Catechismus Romanus II. Teil: Von den Sakramenten
II. Teil: Von den Sakramenten |
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(Quelle: Das Religionsbuch der Kirche, Catechismus Romanus gemäß Beschluß des Konzils von Trient für die Seelsorger herausgegeben auf Geheiß des Papstes Pius V.. In deutscher Übersetzung herausgegeben von Dr. Michael Gatterer SJ, erstes Buch – II Bändchen, übersetzt von Anton Koch S.J., Verlag Felizian Rauch Innsbruck-Leipzig 1940, S. 1-269 (3. Auflage); Imprimatur Nr. 3106. Apostolische Administratur Innsbruck, 9. Dezember 1940 K. Lechleitner, Kanzler; Als Vorlage zur Übersetzung diente die bei Tauchnitz, Leipzig erschienene Ausgabe des Catechismus Romanus, die genau den Text des in Rom erstmals gedruckten Originals wiedergibt. Die Gliederung in Teile und Kapitel ist ursprünglich und offiziell. Die fetten Nummern geben die Nummerierung wieder, die Andreas Fabricius, Professor der Philosophie in Löwen († 1581) erstmals einführte; sie sind nicht in allen Ausgaben gleich. Die in eckigen Klammern stehenden Zusätze sind von Dr. Michael Gatterer (außer wenn sie innerhalb gewöhnlicher Klammer stehen). Die Anmerkungen wurden bei der Digitalisierung im Text in Klammer, die Stellen der Heiligen Schrift nach den Abkürzungen der Einheitsübersetzung [Anhang] wiedergegeben). Hie und da kommt ein Satz vor, der nur durch die Rücksicht auf die Zeit der Abfassung des Catechismus verständlich wird. Nicht wenige Belegstellen in diesem Teil, besonders beim Sakrament der Firmung, sind nach den Ergebnissen der kritischen Forschung nicht mehr beweiskräftig, weil unecht. Indes wird durch solche Mängel die Lehre nicht berührt.
siehe: Catechismus Romanus I. Teil: Vom Glaubensbekenntnis
Erstes Kapitel: Von den Sakramenten im allgemeinen
1 Der christliche Glaubensinhalt verlangt in all seinen Teilen gediegene Darbietung. Ganz besonders hohe Anforderungen an des Seelsorgers Lehrbefähigung und Lehreifer stellt jedoch die Lehre von den Sakramenten, deren Empfang einerseits kraft göttlicher Anordnung heilsnotwendig, anderseits auch überreich ist an Wert und Nutzen. Daher soll das christliche Volk durch eingehende und wiederholte Unterweisung darüber instand gesetzt werden, diese erhabenen, hochheiligen Gnadenmittel würdig und heilsam zu empfangen, ohne Gefahr für den Priester, von der Vorschrift abzuweichen, die im Verbot aus Gottes Munde liegt: »Gebt das Heilige nicht den Hunden und werft eure Perlen nicht den Schweinen vor!« (Mt 7, 6).
2 Es sei also zunächst einiges über die Sakramente im allgemeinen vorausgeschickt.
Um den Sinn, den das Wort »Sakrament« hier hat, leichter zu verstehen, muss mit der Worterklärung begonnen und die verschiedene Bedeutung dieses Ausdrucks erläutert werden. Das Wort »Sakrament« (so sage man den Gläubigen) wurde von den Profanschriftstellern in einem vom kirchlichen Sprachgebrauch abweichenden Sinn verwendet. Sie gebrauchten das Wort zur Bezeichnung einer eidlichen Bindung, durch die man sich zu einer bestimmten Dienstleistung verpflichtet. So bezeichnete man z. B. den Eid, mit dem die Soldaten sich dem Staat gegenüber zu treuem Dienst verpflichten, als »sacramentum militare« (Fahneneid). Es scheint, dass dies seinerzeit die gebräuchlichste Bedeutung des Wortes war. - Bei den lateinischen kirchlichen Schriftstellern jedoch bezeichnet das Wort Sakrament etwas Heiliges, das dem Auge verborgen ist; in demselben Sinn etwa, in dem die Griechen das Wort Mysterium gebrauchen. Diese Bedeutung hat offenbar der Ausdruck Sakrament, wenn es z. B. im Brief an die Epheser heißt: »Er hat uns das Geheimnis (sacramentum) seines Willens kundgetan« (Eph 1, 9); oder im Brief an Timotheus: »Anerkannt erhaben ist das Geheimnis (sacramentum) der Frömmigkeit«(1 Tim 3, 16); oder etwa im Buch der Weisheit: »Sie (die Sünder) kennen nicht die Geheimnisse (sacramenta) Gottes« (Weish 2, 22). Aus diesen wie manch anderen Stellen lässt sich ersehen, dass das Wort sacramentum einfach zur Bezeichnung einer heiIigen, geheimnisvoll verborgenen Sache dient. - Damit hängt die Anschauung bei lateinischen kirchlichen Lehrern zusammen, man könne auch berechtigterweise solche sinnlich wahrnehmbare Zeichen Sakramente nennen, die die Gnade, die sie bewirken, zugleich auch äußerlich andeuten und gewissermaßen sichtbar machen. Allerdings können diese Zeichen, wie der heilige Gregor meint (Greg. M. in 1 Reg. 6. 3), den Namen Sakrament auch deshalb haben, weil Gottes Allmacht unter der Hülle körperlicher Dinge hier im Verborgenen die Heilsgnade wirkt.
