Evangelium vitae
Evangelium vitae ist ein Enzyklika von Papst Johannes Paul II., die sich vor allem mit der Frage des Lebensrechts befasst. Das Schreiben wurde am 25. März 1995 veröffentlicht.
Entstehungsgeschichte
Die Enzyklika wurde beim außerordentliche Konsistorium der Kardinäle, das vom 4. bis 7. April 1991 in Rom stattgefunden hat, angeregt. Die Kardinäle haben damals den Papst einstimmig ersucht, den Wert des menschlichen Lebens und seine Unantastbarkeit unter Bezugnahme auf die gegenwärtigen Umstände und die Angriffe, von denen es heute bedroht wird, mit der Autorität des Nachfolgers Petri zu bekräftigen. Pfingsten 1991 wurde ein persönliches Schreiben an alle Bischöfe gerichtet mit der Bitte, hier Vorschläge einzubringen. In dem Brief hat der Papst auch einen Bezug zur Sozial-Enzyklika Rerum novarum hergestellt und betont: "Wie es vor einem Jahrhundert die Arbeiterklasse war, die, in ihren fundamentalsten Rechten unterdrückt, von der Kirche mit großem Mut in Schutz genommen wurde, indem diese die heiligen Rechte der Person des Arbeiters herausstellte, so weiß sie sich auch jetzt, wo eine andere Kategorie von Personen in ihren grundlegenden Lebensrechten unterdrückt wird, verpflichtet, mit unvermindertem Mut den Stimmlosen Stimme zu sein."
Inhalt
Die Enzyklika besteht aus einer Einführung und vier Teilen. In der Einführung verweist der Papst darauf, dass das "Evangelium vom Leben" den Menschen als Frohe Botschaft verkündet werden soll. Diese Frohbotschaft beginnt mit der Geburt des Jesus-Kindes. Dann stellt der Papst unter Bezugnahme auf das Johannes-Evangelium (Kapitel 10,10, Leben in Fülle) einen Brücke zum ewigen Leben her und erklärt dann den unvergleichliche Wert der menschlichen Person.
Weiters betont Johannes Paul, dass dieses "Evangelium vom Leben" im Herzen jedes gläubigen, aber auch nicht gläubigen Menschen tiefen und überzeugenden Widerhall findet und kommt dann zum eigentlichen Thema der Enzyklika, der neuen Bedrohungen des menschlichen Lebens, die die Verkündigung besonders dringend. "Schon das Zweite Vatikanische Konzil beklagte an einer Stelle, die von geradezu dramatischer Aktualität ist, nachdrücklich vielfältige Verbrechen und Angriffe gegen das menschliche Leben." Der Papst nennt hier wörtlich folgende Bedrohungen: Mord, Völkermord, Abtreibung, Euthanasie und auch der freiwillige Selbstmord.
Johannes Paul II. kritisiert auch gleich, dass die Gesetzgebung vieler Länder sogar in Abweichung von den Grundprinzipien ihrer Verfassungen zugestimmt hat, solche gegen das Leben gerichtete Praktiken nicht zu bestrafen oder ihnen gar volle Rechtmäßigkeit zuzuerkennen. Er bezeichnet dies ein "besorgniserregendes Symptom und keineswegs nebensächliche Ursache für einen schweren moralischen Verfall." "Entscheidungen, die einst einstimmig als verbrecherisch angesehen und vom allgemeinen sittlichen Empfinden abgelehnt wurden, werden nach und nach gesellschaftlich als achtbar betrachtet."
Das fundamentale Recht auf Leben wird heute bei einer großen Zahl schwacher und wehrloser Menschen, wie es insbesondere die ungeborenen Kinder sind, mit Füßen getreten. Wenn die Kirche am Ende des vorigen Jahrhunderts angesichts der damals vorherrschenden Ungerechtigkeiten nicht schweigen durfte, so kann sie heute noch weniger schweigen, wo sich in vielen Teilen der Welt zu den leider noch immer nicht überwundenen sozialen Ungerechtigkeiten der Vergangenheit noch schwerwiegendere Ungerechtigkeiten und Unterdrückungen gesellen, die möglicherweise mit Elementen des Fortschritts im Hinblick auf die Gestaltung einer neuen Weltordnung verwechselt werden.
Die vorliegende Enzyklika, Frucht der Zusammenarbeit des Episkopates jedes Landes der Welt, will also eine klare und feste Bekräftigung des Wertes des menschlichen Lebens und seiner Unantastbarkeit und zugleich ein leidenschaftlicher Appell im Namen Gottes an alle und jeden einzelnen sein: achte, verteidige, liebe das Leben, jedes menschliche Leben und diene ihm! Nur auf diesem Weg wirst du Gerechtigkeit, Entwicklung, echte Freiheit, Frieden und Glück finden!
Mögen diese Worte alle Söhne und Töchter der Kirche erreichen! Mögen sie alle Menschen guten Willens erreichen, die um das Wohl jedes Mannes und jeder Frau und um das Schicksal der ganzen Gesellschaft besorgt sind!
6. In tiefer Verbundenheit mit jeder Schwester und jedem Bruder im Glauben und von aufrichtiger Freundschaft für alle beseelt, möchte ich das Evangelium vom Leben neu überdenken und verkünden, als Glanz der Wahrheit, das die Gewissen erleuchtet, als helles Licht, das den verfinsterten Blick erhellt, als unerschöpfliche Quelle der Beständigkeit und des Mutes, um den immer neuen Herausforderungen entgegenzutreten, denen wir auf unserem Weg begegnen.
Und während ich an die im Verlauf des Jahres der Familie gesammelte reiche Erfahrung denke, blicke ich, gleichsam als gedankliche Ergänzung des Briefes, den ich »an jede konkrete Familie jeder Region der Erde« 8 gerichtet hatte, mit neuem Vertrauen auf alle Hausgemeinschaften und wünsche mir, daß auf allen Ebenen der Einsatz aller für die Unterstützung der Familie wieder auflebe und sich verstärke, damit diese auch heute — trotz zahlreicher Schwierigkeiten und schwerwiegender Bedrohungen — dem Plan Gottes entsprechend immer als »Heiligtum des Lebens« 9 erhalten bleibe.
Alle Mitglieder der Kirche, des Volkes des Lebens und für das Leben, lade ich ganz dringend ein, miteinander dieser unserer Welt neue Zeichen der Hoffnung zu geben, indem wir bewirken, daß Gerechtigkeit und Solidarität wachsen und sich durch den Aufbau einer echten Zivilisation der Wahrheit und der Liebe eine neue Kultur des menschlichen Lebens durchsetzt.