Quemadmodum (Wortlaut)
Quemadmodum |
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von Papst
Pius XII.
an den Episkopat der Weltkirche
über die heute dringend notwendige Sorge für die notleidenden Kinder
6. Januar 1946
(Quelle: Arthur Fridolin Utz O.P., Joseph-Fulko Groner O.P, Hrsg.: Aufbau und Entfaltung des gesellschaftlichen Lebens, Soziale Summe Pius' XII. (1939-1958), Übersetzerkollegium: Herausgeber und Franz Schmal u. H. Schäufele, Paulus Verlag Freiburg/Schweiz 1954; Band I, 761-767. Imprimatur Friburgi Helv., die 5. Maii 1954 N. Luyten O.P. Imprimatur Friburgi Helv., die 29. Junii 1954 R. Pittet, v.g.; AAS XXXVIII [1946] 5-10; Die Nummerierung ist der englischen Fassung angeglichen)
Allgemeiner Hinweis: Was bei der Lektüre von Wortlautartikeln der Lehramtstexte zu beachten ist |
Inhaltsverzeichnis
- 1 I. Die Tätigkeit des Apostolischen Stuhles während des Krieges zur Linderung der Not, besonders der der Kinder
- 2 II. Aufruf zum Dienst am Kinde durch Gebet und gute Werke
- 3 III. Eine besondere Aufgabe der Christen
- 4 IV. Die bevorzugte Sorge der Kirche für die Kinder
- 5 V. Das Ungenügen der bisherigen Maßnahmen
- 6 VI. Neue Mittel und Wege sind nötig
- 7 VII. Apostolischer Segen
- 8 Weblinks
I. Die Tätigkeit des Apostolischen Stuhles während des Krieges zur Linderung der Not, besonders der der Kinder
1 Während der mörderische Krieg wütete, haben Wir nichts unterlassen, was Wir durch Rat und Mahnung tun konnten, damit der allzu lange anhaltende Brand baldmöglichst gelöscht und alles wieder in Gerechtigkeit, Billigkeit und rechter Ordnung beigelegt würde. So wollen Wir auch jetzt, da die Waffen ruhen, aber der Friede noch nicht wiederhergestellt ist, kraft des apostolischen Amtes, das Wir verwalten, nichts unversucht lassen, um den so zahlreichen Leiden angemessene Linderung zu verschaffen und die Fülle des Elends, das nicht wenige Völker bedrückt, auf jede nur mögliche Weise zu erleichtern.
Doch in all den so großen und beinahe ungezählten Bitterkeiten, die der grausame Krieg verursacht hat, verletzt und verwundet keine Unser Vaterherz schmerzlicher als jene, welche die Scharen unschuldiger Kinder heimsucht, die, wie berichtet wird, zu Millionen die zum Leben notwendigen Dinge entbehren und in vielen Völkern vor Kälte, Hunger und Krankheiten dahinschwinden. Von allen verlassen, entbehren sie oft nicht nur des Brotes, der Kleidung und des Obdaches, sondern sogar auch jener Liebe, deren das zarte Kindesalter so sehr bedarf.
2 Wie Ihr wisst, ehrwürdige Brüder, haben Wir auch in dieser Sache nichts von dem, was immer Wir tun konnten, unterlassen. Innig von Herzen danken Wir jenen, deren Freigebigkeit es Uns ermöglichte, der Not der Kinder und Jugendlichen nach Kräften zu steuern. Auch wissen Wir wohl, dass nicht wenige, teils einzeln, teils gemeinschaftlich, hierzu geeignete Pläne aufgestellt haben, deren Verwirklichung sie mit aller Kraft anstreben. Ihnen, die öffentlicher Auszeichnung für all das Gute würdig sind, spenden Wir schuldiges Lob und wünschen und erflehen ihren Werken, Unternehmungen und Einrichtungen aller Gute von Gott.
