Pastorale Orientierungen zu Klimavertriebenen

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Orientierungen

Dikasterium für den Dienst zugunsten der ganzheitlichen Entwicklung des Menschen – Abteilung für Migranten und Flüchtlinge
im Pontifikat von Papst
Franziskus
Pastorale Orientierungen zu Klimavertriebenen
30. März 2021

(Quelle: Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls, Nr 231)
Allgemeiner Hinweis: Was bei der Lektüre von Wortlautartikeln der Lehramtstexte zu beachten ist


Vorwort von Papst Franziskus

Die Pastoralen Orientierungen zu Klimavertriebenen enthalten eine Reihe relevanter Fakten, Interpretationen, Maßnahmen und Vorschläge, ... aber gleich jetzt zu Beginn möchte ich vorschlagen, dass wir Hamlets berühmtes „Sein oder Nichtsein“ aufgreifen und ganz klar sagen: „Sehen oder nicht sehen, das ist hier die Frage.“ Alles beginnt mit dem Sehvermögen eines jeden von uns, ja, mit meinem und mit Ihrem.

Wir werden von Nachrichten und Bildern überschwemmt, wie ganze Völker durch katastrophale Klimaveränderungen entwurzelt und zur Migration gezwungen werden. Aber welche Wirkung diese Geschichten auf uns haben und wie wir darauf reagieren – ob sie uns nur flüchtig berühren oder etwas Tieferes in uns auslösen; ob das alles weit entfernt zu sein scheint oder ob wir es als ein Geschehen erleben, das nahe bei uns abläuft – das hängt davon ab, ob wir uns die Mühe machen, das Leid zu sehen, das in jeder Geschichte liegt, um „das, was der Welt widerfährt, schmerzlich zur Kenntnis zu nehmen, zu wagen, es in persönliches Leiden zu verwandeln, und so zu erkennen, welches der Beitrag ist, den jeder Einzelne leisten kann“ (Laudato si’, 19).

Wenn Menschen aus ihrem gewohnten Umfeld vertrieben werden, weil es unbewohnbar geworden ist, mag das wie ein naturgegebener Prozess aussehen, etwas Unvermeidliches. Doch die Verschlechterung des Klimas ist sehr oft das Ergebnis von Fehlentscheidungen und zerstörerischem Handeln, von Egoismus und Vernachlässigung, die die Menschheit in Konflikt mit der Schöpfung, unserem gemeinsamen Haus, gebracht haben.

Anders als die Pandemie, die plötzlich und ohne Vorwarnung fast überall über uns hereinbrach und alle gleichzeitig betraf, hat sich die Klimakrise seit der Industriellen Revolution lang sam entwickelt. Lange Zeit verlief ihre Entstehung so unauffällig, dass sie außer für einige wenige Hellsichtige gar nicht wahrnehmbar war. Auch heute noch ist sie ungleichmäßig in ihren Auswirkungen: Der Klimawandel findet zwar überall statt, aber den größten Schmerz spüren diejenigen, die am wenigsten zu ihm beigetragen haben.

Doch ebenso wie die COVID-19-Krise wird auch die sehr hohe und immer weiter wachsende Zahl von Menschen, die durch die Klimakrise vertrieben werden, schnell zu einer großen Not unserer Zeit, von der fast jeden Abend auf unseren Bildschirmen berichtet wird und die globale Antworten erfordert.

Mir kommt dabei Gott in den Sinn, wie er durch den Propheten Jesaja spricht, hier mit einigen Aktualisierungen zitiert: Kommt, lasst uns darüber reden. Wenn ihr bereit seid, zuzuhören, dann können wir noch eine große Zukunft haben. Aber wenn ihr euch weigert, zuzuhören und zu handeln, werdet ihr von der Hitze und der Verschmutzung verschlungen werden, von Dürren hier und Überschwemmungen dort (vgl. Jesaja 1,18‒20).

Wenn wir hinschauen, was sehen wir dann? Viele werden von Lebensbedingungen erdrückt, die ein Überleben vor Ort unmöglich machen. Menschen sehen sich gezwungen, ihre Felder und Küsten, ihre Häuser und Dörfer zu verlassen; sie fliehen in aller Eile, wobei sie nur ein paar Erinnerungsstücke mitnehmen, die ihnen wert und teuer sind, Bruchstücke ihres Lebens und ihres kulturellen Erbes. Sie machen sich in der Hoffnung auf den Weg, ihr Leben an einem sicheren Ort neu beginnen zu können. Doch meist landen sie nur in völlig überfüllten Slums oder behelfsmäßigen Notunterkünften, in denen sie dann ihr weiteres Schicksal abwarten.

Die Menschen, die durch die Klimakrise aus ihrer Heimat vertrieben werden, müssen aufgenommen, geschützt, gefördert und integriert werden. Sie wollen neu anfangen. Um ihren Kindern eine neue Zukunft zu eröffnen, muss man ihnen den Neustart ermöglichen und ihnen helfen. Aufnehmen, schützen, fördern und integrieren sind alles Verben für hilfreiches Handeln. Lassen Sie uns die Steine aus dem Weg räumen, die den Vertriebenen den Weg versperren, einen Stein nach dem anderen, alles, was sie unterdrückt und ausgrenzt, was sie daran hindert, zu arbeiten und zur Schule zu gehen, was sie unsichtbar macht und ihnen ihre Würde nimmt.

Die Pastoralen Orientierungen zu Klimavertriebenen fordern uns auf, mit einem offenen Blick auf dieses Drama unserer Zeit zu schauen. Sie ermutigen uns nachdrücklich, die Tragödie der nicht endenden Entwurzelung zu sehen, die unsere Brüder und Schwestern dazu bringt, Jahr für Jahr neu auszurufen: „Wir können nicht zurück, und wir können nicht neu beginnen.“ Die Pastoralen Orientierungen laden uns ein, dass wir uns der Gleichgültigkeit der Gesellschaften und Regierungen gegenüber dieser Tragödie bewusst werden. Sie fordern uns auf, zu sehen und uns zu kümmern. Sie laden die Kirche und andere ein, gemeinsam zu handeln, und sie zeigen uns auf, wie wir das tun können.

Das ist das Werk, das der Herr jetzt von uns verlangt, und es liegt eine große Freude darin. Wir werden aus Krisen wie der Klimakrise oder der COVID-19-Krise nicht herauskommen, indem wir uns in einen engen Individualismus zurückziehen, sondern nur, indem wir „gemeinsam viele sind“, und zwar in Begegnung und Dialog und Zusammenarbeit. Deshalb freue ich mich sehr, dass diese Pastoralen Orientierungen zu Klimavertriebenen im Dikasterium für den Dienst zugunsten der ganzheitlichen Entwicklung des Menschen gemeinsam von der Abteilung für Migranten und Flüchtlinge und der Sektion für ganzheitliche Ökologie erarbeitet wurden. Diese Vernetzung ist schon für sich genommen ein Zeichen für den Weg in die Zukunft.

Sehen oder nicht sehen, das ist die Frage, die uns im gemeinsamen Handeln zur Antwort führt. Die Seiten dieser Broschüre zeigen uns, was nötig ist und was wir mit Gottes Hilfe tun müssen.

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Verzeichnis der Dokumente und Abkürzungen

CA: Papst Johannes Paul II., Enzyklika Centesimus annus, Vatikanstadt/Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz (Hg.), Bonn 1991, 7. Auflage 2019

CIV: Papst Benedikt XVI., Enzyklika Caritas in veritate, Vatikanstadt/Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz (Hg.), Bonn 2009

CV: Papst Franziskus, Nachsynodales Apostolisches Schreiben Christus vivit, Vatikanstadt/Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz (Hg.), Bonn 2019

EG: Papst Franziskus, Apostolisches Schreiben Evangelii gaudium, Vatikanstadt/Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz (Hg.), Bonn 2013

EMCC: Päpstlicher Rat der Seelsorge für die Migranten und Menschen unterwegs, Erga migrantes caritas Christi, Vatikanstadt/Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz (Hg.), Bonn 2004

FT: Papst Franziskus, Enzyklika Fratelli tutti, Vatikanstadt/Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz (Hg.), Bonn 2020

IDPs: Binnenvertriebene (Internally Displaced People)

LS: Papst Franziskus, Enzyklika Laudato si’, Vatikanstadt/Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz (Hg.), Bonn 2015

M&R: Abteilung für Migranten und Flüchtlinge des Dikasteriums für den Dienst zugunsten der ganzheitlichen Entwicklung des Menschen

POIDP: Abteilung für Migranten und Flüchtlinge, Pastorale Orientierungen zu Binnenvertriebenen (Pastoral Orientations on Internally Displaced Persons), Vatikanstadt/Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz (Hg.), Bonn 2020 QA: Papst Franziskus, Nachsynodales Apostolisches Schreiben Querida Amazonia, Vatikanstadt/Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz (Hg.), 2020

RCS: Päpstlicher Rat „Cor Unum“ und Päpstlicher Rat der Seelsorge für die Migranten und Menschen unterwegs, Flüchtlinge – eine Herausforderung zur Solidarität, Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz (Hg.), Bonn 1992

VG: Papst Franziskus, Apostolische Konstitution Veritatis gaudium, Vatikanstadt 2017/Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz (Hg.), 2018

WCR: Päpstlicher Rat „Cor Unum“ und Päpstlicher Rat der Seelsorge für die Migranten und Menschen unterwegs, In Flüchtlingen und gewaltsam Vertriebenen Christus aufnehmen (Welcoming Christ in Refugees and Forcibly Displaced Persons), Vatikanstadt 2013

Glossar

Katholische Kirche wird in diesem Dokument so verwendet, dass die folgenden Personen und Gruppen eingeschlossen sind: die offizielle Kirchenleitung, die Bischöfe und die Bischofskonferenzen, Priester, Ordensleute (Männer und Frauen), Führungskräfte sowie leitende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von katholisch inspirierten humanitären und mit Migration befassten karitativen Organisationen sowie jedes Mitglied der katholischen Kirche.

Klimakrise ist ein Begriff, der zunehmend verwendet wird, um die Gefahr des durch menschliche Aktivitäten verursachten Klimawandels stärker ins Bewusstsein zu rufen und zu unterstreichen, dass wir dringend darauf reagieren müssen, wenn wir katastrophale Folgen vermeiden wollen.

Klimavertriebene („Climate Displaced People“, CDP) sind Einzelpersonen oder Personengruppen, die aufgrund einer akuten Klimakrise gezwungen sind, ihren bisherigen Wohnort zu verlassen. Die Vertreibung kann entweder durch schnell einsetzende Auslöser erfolgen, vor allem durch extreme Wetterphänomene wie Überschwemmungen, Stürme, Dürren oder Waldbrände, oder aber durch langsam einsetzende Prozesse wie Wüstenbildung, Erschöpfung natürlicher Ressourcen, Wasserknappheit, steigende Temperaturen oder Meeresspiegelanstieg. Im Falle von Naturgewalten wie extremen Wetterereignissen kann es möglich sein, dass Vertriebene zu ihrem Herkunftsort zurückkehren. Bei schweren Naturkatastrophen und angesichts langfristiger Prozesse wie dem Anstieg des Meeresspiegels werden jedoch die meisten auf Dauer vertrieben sein. Die Vertreibung kann entweder innerhalb des Landes oder über eine internationale Grenze hinweg erfolgen.

Klimaresilienz ist die Fähigkeit, sich auf klimabedingte Phänomene und Trends vorzubereiten, sich anzupassen und darauf zu reagieren. Die Verbesserung der Klimaresilienz beinhaltet zu verstehen, wie die Klimakrise neue Risiken hervorbringt, und Maßnahmen zu ergreifen, um mit diesen Risiken besser umgehen zu können.

Vertreibung ist die Situation, in der Menschen gezwungen sind, den Ort, an dem sie normalerweise leben, zu verlassen und an einen anderen Ort zu ziehen, entweder innerhalb der nationalen Grenzen oder ins Ausland.

Einführung

In den letzten Jahren hat die internationale Gemeinschaft das Ausmaß der Klimakrise erkannt und erhebliche Anstrengungen unternommen, um durch verschiedene Abkommen auf ihre Auswirkungen zu reagieren. Die katholische Kirche zeigt Anerkennung und Wertschätzung dafür, dass diese Bemühungen unternommen werden, um rechtliche Rahmenbedingungen zu schaffen, Daten zu sammeln und die Folgen der Klimakrise sorgfältig und exakt zu analysieren. Ebenso schätzt die Kirche das Engagement vieler zivilgesellschaftlicher Akteure – insbesondere junger Menschen – bei der Bewältigung dieser Herausforderung.

Die Klimakrise hat ein „menschliches Gesicht“. Sie ist bereits eine Realität für eine Vielzahl von Menschen weltweit, insbesondere für die schwächsten und verwundbarsten unter ihnen. Die katholische Kirche sorgt wie eine Mutter für all diejenigen, die durch die Auswirkungen der Klimakrise vertrieben wurden. Diese besondere Situation der Verwundbarkeit ist der Grund für das vorliegende Dokument.

Das Lehramt der katholischen Kirche hat sich bereits mit der Notlage der Binnenvertriebenen, zusammen mit anderen Kategorien von Migranten, befasst und Überlegungen und Instruktionen zu ihrer seelsorglichen Betreuung erarbeitet, die insbesondere in die Enzyklika Laudato si’ Eingang gefunden haben. Die Pastoralen Orientierungen zu Klimavertriebenen konzentrieren sich ausschließlich auf Klimavertriebene; sie zeigen die neuen Herausforderungen der gegenwärtigen globalen Lage auf und schlagen adäquate pastorale Antworten vor. Der Hauptzweck dieser Orientierungen liegt darin, eine Reihe von Schlüsselüberlegungen anzubieten, die den Bischofskonferenzen, Ortskirchen, Ordensgemeinschaften, katholischen Organisationen, den in der katholischen Seelsorge Tätigen und allen katholischen Gläubigen bei pastoralen Planungen und der Entwicklung von Programmen für eine wirksame Hilfe für die Klimavertriebenen nützlich sein können.

