Privatmesse
Eine Privatmesse (lat. missa privata, heute Missa sine populo) ist eine stille heilige Messe (Missa lecta), die nicht Pfarr- oder Konventsmesse ist und ohne öffentliche Ankündigung gefeiert wird.
Inhaltsverzeichnis
Liturgierechtliche Situation
Das Zweite Vatikanische Konzil sah „die liturgischen Riten auf gemeinschaftliche Feier mit Beteiligung und tätiger Teilnahme der Gläubigen angelegt“ und bestimmte, „dass die Feier in Gemeinschaft der vom Einzelnen gleichsam privat vollzogenen vorzuziehen ist“.<ref>Zweites Vatikanisches Konzil: Sacrosanctum Concilium – Konstitution über die heilige Liturgie, Nr. 27</ref> Auch eine Privatmesse ist nicht privater Natur, sondern Liturgie der Kirche, die das "Sakrament der Einheit" und das „heilige Volk“ ist.<ref>Sacrosanctum concilium Nr. 26.</ref> Sie ist Teil des Heiligungsdienstes der Kirche und wird in deren allgemeinen und in besonders anempfohlenen Anliegen zelebriert.
Der Priester darf eine solche Messe nur an Tagen feiern, an denen er selbst keine andere heilige Messe feiert, also nicht zusätzlich zur Zelebration einer Gemeindemesse.
Das Missale Romanum Papst Pauls VI. enthält eine eigene Ordnung der Messfeier „ohne Volk“ (sine populo). Sie wird vom Priester unter Mitwirkung eines Ministranten oder einer anderen Person gefeiert. Bei einer Missa sine populo findet die Ordnung der Gemeindemesse modifiziert Anwendung, insofern der Altardiener die „Rolle“ des Volkes übernimmt. Nur aus einem gerechten und vernünftigen Grund darf der Priester allein feiern (die sogenannte Missa solitaria). In diesem Fall unterbleiben alle sonst üblichen Anreden an die Mitfeiernden, z. B. der Gruß „Der Herr sei mit euch“, sowie der Schlusssegen „Es segne euch […]“.<ref>Institutio Generalis Missalis Romani 2002, Nr. 252-254 (MISSALE ROMANUM.; PDF; 545 kB); Allgemeine Einführung in das Römische Messbuch (AEM), Nr. 211.</ref>
Seit der Promulgation des Motu proprios Summorum Pontificum im September 2007 ist es jedem römisch-katholischen Priester wieder gestattet, die Privatmesse nach dem Missale Romanum des hl. Pius V. in der Ausgabe des Jahres 1962 zu feiern. Er bedarf dazu keiner gesonderten Erlaubnis des Bischofs oder Ordensoberen.
Geschichte
Die seit dem frühen Mittelalter stark zunehmenden Privatmessen waren der kultischen Verehrung der Heiligenreliquien geschuldet, die in den Altären geborgen und durch eine tägliche Messfeier verehrt wurden.<ref>Karl Rahner und Angelus Häussling: Die vielen Messen und das eine Opfer. 2. Auflage, Freiburg/ Basel/ Wien 1966, S. 119f, Anm. 14 (Quaestiones disputatae 31)</ref> Die frühmittelalterliche Benediktiner-Abtei sah sich als Abbild des stadtrömischen Kirchensystems, welches alle Kirchen der Stadt als zu einer Stadtkirche unter Leitung des Bischofs zusammengefasst verstand (Kirchenfamilie); dies fand seinen Ausdruck in der Praxis des Stationsgottesdienstes in einer der Stationskirchen. In den Abteien wurden die Kirchen der Stadt gewissermaßen auf dem Klostergelände zusammengefasst, als „Kirchenstadt“ mit einer Vielzahl von Kirchen und Heiligtümern, oder sogar als Nebenaltäre in die Klosterkirche integriert.
Das sich daraus entwickelnde Messensystem kennt das Konventamt als „Hauptmesse“ in der Rolle der römischen Stationsfeier und daneben eine Vielzahl von „Nebenmessen“ in den anderen Heiligtümern und an den „Nebenaltären“, um diesen die gebührende kultische Verehrung zukommen zu lassen. Die Feier solcher Neben- oder Privatmessen erklärt sich nicht aus der privaten Frömmigkeit des einzelnen Priestermönchs, sondern ist als notwendig und wichtig im Rahmen der Gesamtliturgie der Abtei zu verstehen. Auch dass zunehmend mehr Mönche zu Priestern geweiht wurden, entsprach nicht seelsorglichen Zwängen oder einem überzogenen Klerikalismus, sondern der gewachsenen Zahl an liturgischen Aufgaben des klösterlichen Organismus'.<ref>So Angelus Albert Häussling: Mönchskonvent und Eucharistiefeier. Eine Studie über die Messe in der abendländischen Klosterliturgie des frühen Mittelalters und zur Geschichte der Meßhäufigkeit. Münster 1973, S. 298-347, bes. S. 321f, 342ff, gegen Otto Nussbaum, der den Standpunkt vertrat, eine angewachsene Zahl von Priestermönchen und deren Wunsch nach häufigeren Messfeiern aus persönlicher Frömmigkeit hätte erst zur Vermehrung der Altarzahl in der Abtei geführt; Otto Nussbaum: Kloster, Priestermönch und Privatmesse. Ihr Verhältnis im Westen von den Anfängen bis zum hohen Mittelalter. Bonn 1961 (Theophaneia 145).</ref> Bis zum Mittelalter stieg die Zahl der Privatmessen an. Viele Priester zelebrierten sogar mehrmals am Tage in einer bestimmten Intention, häufig für Verstorbene.<ref>Josef Andreas Jungmann: Missarum Sollemnia. Eine genetische Erklärung der römischen Messe. Band I, 5. Aufl. Nova & Vetera, Bonn und Herder, Wien-Freiburg-Basel 1962, S.290f.</ref> Die Entwicklung bedeutete einen weitgehenden Verlust des Gemeinschaftscharakters der heiligen Messe.<ref>Hans Bernhard Meyer: Eucharistie: Geschichte, Theologie, Pastoral. Pustet, Regensburg 1989, ISBN 3-7917-1200-4 (Gottesdienst der Kirche. Handbuch der Liturgiewissenschaft, Teil 4), S. 252.</ref>
Martin Luther kritisierte bestimmte Formen der Privatmesse, bezeichnete sie als Winkelmesse (am Nebenaltar) und verurteilte sie als käuflich<ref>Grimms Wörterbuch: Winkelmesse.</ref><ref>Martin Luther: Von der Winkelmesse und Pfaffen Weihe. Schirlentz, Wittenberg 1534.</ref>. Insbesondere Messen, in denen der Priester die Eucharistie als einziger empfing, lehnte Luther grundsätzlich ab.
In den Ostkirchen sind Privatmessen nicht üblich.
Literatur
- Angelus Albert Häussling: Das Messensystem der frühmittelalterlichen Klosterliturgie. In: Ders.: Mönchskonvent und Eucharistiefeier. Eine Studie über die Messe in der abendländischen Klosterliturgie des frühen Mittelalters und zur Geschichte der Meßhäufigkeit. Münster 1973, S. 298–347.
- Otto Nussbaum: Kloster, Priestermönch und Privatmesse. Ihr Verhältnis im Westen von den Anfängen bis zum hohen Mittelalter (= Theophaneia Bd. 14). Hanstein, Bonn 1961.
- Karl Rahner, Angelus Häussling: Die vielen Messen und das eine Opfer (= Quaestiones disputatae Bd. 31). 2. Auflage. Freiburg/Basel/Wien 1966.
Anmerkungen
<references />
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