Athanasius Schneider: Die Heiligkeit der Liturgie im Zeugnis der Kirchenväter
Quelle: Helmut Prader: „Das Heilige und die Gottesfurcht, Referate der „Internationalen Theologischen Sommerakademie 2016“ des Linzer Priesterkreises, Christiana Verlag im Fe-Medienverlag Kisslegg-Immenried 2017, S. 215-237 (1. Auflage, 300 Seiten, ISBN 978-3-7171-1282-2). Für Kathpedia genehmigt durch Athanasius Schneider am 2. Mai 2024.
1. Von den Zeiten der Apostel an his zum heutigen Tag war die heilige Mutter Kirche mit Sorgfalt darauf bedacht, Gott eine solche kultische Verehrung zu erweisen, die Seiner großen Heiligkeit würdig ist. Deswegcn betet die Kirche zu Gott dem Vater dureh Jesus Christus im Heiligen Geist, wie man aus den Worten Jesu zur Samariterin ersehen kann: "Gott ist Geist und jene, die Ihn anbeten, müssen Ihn im Geist und in der Wahrheit anbeten" (Joh 4, 23). Nur im "Heiligen Geist" kann man Jesus wahrhaft als "den Herrn", d. h. als Gott, anbeten. Denn so sagt der heilige Paulus: ‚Niemand kann sagen Jesus ist der Herr', als nur im Heiligen Geist" (1 Kor 12,31. Die erste Bitte im Gebet des Herrn lautet: "geheiligt werde Dein Name" (Mt 6,9). Folglich, wenn jemand Gott „im Geist und in der Wahrheit" anbeten will, muss er sich dessen bewusst sein, dass Er der "Allheilige" ist, und deswgen auch im äußeren Verhalten Ehrfurcht zeigen. In Seinem Hohenpriesterlichen Gebet spricht Jesus zu seinem Vater mit den Worten "Heiliger Vater" (Joh 17,11). Und dann bittet Er den Vater: "Verherrliche Deinen Sohn. damit der Sohn Dich verherrlicht" (Joh 17,2). Unser Herr Jesus Christus ist der wahre Anbeter des Vaters. Seine Worte und Sein Beispiel sind die eigentliche Grundlage für das echte Verständnis und die Reform der Liturgie. Die Kirche der Apostel und der Väter der ersten Jahrhunderte hat den wahren Geist der Liturgie, so wie er von unserem Göttlichen Meister Jesus Christus verwirklicht wurde, getreu empfangen und in die Tat umgesetzt. Die Kirche muss ihre liturgische Praxis immer am Geist und an der Norm der heiligen Kirchenväter messen, insbesondere in den geschichtlichen Perioden einer liturgischen Krise. Niemand kann im Ernst leugnen, dass die Kirche unserer Zeit eine tiefe Krise der Liturgie durchmacht, die besonders das Geheimnis der heiligen Eucharistie berührt. In den folgenden Überlegungen möchten wir das Prinzip der "altehrwürdigen Norm der Heiligen Väter" ("pristina sanctorum Patrum norma") beleuchten und dabei einige Themen hervorheben, wie z. B.: das Bewusstsein von Gottes Heiligkeit als grundlegende Haltung des christlichen Gottesdienstes. Die christliche Liturgie hat ihr Vorbild in der himmlischen Liturgie gemäß dem Zeugnis der Heiligen Schrift und der Kirchenväter, konkrete Gesten einer echten liturgischen Reform. Eine Übereinstimmung mit dem Geist und der Norm der Liturgie aus der Zeit der Kirchenväter bedeutet sicherlich nicht, dass wir bestimmte vorübergehende geschichtliche Praktiken kopieren sollen - das wäre ein liturgischer Archäologismus -, sondern dass wir den Inhalt ihrer liturgischen Lehre und das Gesetz der organischen Entwicklung des christlichen Gottesdienstes tiefer verstehen.
2. Das Bewusstsein von Gottes großer Heiligkeit muss die erste Haltung des christlichen Gottesdienstes sein. Aus dieser Haltung müssen dann gleichsam naturgemäß äußere Gesten der Anbetung hervorfließen, wie z. B. Verbeugungen, Prostrationen, Schweigen, dies alles als Ausdruck einer tiefen Ehrfurcht. Das maßgebliche Zeugnis für diese grundlegende Haltung des christlichen Gottesdienstes finden wir im Buch der Geheimen Offenbarung, welche die himmlische Liturgie als das wahre Vorbild des Gottesdienstes auf Erden beschreibt. Das ist der Grundsatz und das beständige Merkmal der Liturgie im Laufe von 2000 Jahren, angefangen von den Apostolischen Vätern bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil. Aus den zahlreichen Zeugnissen dieser Haltung möchten wir lediglich Papst Klemens I. (1. Jahrhundert) anführen, der die liturgische Tradition der Kirche in Rom widerspiegelt, das "Martyrium der heiligen Perpetua und Felizitas", Tertullian (2. und 3. Jahrhundert), welche die liturgische Tradition der Kirche in Nordafrika widerspiegelt, die "Anaphora des heiligen Jakobus" und die "Mystagogischen Katechesen" (4. Jahrhundert), welche die liturgische Tradition von Jerusalem bezeugen, während der heilige Johannes Chrysostomus (4.- 5. Jahrhundert) ein Zeuge der liturgischen Tradition von Antiochien und Konstantinopel ist. Die Liturgie der Kirche muss ihr Maß an der himmlischen Liturgie nehmen. Wenn folglich die Kirche auf Erden der Göttlichen Majestät kultische Anbetung erweist, insbesondere in der eucharistischen Liturgie, dann ist sie gehalten, dabei die Engel nachzuahmen in ihrer inneren Haltung der Herzensreinheit wie auch in ihren Gesten. Die folgenden Zeugnisse aus der Zeit der Kirchenväter beweisen, dass dies das Bewusstsein der universalen Kirche war: sei es in Rom, Karthago, Jerusalem, Antiochien oder Konstantinopel. Daraus folgt, dass diese Haltung ein unverzichtbares und beständiges Kriterium für eine authentische liturgische Tradition ist.
