Zu einigen Zweifeln ueber den definitiven Charakter der Lehre von Ordinatio sacerdotalis 2018
im Pontifikatvon Papst
Franziskus
Zu einigen Zweifeln über den definitiven Charakter der Lehre von Ordinatio sacerdotalis
8. Juni 2018
Allgemeiner Hinweis: Was bei der Lektüre von Wortlautartikeln der Lehramtstexte zu beachten ist |
»Bleibt in mir und ich bleibe in euch. Wie die Rebe aus sich keine Frucht bringen kann, sondern nur, wenn sie am Weinstock bleibt, so auch ihr, wenn ihr nicht in mir bleibt« (Joh 15,4). Nur dank ihrer Verwurzelung in Jesus Christus, ihrem Gründer, kann die Kirche der ganzen Welt Leben und Heil bringen. Diese Verwurzelung erfolgt in erster Linie durch die Sakramente, deren Mitte die Eucharistie ist. Von Christus eingesetzt, sind die Sakramente Grundsäulen der Kirche, die sie fortwährend als seinen Leib und seine Braut auferbauen. Zutiefst mit der Eucharistie verbunden ist das Weihesakrament, durch das sich Christus der Kirche als Quelle ihres Lebens und Handelns gegenwärtig macht. Die Priester werden »Christus gleichförmig« gemacht, »so dass sie in der Person des Hauptes Christus handeln können« (Presbyterorum ordinis, Nr. 2).
Christus wollte dieses Sakrament den zwölf Aposteln verleihen, die alle Männer waren, und diese haben es ihrerseits anderen Männern übertragen. Die Kirche wusste sich immer an diese Entscheidung des Herrn gebunden, die es ausschließt, das Priestertum des Dienstes gültig Frauen zu übertragen. Johannes Paul II. lehrte in dem Apostolischen Schreiben Ordinatio sacerdotalis vom 22. Mai 1994: »Damit also jeder Zweifel bezüglich der bedeutenden Angelegenheit, die die göttliche Verfassung der Kirche selbst betrifft, beseitigt wird, erkläre ich kraft meines Amtes, die Brüder zu stärken (vgl. Lk 22,32), dass die Kirche keinerlei Vollmacht hat, Frauen die Priesterweihe zu spenden, und dass sich alle Gläubigen der Kirche endgültig an diese Entscheidung zu halten haben« (Nr. 4). Die Kongregation für die Glaubenslehre bekräftigte in Antwort auf eine Frage zur Lehre von Ordinatio sacerdotalis, dass es sich hier um eine Wahrheit handelt, die zum Glaubensgut (depositum fidei) der Kirche gehört.
In diesem Licht erfüllt es mich mit großer Sorge, dass in einigen Ländern Stimmen zu hören sind, die den endgültigen Charakter der genannten Lehre wieder in Zweifel ziehen. Um zu vertreten, dass diese Lehre nicht definitiv sei, wird das Argument angeführt, dass sie nicht ex cathedra definiert worden sei und deshalb von einem zukünftigen Papst oder Konzil verändert werden könnte. Das Ausstreuen solcher Zweifel weckt große Verwirrung unter den Gläubigen, und zwar nicht nur bezüglich des Weihesakraments, das zur göttlichen Verfassung der Kirche gehört, sondern auch bezüglich des ordentlichen Lehramts, das die katholische Lehre unfehlbar vorlegen kann.
Zum ersten Punkt: Was das Priestertum des Dienstes anbelangt, weiß die Kirche, dass die Unmöglichkeit der Frauenweihe zur »Substanz« des Sakramentes gehört (vgl. DH 1728). Die Kirche hat nicht die Vollmacht, diese Substanz zu ändern, denn durch die von Christus eingesetzten Sakramente wird sie als Kirche auferbaut. Es geht hier nicht nur um eine Frage der Disziplin, sondern der Lehre, weil die Struktur der Sakramente betroffen ist, der ursprünglichen Orte der Begegnung mit Christus und der Weitergabe des Glaubens. Wir stehen also nicht vor einer Grenze, welche die Kirche daran hindern würde, ihre Sendung in der Welt wirksamer zu erfüllen. Wenn die Kirche in dieser Frage nicht intervenieren kann, so liegt der Grund dafür darin, dass hier die ursprüngliche Liebe Gottes interveniert. Er selbst handelt bei der Weihe der Priester, so dass in der Kirche immer und in jeder Situation ihrer Geschichte Jesus Christus »als Hauptquelle der Gnade« (Papst Franziskus, Evangelii gaudium, Nr. 104) sichtbar und wirksam ist.
