Meminisse iuvat (Wortlaut)

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Enzyklika
Meminisse iuvat

von Papst
Pius XII.
An Unsere Ehrwürdigen Brüder, die Patriarchen, Primaten, Erzbischöfe, Bischöfe und anderen Oberhirten,
welche in Frieden und Gemeinschaft mit dem Apostolischen Stuhl stehen
für den Frieden der Welt und die Freiheit der Kirche
14. Juli 1958
(Offizieller lateinischer Text AAS 50 [1958] 449-459)

(Quelle: Herder-Korrespondenz, Herder Verlag Freiburg im Breisgau, 12. Jahrgang 1957/58, Heft 12, September 1958, S. 563-566); Die Nummerierung folgt der englischen Fassung)
Allgemeiner Hinweis: Was bei der Lektüre von Wortlautartikeln der Lehramtstexte zu beachten ist


Ehrwürdige Brüder
Gruß und Apostolischen Segen!

Einleitend

1. Es ist hilfreich für Uns, daran zu denken, dass Wir Uns genauso wie Unsere Vorgänger in den vergangenen Jahrhunderten immer, wenn dem christlichen Volk und der Kirche, der Braut des göttlichen Erlösers, neue Gefahren drohten, bittend an die Jungfrau und Gottesgebärerin gewandt und die ganze Uns anvertraute Herde aufgefordert haben, sich vertrauensvoll in ihren Schutz zu begeben.

2. Als die Welt durch einen grauenvollen Krieg erschüttert wurde, bemühten Wir Uns nicht nur mit aller Kraft, die Staaten, Völker und Nationen zum Frieden zu ermahnen und die vom Streit entzweiten Geister im Namen der Wahrheit, Gerechtigkeit und Liebe zur Eintracht zurückzurufen, sondern Wir erflehten dann, wenn menschliche Kraft und menschlicher Rat Uns zu fehlen schienen, in mehreren Mahnschreiben, die den heiligen Wetteifer des Gebetes anstacheln sollten, himmlische Hilfe vermittels der mächtigen Fürsprache der Gottesgebärerin, deren Unbeflecktem Herzen Wir Uns und die ganze Menschheitsfamilie geweiht haben (vgl. AAS 1942, S. 345-346).

3. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist zwar der große Kriegsbrand zwischen den Völkern endlich erloschen, der gerechte Friede jedoch noch nicht erreicht, und die Menschen können sein Wachstum durch brüderliche Eintracht noch nicht wahrnehmen. Dagegen keimt im verborgenen die Zwietracht und bricht von Zeit zu Zeit drohend hervor. Sie hält die Geister vor allem dadurch in Spannung und Angst, dass die Anwendung der monströsen Waffen, die der menschliche Geist geschaffen hat, von solcher Wirkkraft sind, dass sie nicht nur die Besiegten, sondern auch die Sieger und die ganze Menschheit in den gemeinsamen Untergang stürzen und auslöschen können.

I. Zwei Sorgen: die Welt ohne Gott und die Verfolgung der Kirche

4. Wenn Wir nun aufmerksamen Geistes untersuchen, was die Ursachen so vieler gegenwärtiger und künftiger Gefahren sind, so erkennen Wideicht, dass menschliche Entscheidungen, menschliche Kraft und menschliche Institutionen notwendigerweise in dem Maße fragwürdiger und schwankender werden, wie die Autorität Gottes, die erleuchtet, befiehlt und verbietet, die Ursprung und Ga- rant der Gerechtigkeit, Quelle der Wahrheit und Fundament des Gesetzes ist, zurückgesetzt, nicht an dem ihr zukommenden Platz eingeordnet oder völlig übergangen wird. Jedes Haus, das nicht auf festem und sicherem Grund steht, fällt' zusammen. Jeder Ve~stand, der nicht vom göttlichen Lichte erleuchtet wird, entfernt sich mehr oder weniger von der Fülle der Wahrheit. Zwietracht entsteht, verschärft und vertieft sich, wenn die brüderliche Liebe nicht den Geist der Staaten, Völker und Nationen erwärmt.