3. Die folgenden Worte des heiligen Papstes Klemens I. widerspiegeln zweifellos die liturgische Tradition der römischen Kirche seiner Zeit: "Lasst uns die ganze Schar der Engel betrachten, wie sie dem Willen Gottes in Seiner Gegenwart dienen (leiturgusin). Denn wie die Schrift treffend sagt: 'Tausende und Abertausende dienen Ihm, und unzählige Scharen huldigen Ihm (eleiturgun) und rufen (Dan 7, 10b): 'Heilig, heilig, heilig ist der Herr der Heere, die ganze Schöpfung ist erfüllt von Seiner Herrlichkeit' (Jes 6,3). Und so sollen auch wir, wenn wir uns zum Gottesdienst versammeln, inständig in derselben Weise rufen, mit bereiten Herzen und mit einer Stimme, damit wir Anteil erhalten an Seinen großen und herrlichen Verheißungen" (1 Clem 34,5-7). Hier lehrt der heilige Papst dass die Versammlung ("synaxis"), d.h. die liturgische Versammlung, die Art und Weise der anbetenden Engel im Himmel nachahmen soll, indem er den göttlich offenbarten Gesang des "Sanctus" oder des "Trishagion" (Dreimalheilig) zitiert, wie er dem Propheten Jesaja offenbart wurde (vgl.Jes 6,1-3). Papst Klemens ist davon überzeugt, dass die Anbetung der Göttlichen Majestät und Seines heiligen Willens zur geistigen Einheit unter den Gläubigen führen wird. Diese Beschreibung der himmlischen Liturgie lehrt uns, dass der Gottesdienst vollkommen auf den Dreieinigen Gott ausgerichtet sein muss, in liebendem Gehorsam Seinem Willen gegenüber Ihm allein Ehre erweist, und zwar auch durch heilige Gesten, wie Verbeugungen, Bedeckung des eigenen Gesichtes, selber sozusagen verschwindend, um das heilige Antlitz Gottes klar aufscheinen zu lassen. Wenn man Gott den ersten Platz in seinem eigenen Herzen gibt und die Engel nachahmt in der Anbetung des Willens Gottes, gelangt man zur wahren Einheit mit Gott und zur Harmonie der Seele.
In den Kapiteln 40 und 41 seines Briefes an die Korinther lehrt Papst Klemens I., dass die Liturgie der Kirche ihr Vorbild ebenfalls in der Liturgie des Alten Bundes hat, die ihrerseits ihr Vorbild in der himmlischen Liturgie sah (vgl. Ex 25,40 und Apg 7,44). Die Liturgie der christlichen Gemeinde muss auf einer von Gott festgesetzten Ordnung gründen (im Griechischen: "taxis", im Lateinischen: "ordo"). Die Tatsache, dass Papst Klemens das Wort ordo in der christlichen Liturgie hervorhebt, offenbart, dass er von der biblischen priesterlichen Mentalität abhängt, wie sie vor allem im Hebräerbrief aufgezeigt wird. Es ist bezeichnend, dass die gegenwärtige Römische Liturgie immer noch das Wort ordo im Ausdruck Ordo Missae benützt, in dem bis in die Einzelheiten der Ablauf der eucharistischen Liturgie geregelt wird. Papst Klemens sagt, dass die Bischöfe und Priester (Presbyter) der Kirche in Korinth ihre Gaben darbringen (im Griechischen: "prospherein dōra", im Lateinischen: "offerre munera"), und zwar in einer frommen und unbescholtenen Weise (vgl. 1 Clem 44,4). Er beschreibt das eucharistische Opfer der Kirche in einer Terminologie, die an die Opfer des Alten Bundes erinnert. Im Bewusstsein der römischen Kirche des ersten Jahrhunderts sah man eine Parallele zwischen den Opferhandlungen des Alten und Neuen Bundes. Diesseibe Auffassung findet man in liturgischen Texten, wie der Didache oder der Lehre der Zwölf Apostel aus dem 1.-2. Jahrhundert und in den Apostolischen Konstitutionen aus dem 4.-5. Jahrhundert. Das Wissen um den höchst sakralen Charakter der Handlungen in der christlichen Liturgie widerspiegelt sich in einer typischen sakralen Sprechweise, die in einem Prozess der Kontinuität von Mose (Exodus), den Propheten (Jesaia), den Aposteln, insbesondere durch den Hebräerbrief, bis zur Zeit von Papst Klemens I. überliefert wurde, der die Bezeichnung "der Allheilige" für Gott benützt (im Griechischen: "panhagios", vgl. 1 Clem 35,3). Das ist das erste Zeugnis für die Verwendung dieses Titels in der christlichen Literatur (vgl. A.Jaubert, Clément de Rome. Épitre aux Corinthiens, Sources Chrétiennes. 167, Paris 1971, S. 157).
4. Unser nächstes Zeugnis aus dem 2. Jahrhundert kommt aus der Kirche Nordafrikas. Die Erzählung vom Martyrium der heiligen Perpetua und Felizitas (n.12,2), berichtet Folgendes: Als diese zwei ruhmvollen Frauen, Märtyrerinnen der Alten Kirche, in die himmlische Herrlichkeit eintraten, hörten sie die Engel singen: "Heilig, heilig, heilig ohne Ende" ("Hagios, hagios, hagios sine cessatione"). Es ist bezeichnend, dass hier eine griechische Formulierung des Gebets in einem lateinischen Text verwendet wird, was möglicherweise darauf hinweist, dass es sich hier um eine liturgische Formulierung in einer lateinischen Liturgie handelt, ähnlich dem "Kyrie eleison" in unserer heutigen lateinischen Liturgie. In Tertullians Traktat über das Gebet des Herrn (De oratione), dem ältesten Kommentar über das Vaterunser, findet man einen ähnlichen Bezug auf die Nachahmung der Engel in der Liturgie der Kirche auf Erden: "Die Engel, die den Thron Gottes umgeben, rufen ohne Ende 'Heilig, heilig, heilig!' Wenn wir also gewürdigt werden wollen, eines Tages Gefährten der Engel zu sein, müssen wir lernen, Gott schon hier auf Erden mit ihrer himmlischen Stimme zu singen und schon jetzt am Kult der künftigen Herrlichkeit teilzunehmen" (De oratione, 3,3: "Cui (Deo) illa angelorum circumstantia non cessant dicere: Sanctus, Sanctus, Sanctus! Proinde igitur et nos, angelorum, si meruerimus, candidati, iam hinc caelestern illam in Deum vocem et officium futurae claritatis ediscimus“).
