gott ist kein sachlicher, sondern nur ein rein logischer Unterschied zwischen seiner Wesenheit und seiner Existenz.
3. In den geschaffenen Dingen ist ebenfalls kein sachlicher Unterschied zwischen Dasein und Sosein; jedoch ist er nicht rein gedanklich wie bei Gott, sondern in den Dingen irgendwie begründet, ähnlich etwa wie der zwischen Gattungs- und Artmerkmal in einem Ding.
Zu den Verteidigern der Realdistinktion zählt vor allem der heilige Thomas von Aquin (+1274) und seine Schule, aber auch viele andere Scholastiker: Franziskaner, Karmeliter, Jesuiten. Wenigstens in ihrer Grundlage kann man diese Auffassung zurückverfolgen über manche Frühscholastiker und Boethius (+ 525), sowie über die arabisch-jüdische Philosophie (Maimonides, + 1204; Avicenna, + 1037) bis auf Aristoteles. Heute steht wohl die Großzahl der scholastischen Denker auf seiten der Verteidiger. Ihre Lehre kann in folgende Punkte zusammengefasst werden:

1. Wesenheit und Existenz sind in den geschaffenen Dingen sachlich verschieden.
2. Wesenheit und Dasein in den geschaffenen Dingen sind nicht real trennbar. Sie dürfen nicht als zwei reale, fertige Dinge betrachtet werden, die jedes für sich Dasein haben und dann zu einem neuen Ding verbunden werden, sondern sie sind zwei reale Seinsprinzipien, die erst zusammen das wirkliche Ding ausmachen. Sie verhalten sich ähnlich wie das Bewegte und die Bewegung: das Bewegte ist nur durch die Bewegung bewegt, und die Bewegung ist nur am Bewegten. Analog ist die wirkliche Wesenheit nur durch das Dasein oder Wirklichsein wirklich, und das Dasein ist nur als Akt der Wesenheit.

Die verständlichsten Gründe der Verteidiger sind folgende:
a) Was mit dem Wesen eines Dinges sachlich eins ist, kann ihm nie fehlen, da die Wesenheiten unveränderlich und notwendig sind. Wenn nun in den geschaffenen Dingen das Dasein sachlich identisch wäre mit ihrem Wesen, so müssten sie notwendig existieren. Das widerspricht der Erfahrung und dem Wesen der geschaffenen Dinge, die kontingent sind, weil sie auch nicht dasein können. Ihr Dasein ist nicht notwendig, also auch nicht Wesensbestandteil.

b) Die geschaffenen Dinge haben ihr Dasein nicht aus sich, sondern empfangen. Das Dasein ist das Empfangene, die Wesenheit das Empfangende. Das Empfangende und Empfangene verhalten sich aber wie reale, subjektive Potenz zum entsprechenden Akt. Die subjektive, reale Potenz und ihr zugehöriger Akt sind aber immer real voneinander verschieden, also auch Wesenheit und Dasein.

c) Jede Wesenheit und jedes Wesensmerkmal umfasst den gesamten bezeichneten Inhalt; so umfasst sinnbegabt jede Art von Sinnesvermögen, vernunftbegabt, Größe jeden Grad von Vernunft oder Großsein. Wenn nun das Dasein Wesensinhalt der geschaffenen Dinge wäre, so müsste das Dasein im ganzen Umfang gemeint sein, also ein unbeschränktes Dasein, was nur dem absoluten, göttlichen Sein zukommt.

