Johannes von Avila: Marienpredigten

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Predigten auf die Feste Mariä
des Kirchenlehrers Johannes von Avila

Quelle: Sämmtliche Werke des ehrwürdigen Juan de Avila, des Apostels Andalusiens. Zum erstenmal aus dem spanischen übersetzt von Franz Joseph Schermer, in Fraktur abgedruckt. Erster Theil (Band 1) Regensburg 1856, S. 223-384 (384 Seiten), Zweiter Theil (Band 3) Regensburg 1861, S. 197-468 (468 Seiten).

Erster Teil

I. Am Fest Mariä Geburt: Die geistige Verwandtschaft mit Christo

Liber generationis Jesu Christi. Buch der Abstammung Jesu Christi (Mt 1,1)

Wer Durst hat, so ruft der Erlöser, der komme, denn „ich will ihm zu trinken geben von der Quelle lebendigen Wassers, und zwar umsonst" Offb 21,6. Christus, unser Erlöser, Er ist — statt des Preises, um den wir Ihn erlangen sollen, — schon damit zufrieden, wenn wir eine Sehnsucht nach Ihm haben; er begehrt nicht mehr von uns. — Gott rühmt sich dessen, als eines Schmuckes, und lässt sich den Namen beilegen „der Ersehnte": denn nur demjenigen, der ein Verlangen nach ihm hat, mir dem gibt er sich hin, und er hat sich noch keinem entzogen, der sich nach ihm sehnte. Glaubt ihr, bevor er kam, unsere Not zu steuern und um unsertwillen Mensch zu werden, - glaubt ihr, da sei er minder ersehnt worden?

Was für Seufzer entschwebten — den Herzen und den Lippen: Ach, wann wird er kommen? Wann wird Er kommen; ist die Stunde schon da, wo Er kommen wird, Er, der uns retten soll? Warte ein wenig, sagt Gott, „noch eine kleine Weile ist's, so erschüttere ich den Himmel und die Erde, das Meer und das Trockne, und es wird kommen der von allen Völkern Ersehnte" (Hag 2, 7.8). Ich glaube, an diesem Tage, da wurde den Engeln im Himmel zu dieser frohen Botschaft im hohen Maße Glück gewünscht. O welche Freudenfeste haben sie wohl, — unter Jubel und Frohlocken, gefeiert! Wie viele trost- und mutlose Herzen sind durch die Hoffnung auf den Ersehnten getröstet und ermutigt worden, da sie die Zeit kommen sahen, wo Er kommen werde — mittelst der Geburt derjenigen, die ihn gebären sollte! Ich glaube, heute wurde die Weissagung des Propheten im geistigen und wahren Sinne erfüllt: „Alsbald wird zu seinem Tempel kommen der Herrscher, den ihr sucht, und der Engel des Bundes, nach dem ihr verlangt (Mal 3, 1). Der heilige Tempel Gottes, es ist der Schoß der Jungfrau Maria. Alsbald wird er kommen, wird nicht zaudern; er wird alsbald zu seinem Tempel kommen; die Jungfrau, die ihn gebären soll, ist schon geboren worden. Welches Glück wünschten die Engel den Vätern in der Vorhölle zu der frohen Botschaft; welche Freudenfeste feierten sie im Himmel ! Welcher Trost wurde den frommen Menschen auf Erden gewährt durch diese frohe Botschaft!

Die Jungfrau, von welcher der Ersehnte aller Völker geboren werden soll, ist schon geboren worden. Doch was hat dieses für einen Bezug auf uns? Die Geburt der Jungfrau gehört der Vergangenheit an; ich weiß, sie wird nicht mehr für uns wiederkehren. Glaubt ihr, die Barmherzigkeit Gottes sei zu Ende gegangen? Nein; wenn wir Glauben hätten, um Gott in diesem Leben zu danken für die Gnaden, die er uns durch dieses Mägdlein bescherte, dann würden wir die Geburt der heiligen Jungfrau in unsern Herzen empfinden. Wie würde dann unsere Seele Freuden kosten, Freuden, ähnlich den Freuden des Himmels!

Ist hier jemand, der ein Verlangen hat, Gott zu finden? O Herr, der du mich — durch das Verlangen nach dir — tötlich verwundet hast, — so lange suche ich dich, und kann dich nicht finden! — Verleih mir, o Herr, die Gnade, dich als denjenigen zu erkennen, der du bist. Ja, o Herr, ich habe ein großes Verlangen nach dir, und kann dich nicht finden. Gleichwie die Geburt Marias damals ein Zeichen war, dass Christus nahe, so möge uns jetzt dieses, dass sie heute geboren ward, als Zeichen dienen, dass wir die Gnade erlangen werden, auf eine würdige Weise von ihrer Geburt zu sprechen.

Die geistige Verwandtschaft mit Christo I.

„Buch der Abstammung Jesu Christi": das sind die Worte, womit das Evangelium des heutigen Festes der Geburt Marias beginnt. Indes was hat die Abstammung mit Gott zu tun? Was hat die Abstammung für einen Bezug auf Jesus Christus? Die Worte: „Abraham zeugte Isaak, Isaak zeugte Jakob" u. s. w., die müsst ihr der leiblichen Abstammung nach deuten. O Herr, wozu befiehlst du dieses niederzuschreiben, wenn du andernteils befiehlst, wir sollten das Fleisch, den Leib, gering schätzen, und alle Ehre, und allen eitlen Ruhm? Gab es ja, — wenn du dich doch deiner Abstammung rühmen willst, unter diesen Abkommen so viele Böse, dass an dieser Abstammung eher Unehre haftet, als Ehre!

Einer von denselben war Manasses, der Jerusalem mit dem Blut der Propheten, der Diener Gottes, anfüllte, und ein großer Verehrer der Götzen war. Zu ihnen gehörte auch Achab, ja, war noch schlimmer. Unter ihnen fand sich ein Edler, nämlich der König Ezechias. — Warum lässest du deine Stammverwandten zählen? Aus zwei Gründen: erstens, um des Glaubens willen; denn es ward geweissagt, der Messias werde aus dem Stamm Juda und dem Haus und dem Geschlecht Davids hervorgehen, — und — weil, wenn er nicht zum Stamm Juda gehörte, er auch nicht zum Haus Davids gehören konnte. Daher heißt es: „Mathan zeugte Jakob, und Jakob zeugte Joseph, den Mann Marias."

Ehrwürdiger Vater, wenn Christus dem Joseph nicht entstammte, da er nicht sein Sohn, sondern der Sohn Marias war, da er durch den Heiligen Geist empfangen wurde; — wie bewährt es sich, dass Jesus Christus zum Stamm Juda gehörte, und dem Geschlecht Davids entsprosste, wenn wir bloß jene aufzählen, denen Joseph entstammte? Maria und Joseph gehörten zu demselben Stamm; denn damals vermählten sich die Abkommen des einen Stamms nicht mit jenen des anderen Stamms; und so geht daraus, — wenn wir die Stammverwandten Josephs aufzählen, — der sich mit Maria, der Mutter Jesu, vermählte, so recht deutlich hervor, dass er zum Stamm Juda gehört und zum Geschlechte Davids.

Doch warum vermählten sich einmal Sprossen des Stammes Levi mit jenen eines andern Stammes? War nicht Elisabeth die Base Marias und gehörte sie nicht zu demselben Stamm? So ist es denn nicht erwiesen, dass Christus dem Stamm Juda entsprosste, wenn wir darlegen, dass es Joseph war, der sich mit Maria verlobte, da sie verschiedenen Stämmen angehören konnte. Wie werden wir demnach erfahren, dass die Entsprossung aus dem nämlichen Stamm wirklich der Fall gewesen? Mochten sich auch einige aus einem Stamm mit einem andern vermählen, so hatte es doch mit dem Stamm Christi seine volle Richtigkeit; dieses um so mehr, als ein anderer Evangelist sagt: „Es ging Joseph von Galiläa, von der Stadt Nazareth nach Judäa in die Stadt Davids, welch» Bethlehem beißt, weil er aus dem Haus und dem Geschlecht David's war" (Lk 2, 4).

Joseph und Maria entsprossten nicht bloß demselben Stamm, sondern waren auch nahe Anverwandte; und es genügte dem Evangelisten, zu bemerken, dass Joseph aus dem Stamm Juda und dem Geschlecht Davids war, ohne dass er Maria erwähnt, denn es war damals nicht Brauch, die Sprossen des Stamms von Seite der Frauen aufzuzählen. Wenn der Evangelist sagt: Joseph war der Vermählte Marias, so geht daraus deutlich hervor, dass Christus aus dem Stamm Juda und dem Haus und dem Geschlecht Davids war.

Die geistige Verwandtschaft mit Christo II.

Gott ließ die Stammverwandten seines Eingebornen Sohnes zweitens aufzählen zur Erbauung aller Menschen, hoher und niedriger; denn ob es gleich etwas Großes war, von Königen, von Fürsten und Patriarchen abzustammen, und ob diese auch dem Fleische nach Verwandte Jesu Christi waren; und ob es gleich — Maria zur unendlichen Ehre gereichte , die Mutter Gottes zu sein : — so fanden sich doch unter diesen viele Böse; denn diese Verwandtschaft mit Christus konnte nicht bewirken, dass diese gut waren; noch — ist dem Erlöser dadurch, dass er von Königen, Fürsten, Patriarchen abstammte, Ehre und Größe zuteil geworden. »,

Nein, er empfing durch die Abstammung von ihnen keinen Vorzug; fand sich indes ein solcher an ihnen, so empfingen sie ihn vielmehr von ihm. Je näher diese ihre Verwandtschaft ist, desto, edler müssen sie sein, um dem Verdienst und den Eigenschaften der Guten näher zu kommen; — je näher sie verwandt waren, desto mehr mussten sie sagen, sie stiegen empor, und nicht, sie stiegen herab. Die Herkunft (wovon hier die Rede ist) ist dem Fleische nach zu verstehen. (Es gibt, sagt der Apostel einmal in einem Brief an die Korinther, kein Mittel, um den Kindern Israel die Decke, die auf ihrem Herzen liegt, wegzunehmen, bis sie sich in Wahrheit zu Christus, dem Erlöser, bekehren. Diese Decke lag darauf, seit Moses, das Angesicht mit einer Decke verhüllt, zu ihnen redete, damit sie den Glanz desselben nicht sehen möchten (2 Kor 3). Der Herr ist nicht Fleisch, sondern Geist; sich zu Gott bekehren, heißt sich demnach zum Geist bekehren. Jenes Gesetz, so voll von Gebräuchen, jenes Gesetz, so dunkel nach außen, — das nach innen mit so viel Licht erfüllt war, — gleich dem Moses, dessen Angesicht so viel Licht umfloss, und das er von außen mit einer Decke verhüllte, — jenes Gesetz ward vergeistigt. — Da betrachtet das Auge nicht das, was jenes Gesetz nach außen bedeutet, nein, die Geheimnisse, die darin verschlossen sind. Ja, das Gesetz möge vergeistigt werden; doch auf welche Weise? Gott befahl: Esst nicht vom Fleische des Schweines, esst zu einer solchen Zeit ein Lamm (Dtn 14).

Allein wie ist das zu verstehen: „nicht vom Fleisch des Schweines essen, heiße keine Sünden fleischlicher Lust begehen?" Wie ist das Essen vom Lamme zu verstehen? Dieses Essen vom Lamme, und das Nichtessen vom Fleisch des Schweines, es ist in geistiger Beziehung zu deuten. — Was bewog dich, o Herr (da du doch das Fleisch nicht liebest, sondern einen so großen Widerwillen dagegen hast, und uns befiehlst, vor demselben zu fliehen), was bewog dich, uns die Sprossen deines Stamms aufzählen zu lassen? Lasst uns diese Abstammung — dem Fleische nach — in eine geistige verwandeln, und wir werden sehen, was den Evangelisten bewogen, die Abstammung Christi zu er zählen, die da eine geistige Abstammung Christi ist. Diese, o Brüder, diese lobt und preist; dieses soll euer sehnsüchtiges Verlangen erregen, nicht dieses, dass er von Abraham abstammt, von Isaak und Jakob und von David, von so vielen Königen und Patriarchen. Nein, das möge nicht euer sehnsüchtiges Verlangen erregen, dass Christus dem Fleische nach von so edler Abkunft ist; zu seiner geistigen Nachkommenschaft zu gehören, das muss für euch etwas Kostbares sein, das muss für euch einen höhern Wert haben, als sein leiblicher Anverwandter zu sein, ein so naher Anverwandter ihr auch sein möchtet. —

Sprach dieses Christus nicht aus, als er einmal noch mit dem Volke redete, und seine Mutter und seine Brüder an der Pforte standen, und Einer zu ihm sprach- „Sieh, deine Mutter und deine Brüder stehen draußen und suchen dich," und Er alsdann erwiderte: „Wer den Willen meines Vaters tut, der im Himmel ist, derselbe ist mir Bruder, Schwester und Mutter" (Mt 12, 46) ? Das ist es , was Gott anerkennt, das ist es, dem er einigen Wert beilegt. Ein anders mal, da entgegnete er einer Frau, das ihm unter dem Volke zurief: „Selig ist der Leib, der dich getragen, und die Brüste, die du gesogen (Lk 11, 27): ja freilich selig ist, der das Wort Gottes hört, und dasselbe beobachtet (Lk 11, 28)! Das heißt von edler Abkunft sein; der gehört zum geistigen Geschlecht Jesu Christi.