5. Die sogenannte Anaphora des heiligen Jakobus stellt eine alte liturgische Tradition von Jerusalem dar, der Mutter aller christlichen Gemeinschaften. Sie wird zumindest auf das 4. Jahrhundert datiert, weil die Mystagogischen Katechesen des heiligen Cyrill von Jerusalem sich auf sie beziehen (vgl. L. Maldonado, La Plegaria eucaristica. Estudio de teologia biblica y litúrgica sobre la misa. BAC. 273, Madrid 1967, 422-440; A. Piédagnel, Cyrille de Jérusalem. Catéchèses mystagogiques. Sources Chrétiennes. 126, Paris 1988, S. 153.). Die Präfation der Anaphora paraphrasierend sagt der heilige Cyrill, dass beim Singen des Engelgebetes "Sanctus" die Gläubigen in eine geistige Gemeinschaft mit den Engeln eintreten. Die ganze Schöpfung, sogar der sichtbare Kosmos, muss in diesen gemeinsamen Akt der Anbetung eingeschlossen werden:
"Wir haben des Himmels gedacht, der Erde und des Meeres, der Sonne, des Mondes und der Sterne, aller vernüriftigen und unvernüriftigen Geschöpfe, der Engel, Erzengel, Mächte, Fürsten, Gewalten, Throne und der Cherubim mit mehreren Gesichtern und die die Einladung Davids mächtig verkünden: ‚Lobt mit mir den Herrn' (Ps 34,4). Wir elwähnen auch die Seraphim, die Jesaia im Heiligen Geist betrachtete, wie sie den Thron Gottes umgaben. Jeder von ihnen hatte sechs Flügel: Mit zweien verhüllten sie ihr Gesicht, mit zweien verhüllten sie ihre Füße und mit zweien erhoben sie sich im Flug' (Jes 6,2-3)."
Aus diesen Worten kann man schließen, dass dieser Lobpreis uns von den Seraphim vermittelt wurde, so dass durch unsere Teilnahme an diesem Lobpreis wir in Gemeinschaft treten können mit den "Chören, die über der Welt erhoben sind" (Cat. Myst. V, 6). Die Anaphora des heiligen Jakobus zeigt auf, dass der Mund der Seraphim unablässig eine "Theologie" singt, die niemals eine "schweigende Theologie" (asighetois theologiais) wird. In diesem Kontext bedeutet "Theologie" Denken und Sprechen über Gott und insbesondere Ihm Lob und Anbetung erweisen. Dabei entdeckt man den tiefen Sinn der christlichen Liturgie, d. h. dass alle Akte des Kultes in Worten oder Gesten darauf ausgerichtet sind den Dreieinen Gott zu loben und Ihn zu erheben. Äußere Formen des Lobes und der Anbetung sollen der inneren Wahrheit über Gott entsprechen. Lobpreis Gottes muss immer "Theologie" sein. Mit anderen Worten, äußerer Kult wie Lobpreis soll derart verrichtet werden, dass er den wahren Glauben an den Dreieinen Gott ausdrückt: an den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist. Jedes Wort und jede Geste in der christlichen Liturgie sollte streng "theologisch" sein, d. h. sollte die Reinheit unseres Glaubens ausdrücken und darauf hinzielen, dem Dreieinen Gott Ehre ("doxa") zu erweisen.
Man kann sagen, dass Liturgie im tiefsten Sinn des Wortes "theozentrisch" sein soll. Eine rein anthropozentrische Art und Weise des Gottesdienstes wäre in direktem Gegensatz zum biblischen und patristischen Verständnis des Gottesdienstes. Die Teilnahme am "Sanctus", dem Gesang der Engel, befähigt die Gottesdienstteilnehmer und Anbeter hier auf Erden, sich die innere Haltung und das äußere Verhalten der Engel und Heiligen anzueignen, die ganz theozentrisch und folglich christozentrisch sind. Und dieser Fall ist gegeben in der eucharistischen Liturgie oder der Heiligen Messe, wo Jesus Christus wirklich und wesenhaft gegenwärtig ist durch den sakramentalen Akt der Vergegenwärtigung Seines Opfers auf Golgota hier auf Erden unter den Gestalten von Brot und Wein. Manche Details in der Beschreibung der Engel in der "Anaphora des heiligen Jakobus" wie auch in den "Mystagogischen Katechesen" beleuchten noch klarer die wahre Bedeutung der Liturgie. Die Engel verhüllen ihr Angesicht, wenn sie Gottes Heiligkeit und Ehre verkünden. Es ist hier eine entsprechende Geste der Anbetung in der Form der Prostration (des Hingestrecktseins auf dem Boden), die in der Bibel "proskynesis" genannt wird. Wenn Gott in dieser Form des Hingestrecktseins auf dem Boden angebetet wird, so ist beim Hingestrecktsein auf dem Boden das Antlitz der anbetenden Person kaum zu sehen. Eine tiefe Verneigung mit dem Haupt oder die Kopfverneigung beim Knien und erst recht das Hingestrecktsein mit dem ganzen Leib widerspiegelt die Geste der Engel, als sie ihr Gesicht in der Gegenwart der Göttlichen Majestät verhüllten.