Die Pastoralen Orientierungen zu Klimavertriebenen sind tief verwurzelt in der Reflexion und Lehre der Kirche und in ihrer praktischen Erfahrung, auf die Bedürfnisse von Klimavertriebenen zu reagieren, die entweder innerhalb der Grenzen ihrer Herkunftsländer oder auch über diese Grenzen hinweg vertrieben wurden. Klimavertriebene sind Migranten, und dieses Dokument folgt der Linie früherer lehramtlicher Dokumente, insbesondere jener über Migranten, die auch für Klimavertriebene gelten können. Die vorliegenden Pastoralen Orientierungen schöpfen auch aus der langjährigen praktischen Erfahrung vieler katholischer Organisationen, die vor Ort arbeiten, und aus den Beobachtungen von Vertretern der Bischofskonferenzen. Diese Pastoralen Orientierungen wurden vom Heiligen Vater gebilligt; sie maßen sich allerdings nicht an, die Lehre der Kirche zum Thema „Klimakrise und Vertreibung“ erschöpfend darzustellen.

Die Pastoralen Orientierungen zu Klimavertriebenen nehmen zehn Herausforderungen in den Blick, welche mit der Vertreibung durch den Klimawandel zusammenhängen und die Opfer dieser Vertreibung betreffen. Diese Herausforderungen bieten zusammen mit den vorgeschlagenen Antworten der katholischen Kirche Orientierungspunkte für einen Fahrplan zur Entwicklung des pastoralen Engagements für Klimavertriebene, und gleichzeitig weitet sich mit diesem Dokument die pastorale Sorge des Papstes auf die Klimavertriebenen aus. Es enthält auch einen Abschnitt über Kooperation und Teamarbeit, welche eine Grundvoraussetzung erfolgreicher Projekte sind und einen Schlüssel zu einer effektiven und effizienten Unterstützung von Klimavertriebenen darstellen.

1. Anerkennung des Zusammenhangs zwischen Klimakrise und Vertreibung

[Die Seeleute] warfen das Lot hinab und maßen zwanzig Faden; kurz danach loteten sie nochmals und maßen fünfzehn Faden. Aus Furcht, wir könnten auf Klippen laufen, warfen sie vom Heck aus vier Anker und wünschten den Tag herbei. [...] Die Einheimischen erwiesen uns ungewöhnliche Menschenfreundlichkeit; sie zündeten ein Feuer an und holten uns alle zu sich, weil es zu regnen begann und kalt war. (Apostelgeschichte 27,28‒29; 28, 2)

Tobende Unwetter, heftige Orkane und zerstörerische Wirbelstürme wüten auch heute. Es ist eine Tatsache, dass sie mit der Verschärfung der Klimakrise häufiger und intensiver geworden sind. Wir erleben, wie die Zahl der Menschen, die aufgrund der zerstörerischen Auswirkungen der Klimakrise und anderer Erscheinungsformen der ökologischen Krise vertrieben werden, immer mehr zunimmt. Das Leben und die Wohnstätten so vieler unserer Brüder und Schwestern auf der ganzen Welt erleiden tatsächlich eine Art Schiffbruch. Viele von ihnen sind gezwungen, auf der Suche nach Sicherheit und Geborgenheit aus ihrem Heimatland zu fliehen.

Als Christen glauben wir, dass auch die dunkelsten Nächte durch Liebe und Fürsorge wieder heller werden können. Die Bewohner Maltas hießen den Apostel Paulus und seine schiffbrüchigen Begleiter außergewöhnlich freundlich willkommen. Die Heimatlosen fanden ein Heim, als sie mit offenen Armen aufgenommen, mit Essen versorgt und in den Häusern untergebracht wurden. Ein Feuer wurde angezündet – ein „Herd“ – und schuf eine familiäre Atmosphäre der Wärme gegen die Kälte der Gleichgültigkeit.

Die Klimakrise

Einer der Faktoren, die den Planeten Erde zu einer einzigartigen Heimat für das Leben machen, ist das Klimasystem, das ihn von anderen Planeten unterscheidet. Nun jedoch, nach mehr als 10.000 Jahren relativer Stabilität – der gesamten Zeitspanne der menschlichen Zivilisation – verändert sich das Klima unseres Heimatplaneten aufgrund menschlicher Aktivitäten mit einer großen Geschwindigkeit.

Die Durchschnittstemperatur der Erde ist seit der vorindustriellen Zeit um etwa 1,1 Grad Celsius gestiegen, was zu „tiefgreifenden Veränderungen in den menschlichen und natürlichen Systemen führt, darunter die Zunahme von Dürren, Überschwemmungen und anderen Extremwetterereignissen, der Anstieg des Meeresspiegels und ein Verlust an biologischer Vielfalt“.<ref> WELTKLIMARAT (IPCC), 1,5 °C globale Erwärmung – Ein IPCC-Sonderbericht über die Folgen einer globalen Erwärmung um 1,5 °C gegenüber vorindustriellem Niveau und die damit verbundenen globalen Treibhausgasemissionspfade im Zusammenhang mit einer Stärkung der weltweiten Reaktion auf die Bedrohung durch den Klimawandel, nachhaltiger Entwicklung und Anstrengungen zur Beseitigung von Armut (Genf 2018), Kapitel 1.</ref> Die Erwärmung verläuft aktuell schneller als zu jedem anderen Zeitpunkt in den letzten 65 Millionen Jahren.

Wir befinden uns bereits in einer Klimakrise, deren Tempo immer mehr zunimmt. Im November 2019 kamen 11.000 Wissenschaftler zusammen, um einen „Klimanotstand“ auszurufen,<ref> Vgl. BioScience 70/1, 2020.</ref> ein Anliegen, das von Papst Franziskus in seiner Botschaft zum Weltgebetstag für die Bewahrung der Schöpfung am 1. September 2020 aufgegriffen wurde, als er feststellte, dass „wir uns [...] mitten in einer Notsituation befinden“, für die gilt: „Die Zeit läuft uns davon.“<ref> PAPST FRANZISKUS, Botschaft zum Weltgebetstag für die Bewahrung der Schöpfung (Vatikanstadt, 2020).</ref>

Das „menschliche“ Gesicht der Krise

Die Klimakrise ist keine abstrakte Bedrohung in der Zukunft. Der aus dem Industriezeitalter resultierende Temperaturanstieg von knapp über 1°C verursacht schon jetzt ein unermessliches Leid für Millionen unserer Brüder und Schwestern auf der ganzen Welt, ganz zu schweigen von den Schäden an Ökosystemen und dem Rest des Bioms.

Wie Papst Franziskus zu Recht bekräftigt hat, „besteht eine offenkundige Verbindung zwischen ökologischer Instabilität, Ernährungsunsicherheit und Migrationsbewegungen“.<ref>PAPST FRANZISKUS, Ansprache an die Teilnehmer an der 41. FAO Konferenz (Vatikanstadt, 2019).</ref> Die Klimakrise bedroht auch grundlegende Menschenrechte wie das Recht auf Leben, Nahrung und Wasser, eine angemessene Unterkunft (oder ein Obdach) und Gesundheit.

Es sind die armen und verletzlichen Gemeinschaften auf der ganzen Welt, die unverhältnismäßig stark von der Umwelt- und Klimakrise betroffen sind. Sie sind die Unschuldigen, da sie am wenigsten dazu beigetragen haben, das Problem überhaupt erst zu verursachen. Dies ist ein zutiefst moralisches Problem, eines, das nach ökologischer Gerechtigkeit ruft. Schließlich war die Erde dazu bestimmt, unser gemeinsames Haus zu sein, und jedem steht das Recht zu, darin zu leben und zu gedeihen. Hier sind die prophetischen Worte des heiligen Papstes Johannes Paul II. sehr treffend, die von Papst Franziskus in Fratelli tutti aufgegriffen werden: „Gott hat die Erde dem ganzen Menschengeschlecht geschenkt, ohne jemanden auszuschließen oder zu bevorzugen, auf dass sie alle seine Mitglieder ernähre.“<ref> PAPST JOHANNES PAUL II., Enzyklika Centesimus annus (CA) zum hundertsten Jahrestag von Rerum novarum (1. Mai 1991), 31: Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz (Hg.): Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls Nr. 101 (7. Auflage, Bonn 2019), S. 54.</ref>

Die Erschöpfung der grundlegenden natürlichen Ressourcen, die die Erde zur Verfügung stellt, darunter insbesondere das Versiegen des Wassers, kann zur vorübergehenden oder dauerhaften Vertreibung von Familien und Gemeinschaften führen. „Der Zugang zu sicherem Trinkwasser [ist] ein grundlegendes, fundamentales und allgemeines Menschenrecht, weil es für das Überleben der Menschen ausschlaggebend und daher die Bedingung für die Ausübung der anderen Menschenrechte ist.“<ref>PAPST FRANZISKUS, Enzyklika Laudato si’ (LS) über die Sorge für das gemeinsame Haus (24. Mai 2015), 30: Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz (Hg.): Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls Nr. 202 (4., korr. Auflage, Bonn 2018), S. 27.</ref> Wasserknappheit ist in vielen Teilen der Welt ein Problem, aber „die Knappheit an Gemeinschaftswasser besteht besonders in Afrika, wo große Teile der Bevölkerung keinen Zugang zu sicherem Trinkwasser haben oder unter Dürreperioden leiden, die die Produktion von Nahrungsmitteln erschweren. In einigen Ländern gibt es wasserreiche Regionen und zugleich andere, die unter schwerem Wassermangel leiden“.<ref>LS 28: a. a. O., S. 26.</ref>

Die Krise hat unverhältnismäßige Auswirkungen auf vulnerable Gruppen wie Kinder, Frauen, Menschen mit Behinderungen, Angehörige indigener Völker und Menschen, die in ländlichen Gebieten leben. Einige der geografischen „Hotspots“, die am stärksten unter der Klimakrise leiden werden, sind dicht besiedelte Deltaregionen wie am Ganges (insbesondere in Bangladesch), am Mekong und am Nil, die Länder in der Sahelzone im Norden Afrikas, die kleinen Inselstaaten, die für Wirbelstürme besonders anfälligen mittelamerikanischen Länder sowie die Küsten und andere niedrig gelegene Regionen der Welt.

Die Klimakrise führt zu Vertreibung

Die Klimakrise kann zu Vertreibung führen, wenn Häuser unbewohnbar werden oder Lebensgrundlagen verloren gehen. Die Vertreibung kann entweder durch schnell einsetzende Auslöser erfolgen, vor allem durch extreme Wetterphänomene wie Überschwemmungen, Stürme, Dürren und Waldbrände, oder durch langsam einsetzende Prozesse wie Wüstenbildung, Erschöpfung der natürlichen Ressourcen, Wasserknappheit, steigende Temperaturen und den Anstieg des Meeresspiegels. Wir müssen auch bedenken, dass Vertreibung mehrere Ursachen haben kann.

Die Klimakrise setzt bereits jetzt die Wanderung von Menschen aufgrund von kurz- und langfristigen Naturkatastrophen in Gang und verstärkt diese. Allein im Laufe des Jahres 2019 wurden mehr als 33 Millionen Menschen neu vertrieben, was die Gesamtzahl auf fast 51 Millionen erhöhte, die höchste jemals aufgezeichnete Zahl; 8,5 Millionen von ihnen wurden infolge von Konflikten und Gewalt vertrieben und 24,9 Millionen infolge von Naturkatastrophen.<ref> Siehe INTERNAL DISPLACEMENT MONITORING CENTRE (IDMC), Global Report on Internal Displacement (GRID) (Genf 2020). Das IDMC ist mit seinem jährlich erscheinenden globalen Bericht eine führende Quelle für Informationen und Analysen. Siehe: https://www.internal-displacement.org. Das IDMC ist Teil des norwegischen Flüchtlingsrats, siehe: www.nrc.no.</ref> In der ersten Hälfte des Jahres 2020 wurden 14,6 Millionen neue Vertreibungen registriert; 9,8 Millionen als Folge von Katastrophen und 4,8 Millionen im Zusammenhang mit Konflikten und Gewalt.<ref>Vgl. ebd.</ref> Es wird geschätzt, dass von 2008 bis 2018 über 253,7 Millionen Menschen durch Naturkatastrophen vertrieben wurden,<ref>Vgl. ebd.</ref> wobei solche Katastrophen weltweit drei- bis zehnmal mehr Menschen vertreiben als bewaffnete Konflikte, abhängig jeweils von der Region, um die es geht.