Unrichtig wäre es zu glauben, das Wort Sakrament sei erst in neuerer Zeit in der Kirche eingeführt worden. Wer den hl. Hieronymus und Augustinus liest, findet ohne weiters, dass unsre alten kirchlichen Schriftsteller zur Bezeichnung der in Frage stehenden Dinge sehr oft den Ausdruck Sakrament verwenden, wenn auch manchmal der Ausdruck Symbol, mystisches oder heiliges Zeichen dafür eintritt.
Soweit über das Wort Sakrament. Es lässt sich zwar auch auf die Sakramente des Alten Bundes anwenden, doch braucht der Seelsorger hierüber keine Belehrung geben, da die alttestamentlichen Sakramente durch das Gesetz der Gnade des Evangeliums aufgehoben sind.
3 Nach der Worterklärung gehe man nun näher auf die Natur der Sache selbst ein und zeige den Christen das Wesen des Sakramentes auf. Die Sakramente gehören zweifelsohne zu den Heils- und Gnadenmitteln. Zur Erläuterung ihrer Eigenart ist unter den verschiedenen Erklärungsmöglichkeiten wohl die beste und klarste die vom hl. Augustin gegebene Begriffsbestimmung, der sich in der Folge alle Theologen der ,Schule' angeschlossen haben. Augustin sagt: »Sakrament ist das Zeichen für eine heilige Sache« (De civ. Dei 10, 5). Oder wie man denselben Gedanken auch ausgedrückt hat: »Sakrament ist das sichtbare Zeichen unsichtbarer Gnade, das zu unsrer Rechtfertigung eingesetzt ist«.
4 Zum bessern Verständnis dieser Begriffsbestimmung wird der Seelsorger sie in ihren Einzelheiten zu entfalten haben. Er beginne also mit der Erklärung, wie alle sinnlich wahrnehmbaren Dinge sich in zwei große Hauptgruppen scheiden: Die einen sind eigens zu dem Zweck erfunden, Zeichen zu sein für etwas anderes.
Die andern sind nicht Zeichen für andere Dinge; sie haben außerdem in ihnen selbst liegenden Zweck keine weitere Bedeutung. Zur letzten Gruppe gehören die Naturdinge fast ausnahmslos. Zur ersten Gattung, der Klasse der »Zeichen«, gehört das Wort, die Schrift, gehören Fahnen, Bilder, Klangsignale u. a. m. Nimmt man etwa den Worten ihren Charakter als Zeichen, d. h. ihre Bedeutung, dann haben sie offenbar ihren ganzen Daseinszweck verloren. Solche Dinge sind Zeichen im eigentlichen Sinn. Denn ein Zeichen ist nach der Erklärung des hl. Augustin (De doctr. christiana 2, 1) ein Ding, das über den eigenen sinnlich wahrnehmbaren Eindruck hinaus noch die Wirkung hat, dass wir durch diese Wahrnehmung zur Erkenntnis von etwas anderem geführt werden. Sehen wir z. B. Fußspuren im Boden ein, gedrückt, so erkennen wir daraus ohne weiters auch, dass jemand hier vorübergegangen ist.
5 Aus dem Gesagten folgt offenbar, dass die Sakramente zur Klasse der Zeichen gehören. Zeigen sie doch wie durch ein sinnfälliges, wahrnehmbares Gleichbild äußerlich an, was Gott innerlich in unsrer Seele mit seiner unsichtbaren Macht wirkt. Ein Beispiel möge den Sachverhalt beleuchten. Bei der Taufe wird der Körper unter einer bestimmten Weiheformel äußerlich abgewaschen. Diese Waschung soll das Zeichen sein, dass innerlich durch die Kraft des Heiligen Geistes alle entstellende Sündenmakel abgewaschen und die Seele mit dem herrlichen Geschenk der heiligmachenden Gnade geschmückt wird. Zugleich aber bringt diese körperliche Abwaschung, wie später gezeigt werden soll, in der Seele auch eben die Wirkung hervor, die sie sinnbildlich andeutet.