Manche Entsprechungen der Gesichtsverhüllung, wie sie im Buch Jesaia, Kap. 6 und in der "Anaphora des heiligen Jakobus" beschrieben sind, kann man in dem liturgischen Brauch des Römischen Ritus sehen, wenn der Priester oder der Diakon seine Hände verhüllt, um das Volk mit der Monstranz zu segnen, die den Eucharistischen Christus enthält, oder wenn der Subdiakon seine Hände verhüllt, wenn er die Patene hält in der außerordentlichen Form des Römischen Ritus, oder wenn der Bischof Handschuhe beim Zelebrieren einer Pontifikalmesse benützt, um seine Hände zu verhüllen. Die Salbung der Hände während des Ritus der Priesterweihe kann ebenso als eine Art von Verhüllen der Hände verstanden werden. In den Orientalischen Liturgien geschieht die Geste des Verhüllens durch Vorhang oder durch die Ikonostase während des Eucharistischen Gebetes, des Kanons. Der Vorhang, der den Altar verhüllte, war viele Jahrhunderte im ersten Jahrtausend Teil der liturgischen Tradition der Römischen Kirche (vgl. Dictionnaire d'Archéologie Chrétienne et de Liturgie, III, 1588-1612;]. Braun, Der christliche Altar, München 1924, II, 133-148).
Liturgische Gesten, wie z. B. die Prostration, die Kniebeuge, die tiefe Körperverneigung, das Hinwenden des Gesichtes zum Herrn, der auf dem Altarkruzifix dargestellt ist, all dies sind Gesten, die jenen der anbetenden Engel ähneln, wie sie in der Heiligen Schrift beschrieben sind. Die Zeichen des Verhüllens (z. B. das Verhüllen des Altarraums, der liturgischen Gegenstände) während der Liturgie sind somit ein beeindruckendes und tiefsinniges Zeichen für den inneren Akt der Anbetung der Göttlichen Majestät. Ein wahrer Akt der Anbetung während der Liturgie muss die Aufmerksamkeit nicht auf den Zelebranten, sondern auf Christus lenken. Folglich muss der Zelebrant sich selbst sozusagen verhüllen, d. h. dass er sein Gesicht von den Blicken der Menschen abwendet und sich selbst in einer gewissen Weise in aller Demut in der unaussprechlichen Gegenwart Gottes entäußert. Das ist besonders wichtig in der Feier der Messe, in der die Gläubigen ihre Aufmerksamkeit auf Christus hin lenken sollen, indem sie Ihn loben, erheben und Ihn anbeten.
Manche liturgischen Gewohnheiten widersprechen offensichtlich dem biblischen und patristischen Verständnis der Liturgie wie auch der liturgischen Überlieferung der ersten Jahrhunderte. Das ist der Fall, wenn der Zelebrant während der Messfeier eine solche Position im Altarraum einnimmt, die das anwesende Volk dazu zwingt, während der ganzen Feier ihre Aufmerksamkeit mehr auf das Gesicht des Zelebranten als auf Christus zu richten. Wenn es während der liturgischen Feier sehr wenige Gesten der Verneigung, des Kniens und des Verhüllens gibt, wenn Laien erlaubt wird, das wesensverwandelte eucharistische Brot mit unverhüllten, d. h. mit ungeweihten Händen zu berühren, entspricht das wirklich dem wahren Geist der Liturgie, wie es von der Heiligen Schrift und von den Vätern der ersten Jahrhunderte bezeugt ist? Die Zeugnisse der liturgischen Überlieferung der ersten Kirche in Jerusalem lehrten, dass in einer authentischen christlichen Liturgie die vertikalen, transzendenten, theozentrischen, christozentrischen und eucharistiezentrischen Elemente vorherrschen müssen.
6. Der heilige Johannes Chrysostomus, der "Eucharistischer Lehrer" genannt wird, gilt auch als Verfasser der Göttlichen Liturgie oder Anaphora, die seinen Namen trägt. In seinen Predigten hebt er wiederholt die Gegenwart der Engel in der irdischen Liturgie hervor und lädt die Gläubigen ein, Gott in geistiger Einheit mit ihnen anzubeten. Er nennt die Engel "synduloi" d. h. "Mitknechte" der Gläubigen, die freudig die österliche Eucharistische Liturgie feiern. Dieser Ausdruck geht auf das Buch der Offenbarung zurück (19,10; 22, 9; vgl. PG 50, 435). In seinen Homilien über Jesaja beschreibt der eucharistische Lehrer die geistige Einheit der Gläubigen mit den anbetenden Engeln. Dabei wird der Gottesdienst der Gläubigen derart dargestellt, als ob man ihre Stimme von der der Engel nicht unterscheiden könnte, als ob es nur eine Stimme wäre, nämlich die der Gläubigen und die der Engel, die den Gesang "Heilig, heilig, heilig" singen. Die Grundlage dieser Einheit ist Christus selbst durch Sein Opfer am Kreuz.
Dank der Menschwerdung des Sohnes Gottes wird das Dreimalheilig (trishagion, ter sanctus), das vorher nur von den Engeln im Himmel gesungen wurde, nun von der Gläubigen auf Erden gesungen, im Gleichklang mit ihnen. Die Konstitution Sacrosanctum Concilium des Zweiten Vatikanischen Konzils über die heilige Liturgie liegt auf derselben Gedankenlinie. Dort lesen wir: ,Jesus Christus, der Hohepriester des Neuen und Ewigen Bundes, hat, als Er die Menschennatur annahm, in diese irdische Verbannung jenen Gesang mitgebracht, der in alle Ewigkeit in den himmlischen Wohnungen gesungen wird. Er versammelt um Sich die ganze Menschheitsfamilie und lässt sie teilnehmen an diesem göttlichen Lobgesang" (n. 83: "Summus Novi atque aeterni Testamenti Sacerdos, Christus Iesus, humanam naturam assumens, terrestri huic exsilio hymnun illum invexit, qui in supernis sedibus per omne aevum canitur. Universam hominum communitatem ipse sibi coagmentat, eandemque in divino hoc concinendo laudis carmine secum consociat"). Der heiligeJohannes Chrysostomus ermahnt seine Gläubigen ebenso, indem er ihnen sogar konkrete Hinweise gibt, wie sie sich mit den Engeln geistig vereinen sollen, wenn sie Gottesdienst feiern. Man kann seine Worte folgendermaßen paraphrasieren: "Singt in der gleichen Weise wie die Engel es tun, singt zusammen mit ihnen. Wenn die Engel aufrecht stehen, so steht auch ihr aufrecht mit ihnen, wenn sie ihre Flügel ausbreiten, so sollt auch ihr die Flügel eurer Seele ausbreiten und den Engeln gleich, die über dem Thron Gottes schweben, sollt auch ihr in euren Gedanken um Gott kreisen".