Die Klimakrise ist auch eine Ursache für Konflikte auf der ganzen Welt, was die Vertreibung weiter verstärken kann. Der Zusammenhang ist real, wenn auch nicht immer direkt. In manchen Situationen führt die Klimakrise zur Erschöpfung natürlicher Ressourcen, was dann Konflikte zwischen Gemeinschaften und Nationen um den Besitz knapper Ressourcen auslösen kann. Der Klimawandel kann als Bedrohungsmultiplikator gesehen werden, der bestehende Konflikte dort verschärft, wo die Ressourcen knapp sind. Wie Papst Franziskus in Laudato si’ warnt: „Es ist vorhersehbar, dass angesichts der Erschöpfung einiger Ressourcen eine Situation entsteht, die neue Kriege begünstigt, die als eine Geltendmachung edler Ansprüche getarnt werden.“<ref> LS 57: a. a. O., S. 43.</ref>

Bedauerlicherweise können auch einseitige Formen der Entwicklung zu einer Zunahme von Armut und Vertreibung beitragen. Wie der heilige Papst Paul VI. vor fast einem halben Jahrhundert warnte: „Der Mensch wird sich plötzlich bewusst, dass er durch eine unüberlegte Ausbeutung der Natur Gefahr läuft, diese zu zerstören und seinerseits Opfer dieser verschlechterten Situation zu werden.“<ref> PAPST PAUL VI., Apostolisches Schreiben Octogesima adveniens (14. Mai 1971).</ref> Unsere verzerrten Wirtschaftsmodelle tragen selbst dazu bei. „Es gibt wirtschaftliche Regeln, die sich als wirksam für das Wachstum, aber nicht gleicherweise für die Gesamtentwicklung des Menschen erweisen.“<ref> PAPST FRANZISKUS Enzyklika Fratelli tutti (FT) über die Geschwisterlichkeit und die soziale Freundschaft (3. Oktober 2020), 21: Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz (Hg.): Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls Nr. 227 (Bonn 2020), S. 19. Vgl. auch PAPST PAUL VI., Enzyklika Populorum progressio, über die Entwicklung der Völker (Vatikanstadt 1967): AAS 59 (1967), 264.</ref> Der Reichtum hat zugenommen, aber zugleich ist die Ungleichheit gewachsen, und so „entstehen neue Formen der Armut“.<ref> FT 21, a. a. O., S. 19. Vgl. PAPST BENEDIKT XVI., Enzyklika Caritas in veritate (CIV) über die ganzheitliche Entwicklung des Menschen in der Liebe und in der Wahrheit (29. Juni 2009), 22: Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz (Hg.): Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls Nr. 186 (Bonn 2009), S. 31 f.</ref>

Im Falle von Naturgefahren wie extremen Wetterereignissen kann es für die Opfer der Vertreibung möglich sein, zu ihrem Herkunftsort zurückzukehren. Die Vertreibung wird jedoch für die meisten dann dauerhaft sein, wenn es um schwere Naturkatastrophen und langfristige Prozesse wie den Anstieg des Meeresspiegels geht.

Der Meeresspiegel wird mit der Erwärmung unseres Klimas weiter ansteigen und bedroht damit Städte sowie Agrar- und Weideflächen auf der ganzen Welt. Weltweit leben etwa 145 Millionen Menschen innerhalb eines Meters über dem aktuellen Meeresspiegel, und fast zwei Drittel der Weltstädte mit mehr als fünf Millionen Einwohnern liegen in Gebieten, die vom Anstieg des Meeresspiegels bedroht sind. Fast 40 Prozent der Weltbevölkerung leben in dem Bereich, der bis zu 100 km von einer Küste entfernt ist.<ref> WELTOZEANKONFERENZ DER VEREINTEN NATIONEN, Factsheet: People and Oceans, 2017, https://www.un.org/sustainabledevelopment/wp-con tent/uploads/2017/05/Ocean-fact-sheet-package.pdf.</ref>

Inmitten dieser komplexen Realitäten sind die besonders vulnerablen Menschen aufgrund von Armut oder aus anderen Gründen möglicherweise gar nicht in der Lage, an einen anderen Ort umzuziehen. Es ist von entscheidender Bedeutung, auf Bevölkerungsgruppen, die nicht mobil sind oder keine weiten Entfernungen überwinden können, zu reagieren.

Vertreibung aufgrund der Klimakrise

Bei ungebremster Erwärmung droht eine massive Vertreibung von Menschen. Bei einer Erwärmung von 1,5°C wird der Meeresspiegel weltweit bis zum Jahr 2100 um bis zu 0,77 Meter ansteigen.<ref> WELTKLIMARAT (IPCC), Sonderbericht zur globalen Erwärmung von 1,5°C (2018), a. a. O., Kapitel 3.</ref> Der Anstieg wäre bei einer höheren Erwärmung noch wesentlich größer. Bei der derzeit prognostizierten Erwärmung von 3–4°C bis zum Jahr 2100 wird es immer wahrscheinlicher, dass große Teile der Eisschilde in der Antarktis und in Grönland zusammenbrechen werden, was zu einem raschen Anstieg des Meeresspiegels führen wird.<ref> Ebd.</ref>

Man befürchtet, dass dieser zu erwartende Anstieg des Meeresspiegels zu einer noch nie dagewesenen globalen Vertreibung und Migration führen wird. Einige Gebiete wie tief liegende Inseln und Atolle werden völlig unbewohnbar werden. Selbst die optimistischsten Schätzungen ergeben, dass bis zum Jahr 2060 etwa 316 bis 411 Millionen Menschen weltweit von Sturmfluten und Küstenüberschwemmungen betroffen sein werden.<ref> B. NEUMANN ET AL., Future Coastal Population Growth and Exposure to Sea-Level Rise and Coastal Flooding: A Global Assessment, PloS One 10, Nr. 3 (März 2015).</ref>

Die Zahl der Menschen zu prognostizieren, die in Zukunft vertrieben werden könnten, ist eine Herausforderung; denn es gibt viele Ursachen für Migration und es ist schwer, die verschiedenen Motive für die Abwanderung von Menschen voneinander zu trennen. Laut einem Bericht der Weltbank aus dem Jahr 2018,<ref>Vgl. WORLD BANK, Groundswell. Preparing for Internal Climate Migration, World Bank Group (2018).</ref> der sich auf den südlich der Sahara gelegenen Teil Afrikas, auf Südasien und auf Lateinamerika konzentriert, könnte es sein, dass bis zum Jahr 2050 zwischen 31 Millionen und 143 Millionen Menschen (etwa 2,8 Prozent der Weltbevölkerung) aufgrund der Klimakrise innerhalb ihrer eigenen Länder den Wohnort wechseln müssen. Demselben Bericht zufolge werden 50 Prozent der Bevölkerung Südasiens in Gebieten leben, die bis zum Jahr 2050 mittlere bis starke Hotspots für klimabedingte Katastrophen sein werden.

Antworten auf klimabedingte Vertreibung geben

Die Vertreibung einer großen Anzahl von Menschen bringt eine Vielzahl sozialer, politischer und humanitärer Probleme mit sich, vor allem, wenn die Zielorte nicht über die Ressourcen und Fähigkeiten verfügen, mit großen Vertreibungen organisatorisch umzugehen.<ref> Vgl. SUÁREZ-OROZCO, M. (ed.), Humanitarianism and Mass Migration: Confronting the World Crisis, 1st ed., University of California Press (2019).</ref>

Der internationale Schutz für klimabedingte Vertreibung ist begrenzt, bruchstückhaft und nicht immer rechtsverbindlich. Insbesondere sind Klimavertriebene nicht immer als schutzbedürftige Gruppe definiert und werden nicht ausdrücklich von der Flüchtlingskonvention von 1951 anerkannt. Daher besteht für Klimavertriebene oft eine Schutzlücke, sowohl wenn sie innerhalb der nationalen Grenzen als auch über diese Grenzen hinweg vertrieben werden. Unabhängig vom rechtlichen Status von Klimavertriebenen sind jedoch alle Staaten verpflichtet, ihre grundlegenden Menschenrechte zu schützen. Darüber hinaus verdienen alle Klimavertriebenen eine angemessene Betreuung und Unterstützung in Übereinstimmung mit dem geltenden Völkerrecht und den bestehenden humanitären Standards.

Die katholische Kirche hilft den Betroffenen schon jetzt und wird dies auch in Zukunft tun. Der richtungsweisende Bericht des Weltklimarats von 2018 warnte, dass die Welt darauf hinarbeiten muss, einen „schnellen und weitreichenden“ Übergang zu kohlenstoffarmen Produktions- und Lebensformen in den Bereichen Land, Energie, Industrie, Gebäude, Verkehr und Städte zu vollziehen, um die globale Erwärmung unterhalb der entscheidenden Schwelle von 1,5°C zu halten. Wir müssen unsere kollektiven Anstrengungen intensivieren, um erneuerbare Energien, grüne Energie, Wiederaufforstung, nachhaltige Landwirtschaft und eine Kreislaufwirtschaft zu fördern und gleichzeitig die Abholzung und die Zerstörung von Ökosystemen zu stoppen; dabei sollte ein besonderes Augenmerk auf naturbasierten Lösungen liegen. Wir brauchen Projekte in Entwicklungsländern, die vom Umweltschutz inspiriert sind; wir brauchen Alternativen, die die Reduktion von Treibhausgasemissionen ermöglichen.

Die katholische Kirche ist besorgt über diese Herausforderungen und über die Auswirkungen der Klimakrise auf die Würde des Menschen. Gemeinsam mit Regierungen, anderen christlichen Konfessionen, anderen Glaubenstraditionen und Menschen guten Willens verfolgt die Kirche das Ziel, auf diese Herausforderungen zu reagieren. Dies entspricht der Frage von Papst Benedikt XVI. im Jahr 2010: „Wie könnte man das wachsende Phänomen der sogenannten ‚Umweltflüchtlinge‘ übergehen: Menschen, die aufgrund der Umweltschäden ihre Wohngebiete – oft auch ihr Hab und Gut – verlassen müssen und danach den Gefahren und der ungewissen Zukunft einer zwangsmäßigen Umsiedlung ausgesetzt sind?“<ref> PAPST BENEDIKT XVI., Botschaft zur Feier des Weltfriedenstages am 1. Januar 2010 (Vatikanstadt 2009).</ref>

Um als Kirche glaubwürdig und zeugnishaft zu sein, um eine fürsorgliche und inklusive kirchliche Gemeinschaft zu bilden, ist es heute unabdingbar, Antworten auf die Herausforderungen im Bereich „Klimakrise und Vertreibung“ („Climate Crisis and Displacement“, CCD) zu geben.

2. Bewusstseinsbildung und Öffentlichkeitsarbeit

Nur das eine weiß ich, dass ich blind war und jetzt sehe. (Joh 9,25)

Indem man das Bewusstsein für das Problem schärft, trägt man dazu bei, dass Menschen ihre Augen für die realen Auswirkungen der Klimakrise auf die menschliche Existenz öffnen. Blindheit gegenüber diesen Themen ist weit verbreitet und ihre Ursachen sind vor allem: a) Unwissenheit; b) Gleichgültigkeit und Egoismus gegenüber Phänomenen, die das Gemeinwohl gefährden; c) die gezielte Verleugnung der Realität zum Schutz eigener Interessen; d) Missverständnisse.

Gott gibt, was zum Sehen notwendig ist, aber der Mensch muss bereit sein, den Weg von der Blindheit zur Bewusstwerdung zu gehen.

Herausforderung

Viele vorherrschende Haltungen stehen einer effektiven Auseinandersetzung mit den Herausforderungen im Bereich „Klimakrise und Vertreibung“ im Weg: Wir sehen Verleugnung, allgemeine Gleichgültigkeit und lässige Resignation ebenso wie ein falsches übermäßiges Vertrauen in technische Lösungen. Wir sollten weiter daran arbeiten, auf die falsche Gegenüberstellung von Bewahrung der Schöpfung auf der einen Seite und Entwicklung und Wirtschaft auf der anderen Seite zu verzichten.

Aus dieser Perspektive möchte ich meine „dringlich[e Einladung] zu einem neuen Dialog ... über die Art und Weise, wie wir die Zukunft unseres Planeten gestalten“, bekräftigen. „Wir brauchen ein Gespräch, das uns alle zusammenführt, denn die Herausforderung der Umweltsituation, die wir erleben, und ihre menschlichen Wurzeln interessieren und betreffen uns alle. [...] Leider pflegen viele Anstrengungen, konkrete Lösungen für die Umweltkrise zu suchen, [aus verschiedenen Gründen] vergeblich zu sein. Die Haltungen, welche [...] die Lösungswege blockieren, reichen von der Leugnung des Problems bis zur Gleichgültigkeit, zur bequemen Resignation oder zum blinden Vertrauen auf die technischen Lösungen“ (vgl. Enzyklika Laudato si’, 14).<ref> PAPST FRANZISKUS, Botschaft anlässlich der 23. Sitzung der Konferenz der Mitgliedsstaaten der UN-Klimarahmenkonvention (Bonn, 2017).</ref>

Antwort

Die katholische Kirche ist aufgerufen, bezüglich der Thematik „Klimakrise und Vertreibung“ eine ganzheitliche ökologische Umkehr zu fördern, in vollem Respekt sowohl für die Umwelt als auch für die menschliche Entwicklung.