5. Nur die christliche Religion lehrt diese Fülle der Wahrheit und Gerechtigkeit und diese von Gott kommende Liebe, die Haß, Feindschaft und Zwietracht vertreibt. Denn sie allein empfing diese Werte zur Bewahrung vom göttlichen Erlöser, der der Weg, die Wahrheit und das Leben ist (vgl. Joh. 14,6), sie muß sie mit allen Kräften Zur Geltung bringen. Es besteht deshalb kein Zweifel, dass diejenigen, die die christliche Religion und die katholische Kirche aus freier Entscheidung heraus nicht kennen wollen oder bestrebt sind, sie auszuschalten, zurückzustoßen oder zu unterdrücken, die Grundlagen der staatlichen Gesellschaft selbst schwächen oder sie durch solche Fundamente ersetzen, die das Haus der Menschenwürde, der Freiheit und des Wohlstandes keineswegs tragen.

Ohne Religion gibt es keine tragfähige Gesellschaftsordnung

6. Deshalb müssen wir zu den christlichen Geboten zurückkehren, wenn wir eine feste, gerechte und richtige Gesellschaftsordnung gründen wollen. Es ist schädlich und unklug, die christliche Religion zu bekämpfen, für deren Unvergänglichkeit Gott der Garant und die Geschichte Zeuge ist. Alle mögen bedenken, dass kein Staat ohne Religion gesittet und wohlgeordnet sein kann.

7. Denn sie führt den Geist des Menschen zu Gerechtigkeit, Liebe und Gehorsam gegen die rechtmäßigen Gesetze. Sie mißbilligt und überwältigt das Laster. Sie spornt die Staatsbürger zur Übung der Tugend an. Sie beherrscht und zügelt deren öffentliche und private Sitten. Sie lehrt schließlich, dass eine bessere Verteilung der Güter dieser Erde nicht durch Gewalt, sondern durch richtige Normen erreicht wird, wodurch den Klassen des Proletariats, die noch nicht über das zum Leben Notwendige und Entsprechende verfügen, zu würdigeren Lebensbedingungen verholfen wird - die Voraussetzung dafür, dass die sozialen Zerwürfnisse in glücklicher Weise überwunden werden. Auf diese Weise scheint die Religion mehr zu einem guten, gerechten und geordneten Zusammenleben beizutragen, als wenn sie nur dazu da wäre, Vorteile für das vergängliche Leben zu schaffen und zu vermehren.

8. Wenn Wir diese Dinge in einer Geisteshaltung überdenken, die Uns über den Strudel aller menschlichen Begehrlichkeit erhebt und Uns die Völker und Nationen jeder Rasse in väterlicher Liebe umfangen läßt, so drängen sich Uns zwei Beobachtungen auf, die Uns beängstigen und erregen:

9. Erstens finden in vielen Nationen die christlichen Gebote und die katholische Religion nicht die Beachtung, die sie nach Unserer Auffassung haben müssen. Breite Schichten der Bevölkerung, vor allem die ungebildeten Massen, werden leicht durch weitverbreitete Irrtümer verführt, die sich oft mit dem Schein der Wahrheit schminken. Die Verlockungen des Lasters verwirren die Sinne und verderben vor allem die unerfahrene Jugend dadurch, dass sie durch jede Art von Schrifttum, durch Film und Fernsehen angepriesen werden.

10. Es gibt Autoren, die ihre Werke nicht deswegen herausbringen, um die Leser zu Wahrheit, Tugend und gesunder Entspannung zu führen, sondern um sie für schnöden Profit zu schlechter und verwerflicher Begehrlichkeit aufzureizen. Oder sie sind bemüht, durch Lüge, Verleumdung und Anschwärzung das Heilige, Schöne und Edle zu verhöhnen und zu beschmutzen. Es ist schmerzlich, zu sagen, dass sehr oft die Wahrheit verfälscht und Betrug und Laster öffentlich gepriesen werden. Dabei sieht jeder vernünftige Mensch, welches Übel dadurch der Gesellschaft und welcher Schaden der Kirche zugefügt werden.