Lasst uns diese Worte des heiligenJohannes Chrysostomus näher betrachten: "Habt ihr diese Stimme erkannt? Ist diese Stimme unsere Stimme oder ist es die Stimme der Seraphim? Diese Stimme ist gleichzeitig unsere Stimme und die Stimme der Seraphim, und zwar dank Christus, der die Wand der Trennung niederriss und Himmel und Erde versöhnt hat, indem Er sie eins machte. Es ist wahr, dass dieser Gesang vorher nur im Himmel gesungen wurde, aber als unser Herr sich gewürdigt hat, auf die Erde zu kommen, brachte Er diesen Lobgesang auch zu uns. Deshalb lädt uns der Priester, wenn er am heiligen Tisch steht, um die geistige Anbetung darzubringen ("logiken latreian"), das unblutige Opfer darzubringen, nicht nur andächtig zuzuhören, sondern nachdem er zuerst die Cherubim und dann die Seraphim erwähnt hat, ermahnt er uns alle, diesen ehrfurchtgebietenden Lobgesang zum Himmel emporzusenden, da wir ja Glieder ihres Chores sind ("synchoreuónton"). Danach lädt er uns ein, unsere Gedanken über das Irdische zu erheben und wir hören in Freude diese oder ähnliche Worte: 'Singt zusammen mit den Seraphim, steht aufrecht zusammen mit den Seraphim, breitet die Flügel eurer Gedanken zusammen mit ihnen aus und umgebt den Thron des Königs zusammen mit ihnen'" (hom. in Ist. 6,3).
Die konkrete Grundlage des sakralen, transzendenten und ehrfurchtgebietenden Charakters der Liturgie ist nicht eine schöne Idee oder ein religiöses Gefühl, sondern die Gabe der heiligen Liebe Gottes, die sichtbar auf den Opferaltar gelegt wurde, d. h. der Eucharistische Leib Jesu Christi, der mit dem Feuer des Heiligen Geistes erfüllt ist. In der gleichen Homilie über das 6. Kapitel des Buches Jesaja spricht der eucharistische Lehrer über die Gabe der Liebe ("charis tes philanthropias") und nennt sie "geistiges Feuer" (pyr pneumatikon). Diese sichtbare Gabe der göttlichen Liebe, welche die Gläubigen während der Eucharistischen Liturgie erfahren und empfangen können, verlangt von ihnen eine Haltung tiefer Ehrfurcht und Anbetung gemäß dem Beispiel der Seraphim, wie es der Prophet Jesaja beschrieben hat.
Keiner der Engel, nicht einmal der höchste Seraph wagt es, dieses göttliche Feuer des Eucharistischen Leibes Christi direkt zu berühren. In der Vision des Propheten Jesaja (vgl.Jes 6,6) finden wir die Erklärung dazu in dem Symbol der Zangen, mit denen der Engel die brennende Kohle vom Altar nahm. Der schwache und sündige Mensch aber darf die brennende Kohle des Eucharistischen Leibes Christi mit seinen bloßen Händen ohne Zangen berühren. Dies bezieht sich in erster Linie auf die Priester, deren Hände geweiht und gesalbt wurden und welche die Gewalt empfingen, "in persona Christi" Brot und Wein zu wandeln und den Eucharistischen Leib Christi, das "Allerheiligste" schlechthin ("sancta sanctorum") zu berühren und auszuteilen. In seinem Apostolischen Brief "Dominicae cenae" (n. 11) lehrte Papst Johannes Paul II., seligen Andenkens, diesbezüglich: "Wir sollten immer bedenken, dass wir ausgerechnet im Hinblick auf diese dienende Amtsgewalt hin sakramental geweiht und aus den Menschen erwählt wurden für das Wohl der Menschen. Wir Priester, insbesondere jene der Lateinischen Kirche, deren Weiheritus im Laufe der Jahrhunderte den Brauch der Salbung der Priesterhände hinzugefügt hat, sollten darüber tiefer nachdenken" („Meminisse insuper debemus nos semper ad hanc ministerialem potestatem esse sacramento consecratos atque ex hominibus assumptos ,pro hominibus'. Quae singula constituamus ante oculos necesse est nobis praesertim Ecclesiae Romanae Latinae sacerdotibus, quorum ordinationis ritus progredientibus saeculis addidit consuetudinem sacerdotis manus ungendi“).
In seinem Meisterwerk "Über das Priestertum" (6,4) sagt der heilige Johannes Chrysostomus, dass die Hände des Priesters heilig sein müssen, weil sie den Leib Christi berühren: "Bedenket, wie heilig die Hände sein müssen, die so etwas Heiliges berühren, wie heilig die Zunge sein muss, die diese Worte [der Wandlung] ausspricht und wie groß die Reinheit und Heiligkeit der Seele sein muss, die solch einen großen Geist willkommen heißt." Die folgenden Worte aus seiner Homilie über Jesaja 6,3 beleuchten sehr klar diesen Gesichtspunkt seiner liturgischen und eucharistischen Theologie:
"Wunderbar ist die Tatsache, dass, obwohl du zusammen mit den Seraphim in der Liturgie stehst, Gott es dir dennoch erlaubt hat, Dinge zu berühren, welche die Seraphim zu berühren nicht wagen. Der Prophet sagt: 'Dann flog einer der Seraphim zu mir und hielt eine brennende Kohle, die er mit der Zange vom Altar nahm'. Dieser Altar ist das Vorausbild ("typos") und die Abbildung ("eikon") dieses unseres Altars. Gleichfalls ist dieses Feuer das Vorausbild ("typos") und die Abbildung ("eikon") dieses geistigen Feuers. Die Seraphin wagten nicht, die Kohle mit ihren Händen zu berühren, sondern nahmen sie mit der Zange, wohingegen du sie mit deiner Hand nimmst. Bedenke doch die Würde der Gabe, die auf den Altar gelegt wurde und die größer ist als die Kohle, die der Seraph nur mit der Zange berührte. Und wenn du dann noch über die Liebe Gottes zu den Menschen ("philanthropia") nachdenkst, wirst du erkennen, dass Er unsere Schwäche nicht verschmäht hat, als Er auf den Altar die Gabe Seiner Liebe niederlegte."