Die geistige Verwandtschaft mit Christo III.

Wollt ihr zu den Verwandten Christi gezählt werden? Wohlan, so hört: in dem heutigen Evangelium, da werden die Wege beschrieben, die jene gehen, welche zu diesem Stamm gehören, und die auch ihr gehen müsst, wenn ihr ihnen beigezählt werden wollt.

Wer ist der Erste bei dieser Abstammung? Abraham; doch habt nicht Abraham dem Fleische nach im Sinne; nein, lasst diesen bei Seite, denkt euch unter Abraham, was sich der Apostel denkt ; denkt euch Abraham als „Vater der Gläubigen". Steht ihr außerhalb dieser geistigen Abstammung, dann ist der erste Stein, die erste Grundlage, die ihr legen müsst, der Glaube: ihr müsst glauben, müsst eure Augen dafür, was Gott sagen wird, schließen, sei es wenig, sei es viel; sei es klar, sei es dunkel: um zuversichtlich zu glauben, was Er ausspricht, das werde sich unfehlbar also verhalten, dazu sei für euch dieses genug, dass es Gott sagt. Abraham war so alt, war so schwach, um eine Nachkommenschaft natürlicherweise erwarten zu sollen, dass er eher dem Grab gehörte; und auch Sara, seine Ehefrau, schon im jugendlichen Alter unfruchtbar, war damals bereits hochbetagt, und im hohen Maße schwach. Abraham war alt, denn er zählte hundert Jahre; die unfruchtbare Sara ist beinahe so alt, wie ihr Gatte! — was waren dieses — nach eurer Meinung — für Grundlagen zu einer Nachkommenschaft? - Indess diese zwei, Abraham und Sara, sie sind die Ersten, welche zum geistigen Geschlecht Jesu Christi gehören. — Wie? von solchen, die alt, die schwach, die mutlos sind, die keine Kraft haben, von solchen soll der Sohn des Segens geboren werden?

Ja, wer die Freundschaft Gottes, wer seine Liebe und Gnade besitzen will, der muss von solchen geboren werden, die alt und schwach sind, die auf sich kein Vertrauen haben, die, — mit Entfernung aller Eitelkeit, sich erniedrigen und demütigen: kommen wir doch nicht durch unsere eignen Kräfte in den Himmel, sondern durch die Gnade. Magst du auch weiser sein, als Salomon, magst du auch reicher sein, als jener König von Griechenland; es frommt dir Alles nichts. Doch du vertraust darauf, was du vermagst? Du darfst deinen geringen Kräften misstrauen.

Erkenne es, dass du nichts bist; sei nicht darauf stolz, was du weißt; fühle dich abhängig von der Barmherzigkeit Gottes! Die Weisheit, die begehren wir von ihm als ein Almosen, nicht unsrer Kräfte und Verdienste wegen. Sage, o Herr, kann ich dich erlangen ohne dich? Nein, ich kann nicht zu dir kommen ohne dich, ich kann nicht zu dir kommen, wenn du mir nicht Kraft und Stärke gibst, um zu dir zu kommen. Hilf mir; steh mir bei; denn du bist all mein Trost, all mein Schutz und Schirm; in deinen Händen liegt meine Kraft und Stärke und mein Mut, in deinen Händen liegt meine Seligkeit. Nur du kannst mir helfen, sonst nichts; in deine Hände, o Herr, empfehle ich mich.

Auf diese Weise denn müssen wir handeln, müssen uns für schwach, für ohnmächtig, für unfruchtbar, für arm, sehr arm erkennen; denn wir sind nicht im Stande, wir vermögen nicht durch eigne Kraft in den Himmel zu kommen. Nein ! wenn du dich deswegen rühmst, deswegen — einigermaßen mit dir selbst zufrieden bist, dass der Himmel dir gehöre, oder die Herzen der Menschen, dass dir beide gehören wegen deiner Keuschheit, wegen deiner Demut, wegen deiner Geduld, nein, dann wirst du niemals zum geistigen Geschlecht, zum geistigen Stamm Christi gehören. Nur auf diese Weise wirst du dazu gehören, wenn du dich erniedrigst, wenn du dich demütigst, wenn du dich geringschätzest, wenn du nicht aus deine Kräfte bauest: das sind die glückseligen Armen im Geiste, denn ihrer ist das Himmelreich!

Ich wünsche, o Herr, so sprach Salomon, nicht über mäßigen Reichtum; dass ich dadurch nicht etwa übermütig und zur Verleugnung gereizt werde (Spr 30, 8-9; Ps 61). — Sagt mir, was nützte dem Pharisäer sein Reichtum, wenn er, verurteilt, damit aus dem Tempel ging, weil er sich auf sein Vermögen verließ? Nützte dem Zöllner seine Armut nicht mehr, wenn er, gerechtfertigt, mit derselben aus dem Tempel ging, weil er auf sich und auf seine Kräfte Misstrauen setzte?

Ja, dem Armen ist das Himmelreich, demjenigen, der glaubt, er sei nichts, demjenigen, der es nicht wagt, vor Gott zu erscheinen , indem er seine Geringfügigkeit betrachtet; demjenigen, der spricht: O Herr, ich habe keinen Schmuck und keine Zierde, um vor dir zu erscheinen! Wie sollte, o Herr, ein so niedriges Geschöpf erscheinen vor der unermesslichen Güte, und vor einer solchen Hohheit, wie es die deinige ist? Ich bin nichts; ich vermag nichts. Du, o Herr, bist all mein Reichtum, meine Kraft, meine Stärke. Du, o Herr, bist all meine Hülfe und Stütze, du nur bist das Gut meiner Seele. »

Die geistige Verwandtschaft mit Christo IV.

Von diesen Schwachen nun, von diesen Unfruchtbaren wird Jesus Christus geboren; durch Demütigung und Selbsterniedrigung gelangen wir dahin, zu seinem Stamm zu gehören. O Herr, hatte denn Abraham mehr? Wenn er sich in ermutigender Zuversicht erging, so hatte er großes Vertrauen auf Gott. Es ist nicht genug, dass ihr euch für elend und unglücklich erkennt, wenn ihr dabei nicht auf Gott vertraut; es ist nicht genug, dass ihr eure Ohnmacht erkennt, wenn ihr nicht auf Gott vertraut, wenn ihr nicht glaubt, bei Gott walte Macht und Barmherzigkeit, um euch zu kräftigen und euch zu helfen. Es ist nicht genug, dass ihr eine so recht geringe Meinung von euch habt, wenn ihr nicht ganz erhaben von Gott denkt.

Gewiss. Abraham war so ganz schwach, so ganz nieder gebeugt, so ganz ferne von Vertrauen auf sich; doch er war andrerseits stark, gewaffnet, mutig, indem er auf Gott vertraute. Da kam Gott eines Tags und sprach zu ihm: nach einem Jahre werde er einen Sohn haben. Wie? o Herr, dieses hoch betagte Ehepaar soll einen Sohn erhalten? Ja, es wird einen erhalten! Wie? diese, die mehr Toten ähnlich sind, und sich eher für das Grab eignen, als dazu, Kinder zu erzeugen; sie sollen — am Ende so vieler Lebensjahre, die sie zählen, und da keine Kinder bekommen hatten, jetzt erst Kinder bekommen? Ja; Sara lächelte darüber, was Gott sagte; sie hielt es schier für Spott. In meinen jungen Jahren, sprach sie bei sich, wo ich Kinder gebären konnte, da war ich unfruchtbar; jetzt, wo das Alter kommt, da soll ich, ist es möglich, — empfangen?

Sara hatte einigen Zweifel; Abraham jedoch glaubte es ohne Bedenken; er dachte nicht: Ich bin alt, meine Frau ist unfruchtbar; wie soll dieses geschehen? Nein, er hatte kein solches Bedenken. Allein was tat er denn ? Er glaubte den Worten Gottes; er hatte das feste Vertrauen, was Gott ausspreche, das sei unfehlbare Wahrheit. Zu uns spricht Gott dieses: Wenn du dich als einen Sünder beweinst, wenn du reiflich deine Schwäche betrachtest, wenn du es reiflich erwägest: dreißig Jahre sind es, dass ich bös lebe; jeden Tag nehme ich mir vor, gut und fromm zu leben; niemals vollziehe ich meinen Vorsatz; heute falle ich hier, morgen dort. Wenn du reiflich erwägst, wie oft du Gott dienen wolltest, und es nie völlig dahin brachtest, so verliere den Mut nicht, sondern habe Vertrauen. Es tut uns die Überzeugung not, dass wir ohne Gott nichts als Elend haben.

Deine Versuchungen, so sagte ein heiliger Einsiedler, werden niemals aufhören, dich zu bekriegen, bis du erkennest, dass du nichts bist, und dass deine Hilfe nur in Gott liegt; bis du zuversichtlich glaubst, Er werde dir helfen, bis du versichert bist, du vermögest ohne Gott nichts, und könnest dich nicht erkennen ohne Gott, wie du denn überzeugt wärest, du würdest es nicht vermögen , — wenn du ein großes Meer ausschöpfen wolltest mit einem Krüglein, — so dass du so viele Krüge voll herausschöpftest, bis du so weit kämest, dass du nichts mehr darin ließest.

Herr, es ist recht schlimm gewesen; wer wird es zählen können, wie oft ich dich beleidigt habe? Wie viele Jahre habe ich damit hingebracht, dich zu beleidigen? Ich werde — nicht Eine gut angewendete Stunde — aufzählen können, nein, — Millionen Übeltaten! Wenn du mir nicht hilfst, barmherziger Gott, werde ich verloren sein. Wie wird es mir ergehen, wenn du mich verlässest? — Jetzt seid ihr (da ihr also sprecht), jetzt seid ihr gut; nun habt ihr Anteil an dem Geschlecht Abrahams; — ihr erkennt eure Schwäche, eure Ohnmacht; ihr setzt Misstrauen in eure Kräfte; — jetzt seid ihr gut: doch solltet ihr darum den Mut verlieren? Nein, ihr müsst euer Vertrauen setzen auf die Barmherzigkeit Gottes, der die Gefallenen aufrichtet", der euch heilen, der euch kräftigen, der euch gelangen lassen wird zur ewigen Seligkeit.

Ihr müsst gute Werke vollbringen und eure Schwäche und Niedrigkeit erkennen; allein wenn ihr dabei stehen bleibt, dann nützt es euch nichts.

Was sollte es Größeres geben, als das Vertrauen, als einen lebendigen Glauben ? Es gibt kein Einkommen, welches so sicher wäre, wie das derjenigen, die aus Gott vertrauen, wie das derjenigen , die auf Gott hoffen.

Ihr habt, verehrte Brüder, das Vertrauen, Gott werde einen Tag herbeiführen, wo eure Sara einen Sohn erhalten wird; es werde ein Tag kommen, wo euch Gott seine Gnade beschert, dass eure Seele Trost erfülle, dass diese so böse, so unfruchtbare, so andachtslose, so stolze Seele demütig werde, wo diese dann ihrem Gott ergeben und demütig vor ihm sein wird. — Welche Freude pflegt die Seele zu haben, wenn sie, die zuvor stolz war, demütig wird; wenn sie, die vorher blind war, jetzt sieht; wenn sie, die vorher Gott ungehorsam war, jetzt sieht, wie sie Gott gehorcht; wenn sie, die vorher bös war, sieht, sie ist jetzt durch die Gnade gut und fromm ! Ich war, spricht sie alsdann, — unfruchtbar und kinderlos, war hinweggeführt und gefangen; wer hat denn diese erzogen? Ich war verlassen und einsam, wo waren denn diese (Is 49, 21)?