II. Aufruf zum Dienst am Kinde durch Gebet und gute Werke
3 Da jedoch diese Hilfswerke der Fürsorge weit davon entfernt sind, dem Übermaß der Übel zu genügen, erachten Wir es als Unsere Pflicht, an Euch zu appellieren und Euch väterlich zu ermahnen, in besonderer Weise das schwerwiegende Anliegen der notleidenden Kinder zu beherzigen und nichts zu versäumen, was zur Linderung und Hebung ihrer Lage dienen kann.
4 Wir verfügen daher, dass jeder von Euch in seinem Bistum einen Tag öffentlichen Gebetes zur Versöhnung Gottes festsetze, wobei Ihr, auch durch Heranziehung der Priester, die Euch helfend zur Seite stehen, das Volk auf die Dringlichkeit der Not hinweisen möget. Ermahnt es, durch Gebet, gute Werke und auch durch Almosen alle Unternehmungen zu unterstützen, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, die notleidende und verlassene Jugend mit dem Einsatz aller Kräfte zu betreuen.
III. Eine besondere Aufgabe der Christen
5 Wie leicht festzustellen ist, handelt es sich hier um eine Sache, die, wenngleich sie alle Bürger jeder Richtung angeht, sofern sie nur Verständnis für Menschlichkeit und Barmherzigkeit besitzen, doch in ganz besonderer Weise den Christen angelegen sein muss, da sie in diesen hilflosen und verlassenen kleinen Brüdern das Bild des göttlichen Kindes ausgeprägt sehen und jenes Wortes eingedenk sein müssen: "Wahrlich, ich sage euch, was immer ihr einem meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan" (1 Mt 25, 40).
6 Mögen auch alle eindringlich bedenken, dass diese Kinder dIe Stütze der Zukunft seIn werden. Daher ist es unbedingt notwendig, dass sie seelisch und körperlich unversehrt heranwachsen, damit nicht später ein Geschlecht dastehe mit den Keimen des Siechtums und der Makel des Lasters. Niemand erachte es daher als eine Last, zu einem so zeitgemäßen und notwendigen Werke seine Mitarbeit, seine Kraft und sein Geld beizusteuern. Die weniger Bemittelten mögen, was immer sie können und vermögen, gern und freudigen Herzens leisten. Wer jedoch in stattlichen und besseren Verhältnissen lebt, der erwäge und bedenke wohl, dass die Not, der Hunger und die Blöße der Kinder ihn beim Vater der Barmherzigkeit streng und heftig anklagen, wenn er ein Herz aus Blei hat und nicht hochherzig zu Hilfe kommt. Alle mögen schließlich überzeugt sein, dass ihre Freigebigkeit für sie kein Verlust, sondern ein Gewinn sein wird. Denn mit Recht kann gesagt werden, dass derjenige, der etwas von seinem Vermögen oder seiner Arbeit den Notleidenden mitteilt, gewissermaßen Gott, der einst mit reichstem Lohne dem Spender vergelten wird, auf Zinsen leiht.
7 Wir hegen daher die zuversichtliche Hoffnung, dass, wie einst in alter Zeit der Apostel, da die Christengemeinde zu Jerusalem Verfolgung und Not litt und für sie allüberall Bitten zu Gott emporstiegen und Hilfe gesandt wurde (VgI. 1 Kor. 16, 1), auch jetzt alle, von gleicher Liebe beseelt und getrieben, der Not der Kinder und Jugendlichen nach Kräften zu Hilfe kommen. Das soll, wie Wir sagten, vor allem durch inbrünstiges Gebet zu unserem barmherzigen Erlöser geschehen. Denn aus frommem Gebet ersteht, wie Ihr wisst, eine geheime Kraft, die den Himmel durchdringt und von den Thronen der Ewigkeit himmlisches Licht und göttliche Hilfe erfleht zur Erleuchtung des Herzens der Menschen und zur Bereitung ihres Willens für das Gute, zum mahnenden Ansporn zu christlicher Liebe.