Zu Recht hat sich die Notwendigkeit einer erneuerten und gesunden Beziehung zwischen Menschheit und Schöpfung ergeben wie auch die Überzeugung, dass nur eine authentische und ganzheitliche Sicht des Menschen es uns erlauben wird, uns um unseren Planeten zugunsten der Gegenwart und der künftigen Generationen besser zu sorgen. [...] „Es gibt keine Ökologie ohne eine angemessene Anthropologie“ (vgl. Enzyklika Laudato si’, 118).<ref> PAPST FRANZISKUS, Botschaft zum Weltgebetstag für die Bewahrung der Schöpfung, (Vatikanstadt, 2018).</ref>

Dies kann durch eine strategische und langfristige Planung erreicht werden, die etwa folgende Maßnahmen beinhaltet:

  • Informationskampagnen, die den Ernst der Thematik „Klimakrise und Vertreibung“ hervorheben und die den Schwerpunkt auf das „menschliche Gesicht“ der Krise und auf die Notwendigkeit dringenden Handelns legen.
Es wird keine gesunde und nachhaltige Ökologie geben, die fähig ist, etwas zu verändern, wenn die Personen sich nicht ändern, wenn man sie nicht dazu anspornt, einen anderen Lebensstil anzunehmen, der weniger unersättlich ist, ruhiger, respektvoller, weniger ängstlich besorgt und brüderlicher.<ref> PAPST FRANZISKUS, Nachsynodales Apostolisches Schreiben Querida Amazonia (QA) an das Volk Gottes und an alle Menschen guten Willens (2. Februar 2020), 58: Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz (Hg.): Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls Nr. 222 (Bonn 2020), S. 40.</ref>
  • Sensibilisierung der Kirche und der Gesellschaft dafür, wie unser moderner, deutlich vom Konsum geprägter Lebensstil zur Klimakrise beiträgt, und Förderung eines Verantwortungsbewusstseins, das zu einer Änderung oder Anpassung des Lebensstils führt.
Die Verhaltensmuster, nach denen der Mensch die Umwelt behandelt, beeinflussen die Verhaltensmuster, nach denen er sich selbst behandelt und umgekehrt. Das fordert die heutige Gesellschaft dazu heraus, ernsthaft ihren Lebensstil zu überprüfen, der in vielen Teilen der Welt zum Hedonismus und Konsumismus neigt und gegenüber den daraus entstehenden Schäden gleichgültig bleibt. [...] Notwendig ist ein tatsächlicher Gesinnungswandel, der uns dazu anhält, neue Lebensweisen anzunehmen.<ref> CIV 51: a. a. O., S. 82.</ref>
  • Entwicklung von Bildungsprogrammen, die sich insbesondere an katholische Kirchengemeinden und Schulen richten und darauf abzielen, eine verantwortungsvolle Einstellung zu persönlichem Verhalten und Lebensstil zu entwickeln.
Die große Ökologie bezieht immer einen erzieherischen Aspekt ein, der die Entwicklung von neuen Haltungen in den Personen und Menschengruppen anregt.<ref>QA58: a. a. O., S. 40.</ref>
  • Verbesserung der Koordination zwischen den kirchlichen Stellen (sowohl regional als auch international) und Anerkennung des Klimawandels als Ursache der Migration.
  • Verbreitung wesentlicher kirchlicher Dokumente, darunter die zentralen Lehren von Laudato si’: a) eine nachhaltige und auf den Menschen ausgerichtete Wirtschaft; b) Einheit und Heiligkeit der gesamten Schöpfung; c) die Verpflichtung der Menschheit, bei der Pflege unseres gemeinsamen Hauses verantwortungsvolle Verwalter zu sein.
  • Austausch bewährter Methoden (Best Practices) der ganzheitlichen ökologischen Umkehr, um ein konkretes Zeugnis für das Engagement der Kirche zu geben und ihre Sichtbarkeit zu erhöhen. Verwendung von Fallstudien aus der ganzen Welt, damit die Menschen besser verstehen, wie der Kampf gegen den Klimawandel das Leben der Menschen und den Zugang zu Lebensgrundlagen beeinflussen kann.
  • Förderung konkreter Initiativen, die auf die Beseitigung systemischer und institutioneller Dysfunktionalitäten in der globalen Wirtschaft abzielen, die Auswirkungen auf den Bereich „Klimakrise und Vertreibung“ haben.
Ein wirklicher und dauerhafter Frieden ist nur möglich im Anschluss an eine globale Ethik der Solidarität und Zusammenarbeit im Dienst an einer Zukunft, die von der Interdependenz und Mitverantwortlichkeit innerhalb der ganzen Menschheitsfamilie von heute und morgen gestaltet wird.<ref> FT 127: a. a. O., S. 82.</ref>
  • Förderung des ökumenischen und interreligiösen Dialogs und der Netzwerke, die diese Bemühungen koordinieren.
Ein offenes und dialogisches Verhalten, das auch die Vielfalt der Gesprächspartner respektiert: die indigenen Völker, die Flussanrainer, die Bauern, die afrikanischstämmige Bevölkerung, die anderen christlichen Kirchen und religiösen Bekenntnisse, die Organisationen der Zivilgesellschaft, die sozialen Bewegungen, den Staat und letztlich alle Menschen guten Willens, die das Leben, die Bewahrung der Schöpfung, den Frieden und das Gemeinwohl schützen.<ref>BISCHOFSSYNODE – Sonderversammlung für Amazonien, Amazonien: Neue Wege für die Kirche und für eine ganzheitliche Ökologie (Vatikanstadt 2019), 23. Deutsche Übersetzung im Auftrag von Misereor und dem Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat: QA, a. a. O., S. 91.</ref>
  • Etablierung einer umfassenderen und in ihren Einzelelementen besser koordinierten Kommunikationsstrategie, welche die Möglichkeiten der sozialen und digitalen Medien voll ausschöpft.
Die ständig steigende Zahl der Verbindungen und Kontakte, die unseren Planeten überziehen, macht das Bewusstsein der Einheit und des Teilens eines gemeinsamen Geschicks unter den Nationen greifbarer.<ref> PAPST FRANZISKUS, Botschaft zur Feier des Weltfriedenstages 2014 (Vatikanstadt 2013).</ref>
  • Einbindung junger Menschen als Protagonisten in diese Bemühungen und Ermutigung zu christlichen Einstellungen und Lebensstilen, die nicht nur die Zukunft, sondern auch das Ewige in den Vordergrund stellen, d. h. die Art der Umweltbedingungen, welche die Menschen ihren Kindern und Enkeln hinterlassen werden und gleichzeitig die Behandlung der Schöpfung als Geschenk Gottes.
Wir dürfen den nächsten Generationen nicht die Last aufbürden, die von den vorausgehenden Generationen verursachten Probleme zu lösen. Stattdessen sollten wir ihnen die Möglichkeit geben, sich an uns als die Generation zu erinnern, welche [...] die grundlegende Notwendigkeit der Zusammenarbeit neu entdeckte und entsprechend handelte, um unser gemeinsames Haus zu erhalten und zu pflegen. Mögen wir der nächsten Generation konkrete Gründe zur Hoffnung und zum Einsatz für eine gute und würdige Zukunft geben!<ref>PAPST FRANZISKUS, Message to the Participants in the UN Framework Convention on Climate Change (Vatikanstadt 2019).</ref>
  • Einbeziehung der lokalen Bevölkerung, indigener Gemeinschaften und anderer menschlicher Ressourcen im Lichte der Katholischen Soziallehre bei der Suche nach Lösungen, die in einer ganzheitlichen Ökologie verwurzelt sind.

Dies erfordert, die Menschen und Völker vor Ort als vollwertige Gesprächspartner zu hören, anzuerkennen und zu respektieren. Denn sie bewahren eine direkte Bindung mit dem Heimatboden, sie kennen seine Zeiten und Vorgänge und wissen daher, welche katastrophalen Auswirkungen viele Initiativen im Namen der Entwicklung hervorrufen.<ref> PAPST FRANZISKUS, Ansprache an die Vertreter der Regierung und des öffentlichen Lebens sowie den Diplomatischen Korps in Lima (Peru 2018).</ref>

3. Bereitstellung von Alternativen zur Vertreibung

Das Brotgetreide soll dem Land als Rücklage dienen für die sieben Jahre der Hungersnot, die über das Land Ägypten kommen werden. Dann wird das Land nicht an Hunger zugrunde gehen. (Genesis 41,36)

Tragfähige Alternativen zur Vertreibung sind möglich, wenn Regierungen, Führungspersönlichkeiten, Institutionen und Organisationen aufmerksam sind und wirklich die Interessen und Belange der Menschen, für die sie verantwortlich sind, berücksichtigen, vor allem diejenigen der besonders Vulnerablen unter ihnen. Die „mageren Jahre“ können jederzeit anbrechen, aber Gott kann uns mit Weisheit erleuchten, sodass wir kreative und nachhaltige Wege zur Linderung des Leids sowie Alternativen zum Trauma der Vertreibung finden.

Herausforderung

Meistens entsteht Vertreibung aus einem Mangel an alternativen Lebensgrundlagen. Manchmal wandern Menschen ab, weil sie überzeugt sind, dass das Überleben an ihrem ursprünglichen Wohnort unmöglich ist – oder bald unmöglich sein wird – und hierbei spielen auch Klimakrisen eine Rolle.

Antwort

Die katholische Kirche ist aufgerufen, die Resilienz der von der Klimakrise betroffenen Menschen zu stärken und ihnen bei der Suche nach Alternativen zur Abwanderung zu helfen, die das Recht auf Leben wahren und die Möglichkeit bieten, ein Leben in Würde, in Frieden und Sicherheit zu führen.<ref> Artikel 3 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte.</ref> Niemand sollte gezwungen sein, aus seiner Heimat zu fliehen.

Es gibt keine schlimmere Entfremdung als erfahren zu müssen, keine Wurzeln zu haben und zu niemandem zu gehören. Ein Land wird nur in dem Maß fruchtbar sein, ein Volk wird nur in dem Maß Früchte tragen und Zukunft schaffen können, wie es Beziehungen der Zusammengehörigkeit unter seinen Mitgliedern hervorbringt und Bindungen zur Integration unter den Generationen und seinen verschiedenen Gemeinschaften schafft; und wie es die Spiralen durchbricht, welche die Sinne trüben und so uns immer mehr voneinander entfernen.<ref> PAPST FRANZISKUS, Ansprache an die Vertreter der Regierung und des öffentlichen Lebens sowie den Diplomatischen Korps in Tallinn (Estland

2018).</ref>

Die Entwicklung einer solchen „Klimaresilienz“ und Anpassung erfordert vielschichtige Ansätze und das Engagement aller Beteiligten. Die katholische Kirche kann etwa durch folgende Maßnahmen helfen:

  • Verbreitung rechtzeitiger, fundierter und zuverlässiger Informationen über die Klimakrise und die damit verbundenen Risiken, die bestimmte Gebiete und ihre Bewohner betreffen. Sicherstellung der Nutzung von traditionellem, indigenem und lokalem Wissen als Ergänzung zu wissenschaftlichen Erkenntnissen, um Katastrophenrisiken zu bewerten und um Richtlinien, Strategien und Pläne zu entwickeln und umzusetzen, die auf bestimmte Sektoren, Orte und Kontexte zugeschnitten sind, sowie durch einen sektorenübergreifenden Ansatz.
In der Tat geht es nicht darum, von oben her Hilfsprogramme zu verordnen, sondern gemeinsam einen Weg zurückzulegen.<ref> FT 129: a. a. O., S. 83.</ref>
  • Förderung der Anpassung in situ, um Vertreibung zu vermeiden, indem die Beibehaltung oder Wiederanbindung an relevante traditionelle oder indigene Formen der Beziehung zu Land, Natur und nachhaltigem Leben auf der Erde gefördert wird.

Es schmerzt uns zu sehen, wie das Land indigener Völker enteignet und ihre Kulturen durch räuberische Pläne und neue Formen des Kolonialismus mit Füßen getreten werden, angetrieben durch die Kultur der Verschwendung und des Konsums.<ref> CCEE, FABC, FCBCO, COMECE, SECAM, 2018 Joint Statement on Climate Justice by Bishops Conferences (Rom 2018).</ref>

  • Erleichterung kreativer und umweltfreundlicher Entwicklungsprogramme, die darauf abzielen, von Vertreibung bedrohte Menschen zu unterstützen und alternative Lebensgrundlagen zu schützen und zu stärken, wie z. B. ökologische Landwirtschaft, Naturschutz auf Gemeindeebene, Bildung, Ökotourismus und die nachhaltige Nutzung von Land und Wasser.
Man kann nach Alternativen suchen im Hinblick auf eine nachhaltige Viehzucht und Landwirtschaft, auf Energien, die nicht verschmutzen, und auf würdige Arbeitsquellen, die nicht die Zerstörung der Umwelt und der Kulturen mit sich bringen.<ref> QA17: a. a. O., S. 14.</ref>
  • Förderung sinnvoller, ethischer und nachhaltiger Investitionen in Infrastruktur, sichere Wohnmöglichkeiten und Diversifizierung der Lebensgrundlagen, um die Resilienz und Anpassungsfähigkeit der von Vertreibung bedrohten Menschen zu verbessern.
Geeint in der Verteidigung der Hoffnung [zu sein, bedeutet die Förderung und Entwicklung] eine[r] ganzheitliche[n] Ökologie als Alternative zu einem inzwischen überholte[n] Entwicklungskonzept, das weiterhin zum Niedergang des Menschen, des Sozialgefüges und der Umwelt führt.<ref> PAPST FRANZISKUS, Ansprache an die Vertreter der Regierung und des öffentlichen Lebens sowie den Diplomatischen Korps in Lima (Peru 2018).</ref>
  • Aufbau von Solidaritätsbeziehungen und Sicherheitsnetzen, die imstande sind, für Menschen, die von Vertreibung bedroht sind, sozialen Schutz zu gewährleisten.
  • Entwicklung eines inklusiven Empowerments von Menschen, die von Vertreibung bedroht sind, mit besonderem Augenmerk auf die Jugend und besonders vulnerable Gruppen.
[Das Phänomen der Migration] betrifft die Länder, die von den Migrationsflüssen durchquert werden, und die Zielländer, aber auch die Regierungen und die Kirchen der Herkunftsstaaten der Migranten, die mit dem Weggang so vieler junger Menschen ihre Zukunft verelenden sehen.<ref> PAPST FRANZISKUS, Ansprache an die Bischöfe des Mittelmeerraums (Bari 2020).</ref>
  • Förderung und Unterstützung der Koordinierung von Systemen der geplanten und freiwilligen Migration für gefährdete Bevölkerungsgruppen, damit die Umsiedlung über einen bestimmten Zeitraum hinweg effektiv gesteuert werden kann.
  • Soweit wie möglich sicherstellen, dass Menschen weiterhin an ihrem Wohnort bleiben und ein Leben in Würde führen können, indem Push-Faktoren für Migration – wie durch die Klimakrise verursachte Konflikte und Naturkatastrophen – in ihrer Wirkung abgeschwächt werden.
Ideal wäre es, wenn unnötige Migration vermieden werden könnte, und das kann erreicht werden, indem man in den Herkunftsländern die Bedingungen für ein Leben in Würde und Wachstum schafft, sodass jeder die Chance auf eine ganzheitliche Entwicklung hat. Solange es jedoch keine wirklichen Fortschritte in diese Richtung gibt, ist es unsere Pflicht, das Recht eines jeden Menschen zu respektieren, einen Ort zu finden, an dem er nicht nur seinen Grundbedürfnissen und denen seiner Familie nachkommen, sondern sich auch als Person voll verwirklichen kann.<ref> FT 129: a. a. O., S. 83.</ref>

4. Vorbereitung von Menschen auf die Umsiedlung

Mach dir eine Arche aus Goferholz! Statte sie mit Kammern aus und dichte sie innen und außen mit Pech ab! (Genesis 6,14)

Diejenigen, für die die Umsiedlung keine freiwillige Entscheidung ist, müssen sich dieser Realität mit Mut und Glauben stellen und auf Gottes Begleitung und Unterstützung zählen, ohne zu resignieren und fatalistisch zu meinen, die Reise sei hoffnungslos. Gott gibt durch die Güte der Kirche und die Hilfe vieler guter Menschen die Möglichkeit, sich darauf vorzubereiten, mit der Herausforderung der Vertreibung umzugehen.

