Pastores dabo vobis (Wortlaut)
Pastores dabo vobis |
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von Papst Johannes Paul II.
an die Bischöfe, Priester und Gläubigen
über die Priesterbildung im Kontext der Gegenwart
Die VIII. Ordentlichen Generalversammlung der Weltbischofssynode fand am 30. September bis 28. Oktober 1990 statt
25. März 1992
(Offizieller lateinischer Text: AAS 84 [1992] 657-804)
Allgemeiner Hinweis: Was bei der Lektüre von Wortlautartikeln der Lehramtstexte zu beachten ist |
Inhaltsverzeichnis
EINLEITUNG
1 "Ich gebe euch Hirten nach meinem Herzen" (Jer 3,15).
Mit diesen Worten des Propheten Jeremia verspricht Gott seinem Volk, es nie ohne Hirten zu lassen, die sie sammeln und führen sollen: "Ich werde ihnen (d. h. meinen Schafen) Hirten geben, die sie weiden, und sie werden sich nicht mehr fürchten und ängstigen" (Jer 23,4).
Die Kirche als Volk Gottes erlebt immerfort die Verwirklichung dieser prophetischen Ankündigung und hört nicht auf, dem Herrn voll Freude zu danken. Sie weiß, dass Jesus Christus selbst die lebendige, letzte und endgültige Erfüllung der Verheißung Gottes ist. "Ich bin der gute Hirte" (Joh 10, 11).
Der "erhabene Hirte der Schafe" (Hebr 13,20) hat die Apostel und ihre Nachfolger mit dem Auftrag betraut, die Herde Gottes zu weiden (vgl. Joh 21,15ff.; 1 Petr 5,2). Ohne Priester könnte die Kirche vor allem jenen grundlegenden Gehorsam nicht leben, der die eigentliche Mitte ihrer Existenz und ihrer Sendung in der Geschichte bildet: den Gehorsam gegenüber dem Gebot Jesu "Darum geht zu allen Völkern ... und lehrt sie" (Mt 28,19) und Tut dies zu meinem Gedächtnis" (Lk 22)19; vgl. 1 Kor 11,24); das heißt das Gebot Jesu, das Evangelium zu verkünden und jeden Tag das Opfer seines für das Leben der Welt hingegebenen Leibes und vergossenen Blutes zu erneuern.
Im Glauben wissen wir, dass die Verheißung des Herrn in Erfüllung geht. Gerade diese Verheißung gibt ja der Kirche Anlass und Kraft, sich angesichts des Reichtums und der zahlenmäßigen Zunahme an Priesterberufen, wie man sie heute in einigen Teilen der Welt feststellen kann, zu freuen; gleichzeitig stellt sie das Fundament und den Ansporn zu einem Bekenntnis größeren Glaubens und stärkerer Hoffnung dar angesichts des besorgniserregenden Priestermangels, der auf anderen Teilen der Welt lastet.
Wir sind alle aufgerufen, das volle Vertrauen in die dauernde Erfüllung der Verheißung Gottes zu teilen, von dem die Synodenväter mit klarer Festigkeit Zeugnis gegeben haben: "Mit vollem Vertrauen in die Verheißung Christi, der gesagt hat: Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt (Mt 28,20), und im Bewusstsein des beständigen Wirkens des Heiligen Geistes in der Kirche glaubt die Synode zutiefst, dass in der Kirche die heiligen Diener niemals vollständig fehlen werden ... Auch wenn in einigen Gegenden Priestermangel auftritt, wird doch in der Kirche das Handeln des Vaters, der die Berufungen weckt, niemals aufhören.<ref>Propositio 2.</ref>
Wie ich zum Abschluss der Synode im Hinblick auf die Krise der Priesterberufe sagte, "besteht die erste Antwort, die die Kirche gibt, in einem Akt totalen Vertrauens auf den Heiligen Geist. Wir sind zutiefst überzeugt, dass uns diese vertrauensvolle Hingabe nicht enttäuschen wird, wenn wir dazu der empfangenen Gnade treu bleiben".<ref> Johannes Paul II., Ansprache zum Abschluss der Achten Weltbischofssynode (27. Oktober 1990), 5: O.R.dt. Nr. 45 vom 9.11.1990, 4.</ref>
2 Der empfangenen Gnade treu bleiben! Denn das Geschenk Gottes hebt die Freiheit des Menschen nicht auf, sondern weckt sie, bringt sie zur Entfaltung und fordert sie ein.
Darum geht das umfassende Vertrauen in die unbedingte Treue gegenüber der Verheißung Gottes in der Kirche mit der schwerwiegenden Verantwortung einher, mitzuwirken beim Tun Gottes, der uns ruft, beizutragen zur Schaffung und Erhaltung von Bedingungen, unter welchen der von Gott gesäte Same Wurzel schlagen und reiche Frucht bringen kann. Die Kirche darf niemals aufhören, den Herrn der Ernte zu bitten, dass er Arbeiter für seine Ernte aussende (vgl. Mt 9,38); sie darf nicht aufhören, sich mit einem klaren und beherzten Berufungskonzept an die jungen Generationen zu wenden und ihnen zu helfen, die Wahrheit des göttlichen Anrufes zu erkennen und ihm großmütig und selbstlos zu entsprechen; und sie darf nicht aufhören, besondere Sorge auf die Ausbildung der Priesteramtskandidaten zu verwenden.
