Ave maris stella

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Der Hymnus Ave maris stella von Copenhagen

Ave maris stella („Meerstern, sei gegrüßt“) ist ein Hymnus, der sich im Stundengebet (im Allgemeinen Teil der seligen Jungfrau und mehreren Marienfesten) liturgische Verwendung findet und in verschiedenen Fassungen zum Kirchenlied geworden ist. Verfasser ist der Mönch und Abt Ambrosius Autpertus († 784).<ref>Adolf Adam in: LThK 3. Auflage, Band 1, Sp. 1307; Er stützt sich bezüglich des Verfassers vermutlich auf Heinrich Lausberg, da er seine Literatur von 1976 angibt.</ref>

Clemens Blume schreibt 1930 in der 1. Auflage des LThK, der Hymnus stamme mindestens aus dem 9. Jahrhundert. Die älteste Quelle neben zwei andern Handschriften des 10. Jahrhunderts sei der Codex Sangallensis 95 (9. Jahrhundert), aber sei nachträglich, jedoch noch im 9. Jahrhundert dort eingefügt.<ref>Clemens Blume in: LThK 1. Auflage, Band 1, Sp. 865.</ref>

Die älteste deutsche Übersetzung stammt aus dem 12. Jahrhundert.<ref>Wilhelm Bäumker: Das katholische deutsche Kirchenlied II [1883]74 f); Vier lateinische Glossenlieder (poetische Erläuterungen) bei Mone II 216 ff.: Clemens Blume in: LThK 1. Auflage, Band 1, Sp. 865.</ref>

Aufbau und Inhalt

Der Hymnus besteht aus sieben Strophen aus je vier (paarweise auf der letzten Silbe assonierenden) rhythmisch-trochäischen Tripodien.

Der Inhalt ist ein an Maria (Gnadenmittlerin) gerichtetes Bittgebet (vgl. Str. 3-6) ausgebaute Amplifikation (Strophe 1 = Maria; Strophe 2 = Ave [Erstbeleg des die Typologie Maria = Eva (Tertullian, De carne Christi 17) etymologisierenden Palindroms Ave = Eva]) der Antiphon (mit Offertorium) Ave Maria (mit Responsorium Suscipe verbum). Der Hymnus hat die (auf den "schöpferischen" Schreibfehler stellam für stillam bei Hieronymus [PL 23, 886: Mariam = stillam maris = falsche hebräische Etymologie mar jam] zurückgehende, vielleicht im 5. Jahrhundert [ PL 65, 94 A] indirekt bezeugte) bei Isidor (Orig. 7, 10, 1) vorliegende Namensetymologie Maria = maris stella durch Gebetsanrede affektiv geläufig gemacht und für die fromme Seefahrts- und Lichtallegorie (Bernhard von Clairvaux: PL 183, 70) erschlossen. Später (schon Ave caeli ianua [AH II 61], 10. Jahrhundert; Alma redemptoris), auch volkssprachlich (deutsch: 12. Jahrhundert), wird der Hymnus als marianischer Gedankenthesaurus sowie als Glossenlied- und Tropierungsbasis benutzt.<ref>Heinrich Lausberg in: LThK 2. Auflage, Band 1, Sp. 1141+1142.</ref>

Der Text

Lateinisches Original:
Gotteslob 2013, Nr. 520.
Deutsche Übertragung:
Gotteslob 1975, Nr. 578
Deutsche Übertragung
von Rosenberg
Deutsche Übertragung
von Wolters