IV. Die bevorzugte Sorge der Kirche für die Kinder
8 Es ist der Mühe wert, hier darauf hinzuweisen, dass die Kirche dem zarten Kindesalter allezeit größte Sorge gewidmet und dass sie dasselbe mit vollem Rechte in ganz besonderer Weise als ihrer sorgenden Liebe anvertraut betrachtet hat. Indem sie dies tat und fortwährend noch tut, folgt sie zweifellos dem Vorbilde und den Mahnungen ihres göttlichen Stifters. Denn er hat, da er die Kinder mild zu sich rief, während die Apostel deren Mütter zurückwiesen, gesagt: "Lasset die Kleinen zu mir kommen und wehret es ihnen nicht, denn ihrer ist das Himmelreich !" (Mk10,14) Christus liebt nämlich, wie trefflich und beredt Unser Vorgänger unsterblichen Angedenkens, Leo der Große, versichert, "das Kindsein, das er zuerst sowohl dem Geiste wie dem Leibe nach annahm. Christus liebt das Kindsein als einen Lehrmeister der Demut, als Richtschnur der Unschuld, als Vorbild der Sanftmut. Christus liebt das Kindsein, auf das hin er das sittliche Leben der Erwachsenen richtet und zu dem er das Greisenalter zurückführt und auf dessen Beispiel er jene hinweist, die er zum Himmelreich erhebt " (Sermo 37 c.3; Migne PL LIV, 258 c.)
9 Aus diesen leuchtenden Worten und Sätzen erseht Ihr, ehrwürdige Brüder, mit welcher Liebe und hingebender Sorge die Kirche nach dem Beispiele ihres Stifters sich der Kinder und Jugendlichen annehmen soll. Während sie wahrhaftig nichts versäumt, was in ihren Kräften steht, damit sie Nahrung, Kleidung und Obdach für ihren Leib nicht entbehren müssen, vergisst sie und vernachlässigt sie vor allem ihre Seele nicht, die, geradezu aus Gottes Odem hervorgegangen, wie ein Strahl von himmlischer Schönheit kündet. Zuerst ist sie sorgsam darauf bedacht, ihre Unschuld unversehrt zu erhalten und für ihr ewiges Heil Sorge zu tragen.
10 Beinahe zahllos sind daher ihre Anstalten und Unternehmungen, die das jugendlicne Alter in geordneter Weise schulen, in Sittenreinheit erziehen und nach besten Kräften zu jenem Lebensstand führen sollen, der den wachsenden Bedürfnissen der Seele und des Leibes entspricht. Auf diesem höchst nützlichen Gebiete arbeiten, wie Ihr wisst, in bewundernswerter Hingabe und mit Nutzen nicht wenige männliche und weibliche Ordensgemeinschaften, deren weise, wache und aufopfernde Tätigkeit sich zum größten Segen für Kirche und Staat auswirkt. Und zwar geschieht das mit reichem und heilsamem Erfolge nicht nur bei bereits zivilisierten Völkern und Nationen, sondern auch bei wild lebenden Völkern oder jenen, die noch in keiner Weise vom Lichte des Christentums erleuchtet sind. Da führen die Herolde der Frohbotschaft und besonders das sogenannte "Päpstliche Werk der heiligen Kindheit" zahllose Kinder aus der Knechtschaft des Teufels und schlechter Menschen zur Freiheit der Kinder Gottes und zu einer menschlicheren Lebensweise.
V. Das Ungenügen der bisherigen Maßnahmen
11 In dieser furchtbaren Wende der Geschichte, da die allzu großen materiellen und geistigen Ruinen sich ins Unermessliche häufen, erweisen sich jedoch die Unternehmungen der Fürsorge und Caritas, die vielleicht für gewöhnliche derartige Nöte ausreichend schienen, ohne Zweifel als ungenügend. Denn Wir sehen, ehrwürdige Brüder, sozusagen vor Unseren Augen die unabsehbaren Kinderscharen, die vor Hunger dahinsiechen und, dem Tode nahe, mit ihren zarten Händchen um Brot bitten, "und niemand ist da, der es ihnen bricht " (Vgl. Kgl. 4, 4.). Ohne Obdach und Kleidung sterben sie zitternd in winterlicher Kälte dahin. Sie haben weder Mutter noch Vater, die sie bedecken und wärmen würden. Sie müssen krank, gar von der Schwindsucht angesteckt, der entsprechenden Heilmittel und Pflege ermangeln. Traurigen Herzens glauben Wir auch jene Unzähligen vor Uns zu sehen, die in den lärmenden Straßen der Städte umherirren und dem Müßiggang und Laster überantwortet sind oder unstet und schlendrig in den Städten, Dörfern, auf dem Lande herumziehen, denen leider niemand eine sichere Heimstätte gegen Not, Laster und Verbrechen anbietet.
