Abhinc duos annos (Wortlaut)

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Motu proprio
Abhinc duos annos

von Papst
Pius X.
über die teilweise Neuordnung des Göttlichen Offiziums
23. Oktober 1913

(Offizieller lateinischer Text: AAS XX [1928] 165-178)

(Quelle: Rundschreiben unseres Heiligen Vaters Pius X., über die neue Verteilung des Psalteriums im römischen Brevier (1. Nov. 1911 „Divino afflatu“); Motu proprio über die teilweise Neuordnung des Göttlichen Offiziums („23. Okt. 1913 „Abhinc duos annos“); über das Konstantinische Jubiläum (8. März 1913 „Magni faustique", Lateinischer und deutscher Text, Herdersche Verlagsbuchhandlung, Freiburg im Breisgau 1916, S. 14-21.)

Allgemeiner Hinweis: Was bei der Lektüre von Wortlautartikeln der Lehramtstexte zu beachten ist


Gruß und Apostolischen Segen!

Als Wir vor zwei Jahren die Apostolische Konstitution Divino afflatu in der besonderen Absicht erließen, dass, soweit möglich, das Gebet des Psalteriums im Verlauf einer Woche durchgeführt und die alten Sonntagsoffizien wiederhergestellt würden, da schwebte Uns noch vieles andere vor dem Geiste, teils als bloße Erwägung teils als beginnender Entschluss, in Hinsicht auf die von Uns begonnene Verbesserung des römischen Breviers. Da sich dies aber wegen vielfältiger Schwierigkeiten damals nicht durchführen ließ, ließen Wir uns bewegen, es auf eine geeignetere Zeit zu verschieben. Denn um die Verbesserung in der Zusammensetzung des Breviers in der Art zu erreichen, wie Wir es wünschen, nämlich als eine in jeder Hinsicht abgeschlossene, sind folgende Dinge nötig: der allgemeine Kirchenkalender muss seine alte Fassung und Form wieder erhalten, unbeschadet immerhin der schönen Zusätze, welche die wunderbar Fruchtbarkeit der Kirche, der Mutter der Heiligen, ihm beigefügt hat; die geeigneten Abschnitte aus der Heiligen Schrift, den Vätern und Kirchenlehrern müssen auf ihre reine Textgestalt zurückgeführt werden und so zur Anwendung kommen; das Leben der Heiligen muss aus den Quellen besonnen erhoben werden; mehrere Teile der Liturgie müssen von überflüssigen Bestandteilen befreit und besser geordnet werden. Zu alledem ist aber nach dem Urteil der Gelehrten und Sachverständigen große und lange Arbeit nötig. Deshalb bedarf es einer langen Reihe von Jahren, bis, um so zu sagen, dieser Prachtbau der Liturgie, den die mystische Braut Christi zum beweis ihres frommen Sinnes und ihres Glaubens mit weisem Eifer errichtet hat, wieder glänzend durch Würde und Ebenmaß und von allem Staub des Alters befreit sich zeige.

Inzwischen haben Wir aus den Zuschriften und Äußerungen vieler Ehrwürdigen Brüder entnommen, dass es ihnen und sehr vielen Priestern am liebsten wäre, wenn im Brevier zugleich mit dem neuverteiltem Psalterium und seinen Rubriken auch alle Änderungen vorlägen, welche auf das neue Psalterium teils schon gefolgt sind teils noch folgen können. Mit den dringenden Bitten für diese Angelegenheit bekundeten sie zugleich den lebhaften Wunsch, dass das neue Psalterium noch häufiger zur Anwendung komme, die Sonntagsoffizien dadurch noch mehr festgehalten würden, den unbequemen Verlegungen der Feste vorgebeugt würde und noch einige andere Punkte, in denen eine Änderung gut wäre, abgeändert würden. Gerne haben wir diese Wünsche, die sachlich wohlbegründet waren und mit Unsern Absichten übereinstimmen, entgegenkommen. Und Wir halten die Zeit für gekommen, ihnen zu willfahren. Denn Wir haben vernommen, dass die Buchdrucker und Verleger der heiligen Ritenkongregation darauf warteten, dass das Römische Brevier durch ein Dekret und in definitiver Form korrigiert werde, und daran seien, inzwischen eine neue Ausgabe des Breviers zu veranstalten. Wir entschlossen Uns, diese Gelegenheit zu benützen. Nach Anrufung der himmlischen Weisheit um Erleuchtung und nachdem Wir mit einigen Kardinälen uns beraten und die Ansicht eines besonderen Rates angehört haben, beschließen Wir deshalb durch dieses Motu proprio und verordnen:

I. Gemäß der alten Übung der Kirche sollen die Sonntagsoffizien nicht leicht übergangen werden. – Deshalb soll kein Fest, nicht einmal ein Fest des Herrn, künftighin auf den Sonntag festgelegt werden. Wegen seiner eigentümlichen Natur wird aber der Sonntag ausgenommen, der in die Zeit vom 1. Juli bis 5. Januar fällt. Diesen bestimmen Wir zum Gedächtnistag des heiligsten Namens Jesu wegen der Beziehung desselben zum Geheimnis der Beschneidung. – Alle Feste jedoch, welche bisher auf den Sonntag gelegt waren, ausgenommen das Fest der Heiligsten Dreifaltigkeit, sollen für immer auf einen andern Tag verlegt werden. – Damit aber nicht etwa während der Quadragesimazeit eines der Sonntagsoffizien ausgelassen werde, welche so wundervoll geeignet sind, in den Seelen den christlichen Bußgeist zu wecken, so erheben Wir den zweiten, dritten und vierten Sonntag dieser Zeit zum Grade erster Klasse.

II. Da die Feier der Oktaven ein Hindernis für die (fortlaufende) Rezitation des Psalteriums bildet, sollen, damit das nicht mehr so häufig vorkommt, in Zukunft nur die Feste vom Grade eines Duplex der ersten Klasse, welche volle Oktaven haben, diese behalten; jedoch sollen auch während dieser Oktaven, mit Ausnahme der privilegierten, die Psalmen des laufenden Wochentages genommen werden. – Die Oktaven der Feste vom Rang eines Duplex zweiter Klasse sollen nur am Oktavtag gefeiert werden, und zwar nach dem Ritus simplex.

III. Den Lesungen aus der Heiligen Schrift sollen immer die Responsorien der betreffenden Zeit folgen.

IV. Feste, welche in der ganzen Kirche gefeiert werden, sollen nie, auch nicht dauernd, verlegt werden, außer wenn es Feste vom Rang des Duplex erster oder zweiter Klasse sind.

Wie diese von Uns erlassenen Vorschriften durchgeführt werden müssen, und was überdies im Brevier und im Messbuch, welches mit jenem übereinstimmen muss, dabei Neues sich ergibt, wird die Ritenkongregation nach Maßgabe der Beschlüsse einer von Uns hierfür bestellten besonderen Kommission mit eigenen Dekreten feststellen; dieselbe wird auch für eine neue vorbildliche Ausgabe des Breviers und des Messbuches Sorge tragen.

Was die hier erlassenen Vorschriften angeht, so ist es Unser Wille, dass sie sofort in Kraft treten, nachdem dieses Motu proprio veröffentlicht ist. Mit Rücksicht darauf jedoch, dass die Kirchenkalender für das nächste Jahr schon hergestellt sind und dass die Buchdrucker Zeit brauchen, dulden Wir, dass sowohl die Angehörigen des Weltklerus als die der männlichen und weiblichen Orden, welche das Römische Brevier zum Offizium benützen, an diese nicht gebunden sind vor dem 1. Januar 1915. Diejenigen jedoch, welche ein anderes Brevier benützen als das Römische, werden von der Ritenkongregation Anweisung erhalten, innerhalb welcher Zeit sie sich denselben Vorschriften anzupassen haben.

Es soll aber jedermann erlaubt sein, sich ein Brevier, wie es jetzt im Gebrauch ist, anzuschaffen und beim Beten der kirchlichen Tagzeiten zu benützen, nur soll er in einem besonderen Buche das haben, was ihm nötig ist, um der Konstitution Divino afflatu und den auf sie ergangenen Dekreten Folge leisten zu können; zugleich soll er auch Unsere Bestimmungen in diesem Motu proprio und alle Dekret, welche die Ritenkongregation in dieser Angelegenheit erlässt, sorgfältig beobachten.

Alles dieses verfügen und befehlen Wir, und nichts Gegenteiliges soll, auch wenn es spezieller Nennung zu unterziehen wäre, die Geltung im geringsten beeinträchtigen.

Gegeben zu Rom bei St. Peter am 23. Oktober 1913,

im elften Jahr Unseres Pontifikates

Pius X. PP.