Herausforderung

Wenn die Abwanderung tatsächlich die einzige Option ist, sind Entscheidungen darüber, wann, wohin und wie man weggeht, oft entweder durch eine Notsituation motiviert oder sie basieren auf zweifelhaften Informationen oder falschen Wahrnehmungen. Darüber hinaus sind die meisten Menschen, die zum Abwandern gezwungen sind, nur selten darauf vorbereitet, sich den Schwierigkeiten des Ortswechsels auf dem Fluchtweg, bei der Suche nach einer Wohnstätte und dann bei der Anpassung an die veränderte Situation am neuen Ort zu stellen.

Antwort

Wo Klimavertreibung eine reale Möglichkeit darstellt, ist die katholische Kirche aufgerufen, sich proaktiv für die Vorbereitung der Menschen auf die Umsiedlung einzusetzen, indem sie fundierte und zertifizierte Informationen bereitstellt. Dies kann Menschen, bevor sie aufbrechen, bei ihrer Migrationsentscheidung unterstützen – und dafür sorgen, dass sie – durch persönliches und gemeinschaftliches Empowerment – besser vorbereitet sind. In diesem Zusammenhang können etwa folgende Aktivitäten, die in Zusammenarbeit zwischen kirchlichen Organisationen, zivilgesellschaftlichen Organisationen, Regierungen und internationalen Einrichtungen stattfinden, von Bedeutung sein:

  • Auflistung von Gebieten, die besonders von der Problematik „Klimakrise und Vertreibung“ betroffen sind, und Identifizierung von Risikopopulationen, wobei verfügbare Instrumente wie der „Inform Risk Index“<ref> INFORM ist eine Zusammenarbeit der Kommission für Risikobewertung, Frühwarnung und Vorbereitung mit der Europäischen Kommission. Vgl. https://drmkc.jrc.ec.europa.eu/inform-index.</ref> genutzt werden.
  • Erfassung der Sozialstrukturen und Ressourcen der aufnehmenden Gemeinschaft sowie der vertriebenen Bevölkerung.
  • Hilfe bei der Identifizierung und Vorbereitung von Standorten für die Ansiedlung- oder Umsiedlung bereits im Vorfeld der Abwanderung, insbesondere mit Blick auf katastrophengefährdete Gemeinschaften. Einführung von Übungen für geplante und freiwillige Umsiedlungen sowie verstärkte Beratung und Einbindung aller Personengruppen, um sicherzustellen, dass alle – insbesondere Menschen mit Behinderungen und ältere Menschen – an Entscheidungen, die ihr Leben betreffen, beteiligt werden.
  • Auflistung von Organisationen, die sich im Bereich „Klimakrise und Vertreibung“ engagieren, sowie ihrer Dienste bei der Bereitstellung von Informationen und der Förderung von Empowerment im Kontext von Vertreibung.
  • Eintreten für gezielte Klimafinanzierungsprozesse, um die ärmsten Gemeinschaften zu priorisieren, und für die Befähigung lokaler Gemeinschaften, so schnell wie möglich Zugang zu Finanzmitteln zu erhalten, mit angemessenen Maßnahmen zur Transparenz und Rechenschaftspflicht.
  • Unterstützung der lokalen Behörden bei der effektiven Verbreitung relevanter und verlässlicher Informationen über Vertreibung – einschließlich aller Schutzprogramme – an alle gefährdeten Bevölkerungsgruppen.
  • Eintreten für die Entwicklung von Programmen, die die Bewältigungsmechanismen und Überlebensfähigkeiten der Menschen fördern, um sie auf die Umsiedlung und die Anpassung am neuen Ort vorzubereiten.
  • Aufbau von Solidaritätsnetzwerken zwischen Herkunftsgemeinschaften und den Gemeinschaften am Zielort, Förderung einer Verbindung durch Zusammenarbeit in allen Phasen der Umsiedlung und Sicherstellung ausreichender seelsorglicher Unterstützung für alle Beteiligten bei der Ankunft.
Die Herkunftskirche ist daher dringend aufgefordert, den Kontakt mit ihren Mitgliedern zu halten, die – aus welchen Gründen auch immer – fortgehen, während die empfangende Kirche die Verantwortung für sie übernehmen muss, weil sie nun deren Mitglieder geworden sind. Beide Ortskirchen sind aufgefordert, ihrer besonderen pastoralen Verantwortung im Geiste einer aktiven und praktisch ausgedrückten Kommunion nachzukommen.<ref> PÄPSTLICHER RAT „COR UNUM“ UND PÄPSTLICHER RAT DER SEELSORGE FÜR DIE MIGRANTEN UND MENSCHEN UNTERWEGS, In Flüchtlingen und gewaltsam Vertriebenen Christus aufnehmen (WCR) (Vatikanstadt 2013), 93.</ref>
  • Schaffung von Programmen zum Aufbau von Kapazitäten, die darauf abzielen, Menschen auf eine langfristige Integration in neue Gemeinschaften vorzubereiten, wenn eine Rückkehr wahrscheinlich nicht in Frage kommt.

5. Förderung von Inklusion und Integration

Von allem, was lebt, von allen Wesen aus Fleisch, führe je zwei in die Arche, damit sie mit dir am Leben bleiben; je ein Männchen und ein Weibchen sollen es sein. (Genesis 6,19)

Ein gemeinsames Haus, das „jedes Lebewesen“ willkommen heißt und erhält, ist das einzigartige Geschenk von Gottes überreicher Schöpfung.<ref> Vgl.LS1: a. a. O., S. 7.</ref> Sich für die Schöpfung und eine Welt einzusetzen, die nach wie vor dem Leben in all seinen schönen Ausdrucksformen positiv gegenübersteht, ohne dabei etwas auszuklammern, bedeutet, Mitschöpfer zu werden und den Auftrag Gottes – des Gottes des Lebens in Fülle für alle Menschen und alle „Lebewesen“ – fortzusetzen.

Herausforderung

Große und unkontrollierte Migrationsbewegungen können die aufnehmenden Gesellschaften überfordern und Spannungen und Konflikte verursachen. Die Gemeinschaften vor Ort sind oft unvorbereitet, und es fehlen ihnen die notwendigen Fähigkeiten und Mittel. Sie brauchen daher konkrete Unterstützung, aber auch Ermutigung und Bildung, damit sie sich den mit Migration verbundenen Herausforderungen stellen können. Darüber hinaus kann die Bandbreite von Reaktionen innerhalb der Aufnahmegesellschaft – darunter auch Gleichgültigkeit, Angst, Intoleranz und Fremdenfeindlichkeit – die Bemühungen um Aufnahme, Schutz, Förderung und Integration von Klimavertriebenen gefährden, wenn sie nicht angegangen werden.

Antwort

Die katholische Kirche ist aufgerufen, die Gesellschaft einzubinden und die Menschen darauf vorzubereiten und zu ermutigen, Klimavertriebene willkommen zu heißen, ihnen gegenüber bereitwillig und engagiert Solidarität zu zeigen, indem sie diesen Migranten eine Unterkunft und Bedingungen zum Überleben bieten, ihre Rechte und Würde schützen, ihre ganzheitliche menschliche Entwicklung fördern und soziale, arbeitsbezogene und kulturelle Integrationsprozesse erleichtern.

Dies kann etwa durch folgende Aktivitäten geschehen:

  • Vernetzung mit Regierungen bei der Förderung und Durchführung von Sensibilisierungskampagnen; Organisation von sicheren Unterkünften; Zugang zu sozialer Betreuung, einschließlich medizinischer Versorgung; Rechtsbeistand und Programme zum Aufbau von Kapazitäten.
Es genügt nicht, ... die Türen zu öffnen ... und ihnen den Eintritt zu ermöglichen; man muss es ihnen auch erleichtern, ein wirklicher Teil der Gesellschaft zu werden, die sie aufnimmt. Solidarität muss zu einer täglichen Erfahrung der Hilfe, des Teilens und der Teilhabe werden.<ref> PAPST JOHANNES PAUL II., Ansprache an die Teilnehmer des 3. Weltkongresses über die Seelsorge für Migranten und Flüchtlinge (Vatikanstadt 1991), 3.</ref>
  • Entwicklung von Sensibilisierungskampagnen zum Thema „Klimakrise und Vertreibung“, welche die aufnehmende Gesellschaft auf allen Ebenen einbeziehen und beteiligen, um ein günstiges Umfeld für die Aufnahme von Klimavertriebenen zu schaffen, z. B. durch die Veröffentlichung von Kinderbüchern zum Thema „Klimakrise und Vertreibung“ und die Nutzung der sozialen Medien.
  • Organisation von Strukturen und Programmen zur sicheren Unterbringung von Klimavertriebenen, mit besonderem Augenmerk auf unbegleitete Minderjährige und auf die Inklusion vulnerabler Personen in lokale Gemeinschaften.
  • Entwicklung von Qualifizierungsmaßnahmen und Unterstützung bei der Arbeitssuche, damit Klimavertriebene und andere Menschen in ähnlich gefährdeten Situationen besser in die lokalen Gemeinschaften integriert werden können.
  • Investitionen in Projekte, die neue Arbeitsplätze schaffen, mit besonderem Augenmerk auf die Landwirtschaft (z. B. kleinbäuerliche und gemeinschaftlich betriebene Landwirtschaft) und Förderung von innovativem Unternehmertum, um die Beschäftigungsmöglichkeiten von Klimavertriebenen zu verbessern.
[Das] Primat der landwirtschaftlichen Entwicklung [...] bedeutet [...], auf eine möglichst große Anpassungsfähigkeit zu setzen, indem man besonders die Fähigkeit der Bevölkerungen stärkt, mit Krisen umzugehen – seien es nun Naturkatastrophen oder Krisen, die von Menschenhand ausgelöst wurden – und den verschiedenen Bedürfnissen Rechnung zu tragen.<ref>PAPST FRANZISKUS, Ansprache an die Teilnehmer der 39. Konferenz der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) (Vatikanstadt 2015).</ref>
  • Stärkung der Kompetenzen von Klimavertriebenen zur erfolgreichen Bewältigung grundlegender sozialer Aufgaben durch Bildungsprogramme wie z. B. Sprachunterricht, kulturelle Bildung, Kurse zu aktiver Staatsbürgerschaft und durch die Bereitstellung von Räumen für gegenseitiges Zuhören und kulturellen Austausch, wobei so weit wie möglich lokal verfügbare Ressourcen (Personen/Gruppen) zur Bereitstellung solcher Programme und Aktivitäten genutzt werden.
  • Vorbereitung der aufnehmenden Gemeinschaften durch Aktivitäten, die sie dazu in die Lage versetzen, das Bewusstsein zu schärfen und reibungslose Integrationsprozesse zu erleichtern, damit die Inklusion von Klimavertriebenen gefördert wird und die Vulnerablen innerhalb der lokalen Bevölkerung mit einbezogen werden.
Ich beharre nochmals auf der Notwendigkeit, die Kultur der Begegnung in jeder Weise zu begünstigen, indem man die Möglichkeiten zum interkulturellen Austausch vermehrt, die „guten Erfahrungen“ der Integration dokumentiert und verbreitet und man Programme entwirft, um die lokalen Gemeinschaften auf die Integrationsprozesse vorzubereiten.<ref>PAPST FRANZISKUS, Botschaft zum 104. Welttag des Migranten und Flüchtlings 2018 (Vatikanstadt 2017).</ref>

6. Positive Einflussnahme auf politische Entscheidungen

Wissen ist besser als Macht, aber das Wissen des Armen gilt nichts und niemand will seine Worte hören. (Kohelet 9,16)

Weisheit ist in erster Linie eine Gabe des Heiligen Geistes, eine Gabe, die nicht nur den Intelligenten und Gebildeten gegeben ist, sondern auch den an den Rand Gedrängten und den „Ausrangierten“. Zugang zu Macht, Überfluss an Ressourcen, große Energie und sogar beachtliche Fähigkeiten können nutzlos werden, wenn sie nicht von Weisheit geleitet sind. Jeder Plan, jede Politik oder Strategie, welche die Weisheit, die von den „Armen“ kommt, nicht erkennt, ignoriert die in ihnen vorhandene Weisheit des Geistes und wird höchstwahrscheinlich scheitern.

