Primat
Der Primat bezeichnet in der römisch-katholischen Kirche die Vorrangstellung des Papstes. Der petrinische Primat, nicht zu verwechseln mit dem Ehrenvorrang eines Primas, bezieht sich sowohl auf das Innenverhältnis als auch auf das Verhältnis zu anderen Konfessionen. Nach der Lehre der römisch-katholischen Kirche hat der Papst die höchste Rechtsgewalt in der Kirche (Jurisdiktionsprimat). Verbunden damit ist auch die höchste Lehrgewalt (suprema quoque magisterii potestas); siehe auch: Kollegium der Bischöfe.
Diese verbindliche Vorrangstellung des Papstes wurde im 1. Vatikanischen Konzil zum Dogma erklärt und vom II. Vatikanum bekräftigt, jedoch unter Integration des Dogmas in die Lehre vom Kollegialität der Bischöfe, vgl. Lumen gentium, Nr. 18 ff.
- Papst Leo I., d. Gr.: „Der heilige Petrus hört nicht auf, seinem Sitz vorzustehen, und bewahrt eine nie endende Gemeinschaft mit dem Hohenpriester. Die Festigkeit, die er von dem Felsen erhalten hat, der Christus ist, teilt er, nachdem er selbst zum Felsen geworden ist, in gleicher Weise seinen Erben mit; und überall, wo sich eine gewisse Festigkeit zeigt, offenbart sich ohne Zweifel die Kraft des Hirten... Hier im Apostelfürsten ist in voller Kraft und Leben jene Liebe zu Gott und zu den Menschen, die weder die Einkerkerung im Gefängnis noch die Ketten, weder den Druck der Masse noch die Drohungen von Königen gefürchtet hat; und dasselbe gilt von seinem unbesiegbaren Glauben, der im Kampf keinen Fuß breit gewichen ist und auch im Sieg nicht nachgelassen hat“ (Sermo V, PL 54,155-56).
Zitate
- "Sagen nicht manche, eine Wiedervereinigung der getrennten Kirchen würde viel leichter zustande kommen, wenn der Primat des Papstes aufgegeben würde? Wir wollen die getrennten Brüder bitten, die Haltlosigkeit einer solchen Annahme zu bedenken; und zwar nicht nur deshalb, weil ohne Papst die Katholische Kirche aufhörte, die zu sein, die sie ist, sondern weil ohne das oberste, wirksame und entscheidende Hirtenamt Petri die Einheit der Kirche in Trümmer ginge. Vergebens würde man dann versuchen, sie nach Kennzeichen wiederherzustellen, die das von Christus selbst gegebene authentische Kennzeichen ersetzen sollen. Mit Recht schrieb der heilige Hieronymus: „Es würde in der Kirche so viele Schismen geben wie Priester" (Dial. Contra Luciferianos n. 9). Wir wollen jedoch bedenken, dass dieser Angelpunkt der heiligen Kirche keine Oberhoheit geistlichen Stolzes und menschlicher Herrschsucht schaffen will, sondern einen Primat des Dienens, des Helfens, der Liebe."
Aus: Papst Paul VI., Enz. Ecclesiam Suam (1964), Nr. 110;
- "... Damit aber der Episkopat selbst einer und ungeteilt sei, hat er den heiligen Petrus an die Spitze der übrigen Apostel gestellt und in ihm ein immerwährendes und sichtbares Prinzip und Fundament der Glaubenseinheit und der Gemeinschaft eingesetzt. Diese Lehre über Einrichtung, Dauer, Gewalt und Sinn des dem Bischof von Rom zukommenden heiligen Primates sowie über dessen unfehlbares Lehramt legt die Heilige Synode abermals allen Gläubigen fest zu glauben vor. Das damals Begonnene fortführend, hat sie sich entschlossen, nun die Lehre von den Bischöfen, den Nachfolgern der Apostel, die mit dem Nachfolger Petri, dem Stellvertreter Christi und sichtbaren Haupt der ganzen Kirche, zusammen das Haus des lebendigen Gottes leiten, vor allen zu bekennen und zu erklären."
Aus: Kapitel 3 ("Die hierarchische Verfassung der Kirche, insbesondere das Bischofsamt") der Dogmatischen Konstitution Lumen gentium (1964) des II. Vatikanums; Nr. 18.
- "Die Hauptbedeutung einer Institution und erst recht des päpstlichen Primats liegt ... auf der Ebene des Symbolischen und damit der Bezeugung und Repräsentation. Die Einseitigkeit des I. Vatikanums, gerade was den Jurisdiktionsprimat betrifft, besteht vielleicht gerade in der Tendenz, den Primat rein auf der Effizienz-Ebene anzusiedeln. Wir haben aber schon für das Unfehlbarkeitsdogma gesehen, dass seine wahre Bedeutung eben nicht auf der Effizienz-Ebene liegt (hier ist es geradezu bedeutungslos!), sondern auf der des Symbolischen: nämlich in der globalen Sicherheit, die es der in Einheit mit dem Stellvertreter Petri stehenden Kirche gibt, in der Wahrheit zu bleiben. Die Wertschätzung des Stuhles Petri in der Geschichte ging immer wesentlich über die päpstliche Möglichkeit realer Hilfeleistung oder Problemlösung hinaus, welche selten diesem Überschuss an Wertschätzung und Anerkennung entsprach. Wenn Rom dagegen seine Funktion in erster Linie auf der Ebene der Effizienz und der Administration versteht, gibt es einer Versuchung der "Rationalisierung" nach, welche seine wahre Autorität zerstört. Die Bedeutung des Papstes besteht nicht in erster Linie darin, dass er ständig und zu jedem neuen Problem redet, weniger noch dass er regiert, sondern dass er einfach existiert, und zwar als Zeichen der horizontalen und geschichtlich-vertikalen (petrinisch-paulinischen) Einheit der Kirche. Im Bereich des Lehramtes muss der Primat in die Wirklichkeit des Konsenses und der Rezeption eingebettet sein. Diese Wirklichkeit als völlig unerheblich eliminieren, heißt im Grunde die reale Geschichte ignorieren. Römische Lehrentscheidungen sind immer ein, freilich oft sehr entscheidendes, Moment innerhalb eines gesamtkirchlichen Klärungsprozesses gewesen. Sie haben nie kurzfristig eine Streitfrage beenden können, wenn die Zeit nicht aus anderen Gründen dafür reif war. Zu verbindlichen Glaubensdokumenten sind jene päpstlichen Lehräußerungen geworden, die von der Kirche als solche rezipiert worden sind. Freilich würde diese Rezeption sowohl päpstlicher wie konziliarer Entscheidungen missverstanden, wenn man sie sich so vorstellt, dass die Kirche hier vor einem freien Angebot steht und dann überlegt, ob sie es akzeptieren will oder nicht. Dies entspricht auch fast nie dem geschichtlichen Rezeptionsvorgang, zu dem durchaus die Anerkennung einer Autorität gehörte, in welcher der Spruch des Heiligen Geistes gesehen wurde. Nur sind bei dieser Anerkennung das materiale Element, d.h. die Anerkennung des bezeugten Glaubens, und das formale, d.h. die Anerkennung der bezeugenden Autorität, untrennbar miteinander verbunden. Die Kirche erkennt in einer Entscheidung ihren überlieferten Glauben wieder und bejaht darin auch die bezeugende Autorität. Kirchliche Einheit ist eine gestufte Wirklichkeit...."
Aus: Klaus Schatz SJ (siehe unten)