Die Kirchenverfolgung

11. Zweitens nehmen Wir mit tiefstem Schmerz Unseres väterlichen Herzens zur Kenntnis, dass in vielen Nationen die Katholische Kirche des lateinischen und orientalischen Ritus von Verfolgungen heimgesucht wird, die die Christgläubigen und die Geistlichen wenn auch nicht in Worten, so doch in der Wirklichkeit vor das Dilemma stellen, entweder vom öffentlichen Bekennen und Verbreiten des christlichen Glaubens Abstand zu nehmen oder schwerste Schädigungen zu erleiden. Viele Bischöfe wurden von ihren Sitzen vertrieben, an der freien Ausübung ihrer Amtstätigkeit verhindert, eingekerkert oder ausgewiesen. Man bemüht sich, durch dieses waghalsige Unternehmen den Zustand zu erreichen, den das Wort des Herrn beschreibt: "Ich will den Hirten schlagen, und die Schafe der Herde werden sich zerstreuen" (Matth. 26, 31; vgl. Zach. 13, 7).

12. Darüber hinaus sind katholische Zeitungen, Zeitschriften und Veröffentlichungen fast völlig zum Schweigen gebracht, gleichsam als ob die Wahrheit ein Monopol der Machtträger sei und die Theologie, die anderen Wissenschaften und die Kunst kein Recht hätten, sich frei zu entfalten, um zum Wohle der Allgemeinheit zu blühen.

13. Die katholischen Schulen sind geschlossen und geächtet. An ihrer Stelle sind Schulen eingerichtet, in denen es keinen Unterricht über Gott und Religion gibt, sondern wo zumeist die Maximen des todbringenden Atheismus gelehrt werden.

14. Die Missionare, die Heim und Vaterland verlassen und größte Strapazen auf sich genommen haben, um ihren Mitmenschen das Licht und die Kraft des Evangeliums zu künden, wurden vielerorts wie Volksschädlinge und Missetäter vertrieben. Dadurch kann der in geringer Zahl zurückgebliebene Klerus bei der Größe der zu betreuenden Territorien und den Verfolgungen, denen er ausgesetzt ist, den Bedürfnissen der Gläubigen nicht nachkommen.

15. Schmerzlich ist, dass die Rechte der Kirdte, der es zusteht, im Auftrag des Heiligen Stuhles die Bischöfe zu wählen und zu weihen, die rechtmäßig die Herde zu regieren haben, mit Füßen getreten werden. Dies geschieht zum größten Schaden der Christgläubigen, da der Eindruck entsteht, die Katholische Kirche sei die Angelegenheit eines Staates, die von der staatlidten Macht abhängt, und keine göttliche Einrichtung, die allen Völkern und Nationen gehört.

Die Standhaftigkeit der Christen

16. In dieser schweren und schmerzlichen Bedrückung entgeht jedoch etwas Unserer Beobadttung nicht, was Unsern väterlichen Sinn mit großem Trost erfüllt. Wir wissen, dass die meisten Gläubigen des lateinischen und orientalischen Ritus mit aller Kraft am überlieferten Glauben ihrer Väter festhalten, obgleich sie der Hilfe und Stärkung entbehren, die ihnen ihre rechtmäßigen Bischöfe spenden könnten, wenn sie nicht vertrieben oder verhindert wären. Die Gläubigen halten mutig durch und setzen ihre Hoffnung auf den, der die Tränen und Leiden derer kennt, "die Verfolgung leiden um der Gerechtigkeit willen" (Matth. 5, 10), und der "mit seiner Verheißung ... nicht säumt" (2 Petr. 3,9), sondern seine leidenden Kinder einst mit der gerechten Belohnung trösten wird.