Im Bewusstsein, diese Tradition aus Gehorsam gegenüber dem Herrn nicht ändern zu können, bemüht sich die Kirche auch darum, ihren Sinn zu vertiefen. Denn der Wille Jesu Christi, des Logos, ist nie ohne Sinn. Der Priester handelt in der Person Christi, des Bräutigams der Kirche, und sein Mann-Sein ist ein unentbehrlicher Aspekt dieser sakramentalen Repräsentanz (vgl. Kongregation für die Glaubenslehre, Inter insigniores, Nr. 5). Gewiss bringt die Verschiedenheit der Aufgaben zwischen Mann und Frau keine Unterordnung mit sich, sondern eine gegenseitige Bereicherung. Es sei daran erinnert, dass das vollkommene Bild der Kirche Maria ist, die Mutter des Herrn, der das apostolische Amt nicht übertragen wurde. So wird sichtbar, dass die ursprüngliche Sprache des Mann- und Frau-Seins, die der Schöpfer in den menschlichen Leib eingeschrieben hat, im Werk unserer Erlösung aufgenommen wurde. Gerade die Treue zum Plan Christi mit dem Priestertum des Dienstes erlaubt es deshalb, die spezifische Rolle der Frau in der Kirche immer mehr zu vertiefen und zu fördern, denn »im Herrn gibt es weder die Frau ohne den Mann noch den Mann ohne die Frau« (1 Kor 11,11). So kann auch ein Licht auf unsere Kultur fallen, die Mühe hat, die Bedeutung und Schönheit der Verschiedenheit von Mann und Frau zu verstehen, welche auch ihre sich gegenseitig ergänzende Sendung in der Gesellschaft betrifft.
Zum zweiten Punkt: Die erhobenen Zweifel über den definitiven Charakter von Ordinatio sacerdotalis haben auch gravierende Auswirkungen auf die Art, das Lehramt der Kirche zu verstehen. Es ist wichtig zu bekräftigen, dass sich die Unfehlbarkeit nicht nur auf feierliche Erklärungen durch ein Konzil oder auf päpstliche Definitionen ex cathedra bezieht, sondern auch auf das ordentliche und allgemeine Lehramt der in aller Welt verstreuten Bischöfe, wenn sie in Gemeinschaft untereinander und mit dem Papst die katholische Lehre als endgültig verpflichtend vortragen. Auf diese Unfehlbarkeit bezog sich Johannes Paul II. in Ordinatio sacerdotalis. Er verkündete also kein neues Dogma, sondern bekräftigte, um jeden Zweifel zu beseitigen, mit der ihm als Nachfolger Petri verliehenen Autorität in einer förmlichen Erklärung, was das ordentliche und allgemeine Lehramt in der ganzen Geschichte als zum Glaubensgut gehörend vorgetragen hat. Gerade diese Art der Darlegung entspricht einem Stil kirchlicher Gemeinschaft, weil der Papst nicht allein handeln wollte, sondern als Zeuge im Hören auf eine ununterbrochene und lebendige Überlieferung. Zudem wird niemand leugnen, dass sich das Lehramt unfehlbar zu Wahrheiten äußern kann, die notwendig mit dem förmlich geoffenbarten Gut verbunden sind. Denn nur so kann es seiner Aufgabe nachkommen, das Glaubensgut heilig zu bewahren und treu auszulegen.
Ein weiterer Beweis der Mühe, die Johannes Paul II. für die Prüfung dieser Frage aufgebracht hat, ist die vorausgehende Beratung mit den Vorsitzenden jener Bischofskonferenzen, die mit der Problematik besonders befasst waren. Alle ohne Ausnahme erklärten mit voller Überzeugung, dass die Kirche aus Gehorsam gegenüber dem Herrn keine Vollmacht hat, Frauen die Priesterweihe zu erteilen.
Auch Benedikt XVI. bekräftigte diese Lehre. In der Chrisam-Messe am 5. April 2012 erinnerte er daran, wie Johannes Paul II. »in unwiderruflicher Weise« erklärte, dass die Kirche im Bezug auf die Frauenordination »keine Vollmacht vom Herrn erhalten hat«. Benedikt XVI. fragte sich dann im Blick auf einige, die diese Lehre nicht annahmen: »Aber ist Ungehorsam wirklich ein Weg? Spüren wir darin etwas von der Gleichgestaltung mit Christus, die die Voraussetzung jeder wirklichen Erneuerung ist oder nicht doch nur den verzweifelten Drang, etwas zu machen, die Kirche nach unseren Wünschen und Vorstellungen umzuwandeln?«
Papst Franziskus hat ebenfalls zu dieser Frage Stellung genommen. In seinem Apostolischen Schreiben Evangelii gaudium unterstrich er: »Das den Männern vorbehaltene Priestertum als Zeichen Christi, des Bräutigams, der sich in der Eucharistie hingibt, ist eine Frage, die nicht zur Diskussion steht.« Er rief auch dazu auf, diese Lehre nicht als Ausdruck von Macht, sondern als Dienst zu interpretieren, so dass die gleiche Würde von Mann und Frau im einen Leib Christi besser verstanden werden kann (Nr. 104). In der Pressekonferenz während des Rückflugs von der Apostolischen Reise nach Schweden am 1. November 2016 betonte Papst Franziskus: »Hinsichtlich der Weihe von Frauen in der katholischen Kirche hat der heilige Johannes Paul II. das letzte klare Wort gesprochen, und das bleibt.«
In unserer Zeit ist die Kirche gerufen, auf viele Herausforderungen unserer Kultur zu antworten. Dafür ist es wesentlich, dass sie in Jesus Christus bleibt wie die Reben am Weinstock. Der Meister lädt uns deshalb ein, dass seine Worte in uns bleiben: »Wenn ihr meine Gebote haltet, werdet ihr in meiner Liebe bleiben« (Joh 15,10). Nur die Treue zu seinen Worten, die nicht vergehen, garantiert unsere Verwurzelung in Christus und in seiner Liebe. Nur die Annahme seines weisen Planes, der in den Sakramenten Gestalt annimmt, stärkt die Kirche an ihren Wurzeln, damit sie für das ewige Leben Frucht bringen kann.