Herausforderung

Leitlinien und Programme, welche den Bereich „Klimakrise und Vertreibung“ betreffen, sind oft unzureichend, kurzsichtig und von wirtschaftlichen Interessen beeinflusst. Menschliche Eingriffe können in vielen Fällen die Umwelt schädigen, ebenso wie eine Deregulierung, die auf den Prinzipien des freien Marktes basiert. Gefährdete Menschen, darunter auch die Klimavertriebenen, werden selten in Konsultationen einbezogen. Das Ergebnis ist, dass die Interessen einiger weniger in der Regel Vorrang vor der Sicherung des Gemeinwohls haben.

Viele von denen, die mehr Ressourcen und ökonomische oder politische Macht besitzen, scheinen sich vor allem darauf zu konzentrieren, die Probleme zu verschleiern oder ihre Symptome zu verbergen, und sie versuchen nur, einige negative Auswirkungen des Klimawandels zu reduzieren. Viele Symptome zeigen aber an, dass diese Wirkungen jedes Mal schlimmer sein können, wenn wir mit den gegenwärtigen Produktionsmodellen und Konsumgewohnheiten fortfahren.<ref> LS 26: a. a. O., S. 25. </ref>

Antwort

Die katholische Kirche ist aufgerufen, dafür zu sorgen, dass die Ansichten besonders vulnerabler Menschen, wie beispielsweise der Klimavertriebenen, gehört und berücksichtigt werden. Ein fruchtbarer Dialog mit Regierungen und Entscheidungsträgern ist wichtig als Anregung für gute politische Ergebnisse im Bereich „Klimakrise und Vertreibung“ und sollte in Übereinstimmung mit den Prinzipien der Katholischen Soziallehre erfolgen.

[Es] ist [...] dringend geboten, politische Programme zu entwickeln, um in den kommenden Jahren den Ausstoß von Kohlendioxid und anderen stark verunreinigenden Gasen drastisch zu reduzieren, zum Beispiel indem man den Gebrauch von fossilen Brennstoffen ersetzt und Quellen erneuerbarer Energie entwickelt. Weltweit sind saubere und erneuerbare Energien nur in geringem Maß erschlossen. Noch ist es notwendig, angemessene Technologien für die Speicherung zu entwickeln.<ref> Ebd.</ref>

Dies kann etwa durch die folgenden politisch-anwaltschaftlichen Aktivitäten geschehen:

  • Eintreten für eine echte „ökologische Umkehr“, verbunden mit einem starken Einsatz und Handeln in der Sorge um das gemeinsame Haus und seine vulnerablen Bewohner, auch unter Einbeziehung jener Aspekte der Aktionsagenda von Addis Abeba, der Ziele für nachhaltige Entwicklung und des Pariser Klimaabkommens, die relevant sind und im Einklang mit der Katholischen Soziallehre stehen.
Sie [die Jugendlichen] erinnern uns an die dringende Notwendigkeit einer ökologischen Umkehr, die „ganzheitlich zu verstehen [ist], als eine Veränderung unserer Beziehungen zu unseren Schwestern und Brüdern, zu den anderen Lebewesen, zur Schöpfung in ihrer so reichen Vielfalt und zum Schöpfer, dem Urgrund allen Lebens“.<ref> PAPST FRANZISKUS, Ansprache beim Neujahrsempfang für das Diplomatische Korps (Vatikanstadt 2020). </ref>
  • Sicherstellen, dass alle Menschen, sowohl Einheimische als auch Zuwanderer wie beispielsweise Klimavertriebene, einen gleichberechtigten und dauerhaften Zugang zu grundlegenden öffentlichen Dienstleistungen haben<ref>Vgl. VEREINTE NATIONEN, Globaler Pakt für sichere, geordnete und reguläre Migration (2018), 31. </ref> und mit ordnungsgemäßen Dokumenten ausgestattet werden. Sie müssen in der Lage sein, sich an der Formulierung von Regeln und Leitlinien, die sie betreffen, zu beteiligen.
Man muss den Gedanken an „Eingriffe“ in die Umwelt aufgeben, um zu einer von allen betroffenen Parteien durchdachten und diskutierten Politik zu kommen. Die Beteiligung verlangt, dass alle über die verschiedenen Aspekte sowie über die unterschiedlichen Risiken und Möglichkeiten angemessen informiert sind und dass sie nicht auf die Anfangsentscheidung über ein Projekt reduziert wird, sondern auch Maßnahmen zur Kontrolle oder der ständigen Überwachung einschließt.50 <ref> LS 183: a. a. O., S. 129.</ref>
  • Regierungen und humanitäre Organisationen auf die sogenannten „unsichtbaren Bevölkerungsgruppen“ aufmerksam machen, die aufgrund von Umständen, die sich ihrer Kontrolle entziehen, mehrfach vertrieben wurden und daher besonders vulnerabel sind.
Die Regierenden [müssen] alles tun, was möglich ist, damit alle die minimale materielle und geistige Grundlage haben, um menschenwürdig zu leben und eine Familie zu gründen und zu unterhalten; die Familie ist ja die Urzelle jeder sozialen Entwicklung. Dieses absolute Minimum hat auf materiellem Gebiet drei Namen – Wohnung, Arbeit und Land – und auf geistigem Gebiet einen: geistige Freiheit, welche die Religionsfreiheit, das Recht auf Bildung und alle anderen Bürgerrechte umfasst.<ref> PAPST FRANZISKUS, Ansprache an die Mitglieder der UN-Generalversammlung (New York 2015).</ref>
  • Eintreten für die Anerkennung und den Schutz der durch den Klimawandel Vertriebenen, unter anderem durch die Wahrung ihrer Menschenrechte und die Bereitstellung humanitärer Hilfe, in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht.
Es [gibt] fortlaufende Gespräche mit dem Ziel, Verantwortung an Agenturen zu übertragen, die sich mit Migrationspolitik als Folge von Klimaveränderungen und Binnenvertreibung aufgrund von Naturkatastrophen befassen. Sie brauchen natürlich den Schutz der internationalen Gemeinschaft.<ref> WCR, Präsentation.</ref>
  • Austausch von menschlichen Geschichten, Zeugnissen und Daten bezüglich der Realität des Klimawandels und seiner Auswirkungen auf die menschliche Existenz und die natürliche Welt, um politische Entscheidungsträger zu sensibilisieren und effektive und weitreichende Maßnahmen zu ermöglichen.
Ein [gastfreundlicher] Empfang bedeutet auch, aufmerksam zuzuhören und einander das eigene Leben zu erzählen. Es setzt ein offenes Herz, den Wunsch, das eigene Leben für andere sichtbar zu machen, und eine großzügige gemeinsame Nutzung von Zeit und Mitteln voraus.<ref> WCR, 83.</ref>
  • Die politischen Entscheidungsträger mit Nachdruck auffordern, bestehende Instrumente zur Stärkung der Resilienz von Klimavertriebenen und der Gemeinschaften, die sie aufnehmen, zu nutzen (dies kann z. B. bestimmte Prinzipien beinhalten, die im Sendai Rahmenwerk für Katastrophenvorsorge<ref> Das Sendai Rahmenwerk für Katastrophenvorsorge der Vereinten Nationen, ausgearbeitet vom Büro für Katastrophenvorsorge (United Nations Office for Disaster Risk Reduction, UNDRR), verfolgt das Ziel, neue Katastrophenrisiken zu verhindern und existierende Risiken zu reduzieren. Vgl. UN, Sendai Rahmenwerk für Katastrophenvorsorge 2015–2030.</ref> zu finden sind) und idealerweise darüber hinauszugehen.
  • Sich gegenüber den Regierungen dafür einsetzen, dass sie sich den bestehenden international vereinbarten Initiativen, Rahmenwerken und Aktionen anschließen, die im Einklang mit der Katholischen Soziallehre stehen, und diese in ihren nationalen und regionalen Rahmenwerken umzusetzen.
Die Verpflichtung, Rechte und Pflichten zu respektieren, die sich aus internationalen Rechtsinstrumenten und ihren Normen ergeben, tragen zum Erhalt der Würde der Menschen unterwegs, der Asylbewerber und der Flüchtlinge bei. Ihnen müssen ein angemessenes Verfahren, ein fairer Prozess und die grundlegenden Rechte zugestanden werden, damit sie ein freies, menschenwürdiges, selbständiges Leben führen können und in der Lage sind, sich dieses neue Leben in einer anderen Gesellschaft aufzubauen.<ref> WCR, Präsentation.</ref>
  • Eintreten für die Entwicklung von Strategien und Programmen, die die Umsiedlung und Neuansiedlung von Klimavertriebenen unterstützen und ihnen menschenwürdige Lebensbedingungen, einschließlich Wohnraum, bieten.
  • Gefährdeten Menschen eine sichere, reguläre und geordnete Migration ermöglichen.
  • Einen vorausschauenden Ansatz verfolgen unter Berücksichtigung von Maßnahmen, die verhindern, dass in Entwicklungsländern Situationen entstehen, in denen die Qualität des Ackerlands schlechter und die Ernährungslage unsicherer wird, was zu großen Migrationsbewegungen und zur Entwicklung von Megastädten beiträgt.
  • Regierungen ermutigen und mit ihnen gemeinsam darauf hinwirken, dass ganzheitliche Bildungssysteme entstehen, die es allen Kindern, darunter auch den Kindern von Klimavertriebenen, ermöglichen, die ihnen gemeinsamen menschlichen Fähigkeiten vollständig zu erkennen und wertzuschätzen, was zu einer friedlichen und nachhaltigen nationalen Entwicklung beiträgt.
  • Die Beratung mit indigenen Völkern und anderen Bevölkerungsgruppen vor Ort fördern, bevor man Projekte entwickelt, die negative Auswirkungen auf die Umwelt haben und zu Vertreibungen führen können.

7. Ausweitung der Seelsorge

Der Fremde, der sich bei euch aufhält, soll euch wie ein Einheimischer gelten und du sollst ihn lieben wie dich selbst; denn ihr seid selbst Fremde in Ägypten gewesen. Ich bin der HERR, euer Gott. (Levitikus 19,34)

Gottes Liebe und Barmherzigkeit sind grenzenlos. Sie machen nicht an Grenzen halt und unterscheiden nicht zwischen Bürgern und Fremden, weil Gott für die ganze Menschenfamilie und die ganze Schöpfung Sorge trägt. Die Ausweitung der Seelsorge bedeutet, treue und unerschütterliche Zeugen dieser grenzenlosen Gnade zu sein.

Herausforderung

Angesichts ethnischer, kultureller, sprachlicher und ritueller Unterschiede und besonderer Verwundbarkeiten haben die Ortskirchen oft Mühe, einen spezifischen Dienst zu entwickeln, der auf die Betreuung der Klimavertriebenen ausgerichtet ist, und die Katholiken unter ihnen in die Ortsgemeinden einzubeziehen.

Antwort

Die katholische Kirche ist aufgerufen, die Klimavertriebenen willkommen zu heißen, zu schützen, zu fördern und zu integrieren, indem sie einen besonderen Fokus auf eine Seelsorge legt, die in der Lage ist, auf die unterschiedlichen Bedürfnisse von katholischen wie auch andersgläubigen Klimavertriebenen einzugehen.

Es [ist] wichtig, dass die Katechese und die Predigt auf direktere und klarere Weise die soziale Bedeutung der Existenz, die geschwisterliche Dimension der Spiritualität, die Überzeugung der unveräußerlichen Würde jedes Menschen und die Beweggründe, um alle zu lieben und anzunehmen, einbeziehen.<ref> FT86: a. a. O., S. 58.</ref>

Dies kann etwa durch folgende Maßnahmen geschehen:

