Politeia

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Die Politeia ist das bedeutendste Werk Platons. Es gehört zu den wichtigsten Schriften der Philosophiegeschichte.

Entstehung

Die Politeia schrieb Platon nach der Gründung seiner Akademie, etwa um das Jahr 370 v. Chr. Es handelt sich dabei um ein sehr komplexes Werk, dass sich mitnichten nur mit Fragen des Idealstaats auseinandersetzt, die ich hier in den Vordergrund stellen möchte. Die Politeia bildet vielmehr die Grundlage der gesamten platonischen Philosophie, vor der Ethik über die Pädagogik bis zur Sozialphilosophie. Berühmte Texte der Weltliteratur sind darin enthalten, etwa das Sonnen-, das Linien- und das vielzitierte Höhlengleichnis.

Inhalt

Die Politeia besteht aus 10 Büchern, wobei die Kapitelunterteilung nicht von Platon selbst stammt. Das 1. und das 10. Buch umrahmen das Werk als Vor- bzw. Nachspiel (über Dichtung und Ewigkeit). Der Anfang des 2. Buches bildet die Einleitung, Buch 2 (Rest) bis 4 den ersten Hauptteil, in dem es um den Aufbau des Staates im außerphilosophischen Sinne geht. Buch 5 bis 7 bilden den zweiten Hauptteil und gewissermaßen das Herzstück des Textes. Dort werden die Einheit und das Wesen des platonischen Staates auf dem Hintergrund der Idee des Guten beschrieben. Buch 8 bildet den dritten Hauptteil, in dem sich Platon mit den Verfallsformen des Staates beschäftigt. Buch 9 fasst am Schluss die Ergebnisse zusammen. Insgesamt besteht die Politeia also aus sieben Teilen. Sieben – das ist die Zahl Apolls, der u. a. als Gott der sittlichen Reinheit und Mäßigung verehrt wurde. Einer seiner drei Leitsätze lautet: „Erkenne Dich selbst.“, ein Motto, das auch über der sokratischen Philosophie steht.

Sokrates ist denn auch die Hauptperson der Politeia. Er bestimmt durch seine Gesprächsführung den Gang der Dialoge. Das 1. Buch heißt Thrasymachos und wurde schon 20 Jahre vor dem Rest der Politeia geschrieben. Dieses Buch leitet als Vorspiel in die Problematik ein, die das Gesamtwerk beinhaltet: Wer ist gerecht und damit zugleich glücklich? Eine Trennung von Gerechtigkeit und gutem, glücklichem Leben, wie sie die Ethik in den kommenden Jahrhunderten herausbilden sollte, ist für Platon schlechterdings unmöglich. Glücklich kann nur der werden, der gerecht ist. Somit ist die Politeia im eigentlichen Sinne eine Diskussion über Glück und Gerechtigkeit. Aufgeworfen wird diese Diskussion von Thrasymachos, der behauptet, dass der Ungerechte der Glückliche sei. Später er kaum noch eine Rolle, die folgenden Dialoge werden hauptsächlich von Sokrates mit den Platon-Brüdern Glaukon und Adeumantes geführt. Sokrates ist es dann auch, der zu Beginn des 2. Buches vorschlägt, erst einmal die Gerechtigkeit im Staat zu bestimmen, um zu einer umfassenden Gerechtigkeitsdefinition für den Menschen zu gelangen.

Die Politeia beschäftigt sich also mit dem philosophischen Problem der Gerechtigkeit und entfaltet die Idee einer zur Gerechtigkeit und Harmonie führenden Staatsverfassung aus dem Gedanken einer Analogie von Seele und Staat. Platon zufolge setzt sich der ideale Staat aus drei Ständen zusammen. Für die wirtschaftliche Stabilität des Staates ist der Stand der Handwerker und Bauern zuständig, für die Sicherheit des Volkes der Stand der Krieger und die politische Leitung wird von den Philosophen oder weisen Aristokraten übernommen. Die Zugehörigkeit eines Individuums zu einem Stand wird durch seine Erziehung bestimmt. Ziel der Erziehung ist die Weisheit. Diese zu erreichen, gelingt nicht jedem. Tatsächlich ist Platons ideales Erziehungssystem so aufgebaut, dass es hauptsächlich auf die Ausbildung von Philosophen, d. h. von zukünftigem Leitungspersonal ausgerichtet ist.

Die Rangordnung der Stände hängt mit der Bedeutung traditioneller griechischer Tugenden zusammen, die Platon den Stände-Mitgliedern zuschreibt. Mäßigung ist die hervorragende Tugend der Handwerker und Bauern, Tapferkeit die typische Tugend des Kriegerstandes und Weisheit die der Herrscherklasse. Die Gerechtigkeit als vierte Tugend soll in der ganzen Gesellschaft vorkommen, beim Bauern gleichermaßen wie beim Aristokraten. Im gerechten Staat nimmt jeder einzelne Stand seine Aufgabe wahr, ohne dabei die Tätigkeit der anderen Stände zu beeinträchtigen.

Die drei Stände des Staates – und hierin liegt der zentrale Gedanke Platons – entsprechen den drei Teilen der Seele. Die Seele kann nur intakt und somit glücklich sein, wenn alle Teile im Gleichgewicht sind, also Harmonie vorliegt. Ebenso kann der Staat nur gut und gerecht funktionieren, wenn alle drei Stände im harmonischen Gleichgewicht sind und alle Stände gemäß den ihnen entsprechenden Tugenden ihre spezifischen Aufgaben (regieren, verteidigen, erwerben) erfüllen, ohne sich in die Geschäfte des jeweils anderen Standes einzumischen. Einmischung in das Gebiet des Anderen wird nicht geduldet, da es die Harmonie und schließlich den Staat zerstört.

Platon stellt folgende Beziehungen auf:

  • Stand im Staat: Lehrstand - Wehrstand - Nährstand
  • Vertreter: Philosophen - Wächter - Handwerker und Bauern
  • Aufgabe: Regieren - Verteidigen - Erwerben
  • Tugend: Weisheit - Tapferkeit - Besonnenheit
  • Teil der Seele: Vernunft - Mut - Begierde

Die Seele ist im Einklang, wenn die Vernunft durch den Mut die Begierde zu zügeln und nach ihrem Willen zu formen versteht.

Analog dazu verhält es sich im Staat. Der Lehrstand muss versuchen, möglichst allen Menschen zu vermitteln, dass sie ein Teil des Ganzen sind und Individualismus unzulässig ist. Der einzelne Mensch muss nach Platon seine Pflichten im Staat erfüllen, auch wenn es ihn zunächst unglücklich zu machen scheint. Letztlich mache es ihn aber doch glücklich, weil er für die Allgemeinheit tätig wird, diese dadurch als solche glücklich ist und dieses Glück dann auf den Einzelnen zurückstrahlt.

Bewertung

„Du bist nichts, dein Volk bzw. der Staat ist alles!“ Als Deutsche kennen wir dieses Gesellschaftsverständnis aus unserer jüngsten Geschichte zu genau. Im Anti-Individualismus Platons setzt denn auch die Kritik Poppers an, der dem geschlossenen Polis-Modell eine „offene Gesellschaft“ gegenüberstellt. Ob man den großen Griechen jedoch tatsächlich für jeden Unfug der jüngsten Vergangenheit verantwortlich machen kann, darf zumindest bezweifelt werden.

Literatur

Weblinks