In praecalara summorum (Wortlaut)

Aus kathPedia
(Weitergeleitet von In praeclara summorum)
Zur Navigation springenZur Suche springen
Enzyklika
In praeclara summorum

von Papst
Benedikt XV.
an die Lehrer und Studenten der schönen Wissenschaften und Künste auf dem katholischen Erdkreis
zum Ausgang des sechsten Jahrhunderts seit dem Todestag Dante Alighieri
30. April 1921

(Offizieller lateinischer Text: AAS XIII [1921] 209-217)

(Quelle: Herder & Co. G.m.b.H.Verlagsbuchhandlung, Freiburg im Breisgau 1921; Autorisierte Ausgabe; Imprimatur Friburgi Brisgoviae, die 28. Iulii 1921 ‡ Carolus, Apps; Die Nummerierung folgt der englischen Fassung)

Allgemeiner Hinweis: Was bei der Lektüre von Wortlautartikeln der Lehramtstexte zu beachten ist


Porträt von Dante Alighieri
Geliebte Söhne!
Gruß und Apostolischen Segen!

1 In der herrlichen Zahl großer Männer, welche durch ihren Glanz und Ruhm den katholischen Glauben zieren, indem sie auf allen Gebieten, besonders aber auf dem Gebiet der schönen Literatur und Wissenschaften sich so bewährt haben, dass sie durch unsterbliche Früchte ihrer Geistesgaben sich um die bürgerliche Gesellschaft ebenso wie um die Kirche hochverdient gemacht haben, nimmt eine ganz einzigartige Stelle Dante Alighieri ein, seit dessen Hingang demnächst sechshundert Jahre sich vollenden. Wahrlich, die hervorragende Bedeutung dieses Mannes ist vielleicht niemals sonst anerkannter gewesen als in dieser Zeit; denn zur Feier seines Gedächtnisses rüstet sich nicht allein begeistert Italien, das sich rühmen kann, diesen mann als seinen Sprossen zu besitzen, sondern bei allen gebildeten Völkern, die heute leben, sind, wie Wir wissen, eigene Abmachungen in den Kennerkreisen zustande gekommen zu dem Zwecke, diese ausgezeichnete Zierde des menschlichen Geschlechtes zu erheben.

2 Bei diesem wundervollen Reigen gleichsam aller Guten dürfen Wir nicht fehlen. Nicht nur das! Es geziemt Uns, gewissermaßen hierbei an die Spitze zu treten, erkennt noch die Kirche in Alighieri in erster Linie und am allermeisten als Mutter er Ihrigen.

3 Während Wir daher zu Beginn Unseres Pontifikates an den Erzbischof von Ravenna ein Schreiben gerichtet haben über die Ausschmückung des Tempels zur Jahrhundertfeier Alighieris, der mit seinem Grabmal zusammenhängt, so beschlossen Wir jetzt gleichsam zur Eröffnung der Festfeier selbst, an euch alle, geliebte Söhne, die ihr unter der Obhut der Kirche dem Studium der Literatur obliegt, mit einem Worte Uns zu wenden, um es desto klarer zu zeigen, wie innig die Verbindung Alighieris mit dem Stuhl Petra ist, und wie notwendig es ist, dass die Anerkennungen, welche diesen großen Namen gespendet werden, nicht zum kleinsten Teil auf den katholischen Glauben zurückfallen.