Wenn die Seele sich sanft und mild, andachtsvoll und wohltätig sieht, demütig, keusch und lauter, dann spricht sie: Was ist doch dieses? Wer hat mir diese Kinder geben? Wer hat diese guten Werte erzeugt und erzogen? Wer ist doch dieses ? Es ist die Barmherzigkeit Gottes; die beschert der Seele so große Gnaden, dass sie dieselben nicht zu erfassen im Stande ist.

Die geistige Verwandtschaft mit Christo V.

Ehrwürdiger Vater, wenn mir die Engel sagten, es werde ein Tag kommen, wo ich eine Tochter erhalten würde, die "Freude" heiße, wie sie's dem Abraham gesagt, — ich würde es zuversichtlich glauben; - wenn es mir Gott gesagt haben würde, ich würde mit Vertrauen auf die Erfüllung seiner Verheißung hoffen; doch Gott hat mir nichts dergleichen gesagt, hat von seiner Seite nichts zu mir gesprochen. Ich verstehe diese Sprache nicht; ich habe nie etwas dergleichen in mir empfunden: nein, ich weiß kein Merkmal anzugeben, ich begreife es nicht.

O Bruder, die Schuld liegt an dir (denn von Seite Gottes waltete sie nicht ob), dass Er es unterließ, dir Boten zu schicken; wisse, diese Dinge werden den Menschen gesagt, nicht den Engeln: „Euch geht die Verheißung an, und eure Kinder" (Apg 2,39), sagt der Apostel; euch hat sich Gott mitzuteilen, euch seine Boten zu schicken und euren Kindern, dass sie euch melden und mitteilen, was er von euch begehrt. — Sagt, Verehrte, hat euch Gott niemals gerufen? Wenn ihr in eurer Seele eine heilsame Veränderung gewahr werdet, ein ernstes Erkennen der Eitelkeit dieses Lebens, ein Erkennen, dass Alles vergeht; ein Erkennen, wie bald ihr sterben werdet, und wie all eure Habe hienieden bleiben wird; wenn ihr einen Ruf vernehmt: Wozu will ich meine Hoffnung auf etwas setzen, was so bald vergeht? Wer setzt sein Vertrauen auf etwas so Hinfälliges? Wer setzt sein Vertrauen auf etwas, das so geschwind ein Ende nehmen soll?

Wenn ihr dieses gewahr werdet, dann ist es von Gott; der Herr hat euch gerufen. Glaubtet ihr, o Brüder, dieses wäre nicht von Gott? Ihr schätzt dieses so gering? Wie? ihr meint, ihr könntet dieses von selbst denken? Ihr seid im Irrtum. Lernt erkennen, dass es Eingebungen Gottes sind; ihr habt nicht die Kraft: „Wer immer von dem Vater gehört und gelernt hat, der kommt zu mir" (Joh 6, 45). — Niemand kommt zu Christus, wenn ihn nicht der Vater ruft und ihn dahin bringt, indem er in heiligen Eingebungen zu ihm redet. Diese guten Vorsätze, dieses fromme Verlangen, diese deine Umwandlung kommt von Gott: das ist Gottes Wort. Wenn du in dir gute Vorsätze wahrnimmst, wahrnimmst gute Gedanken, wenn dein Herz von dem heißen Verlangen entbrannt ist, den Weg der Sünde zu verlassen und dich zu Gott zu wenden und ihm zu dienen, und ihn nicht mehr zu beleidigen; — dann hege die Hoffnung, deine Seele werde bald einen Sohn gebären, der Freude heißt.

O Priester, wo findet sich diese Verheißung für mich, um zuversichtlich zu glauben, das Wort Gottes werde in Erfüllung gehen? Dieses ist so recht schlimm, dass wir es nicht wissen, oder dass wir, wenn wir es, wissen, dasselbe außer Acht lassen. Als man dich taufte, da wurde dir diese Verheißung gegeben; dass du getauft worden, dieses ist ein Zeichen, dass dich Gott zu seiner Gnade berufen. Als dich Gott in der heiligen Taufe zu seinem Kind annahm, da wurde dir die Versicherung gegeben, Gott werde dich nie verlassen, werde dir in allen deinen Nöten beistehen, werde nicht aufhören zu dir zu sprechen, und dir in deinen Angelegenheiten und Zweifeln Rat zu geben, und dir Engel und Boten zu senden, die ihrerseits zu dir sprechen, — was die guten Eingebungen sind.

Glaubst du, es sei etwas Geringes, ein Christ zu sein? Doch wann wurde es mir verheißen, Gott werde mir einen Sohn schenken, der Freude heißen würde? Gott werde meine Seele trösten und erquicken und ihr beistehen in allen ihren Nöten? Als man dich taufte. Und wenn du diese Freude nicht empfindest, und wenn du dieses Gut nicht wahrnimmst, und wenn dir kein Sohn geboren ward, dann kommt es daher: du hast dich von Gott getrennt, und wollte Gott, nicht wegen der Sünde; nimmst du aber jene Heilmittel der göttlichen Barmherzigkeit wahr, nimmst du wahr, was Gott in deinem Herzen spricht, bist du aufmerksam darauf, was er sagt: dann vertraue und hoffe auf ihn, habe das feste Vertrauen, Er wird sein Versprechen halten (hat er es ja noch jedem in diesem Leben gehalten); und niemand wird sich über Gott beklagen, er habe nicht erfüllt, was Er ihm in der heiligen Taufe verheißen, nämlich ihm einen Sohn zu schenken.

Isaak, nämlich die Freude, das Lächeln (Gen 21, 6), wird nachher geboren. Sprecht, was ist es, das geboren wird, nachdem ihr in eurem einsamen Gemach eure Sünden beweint habt? Es ist — die Freude. Wer nicht zu weinen im Stande ist, der kostet nichts Gutes.

Was wird alsdann geboren, wenn ihr das kindliche Vertrauen hegt, Gott habe euch nach seiner Barmherzigkeit eure Sünden verziehen? Eine Lust, die eure Seele in dem Maße empfindet, dass sie außer sich kommt. Was wird als dann geboren, wenn ihr tiefe Traurigkeit empfunden? Viel Freude. Die Freude , die nach Traurigkeit kommt, ist sicherer, als die Freude, die kommt, ohne dass wir vorher Traurigkeit empfunden; nehmt euch davor in Acht. Die Lust, welche nicht aus wahrer Freude hervorgeht, die haltet für verdächtig. Es ist dieses die Weise Gottes, unsers Herrn, dass er niemandem Freude bescheren, dass er niemanden trösten will, ohne ihm vorher Kummer und Traurigkeit zu bereiten.

Ein wenig Selbstvertrauen, dass du dergleichen besitzest, was dich bestimmt, von der Traurigkeit zu lassen; und wieder dieses, dass du dich erkennst und dich als unwürdig beklagest: das lasst dich in der Tat wahre Freude genießen und Gutes kosten. Denn aus diesem Weinen, aus dieser Traurigkeit, aus dieser Trostlosigkeit, aus dieser Verschmähung der sinnlichen Freuden und Annehmlichkeiten, und wieder aus diesem Vertrauen auf Gott, daraus geht Lächeln und Freude hervor, daraus wird der Sohn geboren, der zum Geschlecht Jesu Christi gehört.

Die geistige Verwandtschaft mit Christo VI.

Es wird — hier mancher sein, dem ein Sohn geboren ward, ein Sohn, der heiter sein wird in Gott, mutvoll und froh; glaubt er doch ob seiner Barmherzigkeit zuversichtlich , er sei im Stand der Gnade. — „Gott liebt mich," — spricht er, „ich habe meine künftige Seligkeit schon in den Händen." Allein niemanden gibt es, der klug wäre und besonnen, während er dem Glück im Schoße sitzt. Wünsche nicht so sehr diesen Sohn; freue dich nicht so außerordentlich — über denselben; sachte! erwäge, was du tust, erwäge, welche Gefahr dabei obwaltet; sei nicht den Müttern ähnlich, die ihre Kinder so sehr lieben, so sehr mit ihnen spielen, sie so sehr verzärteln und verwöhnen, dass sie dieselben verderben.

Wartet es nur ab, Geliebte; der Sohn wird heranwachsen, und ihr werdet sehen, was vorgeht. Als Isaak schon erwachsen war, und als Abraham nach so vielen Freuden, welche ihm die Geburt Isaaks bereitete, am sichersten zu sein glaubte, da rief ihm Gott und sprach: Abraham, nimm deinen geliebten Sohn und sieh den Berg, den ich dir zeigen will; denn dort sollst du ihn als Brandopfer dar bringen. — Da nehmt den Sohn: glaubt ihr, es sei Vorsicht nötig? Niemand sage: Ich bin wohl daran, es mangelt mir nichts; ich bin jetzt heiter und froh; Gott sei gepriesen! „Frohlocket dem Herrn mit Zittern" (Ps 1, 11)! Freuet euch, aber mit Furcht und Bangigkeit, seid demütig; erwägt, was ihr tut; denn es kommt die Zeit, wo euch Gott befiehlt, den Sohn zu opfern. Bringe mir, so spricht Gott, deine Freude als Brandopfer dar.

Der unglückliche Greis führte seinen Sohn an der Hand, um ihn als Brandopfer Gott zu opfern. Warum wolltest du, o Herr, die Freuden dieses Greises in dem Maße verbittern, dass du ihm befiehlst, er solle etwas töten, was er so sehr liebte? Ja, würden ihn die Menschen töten, dann würde ich's meinetwegen gelten lassen; doch du, o Herr, der du dem trostlosen Greis durch die Geburt eines Sohnes so große Freude beschert hast, du befiehlst jetzt, dass er ihn als Brandopfer opfere! Es ist, o Herr, in der Tat etwas Hartes, wenn du, Allmächtiger, sagst: Opfere deinen Sohn als Brandopfer. Du, der du im Geschlecht Jesu Christi Freude spendest, du versetzest diesen herben Schlag?

Wohlan, Verehrte, Er, der euch Trost verlieh. Er, der euch Freude bescherte, Er wird große Traurigkeit und die größten Leiden und Drangsale über euch verhängen, damit ihr die Freude verlieren möchtet, die Er euch geschenkt hatte: Er, der euch Trost verlieh. Er wird sagen: Opfere mir deinen Sohn als Brandopfer.

Wie freudig fuhren die Apostel in einem Schifflein auf dem galiläischen Meere, da Jesus Christus mit ihnen fuhr! Wie zufrieden waren sie, indem sie sprachen: Christus ist bei uns, Er, der das Meer geschaffen und die Winde, den Himmel und die Erde: so sind wir sicher davor, dass sich ein Sturm erhebe; ist doch der Herr der Welt bei uns; wir haben nichts zu befürchten. — Es erhebt sich ein starker Wind, und das Meer fängt an zu grollen, und die Wellen erheben sich, und alsbald riefen die Apostel dem Herrn: „Herr, hilf uns, wir gehen zu Grunde" (Mt 8, 25) ! Siehst du nicht den Sturm? Furcht ergriff dieselben. Was ist dieses, ihr Apostel? So bald kommt ihr aus der Fassung? Wie kurz war doch — die Freude, die ihr noch vor einem Augenblick hattet, wie kurz die Lust, womit ihr vor einem Augenblick die Fluten durchzogt! Das Schlimmste dabei ist, dass Christus selbst, der bei ihnen war (sie glaubten daher, sie seien vor dem Sturme sicher), den Sturm sich erheben ließ, und dass Er es ist, der die Trübsal über sie verhängte. Und das ist noch immer der Grund, warum dir so wenige dienen, o Herr: sie glauben, es wäre eine große Erholung, dir zu dienen; sie fangen mit Zuversicht an und haben das sichere Vertrauen, in deiner Gesellschaft werde sich kein Sturm erheben, und wenn ihnen alsdann das Gegenteil begegnet, da lassen sie von dem Begonnenen ab. Das ist der Grund, warum du, o Herr, so wenig Freunde hast.

Was ist dieses für ein vortrefflicher Grund? „Weil du vor Gott angenehm warst," sagte der Engel zu Tobias, weil du sein Freund und sein Diener warst, darum „musste die Versuchung dich bewähren" (Tob 12,13). Das Ganze ist dieses, dass wir, um Diener Gottes zu sein, versucht werden müssen. Das erscheint als eine vortreffliche Begünstigung!! — Doch schätzt dieses nicht gering, denn dieses begegnet den vertrautesten Freunden und Dienern Gottes.

Wie Vieles leidet in dieser Beziehung jener, der in ein Kloster geht. — Als ich noch im weltlichen Stande lebte, spricht er, da empfand ich nichts von diesem, was ich jetzt leide; da wusste ich noch nicht, was es um die Versuchung sei; wie zufrieden, wie freudig und heiter war ich dort; da kannte ich keine Betrübnis; nachdem ich ins Kloster gegangen, — welche Drangsale, welchen Kummer ertrage ich! Welche Versuchungen von Seite des Fleisches und von Seite der Eitelkeit, des Hochmutes! Welche Ungelegenheiten verursacht mir der Teufel, um davon, was ich begonnen, abzulassen! Wer wird dieses ertragen?