  • Schaffung von pastoralen Diensten und Einsetzung von Seelsorgern, wo aus der Klimakrise resultierende Vertreibung wahrscheinlich ist oder bereits stattfindet. Oder aber, wenn keine Ressourcen zur Verfügung stehen, die bestehende Migrantenpastoral und ihre Seelsorgeeinheiten stärken.
  • Wann immer es möglich ist, Errichtung eines Büros zur Koordinierung der Seelsorge für die Klimavertriebenen innerhalb der Bischofskonferenz oder auch auf Diözesanebene, wo der Ernst der Lage dies rechtfertigt.
  • Wo immer Regierungen die Ressourcen haben, um die Klimavertriebenen zu unterstützen, sollte man eine Zusammenarbeit in Betracht ziehen und gemeinsame Projekte vorschlagen. Der Beitrag der Kirche besteht darin, den Experten das „menschliche Gesicht“ der Klimakrise zu zeigen, um ihnen zu helfen, die Realität an der Basis besser zu verstehen und die Menschenwürde zu respektieren.
Wir alle tragen eine Verantwortung gegenüber dem Verwundeten, das heißt gegenüber dem eigenen Volk und allen Völkern der Erde. Tragen wir Sorge für die Zerbrechlichkeit jedes Mannes, jeder Frau, jedes Kindes und jedes älteren Menschen mit dieser solidarischen und aufmerksamen Haltung der Nähe des barmherzigen Samariters.<ref> FT79: a. a. O., S. 54.</ref>
  • Entwicklung von pastoralen Programmen, die humanitäre Hilfe, Erziehung zur Versöhnung, effektiven Schutz von Rechten und Würde, Gebet und Liturgie sowie spirituelle und psychologische Unterstützung miteinander verbinden.
Hoffnung, Mut, Liebe und Kreativität sind die Voraussetzungen, um Menschen zu neuem Leben zu verhelfen. Doch muss dabei einer gemeinsamen Anstrengung Vorrang eingeräumt werden, diesen Menschen nicht nur logistische und humanitäre Hilfe zu leisten, sondern sie in moralischer und geistlicher Hinsicht sogar noch stärker zu unterstützen. Die Aspekte der Spiritualität und der Bildung müssen integrierender Bestandteil „einer wahren und wirklichen Kultur der Aufnahme“ sein.<ref> WCR, 85.</ref>
  • Einbeziehung katholischer Klimavertriebener in die pastoralen Programme in den örtlichen Pfarreien, wobei eine geistliche Betreuung angeboten wird, die sie als Brüder und Schwestern mit ihren eigenen Sprachen, Traditionen, Bräuchen und Riten, die ihnen lieb und teuer sind, respektiert und wertschätzt, während sie gleichzeitig in die Traditionen, Bräuche und Riten der aufnehmenden Gemeinschaft eingeführt werden.
Indigene, bäuerliche, afrikanischstämmige Familien und Familien von Flussanrainern sind von ihren Ländereien gewaltsam oder aus einem erdrückenden Mangel an Lebenschancen in die Städte vertrieben worden.
Das erfordert eine Gesamt-Pastoral in der Peripherie der urbanen Zentren. Missionarische Equipen müssten gebildet werden, die diese Menschen begleiten; sie sollten in Abstimmung mit den Pfarreien sowie anderen kirchlichen und nichtkirchlichen Institutionen die Bedingungen für die Aufnahme dieser Menschen in der Stadt koordinieren, angepasste Liturgien in der Sprache der Migranten anbieten und Räume für einen kulturellen Austausch einrichten. So fördern sie die Integration dieser Menschen in die Gemeinde und in die Stadt; und durch diese Arbeit ermuntern sie die Menschen wiederum, selbst aktiv zu werden.<ref> BISCHOFSSYNODE – Sonderversammlung für Amazonien, Amazonien: Neue Wege für die Kirche und für eine ganzheitliche Ökologie (Vatikanstadt 2019): QA, a. a. O., S. 95.</ref>
  • Stärkung der Autonomie der katholischen Klimavertriebenen und ihre aktive Beteiligung bei der Umsetzung von pastoralen Programmen, die auf ihre Bedürfnisse eingehen.
Gleichermaßen wichtig ist es, im Blick auf das gegenseitige Kennenlernen tätig zu sein, indem man all jene Gelegenheiten wahrnimmt, die die ordentliche Seelsorge bietet, um auch die Immigranten ins Leben der Pfarreien miteinzubeziehen.<ref>PÄPSTLICHER RAT DER SEELSORGE FÜR DIE MIGRANTEN UND MENSCHEN UNTERWEGS, Instruktion Erga migrantes caritas Christi (Die Liebe Christi zu den Migranten – EMCC), 50: Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz (Hg.): Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls Nr. 165 (Bonn 2004), S. 42.</ref>
  • Förderung ökumenischer und interreligiöser Initiativen, die auf die materiellen und spirituellen Bedürfnisse aller Klimavertriebenen antworten.
Gemeinsames Handeln und Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften sowie gemeinsame Bemühungen mit denen, die sich zu anderen Religionen bekennen, könnten die Vorbereitung eines immer dringender werdenden Aufrufs zugunsten der Flüchtlinge und Vertriebenen nach sich ziehen.<ref> WCR, 110.</ref>
  • Einbeziehung der Jugend in die pastorale Arbeit im Themenfeld „Klimakrise und Vertreibung“ durch die Entwicklung von kreativen Materialien, auch für die Katechese.
[Jugendliche haben] mit ihrem Enthusiasmus, ihrem Engagement und ihrem Durst nach Wahrheit viel zu bieten [...], denn dadurch erinnern sie uns beständig daran, dass die Hoffnung keine Utopie ist und Frieden immer möglich ist. Wir haben dies an der Art und Weise gesehen, mit der sich viele junge Menschen dafür engagieren, das Bewusstsein für den Klimawandel bei den politisch Verantwortlichen zu erhöhen.<ref> PAPST FRANZISKUS, Ansprache beim Neujahrsempfang für das Diplomatische Korps (Vatikanstadt 2020).</ref>

8. Mitarbeit bei strategischen Planungen und Aktionen

Ein Leib und ein Geist, wie ihr auch berufen seid zu einer Hoffnung in eurer Berufung (Epheser 4,4)

Die Vielfalt von Ideen und Vorhaben verdient stets Wertschätzung; gleichzeitig ist es unabdingbar, in Gemeinschaft nach dem Gemeinwohl zu streben: eine menschliche Familie, die von Gott als ein Leib geschaffen wurde. Die Familie der Kirche darf nie vergessen, dass es der Heilige Geist ist, „der einen vielfältigen und verschiedenartigen Reichtum der Gaben hervorruft und zugleich eine Einheit aufbaut, die niemals Einförmigkeit ist, sondern vielgestaltige Harmonie, die anzieht“.<ref> PAPST FRANZISKUS, Apostolisches Schreiben Evangelii gaudium (EG) über die Verkündigung des Evangeliums in der Welt von heute (24. November 2013), 117: Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz (Hg.): Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls Nr. 104 (Bonn 2013), S. 87.</ref>

Herausforderung

Die von der Klimakrise verursachte Vertreibung stellt neue und komplexe Herausforderungen dar, auf die zu antworten Aufgabe aller verschiedenen religiösen, sozialen und politischen Akteure ist. Einseitige und unkoordinierte Aktionen gefährden die Schnelligkeit und Wirksamkeit der Antworten.

Antwort

Die katholische Kirche ist aufgerufen, die Zusammenarbeit zwischen allen katholischen Akteuren bei der strategischen Planung und dem praktischen Vorgehen im Bereich „Klimakrise und Vertreibung“ zu fördern; Partnerschaften mit anderen religiösen Gruppen und zivilgesellschaftlichen Organisationen einzugehen, welche ihre Vision und Mission teilen; und sich in der Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Akteuren zu engagieren, um das Problem der Klimavertreibung mit einem ganzheitlichen und menschenzentrierten Ansatz anzugehen. Dies kann beispielsweise durch folgende Aktivitäten erreicht werden:

Um die Grundfragen in Angriff zu nehmen, die nicht durch Maßnahmen einzelner Länder gelöst werden können, ist ein weltweiter Konsens unerlässlich, der zum Beispiel dazu führt, eine nachhaltige und vielgestaltige Landwirtschaft zu planen, erneuerbare und möglichst umweltfreundliche Energieformen zu entwickeln, eine größere Energieeffizienz zu fördern, eine angemessenere Verwaltung der Ressourcen aus Wald und Meer voranzutreiben und allen den Zugang zu Trinkwasser zu sichern.<ref> LS 164: a. a. O., S. 118.</ref>
  • Aufbau von aktiven Netzwerken zwischen allen katholischen Akteuren, die sich im Bereich „Klimakrise und Vertreibung“ engagieren, koordiniert von den Bischofskonferenzen auf nationaler und regionaler Ebene, um positive Erfahrungen, Lehren, Werkzeuge und Informationen auszutauschen.
Für eine bessere Koordination aller pastoralen Aktivitäten zugunsten der Immigranten sollen dann die Bischofskonferenzen diese Aufgabe einer eigens dafür bestimmten Kommission anvertrauen und einen nationalen Direktor ernennen, der die entsprechenden diözesanen Kommissionen betreuen soll.<ref> EMCC, 70: a. a O., S. 54.</ref>
  • Förderung einer effektiven Zusammenarbeit beim strategischen Planen und Handeln mit anderen religiösen und zivilgesellschaftlichen Organisationen auf nationaler und regionaler Ebene, um unnötige Doppelungen und Ressourcenverschwendung zu vermeiden.
Auf dem Weg zu einer stärkeren Einheit der Menschheitsfamilie wird sich die Kooperation in der Flüchtlingsarbeit unter den christlichen Kirchen sowie zwischen diesen und den verschiedenen nichtchristlichen Religionen als fruchtbar erweisen.<ref> PÄPSTLICHER RAT „COR UNUM“ UND PÄPSTLICHER RAT DER SEELSORGE FÜR DIE MIGRANTEN UND MENSCHEN UNTERWEGS, Flüchtlinge – eine Herausforderung zur Solidarität (RCS), 34: Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz (Hg.), Arbeitshilfen Nr. 101 (Bonn 1992). S. 24.</ref>
  • Unterstützung von Zusammenarbeit und Dialog zwischen religiösen Organisationen, zivilgesellschaftlichen Organisationen, Regierungsvertretern und internationalen Organisationen, um die nationale und regionale Zusammenarbeit und die gemeinsame Notfallplanung vor, während oder nach einer durch die Klimakrise verursachten Katastrophe zu fördern.
Diese Zusammenarbeit hat gezeigt, wie wir „wichtige Ergebnisse erzielen können, die es gleichzeitig ermöglichen, die Schöpfung zu bewahren, die ganzheitliche menschliche Entwicklung zu fördern und für das Gemeinwohl zu sorgen, im Geiste verantwortungsvoller Solidarität und mit tiefgreifenden positiven Auswirkungen für heutige und zukünftige Generationen“.<ref> PAPST FRANZISKUS, Address to the Participants in the XXXI Meeting of the Parties to the Montreal Protocol (Vatikanstadt 2019).</ref>
  • Investitionen in den Wissensaustausch, die Sichtbarmachung und Vervielfachung bewährter Praktiken und die Kommunikation mit dem Ziel, innovatives Denken und Handlungsmodelle bereitzustellen.
  • Förderung der gemeinsamen Lobbyarbeit mit anderen religiösen und zivilgesellschaftlichen Organisationen.
Das Phänomen der globalen Erwärmung [...] erfordert eine kollektive Antwort, die in der Lage ist, das Gemeinwohl über Einzelinteressen zu stellen. [...] Die politisch Verantwortlichen müssen sich daher dringend um die Wiederherstellung einer Kultur des Dialogs zum Wohle der Allgemeinheit und um die Stärkung der demokratischen Institutionen wie auch um die Förderung der Achtung der Rechtsstaatlichkeit bemühen, um antidemokratische, populistische und extremistische Tendenzen zu verhindern.<ref> PAPST FRANZISKUS, Ansprache beim Neujahrsempfang für das Diplomatische Korps (Vatikanstadt 2020).</ref>
  • Förderung des aktiven Engagements der internationalen Gemeinschaft durch technische Unterstützung und finanzielle Hilfe für die schwächsten Nationen, die von der Klimavertreibung betroffen sind.
Die armen Länder müssen notwendig der Ausrottung des Elends und der sozialen Entwicklung ihrer Bewohner den Vorrang einräumen. [...] Es trifft ebenfalls zu, dass sie Formen der Energiegewinnung entwickeln müssen, die weniger umweltschädlich sind, doch dafür ist es erforderlich, dass sie die Hilfe jener Länder einplanen können, die auf Kosten der aktuellen Verschmutzung des Planeten ein starkes Wachstum verzeichnen konnten.<ref> LS 172: a. a. O., S. 122.</ref>
  • In Zusammenarbeit mit allen Beteiligten: Förderung der Entwicklung eines Frühwarnsystems, um die Vertreibung von Menschen in Echtzeit zu überwachen und Reaktionen auf nationaler oder regionaler Ebene zu aktivieren.

9. Förderung der professionellen Ausbildung in ganzheitlicher Ökologie

Um die Heiligen für die Erfüllung ihres Dienstes zuzurüsten, für den Aufbau des Leibes Christi (Epheser 4,12)

Die Talente und Gaben, die wir von Gott empfangen haben, sollen nicht aus Angst, Faulheit, Gleichgültigkeit oder Gier verborgen und vergeudet werden. Sie müssen ausgebildet und fein eingestellt werden, damit wir in Zukunft gut gerüstet sind, um den uns anvertrauten Dienst weiter auszuführen: gemeinsam den einen und wunderbar vielfältigen Leib Christi zu bauen und Brüder und Schwestern in dem von Gott geschaffenen gemeinsamen Haus zu sein.

Herausforderung

Um auf die großen und komplexen Herausforderungen, die sich im Bereich „Klimakrise und Vertreibung“ stellen, eine Antwort geben zu können, braucht man professionelles Wissen und Expertise zu diesem Thema. Pastorale Koordinatoren und Beauftragte können nicht einfach improvisieren, da dies zum Scheitern von Initiativen führen könnte.