4 Weil dieser unser Mann in seinem ganzen Leben die katholische Religion in vorbildlicher Weise bekannt hat, so scheint es mit seinen Wünschen übereinstimmen, dass was, wie Wir wissen, auch geschehen wird, seine Erinnerungsfeier mit religiöser Weise begangen werde und sie ihr Ende zu Ravenna in der Kirche des heiligen Franziskus finde, aber den Ausgang nehme von St. Johann zu Florenz, an das er gegen Ende seines Lebens mit heißer Sehnsucht in der Verbannung dachte, vom Wunsche lebhaft erfüllt, dort den Lorbeer des Dichters vom Brunnen des Heiles zu empfangen, wo er als Kind nach kirchlicher Vorschrift getauft worden war. Da sein Leben in eine Zeit fiel, in welcher die philosophischen und theologischen Studien blühten, gefördert von den Gelehrten der Scholastik, die das Beste, was die Vorfahren überliefert hatten, sammelten und es scharfsinnig in ihrer Art verarbeitet der Nachwelt überlieferten, da hat er bei der großen Mannigfaltigkeit der Wissenszweige hauptsächlich Thomas von Aquin, den Fürsten der Scholastik, zum Führer genommen. In der Schule dieses Lehrers, dessen eigenartige Geistesanlage zur Berühmtheit gelangt ist, hat er nahezu alles gelernt, was er im philosophischen Studium und in der Erörterung theologischer Dinge gelernt hat, wobei er allerdings kein Gebiet der Erkenntnis und des Wissens vernachlässigte und mit Eifer sich durch die Heilige Schrift und die Bücher der Väter hindurcharbeitete. So aufs beste in jeder Wissenschaft zu hause, vor allem aber von der christlichen Wahrheit beraten, ergriff er, als er sich dem Beruf des Schriftstellers widmete, aus dem Gebiet der Religion den fast unermesslichen und ganz überwältigenden Stoff seiner dichterischen Arbeit. Man muss dabei die unglaubliche Größe und Kraft seines Genies bewundern; zugleich aber springt es in den Augen, dass ihm grosse Kräfte aus der Eingebung des göttlichen Glaubens zugeströmt sind, und es ist so gekommen, dass es kein großes Werk nicht weniger durch den Vielfaltigen Glanz der göttlich überlieferten Wahrheit als durch alle Erleuchtungen der Kunst auszeichnete. Denn die ganze mit Recht als göttlich bezeichnete "Komödie" zielt gerade mit ihren an vielen Stellen in ihr vorhandenen erdichteten Schilderungen und Überlegungen und Erwägungen über das sterbliche Leben zuletzt auf den Preis der Gerechtigkeit und der Vorsehung Gottes ab, der die Welt im Ablauf der Zeit und in der Ewigkeit leitet und sowohl den einzelnen Menschen als den menschlichen Vergesellschaftungen den Lohn oder die Strafen zuteilt, die sie verdienen. Daher leuchtet in völliger Übereinstimmung mit den katholischen Glaubenssätzen aus dieser Dichtung des einen Gottes hehre Dreifaltigkeit hervor und die vom fleischgewordenen Worte Gottes vollzogene Erlösung des Menschengeschlechts, Marias der Jungfrau und Gottesgebärerin, der Königin des Himmels, große Güte du Freigebigkeit und der heiligen Engel und Menschen himmlische Seligkeit; diesen stehen in örtlicher Trennung in der Hölle die über die Gottlosen verhängten Strafen gegenüber, und zwischen beide Orte ist der Aufenthalt der Seelen hereingestellt, welchen nach Vollendung der Sühne zu seiner Zeit der Eingang in den Himmel sich auftun soll. Diese und alle anderen katholischen Glaubenssätze treten im ganzen Gedicht in weisheitsvoller Verwebung zutage. Wenn der Fortschritt in der Erforschung der Wissenschaft von den Dingen im Himmelsraum späterhin dargetan hat, dass die gelehrten Annahme der Alten über die Zusammenordnung der Weltkörper und jene Sphären nichtig sind, und dass die Natur, die Zahl und die Bewegung der Sterne ganz anders beschaffen sind, als jene urteilten, so bleibt doch bestehen, dass die Gesamtheit dieser Körper, nach welcher Ordnung immer ihre Teile geleitet werden, durch den gleichen Willen regiert wird, durch den sie erschaffen ist, nämlich den des allmächtigen Gottes, der allem, was irgend ist, die Bewegung gibt, und dessen Herrlichkeit mehr oder weniger allüberall hervorleuchtet. Ist diese Erde aber, die wir Menschen bewohnen, für die Zusammenfassung der gesamten Himmelswelt auch nicht mehr als Mittelpunkt, wie man meinte, zu behaupten, so war sie doch der Sitz des göttlichens Lebens unserer Urvordern und dann Zeuge sowohl des beklagenswerten Falles aus jenem Stand, den jene taten, als auch der Wiederherstellung des ewigen Heiles der Menschen durch das Blut Jesu Christi. - Also hat er (der Sänger) das dreifache Leben der Seele, das er mit dichterischem Denken geschildert hat, so entwickelt, dass er zur Darlegung der Verdammnis der Verworfenen, der Läuterung der Seelen der Frommen und des Glückes der Seligen vor dem Jüngsten Tag des göttlichen Gerichtes das helle Licht aus dem Kern der Glaubenslehre offenbar geholt hat.