Die Ausbildung sowohl der künftigen Weltpriester wie der Ordenspriester und die eifrige, das ganze Leben lang geltende Sorge um ihre persönliche Heiligung im Amt und um die ständige Weiterbildung und Anpassung ihres pastoralen Einsatzes werden von der Kirche tatsächlich als eine der schwierigsten und wichtigsten Aufgaben für die zukünftige Evangelisierung der Menschheit angesehen.
Diese Bildungstätigkeit der Kirche ist eine Weiterführung des Werkes Christi, auf die der Evangelist Markus mit den Worten hinweist: Jesus stieg auf einen Berg und rief die zu sich, die er erwählt hatte, und sie kamen zu ihm. Und er setzte zwölf ein, die er bei sich haben und die er dann aussenden wollte, damit sie predigten und mit seiner Vollmacht Dämonen austrieben" (Mk 3,13-15).
Man kann sagen, dass die Kirche in ihrer Geschichte durch die den Kandidaten für das Priesteramt und den Priestern selbst geltende Ausbildungstätigkeit diese Seite des Evangeliums immer von neuem mit Leben erfüllt hat, wenn auch mit unterschiedlicher Intensität und in verschiedener Weise. Heute freilich fühlt sich die Kirche aufgerufen, das, was der Meister mit seinen Aposteln getan hat, mit neuem Eifer wiederzubeleben; veranlasst sieht sie sich dazu von den tiefgreifenden und raschen gesellschaftlichen und kulturellen Veränderungen unserer Zeit, von der Vielfalt und Unterschiedlichkeit des jeweiligen Umfeldes, in dem sie das Evangelium verkündet und bezeugt, von der günstigen zahlenmäßigen Entwicklung der Priesterberufe in verschiedenen Diözesen der Welt, von der Dringlichkeit einer neuen Überprüfung der Inhalte und Methoden der Priesterausbildung, von der Sorge der Bischöfe und ihrer Gemeinden wegen des anhaltenden Priestermangels, von der absoluten Notwendigkeit, dass die "Neu-Evangelisierung" ihre ersten "Neu-Evangelisatoren" in den Priestern haben müsse.
Genau in diesem geschichtlichen und kulturellen Rahmen war die letzte ordentliche Vollversammlung der Bischofssynode angesiedelt, die der "Priesterbildung im Kontext der Gegenwart" gewidmet war, mit der Absicht, fünfundzwanzig Jahre nach dem Ende des Konzils die Konzilslehre über dieses Thema inhaltlich zu erfüllen und sie im Hinblick auf die heutigen Verhältnisse zu aktualisieren und schärfer zu umreißen.<ref>Vgl. Propositio 1.</ref>
3 In Kontinuität mit den Texten des II. Vatikanischen Konzils über den Priesterberuf und die Priesterausbildung<ref>Wir beziehen uns selbstverständig auf Nr. 28 der dogmatischen Konstitution Lumen gentium und auf die beiden Dekrete über Dienst und Leben der Priester Presbyterorum ordinis und über die Priesterausbildung]] Optatam totius.</ref> sowie in der festen Absicht, deren inhaltsreiche und verbindliche Lehre konkret auf die verschiedenen Situationen anzuwenden, hat sich die Kirche mehrmals mit den Problemen des Lebens, des Amtes und der Ausbildung der Priester auseinandergesetzt.
Die herausragendsten Anlässe dafür waren die Bischofssynoden. Schon auf der ersten im Oktober 1967 abgehaltenen Vollversammlung widmete die Synode fünf Generalsitzungen dem Thema der Erneuerung der Priesterseminare. Diese Arbeit gab den entscheidenden Anstoß zur Abfassung des Dokumentes der Kongregation für das katholische Bildungswesen "Grundordnung für die Ausbildung der Priester".<ref>Hl. Kongregation für das Katholische Bildungswesen, Ratio fundamentalis institutionis sacerdotalis (Grundordnung für die Ausbildung der Priester) (6. Januar 1970): AAS 62 (1970) 321-384.</ref>
Vor allem die zweite ordentliche Vollversammlung von 1971 widmete die Hälfte ihrer Arbeiten dem Weihepriestertum. Die Ergebnisse dieser langen synodalen Auseinandersetzung, die in einigen meinem Vorgänger Papst Paul Vl. unterbreiteten und bei der Eröffnung der Synode von 1974 verlesenen "Empfehlungen" neu aufgegriffen und zusammengefasst wurden, betrafen hauptsächlich die Lehre über das Weihepriestertum und einige Aspekte der priesterlichen Spiritualität und des priesterlichen Dienstes.
Auch bei vielen anderen Gelegenheiten hat das kirchliche Lehramt immer wieder Zeugnis gegeben von seiner Sorge um das Leben und den Dienst der Priester. Man kann wohl sagen, dass es in den Jahren unmittelbar nach dem Konzil keine lehramtliche Äußerung gegeben hat, die nicht in irgendeiner Weise, explizit oder implizit, auf die Bedeutung der Anwesenheit von Priestern in der Gemeinde, auf ihre Rolle und ihre Unentbehrlichkeit für die Kirche und für das Leben der Welt eingegangen wäre.
