Evangelium
Evangelium (lat. aus griech. euangélion - "Freudenbotschaft") ist ein Grundwort der Kirche. Es bezeichnet
1. im Munde Jesu die Botschaft von der mit ihm anbrechenden Gottesherrschaft (Mk 1,15);
2. seit Ostern die Botschaft, deren Inhalt er selbst, der gekreuzigte und auferstandene Erlöser, ist (Röm 1, 1-4);
3. davon abgeleitet die schriftlichen "Lebensbilder" des Herrn, von denen die Kirche vier in den Schriftkanon aufgenommen hat: das Evangelium (von Jesus Christus) nach Markus, dann aber auch kurz: das Markusevangelium und die vier Evangelien;
4. den jeweiligen Abschnitt aus den vier Evangelien, der in der hl. Messe als Höhepunkt des Wortgottesdienstes feierlich vorgetragen wird.
Zu 1. Ob Jesus selbst von "Evangelium" gesprochen hat bzw. welches entsprechende aramäische Wort er gebraucht hat, ist unsicher. Sicher ist, dass er die Reichgottesbotschaft in Wort und Zeichen machtvoll ausrichtete, den Sündern, Armen und Verlorenen Israels und selbst den bittenden Heiden zum Heil, den Reichen, Stolzen und Selbstgerechten zur Warnung und zum Gericht. Da er selbst in Person der vollkommene Ausdruck dieser Botschaft war und ihre göttliche Legitimität im Prozess um seine göttliche Legitimität zugleich vor Gericht stand und am Kreuz besiegelt wurde, beginnt schon in seiner Erdenwirksamkeit der Übergang zur zweiten Bedeutung:
Zu 2. Für die Kirche ist Evangelium das Kurzwort für die Botschaft, von der sie lebt und die sie allen Geschöpfen (Mk 16,15) auszurichten hat: Menschwerdung, Wort und Wirken, Kreuzestod und Auferstehung des Sohnes Gottes; die eine Botschaft, die richtend und rettend jeden Menschen betrifft.
Zu 3. Die vier Evangelienschriften des Neuen Testaments sind mit diesem Titel insofern richtig benannt, weil die Verfasser keine Biografien, Informationen oder Unterhaltungsgeschichten schreiben wollen, sondern - aus eigener Erinnerung und gesammeltem Material - Entfaltungen des einen Evangeliums. Diesem Zweck ordnen sie die erzählten Fakten unter, von diesem Zweck her verändern sie auch ihnen vorliegende Überlieferungen erstaunlich frei, in der Überzeugung, dass der auferstandene Herr im Heiligen Geist jetzt durch sie neu sein Evangelium verkündet. Diese Überzeugung hat die Kirche im Fall der vier kanonischen Evangelien bestätigt und sie gemeinsam - in ihrer Verschiedenheit - zur Grundlage für alle künftige Evangelisierung erklärt. So heißt es in der Dogmatischen Konstitution über die göttliche Offenbarung "Dei Verbum" des 2. Vatikanischen Konzils:
- "Niemandem kann es entgehen, dass unter allen Schriften, auch unter denen des Neuen Bundes, den Evangelien mit Recht ein Vorrang zukommt. Denn sie sind das Hauptzeugnis für Leben und Lehre des fleischgewordenen Wortes, unseres Erlösers. Am apostolischen Ursprung der vier Evangelien hat die Kirche immer und überall festgehalten und hält daran fest; denn was die Apostel nach Christi Gebot gepredigt haben, das haben später unter dem Anhauch des Heiligen Geistes sie selbst und Apostolische Männer uns als Fundament des Glaubens schriftlich überliefert: das viergestaltige Evangelium nach Matthäus, Markus, Lukas und Johannes." (Nr. 18) "Unsere heilige Mutter, die Kirche, hat entschieden und unentwegt daran festgehalten und hält daran fest, dass die vier genannten Evangelien, deren Geschichtlichkeit sie ohne Bedenken bejaht, zuverlässig überliefern, was Jesus, der Sohn Gottes, in seinem Leben unter den Menschen zu deren ewigem Heil wirklich getan und gelehrt hat bis zu dem Tag, da er aufgenommen wurde (vgl. Apg 1,1-2). Die Apostel haben nach der Auffahrt des Herrn das, was er selbst gesagt und getan hatte, ihren Hörern mit jenem volleren Verständnis überliefert, das ihnen aus der Erfahrung der Verherrlichung Christi und aus dem Licht des Geistes der Wahrheit zufloss. Die biblischen Verfasser aber haben die vier Evangelien redigiert, indem sie einiges aus dem vielen auswählten, das mündlich oder auch schon schriftlich überliefert war, indem sie anderes zu Überblicken zusammenzogen oder im Hinblick auf die Lage in den Kirchen verdeutlichten, indem sie schließlich die Form der Verkündigung beibehielten, doch immer so, dass ihre Mitteilungen über Jesus wahr und ehrlich waren. Denn ob sie nun aus eigenem Gedächtnis und Erinnern schrieben oder auf Grund des Zeugnisses jener, 'die von Anfang an Augenzeugen und Diener des Wortes waren', es ging ihnen immer darum, dass wir die 'Wahrheit der Worte erkennen sollten, von denen wir Kunde erhalten haben' (vgl. Lk 1,2-4)." (Nr. 19)
Zu 4. Die Eucharistiefeier der Kirche geschieht von Anfang an in den zwei Schritten Wortverkündigung und Mahl. Im Wortgottesdienst wird aus den Schriften des Alten Testaments, aus den Briefen der Apostel und aus den Evangelien vorgelesen, wobei das Evangelium als unmittelbares Wort des Herrn und besondere Weise seiner Gegenwart schon früh den Vorrang hat und liturgisch hervorgehoben wird. Seine Verlesung ist dem Diakon oder Priester vorbehalten. In der Hochform der hl. Messe wird das kostbar verzierte Evangelienbuch in Prozession mit Leuchtern zum Ambo getragen; der Herr, der nun spricht, wird begrüßt mit dem Halleluja und mit Weihrauch verehrt; der Verkündigung geht der liturgische Wechselgruß, der zugleich Gebet ist, sowie das Kreuzzeichen auf Stirn, Mund und Brust voran, sie wird umrahmt von Christus-Akklamationen des Volkes; zum Abschluss wird das Buch vom Verkünder erhoben und geküsst, die Verkündung mit erneutem Halleluja beantwortet.
Die liturgische Gestaltung drückt den Glauben der Kirche an die Macht und Heiligkeit des Evangeliums aus, die die Macht und Heiligkeit Jesu Christi selber ist und auf die tägliche Antwort der Glaubenden zielt. Dazu Vertiefung und Hilfe zu geben, ist Aufgabe der anschließenden Homilie.
Darüberhinaus geschieht Evangelisierung überall, wo Christen mit Wort und Tat ihren Glauben bezeugen und verantworten.