7. Je mehr die Gläubigen erkennen, dass der Eucharistische Leib Christi das größte Zeichen der Heiligkeit und der Liebe Gottes ist, desto mehr müssen sie dieser Gabe antworten in einer inneren Haltung von Dankbarkeit, Demut und Liebe. Aus diesem inneren und vom Glauben erleuchteten Akt fließt naturgemäß ein äußeres Verhalten, das Anbetung und liebende Ehrfurcht ausdrückt. Deshalb können die äußeren Gesten der Anbetung und Ehrfurcht in der Liturgie nie als zweitrangig betrachtet werden. Die zutiefst beeindruckenden Beispiele des Benehmens der anbetenden Engel, wie sie in der Bibel beschrieben sind (vor allem im Buch Jesaja und in der Geheimen Offenbarung), bleiben ein Bezugspunkt für die Art und Weise, wie die Kirche auf Erden Gottesdienst hält, wenn sie Gott im Geist und in der Wahrheit (in Christus) anbeten will. Gemäß der Lehre der Väter der Kirche sind diese Beispiele der Engel dazu gegeben, damit sie von den Gläubigen nachgeahmt werden. Und diese Beispiele sind sehr konkret und für den Menschen zugänglich. Das erste dabei ist dies: innerlich auf Gott und Seine Ehre ausgerichtet sein, auf Sein Antlitz, und Sein Antlitz ist letztlich auf dem Antlitz Jesu Christi am Kreuz und im Sakrament der Eucharistie zu sehen. Dann folgt dies: Gottes Majestät zu erkennen, Seine Heiligkeit und Seine Liebe. Darauf folgt diese wichtige Bedingung: den barmherzigen Gott um die Gnaden der inneren Reinheit bitten. Aus diesem fließt dann der äußere Akt, d. h. sich auch in der äußeren Form klein machen: durch Verbeugung, durch Kniebeuge, durch Prostration. Dann folgen andere typisch äußere Akte der liebenden Ehrfurcht, wie z. B.: würdige Worte des Lobes und der Anbetung aussprechen wie das "Sanctus" der Engel, das Heilige mit einem Schleier oder hinter Stufen und einer Abgrenzung beschützen (Ikonostase, Kommunionbank), heilige Gegenstände küssen (an erster Stelle den Altar), schweigen während der Liturgie, das Allerheiligste (das Eucharistische und wesensverwandelte Brot) nur mit verhüllten, d. h. mit geweihten und gesalbten Händen berühren.
Wenn auch der heilige Johannes Chrysostomus die innere Reinheit der Seele als die erste Voraussetzung für eine echte Teilnahme an der Liturgie betont, so ermahnt er doch die Gläubigen erstaunlich klar, dass, wenn sie die Kirche betreten und an der Göttlichen Liturgie teilnehmen, sie äußere Gesten der Anbetung nach dem Beispiel der Engel ausführen sollen. Er nennt das Gebäude der Kirche "die Wohnstätte der Engel, der Erzengel, des Reiches Gottes und den Himmel selbst" (topos angelon, archangelon, basileia tu Theu, autos ho uranos; homo 36,5 in 1 Cor). Er erklärt dies seinen Gläubigen in folgender Weise: "Die Kirche ist der Himmel. Ihr könnt es euch folgendermaßen vorstellen: Wenn jemand euch in den Himmel mitnehmen würde, so würdet ihr sicherlich es nicht wagen, zu jemandem zu sprechen, nicht einmal wenn ihr dort euren Vater oder Bruder sehen würdet. Ähnlich ist es hier in der Kirche, man sollte hier nur über geistliche Dinge sprechen, denn hier ist der Himmel! Ihr solltet völlig mit großer Furcht und Andacht erfüllt sein, sogar vor dem heiligen und Ehrfurcht gebietenden Augenblick der Wandlung. Seid voll Ehrfurcht und Aufmerksamkeit, sogar bevor ihr die heiligen Schleier seht, die den Altar verhüllen, und bevor der Chor der Engel dem zum Altar schreitenden Priester vorausgeht. Ich sage noch mehr: Gerade in diesem Augenblick solltet ihr zum Himmel hinaufsteigen!" (ibid.)
8. Dieser kurze Überblick der patristischen Zeugnisse vom 1. bis zum 5.Jahrhundert widerspiegelt die weltkirchliche (universale) Theologie der Liturgie und die allgemein verbreitete Art und Weise der Gottesdienstfeier jener Zeiten von Rom bis Nordafrika, bis Jerusalem, bis Antiochien und Konstantinopel. Sie offenbaren unmissverständlich die Wahrheit, dass die erste und grundlegende Eigenschaft der christlichen Liturgie die Anbetung der Majestät des Dreieinen Gottes in der Eucharistischen Liturgie ist, voll Staunen und tiefer Ehrfurcht.