In den allerletzten Jahren ist man sich nun vielerorts der Notwendigkeit bewusst geworden, auf das Thema Priestertum zurückzukommen, und zwar so, dass man sich damit von einem Standpunkt her neu auseinandersetzt, der der heutigen kirchlichen wie kulturellen Situation angemessener ist. Die Aufmerksamkeit hat sich dabei vom Problem der Identität des Priesters zu den Fragen verlagert, die mit dem Ausbildungsgang des Priesterberufes und mit der Lebensqualität der Priester zusammenhängen. In der Tat weisen die neuen Generationen der zum Priesteramt Berufenen ganz andere Wesensmerkmale auf als ihre unmittelbaren Vorgänger, und sie leben in einer in vieler Hinsicht neuen Welt, die in ständiger und rascher Entwicklung begriffen ist. Das alles muss bei der Erstellung und Durchführung der Ausbildungsordnungen für den Priesterberuf berücksichtigt werden.
Die Priester schließlich, die ihr Amt schon länger oder erst seit kurzem ausüben, scheinen heute unter der übermäßigen Zersplitterung in den immer noch zunehmenden pastoralen Tätigkeiten zu leiden und fühlen sich angesichts der Schwierigkeiten der modernen Gesellschaft und Kultur genötigt, neu nachzudenken über ihren Lebensstil und über die Prioritäten des pastoralen Einsatzes, während sie immer deutlicher die Notwendigkeit einer ständigen Weiterbildung erkennen.
Die Überlegungen der Bischofssynode von 1990 galten also der Zunahme von Priesterberufungen sowie der Ausbildung, in der die Kandidaten mit Jesus im Blick auf die Nachfolge besser vertraut werden sollen, während sie sich auf den Empfang der Weihe und das Leben aus diesem Sakrament vorbereiten, das sie Christus, dem Haupt und Hirten, dem Diener und Bräutigam der Kirche nachformt. Die Sorge der Synode galt weiterhin der Erstellung von Plänen für die ständige Weiterbildung, die in der Lage sein sollen, den Dienst und das geistliche Leben der Priester realistisch und erfolgreich zu unterstützen.
Desgleichen wollte diese Synode auch auf ein Anliegen der vorhergehenden Synode über die Berufung und Sendung der Laien in Kirche und Welt antworten. Die Laien selbst hatten ja die Bemühungen der Priester im Blick auf die Ausbildung angeregt, damit ihnen bei der Erfüllung der gemeinsamen kirchlichen Sendung angemessene Hilfe geboten werden kann. In der Tat, "je mehr sich das Laienapostolat entfaltet, desto stärker spürt man das Bedürfnis nach gut ausgebildeten, heiligmäßigen Priestern. So artikuliert das Leben des Volkes Gottes selbst die Lehre des II. Vatikanischen Konzils über die Beziehung zwischen dem gemeinsamen Priestertum aller Gläubigen und dem Weihepriestertum. Denn im Mysterium der Kirche hat die Hierarchie Dienstcharakter (vgl. Lumen gentium, 10). je mehr das Verständnis der den Laien eigenen Sendung vertieft wird, desto mehr tritt das hervor, was dem Priester eigen ist".<ref>Johannes Paul II., Ansprache zum Abschluss der Achten Weltbischofssynode (27. Oktober 1990), 3: a.a.O.,4.</ref>
4 In der kirchlichen Erfahrung, wie sie für die Synode kennzeichnend ist, nämlich "einem einzigartigen Erleben der Gemeinschaft der Bischöfe in der Universalität, die den Sinn für die Weltkirche, die Verantwortlichkeit der Bischöfe für die Weltkirche und ihren Auftrag in affektiver und effektiver Gemeinschaft um Petrus stärkte",<ref>Ebd.,1.</ref> hat sich klar und deutlich die Stimme der verschiedenen Teilkirchen vernehmen lassen - und bei dieser Synode zum ersten Mal die Stimme einiger Kirchen des Ostens: die einzelnen Teilkirchen haben ihren Glauben an die Erfüllung der Verheißung Gottes verkündet: "Ich gebe euch Hirten nach meinem Herzen" (Jer 3,15), und sie haben ihr pastorales Engagement für die Sorge um geistliche Berufe und um die Ausbildung der Priester erneuert in dem Bewusstsein, dass davon die Zukunft der Kirche, ihre Entfaltung und ihre Heilssendung abhängen.
Indem ich also den reichen Schatz an Überlegungen, Ausrichtungen und Hinweisen, die die Arbeiten der Synodenväter vorbereitet und begleitet haben, wieder aufgreife, verbinde ich mit diesem nachsynodalen Apostolischen Schreiben meine Stimme als Bischof von Rom und Nachfolger des Petrus und wende mich mit ihr an das Herz aller und jedes einzelnen Gläubigen und ganz besonders an das Herz der Priester und Priesteramtskandidaten sowie aller jener, denen der schwierige Dienst ihrer Ausbildung aufgetragen ist. ja, ich möchte mit diesem Apostolischen Schreiben allen Priestern und jedem einzelnen von ihnen, sowohl Welt- wie Ordenspriestern, begegnen.