Entsetze dich nicht, o Bruder! Was denkst du doch? Es ist dieses der Wille Gottes, dass du die Freude zum Opfer bringest, und die Lust, die du im bewegten Leben empfunden; die Freude, die du mit dir brachtest, als du ins Kloster gingst, oder den Trost, den du empfunden, nachdem du dahin gekommen warst. Gott will, dass du dich abtötest; Gott ruft dir: Gib deine Freude her, opfere sie mir zum Brandopfer.

Wisset, o Brüder, Gott verfährt mit dem Menschen wie ein Brautigam, dem seine Braut große Liebe kund gibt. Er will sehen, ob diese Liebe wahr sei, oder erheuchelt; er gibt daher nur fälschlich vor, er reise in ein fremdes Land; doch er entfernt sich nicht von dem Orte, wo er lebt; er behorcht die Braut, um zu sehen, was sie tut: ob sie sich putze und schmücke, ob sie lache und von Fenster zu Fenster gehe und sich von einem Vergnügen zu einem andern wende. Und wenn sie dieses tut, dann erkennt er sogleich, dass sie ihn nicht von Herzen liebt; wenn sie aber die Wohnung nicht verläßt, ohne zu weinen; wenn sie sich nur mittelmäßig kleidet. Alles dieses wegen der Abwesenheit ihres Bräutigams; dann sieht ihr Bräutigam alsbald, dass ihn seine Braut liebt, von Herzen liebt.

Wenn Gott mit der Seele eines Christen verkehrt, wie ist es ein Wunder, wenn dieser nicht hingeht, — Stier gefechte, Ritterspiele mit Lanzen oder Rohrstäben (Ritterspiel bei feierlichen Gelegenheiten, wobei die in verschiedenen Abteilungen verteilten Ritter mit Rohrstäben nacheinander warfen und sich wechselseilig durch Schilde zu schützen suchten) und der gleichen mehr anzusehen? Die Süßigkeit, die er durch die Gegenwart Gottes genießt, sie ist so groß, dass es nicht befremden kann, wenn er alles verachtet, was es nur in diesem Leben gibt. Wobl findet sich keine so sittlich gesunkene Frau, die sich Gott nicht ergäbe, wenn es nur ein wenig von seiner Süßigkeit kostet, das nicht sogleich alles verließe, was es hienieden gibt, nicht verließe die Ergötzlichkeit eines sünd haften Lebens, und Gott nicht folgte, und nicht die süßen und lieblichen Freuden Gottes suchte.

Wenn dir, o Bruder, Gott mannigfachen Trost verleiht, wenn er dich heimsucht, wenn er stets an deiner Seite ist, wie ist es zu verwundern, dass du ihn hochschätzst und liebest, und ihm gerne dienst, und ihm ins Gesicht blickest, um zu sehen, was er befehlen wolle? Da verdient es wenig Dank, dass du fromm und gut bist.

Wenn Gott dir nicht zur Seite steht, wenn dich Leiden und Mühsale bedrängen, dann zeigt es sich, ob du es bist, der ihn wahrhaft liebt; wenn Er dir Trübsal schickt, Kummer und Not, dir schickt Widerwärtigkeit auf Widerwärtigkeit, — dann lässt es sich sehen, ob du zu jenen gehörest, die Gott standhaft dienen. Wartet, so spricht Gott, ich will mich ein wenig verbergen (Vergl. „Briefe Avilas", Brief 30, worin derselbe diese Wahrheit in einem überraschend lieblichen und sinnigen Bilde darstellt) und sehen, wie die Liebe von N.N. beschaffen ist. Lasst mich sehen, ob er mir wirklich so zugetan, ob er wirklich so treu und redlich ist; oder ob er aufhört, mir zu dienen, ob er für die Armen Sorge trägt, wie er es in meiner Gegenwart getan.

Da ist Einer, — der will, — weil es ihm scheint, als wäre ihm Gott ferne (indem er ihm den Trost entzieht, in dem er ihm ein wenig Betrübnis schickt) — der will sogleich gehen; er glaubt schon, Gott habe ihn verlassen. Wegen so kleinfügiger Dinge, sagt Gott, verlierst du den Mut? Du willst also fortgehen? Du hast wenig Liebe zu mir!

Das tun schwache Seelen, die fern von Liebe sind; das tun jene, die sich nur in der Gegenwart Gottes zu regen und zu bewegen wissen. Doch die edle Seele, die ist noch hochsinniger, wenn ihr Gott ferne steht; die strebt dahin, nichts Gemeines zu tun, in nichts Gemeines zu verfallen. Je ferner ihr die Hilfe Gottes ist, desto mehr empfiehlt sie sich seinem Schutz und seinem Willen, und sucht ihm treu zu sein, bis Er zurückkehrt. Wie oft ist Isaak in augenscheinlicher, größter Gefahr!

Oftmals entschwand euch die Freude, und wollte Gott, es wäre nicht wegen der Sünde! denn die ist das schwarze Übel; da ist die schwarze Trübsal. Sagt mir, was für ein Verlust es ist! Sagt mir, seid ihr in Christus? Ihr gehört nicht zum geistigen Geschlecht Christi? Sagt, wie viele Nächte habt ihr dahin gebracht, so dass ihr daran dachtet? Was nützt euch ein großes Vermögen? Was nützen euch Glanz, hohe Abkunft, Schönheit? Was nützt es euch, wenn ihr so prachtvoll gekleidet seid, dass man euch mit Staunen ansieht? Was nützt es euch, dass euch die ganze Welt ehrt und hochschätzt , — wenn ihr nicht zum geistigen Geschlecht Christi gehört? Seid ihr in Christo, oder nicht?

Einige werden sich finden, die auf diese Frage zu antworten wissen. Andere werden sich finden, die nicht darauf zu antworten wissen. Einige werden sich finden, — die, wenn ihr an sie die Frage stellt, ob sie in Christo seien, zur Antwort geben: nein. Jeder, auf welchem eine Todsünde lastet, ist nicht in Christo. Wehe ihm, wehe der Mutter, die ihn geboren! Verflucht ist das Brot, das er isst; verflucht das Wasser, das er trinkt; verflucht der Schlaf, den er schläft; verflucht die Schritte, die er tut. Doch mich erfasst noch größerer Schauer, dass du, o Bruder, ohne Gott sein kannst, und dich daran gewöhnst, ohne ihn zu leben, und zu Gott sagst: Geh, ich habe dich nicht notwendig, ich befinde mich wohl — ohne dich!

Ja, das ist erschrecklich. Dass du sündigst, wenn— du sogleich tiefe Reue empfindest, das ist nicht zu verwundern, das bedarf nicht sowohl einer Erwähnung; doch, dass du dich, — nachdem du gesündigt, dich daran gewöhnst, ohne Christus zu leben, das, ja, das ist mehr, als wundersam. Was beginnst du ohne Christus? Sprich, wie kannst du ohne ihn leben? Was ist das für ein Leben, das du ohne ihn lebest? Was nützt es dir, wenn dir die ganze Welt gehört, wenn du die Gunst des Fürsten besitzest, die Gunst der Menschen, der Welt, der — Hölle, — wenn dich alsdann in der Todesstunde das Reich der Qual aufnimmt? Nichts davon wird dich retten von den Qualen und den Flammen, die nie aufhören, die dauern weichen, so lauge Gott — Gott sein wird. —

Es ist eine Glaubenswahrheit: wenn du in Hass und Feindschaft, wenn du in einer Sünde der Unzucht stirbst, oder in jeder andern Todsünde, so wirst du unfehlbar in die Hölle kommen. O Unglücklicher, wenn du nicht in Christo bist! Wo willst du hingehen — ohne Christus? Warum tust du ihm solches Leid an? Warum stürzest du dich ins Verderben? Warum bist du so grausam gegen dich selbst? Was willst du dich durchaus in die Hölle stürzen ?

O hasse dich nicht so sehr! Bereite dir nicht so blindlings dein Verderben! Was soll dieses heißen: Gott hat sein Blut für dich vergossen, und du willst dieses Gut nicht nützen? Warum soll der so unermessliche Preis, um den du zu stehen gekommen, verloren gehen? Da du denn kein Mitleid mit dir selbst hast, da du denn so grausam gegen dich selbst bist, dass du dir auf diese Weise das Verderben bereiten willst: so bestrebe dich jetzt um Jesu willen, dass seine Tränen nicht vergebens geflossen, dass er sich nicht vergeblich tausend Mühen unterzogen, dass er nicht vergeblich unter den Geißelschlägen geblutet; denn Alles litt und duldete er für dich, damit du Nutzen schöpfen möchtest aus seinem kostbaren Leiden, dadurch Kraft erhalten möchtest, deine Leidenschaften zu besiegen, um ihn nicht zu beleidigen. Es werden sich Andere finden, die werden auf jene Frage antworten: Ehrwürdiger Vater, ich gehöre nicht zu diesen; ich werde in mir keine Todsünde gewahr, ich will niemandem übel; allein ich weiß nicht, was ich besorge, welche Furcht dieses mein Herz befällt; ich weiß nicht, ob ichs mit Christo halte. Ehrwürdiger Vater, ich weiß mich nicht auszusprechen.

Das ist, o Brüder, ein anderes Bedenken, ein anderer Zweifel; hütet euch vor Gleichgültigkeit — in Hinblick auf das, was Gott ist. O Wurm, wie viele Kleider hast du schon zernagt! Wenn die Rede geht: es herrscht eine ansteckende Krankheit; die Menschen sterben dahin; — wenn ihr die Krankheit bekommt, wenn man euch sagt: ihr müsst sterben: dann werdet ihr sogleich die Furcht in euch wahr nehmen. Was ist dieses? Wären wir keine Freunde der Lauheit, dann würden wir keine Furcht haben; doch ihr seid lau, und darum müsst ihr Furcht, Angst und Besorgnis hegen.

Lasst uns dahin streben, auf diesem Wege, den uns Jesus Christus zeigt, mit aller Sorgfalt zu wandeln; lasst uns, da er uns versicherte, er sei gekommen, Feuer auf die Erde zu senden (Lk 12, 49), — denselben flehen, er möge uns von diesem Feuer verleihen, auf dass wir in unsern Herzen entbrennen und erglühen (denn "Furcht ist," wie der Apostel sagt, „nicht in der Liebe, sondern die vollkommene Liebe treibt die Furcht aus"); auf dass wir uns so seiner Anschauung erfreuen im Himmel. — Amen.

II. Am Fest Mariä Opferung: Maria unsere Mutter und unsere Fürsprecherin

Quid faciemus sorori nostrae in die, quando aloquenda est ? Was sollen wir mit unsrer Schwester tun am Tage, wenn man um sie anspricht ? Hld 8, 8.

Zur Feier der Feste Marias müssen wir mit einem liebewarmen und dankbaren Herzen kommen. Diejenigen, sagt daher der heilige Bonaventura, diejenigen, die von Maria sprechen, müssen in ihren Worten Wahrheit und heiße Liebe kundgeben. — Wahrheit, denn Maria ist eine Feindin jener, die in ihren Worten und Werken lügenhaft, und eine Freundin derjenigen, die in ihren Worten und Werken wahrhaft sind. Maria ist es, die die Wahrheit geboren, welche allen Irrtum vernichtete, und das Licht, welches alle Finsternis erleuchtete.

Sie müssen in ihren Worten heiße Liebe kundgeben; denn wenn wir diejenige, die wahrhaft unsere Mutter ist, nicht lieben, wen sollten wir noch lieben? "Es gibt nichts," sagt der heilige Bernardus, "was mir so sehr gefiele, wie von dieser gebenedeiten Jungfrau zu sprechen, was mich so sehr in Staunen setze, wie ihre Größe zu betrachten." Diese Gebieterin, die jetzt im Himmel so groß ist, war einst hier auf Erden gar klein, und wird wahrhaft klein und herablassend für diejenigen sein, die jetzt in ihren Augen klein sind, und sich demütigen und sie um Gnade bitten.

"Unsere Schwester ist klein, und hat noch keine Brüste; was sollen wir mit unserer Schwester tun am Tage, wenn man um sie anspricht" (Hld 8,8) ? Was sollen wir tun am Tage, wenn sie ansprechen werden die Patriarchen und die Propheten und alle Menschen? Jetzt heißt es: Unsere Schwester ist klein; wie werden wir sie schmücken für den Tag, da man sie ansprechen wird?