Antwort

Die katholische Kirche ist aufgerufen, eine professionelle Ausbildung in ganzheitlicher Ökologie für alle in der Pastoral Tätigen und andere Menschen, die in ihrem Handeln die gleiche Vision und Mission haben, zu organisieren und anzubieten. Diese Art der Ausbildung muss breit angelegt sein und an die unterschiedlichen Bedürfnisse einer großen Zahl von Teilnehmern, von den Vertriebenen bis zu den Bischöfen, angepasst werden. Dies kann beispielsweise durch folgende Maßnahmen erreicht werden:

  • Organisation und Bereitstellung von formeller und informeller Ausbildung in den Themenfeldern „Klimakrise und Vertreibung“ sowie „ganzheitliche Ökologie“, immer unter Berücksichtigung der Implikationen der Menschenwürde und der menschlichen Ökologie, mit einer klaren theologischen Perspektive.
Das Recht auf Bildung – auch für Mädchen (die in einigen Teilen davon ausgeschlossen sind) [wird] an erster Stelle dadurch sichergestellt [...], dass man das vorrangige Erziehungsrecht der Familie und das Recht der Kirchen und der sozialen Gruppierungen, die Familien bei der Ausbildung ihrer Kinder zu unterstützen und mit ihnen zusammenzuarbeiten, respektiert und stärkt. Die so verstandene Volksbildung ist die Grundlage für die Verwirklichung der 2030-Agenda und für die Erholung der Umwelt.<ref> PAPST FRANZISKUS, Ansprache an die Mitglieder der UN-Generalversammlung (New York 2015).</ref>
  • Bereitstellung von Arbeitsmaterialien (Bücher, Filme usw.) für Jugendliche und Kinder, die Themen aus dem Bereich „Klimakrise und Vertreibung“ beinhalten.
Diese Gelegenheit konkretisiert sich in einer anspruchsvollen, aber äußerst fruchtbaren Aufgabe: Zielsetzung und Gliederung der Disziplinen und der in kirchlichen Studien erteilten Lehren in dieser spezifischen Logik und Intention überdenken und aktualisieren. In der Tat ist heute „eine Evangelisierung nötig, welche die neuen Formen, mit Gott, mit den anderen und mit der Umgebung in Beziehung zu treten, erleuchtet und die grundlegenden Werte wachruft. Es ist notwendig, dorthin zu gelangen, wo die neuen Geschichten und Paradigmen entstehen“ (EG 74).<ref> PAPST FRANZISKUS, Apostolische Konstitution Veritatis gaudium (VG) über die kirchlichen Universitäten und Fakultäten (27. Dezember 2017), 4: Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz (Hg.): Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls Nr. 211 (Bonn 2018), S. 20.</ref>
  • Aufnahme von Elementen der ganzheitlichen Ökologie und der ökologischen Umkehr in alle Kurse zur Katholischen Soziallehre: in Seminaren, Lehrplänen für die Laienausbildung, Ausbildungskursen für Katecheten, im Unterricht in den Fächern Religion und christliche Ethik.
Diese beachtliche und unaufschiebbare Aufgabe verlangt auf der kulturellen Ebene akademischer Bildung und wissenschaftlicher Forschung die großherzige und gemeinsame Anstrengung hinsichtlich eines radikalen Paradigmenwechsels, ja mehr noch – ich erlaube mir zu sagen – hinsichtlich einer „mutigen kulturellen Revolution“ (LS 114).<ref> VG3: a. a. O., S. 15.</ref>
  • Verbesserung der Fähigkeit der lokalen Kirche, relevante Daten zum Thema „Klimakrise und Vertreibung“ auf nationaler und regionaler Ebene zu sammeln und zu überwachen.
  • Regelmäßige Aktualisierung der Einschätzungen bezüglich der durch die Klimakrise verursachten Vertreibung sowie möglicher Zukunftsszenarien und Durchführung eines Austauschs unter den Partnern, um zur Anpassung der strategischen Planung und der geplanten Maßnahmen beizutragen.
  • Verbesserung des Wissens über relevante Vereinbarungen wie etwa die vom UN-Klimagipfel (COP) getroffene Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen (UNFCCC), die UN-Konvention zur Bekämpfung der Wüstenbildung, das Sendai-Rahmenwerk zur Katastrophenvorsorge 2015‒2030, die 2030-Agenda für Nachhaltige Entwicklung, die freiwilligen Leitlinien der FAO zur verantwortungsvollen Verwaltung von Boden- und Landnutzungsrechten und zum Menschenrecht auf Nahrung.

10. Förderung der wissenschaftlichen Forschung im Bereich „Klimakrise und Vertreibung“

Das Herz des Verständigen erwirbt sich Erkenntnis, das Ohr der Weisen sucht Erkenntnis. (Sprichwörter 18,15) Ein weiser und wirklich intelligenter Mensch erwirbt Wissen durch die mühsame und geduldige Erforschung bestimmter Themen, darunter beispielsweise auch Vertreibung, die entscheidende Herausforderungen darstellen, mit denen sich auseinanderzusetzen Christen in unserer Welt berufen sind. Es geht nicht um ein Streben nach Wissen als Selbstzweck, sondern es dient dazu, die Wirklichkeit richtig zu verstehen, um dann intelligent und gemäß dem liebenden Willen Gottes für alle Menschen zu handeln.

Herausforderung

Mehrere katholische akademische Einrichtungen haben bereits wissenschaftliche Forschungen zu den Themenfeldern „Klimakrise und Vertreibung“ durchgeführt, aber Studien zum Zusammenhang zwischen den beiden und zu Zukunftsszenarien sind rar.

Die kirchlichen Studien können sich nicht darauf beschränken, Männern und Frauen unserer Zeit, die in ihrem christlichen Bewusstsein wachsen wollen, Wissen, Fähigkeiten und Erfahrungen zu vermitteln. Sie müssen sich vielmehr der dringenden Aufgabe stellen, intellektuelle Instrumente zu entwickeln, die sich als Paradigmen eines Handelns und Denkens erweisen, die für die Verkündigung in einer Welt, die von einem ethisch-religiösen Pluralismus geprägt ist, nützlich sind.<ref> VG5: a. a. O., S. 27.</ref>

Antwort

Die katholische Kirche ist aufgerufen, die wissenschaftliche Forschung zum Thema „Klimakrise und Vertreibung“ zu fördern und katholische akademische Institutionen und Wissenschaftler einzuladen, sich proaktiv in diesem Bereich der Forschung zu engagieren. Dies kann etwa durch folgende Maßnahmen geschehen:

  • Unterstützung der Entwicklung von akademischen Programmen, die sich mit der durch die Klimakrise verursachten Vertreibung befassen, auf der Grundlage der Zusammenarbeit zwischen katholischen akademischen Institutionen und Wissenschaftlern.
Dieser Pastorale Dienst erfordert gewiss eine angemessene Ausbildung all derer, die die Absicht haben oder gesandt werden, ihn auszuüben. Es ist daher notwendig, dass von Beginn an in den Seminaren „die geistliche, theologische, juristische und seelsorgerische Ausbildung ausgerichtet wird auf die Probleme, die von der Seelsorge für Menschen unterwegs aufgeworfen werden“.<ref> WCR, 101.</ref>
  • Einrichtung globaler und/oder regionaler Beobachtungsstellen für die ständige Überwachung, Sammlung und Kodierung von Daten und aktuelle Bewertungen im Themenbereich „Klimakrise und Vertreibung“.
  • Förderung gemeinschaftlicher Forschung im Bereich „Klimakrise und Vertreibung“, zum Beispiel zur menschlichen Dimension dieses Problemfelds, zur landwirtschaftlichen und ländlichen Entwicklung, zur Stadtentwicklung, zur Armutsbekämpfung, zur besonderen Vulnerabilität von Frauen und Kindern, zur Nahrungsmittel- und Ernährungssicherheit, zu sozialen Schutzmechanismen für Vertriebene oder zu Resilienz und Anpassung.
[Es besteht die] Notwendigkeit, ein „Netzwerk“ zwischen all den verschiedenen Einrichtungen zu bilden, die auf der ganzen Welt die kirchlichen Studien pflegen und fördern. Dabei sollen auch die geeigneten Synergien mit den akademischen Einrichtungen der verschiedenen Länder und den Studienzentren verschiedener kultureller und religiöser Traditionen entschieden gefördert werden.<ref> VG4: a. a. O., S. 23.</ref>
  • Dokumentation bewährter Methoden (Best Practices) zu Klimaresilienz, Hilfe bei Vertreibung und sozialer Inklusion sowie Entwicklung von Empfehlungen für Risikobewertung, Klimaanpassungsstrategien und Notfallpläne.
[Es] sollen Forschungseinrichtungen ins Leben gerufen werden, die sich auf das Studium der epochalen Probleme, welche die Menschheit heute bedrücken, spezialisieren und geeignete, realistische Lösungsvorschläge machen.<ref> VG4: a. a. O., S. 23.</ref>
  • Förderung eines breiteren akademischen Verständnisses, das die spirituelle Perspektive einschließt und im Einklang mit der Katholischen Soziallehre steht.
Dies erfordert nicht nur ein fundiertes theologisches Bewusstsein, sondern auch die Fähigkeit, Systeme zur Darstellung der christlichen Religion zu entwerfen, auszuarbeiten und zu verwirklichen; eine Darstellung, die tief in verschiedene kulturelle Systeme eindringen kann. All dies fordert eine Anhebung der Qualität der wissenschaftlichen Forschung sowie einen fortschreitenden Anstieg des Niveaus des theologischen Studiums und der verwandten Wissenschaften.<ref>VG5: a. a. O., S. 27.</ref>

Schluss

Wir hoffen sehr, dass die Leser dieser Broschüre dazu angeregt werden, ihre Aufmerksamkeit für die Klimakrise, ihre Ursachen, ihre Entwicklung und ihre Folgen sowie für Möglichkeiten, sie abzuschwächen und mit ihr angemessen umzugehen, zu vertiefen, insbesondere im Hinblick auf den Zusammenhang zwischen Klimakrise und Vertreibung.

Wie könnte man das wachsende Phänomen der sogenannten „Umweltflüchtlinge“ übergehen: Menschen, die aufgrund der Umweltschäden ihre Wohngebiete – oft auch ihr Hab und Gut – verlassen müssen und danach den Gefahren und der ungewissen Zukunft einer zwangsmäßigen Umsiedlung ausgesetzt sind?<ref> PAPST BENEDIKT XVI, Botschaft zur Feier des Weltfriedenstages am 1. Januar 2010 (Vatikanstadt 2009).</ref>

Die Frage beantwortet sich von selbst: „Nein, das kann man auf keinen Fall!“ Und deshalb sind diese Orientierungen hochgradig pastoral, wie schon das erste Wort im Titel des Dokuments besagt, und zugleich hochgradig praktisch ausgerichtet, wie die Überschriften seiner zehn Abschnitte deutlich machen.

„Die jungen Menschen verlangen von uns eine Veränderung. Sie fragen sich, wie es möglich ist, den Aufbau einer besseren Zukunft anzustreben, ohne an die Umweltkrise und an die Leiden der Ausgeschlossenen zu denken“,<ref> LS13: a. a. O., S. 16.</ref> zu denen in diesem Fall auch die Leiden derjenigen gehören, die die Klimakrise zur Flucht zwingt.

Dankbar für das Bewusstsein, das durch die Gnade Gottes bei den Bewohnern der Erde wächst, wird die Kirche weiterhin auf die Notlage der durch die Klimakrise Vertriebenen hinweisen und versuchen, das Bewusstsein für ihre Not zu schärfen und uns zu ermutigen, wirksam etwas dagegen zu tun.

Die Pastoralen Orientierungen zu Klimavertriebenen haben als Ziel, dass wir „von unten, bei einer Sache beginnen und für das kämpfen, was ganz konkret und naheliegend ist, und bis zum letzten Winkel des eigenen Landes und der ganzen Welt weitergehen“,<ref> FT78: a. a. O., S. 53.</ref> um diejenigen aufzunehmen, zu schützen, zu fördern und zu integrieren, die durch die Klimakrise beraubt, verletzt und allein zurückgelassen wurden – ganz wie der arme Mensch, um den sich der barmherzige Samariter mit so großer Fürsorge und Aufmerksamkeit kümmerte.

Zur Nutzung des Dokuments

Die Abteilung für Migranten und Flüchtlinge ist zuversichtlich, dass die Ortskirchen und katholische Organisationen die Pastoralen Orientierungen zu Klimavertriebenen hilfreich finden werden, um sich des Themas der Klimavertreibung anzunehmen und auf die konkreten Bedürfnisse ihrer Brüder und Schwestern einzugehen. Bei der Evaluierung von Programmen oder Entwicklung neuer Programme, bei der Durchführung von Sensibilisierungs- oder Unterstützungskampagnen können Sie gerne auf die Darlegungen aus den vorliegenden Pastoralen Orientierungen zurückgreifen, die für Ihr Gebiet besonders relevant sind, und weitere hinzufügen, die auf der Soziallehre der Kirche beruhen. Konkret schlägt die Abteilung Folgendes vor:

1. Nutzung der Pastoralen Orientierungen zu Klimavertriebenen für Informations- und Sensibilisierungskampagnen und als Leitlinien für die Bemühungen auf lokaler Ebene, Klimavertriebene aufzunehmen, zu schützen, zu fördern und zu integrieren.

2. Weitergabe dieser Broschüre und der darin zitierten Dokumente an katholische NGOs und zivilgesellschaftliche Gruppen in Ihrem Land, insbesondere an diejenigen, die sich um Klimavertriebene und andere gefährdete Menschen auf der Flucht kümmern; diese sollten eingeladen werden, sich an gemeinsamen Aktionen und Unterstützungskampagnen zu beteiligen.

3. Kontaktaufnahme zu den Regierungsvertretern Ihres Landes, die für Klimavertriebene zuständig sind, und Aufbau einer Zusammenarbeit auf Grundlage dieser Pastoralen Orientierungen zu Klimavertriebenen.

Die Abteilung für Migranten und Flüchtlinge hat großes Interesse daran, die Erfahrungen von Klimavertriebenen und den Personen, die sie unterstützen, zusammenzutragen, um vor allem auf positive Erfahrungen, erfolgreiche Initiativen und gute Beispiele hinzuweisen. Die Abteilung für Migranten und Flüchtlinge freut sich auch über Kommentare seitens der Zivilgesellschaft zur Akzeptanz der Pastoralen Orientierungen zu Klimavertriebenen auf pastoraler, ökumenischer und interreligiöser Ebene, und sie würde gerne erfahren, wie die Wissenschaft, die Wirtschaft und die einzelnen Regierungen darauf reagiert haben. Bitte senden Sie entsprechende Informationen an die folgende E-Mail-Adresse: info@migrants-refugees.va.

Die digitale Ausgabe dieser Broschüre und die zitierten Dokumente sowie aktuelle Meldungen und Denkanstöße finden Sie auf der Internetseite der Abteilung für Migranten und Flüchtlinge: migrants-refugees.va.

Im Namen aller Klimavertriebenen und derer, die sie großherzig und selbstlos begleiten, möge Gott alle Bemühungen zur Versöhnung und alle Werke der Barmherzigkeit segnen, welche „die Versprengten Israels zusammenbringen [und] die Zerstreuten Judas [...] von den vier Enden der Erde sammeln“ (Jes 11,12).

Anmerkungen

<references />

Weblinks