Beziehung zwischen Dasein und Wesenheit<ref> vgl. Bernard Kälin OSB: Lehrbuch der Philosophie I, bearbeitet von P. Raphael Fäh OSB, 1957, S. 89.</ref>

1. Das Verhältnis von Wesenheit und Dasein ist von Bedeutung für den Unterschied von Gott und Geschöpf. In Gott, als dem absoluten und einfachen Sein (Ens a se), sind Wesen und Dasein dasselbe. Alle Geschöpfe aber, die geistigen wie die materiellen, sind zusammengesetzt aus Wesenheit und Dasein, die materiellen überdies noch aus Stoff (materia) und Wesensform (forma). Die Leugnung des realen Unterschiedes von Wesenheit und Dasein in den Geschöpfen führt zum Monismus.
2. Da jede geschöpfliche Wesenheit sowohl in bezug auf die Anzahl als auch die Bedeutung der Inhalte ein beschränktes Sosein umfasst, so ist das Dasein demgemäss beschränkt. Darum ist kein geschaffenes Wesen das Dasein, sondern sie haben Dasein.
Die Wesenheiten aber sind in dem Sinn unbeschränkt, dass sie die ganze Fülle ihres Soseins umfassen. Wenn darum das Sosein in individuell verschiedenen Dingen viele Male verwirklicht wird, wie das bei den materiellen Wesenheiten der Fall ist, so deutet das auf eine neue Zusammensetzung, nämlich die von Stoff und Form.
3. Da die Existenz nicht zu den Wesensmerkmalen der geschaffenen Dinge gehört, noch zu deren notwendigen Eigentümlichkeiten, so ist sie logisch betrachtet ein Akzidens. Ontologisch jedoch gehört die Existenz der substantiellen Wesenheiten in die Ordnung des substantiellen Seins, weil Potenz und Akt immer der nämlichen Ordnung angehören müssen.
4. Weil Wesenheit und Dasein sich wie Potenz und Akt verhalten, bedingen sie sich gegenseitig. Darin liegt auch der Grund, warum man bei dieser Frage die Wesenheit immer als wirkliche bezeichnet, obwohl sie nicht durch sich wirklich ist, sondern nur durch das Dasein oder Wirklichsein. Die Einwände beruhen deshalb meist in der Verwechslung der wirklichen Wesenheit mit der rein logischen (subjektive Potenz und objektive Möglichkeit), oder dann in einer Gleichsetzung des Wirklichseins mit der wirklichen Wesenheit.
5. Selbstverständlich ist bei der Zusammensetzung von Wesenheit und Dasein in den geschaffenen Wesen weder die Wesenheit noch das Dasein zeitlich früher, weil sie erst in-, mit- und durcheinander sind.
6. Da das Dasein für die geschaffenen Dinge ein logisch akzidentelles Prädikat ist, so folgt, dass alle Urteile, die formell die geschöpfliche Daseinsordnung betreffen, nur synthetische Urteile sein können, nie analytische.

Abwehr des Existentialismus

Papst Pius XII. wendet sich in der Enzyklika Humani generis vom 12. August 1950 gegen philosophische Strömungen, die eine transzendentale Wirklichkeit des Seienden leugnen: "Die Behauptungen dieser Entwicklungslehre, die alles, was absolut, fest, unveränderlich ist, leugnet, haben dem Irrtum einer neueren Philosophie, die mit dem „Idealismus”, „Immanentismus” und „Pragmatismus” wetteifert und sich „Existentialismus” nennt, die Wege bereitet; er kümmert sich nicht um das unveränderliche Wesen der Dinge und wendet seine Aufmerksamkeit nur der „Existenz” der Einzelgegenstände zu." (Humani generis, Nr. 6)

Substanz, Akzidens, Materie, Form, Akt, Potenz

Literatur

  • Thomas von Aquin: De ente et essentia, Über Seiendes und Wesenheit mit Einl., übers. und Komm. von Horst Seidl, (Philosophische Bibliothek 415) Meiner Verlag Hamburg 1988 (134 Seite; ISBN 3-7873-0771-0).
  • Rafael Hüntelmann: Die Existenz Gottes, Editiones Scholasticae Neunkirchen-Seelscheid 2016 (158 Seiten; ISBN 978-3-86838-569-4 Broschur).

Anmerkungen

<references />