Dass die Sakramente zur Klasse der Zeichen gehören, lässt sich auch aus der Heiligen Schrift klar erkennen. Der Apostel schreibt im Brief an die Römer von der Beschneidung, einem Sakrament des Alten Bundes, das Abraham, dem Stammvater aller Gläubigen, gegeben wurde, in folgenden Worten: »Er empfing das Zeichen der Beschneidung als Siegel der Rechtfertigung aus dem Glauben« (Röm 4,11). Und anderswo sagt er: »Wir alle, die wir in Christus Jesus getauft sind, sind in seinem Tod getauft«, und gibt damit zu erkennen, dass die Taufe den Hinweis auf den Tod Christi sinnbildlich in sich schließt, weil wir (nach einem weitem Wort des Apostels) »mit ihm begraben sind durch die Taufe (das ,Eintauchen') in seinen Tod« (Röm 6,3.4).
Der Nutzen, der sich für die Gläubigen aus der Erkenntnis dieser Zugehörigkeit. der Sakramente zur Klasse der Zeichen ergibt, ist nicht gering anzuschlagen. Denn daraus werden sie sich leichter von der Heiligkeit und Erhabenheit dessen überzeugen, was durch die Sakramente bezeichnet, beinhaltet und bewirkt wird. Und diese Erkenntnis wiederum ist eine Anregung für jeden, Gottes Güte gegen uns um so dankbarer und ehrfürchtiger anzuerkennen.
6 Nun erkläre man den zweiten Teil der Begriffsbestimmung: [Zeichen] »einer heiligen Sache«. Zur größeren Erleichterung seien hier etwas ausführlicher die scharfsinnig feinen Untersuchungen des hl. Augustin (De doctr. christ. 2,1 f) über die verschiedenen Arten von Zeichen dargelegt.
Es gibt zunächst so genannte »natürliche« Zeichen, die außer dem eigenen sinnlichen Eindruck in uns den Gedanken an etwas anderes wachrufen, welch letzteres, wie oben bemerkt, eine allgemeine Eigenschaft der Zeichen ist, z. B. der Rauch, aus dem wir sofort auf ein Feuer schließen. »Natürlich« heißen wir dieses Zeichen deshalb, weil der Rauch auf das Feuer hinweist nicht auf Grund einer willkürlichen Vereinbarung, sondern der natürlichen Erfahrung, da man ihn nur zu sehen braucht, um sofort auf das wenn auch noch nicht sichtbare Feuer zu schließen, das dieser Raucherscheinung zugrunde liegt.
Außerdem gibt es aber noch eine zweite Art von Zeichen. Diese sind nicht von Natur gegeben, sondern beruhen auf freier Vereinbarung und sind vom Menschen erfunden, um mit andern verkehren, seine Gedanken ausdrücken, und umgekehrt zur Kenntnis der Gedanken und Absichten des Nebenmenschen gelangen zu können. Wie groß die Zahl und Mannigfaltigkeit solcher Zeichen ist, sieht man schon daraus, dass es solche fürs Auge, sehr viele fürs Gehör und eine ganze Reihe für die übrigen Sinne gibt. Winken wir z. B. einem andern zu oder geben wir mit der Fahne ein Zeichen, so wendet sich das Zeichen offenbar ausschließlich an den Gesichtssinn; während etwa T rompeten-, Pfeifen- oder Saitenklang, der ja sehr oft nicht nur zum Spiel, sondern auch zum Zeichen- oder Signalgeben verwendet wird, für den Gehörsinn bestimmt ist. Der Gehörsinn nimmt ferner auch das Wort in sich auf, das für den Ausdruck unsrer innersten Gedanken von der größten Bedeutung ist.
Außer den bisher besprochenen, auf freier menschlicher Vereinbarung beruhenden Zeichen gibt es noch eine dritte Art, solche Zeichen nämlich, die von Gott selbst eingesetzt sind. Sie gliedern sich nach allgemeiner Anschauung wieder in zwei Gruppen. Die eine Art wurde den Menschen nur zu dem Zweck von Gott gegeben, dass sie auf etwas anderes hinweisen, daran erinnern sollten. Solche rein symbolische Zeichen waren z. B. die gesetzlichen Reinigungen, das ungesäuerte Brot und eine Reihe anderer Dinge, die zum mosaischen Zeremonialgesetz gehörten. - Dann hat aber Gott noch andere Zeichen eingesetzt, die nicht nur hinweisende, sondern auch bewirkende Kraft haben sollten. Und zu dieser letztgenannten Art gehören offenbar die Sakramente des Neuen Bundes. Es sind dies nämlich von Gott eingesetzte, nicht von den Menschen erfundene Zeichen, die, wie der Glaube lehrt, auf etwas Heiliges hin, weisen und zugleich die Kraft enthalten, es zu bewirken.
7 Wie es nach dem Gesagten Zeichen von sehr verschiedener Art gibt, so ist auch der Begriff »heilige Sache« durchaus nicht eindeutig. In der oben aufgestellten Begriffsbestimmung des Sakraments bedeutet der Ausdruck »heilige Sache« nach der Lehre der kirchlichen Schriftsteller die Gnade Gottes, die uns heilig macht und uns mit allen göttlichen Tugenden schmückt. Der heiligmachenden Gnade kommt nach der Ansicht derselben Schriftsteller die Bezeichnung »heilige Sache« mit besonderem Recht zu, weil kraft dieser Gnade unsere Seele für Gott geheiligt und mit Ihm verbunden wird.