5 Von dem was er wie in seinen andern Schriften so ganz besonders in der dreiteiligen Dichtung darbietet, kann Unseres Erachtens folgendes unserer Mitwelt am meisten als Lehre dienen. Zunächst bekräftigt er, dass der Heiligen Schrift auch die höchste Verehrung der Christen gebühre, und dass man mit größtem Gehorsam alles, was in ihr enthalten ist, annehmen müsse, damit dass, "obwohl es viele Schreiber des göttlichen Wortes gibt, doch nur ein einziger sein Vorsprecher ist, Gott, der uns durch die Feder vieler seinen Willen darzulegen sich gewürdigt hat" (Monarchie III 4). Das ist in der Tat ein schöner und wahrer Ausspruch. Gleiches gilt von dem Ausspruch: "Das Alte und das Neue Testament, das ein für ewig gegebenes Gebot ist, wie der Prophet sagt, schließt geistliche Lehren in sich, welche die menschliche Vernunft übersteigen, eingegeben vom Heiligen Geiste, der durch die Propheten und der heiligen Schriftsteller, durch den mit ihm gleichewigen Gottessohn Jesus Christus und seine Jünger die übernatürliche und uns notwendige Wahrheit geoffenbart hat. (Monarchie III 3, 16). Mit vollem Rechtsamt er daher von dem ewig währenden Zeitraum, der auf den Ablauf dieses sterblichen Lebens olgen wird: "Wir sind sicher durch die durchaus wahre Lehre Christi, welche den Weg, die Wahrheit und das Licht ist; der Weg nämlich, denn mit ihr eilen wir ungehindert der Seligkeit der Unsterblichkeit entgegen; die Wahrheit, weil sie an seinem Irrtum teil hat; das Licht, weil sie uns in den Finsternissen der Unwissenheit auf dieser Welt erleuchtet" (Gastmahl II 9). Nicht minder hielt er sich voll Schätzung an die "verehrungswürdigen Hauptkonzilien, von denen kein Gläubiger zweifelt, dass Christus daran teilnahm". Außerdem schätzt er auch die Schriften der Kirchenlehrer, wie die des Augustinus und anderer, hoch, von denen er sagt, dass, "wer am Beistand des Heiligen Geistes für sie zweifelt, entweder ihre Früchte überhaupt nicht gesehen oder, wenn er sie gesehen, doch keineswegs verkostet hat" (Monarchie III 3).