Aufruf zur Treue zum Heiligen Stuhl

17. In besonderer Weise und mit väterlichem Wohlwollen ermahnen Wir die ehrwürdigen Brüder und geliebten Söhne, die in heimtückischer und hinterhältiger Weise gezwungen werden, die sichere, feste und dauernde Einheit der Kirche sowie die unverbrüchliche

18. Treue zum Heiligen Stuhl, ohne den diese Einheit keine sichere Grundlage hat, aufzugeben. Es ist nur zu bekannt, wie gerade diese Einheit mit betrügerischen Doktrinen und allen Mitteln angefeindet und bekämpft wird. Doch sollten die Menschen daran denken, dass die Kirche, der Mystische Leib Christi, "zusammengefügt und zusammengehalten wird mit Hilfe aller Gelenke, die ihren Dienst verrichten nach der Tätigkeit, die jedem Glied zugewiesen ist" (Eph. 4,16), "bis wir alle zusammen gelangen zur Einheit des Glaubens und der Erkenntnis des Sohnes Gottes, zur vollen Mannesreife, zum Maß des Vollalters Christi" (ebd. 4, 13), dessen auf Erden durch göttliches Recht eingesetzter Stellvertreter der römische Bischof als Nachfolger des heiligen Petrus ist.

19. Die Menschen mögen über die weisen Worte des heiligen Bischofs und Martyrers Cyprian nachdenken: "Der Herr spricht zu Petrus: ,Ich sage dir: Du bist Petrus der Fels, und auf diesen Felsen will ich meine Kirche bauen .. .' (vgl. Matth. 16,18 f.). Auf ihm allein baut er die Kirche ... Diese Einheit müssen wir unerschütterlich festhalten und verteidigen, vor allem wir Bischöfe, die wir in der Kirche den Vorsitz haben ...

20. Die Kirche ist nur eine, die sich zur Vielheit bloß durch ihr üppiges Wachstum immer weiter ausbreitet, ebenso wie die Sonne viele Strahlen hat, aber nur ein Licht, und wie der Baum viele Zweige besitzt, aber nur einen auf fester Wurzel gegründeten Stamm; und wenn aus einem Quell noch so zahlreiche Bäche entspringen, die Einheit bleibt dennoch im Ursprung gewahrt, mag auch eine recht stattliche Zahl von Gewässern in dem Reichtum überquellender Fülle zu entströmen scheinen. Reiße einen Strahl vom Lichtkörper der Sonne ab; die Einheit des Lichtes läßt eine Absonderung nicht zu. Brich vom Baum einen Zweig; einmal abgebrochen, kann er nicht mehr sprossen. Schneide einen Bach ab von seiner Quelle; sofort wird er vertrocknen. Ebenso sendet auch die vom Licht des Herrn durchströmte Kirche über den ganzen Erdkreis ihre Strahlen.

21. Dennoch ist es nur ein Licht, das überall hinflutet, ohne dass die Einheit ihres Körpers zerteilt wird. Ihre Zweige strecken sich in reicher Fülle über die ganze Erde aus, mächtig hervorströmende Bäche läßt sie immer weiter sich ergießen. Dennoch gibt es nur eine Quelle und einen Ursprung ...

22. Gott kann der nicht mehr zum Vater haben, der die Kirche nicht zur Mutter hat ... Wer an dieser Einheit nicht festhält, der hält nicht fest an Gottes Gesetz, der hält nicht fest den Glauben an den Vater und den Sohn, der hält nicht fest am Leben und am Heile" (S. Cypr. De unitate Eccl. IV, V, VI; PL IV, S. 513, 514, 516-520).

Die Kirche bleibt unbesiegt

23. Diese Worte des heiligen Bischofs und Martyrers sollen gerade denen, die die Verbindung mit dem Heiligen Stuhl nur schwer oder gar nicht aufrechterhalten können, die schweren Gefahren ausgesetzt sind und viele Widerwärtigkeiten und Nachstellungen zu ertragen haben, zum Trost, als Anreiz zur Tapferkeit und als Schutz dienen. Sie mögen auf Gottes Hilfe vertrauen und diese Hilfe ohne Unterlaß durch inständiges Gebet erflehen. Sie mögen daran denken, dass alle Verfolger der Kirche wie Schatten vorüberhuschten - das bezeugt die Geschichte-, während die Sonne der göttlichen Wahrheit niemals untergeht, denn "das Wort Gottes bleibt in Ewigkeit" (1 Petr. 1,25).