Mit dem Mund und dem Herzen der Synodenväter mache ich mir die Worte und Gefühle der Schlussbotschaft der Synode an das Volk Gottes zu eigen: "In Dankbarkeit und Bewunderung richten wir unser Wort an euch, unsere ersten Mitarbeiter in unserem apostolischen Dienst. Euer Dienst in der Kirche ist notwendig und kann durch nichts ersetzt werden. Ihr tragt die Bürde des Priesteramtes und steht in täglichem Kontakt mit den Gläubigen. Ihr seid die Diener der Eucharistie, die Spender der göttlichen Barmherzigkeit im Sakrament der Buße, die Tröster der betrübten Seelen, die Führer aller Gläubigen in den Stürmen und Nöten des Lebens.
Aus ganzem Herzen grüßen wir euch, sagen euch Dank und ermahnen euch, mit freudig bereitem Herzen auf diesem Weg zu verbleiben. Lasst euch nicht entmutigen! Unser Tun ist nicht unser, sondern Gottes Werk.
Er, der uns gerufen und ausgesandt hat, bleibt bei uns alle Tage unseres Lebens. Denn wir tun unser Werk im Auftrag Christi".<ref>Achte Weltbischofssynode, Botschaft der Synodenväter an das Volk Gottes (28. Oktober 1990), III: L'Osservatore Romano,29./30.Oktober 1990, 4.</ref>
KAPITEL I: AUS DEN MENSCHEN ERWÄHLT.
Die Priesterausbildung vor den Herausforderungen am Ende des zweiten Jahrtausends
Der Priester in seiner Zeit
5 Jeder Hohepriester wird aus den Menschen ausgewählt und für die Menschen eingesetzt zum Dienst vor Gott" (Hebr 5,1).
Die Worte des Hebräerbriefes sprechen klar von der Menschlichkeit" des Gottesdieners: er kommt von den Menschen und dient den Menschen, indem er Jesus Christus nachahmt, "der in allem wie wir in Versuchung geführt worden ist, aber nicht gesündigt hat" (Hebr 4,15).
Gott ruft seine Priester immer aus einer bestimmten menschlichen und kirchlichen Umgebung, von der sie unweigerlich geprägt werden und in die sie für den Dienst am Evangelium Christi gesandt werden.
Darum hat die Synode das Thema "Priester" in einen bestimmten Kontext gestellt, das heißt in die heutige Situation der Gesellschaft und der Kirche, und Perspektiven auf das dritte Jahrtausend hin eröffnet, wie es sich im übrigen aus der Formulierung des Themas ergibt: "Die Priesterbildung im Kontext der Gegenwart".
Gewiss "gibt es einen Wesenszug des Priesters, der sich nicht verändert: der Priester von morgen muss nicht weniger als der von heute Christus ähnlich sein. Jesus zeigte, als er auf Erden lebte, aus sich selbst heraus das endgültige Gesicht des Priesters, indem er ein Priesteramt verwirklichte, mit dem die Apostel als erste betraut wurden. Es ist dazu bestimmt, fortzudauern und sich in allen Geschichtsperioden unaufhörlich fortzupflanzen. Der Priester des dritten Jahrtausends wird in diesem Sinn die Reihe der Priester fortsetzen, die in den vorhergegangenen Jahrtausenden das Leben der Kirche beseelt haben. Auch im Jahr 2000 wird die priesterliche Berufung weiterhin der Ruf dazu sein, das einzige und ewige Priestertum Christi zu leben".<ref>Johannes Paul II. Ansprache vor dem Angelus, 14. Januar 1990, 2: L'Osservatore Romano,15./16. Januar 1990,5.</ref> Ebenso gewiss müssen sich das Leben und der Dienst des Priesters "jeder Epoche und jedem Lebensumfeld anpassen ... Wir unsererseits müssen deshalb versuchen, uns so weit wie möglich der höheren Eingebung des Heiligen Geistes zu öffnen, um die Entwicklungslinien der heutigen Gesellschaft zu entdecken, die tiefsten geistlichen Anliegen zu erkennen, die wichtigsten konkreten Aufgaben und anzuwendenden Pastoralmethoden zu bestimmen und so in angemessener Weise den menschlichen Erwartungen zu entsprechen".<ref> Ebd.,3.</ref>
Die Synodenväter, die die bleibende Wahrheit des Priesterlichen Dienstes mit den heutigen Erfordernissen und Merkmalen verbinden mussten, haben auf einige notwendige Fragen zu antworten versucht: Welche Probleme und zugleich welche positiven Anstöße vermittelt das heutige soziokulturelle und kirchliche Umfeld in Kindern, Heranwachsenden und jugendlichen, die für ihre ganze Existenz einen Lebensentwurf im Priesterberuf reifen lassen sollen? Welche Schwierigkeiten und welche neuen Möglichkeiten bietet unsere Zeit für die Ausübung eines priesterlichen Dienstes, der kohärent ist mit der Gabe des empfangenen Sakramentes und mit dem Bedürfnis nach einem entsprechenden geistlichen Leben?