Solch eine Anbetung findet ihren konkreten Ausdruck bei der Heiligen Messe, wenn Christus, das Lamm Gottes, auf dem Altar im Augenblick der Wandlung geopfert wird und wenn die Gläubigen Ihn im Augenblick der heiligen Kommunion empfangen. Das geoffenbarte Wort Gottes selbst stellt uns diese Eigenschaften als die unabdingbare Norm des wahren Gottesdienstes vor, wie sie besonders offensichtlich ist im 6. Kapitel des Buches Jesaja und in der Geheimen Offenbarung. Die Kirche der Apostel und der Väter hat diese erste und grundlegende Eigenschaft der Liturgie getreu in die Tat umgesetzt: Und sie heißt die vertikale, transzendente, theozentrische und christozentrische Dimension, die durch die Akte der Anbetung, der biblischen "proskynesis" ausgedrückt wird mit all der Vielfalt in der äußeren Darstellung. Die Engel, die Erstgeschaffenen, verwirklichen diesen Gottesdienst in der vollkommensten und vorbildlichsten Weise. Sowohl die Heilige Schrift als auch die Kirchenväter beziehen sich gebotenerweise auf die Engel als Vorbilder zur Nachahmung, wenn sie die sakrale und transzendente Dimension des Gottesdienstes betonen. Der Brief an die Hebräer (1, 14) beschreibt die Engel als "Gottesdienst haltende Geister" (pneumata leiturgika). Sie waren die ersten Anbeter des neugeborenen Christus, wie wir es in Hebr 1,6 lesen können: "Wenn Gott Seinen Eingeborenen in die Welt einführt, sagt Er: 'Anbeten sollen Ihn alle Engel Gottes' " (prokynesatoson). Die Engel bitten uns, Gott allein anzubeten, sie lehnen die Anbetung der Geschöpfe kategorisch ab. Als ein Engel zum Apostel Johannes sprach, fiel der Apostel ihm zu Füßen und wollte ihn anbeten, der Engel aber sprach: "Tu das nicht. Ich bin Dein Mitknecht und der Mitknecht Deiner Brüder, die für Jesus Zeugnis ablegen. Gott bete an!" (proskynesan; Offb 19,10; 22,9). Aus dieser Episode kann man die Wichtigkeit dieses liturgischen Gesetzes erkennen, das da heißt: Wenn du die Liturgie feierst, dann darfst du die Geschöpfe nicht in den Mittelpunkt setzen, seien sie Engel oder der zelebrierende Priester, sondern nur den Eucharistischen Christus, denn der Priester ist nur der, der im Namen Christi handelt und spricht.
9. Das Zweite Vatikanische Konzil lehrt in der Konstitution Sacrosanctum Concilium (n. 2): "Die Liturgie, durch die besonders im göttlichen Opfer der Eucharistie 'das Werk unserer Erlösung vergegenwärtigt wird', befähigt die Gläubigen, in höchster Weise in ihrem Leben das Geheimnis Christi und das wahre Wesen der Kirche auszudrücken und es den anderen zu offenbaren, und dieses Wesen der Kirche hat die Eigenschaft, dass es gleichzeitig menschlich und göttlich ist, sichtbar ist und mit der unsichtbaren Wirklichkeit ausgestattet, glühend in der Tätigkeit und auf die Beschauung ausgerichtet, gegenwärtig in der Welt und dennoch pilgernd; und sie besitzt all diese Merkmale derart, dass das Menschliche in ihr auf das Göttliche ausgerichtet und ihm untergeordnet ist, die Tätigkeit auf die Beschauung ausgerichtet ist und das Gegenwärtige auf die künftige Stadt, zu der wir streben" (vgl. Hebr 13,14). („Liturgia enim, per quam, maxime in divino Eucharistiae Sacrificio, "opus nostrae Redemptionis exercetur", summae eo confert ut fideles vivendo exprimant et aliis manifestant mysterium Christi et genuin am verae Ecclesiae naturam, cuius proprium est esse humanam simul ac divinam, visibilem invisibilibus praeditam, actione firventem et contemplationi vacantem, in mundo praesentem et tamen peregrinam; ita quidem ut in ea quod humanum est ordinetur ad divinum eique subordinetur, quod visibile ad invisibile, quod actionis ad contemplationem, et quod praesens ad futuram civitatem quam inquirimus“).
Dieser erstrangige liturgische Grundsatz des Gesetzes des Gebetes ("lex orandi"), der auf dem Wort Gottes gründet, war nicht nur getreulich durch die Lehre der Kirchenväter überliefert, sondern konkret verwirklicht worden durch die Art und Weise, in der die Liturgie im Laufe der Zeiten gefeiert wurde. Jedesmal also, wenn die heilige Mutter Kirche liturgische Reformen in Angriff genommen hat, aufgrund zeitbedingter Praktiken, die dem wahren Wesen des Gottesdienstes entweder fremd waren oder ihm sogar widersprochen haben, hat sie als Kriterium die "altehrwürdige Norm der heiligen Väter" (pristina sanctorum Patrum normal angewendet. Die Liturgiereform, wie sie vom Konzil von Trient und vom Zweiten Vatikanischen Konzil gewünscht war, hat genau diesen Grundsatz als Bezugspunkt gehabt. Der heilige Papst Pius V. hat sich bei der Veröffentlichung des Römischen Messbuchs im Jahre 1570 in seiner Bulle "Qua primum" auf die "altehrwürdige Norm der heiligen Väter" bezogen. Derselbe Ausdruck wurde vom Zweiten Vatikanischen Konzil bei der Aufstellung der Grundsätze der Reform des Römischen Messbuchs verwendet (Sacrosanctum Concilium, 50) und dasselbe Kriterium wird in der Allgemeinen Einführung in das Römische Messbuch erwähnt (Nr. 7).
Die altehrwürdige Norm der heiligen Väter ist eben jener Grundsatz, der das Heilige, das Göttliche, das Himmlische und das Ewige betont, und zwar durch Akte der Anbetung und ihre entsprechenden äußeren Ausdrucksformen. Alle praktischen Normen in der Liturgie und erst recht jene Normen, die geprüft oder geändert werden sollten, müssten dieses Ziel haben: deutlicher das Heilige ausdrücken, wie das auch vom Zweiten Vatikanischen Konzil verlangt wurde: "Bei der Erneuerung der Liturgie sollten die Texte und Riten so geordnet werden, dass sie deutlicher das Heilige ausdrücken (textus et ritus ita ordinari oportet, ut sancta, quae signijicant, clarius exprimant)" (Sacrosanctum Concilium, 21).