6 Zu bewundern ist es, welch hohes Ansehen Alighieri der katholischen Kirche und welch wunderbar hohe Gewalt er dem Papst in Rom beimaß, woher ja alle Gesetze und Einrichtungen der Kirche ihre Kraft gewännen. Daher mahnt er die Christen eindringlich, sie sollten, da sie beide Testamente und den Hirten der Kirche hätten, von dem sie geleitet würden, mit dieser Hilfe zum Heile ihren Frieden finden. Daher gingen ihm die Leiden der Kirche wie eigenen zu Herzen, beklagte und verwarf er jeden Abfall vom höchsten Bischof und richtete an die italienischen Kardinäle nach der Verlegung des päpstlichen Wohnsitzes von Rom weg die folgenden Worte: "Auch wir, die wir denselben Vater und Sohn, desgleichen dieselbe Mutter und Jungfrau bekennen, wir, um derentwillen und für deren Heil Petrus dreimal nach der Liebe gefragt und ihm gesagt wurde: Petrus, weide die heilige Herde, sehen mit Widerwillen, dass Rom, dem nach so vielem Triumphgepränge Christus durch das Wort und Werk die Herrschaft über den Christus fest verliehen hat, das Petrus und der Völkerapostel Paulus durch die Besprengung mit ihrem eigenen Blut zum apostolischen Sitze geweiht haben, das wir aber jetzt, mit Jeremias in der Trauer nicht nachstehend, wenn auch zeitlich mit dem Schmerz ihm folgend, als verwitwet und verlassen betrauern müssen, nichts geringeres, ach! geworden denn ein beklagenswertes Gebiet der Häresie" (Brief 8). Daher nennt er die Römische Kirche die süßeste Mutter, die Braut des Gekreuzigten, Petrus aber den unfehlbaren Richter der von Gott gegebenen Wahrheit, dem alle in den Dingen, die des ewigen Heiles wegen geglaubt oder getan werden müssen, hingebungsvollsten Gehorsam schulden. Obwohl er daher die Ansicht vertritt, dass die Würde des Kaisers von Gott selbst ausgehe, so sagt er doch, dass diese Wahrheit nicht so scharf zu nehmen sei, dass der römische Herrscher in irgend etwas dem Papst nicht unterworfen sei, da dieses sterbliche Glück gewissermaßen auf das unsterbliche Glück hingeordnet sei (Monarchie III 16). - Das ist eine sehr gute, weiheitsvolle Auffassung. Würde sie heute heilig gehalten, so würde sie wahrlich für die Öffentlichkeit die reichsten Segnungen der Wohlfahrt zeitigen.

Doch ist er gegen Päpste seiner Zeit überaus herb und beleidigend aufgetreten - nämlich gegen diejenigen, von welchen er mit seinen politischen Anschauungen abwich und die, wie er meint, es mit der Partei hielten, welche ihn von Heim und Vaterhaus vertrieben hatte. Doch man muss es einem Manne, der von den Stürmen des Geschickes so sehr umher getrieben wurde, nachsehen, wenn er aus verbittertem Gemüte etwas aussprach, was über das Maß hinausging; das um so mehr, weil kein Zweifel ist, dass, um seinen Zorn zu entflammen, Gerüchte von Leuten zu ihm drangen, welche, wie es zu gehen pflegt, bei Gegnern allem eine schlechte Auslegung geben. Da übrigens, wie es die menschliche Schwachheit mit sich bringt, "vom Staub der Welt auch religiös gesinnte Herzen befleckt werden müssen" (Leo der Große, 4. Rede auf Quadragesima), wer wollte da leugnen, dass damals bei Männern priesterlichen Ranges manches vorgekommen ist, was man nicht billigen kann und was ihn bei seiner großen Ergebenheit gegen die Kirche mit Betrübnis und Unwillen erfüllte? Haben doch diese Erscheinungen Männern von bewährter Heiligkeit schwere Klagen abgenötigt! Denn was immer er auch an der Hierarchie, sei es mit Recht, sei es verkehrterweise, in seinem Unwillen getadelt und gerügt hat, so wollte er doch niemals der gebührenden Ehre der Kirche Abtrag tun, nie der Ergebenheit gegen die höchste geistliche Gewalt. Daher unternahm er es, in politischen Dingen seinne eigenen Wege zu gehen, auf jene Ehrerbietigkeit gestützt, die ein guter Sohn dem Vater schuldet, ein guter Sohn der Mutter, voll Liebe gegen Christus, voll Liebe gegen die Kirche, voll Liebe gegen den Hirten, voll Liebe gegen alle, die sich zur christlichen Religion bekennen, für den Sieg der Wahrheit (Monarchie III 3).