8 Will man also das Wesen der Sakramente noch genauer entfalten, so wird man sagen müssen: die Sakramente sind sinnfällige, von Gott festgesetzte Dinge, die in sich die Kraft haben, die Heiligkeit und Gerechtigkeit zu bezeichnen und damit zugleich zu bewirken. Hieraus ergibt sich sofort die leicht begreifliche Folgerung, dass man Bilder von Heiligen, Kreuze u. a. dgl. nicht Sakramente nennen kann, obwohl sie Zeichen von heiligen Dingen sind.
Die Richtigkeit der eben gegebenen Erklärung lässt sich an den einzelnen Sakramenten leicht der Reihe nach aufzeigen. Man braucht nur für jedes Sakrament einen ähnlichen Nachweis führen, wie es oben für die Taufe geschah, da wir sagten, dass die sakramentale Abwaschung des Körpers Hinweis ist und zugleich Wirkursache für jene »heilige Sache«, die innerlich durch die Kraft des Hl. Geistes zustande kommt.
Eine weitere und wichtige Eigenart dieser von Gott eingesetzten sakramentalen Zeichen ist auch diese, dass sie kraft göttlicher Bestimmung nicht nur eine, sondern mehrfache Bedeutung haben. Ein Blick auf die einzelnen Sakramente zeigt ja, dass sie nicht nur auf unsre Heiligung und Rechtfertigung hindeuten, sondern außerdem noch auf zwei weitere mit eben dieser Heiligung im innigsten Zusammenhang stehende Tatsachen, auf das Leiden Christi des Erlösers als auf die Ursache aller Heiligkeit, und auf das ewige Leben sowie die himmlische Seligkeit als auf das Ziel unsrer Heiligung. Da man diese Sinnbeziehung an jedem Sakrament ersehen kann, ist es die wohlbegründete Lehre der Theologen, dass einem jeden Sakrament eine dreifach hinweisende Kraft innewohnt: einmal erinnert es an eine Tatsache der Vergangenheit [Leiden Christi] , dann weist es bildlich auf einen Vorgang in der Gegenwart hin [Heiligung], und endlich kündet es das voraus, was in der Zukunft liegt [Seligkeit]. - Man glaube nicht, das sei eine theologische Anschauung, die eine Stütze in der Heiligen Schrift etwa nicht besitze. Denn wenn der Apostel sagt: »Wir alle, die wir getauft sind in Christus Jesus, sind in seinem Tod getauft« (Röm 6, 3), so zeigt er damit klar, dass die Taufe ein Erinnerungszeichen an Leiden und Tod des Herrn ist. Wenn er dann weiter sagt: »So sind wir also durch die Taufe auf den Tod mit ihm begraben, und wie Christus durch die Herrlichkeit des Vaters von den Toten auferstanden ist, so sollen auch wir in einem neuen Leben wandeln« (Röm 6, 4), so ist die Taufe offenbar als ein Zeichen angedeutet, das Sinnbild für die innere Eingießung der himmlischen Gnade ist; die Gnade ist es ja, die es uns ermöglicht, ein neues Leben zu führen und alle Pflichten eines wahrhaft frommen Wandels leicht und gern zu erfüllen. Wenn er dann endlich noch beifügt: »Sind wir durch die Ähnlichkeit mit seinem Tod lebendig mit ihm verbunden, so werden wir es auch sein durch die Ähnlichkeit mit seiner Auferstehung« (Röm 6, 5), so liegt in der Taufe offenbar auch ein deutlicher Hinweis auf das ewige Leben, das wir durch sie erlangen sollen.
Zu den bisher genannten verschiedenen Sinnbeziehungen kommt noch hinzu, dass ein Sakrament nicht selten nicht nur auf ein, sondern auf mehrere in der Gegenwart gelegene Dinge hinweist. Ein Blick auf das heiligste Sakrament des Altars lässt dies leicht erkennen. Hier wird angedeutet die Gegenwart des wahren Leibes und Blutes des Herrn und außerdem die Gnade, deren jene teilhaft werden, die mit reinem Herzen die heiligen Geheimnisse empfangen.
Nach alle dem wird es dem Seelsorger nicht an Stoff fehlen, um die Größe der göttlichen Macht und die Menge verborgener Wunder darzulegen, die sich in den Sakramenten des Neuen Bundes finden, und um alle von der Notwendigkeit zu überzeugen, die Sakramente hoch in Ehren zu halten und mit großer Andacht zu empfangen.