24. Die von Christus gegründete Gemeinschaft kann zwar angegriffen, aber nicht besiegt werden, denn sie erhält ihre Kraft nicht von den Menschen, sondern von Gott. Es besteht jedoch kein Zweifel, dass sie Jahrhunderte hindurch durch Verfolgung, Anfeindung und Verleumdung genau wie einst ihr göttlicher Stifter gequält wurde entsprechend dem Herrenwort: "Wenn sie mich verfolgt haben, so werden sie auch euch verfolgen" (Joh 15,20). Genauso sicher ist aber auch, dass die Kirche einen friedlichen Sieg über alle ihre Feinde erringen wird, wie Christus, unser Erlöser, triumphierte.

25. Habt also Vertrauen, seid tapfer und standhaft im Geist. Wir wollen euch noch durch die Worte des heiligen Martyrers Ignatius ermahnt wissen, auch wenn Wir Uns darüber im klaren sind, dass ihr dieser Mahnung nicht bedürft: "Seid dem angenehm, für den ihr kämpft ... Keiner von euch darf zum Überläufer werden. Eure Taufe sei wie eine Waffe, euer Glaube wie ein Helm, die Liebe wie eine Lanze, die Geduld wie eine ganze Rüstung. Eure Werke seien eure Guthaben, so dass ihr eine würdige Belohnung verdient" (S. Ign. Ad Pol. VI, 2, PG V, S. 723-726).

26. Und dieses herrliche Wort des heiligen Bischofs Ambrosius möge euch feste Hoffnung und unerschütterliche Stärke verleihen: "Halte das Steuer des Glaubens fest, so dass dich die schweren Stürme dieser Welt nicht erschüttern können. Das Meer ist groß und weit. Doch fürchte dich nicht, denn auf Meere hat der Herr die Erde gegründet und sie auf Ströme gestellt (Ps. 23, 2). Nicht ohne Grund bleibt die Kirche des Herrn unbewegt in allen Fluten, denn sie ist auf dem apostolischen Fels gegründet und überdauert auf diesem ihrem Fundament unbeweglich und unerschütterlich alle Stürme des rasenden Meeres (vgl. Matth. 16,18). Sie wird von den Wogen bespült, aber nicht unterhöhlt. Auch wenn die Sturzwellen dieser Welt sich lärmend an ihr brechen, so bietet sie doch einen sicheren Hafen, um die ermüdeten Menschen aufzunehmen" (S. Ambr. Ep. II; PL XVI, S. 917).

II. Aufruf zum Gebet

27. Wenn Christen irgendwo besonders verfolgt werden, so ist es schon seit der apostolischen Zeit Brauch, dass alle, in brüderlicher Eintracht durch die Bande der Liebe verbunden, Gott, den Vater allen Erbarmens, durch Bitten und Gebet bewegen, die Seelen der Verfolgten zu stärken und so bald wie möglich für die ganze Kirche bessere Zeiten aufleuchten zu lassen.

28. So wünschen Wir heute, ehrwürdige Brüder, dass all denen, die sich in weiten Teilen Osteuropas und Asiens schon lange in einer widrigen und leidvollen Lebenslage befinden, göttliche Hilfe und göttlicher Trost, die ihnen von ihren Brüdern erfleht werden, nicht fehlen.

29. Da Wir, größtes Vertrauen in die Fürsprache der Jungfrau und Gottesmutter Maria haben, verleihen Wir dem dringenden Wunsche Ausdruck, dass überall auf Erden während der neun Tage, die dem Fest Mariä Himmelfahrt vorausgehen, öffentlich besondere Gebete für die in einigen Gegenden verfolgte und bedrängte Kirche verrichtet werden.