7 Da er auf diesen Grundlagen der Religion das ganze Gebäude seiner Dichtung aufgerichtet hat, ist es kein Wunder, dass man gleichsam eine Schatzkammer katholischer Lehren in ihr verborgen findet, d.h. sowohl den Kerngehalt der christlichen Philosophie und Theologie als auch eine Zusammenfassung der göttlichen Gesetzte für die Ordnung und Verwaltung der öffentlichen Angelegenheiten. Denn Alighieri gehörte nicht zu jenen, welche sagen, man dürfe zur Vergrößerung des Vaterlandes oder den Fürsten zu Gefallen öffentlich die Gerechtigkeit und das Recht Gottes missachten, durch dessen Beobachtung, wie er wohl wusste, die Staaten am meisten Stütze und Bestand haben.

8 Daher darf man bei diesem Dichter allerdings gemäß seiner Größe einen außerordentlichen Kunstgenuss suchen, aber auch einen nicht geringeren Gewinn, und zwar einen solchen, der zugleich zur Förderung im Verständnis der Kunst wie zur Anleitung in der Tugend sehr geeignet ist. Nur muss, wer an den Dichter sich macht, frei sein von Vorurteilen und von Herzen nach der Wahrheit streben. Ja, während wir bei den Unsrigen nicht wenige gute Dichter zählen, welche alles Lob zu ernten scheinen, indem sie das Nützliche mit dem Angenehmen vereinigen, ist es Dante eigen den Leser durch die einzigartige Mannigfaltigkeit der Bilder, die Schönheit der Farben und die Größe der Ideen und der Sprache gefangen zu nehmen und ihn für die Liebe der christlichen Weisheit zu gewinnen und zu begeistern: er hat es ja, wie allgemin bekannt, offen ausgesprochen, dass er seine Dichtung in der Absicht verfasst habe, um allen eine belebende Speise darzubieten. Daher haben, wie wir wissen, viele auch in der neuesten Zeit, die Christus fern standen, ohne eine Abneigung gegen ihn zu hegen, während sie mit der Lesung Dankes und seinem Studium befasst waren, durch Gottes Gnade zuerst die Wahrheit des katholischen Glaubens erkannt und sich dann mit Freude in den Schoß der Kirche begeben.

9 Das bisher Angeführte zeigt genügend, wie passend es ist, dass gerade die Besten auf dem katholischen Erdkreis bei dieser Jahrhundertfeier um so größerer Begeisterung empfinden, den Schützer der schönen Künste, den Glauben, festzuhalten, dessen Kraft hierfür, wenn jemals sonst, gerade in Alighieri sich herrlich gezeigt hat. Denn bei ihm erweckt nicht nur die höchste geniale Begabung Bewunderung, sondern auch gewissermaßen unermessliche Größe des Gegenstandes, den ihm die göttliche Religion für seine Gesänge darbot; und feilte er mit dem von Natur ihm eigenen großen Scharfsinn wohl lange und viel an seiner Bildung unter Beherzigung der Vorbilder der Alten, so schärfte er sich dadurch, wie gesagt, um so mehr in den Wissenschaften der Kirchenlehrer und Väter; das gab ihm die Kraft, mit dem Flug seines Denkens und seiner Überlegung viel höher und weiter hinausreichen, als wenn er in den Grenzen der Natur, den wahrlich engen, sich gehalten hätte.Daher möchte man ihn, obwohl durch einen Zeitraum von vielen Jahrhunderten von uns getrennt, fast als einen Sohn unserer Zeit und sicherlich als neuzeitlicher bezeichnen denn irgendeinen von den jetzt lebenden Sängern des Altertums, das Christus als Sieger am Kreuze aus der Welt verdrängt hat. Derselbe Geist der Frömmigkeit atmet in Alighieri wie in uns, die Religion hat dieselben Empfindungen, dieselben Hüllen gleichsam gebraucht die vom Himmel gebrachte Wahrheit, durch die wir so hoch erhoben sind. Das ist sein edelstes Lob, dass er ein christlicher Dichter ist, d.h. dass er das christliche Heilswerk, dessen Art und Gestaltung er mit ganzer Seele durchdacht hatte, für das er wunderbar fühlte, durch das er selbst lebte, durch ein gewissermaßen göttliches Lied besungen hatte. Diejenigen, die kein Bedenken tragen, dieses Lob anzufechten, indem sie der "Komödie" ganze religiöse Art erdichteter Fabel gleichsetzen, der gar keine Wahrheit entspreche, die fechten das an, was an unserem Dichter das Beste ist und der Grund aller andern ihm zukommenden Lobeserhebungen.