9 Das beste Mittel jedoch, zum rechten Gebrauch der Sakramente anzuspornen, ist eine eingehende Erklärung der Gründe, die für ihre Einsetzung maßgebend waren. Man führt gewöhnlich deren mehrere an. Zunächst einmal die geringe Kraft des menschlichen Erkenntnisvermögens. Es ist ja erfahrungsgemäß schon von Natur so, dass der Mensch nur durch Vermittlung sinnlicher Wahrnehmungen zur Erkenntnis rein geistiger Dinge gelangt. Damit wir nun die Wirkungen der unsichtbaren Gottesmacht leichter erfassen können, hat es der erhabene Schöpfer aller Dinge in seiner unendlichen Weisheit so eingerichtet. dass Er aus Liebe zu uns eben diese verborgen wirkende Kraft durch einige sinnfällige Zeichen veranschaulicht. Der hl. Chrysostomus spricht das schöne Wort: »Wenn der Mensch keinen Körper hätte, würden ihm die geistigen Gaben offen und ohne jede Hülle gegeben; da aber seine Seele mit einem Leib verbunden ist, war es durchaus notwendig, dass sie sich der Hilfe sinnfälliger Dinge zur Erkenntnis dieser Gaben bediene« (Homilien über Matthäus: 82, 4).
Ein zweiter Grund liegt darin: Unser Herz erschwingt sich so schwer zum Glauben an das, was uns verheißen wird. Deshalb hat Gott seine Pläne von Anbeginn der Welt zwar auch durchs Wort immer und immer wieder angekündigt; beschloss Er aber ein Werk, dessen Erhabenheit den Glauben an seine Verheißungen gefährden konnte, dann fügte Er zu seinem Wort noch andere Zeichen, die nicht selten den Charakter eines Wunders an sich trugen. Als Gott z. B. Moses die Sendung zur Befreiung des Volkes Israel übertrug, jener aber, selbst durch Gottes unmittelbaren Befehl nicht zum Vertrauen auf seine Hilfe gelangt, die Befürchtung äußerte, es möchte die ihm zugedachte Aufgabe untragbar schwer für ihn sein, oder seine Volksgenossen würden den göttlichen Verheißungsworten doch keinen Glauben schenken, da gab der Herr seiner Verheißung Nachdruck durch eine ganze Reihe verschiedener Wunderzeichen. Wie es nun Gott im Alten Bunde hielt, indem Er die Unumstößlichkeit einer großen Verheißung durch Zeichen bekräftigte, so hat auch im Neuen Bund Christus unser Erlöser bei der Verheißung der Sündennachlassung, der göttlichen Gnade und der Mitteilung des Heiligen Geistes zugleich bestimmte sinnlich wahrnehmbare Zeichen dafür eingesetzt, die uns wie ein Ihn bindendes Pfand sein und jeden Zweifel an seiner Verheißungstreue bei uns ausschließen sollten.
Ein dritter Grund: Die Sakramente sollen nach einem Wort des hl. Ambrosius (De sacram. 5 c. 4) für uns sein wie eine Arznei, wie das Heilmittel des Samaritans im Evangelium, zur Wiederherstellung oder Bewahrung der Gesundheit unsrer Seele. Die Kraft, die dem Leiden Christi entströmt, d. h. die Gnade, die Er uns am Kreuzaltar verdiente, soll durch die Sakramente wie durch einen Kanal in uns übergeleitet werden. Ohne diese Mittel wird niemand sich irgend, welche Hoffnung auf seine Rettung machen können. So ließ denn der Herr in seiner Güte die Sakramente unter Einsatz seiner Verheißungsworte in der Kirche zurück mit der Verpflichtung für uns, fest für wahr zu halten, dass uns durch die Sakramente die Frucht seines Leidens tatsächlich mitgeteilt wird, wenn nur jeder aus uns diese Heilsmittel fromm und gewissenhaft bei sich zur Anwendung bringt.
Dazu kommt ein viertes, was die Einsetzung der Sakramente notwendig erscheinen lässt: sie sollten zugleich Unterscheidungszeichen sein, an denen man die Christen als solche erkennt. Es kann sich ja nach einem Wort des hl. Augustin keine menschliche Vereinigung, sie mag sich zur wahren oder zu einer falschen Religion bekennen, ohne das Bindemittel irgendwelcher sichtbarer Zeichen zu einer Körperschaft zusammenschließen (Contra Faustum 19 c. 11). Die Sakramente des Neuen Bundes nun leisten diese Doppelaufgabe: sie unterscheiden die Anhänger des christlichen Glaubens von den Ungläubigen, und verbinden die Gläubigen selbst untereinander wie durch ein heiliges Band.
Einen an der n schwerwiegenden Grund für die Einsetzung der Sakramente zeigen die Worte des Apostels: »Mit dem Herzen glaubt man, um gerechtfertigt zu werden, mit dem Mund bekennt man, um zum Heil zu gelangen« (Röm 10, 10). Die Sakramente bedeuten ein Glaubensbekenntnis vor aller Welt, ein Kundgeben des Glaubens nach außen. So bezeugen wir z. B. durch den Hintritt zur Taufe öffentlich unsern Glauben daran, dass in der Kraft des Taufwassers, das uns sakramental reinigt, die geistige Reinigung der Seele vollzogen wird.
