Zur Nicht-Diskriminierung homosexueller Personen (Wortlaut)

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Schreiben
Zur Nicht-Diskriminierung homosexueller Personen

Kongregation für die Glaubenslehre
im Pontifikat von Papst
Johannes Paul II.
23. Juli 1992
Einige Anmerkungen bezüglich der Antwort auf Gesetzesvorschläge zur Nicht-Diskriminierung homosexueller Personen

(Quelle: Die deutsche Fassung auf der Vatikanseite; Osservatore Romano 24. Juli 1992; DAS 1992, S. 1268-1272)
Allgemeiner Hinweis: Was bei der Lektüre von Wortlautartikeln der Lehramtstexte zu beachten ist


Vorwort

Vor kurzem ist an verschiedenen Stellen eine Gesetzgebung vorgeschlagen worden, die eine Diskriminierung aufgrund geschlechtlicher Ausrichtung als illegal erklärt. In einigen Städten haben die Autoritäten den eigentlich für Familien vorgesehenen öffentlichen Wohnungsbau homosexuellen (und unverheirateten heterosexuellen) Paaren zugänglich gemacht. Solche Initiativen können selbst dort, wo sie mehr darauf ausgerichtet zu sein scheinen, die bürgerlichen Grundrechte zu wahren (und nicht so sehr die Nachsicht gegenüber homosexuellen Handlungen oder homosexuellem Lebensstil befürworten wollen), in der Tat einen negativen Einfluß auf die Familie und die Gesellschaft haben. Oft sind andere Probleme damit verbunden, wie beispielsweise die Adoption von Kindern, die Auswahl von Lehrern, der Bedarf an Wohnungen seitens echter Familien, sowie die berechtigte Sorge der Hausbesitzer bei der Auswahl künftiger Mieter.

Obschon es unmöglich ist, alle eventuellen Folgen von Gesetzesvorschlägen in diesem Bereich vorauszusehen, möchten die folgenden Anmerkungen auf einige allgemeine Grundsätze und Unterscheidungen hinweisen, die von gewissenhaften Gesetzgebern, Wählern oder kirchlichen Autoritäten berücksichtigt werden sollten.

Der erste Teil ruft wichtige Passagen aus dem 1986 von der Kongregation für die Glaubenslehre veröffentlichten Schreiben an die Bischöfe der katholischen Kirche über die Seelsorge für homosexuelle Personen in Erinnerung. Der zweite Teil behandelt ihre Anwendungen.  

I. Wichtige Abschnitte aus dem Schreiben der Kongregation für die Glaubenslehre

1. Das Schreiben erinnert daran, dass die Erklärung zu einigen Fragen der Sexualethik, die 1975 von der Kongregation für die Glaubenslehre veröffentlicht wurde, der »gemeinhin vorgenommenen Unterscheidung zwischen homosexueller Veranlagung bzw. Neigung und homosexuellen Handlungen selbst Rechnung trägt«. Die letzteren sind »in sich nicht in Ordnung« und können »keinesfalls in irgendeiner Weise gutgeheißen werden« (Nr. 3).

2. Da »in der Diskussion, die auf die Veröffentlichung der (oben erwähnten) Erklärung folgte, die homosexuelle Veranlagung jedoch eine über die Maßen wohlwollende Auslegung erfuhr und manch einer dabei soweit ging, sie als indifferent öder sogar gut hinzustellen«, erklärt das Schreiben weiter: »Die spezifische Neigung der homosexuellen Person ist zwar in sich nicht sündhaft, begründet aber eine mehr oder weniger starke Tendenz, die auf ein sittlich betrachtet schlechtes Verhalten ausgerichtet ist. Aus diesem Grunde muss die Neigung selbst als objektiv ungeordnet angesehen werden.

Deshalb muss man sich mit besonderem seelsorglichen Eifer der so veranlagten Menschen annehmen, damit sie nicht zu der Meinung verleitet werden, die Aktuierung einer solchen Neigung in homosexuellen Beziehungen sei eine moralisch annehmbare Entscheidung« (Nr. 3).

3. »Wie es bei jeder moralischen Unordnung der Fall ist, so verhindert homosexuelles Tun die eigene Erfüllung und das eigene Glück, weil es der schöpferischen Weisheit Gottes entgegensteht. Wenn die Kirche irrige Meinungen bezüglich der Homosexualität zurückweist, verteidigt sie eher die ‒ realistisch und authentisch verstandene ‒ Freiheit und Würde des Menschen, als dass sie diese einengen würde« (Nr. 7).

4. In Bezugnahme auf die Homosexuellenbewegung stellt das Schreiben fest: »Eine der dabei verwendeten Taktiken besteht darin, im Ton des Protestes zu erklären, dass jede Art von Kritik oder Vorbehalt gegenüber homosexuellen Personen, ihrem Verhalten und ihrem Lebensstil, lediglich Formen ungerechter Diskriminierung seien« (Nr. 9).