10 Wenn also Dante einen so großen Teil seiner Ehre und seiner Größe dem katholischen Glauben verdankt, dann darf man, um von anderem zu schweigen, mit diesem einen Beispiel die Tatsache bekräftigen, dass die Ergebenheit des Geistes und des Herzens gegen Gott, weit entfernt die Entwicklung der Talente zu hemmen, sie vielmehr anregt und fördert; mit Recht schließt man daraus ebenso, wie schlecht jene dem Fortschritt der Studien und der Bildung dienen, welche im Unterricht der Jugend der Religion seinen Platz einräumen. Denn es ist schmerzlich zu beklagen, dass der Unterrichtsgang, nach welchem öffentlich die studierende Jugend herangebildet wird, so geartet zu sein pflegt, als ob der Mensch auf Gott und auf alle die hochwichtigsten Angelegenheiten des übernatürlichen Lebens gar keine Rücksicht zu nehmen habe. Denn wenn auch "die heilige Dichtung" für die öffentlichen Schulen gelegentlich nicht als etwas Fremdes betrachtet wird, ja sogar zu den Büchern zählt, die mit großem Eifer zu lesen sind, so bringt sie doch jenes lebendige Brot, zu dessen Darbietung sie geschaffen ist, meistenteils den Jünglingen nicht, weil diese durch einen Fehler im Bildungsgange nicht so für die Sache des göttlichen Glaubens gestimmt sind, wie es nötig ist. Möchte diese Jahrhundertfeier den Erfolg haben, dass in allen Anstalten zur wissenschaftlichen Bildung der Jugend Dante gebührend in Ehren sei und er selbst die Zöglinge mit der christlichen Lehre erfülle! Er verfolgte ja, als er seine Dichtung schuf, nichts anderes, als "dass er die in diesem Leben Befindlichen vom Stand des Elends, d.h. der Sünde, zurückführte und sie dem Stand des Glückes entgegenführte,d.h. dem Stand der göttlichen Gnade" (Brief 10 § 15.).

11 Euch aber, geliebte Söhne, denen es zu glücklicher Stunde beschieden ist, dass ihr das Studium der edeln Wissenschaften und Künste unter Leitung der Kirche betreibt, liebt und haltet euch, wie ihr es tut, diesen Dichter teuer, den wir ohne Zaudern als einen der beredtesten Lobredner und Herold der christlichen Weisheit bezeichnen. Denn je mehr ihr an Liebe zu ihm zunehmet, desto vollkommener ihr eure Seelen nach dem Glanz der Wahrheit ausbilden und im Gehorsam und Eifer für den heiligen Glauben um so standhafter verharren.

Als Unterpfand der göttlichen Gnade und zum Zeugnis Unseres väterlichen Wohlwollens spenden Wir euch allen, geliebte Söhne, voll Liebe den Apostolischen Segen.

Gegeben zu Rom bei St. Peter, am 30. April 1921,
im siebten Unseres Pontifikates.
Benedikt XV. PP.

Weblinks