Doch die Sakramente haben nicht nur großer Bedeutung für die Weckung und Betätigung des Glaubens in uns, sie entzünden weiterhin auch in hohem Maß jene Liebe, in der wir einander zugetan sein sollen. Sind sie doch Erinnerungszeichen daran, dass wir durch die gemeinsame Teilnahme an den heiligen Geheimnissen mit den engsten Banden einander verbunden und zu Gliedern Eines Leibes geworden sind.
Endlich noch eines, was für ein wahrhaft christliches Leben von der größten Bedeutung ist: die Sakramente bändigen und dämpfen den menschlichen Geistesstolz und sind für uns eine Schule der Demut, indem sie uns nötigen, uns den sinnfälligen Dingen zu unterwerfen und so Gott unsern Gehorsam zu zeigen, dem wir einst treulos den Rücken gewandt, um uns den Dingen der Welt als Knechte zu verschreiben. Damit ist das Wichtigste über Name, Wesen und Einsetzung der Sakramente gesagt, soweit es zur Unterweisung des christlichen Volkes in Betracht kommt.
Hat der Seelsorger dies alles genau auseinandergesetzt, so muss er weiterhin die Wesensbestandteile in jedem Sakrament erklären und außerdem die Riten und Zeremonien, die zu den einzelnen Sakramenten hinzugefügt wurden. 10 Zunächst erläutere man also, dass das Sinnfällige am Sakrament, von dem oben bei der Begriffsbestimmung gesprochen wurde, nicht eine unteilbare Einheit bildet, wenngleich es als ein einziges Zeichen aufgefasst werden muss. Zwei Dinge sind es nämlich, aus denen jedes Sakrament besteht. Das eine hat die Eigenart der Materie und wird als »EIement« bezeichnet. Das andere besitzt den Charakter der Form und heißt gewöhnlich » Wort« [des Sakraments]. So lehren nämlich die Kirchenväter. Bekannt und allgemein verwendet ist z. B. das Wort des hl. Augustin: »Es tritt das Wort zum Element und dieses wird zum Sakrament« (Tract. in Joh. 80, 3). Unter dem Ausdruck »sinnfällig« verstehen sie also erstens die Materie oder das Element (z. B. bei der Taufe das Wasser, bei der Firmung den Chrisam, bei der Letzten Ölung das Öl) - was mit dem Auge wahrgenommen wird; und zweitens die Worte, die die Form darstellen und sich an den Gehörsinn wenden. Der Apostel deutet beide Teile klar an, wenn er sagt: »Christus hat die Kirche geliebt und sich für sie dahingegeben, um sie zu heiligen, indem er sie reinigte durch das Wasserbad und das Wort des Lebens« (Eph 5, 25 f). Hier wird Materie und Form des Sakramentes zum Ausdruck gebracht.
11 Die Beifügung von Worten zur Materie war notwendig, damit der Sinn des sakramentalen Vorgangs verständlicher und eindeutiger würde. Das Wort hat offenbar unter allen Zeichen am meisten bezeichnende Kraft. Fehlte das Wort, so wäre es sehr unklar, was die Materie des Sakraments eigentlich andeuten will. Ein Blick z. B. auf die Taufe zeigt das: Das Wasser hat ebenso gut die Kraft zu erfrischen, der Kühlung wie zur Reinigung; es kann somit Sinnbild für beides sein. Würden keine erläuternden Worte beigefügt, so könnte einer wohl vielleicht irgendwelche Vermutung, aber keine sichere Behauptung aufstellen, für welches von beiden das Taufwasser Sinnbild ist. Werden aber noch Worte dazu gesprochen, so wird sofort verständlich, dass das Wasser hier die Wirkung und sinnbildliche Bedeutung der Reinigung hat.
12 In diesem Punkt sind unsre Sakramente denen des Alten Bundes weit überlegen. Bei ihrer Spendung gab es, soweit wir wissen, keine bestimmte Form. Infolgedessen waren sie denn auch gar unbestimmt und unklar in sich. Bei unsern Sakramenten dagegen ist die Form der Worte so fest bestimmt, dass im Fall eines Abgehens von ihr auch das Sakrament nicht zustande kommt. Dadurch sind unsre Sakramente aber auch ganz eindeutig klar und lassen für Zweifel keinen Raum. Materie und Form sind also zwei Teile, die zu Natur und Wesen eines jeden Sakraments gehören und aus denen jedes notwendig besteht.