VI. Neue Mittel und Wege sind nötig
12 Wie sollten Wir daher, die Wir diese Unsere kleinen Kinder "in der Liebe Jesu Christi" (Phil. 1, 8) so leidenschaftlich lieben, Euch, ehrwürdige Brüder, jeden einzelnen, und mit Euch alle jene, die sich noch vom Sinn für Menschlichkeit, Barmherzigkeit und Erbarmung leiten lassen, nicht immer und immer wieder aufrufen, willig und hochherzig alles, was immer die christliche Liebe kann und vermag - und sie vermag sehr viel -, zu tun, dass ihr so elendes Los allüberall gemildert und erleichtert werde?
13 Nichts möge unversucht bleiben, was diesbezüglich unsere Zeit bereits angeregt hat. Dazu mögen, noch neue Mittel und Wege ersonnen werden, um beim Bemühen aller Gutgesinnten dem gegenwärtigen und noch zu befürchtenden Unheil in geeigneter Weise abzuhelfen. So möge denn baldmöglichst unter dem Beistand und mit der Hilfe der Gnade Gottes an Stelle des Anreizes zum Laster, das so viele verlassene Kinder leicht auf Abwege führt, die Einladung zur Tugend treten. Ihr nutzloser Müßiggang, ihre traurige Untätigkeit möge von ehrbarer und froher Arbeit abgelöst werden. Und endlich möge ihrem Hunger, ihrer Not und ihrer Blöße von der göttlichen Liebe Jesu Christi - die in dieser Zeit in seinen Jüngern wieder aufleben, entflammt und weitmöglichst gemehrt werden muss - soviel gewährt werden, dass sie die dringendste Hilfe nicht mehr entbehren.
14 Das alles wird nicht allein der katholischen Religion und der christlichen Tugend, sondern auch dem Wohle der menschlichen Gemeinschaft und der bürgerlichen Gesellschaft in höchstem Maße zugute kommen. Denn, wie alle wissen, würde sicherlich keine so große Schar von Angeklagten und Verbrechern die Kerker und öffentlichen Verwahrungsanstalten füllen, wenn geeignetere Vorkehrungen und Maßnahmen zur Verhütung von Verbrechen besonders im jugendlichen Alter umfassender und angemessener getroffen würden. Wenn überall eine gesunde, unversehrte und arbeitswillige Jugend heranwachsen würde, wären solche Bürger keine Seltenheit mehr, die sich durch Ehrlichkeit, Tüchtigkeit und die übrigen körperlichen und seelischen Vorzüge auszeichnen.
VII. Apostolischer Segen
15 Das also wollten Wir Euch, ehrwürdige Brüder, über dieses so überaus schwere Anliegen in dieser Enzyklika schreiben. Wir fordern Euch nochmals auf, das, wozu Wir Euch väterlich mahnend aufgerufen haben, Euren Gläubigen in der Euch geeignet scheinenden Weise mitzuteilen. Und Wir hoffen, dass alle freudigen Herzens und mit eifriger Freigebigkeit und Hingabe diesen Unseren Wünschen und Mahnungen Folge leistenwerden.
16 Von dieser Hoffnung beseelt, erteilen Wir als Unterpfand der himmlischen Gnaden und als Beweis Unseres besonderen Wohlwollens jedem aus Euch, ehrwürdige Brüder, sowie den Eurer Hirtensorge anvertrauten Gläubigen, namentlich jenen, die sich auf irgendeine Art und Weise in dieser Sache verdient gemacht haben oder verdient machen werden, voll Liebe im Herrn den Apostolischen Segen.
am Feste der Erscheinung Unseres Herrn Jesu Christi,
im siebten Jahre Unseres Pontifikats.