Maria unsere Mutter und unsere Fürsprecherin I.

Heute begeht die Kirche, unsere Mutter, ein Fest zu Ehren der Gebieterin, die in ihrem Feierliede ausrief: "Großes hat an mir getan , der da mächtig ist" (Lk 1, 49). Wir feiern das Fest ihrer "Opferung im Tempel", den Tag, an welchem sie, da sie noch ein Mägdlein von drei Jahren war, ihre heiligen Eltern, Joachim und Anna, dem Tempel übergaben, um dem Allerhöchsten zu dienen, in Gemeinschaft mit den Jungfrauen, die ihm daselbst dienten. Dahin tat man (wie — jetzt in die Klöster) Mädchen vom Stande, um dem Herrn zu dienen, und um in der Erkenntnis; und Furcht Gottes unterrichtet zu werden. Es war eine Erziehungsanstalt; nachdem sie das erforderliche Alter erreichten, traten sie in den Ehestand.

Der Grund, warum Joachim und Anna das Mägdlein im Tempel darbrachten, war: als sie noch kinderlos waren, da gelobten sie, würde ihnen Gott ein Kind schenken, so wollten sie ihm dasselbe zum Opfer darbringen, und bis zur Vermählung — in einsamer Lebensweise verharren lassen. Doch wozu, o Herr, soll das dreijährige Mägdlein eingeschlossen werden, und sich nicht auf der Gasse ergehen? Diejenigen, die Gott empfangen und mit ihm verkehren wollen, dürfen nicht saumselig sein; sie — sollen wissen, dass sie verpflichtet sind, sich mit großer Sorgfalt zu seinem Empfang vorzubereiten.

Um Moses das Gesetz zu geben und es durch ihn dem Volke zu verkündigen, da befahl Gott zu diesem Zweck, sie sollten drei Tage vorher nicht den Frauen nahen, und fordert außerdem noch manche andere fromme Vorbereitung (Ex 19). Wie viel mehr gebührt es sich also, dass sich derjenige, der Gott selbst empfangen und mit ihm verkehren will, sorgfältig dazu vorbereite? Sagt mir jetzt, wenn ihr in ein Gefäß ein wenig Balsam oder ein wenig von einer andern kostbaren Flüssigkeit tun wolltet, würdet ihr zuvor nicht untersuchen, ob nicht etwa das Gefäß unrein oder beschädigt sei, damit nichts davon zu Grunde gehe?

Wenn ihr denn zu diesem Ende das Gefäß so genau untersucht, wie müsst ihr dieses nicht weit mehr tun, um Gott zu empfangen? Warum geht das Mägdlein Maria in die stille Einsamkeit des Tempels? Weil der Tag kommen wird, wo sie Gott in ihrem Schoß empfangen soll. Es wird der Tag kommen, wo sie Gott mit ihren Händen pflegen und warten, wo — sie seine Mutter werden soll. Will Gott nicht, es sollten seine Kostbarkeiten für die Augen Aller sein? Und wenn die Eltern das Mägdlein, welches im Vaterhause und auf Gassen und Straßen sicher wäre, nach dem Willen Gottes einschließen; was wird Er uns tun, die wir zum Falle geneigt sind?

Warum schließest du, o Herr, das Mägdlein ein? Damit es Männern und Frauen als Muster diene. Wir sollen daraus erkennen: wenn das Mägdlein, welches davor sicher war, dennoch von dem Ungeziemenden — nach dem Willen Gottes fern bleiben sollte; — so müssen wir dasselbe fliehen. — Warum schließest du, o Herr, Maria ein? Weil der Tag kommen wird, wo man sie, die Jungfrau, ansprechen, und wo die größte Tat Gottes vollbracht werden wird. — Für diesen Tag ist diese große Vorbereitung nötig. Doch wozu diese schmuckverleihende Vorbereitung auf den Hochzeitstag. — Geh in Gottes Namen, o Mägdlein, in die stille Einsamkeit!

Maria unsere Mutter und unsere Fürsprecherin II.

Die Eltern führten die dreijährige Maria an die unterste Stufe des Altars, der fünf Treppen hatte, worauf man hinaufstieg; und das Mägdlein stieg mit großer Behendigkeit hinauf. Ob dieses wunderbarerweise geschehen, oder nicht, wird nicht berichtet, es lässt sich aber glauben; ereignete sich doch dergleichen nach der Geburt dieses Mägdleins. Alle mochten sich wohl darüber wundern und ihre Augen auf das Mägdlein richten und sprechen: Was wird aus diesem Kinde werden?

Gewiss, an derjenigen, die Gott zu seiner Mutter geschaffen, musste er immer Wunder tun. Maria steigt zum Altar empor; ihre Eltern bringen sie Gott zum Opfer dar. Das Mägdlein trete in Gottes Namen hin; lasst uns mit ihr unsere Herzen opfern! Das größte Opfer, welches je dargebracht wurde, oder dargebracht werden wird, es war, wenn es ein bloßes Geschöpf betrifft, dieses Mägdlein. Ihr gebt es mir gerne, spricht Gott, ich nehme es gerne. Maria betritt den Ort stiller Zurückgezogenheit; doch sie tat es nicht unter Tränen, nicht ungern; ihr machte das, was sie verließ, nicht den geringsten Kummer; denn — sie sprach, ob sie gleich noch ein Kind war, folgendes: "Meine Augen mögen nicht diese irdischen Dinge sehen! Aus Liebe zu dir, o mein Gott, sei mein Mund verschlossen; ja, meine Lippen mögen schweigen, da mein Herz mit dir sprechen muss. Hier will ich weilen; da mögen mir Alle gebieten; da will ich Allen dienen — aus Liebe zu dir." —

Das Mägdlein geht so recht gern an den einsam stillen Ort, um Gott da zu dienen. Da Maria nun hier angekommen ist, — was sollen wir an ihr, unsrer Schwester, vollbringen — für jenen Tag, da man sie ansprechen wird? Wie sollen wir sie zieren und schmücken, damit sich Gott in sie verliebe? Was sollen wir tun? "Ist sie," antwortet das göttliche Wort auf diese Frage, "ist sie eine Mauer, so wollen wir silberne Bollwerke darauf bauen" (Hld 8,9). Warum heißt sie eine Mauer? Was hat ein Kind von drei Jahren mit einer Mauer gemein? Mauern sind hoch, breit, fest und tief, dieses um so mehr, wenn sie den Mauern des gelobten Landes gleichen. Dort, so sagten jene Kundschafter, — welche die Kinder Israel schickten, dort finden sich große, befestigte Städte, Mauern, die bis zum Himmel emporragen. Wohlan, sagt der Herr, Maria ist in Wahrheit eine Mauer; so lasst uns denn auf dieselbe Bollwerke bauen. Dieses Mägdlein, von dem wir sprechen, "ist in geistiger Rücksicht höher als der Himmel, tiefer als der Abgrund, sein Maß ist länger als die Erde, breiter als das Meer" (Job 11, 8. 9). — Unter allen bloßen Geschöpfen Gottes — gibt es sonst keines, das so ausgezeichnet und so erhaben wäre; denn — ist Maria auch klein, so überragt sie doch die Engel, die Cherubim und die Seraphim.

Gepriesen seist du, Herr, dass du uns aus unserem Geschlecht dieses Mägdlein geschenkt, das höher ist, als der Himmel. Verlangt ihr von Maria Hohheit der Gedanken, so steht sie unendlich hoch; verlangt ihr von ihr Tiefe, so hat sie eine unermessliche Demut. Wenn ihr gute Augen habt, so betrachtet dieses Mägdlein mit seinem so demutvollen Blick. Nein! es findet sich an Maria nichts, was vortrefflicher wäre, als ihre Demut. Sie erkannte das Große wohl, das Gott an ihr tat; aber sie schrieb sich nichts von dem Guten zu, das sie besaß, nichts von ihren Eigenschaften. Seht da die tiefe Demut ! —

Es hat sich noch kein bloßes Geschöpf gefunden, das Gott so in der Tat die Ehre gegeben hätte, wie Maria. Seht, ob Maria eine gute Grundlage habe, ob ihr die Weite und Breite fehle. Sie ist eine Mauer der ganzen Welt, und nicht bloß der jetzigen Welt, die klein ist; nein, eine Mauer für alle Menschen. Erwägt, wie viele Menschen schon gelebt, wie viele schon gestorben, und wie viele noch kommen werden. Wir sind Alle — dem Fleische nach — Kinder Evas, — dem Geiste nach — Kinder Marias. Sie hat für alle Menschen die Empfindung einer Mutter und das Herz einer Beschützerin; erwägt, ob sie nicht einen großen Umfang haben müsse, um eine Mutter von so vielen Kindern zu sein.

Mägdlein, woher hast du einen Mantel, um alle Kinder zu bedecken? Woher hast du die Flügel, um so viele Küchlein darunter zu nehmen? Doch ihr Maß ist länger, als die Erde. Bei ihr haben Gerechte und Sünder Raum; die Sünder erlangen Vergebung durch die Fürbitte Marias, und die Gerechten bleiben dadurch im Stande der Gnade.

Er, den die Himmel nicht fassen, der größer ist, als die Erde und der Himmel und die Engel, Er fand in Maria Raum; und du, o Sünder, solltest da keinen Raum finden? Heilige und unbefleckte Jungfrau, ruft der heilige Hieronymus aus, ich weiß nicht, wie ich dich loben und preisen soll. Er, den die Himmel nicht zu fassen vermögen, ließ sich in deinen Schoß einschließen (Sancta et immaculata virginitas, quibus te laudibus efferam, nescio; quia quem coeli capere non poterant, tuo gremio contulisti [S. Hieronym.]). Ja, o Sünder, du wirst Raum finden im Schoße Marias.

Gelobt und gepriesen sei Gott, der uns, wie der Prophet sagt, ein solches Mägdlein zur Mauer gegeben: "Ich mache dich heute zu einer eisernen Säule und zu einer ehernen Mauer" (Jer 1,18). Maria ist eine Mauer; doch ist sie es vielleicht nicht gleich jenen, die, wie Gott sagt, schwache Mauern sind, Mauern von Glas? Allein wer sind diese? Wollte Gott, es wäre dieses nicht derjenige, der da zu euch redet! Priester, Propheten, ihr, die ihr zurückgezogen lebt, ich habe eine große Klage gegen euch: "denn ihr setzet euch nicht zur Mauer für das Haus Israel, um fest zu stehen im Streite am Tag des Herrn" (Ez 13,5) ! -

Ich suche, spricht der Herr, einen Mann, der sich zwischen mich und die Menschen stelle, damit er, - wenn ich sie züchtigen will, auf ihrer Seite stehe, und weil ich einen solchen nicht gefunden, so "habe ich meinen Zorn ausgeschüttet (Ez 22,31). Wann ist der Tag des Kampfes? Wenn unsere Sünden vor der Gerechtigkeit des Herrn eine große Höhe erreichen. Wollte Gott, es wären ihm, — wenn er über sein Volk erzürnt ist, seine Priester an der Hand, auf dass er nicht seinen Zorn ausgieße! —

Maria unsere Mutter und unsere Fürsprecherin III.

Gott klagt darüber, dass er jemanden suche, der ihm an die Hand gehe, — und dass er unter so Vielen auch nicht Einen gefunden. Das sind die Mauern von Glas; das sind Jene, die nicht gerecht gegen uns sind; und wenn wir nicht gerecht sind in unsrer eignen Verteidigung, wie sollten wir es gegen Andere sein? Wie werden wir im Stande sein, den Zorn Gottes gegen sein Volk zu beschwichtigen? Maria gehört nicht zu diesen schwachen Mauern; sie gehört nicht zu Jenen, die keinen Schlag ertragen können aus Liebe zu den Nächsten. Ein Mägdlein, so kräftig und stark und in Mühen so abgehärtet, ist zu einer Mauer tauglich. Welche Massen werden wir Maria in die Hände geben, dass sie mit dem Herrn kämpfe und ihn besiege? Das Mägdlein trete in Gottes Namen in die stille Einsamkeit. Was nimmst du mit dir, Maria? Du hast ein ernstes, großes Geschäft, — nämlich mit Gott zu kämpfen, mit ihm zu kämpfen, dass er sich von dir in seinem Zorn gegen die Menschen besänftigen lasse, dass er sich dir ergebe. Welche Waffen nimmst du mit dir? Sind es schätze und Reichtum? Nein, hat sie doch alle zurückgelassen; — sie arbeitet mit ihren Händen — zu ihrem Lebensunterhalt. —

Was bringst du also mit dir? Schönheit? Maria wusste, was der Weise sagt: "Betrüglich ist die Anmut und eitel die Schönheit" (Spr 31,30). Was bringst du demnach mit dir, um zu siegen? Der heilige Geist möge es aussprechen: "Du hast mein Herz verwundet mit einem deiner Augen, und mit einem Haar deines Halses" (Hld 4,9): ihre große Liebe, ihre große Unterwürfigkeit, ihre Tugenden - verwundeten den Herrn. An diesen, der heiligen Jungfrau geweihten, Tagen, — da sollten wir beichten und zum Tisch des Herrn gehen, und die Heilige loben und preisen, zum Zeichen, dass uns Gott an diesen Tagen durch ihre Fürbitte Gnaden beschert. —

Glaubt ihr nicht, dass Gott Jenen, die sich an diesen Tagen geziemend vorbereiten, große Gnaden verleihen werde, da er diese gebenedeite Jungfrau so sehr liebt? Was werden wir dem Mägdlein für Waffen in die Hände geben, dass es mit Gott kämpfe und ihn besiege? — "Du hast mein Herz verwundet mit einem deiner Augen, und mit einem Haar deines Halses." Gepriesen seist du, Herr: du bist so weich, dass man dich durch einen Blick verwundet, und so schwach, dass man dich mit einem Haar fesselt?