13 Hierzu kommen nun noch die Zeremonien. Ihre Unterlassung wäre außer dem Notfall zwar eine Sünde, würde jedoch, wie der Glaube uns lehrt, die Gültigkeit des Sakraments sicher nicht beeinträchtigen, weil sie dessen Wesen unberührt lassen. Seit der Urzeit der Kirche war es immer Brauch, die Sakramente unter bestimmten feierlichen Zeremonien zu spenden und mit Recht. Denn erstens ist es höchst entsprechend, den heiligen Geheimnissen auch jene äußern religiösen Formen zu geben, die beweisen, dass wir das Heilige auch heilig behandeln. Weiterhin machen die Zeremonien die Wirkungen des Sakraments noch deutlicher, stellen sie gleichsam anschaulich dar und durch, dringen die Gläubigen tiefer mit dem Bewusstsein von der Heiligkeit dieser Gnadenmittel. Endlich aber lenken sie das Herz des Zuschauers und aufmerksamen Beobachters auf erhabene Gedanken hin und erwecken darin den Glauben und die Liebe. Um so mehr muss sich daher der Seelsorger Mühe geben, dass die Christen mit dem Sinn der Zeremonien bei der Spendung der einzelnen Sakramente recht vertraut gemacht werden.
14 Nächste Aufgabe ist, nun auch die Zahl der Sakramente zu erklären. Der Unterricht hierüber hat den Nutzen: je mehr Heils- und Gnadenmittel es sind, die das christliche Volk von Gottes Hand für uns bereitet sieht, um so größer wird auch der fromme Eifer sein, mit dem es aus allen Herzenskräften Gottes einzigartige Freigebigkeit gegen uns loben und preisen wird.
Es gibt also in der Katholischen Kirche sieben Sakramente, wie das die Schrift beweist und die Überlieferung von Väterzeiten her sowie die Konzilsentscheidungen dartun. 15 Dass es gerade sieben sind und nicht mehr oder weniger, dafür lässt sich ein recht guter Grund aus ein e m Vergleich zwischen dem natürlichen und dem geistlichen Leben aufzeigen. Damit der Mensch zum Leben kommt, sein Leben erhält und zum eigenen wie zum allgemeinen Wohl fortführt, braucht es diese sieben Dinge: Geburt, körperliches Wachstum, Nahrung, in Krankheitsfällen Heilung, Wiederherstellung der angegriffenen Kräfte; in sozialer Beziehung das Vorhandensein einer staatlichen Obrigkeit, in deren Händen die Autorität und Verwaltung ruht; und endlich die menschliche Selbst- und Arterhaltung durch rechtmäßig fortgepflanzte Nachkommenschaft. All das hat, wie leicht ersichtlich, entsprechende Ähnlichkeiten auch in jenem Leben, das die Seele für Gott zu leben hat, und so lässt sich die Zahl der Sakramente ohne weiters daraus ableiten.
Das erste Sakrament also ist die Taufe, gleichsam das Tor zu den übrigen Sakramenten, in der wir für Christus wiedergeboren werden. - Dann die Firmung, deren Wirkung darin besteht, dass wir in der göttlichen Gnade wachsen und erstarken. So wurde auch den Aposteln, wie der hl. Augustin bemerkt (Epist. 265, 5), erst nach ihrer Taufe vom Herrn gesagt: »Bleibt in der Stadt, bis ihr mit der Kraft aus der Höhe ausgerüstet werdet« (Lk 24, 49)! - Dann die Eucharistie, die unsre Seele als wahre Himmelsspeise nährt und erhält. Von ihr hat ja der Erlöser das Wort gesprochen: »Mein Fleisch ist wahrhaft eine Speise und mein Blut ist wahrhaft ein Trank« (Joh 6, 56). - Es folgt nun an vierter Stelle die Buße, die, wenn wir uns Sündenwunden zugezogen haben, die verlorne Gesundheit wiederherstellt. - Darauf die Letzte Ölung, die die Überbleibsel der Sünde von uns nimmt und die seelischen Kräfte neu belebt. Sagt doch der hl. Jakobus, wo er von diesem Sakrament spricht: »Und wenn er [der Kranke] Sünden begangen hat, werden sie ihm vergeben« (Jak 5, 15). - Nun folgt die Priester weihe, die die dauernde Vollmacht zur Sakramentenspendung in der Kirche und zum Vollzug aller heiligen Handlungen verleiht. - Endlich die Ehe, deren Zweck es ist, dass aus der rechtmäßigen und geheiligten Verbindung zwischen Mann und Frau Kinder geboren und in Gottesfurcht aufgezogen werden zu Gottes Dienst und zur Erhaltung des menschlichen Geschlechts.
16 Nun ein Punkt, der sehr wohl zu beachten ist. Die Sakramente enthalten zwar alle in sich göttliche, wunderbare Kraft, jedoch ist: die Notwendigkeit des Empfangs, die Rangstufe und der besondere Zweck nicht bei allen gleich. Hinsichtlich der Notwendigkeit stehen, wenn auch je unter verschiedener Rücksicht, drei Sakramente an der Spitze. Zunächst die Taufe. Ihre unbedingte Notwendigkeit für jeden Menschen hat der Erlöser mit den Worten ausgesprochen: »Wenn jemand nicht wiedergeboren wird aus dem Wasser und dem Heiligen Geist, so kann er in das Reich Gottes nicht eingehen«(Joh 3, 5). - Die Buße ist nur für jene notwendig, die nach der Taufe in eine schwere Sünde gefallen sind. Diese können dem ewigen Verderben nur dadurch entgehen, dass sie für die begangene Sünde die vorgeschriebene Buße tun. - Die Priesterweihe endlich ist, nicht zwar für die einzelnen Gläubigen, wohl aber für die ganze kirchliche Gemeinschaft unbedingt erforderlich.
