Jacques Maritain

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Jacques Maritain (1882-1973) wurde am 11. Juni 1906 auf dem Montmartre in der Kirche St. Johannes Evangelist getauft.

Jacques war protestantisch getauft, aber nicht religiös erzogen worden. Er wandte sich der Philosophie zu. Spinoza und Nietzsche können nur vorübergehend den Wahrheitsdurst stillen. Vorlesungen von Henri Bergson (1859-1941)helfen weiter: Bergson führt ihn und seinbe Frau Raissa endgültig aus dem Materialismus heraus. Sie lesen Plotin, Pascal und Platon. Der Durchbruch zum Glauben selber kommt erst nach der Begegnung mit Leon Bloy. Nach seiner Konversion studiert Jacques Maritain zunächst in Heidelberg; 1910 entdeckt er Thomas von Aquin: "Ich, der ich mit soviel Enthusiasmus durch alle Lehren der modernen Philosophie gegangen war und dort nichts als Enttäuschung (...) gefunden hatte, erlebte damals so etwas wie eine Erleuchtung der Vernunft" (Le Philosophe dans la cité, 1960). Im Jahr 1914 wird er Professor für Philosophie am Institut catholique in Paris.

Maritain entwickelt sich zu einem der bedeutendsten Thomisten des 20. Jahrhunderts. Sein Haus wird zu einem Treffpunkt bedeutender Philosophen und Künstler. Zu einer Begegnung mit der hl. Edith Stein kommt es am 14. September 1932. Maritain schreibt später: "Raïssa und ich haben niemals diesen Besuch vergessen, weder das Feuer noch die geistige Klarheit und Schärfe, welche vom Antlitz Edith Steins ausgingen."

Im Laufe der Jahre verfasst Maritain über 60 Werke zu fast allen großen Themen der Philosophie. Er entwirft eine Philosophie als christliche Antwort auf die Totalitarismen der Zeit, schlagwortartig als humanisme integral bezeichnet ("ganzheitlicher Humanismus"). Von Papst Paul VI. wird er sehr geschätzt, wodurch er zum mittelbsaren Urheber der Wortprägung von der civiltà dell'amore (18. Mai 1975) wird, der "Zivilisation der Liebe", die zum Schlüsselwort des Pontifikats Johannes Paul II. wird.

In einem Buch von 1966 ("Der Bauer von der Garonne") kritisiert Maritain jedoch die nachkonzilare Krise der Kirche. Das Werk wird auch von Dietrich von Hildebrand und Jean Guitton (Silence sur l'essentiel, 1986) für bewunderungswürdig erachtet. Zitat: "Also sollte ein kluger Prediger von drei Dingen auf keinen Fall reden, und er sollte auch möglichst wenig an sie denken, selbst wenn er jeden Sonntag das Credo spricht. Das erste, was man offensichtlich im Dunkel lassen muß, ist das Jenseits, denn das gibt es nicht. Das zweite, wovon er nicht reden soll, ist das Kreuz, denn das ist nur ein Symbol für die Opfer, die der Fortschritt im Augenblick noch von uns fordert. Das dritte, was er auslassen, vergessen muß, ist die Heiligkeit" (Der Bauer von der Garonne, S. 65).

Maritain, der zeitweilig Botschafter der frz. Republik beim Hl. Stuhl war, überdies Konzilsbeobachter (und am 8. Dezember 1965 die Botschaft des Konzils an die Wissenschaftler empfing) stirbt am 28. April 1973 in Toulouse. Seine Frau Raïssa war bereits am 4. November 1960 verstorben; seither lebte Maritain bewusst mönchsähnlich, ein Leben des Gebets und des Opfers.


Zitate

"Am 25. Juni 1905 stiegen zwei junge Menschen von zwanzig Jahren die endlose Treppe hinauf, die zum Sacré-Cour führt. Sie trugen in sich jene Bedrängnis, die das einzige ernsthafte Produkt der modernen Kultur ist, und eine Art aktiver Verzweiflung, nur erhellt, sie wußten nicht warum, von der inneren Sicherheit, daß ihnen eines Tages die Wahrheit gezeigt würde, nach die sie hungerten und ohne die es ihnen fast unmöglich war, das Leben anzuerkennen. Eine gewisse ästhetische Moral hielt sie gerade noch aufrecht, um der Idee des Selbstmordes nicht zu erliegen. Belehrt durch Bergson hatten sie ihren Verstand geläutert vom wissenschaftlichen Aberglauben, mit dem sie die Sorbonne genährt hatte, doch waren sie sich bewußt, daß die 'Intuition' von Bergson nur eine schwache Zuflucht gegen den Skeptizismus bot, dieser logischen Folge aller modernen Philosophien. Da sie ihnen durch falsche Vorurteile und den falschen Schein vieler sogenannter gutdenkender Kirchgänger verborgen war, hielten sie die Kirche für das Bollwerk der Mächtigen und Reichen, welche ein Interesse daran hatten, weitgehend die Anschauungen des 'finsteren Mittelalters' zu erhalten. Sie schritten einem sonderbaren Bettler entgegen, einem Verächter der Philosophie, der von den Dächern die göttliche Wahrheit verkündete, einem bis zum letzten gehorsamen Katholiken, der seine Zeit und diejenigen, welche hier unten ihre Seligkeit finden, mit mehr Freiheit verurteilte, als es alle Revolutionäre der Welt tun. (...) Kaum hatten sie die Schwelle seines Hauses überschritten, wurden alle ihre bisherigen Werte wie durch eine unsichtbare Macht auf den Kopf gestellt. Man wusste oder erahnte es: Es gibt nur eine Traurigkeit, nämlich jene, kein Heiliger zu sein."