Was willst du uns, o Herr, anderes sagen, als du hättest Arme und ein Herz, die bereit sind, uns zu empfangen? Was ist weicher, als dieses; — durch einen Blick wirst du verwundet? — Seht da die Waffen, mit denen das Mägdlein kämpft. Wie? nur Ein Auge und nicht zwei? Nein, sagt Gott, es ist nicht mehr, als Eins nötig, nicht mehr, als Eine Liebe, als Eine reine Absicht (Ps 44, 11). Das ist das Auge, wovon der Herr redete, wenn er sprach: "Ist dein Auge einfältig, so wird dein ganzer Leib erleuchtet sein" (Mt 6, 22).

Ach, wie fern standen dem Herzen Marias Jene, die zu ihr sagen mochten: "Dein Wein ist mit Wasser vermischt, und dein Silber ist in Schlacken verwandelt" (Is 1, 22). Der Wein der Jungfrau, — ihre Absicht ist lauter und rein, ihr Auge einfältig. Sie wünschte nicht, ihr Wille möge geschehen, sondern der Wille Gottes. Dein Wille geschehe, so sprach sie; nicht meinetwegen, sondern deinetwegen möge ich deinen Willen vollzogen sehn! — Maria liebt Gott, und so liebt sie auch um Gottes willen das Wohl der Menschen.

Das war das Auge der Jungfrau, - ein klares Auge: wer Gott liebt, wird auch den Nächsten lieben. Du hast mich verwundet mit einem deiner Augen. Es gibt nichts, womit wir Gott eher erlangen, als die Liebe. Gott vermag sich nicht zu verteidigen gegen das Herz, welches ihn liebt; weil er sich nicht verteidigen will. Es gibt kein Wurfgeschoss, das so schnell verwunde. Ein Mägdlein, und eine — so große Liebe! — "Wo dein Schatz ist," sagt Christus, "da ist dein Herz" (Mt 6, 21). Wenn das Auge gerade ist, dann ist nicht mehr, als Ein Haar nötig, denn ist das Streben auf Gott gerichtet, dann waltet nur Ein Gedanke: — Alles wird — in Gott vollzogen und vollbracht.

Maria unsere Mutter und unsere Fürsprecherin IV.

Welches ist dein Schatz? Es ist ein Schatz von Staub und Kohlen, wenn du ihn auf Erde und auf das Fleisch und auf Eitelkeit oder nichtige Ehre gesetzt; — es ist ein verächtlicher Schatz. Wo das ist, was du liebst, da ist dein Herz. Was soll ich tun, o Priester? Es ist mir zuwider zu beten, und mein Herz ist gleich dem dürren Holz, ist ohne Andacht. Bedenke, o Bruder, dein Herz wendet sich dem zu, was du liebest; verlege deinen Schatz in den Himmel, so wird dein Herz über das, was du liebest, hinausgehen. Wenn deine Liebe in die Netze der Welt verwickelt ist, wie sollst du einen Geist haben, der sich zurückgezogen ergeht?

Im Mägdlein waltete nur Eine hohe Liebe. O wer dich, o Mägdlein, hören würde, wie du die heiligen Lieder mit größerer Begeisterung sangst, als selbst David, der sie geschaffen! "Was habe ich, o Herr, im Himmel, und was lieb' ich auf Erden außer dir (Ps 72, 25) ?" "Mein Teil ist Gott in Ewigkeit (Ps 72, 26) !"

Das Eine verlangt Gott, nieimm Tbeil möge re Liebe gehören; und da Maria nicht mehr als Einen Gott hatte, so hatte sie auch nicht mehr als Eine Liebe. Gott dachte sie, wenn sie aß und wenn sie redete; wo auch sein mochte, immer dachte sie an Gott. "Wer ist die, so sprachen von ihr die staunenden Engel, "wer ist die, da hinaufsteigt aus der Wüste (Hld 3, 6) ?"

Es ergreift mich, o Herr, große Scham, diese Worte auszusprechen; doch diese Scham, sie entschwinde, da ich sehe, dieses Mägdlein, welches mit solcher Andacht betet, — ist von unserm Fleische. Was ist dieses, das aus der Wüste heraufsteigt wie eine Rauchwolke? Wie mochte das Gebet Marias beschaffen sein, da sich die Engel darüber wundern? Was ist dieses, das wie eine Rauchwolke heraufsteigt? Es ist nicht ein Rauch von grünem Holze, es ist nicht ein Rauch, welcher den Augen Tränen entlockt, wie der Rauch unserer Gebete, die wir um Rache an unsern Feinden bitten und um irdische Dinge. Das ist ein Rauch, der Tränen veranlasst, das ist keine Rauchwolke, die emporsteigt, nein, die, wie sie denn von Erde ist, auf der Erde bleibt.

Von welcher Art ist demnach das Gebet Marias? Das ist "eine Rauchsäule von Spezereien aus Myrrhen und Weihrauch und allerlei Wohlgerüchen" (Hld 3,6); von dieser Art waren die Gedanken Marias. Einige beten zwar, sagt der heilige Bernardus, aber sie haben nicht das Leben von Menschen, die beten (S. Bernard. in Cantic. Serm. XVIII.). Das gute Gebet muss jeden Wohlgeruch haben, muss begleitet sein von Werken der Liebe, von Fasten und Abtötung. Denn was nützt es, einige Zeit weinen und beten: wenn das Übrige leeres Sprechen und Reden ist? Was nützt es, dass du einige Zeit in der Nacht betest, wenn du den Tag mit Lachen und eitlen und unnützen Dingen dahin bringst?

Das ist nicht das Leben eines Menschen, der betet; denn wer in Wahrheit beten will, der muss sich den ganzen Tag hüten, Gott zu beleidigen, der muss zu Gott flehen: gib mir die Gnade, dich immer besser kennen zu lernen; denn wenn ihr edel sein werdet, ohne dass ihr den heutigen Tag mit dem morgigen und gestrigen Tag verbindet, — nehmt ihr euch da recht in Acht? Daher kommt es, dass die Menschen im Geistigen in einer so langen Reihe von Jahren so wenig Fortschritte machen. Du wirst, sagt der heilige Bernandus, Mehrere finden, die sich vom Bösen zum Guten, als vom Guten zum Bessern wenden.

Glaubt ihr, wir sind dadurch sicher, dass wir keine Todsünden begehen? Es weckt uns Gott auf, damit wir ihm dienen möchten, und er hat uns noch nicht ganz aufgeweckt, da schlafen wir schon wieder und kehren zu unsrer Trägheit und Lauheit zurück. Maria betete, und ihr Gebet hatte Leben; denn das Gebet, welches aus einem gleichgültigen, lauen Herzen kommt, das sinkt nieder. Da ihr Geist so entfernt ist von dem Treiben und Jagen der Welt und so in sich gekehrt, darum ist sie zum Kämpfen und Streiten tüchtig; hat sie doch Waffen, um damit Gott überwinden. Lasst uns jetzt zum Kampfe selbst schreiten.

Maria unsere Mutter und unsere Fürsprecherin V.

Wer Lanzen- und Ritterspiele und Stiergefechte sehen will, möge sie sehen. Wer große Heeressäulen sehen will, der sehe sie; meinen Augen möge nichts gefallen, als ein Mägdlein von drei Jahren zu sehen, auf der einen Seite zu sehen Maria in stiller Abgeschiedenheit, und auf der andern Gott. O beglückendes Schauspiel ! O wer es gesehen hätte, wie das Mägdlein — mit Gott kämpfte, und zwar viel gewandter, als einst Jakob; doch Jakob kämpfte nicht länger, als Eine Nacht und mit Einem Engel; indes ging er dabei klug zu Werke; denn da es zu kämpfen galt, so ließ er die Hirten mit den Herden voraus ziehen, setzte dann seine Frauen mit Kindern und Mägden über den Strom, und blieb diesseits allein, und hielt sich bereit, tapfer zu kämpfen.

Ihr wollt auf die rechte Weise beten? Entfernt Alles von euch, was euch hindert, sagt zu allen Geschäften: Entfernt euch von mir, denn ich will mit Gott verkehren. Und ist es, o Herr, etwas Ungeziemendes, wenn wir, indem wir mit einem König sprechen, unsern Blick auf andere Dinge kehren, wie ungeziemend wird es erst sein, wenn wir, indes wir mit Gott sprechen, uns — mit den Gedanken — da und dort ergehen?

Jakob kämpfte bloß Eine Nacht, und allein; Maria kämpfte, das Herz so recht in sich gekehrt; Jakob kämpfte gerüstet, aber noch mehr gerüstet — Maria. "Ein verschlossener Garten bist du," spricht daher der Bräutigam, "ein verschlossener Garten bist du" (Hld 4, 12), meine Braut, — eingeschlossen in das stille, einsame Gemach; — verschlossen die Augen, verschlossen die Ohren, in sich verschlossen — die Gedanken! O wer es gesehen hätte, wie das Mägdlein in dunkler Nacht sich vom Laster raffte und — in den einsamsten Winkel ging, und — mittelst ihres Herzens mit Gott zu kämpfen begann: "O Herr, habe ich Gnade gefunden in deinen Augen, so verzeih ihnen" (Ex 34, 9).

Ich weiß, dass Moses also betete; doch welch ein Unterschied findet zwischen dem einen und dem andern Gebete statt! Das Gebet des Moses war gut, aber noch besser das Gebet Marias. O Herr, wenn ich Gnade vor dir gefunden, so habe Erbarmen mit den Menschen, hilf den Seelen, die sonst verloren sind. Es komme, o Herr, das Lamm, es komme der Ersehnte der Völker! Hilf uns , o Herr, es komme der Tau, der die Erde befruchtet!

Maria flehte den Herrn, er möge seinen Sohn senden, auf dass sie die Magd seiner Mutter sein könnte. O wer es gehört hätte, welche Antwort ihr der Herr gegeben! Du bist, o Bruder, ein kleiner Wurm; du bist eine Ameise, die auf der Erde kriecht. Und Maria bittet für dich. »Sei barmherzig, o Herr, gegen denjenigen, der mich um Beistand angerufen, verzeih Jenem, der sich mir empfohlen! "Siehst du nicht," entgegnet Gott, "dass eine so große Sünde begangen wurde, und dass sie Strafe verdient?" Das ist der gewaltige Schlag: dieser Mensch verdient keine Barmherzigkeit. —

Ja, das sind die gewaltigen Schläge, welche die Gerechtigkeit Gottes derjenigen versetzt, die sich bemüht, für einen Andern zu bitten. O wer gehört hätte, wie du Einwendungen machtest! Was hast du für eine Einwendung? Herr, ich erscheine vor dir, um Entschuldigungsgründe anzuführen, — oder um Barmherzigkeit zu bitten: ich sehe wohl, der Mensch verdient Züchtigung und Strafe, doch ich flehe um Erbarmen. "O Herr, lösche mich aus dem Buch des Lebens , oder verzeih diesem" (Ex 32, 31-32). Wenn Moses Liebe bestimmte, um dieses zu bitten, wird sie nicht Maria dazu bestimmen? Es komme die fluchvolle Strafe über mich, und über Jene, die Kinder deines Segens sind. Ich bringe mir mein Leben dar, und mein Heil, züchtige mich, und verzeihe jenen; ich bringe dir zum Opfer meine Ehre, verfahre mit mir, wie du willst, und sei barmherzig gegen diese Bejammernswürdigen! Soll ich dieses nicht glauben von deinem Herzen, da es ja unendlich mit leidvoller ist, als das Herz des Moses, der gleichwohl jene Bitte vortrug?