Ich lege nun einige Elemente der Situationsanalyse, die die Synodenväter vorgenommen haben, wieder vor, wobei ich mir jedoch dessen bewusst bin, dass die große Vielfalt der soziokulturellen und kirchlichen Verhältnisse in den verschiedenen Ländern empfiehlt, nur auf die tiefgreifendsten und verbreitetsten Phänomene hinzuweisen, im besonderen auf jene, die sich auf die Probleme der Erziehung und der Priesterausbildung beziehen.
Das Evangelium heute: Hoffnungen und Hindernisse
6 Vielfältige Faktoren begünstigen, so scheint es, in den heutigen Menschen ein reiferes Bewusstsein der Würde der Person und eine neue Aufgeschlossenheit für die religiösen Werte, für das Evangelium und den priesterlichen Dienst.
So finden wir im Bereich der Gesellschaft trotz vieler Widersprüche ein weithin verbreitetes, starkes Verlangen nach Gerechtigkeit und Frieden, ein ausgeprägteres Verständnis für die Sorge des Menschen um die Schöpfung und um die Achtung vor der Natur, ein offeneres Suchen nach der Wahrheit und dem Schutz des menschlichen Lebens und bei vielen Gruppen der Weltbevölkerung einen wachsenden Einsatz für eine konkretere internationale Solidarität und für eine neue Weltordnung in Freiheit und Gerechtigkeit. Während sich das von Wissenschaft und Technik angebotene Energiepotential immer weiter entwickelt und sich Information und Kultur verbreiten, entsteht auch ein neues Problem im Bereich des Ethischen, nämlich die Frage nach dem Sinn und damit nach einer objektiven Werteskala, die es erlaubt, die Möglichkeiten und Grenzen des Fortschritts festzulegen.
Im eigentlich religiösen und christlichen Bereich brechen ideologische Vorurteile und gewaltsame Abschirmungen gegen die Verkündigung der geistlichen und religiösen Werte zusammen, während neue, unverhoffte Möglichkeiten für die Evangelisierung und die Wiederaufnahme des kirchlichen Lebens in vielen Teilen der Welt entstehen. So sind zu beobachten eine wachsende Verbreitung der Kenntnis der Heiligen Schrift; eine Vitalität und Expansionskraft vieler junger Kirchen mit einer immer wichtigeren Rolle bei der Verteidigung und Förderung der Werte der Person und des menschlichen Lebens: ein leuchtendes Zeugnis des Martyriums seitens der Kirchen Mittel- und Osteuropas wie auch das Zeugnis der Treue und des Mutes anderer Kirchen, die noch immer um des Glaubens willen unter Verfolgungen und Bedrängnissen zu leiden haben.<ref> Vgl. Propositio 3.</ref>
Die Sehnsucht nach Gott und nach einer lebendigen und bedeutungsvollen Beziehung zu ihm scheint heute dort, wo eine glaubwürdige und unverkürzte Verkündigung des Evangeliums fehlt, die Verbreitung einer Religiosität ohne christliches Gottesbild und das vielfältige Anwachsen von Sekten zu begünstigen. Ihre Ausbreitung auch in manchen traditionell christlichen Gebieten ist für alle Angehörigen der Kirche und besonders für die Priester ein ständiger Grund zur Gewissensprüfung über die Glaubwürdigkeit ihres Zeugnisses für das Evangelium, aber zugleich auch ein Zeichen dafür, wie tief und verbreitet die Suche nach Gott ist.
7 Aber mit diesen und mit anderen positiven Faktoren sind viele problematische bzw. negative Elemente verflochten.
Weitverbreitet scheint noch immer der Rationalismus zu sein, der im Namen eines reduktiven Wissenschaftsverständnisses die menschliche Vernunft für die Begegnung mit der Offenbarung und mit der göttlichen Transzendenz unempfänglich macht.
Weiterhin ist eine ausgedehnte Verteidigung der personalen Subjektivität festzustellen, die darauf angelegt ist, den Menschen in einen zu echten menschlichen Beziehungen unfähigen Individualismus zu sperren. So versuchen viele, vor allem Kinder und jugendliche, diese Einsamkeit durch verschiedene Ersatzmittel, durch mehr oder weniger ausgeprägte Formen von Genusssucht und Flucht aus der Verantwortung zu kompensieren; als Gefangene des flüchtigen Augenblicks suchen sie, möglichst starke und befriedigende individuelle Erlebnisse im Bereich direkter Emotionen und Gefühle zu "konsumieren", was unweigerlich zur Folge hat, dass sie dem Aufruf zu einem Lebensentwurf, der eine geistliche und religiöse Dimension und ein Bemühen um Solidarität einschließt, gleichgültig, ja wie gelähmt gegenüberstehen.