1. Ave, maris stella,
Dei Mater alma
Atque semper Virgo,
Felix caeli porta.

2. Sumens illud Ave
Gabrielis ore,
Funda nos in pace,
Mutans Hevae nomen.

3. Solve vincla reis,
Profer lumen caecis;
Mala nostra pelle,
Bona cuncta posce.

4. Monstra te esse matrem,
Sumat per te preces,
Qui pro nobis natus,
Tulit esse tuus.

5. Virgo singularis,
Inter omnes mitis,
Nos culpis solutos,
Mites fac et castos.

6. Vitam praesta puram,
Iter para tutum;
Ut videntes Iesum
Semper collaetemur.

7. Sit laus Deo Patri,
Summo Christo decus,
Spiritui Sancto,
Tribus honor unus.
Amen.

1. Meerstern, sei gegrüßet,
Gottes hohe Mutter,
allzeit reine Jungfrau,
selig Tor zum Himmel!

2. Du nahmst an das Ave
aus des Engels Munde.
Wend den Namen Eva,
bring uns Gottes Frieden.

5. Lös der Schuldner Ketten,
mach die Blinden sehend,
allem Übel wehre,
jeglich Gut erwirke.

3. Zeige dich als Mutter,
denn dich wird erhören,
der auf sich genommen,
hier dein Sohn zu werden.

4. Jungfrau ohnegleichen,
Gütige vor allen,
uns, die wir erlöst sind,
mach auch rein und gütig.

6. Gib ein lautres Leben,
sicher uns geleite,
daß wir einst in Freuden
Jesus mit dir schauen.

7. Lob sei Gott dem Vater,
Christ, dem Höchsten, Ehre
und dem Heilgen Geiste:
dreifach eine Preisung.
Amen

1. Ave, Stern des Meeres,
Gottes Mutter, hehre,
Jungfrau heut und immer,
glückhaft Tor zum Himmel.

2. Nahmst du jenen Gruß einst
Gabriel vom Munde,
gründ auch uns in Frieden,
Evas Namen wendend.

3. Sündern lös die Stricke,
Blinden trag das Licht vor,
unsre Schwächen sage,
alles Gut erfrage.

4. Weise dich als Mutter,
sei durch dich erwunschen,
der für uns geboren,
dein zu sein erkoren.

5. Jungfrau unverglichen,
unter aller milde,
uns von Schuld Entkaufte
milde schaff´ und lauter.

6. Schenk uns reines Leben,
brich beschirmte Weg,
dass wir, Jesum schauend,
ewig mit dir jauchzen.

7. Ruhm sei Gott dem Vater,
Lob dem höchsten Christus
wie dem Heiligen Geiste:
eine Ehre dreien.
Amen.

1. Heil dir, Stern des Meeres
holde Mutter Gottes
und doch imm er Jungfrau,
selige Himmelspforte.

2. Da du jenes Ave
nimmst vom Mund des Engels,
schenkst du uns den Frieden,
ändernd Evas Namen.

3. Lös die Haft den Schuldnern,
bring das Licht den Blinden,
unser Übel scheuche,
alles Gute heische.

4. Zeige dich als Mutter,
dass durch dich uns höre,
der für uns bewogen
ward dein Sohn zu werden.

5. O du einzige Jungfrau,
Mildeste von allen
nach gelösten Schulden
mach uns keusch und milde.

6. Gib ein reines Leben,
sicher für die Wege,
dass wir Jesus sehnend
ewig mit dir froh sind.

7. Lob sei Gott dem Vater,
höchste Würde -christus
Mit dem Heiligen Geiste
dreifach einige Ehre.
Amen.

Vertonungen (Auswahl)

  • Die vermutlich erste Vertonung des Hymnus Ave maris stella entstand im 11. Jahrhundert im dorischen Modus.
  • Klaviersonate mit dem Titel Stella maris von Gian Pietro del Buono aus Palermo um 1650.
  • Eine Messvertonung op. 141 von Peter Griesbacher (1864-1933).
  • Stella Maris. Musikalisches Schauspiel in drei Aufzügen, von Henri Alfred Kaiser, Henry Revers, 1910.
  • Ave maris stella für Gesang Solo, Flöte und Orgel von Ludger Stühlmeyer. Text nach dem Vesperhymnus, die Tonsprache verbindet den dorischen- und den dritten aschkenasischen Modus, 2004.
  • Musikalbum von Dirk Schlömer, 2005.
  • Oratorium von Helge Burggrabe, entstanden und uraufgeführt zur 1000-Jahr-Feier der Kathedrale von Chartres, Herbst 2006.
  • Bezeichnung des dritten Satzes des Streichorchesterstücks Estrella Distante des Schweizer Komponisten Andreas Zurbriggen, 2010.
  • Ave maris stella. Toccata für Orgel von Emanuel Schmidt. Sonat-Verlag, 2014.

Meerstern, ich dich grüße

Als Kirchenlied ist "Meerstern, ich dich grüße" ein sehr bekanntes und volkstümliches Marienlied. Es wird meist in der Version von August von Haxthausen (Sammlung Geistliche Volkslieder, 1830; Gotteslob 2013, Nr. 524) gesungen, die in litaneiartiger Form zahlreiche Metaphern des Hymnus Ave maris stella aufnimmt (Meerstern, ich dich grüße, o Maria, hilf!). Ebenfalls bekannt ist die Übertragung des Hymnus' von dem Jesuiten Johannes Heringsdorf, der sie in dem 1637 in Köln erschienenen Gesangbuch "Psälterlein" veröffentlichte (Meerstern, ich dich grüße, Gottesmutter süße, allzeit Jungfrau reine, Himmelspfort alleine).

Eine Paraphrase existiert aus dem 19. Jahrhundert ist unter dem Titel „Stern im Lebensmeere“. Es findet sich im Eigenteil zum Gotteslob 2013 der (Erz-)Bistümer Freiburg und Rottenburg-Stuttgart, Nr. 884 (Gotteslob 1975, Nr. 893).

Literatur

  • Heinrich Lausberg: Der Hymnus "Ave maris stella", Westdeutscher Verlag, Opladen 1976.

Weblinks

Anmerkungen

  • A) Lateinisches Original: Gotteslob 2013, Nr. 520.<ref>Gotteslob 1975, Nr. 596.</ref>
  • B) Deutsche Übertragung: Gotteslob 1975, Nr. 578<ref>Strophen vertauscht.</ref>
  • C) Deutsche Übertragung von Rosenberg <ref>aus: Ecclesia orans, Die Hymnen des Breviers in Urform und neuen deutschen Nachdichtungen von Dr. Hans Rosenberg Herder & Co. G.M.B.H. Verlagsbuchandlung 1923, Erste Abteilung, S. 189+191. Imprimatur Friburgi Brisgoviae, die 7 Iunii 1923 Dr. Mutz, Vic. Gen.</ref>
  • D) Deutsche Übertragung von Wolters <ref>aus: Friedrich Wolters (Hrsg): Hymnen und Sequenzen. (Deutsche) Übertragungen aus den Lateinischen Dichtern der Kirche vom IV. bis XV: Jahrhundert. Georg Bondi Verlag Berlin 1922, S. 56+57 (2. Ausgabe; 175 Seiten), Nachdruck Salzwasser-Verlag Gmbh März 2013 (ISBN 9783846027127).</ref>