30. Wir setzen Unsere Hoffnung auf die Jungfrau Maria. Sie wurde von Uns nicht ohne göttliche Eingebung während des Heiligen Jahres 1950 als mit Leib und Seele in den Himmel aufgenommen erklärt (vgl. Bulla dogmatica Munificentissimus Deus AAS 1950,625 f). Sie wurde von Uns feierlich als Königin des Himmels erklärt, die als solche von allen verehrt werden soll (vgl. Enzyklika Ad caeli reginam AAS 1954, 625 f). Schließlich haben Wir anläßlich der Jahrhundertfeier des Ereignisses, da sie als Spenderin von Gaben - einem unschuldigen Mädchen in der Grotte von Lourdes erschien, die Scharen der Pilger zu ihr eingeladen, damit sie ihre mütterlichen Gnaden erhalten (vgl. Apostolische Konstitution Primo exacto saeculo AAS 1957, S. 1051 fI. und Enzyklika Le pèlerinage de lourdes AAS 1957, S. 605 ff).

Wir haben Vertrauen, dass sie keineswegs Unsere Bitten und das weltweite Gebet der Katholiken abweist.

31. Bemüht euch deshalb, ehrwürdige Brüder, dass durch eure Ermahnung und durch euer Beispiel die euch anvertrauten Gläubigen in großer Zahl zu den Altären der Gottesmutter kommen, die "dem ganzen Menschengeschlecht zur Ursache des Heiles geworden ist" (S. Iren. Contr. haer. III, 88; PG VII, 959). Einstimmig und einmütig mögen die Gläubigen flehen, dass überall der Kirche die Freiheit wiedergegeben werde. Diese Freiheit dient nicht nur dazu, das ewige Heil der Menschen zu erwirken, sondern auch dazu, die Befolgung der gerechten Gesetze zur Gewissenspflicht zu machen und die Grundlagen der Gesellschaft zu festigen.

32. Ganz besonders mögen die Gläubigen von der mütterlichen Fürsprache Mariens erbitten, dass die Bischöfe, die von ihrer Herde ferngehalten werden oder verhindert sind, so bald wie möglich in ihre frühere amtsgerechte Lage zurückversetzt werden, um frei ihre Amtsgeschäfte durchführen zu können; dass die durch Nachstellungen, Irrtümer und Spaltungen verwirrten Christgläubigen im vollen Licht der Wahrheit die Eintracht und Liebe wiederfinden mögen; dass alle, die in der Unsicherheit des Zweifels und schwach sind, durch die göttliche Gnade gestärkt werden, so dass sie bereit sind, eher alles zu erleiden, als vom christlichen Glauben und der katholischen Einheit abzufallen.

33. Mögen doch die einzelnen Diözesen bald wieder ihren eigenen rechtmäßigen Bischof haben - das ist Unser heißer Wunsch. Mögen doch die christlichen Gebote überall und allen Schichten der Bevölkerung wieder frei verkündet werden können.

34. Möge die Jugend in den Volks- und höheren Schulen, in den Werkstätten und auf den Feldern nicht mehr durch die Ideologien des Materialismus, Atheismus und Hedonismus, die den Geist schwächen und dem Tugendstreben die Kraft rauben, verführt, sondern vom Licht der Weisheit des Evangeliums erleuchtet werden, das sie zu ihrem Besten aufrichtet, lenkt und leitet.

35. Möge die Wahrheit überall hingelangen und sie niemand behindern. Mögen alle verstehen, dass sich niemand auf die Dauer der Wahrheit widersetzen und niemand auf die Dauer der Liebe widerstehen kann.

36. Mögen schließlich auch die Missionare so bald wie möglich zu den Menschen zurückkehren können, die sie mit apostolischem Eifer und unter Schweiß und Strapazen für Christus gewonnen haben. Sie brennen darauf, diese Menschen auch um den Preis von Arbeit, Opfer und Mühen in der christlichen Kultur zu fördern.