Zudem verbreitet sich auch nach dem Zusammenbruch der Ideologien, die den Materialismus zu einem Dogma und die Ablehnung der Religion zu einem Programm gemacht hatten, überall auf der Welt eine Art praktischer und existentieller Atheismus, der mit einer säkularistischen Auffassung von Leben und Bestimmung des Menschen zusammenfällt. Dieser Mensch, "der ganz mit sich selbst beschäftigt ist, der sich nicht nur zum Mittelpunkt aller Interessen macht, sondern es sogar wagt, sich als Anfang und Grund jeder Wirklichkeit zu bezeichnen",<ref> Paul VI., Homilie bei der Eucharistiefeier zu Beginn der IX. öffentlichen Sitzung des Konzils (7. Dezember 1965): AAS 58 (1966) 55.</ref> wird zunehmend ärmer um jene "seelische Ergänzung", die er um so nötiger braucht, je mehr die ihm reichlich zur Verfügung stehenden materiellen Güter und Mittel ihm Selbstgenügsamkeit vortäuschen. Es ist nicht mehr nötig, Gott zu bekämpfen, man glaubt, einfach auf ihn verzichten zu können.
In diesem Zusammenhang muss besonders die Zersetzung der Familie und die Trübung oder Verzerrung des wahren Verständnisses der menschlichen Sexualität angeführt werden: Es geht dabei um Phänomene, die sich auf die Erziehung junger Menschen und ihre Verfügbarkeit für einen geistlichen Beruf sehr negativ auswirken. Hinzuweisen ist außerdem auf die Verschärfung der sozialen Ungerechtigkeiten und auf die Konzentration des Reichtums in den Händen einiger weniger als Ergebnis eines unmenschlichen Kapitalismus,<ref> Vgl. Propositio 3.</ref> der den Abstand zwischen reichen und armen Völkern immer weiter vergrößert: Dadurch werden in das Zusammenleben der Menschen Spannungen und Besorgnisse eingeführt, die das Leben der einzelnen und der Gemeinschaften zutiefst erschüttern.
Auch im kirchlichen Bereich sind besorgniserregende negative Erscheinungen zu verzeichnen, die das Leben und den Dienst der Priester direkt beeinflussen. Dazu gehören: die religiöse Gleichgültigkeit bei vielen Gläubigen; der geringe Einfluss der Katechese, die von den viel weiter verbreiteten und mehr auf Gefälligkeit hin ausgerichteten Impulsen der Massenmedien erstickt wird; der missverstandene theologische, kulturelle und pastorale Pluralismus, dem zwar bisweilen gute Absichten zugrunde liegen, der aber schließlich den ökumenischen Dialog erschwert und die notwendige Einheit des Glaubens gefährdet; das Fortbestehen eines Gefühls des Misstrauens, ja beinahe der Unduldsamkeit gegenüber dem hierarchischen Lehramt; die einseitigen und einschränkenden Anstöße aus dem Reichtum der Frohbotschaft, die die Verkündigung und das Zeugnis des Glaubens zu einem ausschließlichen Faktor der menschlichen und sozialen Befreiung oder zu einer glaubensentfremdenden Zuflucht in den Aberglauben und eine Religiosität ohne Gott umwandeln".<ref> Vgl. ebd.</ref>
Ein sehr bedeutsames, wenn auch verhältnismäßig neues Phänomen in vielen Ländern mit alter christlicher Tradition ist das Vorhandensein von dauerhaften Gruppen verschiedener Rassen und verschiedener Religionen auf dem gleichen Territorium. So entwickelt sich immer mehr die multikulturelle und multireligiöse Gesellschaft. Mag dies auf der einen Seite Gelegenheit zu einem häufigeren und fruchtbareren Dialog, zu einer offeneren Gesinnung, zu Erfahrungen der Annahme und richtigen Toleranz sein, so kann es auf der anderen Seite Anlass zu Verwirrung und Relativismus sein "vor allem bei Menschen und Bevölkerungen mit nicht wirklich reifem Glauben.
Zu diesen Faktoren - und in enger Verknüpfung mit dem wachsenden Individualismus - kommt das Phänomen der Versubjektivierung des Glaubens hinzu. Das heißt, bei einer wachsenden Zahl von Christen ist wegen ihrer subjektiven Zustimmung zu dem, was ihnen gefällt, was ihrer eigenen Erfahrung entspricht, was ihre eigenen Gewohnheiten nicht stört, eine geringere Empfänglichkeit für das gesamte, objektive Ganze der Glaubenslehre zu bemerken. Auch die an sich berechtigte Berufung auf die Unverletzlichkeit des persönlichen Gewissens des einzelnen kann in diesem Zusammenhang gefährliche Züge von Doppeldeutigkeit annehmen.
Darauf beruht auch das immer weiter verbreitete Phänomen der nur mehr partiellen und bedingten Kirchenzugehörigkeit, die auf das Entstehen neuer Priesterberufe, auf das Selbstbewusstsein des Priesters und auf seinen Dienst in der Gemeinde einen negativen Einfluss ausübt.
Schließlich verursacht in vielen Stellen des kirchlichen Lebens noch heute die mangelnde Präsenz und Verfügbarkeit priesterlicher Kräfte sehr ernste Probleme. Die Gläubigen sind oft über lange Zeit allein gelassen und haben häufig auch keinen angemessenen pastoralen Beistand: Darunter leidet das Wachstum ihres christlichen Lebens insgesamt und noch mehr ihre Fähigkeit, sich stärker für die Evangelisierung einzusetzen.