Soll ich nicht glauben, o Maria, du werdest dich der Sünder erbarmen, da dich Gott für dieselben geschaffen? Tausendmal brachte Maria ihr Leben für die Menschen zum Opfer: würden wir aus Liebe zu ihr in demutvoller Stellung — auf Händen und Füßen gehen, es wäre wenig; würden wir aus Liebe zu ihr unser Blut vergießen, und um ihretwillen unser Leben verlieren, — es wäre wenig. Was bringst du, Maria, für die Menschen zum Opfer? Dein Leben? — Das ist noch wenig; sie brachte noch ein Leben zum Opfer, welches sie weit mehr liebte, als das ihrige. Die Menschen, o Maria, mögen dir ewigen Dank darbringen!

Maria unsere Mutter und unsere Fürsprecherin VI.

Maria wusste, es sei der Wille Gottes, dass sein Sohn zur Erlösung der Welt sterbe. So sterbe denn mein Sohn, sprach sie, o Vater, weil du es willst. Ach! wie schmerzlich mochte sie es als Mutter empfinden! Es geschehe, Herr, dein Wille! Welchen Dank sind wir dir schuldig! Wer im Stande sein wird, zu bemessen, wie sehr Maria Jesum Christum liebte, der wird zu bemessen im Stande sein, wie viel wir Maria verdanken. —

Maria betete: Herr, wenn die Welt Züchtigung verdient, so verhänge sie über mich, und lass den Menschen Barmherzigkeit zuteil werden! Jedes Gebet, sagt der heilige Bernardus, ist kalt, wenn ihm nicht der lebenswarme Hauch des heiligen Geistes vorausgeht und es bewegt (Tepida es omnis oratio, quam non praecit inspiratio [S. Bernard]). "Der Geist," beteuert der Apostel, "der Geist begehrt für uns mit unaussprechlichen Seufzern" (Röm 8, 26). Der Heilige Geist, welcher in uns ist, lehrt uns beten, er bewirkt, dass unser Herz bricht, dass wir oftmals nicht wissen, warum wir weinen. — Wem die Seufzer entsteigen, der versteht sie nicht. Doch es möge euch nichts kümmern, dass ihr sie nicht versteht, denn Gott, der sie euch einflößt, Er versteht sie. Er bewirkt, dass euer Begehren seinem Willen entspricht. — O wie mochten, Maria, deine Gebete beschaffen sein, da sie von dem Heiligen Geist erregt wurden! Wenn nun Gott selbst die Jungfrau beten lehrte, so mochte er gewiss ihre Gebete erhören. Sie erlangte von Gott mehr, als Jakob, mehr, als Moses. Um was bat Moses den Herrn? Herr, halte deine Hände ruhig, bestrafe nicht dieses Volk. Endlich band Moses Gott für diese Zeit die Hände, damit er sein Volk nicht bestrafe; und Maria bindet Gott die Hände mit ihren Gebeten, damit er seinen Zorn und Grimm von den Menschen abwende. —

Jener Heilige, der, wenn er die Hungersnot von der Welt abwenden will, dieses von Gott getrost erlangt, spricht zu ihm also: Ich flehe dich, o Herr, sende nach deiner Barmherzigkeit der Welt keine Hungersnot ! Von Jenem, der Schmerzen leidet, entferne sie, o Herr! — Entferne von ihm jene Qualen! Maria, was wirst du von dem Herrn erlangen? Entferne, o Herr, entferne die Schmerzen! Gib, dass der Erwartete die Leiden und Qualen und Schmerzen der Menschen auf sich nehme!

Gott entspricht sogleich den Bitten Marias, lässt den Eingebornen Sohn vom Himmel in ihren Schoß herabkommen, gibt ihm Glieder, gibt ihm einen so zarten Leib, dass er Hunger und Durst leidet und Müdigkeit, und ihn Dornen verwunden und auf ihn tausend und tausend Geißelschläge fallen; und dass Er seine Hände ruhig halte und schweige, und dass ihn die Grausamen mit Qualen und Schmerzen überhäufen, und dass Er zum Vater spreche: "Vater, vergib ihnen!" (Lk 23, 34) Wer vermag bei Gott eine so wichtige Angelegenheit zu vermitteln, wie es den Bitten Marias gelingt? "Dein Glaube," erwidert Gott, "ist groß, o Mägdlein, dir geschehe, wie du willst" (Mt 15,28). Jakob fürchtete sich vor seinem Bruder Esau; Jakob, du hast mit Gott gerungen, "hast über Gott vermocht, wie viel mehr wirst du gegen Menschen vermögen (Gen 32) ?" Maria, wer wird deiner Macht Widerstand leisten? Wen wirst du nicht überwinden, da du Gott überwunden? Daher kommt es, dass die bösen Geister vor der heiligen Jungfrau zittern, dass sie vor ihr fliehen, wenn ihr Name genannt wird; ihr Name ist für sie fürchterlich. Wer von dem Teufel verfolgt wird, nehme vertrauungsvoll zu Maria seine Zuflucht; denn er wird sogleich von ihm befreit werden.

Maria unsere Mutter und unsere Fürsprecherin VII.

Eines von den Hauptmitteln wider den Teufel ist dies zu Maria seine Zuflucht zu nehmen. Was verwundert ihr euch darüber, dass Maria alle Jungfrauen, in deren Mitte sie jetzt weilt, überragt, alle beherrscht? Sie, die solche Tränen vergoss, welch eine Gesellschaft glaubt ihr, wird sie haben? Welche Freude wird sie in ihrem Antlitz blicken lassen, da, auch wenn sonst ein Mensch vom Gebete kommt, ihr ihm dieses gewiss ansehen werdet? Niemand, o Bräute Christi, die ihr Maria verehrt, Niemand hat die Jungfrau zornig gesehen. Wenn sie keinen Zorn auf ihrem Antlitz blicken ließ, so glaubt darum nicht, als ginge sie an einen einsamen Ort, um zu zürnen; denn würde sie auch nach außen Zorn kund geben, so hegte sie doch keinen im Herzen.

"Lernet von mir," spricht der Erlöser; "denn ich bin sanftmütig und demütig von Herzen" (Mt 11,29): so suchte Maria, sanftmütig und demütig gegen Alle, nur den letzten Platz. Könnte sie keine Gebieterin abgeben ? Gott verleihe uns seine Gnade, um dieses einzusehen. Die Volksscharen bitten den göttlichen Sohn, er möge ihr König sein; er will nicht, und flieht; sie haben ihn nicht gefunden. Warum willst du, o Herr, nicht König sein? Wird er vielleicht im Stande sein, uns zu täuschen? — Oder wirst du vielleicht das Recht verdrehen? Warum willst du kein König sein? Wirst du vielleicht in eine Sünde fallen? Nein; warum fliehst du also etwas so Sicheres?

Der Herr flieht vor Würden und Ehrenstellen, um uns: wenn er, der so sicher war, geflohen, so müsse der schwache Erdenwunn um so mehr die Gelegenheiten fliehen. Denn handle ich, wenn ich gesund bin, wie ein Kranker, so wird mir die Sonne nicht schaden, noch die Luft; da kann ich wohl essen, was ich will; ich befinde mich ja wohl; doch der Kranke, der wie ein Gesunder handeln will, wird so gleich in seine Krankheit zurücksinken, und die Erfahrung wird ihn einsehen lassen, dass er krank und nicht gesund sei.

"Das strengste Gericht," sagt der Herr, "ergeht über die, welche Andern vorstehen" (Weish 6,6), um so mehr, wenn sie dafür bezahlt werden. Verkaufe deine Ratsherrenstelle! Törichter, wo sind deine Augen? Du siehst ein Hügelchen in deinem Weingarten; du berechnest so genau deine Barschaft und bist so sehr besorgt um deine Gesundheit, dass du genau erwägst: das wird mir Nachtheil bringen, jenes wird mir, — betreffe es auch unbedeutende Dinge, Nutzen verschaffen: — und um das, was deine Seele betrifft, bist du so unbesorgt! Du siebst ein Hügelchen, und einen großen Berg siehst du nicht!

Es ist traurig, manche Menschen zu sehen, die so schlau sind, wenn es Dinge gilt, die hinreichend sind, ein Haar zu zerschneiden, und die darin, was so wichtig für sie ist, so unwissend sind! Was ist törichter, als sagen, Nimm da dieses Geld, damit Gott ein strenges Gericht über mich ergehen lasse; denn was heißt sagen: "Gib mir deine Ratsherrenstelle zu kaufen," auf gut Spanisch anders, als: Nimm da tausend Goldgulden, damit du mir Anlass geben mögest, in die Hölle zu kommen? Du bist, Unglücklicher, mit einem strengen Gerichte noch nicht zufrieden, sondern willst auf deine Kosten das strengste Gericht kaufen, da du ein Amt annimmst, welches du nicht verdienst?

Maria litt Verfolgungen; doch sie war, wie wir lesen, bei den Verfolgungen freudig: sie war eine Jungfrau von so erleuchteter Einsicht, so kräftigem Willen, so großer Demut ! Warum wäre es, o Jungfrau, für dich nicht schicklich, dich in dieser Welt sehen zu lassen, da du so sicher vor dem Falle warst? Wende dich, o Herr, zu ihr, auf dass sie Wunder tue! Die Heiligen tun Wunder, sie, zwischen denen und der heiligen Jungfrau ein Abstand ist, wie zwischen Himmel und Erde. Geringe Heilige lässest du so viele Wunder tun, und deine Mutter lässest du keine wirken? Ich vermute, Maria warf sich, da sie in diesem Leben ob ihrer großen Demut keine Wunder tun wollte, zu den Füßen ihres göttlichen Sohnes und bat und flehte ihn um dieses: Man möge mich nicht kennen; ich möge nichts vollbringen, was auf Ruhm und Ehre abzielt !

Du kennest, o Herr, unsere Schwäche, du weißt, dass wir unser Verderben, dass wir — Ehrenstellen lieben. Lass mich! muss ich doch ein Vorbild für so Viele sein, die nach mir kommen werden. Ich muss ein Vorbild sein für Frauen, für Witwen und Jungfrauen, um ihnen ein Beispiel zu geben, dass sie den letzten Platz lieben; ob ich auch nach Ruhm und Ehre ohne Gefahr suchen könnte, will ich es doch nicht tun. O Demut Marias, der Magd des Herrn ! Und so glaube ich, sie mochte wohl die Erste sein im Gehorchen; sie nahm wohl den Besen, um auszukehren, und verrichtete wohl immer die niedrigsten Dienste.

O wer es gesehen hätte, wie Maria mit Jenen umging, die in ihrer Gesellschaft waren! Welche Jungfrau nahte ihr, ohne sich getröstet zu entfernen! Wenn irgend eine trostlos war, und zu ihr kam, wie flehte sie da zu Gott! O Herr, ich bitte dich um ein Heilmittel, ich bitte dich, verleihe es dieser Trostlosen! Wer näherte sich dir, o Jungfrau, ohne dass es ihm heilsam war?

Es ist kein Wunder, wenn sie, die so viel bei Gott vermocht, — viel für die Menschen vermochte; und so glaube ich denn, sie fesselte alle Herzen. Nachdem die Eltern die fromme Jungfrau aus dem stillen Ort klösterlicher Einsamkeit geführt hatten, da vermählten sie dieselbe; die Vermählte lebte immerdar als Jungfrau. Glaubt ihr, dass die Jungfrauen, so lange Maria bei ihnen in klösterlicher Zurückgezogenheit lebte, ihr Wohlwollen? Glaubt ihr, Maria erlangte von Gott für dieselben große Gnaden? Es lässt sich dieses glauben; gibt es doch so Viele, die, mögen sie auch fern von uns leben, der heiligen Jungfrau wohlwollen.

Sagt mir: Wie viele christliche Herzen gibt es jetzt, — die zu Ehren der heiligen Jungfrau ihr Leben hingeben würden! Es ist dieses eine Wahrheit. Woher kommt es? Warum haben wir zur heiligsten Jungfrau eine so zärtliche Zuneigung? Warum lieben - so Viele Maria, und haben ihren Namen und ihr Bild tief in ihr Herz eingeprägt? O Maria, wenn deine Tugenden das Herz Gottes fesseln konnten, wie ist es ein Wunder, wenn sie die Herzen Menschen fesseln?