5. »Daher ist in einigen Ländern ein regelrechter Versuch einer Manipulation der Kirche in der Art im Gang, dass man die häufig gutgläubig gegebene Unterstützung ihrer Hirten für die Änderung staatlicher Regelungen und Gesetze zu gewinnen versucht. Die Absicht solcher Aktionen ist es, die Gesetzgebung der Konzeption jener Pressionsgruppen anzugleichen, nach deren Auffassung Homosexualität zumindest eine völlig harmlose, wenn nicht sogar eine ganz und gar gute Sache ist. Obgleich die Praxis der Homosexualität Leben und Wohlfahrt einer großen Zahl von Menschen ernsthaft bedroht, lassen die Verteidiger dieser Tendenz von ihrem Tun nicht ab und weigern sich, das Ausmaß des eingeschlossenen Risikos in Betracht zu ziehen« (Nr. 9).

6. »Sie (die Kirche) ist sich bewußt, dass die Ansicht, homosexuelles Tun sei dem geschlechtlichen Ausdruck ehelicher Liebe gleichwertig oder zumindest in gleicher Weise annehmbar, sich direkt auf die Auffassung auswirkt, welche die Gesellschaft von Natur und Rechten der Familie hat, und diese ernsthaft in Gefahr bringt« (Nr. 9).

7. »Es ist nachdrücklich zu bedauern, dass homosexuelle Personen Objekt übler Nachrede und gewalttätiger Aktionen waren und weiterhin noch sind. Solche Verhaltensweisen verdienen, von den Hirten der Kirche verurteilt zu werden, wo immer sie geschehen. Sie bekunden einen Mangel an Achtung gegenüber anderen Menschen, der die elementaren Grundsätze verletzt, auf denen ein gesundes staatliches Zusammenleben fußt. Die jeder Person eigene Würde muss nämlich immer respektiert werden, und zwar in Wort und Tat und Gesetzgebung.

Dennoch sollte die gebotene Antwort auf die Ungerechtigkeiten an homosexuellen Personen in keiner Weise zu der Behauptung führen, die homosexuelle Veranlagung sei nicht ungeordnet. Wenn eine solche Behauptung aufgestellt und homosexuelles Tun folglich als gut akzeptiert wird, oder wenn eine staatliche Gesetzgebung eingeführt wird, welche ein Verhalten schützt, für das niemand ein irgendwie geartetes Recht in Anspruch nehmen kann, dann sollten weder die Kirche noch die Gesellschaft als ganze überrascht sein, wenn andere verkehrte Vorstellungen und Praktiken an Boden gewinnen sowie irrationale und gewaltsame Verhaltensweisen zunehmen« (Nr. 10).

8. »Was auf jeden Fall vermieden werden muss, ist die ebenso unbegründete wie demütigende Annahme, das geschlechtliche Verhalten homosexueller Partner sei immer und vollständig dem Zwang unterworfen und daher frei von Schuld. In Wirklichkeit muss auch bei den Personen mit homosexueller Neigung jene grundlegende Freiheit anerkannt werden, welche die menschliche Person als solche charakterisiert und ihr eine besondere Würde verleiht« (Nr. 11).

9. »Bei eventuellen Vorschlägen für die zivile Gesetzgebung werden die Bischöfe in erster Linie darum bemüht sein müssen, das Familienleben zu schützen und zu fördern« (Nr. 17).

II. Anwendungen

10. Die »sexuelle Orientierung« stellt keine Eigenschaft dar, die im Bezug auf die Nichtdiskriminierung mit Merkmalen wie Rasse, ethnischer Herkunft, usw. vergleichbar wäre (vgl. Schreiben, Nr. 3). Im Unterschied zu diesen ist die homosexuelle Orientierung eine objektive Unordnung und gibt in moralischer Hinsicht Anlass zur Sorge.

11. Es gibt Bereiche, in denen es keine ungerechte Diskriminierung ist, die sexuelle Veranlagung in Betracht zu ziehen, wie z.B. bei der Zuweisung von Kindern zur Adoption oder bei der Auswahl von Pflegeeltern, der Einstellung von Sportlehrern, oder im Militärdienst.

12. Homosexuelle Personen haben als menschliche Personen dieselben Rechte wie alle anderen Menschen, und ihre Personenwürde darf keinesfalls verletzt werden (vgl. Nr. 10). Abgesehen von den anderen Rechten haben alle Menschen das Recht auf Arbeit, auf Wohnung usw... Doch nichtsdestoweniger sind dies keine absoluten Rechte. Sie können aufgrund eines Verhaltens, das objektiv als ungeordnet zu bezeichnen ist, zu Recht eingeschränkt werden. Dies ist zuweilen nicht nur rechtmäßig, sondern verpflichtend, und zwar nicht nur im Falle schuldigen Verhaltens, sondern auch im Falle von Handlungen geistig oder körperlich kranker Menschen. So wird es ja auch akzeptiert, dass der Staat z.B. im Falle von Menschen, die ansteckende Krankheiten haben oder geistig krank sind, die Ausübung von Rechten einschränken kann, um das Allgemeinwohl zu schützen.