Die Situation der Jugend im Blick auf Priesterberuf und Priesterausbildung
8 Die zahlreichen Widersprüche und Chancen, von denen unsere Gesellschaften und Kulturen und ebenso die kirchlichen Gemeinschaften gekennzeichnet sind, werden von der Welt der jungen Menschen ganz besonders intensiv und mit unmittelbaren und äußerst gravierenden Auswirkungen auf ihren Reifungsprozess wahrgenommen, erlebt und erfahren. In diesem Sinn trifft das Erwachen und Sich-Entfalten der priesterlichen Berufung bei Kindern, Heranwachsenden und jugendlichen ständig zugleich auf Hindernisse und Anregungen.
Einen äußert starken, verführerischen Zauber auf die jugendlichen übt die sogenannte "Konsumgesellschaft" aus, die sie zu Sklaven und Gefangenen einer individualistischen, materialistischen und hedonistischen Auslegung des menschlichen Daseins macht. Das materiell verstandene "Wohlergehen" ist dabei, sich als einziges Lebensideal durchzusetzen; ein Wohlergehen, das unter jeder Bedingung und um jeden Preis erlangt werden soll: von daher kommt die Ablehnung von allem, was nach Opfer aussieht, und der Verzicht auf die Anstrengung, geistliche und religiöse Werte zu suchen und zu leben. Die ausschließliche "Sorge" um das Haben verdrängt den Vorrang des Seins, was zur Folge hat, dass die personalen und interpersonalen Werte nicht nach dem Maßstab des unverrechenbaren Schenkens, sondern nach der Logik egoistischen Besitzdenkens und der Instrumentalisierung des Mitmenschen interpretiert werden.
Das spiegelt sich besonders in der Auffassung von der menschlichen Sexualität wider, die ihrer Würde eines Dienstes an der Gemeinschaft und Hingabe zwischen den Personen entkleidet und zu einem bloßen Konsumgut gemacht wird. So führt die affektive Erfahrung vieler junger Menschen nicht zu einem harmonischen, erfreulichen Wachstum der eigenen Persönlichkeit, die sich dem anderen in der Selbsthingabe öffnet, sondern zu einer schwerwiegenden psychologischen und sittlichen Verwirrung, die unweigerlich gewichtige Auswirkungen auf die Zukunft dieser jugendlichen haben muss.
Den Ursprung dieser Neigungen bildet bei sehr vielen jungen Menschen eine verzerrte Freiheitserfahrung. Die Freiheit wird ganz und gar nicht als Gehorsam gegenüber der objektiven und universalen Wahrheit erlebt, sondern als blinde Zustimmung zu den triebhaften Kräften und zum Machtwillen des einzelnen. Dabei wird auf der Ebene der Gesinnung und des Verhaltens das Zerbröckeln des Einvernehmens über die sittlichen Grundsätze sowie auf der religiösen Ebene zwar nicht immer die ausdrückliche Ablehnung Gottes, wohl aber eine religiöse Gleichgültigkeit und ein Leben, das auch in seinen bedeutendsten Augenblicken und in seinen nachhaltigsten Entscheidungen so gelebt wird, als ob es Gott nicht gäbe, irgendwie zur Selbstverständlichkeit. In einem solchen Umfeld wird nicht erst die Realisierung, sondern bereits das Verstehen der Bedeutung einer Berufung zum Priestertum schwierig, die ein spezifisches Zeugnis für den Vorrang des Seins vor dem Haben ist, die Anerkennung des Lebenssinnes als freier und verantwortungsvoller Selbsthingabe an die anderen sowie die Bereitschaft, sich in jener Form ganz in den Dienst des Evangeliums und des Reiches Gottes zu stellen.
Auch im Bereich der kirchlichen Gemeinschaft stellt die Welt der jugendlichen nicht selten ein "Problem" dar. Wenn bei den jugendlichen noch mehr als bei den Erwachsenen eine starke Neigung zur Versubjektivierung des christlichen Glaubens und eine nur teilweise und bedingte Zugehörigkeit zum Leben und zur Sendung der Kirche vorhanden sind, bereitet es in der kirchlichen Gemeinschaft aus einer Reihe von Gründen tatsächlich Mühe, eine auf den heutigen Stand gebrachte mutige Jugendpastoral in Gang zu bringen: Die jugendlichen laufen Gefahr, sich selbst überlassen zu bleiben, ihrer psychischen Zerbrechlichkeit preisgegeben, unbefriedigt und kritisch gegenüber einer Welt von Erwachsenen, die ihnen, da sie den Glauben inkonsequent und ohne Reife leben, nicht als glaubwürdige Vorbilder erscheinen.
Es wird also die Schwierigkeit offenkundig, den jungen Menschen eine unverkürzte und sie gleichzeitig einbeziehende Erfahrung christlichen und kirchlichen Lebens vorzulegen und sie auf diese Haltung hin zu erziehen. Auf diese Weise bleibt die Perspektive des Priesterberufes weit entfernt von den konkreten und lebendigen Interessen der jugendlichen.