37. Um das alles mögen die Gläubigen die Gottesmutter bitten. Sie sollen es nicht unterlassen, auch um Verzeihung für die Verfolger des Christentums zu bitten und dem Impuls der Liebe zu folgen, der den Völkerapostel Paulus sagen ließ: "Segnet die, die euch verfolgen" (Röm.12, 14). Sie sollen nicht davon ablassen, für diejenigen himmische Gnade und himmlisches Licht herabzurufen, die allein die Finsternis des Irrtums zerstreuen und die Gewissen zur rechten Ordnung zurückrufen können.

III. Erneuerung der Sitten muß das Gebet begleiten

38. Doch mit diesen öffentlichen Fürbitten muß auch, wie ihr es wohl wißt, ehrwürdige Brüder, eine christliche Reform der Lebensgewohnheiten stattfinden, ohne die die Stimme des Gebetes vergeblich ist, weil sie Gott nicht gefallen kann.

39. In der empfindsamen und brennenden Liebe, mit der die Christen die Katholische Kirche umfangen, senden sie nicht nur fromme Gebete zum Himmel, sondern bieten Gott auch Werke der Tugend und der Buße, Opfer und Schwierigkeiten sowie alles Leid und allen Schmerz an, die notwendigerweise mit diesem sterblichen Leben verbunden sind. Darüber hinaus schenken sie Gott auch das, was sie freiwillig und großmütig auf sich nehmen.

40. Durch diese mit dem Bittgebet verbundene wirkliche Erneuerung der Lebensgewohnheiten ziehen sie die Gnade Gottes nicht nur auf sich, sondern auch auf die Kirche herab, die sie wie eine gütige Mutter lieben sollen.

41. Dadurch erneuern sie jedesmal, wenn die Umstände es erfordern, eine Lebenshaltung, die in ihrer ausdrucksvollen Großartigkeit im Brief an Diognet beschrieben ist: "Die Christen ... sind zwar im Fleisch, leben jedoch nicht nach dem Fleisch. Sie leben auf der Erde, haben jedoch ihre Heimstätte im Himmel. Sie befolgen die ordentlichen Gesetze und überwinden die Gesetze durch ihre Lebenshaltung. Sie lieben alle, und alle verfolgen sie. Sie werden übergangen, verurteilt, getötet und fühlen sich doch voller Leben ... Sie werden entehrt und ernten Ruhm in der Entehrung. Ihr guter Ruf wird zerrissen und gibt doch Zeugnis von ihrem Gerechtigkeitssinn ... Wenn sie sich rechtschaffen verhalten, werden sie wie Missetäter bestraft. Wenn sie bestraft werden, freuen sie sich, als würden sie zum Leben erweckt ... " (Ep. ad Diogn. V; PG Il, S. 1174-1175).

42. "Um all das zusammenfassend auszudrücken: Was die Seele im Leib ist, das sind die Christen in der Welt" (Ebd. VI; PG IV, S. 1175).

43. Wenn wie zur Zeit der Apostel und Martyrer echte christliche Sitten wieder aufblühen, dann dürfen wir mit sicherem Vertrauen auf die gütige Erhörung durch die Allerseligste Jungfrau Maria hoffen, die in ihrem mütterlichen Geiste wünscht, dass alle ihre Kinder ihre eigene Tugend widerspiegeln. Durch die Erhörung so vieler bittender Stimmen können wir alle auf friedlichere und glücklichere Zeiten für die Kirche ihres eingeborenen Sohnes und die ganze Menschheit hoffen.

44. Wir wünschen, ehrwürdige Brüder, dass ihr dieses Unser Verlangen und Unsere Ermahnung in Unserem Namen allen eurer Sorge anvertrauten Gläubigen in der geeignetesten Form zur Kenntnis bringt. Als Unterpfand himmlischer Gnaden und Zeichen Unseres väterlichen Wohlwollens erteilen Wir jedem von euch und eurer Herde, ganz besonders aber denen, die wegen der Verteidigung der Rechte der Kirche und ihrer Liebe zur Kirche Verfolgung erleiden, liebevoll Unsern Apostolischen Segen.

Gegeben zu Rom bei St. Peter, am 14. Juli 1958,
im 20. Jahre Unseres Pontifikats.
Pius PP XII.

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