13. Wenn die »homosexuelle Veranlagung« zu den Begründungen gezählt wird, aufgrund deren jede Diskriminierung illegal ist, so kann leicht die Meinung entstehen, Homosexualität sei positiv ein Grund, Menschenrechte geltend zu machen, z.B. hinsichtlich der sogenannten »affirmative action« (Anm. d. Red.: Gesetzliche Wiedergutmachung von erlittener Benachteiligung) oder der bevorzugten Behandlung bei der Arbeitsstellenvergabe. Dies ist um so schädlicher, da es ja kein Recht auf Homosexualität gibt (vgl. Nr. 10) und diese daher auch nicht die Grundlage für rechtliche Forderungen darstellen darf. Der Übergang zur Anerkennung der Homosexualität als einen Faktor, aufgrund dessen Diskriminierung illegal ist, kann leicht, wenn nicht gar automatisch, zum gesetzlichen Schutz oder zur Förderung der Homosexualität führen. Die Homosexualität einer Person würde als Argument gegen eine behauptete Diskriminierung angeführt werden, und das Eintreten für die Ausübung von Rechten würde so nicht mit einer Verletzung der grundlegenden Menschenrechte begründet werden, sondern mit der Bekräftigung einer homosexuellen Veranlagung.

14. Die »sexuelle Orientierung« einer Person ist noch aufgrund eines anderen, oben nicht erwähnten Faktors nicht mit Merkmalen wie Rasse, Geschlecht, Alter usw. vergleichbar: Welche sexuelle Veranlagung jemand hat, ist anderen normalerweise nicht bekannt - solange sich die Betroffenen nicht öffentlich dazu bekennen oder es durch ihre Verhaltensweisen offen zeigen. Normalerweise tun homosexuell veranlagte Personen, die den Willen haben, ein keusches Leben zu führen, anderen ihre Veranlagung nicht kund, weshalb sich auch das Problem der Diskriminierung bei der Arbeits- oder Wohnungssuche meist erst gar nicht stellt. Normalerweise tun gerade jene homosexuellen Personen ihre Homosexualität kund, die das homosexuelle Verhalten oder den Lebensstil als »indifferent oder aber positiv« (vgl. Nr. 3) und daher der öffentlichen Anerkennung für würdig betrachten. Und zu dieser Personengruppe zählen meist diejenigen, die »versuchen, die Kirche zu manipulieren, indem sie die oft gutgläubig gegebene Unterstützung ihrer Hirten für die Änderung staatlicher Regelungen und Gesetze zu gewinnen versuchen« (vgl. Nr. 5), und jene, die »die Taktiken des Protests benutzen und erklären, jede Art von Kritik oder Vorbehalt gegenüber homosexuellen Personen... sei ungerechte Diskriminierung« (vgl. Nr. 9).

Ferner besteht die Gefahr, dass eine Gesetzgebung, die aus der Homosexualität eine Grundlage für das Einfordern von Rechten macht, einen Menschen mit homosexueller Veranlagung dazu verleiten könnte, seine Homosexualität kundzutun oder sogar einen Partner zu suchen, um die gesetzlichen Verfügungen auszunutzen.

15. Da beim Abwägen von Gesetzesvorschlägen außerordentliche Sorgfalt darauf verwendet werden muss, die Verantwortung für die Verteidigung und Förderung des Familienlebens zu wahren, sollte den einzelnen Vorschlägen und Maßnahmen große Aufmerksamkeit geschenkt werden (vgl. Nr. 17). Wie könnten sie die Adoption und Auswahl der Pflegeeltern beeinflussen? Könnten private oder öffentliche homosexuelle Handlungen durch sie geschützt werden? Inwieweit könnten sie homosexuellen Verbindungen denselben Status einräumen wie einer Familie, zum Beispiel hinsichtlich des öffentlichen Wohnungsbaus, oder indem der nicht arbeitende homosexuelle Partner die einer »Familie« zustehenden Gesundheitsfürsorgedienste in Anspruch nehmen kann?  

Schlussbemerkung

16. Schließlich ist es da, wo das Allgemeinwohl auf dem Spiel steht, nicht angebracht, dass die kirchlichen Autoritäten eine negative Gesetzgebung unterstützen oder ihr neutral gegenüberstehen, auch wenn sie kirchlichen Organisationen und Einrichtungen Ausnahmen zugesteht. Die Kirche hat die Verantwortung, das Familienleben und die öffentliche Moral der gesamten Zivilgesellschaft auf der Grundlage fundamentaler moralischer Werte zu fördern, und nicht nur, sich selbst vor den Folgen verderblicher Gesetze zu schützen.

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