9 Es fehlt jedoch nicht an positiven Situationen und Anregungen, die im Herzen der heranwachsenden jugendlichen eine neue Verfügbarkeit sowie ein echtes, wirkliches Suchen nach solchen ethischen und spirituellen Werten wecken und fördern, die ihrer Natur nach den geeigneten Boden für einen Berufsweg zur Ganzhingabe an Christus und an die Kirche im Priestertum bieten.
Zunächst ist hervorzuheben, dass einige Phänomene, die in der jüngsten Vergangenheit nicht wenige Probleme verursacht haben - wie z. B. radikale Protestbewegungen, anarchistische Ansätze, utopische Forderungen, wahllose Sozialisierungsformen, Gewaltverhalten -, an Bedeutung abgenommen haben.
Man muss zudem erkennen, dass auch die heutigen jugendlichen mit der für ihr Alter typischen Kraft und Frische Träger von Idealen sind, die sich ihren Weg in der Geschichte bahnen: der Durst nach Freiheit, die Anerkennung des unermesslichen Wertes der Person, das Bedürfnis nach Authentizität und Transparenz, eine neue Auffassung und ein neuer Stil von Partnerschaft in den Beziehungen von Mann und Frau, die überzeugte und leidenschaftliche Suche nach einer gerechteren, solidarischeren, geeinteren Welt, die Offenheit und der Dialog mit allen und der Einsatz für den Frieden.
Die so reiche und lebendige Entwicklung zahlreicher Formen freiwilligen Dienstes bei vielen jugendlichen unserer Zeit - eines Dienstes, der den vergessensten und bedürftigsten Schichten unserer Gesellschaft gilt - stellt heute ein besonders wichtiges Erziehungsmittel dar, weil sie die jungen Menschen zu einem selbstloseren und offeneren und solidarischeren Lebensstil mit den Armen anspornt und sie darin unterstützt. Dieser Lebensstil vermag das Verständnis, das Verlangen und die Antwort auf eine Berufung zum ständigen und totalen Dienst für die anderen auch auf dem Weg der vollen Weihe an Gott durch ein Leben als Priester zu erleichtern.
Der jüngst erfolgte Zusammenbruch der Ideologien, die sehr kritische Einstellung gegenüber der Welt der Erwachsenen, die nicht immer das Zeugnis eines Lebens bieten, das sich den moralischen und transzendenten Werten anvertraut, die Erfahrung von Altersgefährten, die in die Droge und in die Gewalt auszuweichen versuchen: all das trägt sehr viel dazu bei, die Grundfrage nach solchen Werten, die wirklich in der Lage sind, dem Leben, dem Leiden und dem Tod Bedeutungsfülle zu geben, dringender und unausweichlich zu machen. Bei vielen jugendlichen brechen die religiöse Frage und das Bedürfnis nach Spiritualität wieder deutlicher auf: Von daher erklärt sich das Verlangen nach Einsamkeits- und Gebetserlebnissen, die Rückkehr zum Lesen der Heiligen Schrift, das immer mehr zu einer persönlichen Gewohnheit wird, und zum Studium der Theologie.
Und wie schon im Bereich des freiwilligen Sozialdienstes, so treten die jugendlichen im Bereich der kirchlichen Gemeinschaft immer aktiver und als Vorkämpfer auf, vor allem durch die Teilnahme an den verschiedenen Vereinigungen, von den traditionellen, aber erneuerten bis hin zu denen, die mehr an die neuen geistlichen Bewegungen gebunden sind: Die Erfahrung einer Kirche, die von der Treue zu dem Geist, der sie beseelt, und von den Bedürfnissen einer von Christus fernen Welt, die aber seiner dringend bedarf, zur "Neu-Evangelisierung" gedrängt wird, wie auch die Erfahrung einer Kirche, die immer solidarischer mit dem Menschen und den Völkern ist bei der Verteidigung und Förderung der Würde der Person und der Menschenrechte aller und jedes einzelnen, öffnen das Herz und das Leben junger Menschen für äußerst faszinierende und verpflichtende Ideale, die ihre konkrete Verwirklichung in der Nachfolge Christi und im Priestertum finden können.
Von dieser menschlichen und kirchlichen Situation, die von starker Ambivalenz gekennzeichnet ist, wird man natürlich keinesfalls absehen können, weder in der Berufungspastoral und bei der Ausbildung der künftigen Priester noch auch im Bereich des Lebens und des Dienstes der Priester und ihrer ständigen Weiterbildung. Wenn sich also die verschiedenen "Krisenformen" erfassen lassen, denen die Priester von heute bei der Ausübung ihres Dienstes, in ihrem geistlichen Leben und selbst bei der Interpretation von Wesen und Bedeutung des Priesteramtes ausgesetzt sind, so müssen doch auch mit Freude und Hoffnung die neuen positiven Möglichkeiten festgehalten werden, welche der gegenwärtige Abschnitt der Geschichte den Priestern für die Erfüllung ihrer Sendung bietet.
[Fortsetzung folgt]
Anmerkungen
<references />