Dein Hals ist ein Turm: "Dein Hals ist wie der Turm Davids, tausend Schilde hangen daran, die ganze Rüstung der Starken" (Hld 4). Wer ist das Haupt? Christus. Wer ist der Leib? Die Kirche. Wer ist der Hals? Maria ist es, die durch ihre Gebete den Leib mit dem Haupt vereinigt; sie, die eine Mittlerin ist zwischen Gott und den Menschen; sie, die höher steht, als Alles; die Gott nahe steht in Rücksicht auf Milde und Güte, die uns nahe steht — mit ihrer Barmherzigkeit. Sie steht höher, als Alles; und doch steht sie in ihren Augen tiefer, als Alle. Der Hals der Jungfrau ist ein Turm: Dein Hals ist wie ein Turm von Elfenbein (Hld 7); daran hangen tausend Schilde, womit sich die Starken waffnen, und wohin die Schwachen ihre Zuflucht nehmen.

Wie viele Jungfrauen hat es schon gegeben, denen die Welt reiche Heiraten und eine glänzende Stellung antrug; und die Liebe zu Maria vermochte über sie so viel, dass sie Alles abwiesen und sprachen: Ich verheiße Gott und Maria stete Jungfrauschaft: "Hinter ihr her werden Jungfrauen zu dem König geführt" (Ps 44,15). Maria trat in Gottes Namen in die Reihen gottgeweihter Jungfrauen, trat in Gottes Namen in die stillen Tempelräume klösterlicher Einsamkeit. Viele Jungfrauen werden sich aus Liebe zu ihr (da sie, gleich ihr, Jungfrauen sein wollen) zum König führen lassen.

Wer mit dem Fleische zu kämpfen und zu streiten hat, der möge wissen, dass sich die Starken — dagegen waffnen, und möge es überwinden und besiegen mittelst der Liebe zu Maria. Wenn ihr zu schwach seid, um an den Festvorabenden Marias zu fasten, dann mögt ihr euch Gewalt antun. Wie viele Märtyrer sind es durch das Vertrauen auf — diese Märtyrin geworden, indem sie sich daran erinnerten, was Maria unter dem Kreuze litt und duldete, indem sie sprachen: Ich will in meiner Drangsal Geduld üben, da diese Jungfrau in ihren Drangsalen so große Geduld übte.

Wie viele Mütter haben sich über den Verlust ihrer Kinder damit getröstet, dass sie an den göttlichen Sohn dachten, den diese Mutter vor ihren Augen sterben sah! Und wie viele Armen haben sich getröstet mit der Armut und mit den Mühsalen Marias! Wie viele haben die empfangenen Unbilden und Beleidigungen vergehen, weil Maria denen verzieh, die ihren göttlichen Sohn an's Kreuz schlugen! Um zu dulden und zu verzeihen und die Jungfräulichkeit zu bewahren, — dazu tritt euch an Maria ein Muster entgegen. O Maria, und wir Schwachen sollten bei dir kein Mittel gegen unsere Schwachheit finden? Wenn dich Fleisch versucht , dann ruf Maria um ihren Beistand an !

Gepriesen sei Gott! Habt ihr das Wunder noch nicht gesehen, ihr, die dem männlichen, und ihr, die dem weiblichen Geschlecht angehören, und die so tugendhaft sind, dass , während ihr einander am meisten liebt, — am keuschesten seid? Wer hat da die Keuschheit ins Herz eines Mannes geprägt, gerade wenn er eine Frau so recht feurig liebt? Wohlan, hier seht ihr eine Jungfrau, während ein Mann die heißeste Liebe zu ihr fasst, da wird er so ganz keusch und lauter sein. Der ewige Vater gab seinem Eingebornen Sohn und Maria Einen jungfräulichen Leib, was hinreichend ist, alle anderen Leiber zu heiligen.

Die Frau, die von Liebe zu Jesu Christo erfüllt wird, wird eben deswegen keusch sein, und während sie die flammendste Liebe zu ihm empfindet, da wird sie am keuschesten sein. Das vorzüglichste Mittel wider die Versuchungen des Fleisches besteht darin, den hochheiligen Leib Jesu Christi mit reinem Herzen zu empfangen. Ihr Schwachen werdet mir einwenden: und warum sind Personen, die ihn recht oft empfangen, nicht keusch? Weil sie den hochheiligen Leib nicht würdig empfangen; denn würden sie ihn würdig empfangen, dann würden sie immerdar keusch bleiben.

Wir haben von Adam einen unreinen, unlautern Leib erhalten; doch so recht rein und lauter ist der Leib Christi; und würden wir ihn würdig empfangen, dann würde er im höheren Maße reinigen und läutern, als uns der Leib Adams befleckt hat; allein wir empfangen ihn nicht mit reinem Herzen. Was soll ich tun, wenn ich von dem Fleisch versucht werde? Nimm Maria zu deiner Fürsprecherin, auf dass sie den so lieblichen Wohlgeruch verbreite, den sie in den Straßen ausgeströmt.

Die Jungfrau verbreite Myrrhenduft; der tötet die Würmer, — der ist ein Sinnbild der Keuschheit ; die tötet die Würmer der Unlauterkeit; denn wenn du ein Verehrer der Keuschheit bist, dann wirst du finden, dass die Versuchungen zergehen, wie das Wachs am Feuer. Rufe Maria an und sprich zu ihr: Um dir zu dienen, werde ich kämpfen — mit der Liebe gegen die Liebe: — werde kämpfen gegen die Liebe zu meinem sündigen Fleische — mittelst der Liebe zu dir. — Maria hat Waffen für die Schwachen, und für Jene, die von der Verzweiflung versucht werden.

"In all deinen Nöten," sagt der heilige Bernardus, "in all deinen Drangsalen rufe Maria an; denn wenn sie so viel über Gott vermochte, wird sie nicht stark gegen deine Feinde sein? Und wenn du das sturmvolle Meer dieser Welt durchziehst, dann blicke nach dem Nordstern, blicke zu Maria empor (In huius saeculi profluvio … respice stellam, voca Mariam [S. Bernard. super "missus est", Hom. II.]): nur Jener möge sie nicht anrufen, der sie in seinen Nöten angerufen, und dem sie nicht beigestanden" (Sileat misericordiam tuam, virgo Maria, si quia est, qui invocatam te in necessitatibus suis sibi meminerit defuisse [S. Bernard. Melliloqui Cap. 18. serm. I. in assumt.]).

Glaubst du, das heiße ein Verehrer der heiligen Jung frau senn, dein Haupt ui entblößen, wenn du i!,reu Ramen aussprichst? Die Verehrung Marias muss tiefer wurzeln! Heißt es doch von ihr: "In meinen Auserwählten sollst du Wurzeln schlagen." Welches sind diese Wurzeln? !',»e herz liche Verehrung gegen Maria; und wer diese nicht ruhe und raste nicht, bis er sie findet! Ein Merkmal d jenigen, die zur Seligkeit gelangen werden, besteht darin) dass sie eine große Verehrung gegen Maria in ihrem Herzen tragen.

"In meinen Auserwählten, o Heilige, — sollst du Wurzel schlagen!" Ach, wie werde ich zu dieser hohen Ver ehrung gelangen? Wie haben die Eltern Marias, die un fruchtbar waren, dieses Mägdlein von Gott erhalten? — Euer Herz, es ist so unfruchtbar, wie es die Eltern Marias waren, um ein solches Mägdlein zu erhalten; doch wie erhielten sie dasselbe? Durch Fasten und Tränen und Gebet, und dadurch, dass sie die Gebote Gottes genau beobachteten; und zur Belohnung dafür schenkte ihnen Gott — dieses theure Mägdlein.

Was sollen wir tun, um in den Besitz dieser Verehrung gegen Maria, dieser Hingebung an die heilige Jungfrau zu kommen? Ihr besitzt diese Verehrung, diese Hingabe nicht? Da habt ihr ein recht großes Unglück; da mangelt euch ein recht großes Gut. Ich wollte lieber sterben, als diese Verehrung gegen Maria nicht in meinem Herren zu hegen. "In meinen Auserwählten sollst du Wurzel schlagen": was sollen wir beginnen, um dieses zu erlangen? Ihr sollt Almosen spenden, sollt, wenn ihr seht, eine Tochter eures Nachbarn leidet aus Not an Leib und Seele Schaden, — alsdann sprechen: Ich will dieses Mädchen in ein Nonnenkloster bringen, oder aus Liebe zu Maria verheiraten ; ich will an den Samstagen zu Ehren Marias fasten bei Wasser und Brot (oder wie es sonst möglich sein wird); ich will ihr zu Liebe diesen Rosenkranz beten; denn eine solche Liebe zu Maria, sie ist, — würdet ihr auch euer Blut vergießen, — wohl angewandt.

Stelle dem ewigen Vater seinen eingebornen Sohn und dem Sohne seine Mutter vor Augen; bringe den Sohn dem Vater dar und sprich: Herr, ich bringe dir, was du mir geschenkt, als Opfer dar; habe, o Herr, um seiner Wunden willen, Mitleid mit mir!

Wenn du diese Wunden verehren und diese Verehrung dem ewigen Vater aufopfern würdest mit dem kindlichen Vertrauen, Er werde dich erhören, dann, ja dann wäre es für dich ein großes Glück; denn wenn du aus dem Leiden, aus den Mühen und Drangsalen Jesu Christi keinen Nutzen schöpfest, so wird es dir als großer Undank angerechnet werden; gelten ja Wohltaten, die Undankbaren gespendet worden, für verloren.

Gott ist für dich gestorben, und du bekümmerst dich nicht darum, und schöpfest keinen Vorteil, keinen Nutzen daraus: es ist von deiner Seite ebenso, als wäre er nicht gestorben; im Gegenteil wird es für dich ein großer Jamer sein, dass seine Mühen und Beschwerden auf eine fürchterliche Weise von dir zurückgefordert werden, wenn du nicht sprichst: Vater, ich verdanke dir so Vieles; verleih mir um deines Sohnes willen diese Gnade!

Gleichwie uns der Vater dadurch, dass er uns seinen gebenedeiten Sohn zu unserm Heile gegeben, das größte Geschenk gespendet hat, so hat uns auch der Sohn dadurch, dass er uns seine gebenedeite Mutter zur Fürsprecherin gab, ein großes Geschenk verliehen. Wisst, als Er zu Johannes, — der dort unter dem Kreuze stand , die Worte sprach: "Sieh deine Mutter," — da sprach er dieses zu Allen; wir Christen gehören Alle dazu. Gott gibt uns seine Mutter zur Mutter. Lasst uns ihm dafür danken und es mögen ihm dafür Dank zujubeln — die Engel!

Wenn ihr dieses tut, wenn ihr dem ewigen Vater seinen Eingebornen Sohn, und dem Sohne seine Mutter vor Augen stellt, dann ist es für euch ein wichtiges Merkmal, dass ihr die Seligkeit erlangt. Was sollen wir der heiligen Jungfrau wegen tun?«Gott hat uns ihretwegen große Gnaden verliehen; was sollen wir tun? Denkt an jene Hochzeit, wo es an Wein mangelte; denkt daran, was da Maria zu ihrem Sohn gesprochen: "Sohn, sie haben keinen Wein; ich habe Mitleid mit ihnen." "FRAU," entgegnete ihr unser Erlöser, "was habe ich mit dir zu schaffen ?" Ich verstehe es; geht nur hin "und tut Alles, was er euch sagt" (Joh 2).

Welche kurze, aber inhaltreiche Rede! Die heilige Jungfrau predigte da, wie ein Isaias, ein heiliger Paulus und Lukas und alle Apostel und Propheten: "Meine Söhne, höret mich (Spr 8)!" Vernehmt, was ich euch sagen will; leicht werden sich die Worte einer Mutter in eure Herzen prägen: Tut Alles, was euch mein Sohn sagen wird. So ist denn, Hochverehrte, der größte Dienst, den ihr Maria tun könnt, dieses, dass ihr vollzieht, was ihr göttlicher Sohn befiehlt. O Gebieterin, aus Liebe zu dir vergeben wir diese Beleidigung. Ihr habt eine sündhafte Liebe zu einer Frau: wir wollen uns aus Liebe zu dir von ihr trennen; wir wollen aus Liebe zu dir schweigen. Was uns den größten Schmerz bereitet, es zu tun, und den größten Schmerz, es zu unterlassen, das wollen wir — um der heiligen Jungfrau willen — zum Opfer bringen; denn sie lieben und sie nicht nachahmen, bringt wenig Nutzen.

Lasst uns nachahmen ihre Demut und ihre übrigen Tugenden; ist doch sie das Muster, dem wir sie nachbilden sollen; und wenn wir dieses tun, dann wird sie uns jetzt die Gnade Gottes erflehen, und dereinst die ewige Seligkeit. Amen.