Dieser Satz wurde auch von Papst Paul VI. zitiert in der Apostolischen Konstitution Missale Romanum vom 3. April 1969, durch die er das neue Römische Messbuch gutgeheißen hat. Eine Rückkehr zu den Vätern sollte zweifellos nicht eine Verarmung des Aspekts des Heiligen und Transzendenten in der liturgischen Feier bringen durch eine Verminderung von Gesten der Ehrfurcht und Anbetung, sondern im Gegenteil diese vermehren. Wenn man solche Gesten reduziert und dabei eine solche Reform als eine Rückkehr zur Norm der Väter bezeichnet, wäre das nicht nur ein offensichtlicher Widerspruch zu den patristischen Zeugnissen, sondern würde auch eine Haltung zeigen, die das Lehramt der Kirche als "liturgischen Archäologismus" in der Enzyklika Mediator Dei von Papst Pius XII. verurteilt hatte. Zwei Jahrzehnte vor der Liturgiereform, die dem Zweiten Vatikanischen Konzils folgte, hat Louis Bouyer treffend bemerkt, dass man die Zeugnisse der Väter in rechter Weise verstehen muss: "Um unsere Erkenntnis vom bleibenden Wert der Väter nicht mit jedem Versuch zu verwechseln, der das, was die Väter hatten und was sie taten und was nur ihrer Zeit eigen war, blind nachahmen und kindisch kopieren will, wäre es wahrscheinlich sicherer, die Väter nicht isoliert zu betrachten. Was wir eher tun sollten, ist, dass wir eine alles einschließende Sicht der Entwicklung des Gottesvolkes haben sollten, von den ersten Anfängen seiner Entwicklung bis zu seinem endgültigen Zustand, und zwar in jenen dauernden Einrichtungen und lebendigen Gedanken, die das Vermächtnis der Väter an uns und an alle Zeiten darstellen". (Life and Liturgy, London 1950, S. 21).
10. Eine liturgische Erneuerung, die mehr den christozentrischen und transzendenten Charakter der Liturgie betont durch konkrete Gesten der Anbetung, wie es am Beispiel der anbetenden Engel gezeigt wurde, würde dem Geist der Heiligen Schrift und der "altehrwürdigen Norm der heiligen Väter" sicherlich viel näher kommen. Und diese altehrwürdige Norm der Väter war der Bezugspunkt des Lehramtes der Kirche vom Konzil von Trient bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil, zumal beide Konzilien in wesentlicher Übereinstimmung über das Wesen der heiligen Liturgie sind. Wir wollen mit den Worten eines großen eucharistischen Heiligen abschließen, nämlich des heiligen Peter Julian Eymard, der uns ein leuchtendes Zeugnis vom authentischen Geist der Liturgie gibt: "Angefangen beim Letzten Abendmahl hat die Kirche durch alle Zeiten diesen Glauben verkündet. Ihre Apostel hatten nur eine Stimme, ihre Lehrer nur eine Lehre, ihre Kinder nur einen Glauben, eine Liebe zum Gott der Eucharistie. Wie majestätisch ist die Stimme des ganzen christlichen Volkes! Wie rührend und schön ist die Harmonie seiner Lobgesänge und seiner Liebe! Zum Zeugnis ihrer Worte fügt die Kirche das Zeugnis ihres Beispiels und ihres praktischen Glaubens hinzu. Wie Johannes der Täufer, der, nachdem er auf den Messias hinwies, sich Ihm zu Seinen Füßen warf, um seine Liebe und seinen Glauben zu beweisen, so widmet die Kirche der anbetungswürdigen Person Jesu im allerheiligsten Sakrament einen feierlichen Kult, ja ihren ganzen Kult. Sie betet Jesus Christus als Gott an, Der in der göttlichen Hostie gegenwärtig und verborgen ist. Sie zollt ihm die Ehre, die Gott allein gebührt; sie wirft sich vor dem Allerheiligsten Sakrament nieder gleich dem himmlischen Hof vor der Majestät Gottes. Hier sind Rangunterschiede nicht angebracht: Große und Kleine, Könige und Untergebene, Priester und das Volk fallen alle instinktiv auf ihre Knie vor dem Gott der Eucharistie. Es ist der gute und liebe Gott! Die Kirche ist nicht damit zufrieden, ihren Glauben allein durch Anbetung zu bezeugen; sie fügt noch öffentliche und prachtvolle Ehrbezeigungen hinzu. Die herrlichen Basiliken sind ein Ausdruck des Glaubens der Kirche an das Allerheiligste Sakrament. Die Kirche wollte nicht Grabmäler, sondern Gotteshäuser bauen, einen Himmel auf Erden, in dem ihr Heiland und Gott einen Ihm würdigen Thron finden würde. Mit einer delikaten und gewissenhaftesten Aufmerksamkeit hat die Kirche den eucharistischen Gottesdienst bis in seine kleinsten Einzelheiten geregelt. Die Angelegenheit in die Hand zu nehmen, um ihren göttlichen Bräutigam zu ehren, hat sie niemand anderem anvertraut; denn wenn es um die Frage der Realpräsenz Jesu Christi geht, ist alles wichtig, bedeutungsvoll und göttlich. Die Kirche wünscht dem königlichen Dienst Jesu alle echtesten und kostbarsten Dinge in der Welt zu weihen. In ihrer Liturgie ist alles auf das Geheimnis bezogen; alles hat eine geistige und himmlische Bedeutung; alles seine Eigentümlichkeit und enthält manche besonderen Gnaden. Wie leicht ist es für die Seele, sich in der Einsamkeit und Stille einer Kirche zu sammeln! Eine Versammlung von Heiligen auf ihren Knien vor dem Tabernakel lässt uns ausrufen: 'Hier ist jemand mehr als Salomon, hier ist einer mehr als ein Engel!' Jesus Christus ist hier, vor dem jedes Knie sich beugt, all derer, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind. In der Gegenwart Jesu Christi im Allerheiligsten Sakrament verschwindet und verblasst alle Größe, alle Heiligkeit demütigt sich und wird zu nichts. Jesus Christus ist hier!" (The Real Presence. Eucharistic Meditations, New York 1938, S. 42-44).