Was die Rangordnung unter den Sakramenten anbelangt, so überragt die heilige Eucharistie weit alle übrigen Sakramente, sowohl durch ihre Heiligkeit, wie durch die Zahl und Größe der in ihr gewirkten Wunder. Doch wird sich das alles später bei der Einzelerklärung der Sakramente leichter erkennen lassen.
17 Eine weitere Frage wird sein, aus wessen Hand wir diese heiligen, göttlichen Geheimnisse empfangen. Eine kostbare Gabe gewinnt ja zweifellos noch ganz besonders an Wert durch die Erhabenheit und Größe des Gebers. Die Antwort auf diese Frage kann übrigens nicht schwer fallen. Denn da Gott es ist, der den Menschen rechtfertigt, die Sakramente aber nur gleichsam die wundervollen Werkzeuge zu dieser Rechtfertigung sind, so ist offenbar der Urheber der Rechtfertigung ebenso wohl wie der Sakramente niemand anderer als Gott in Christus. Ein weiterer Beweis dafür: die Wirksamkeit, die die Sakramente in sich bergen, dringt vor bis in den innersten Seelengrund. Nun ist es aber einzig und allein der göttlichen Allmacht eigen, Herz und Geist des Menschen zu durchdringen, und so zeigt sich auch aus dieser Überlegung, erstens dass die Sakramente von Gott selbst durch Christus eingesetzt sind, und zweitens dass wir unumstößlich fest glauben müssen, dass Gott sie auch innerlich spendet. Diese Wahrheit hat dem hl. Johannes nach seiner Aussage Christus selbst bezeugt: »Der mich gesandt hat, mit Wasser zu taufen«, so sagt der Täufer, »sprach zu mir: Auf den du den Geist herabsteigen und über ihm schweben siehst, der ist es, der mit dem Heiligen Geiste tauft« (Joh 1, 33). 18 Gott ist also der Urheber der Sakramente und deren eigentlicher Spender.
Ihre Verwaltung jedoch in der Kirche geschieht nach seiner Anordnung nicht durch Engel, sondern durch Menschen. So sagt nämlich die ununterbrochene Überlieferung der heiligen Väter: Es ist für das Zustandekommen der Sakramente außer Materie und Form auch das Amt des menschlichen Spenders [Verwalters] erforderlich. 19 Der menschliche Spender handelt beim sakramentalen Akt nicht in eigener Person, sondern in der Person Christi. Der Spender mag folglich ein guter oder schlechter Mensch sein - gebraucht er die auf Christi Einsetzung hin in der Katholischen Kirche stets festgehaltene Form und Materie, und hat er die Absicht zu tun was die Kirche bei der Spendung tut, so vollzieht und spendet er gültig das Sakrament, und nichts vermag dessen Gnadenfrucht zu hindern, es sei denn, dass der Empfänger selbst die Himmelsgabe fruchtlos machen und dem Heiligen Geist widerstehen wollte.
Dass die eben vorgelegte Lehre in der'Kirche stets als sicher ausgemacht galt, zeigt mit aller Klarheit der hl. Augustin in seinen Streitschriften gegen die Donatisten (Aug. Contra Donat III 10, IV 4, V 19). Sollte jemand auch nach einem Beweis aus der Heiligen Schrift suchen, dann höre er des Apostels eigene Worte: »Ich habe gepflanzt, Apollo hat begossen, das Wachstum aber hat Gott verliehen. Darum kommt es weder auf den an, der pflanzt, noch auf den, der begießt, sondern nur auf Gott, der das Gedeihen gibt« (1 Kor 3. 6 f). Die Stelle zeigt deutlich, dass jemand, der durch die Tätigkeit eines schlechten Spenders Christus einverleibt wurde, infolge der Schlechtigkeit des Spenders keinerlei eigene Schädigung erleidet, so wenig es etwa einem Baum schadet, wenn die Hände, die ihn pflanzten, von Sünde befleckt waren. So hat, wie unsre heiligen Väter auf Grund des Johannesevangeliums lehren, auch Judas Ischariot manche getauft; von keinem aus ihnen aber lesen wir, dass er etwa später noch einmal getauft worden wäre. Der hl. Augustin hat darüber die treffende Bemerkung geschrieben: »Judas tauft, und keine Wiedertaufe folgt nach seiner Taufe. Johannes tauft, und es folgt die Wiedertaufe nach der Johannestaufe. Der Grund hierfür? Die Taufe, die Judas spendete, ist Christi Taufe; die Taufe, die Johannes gab, war Johannis Taufe. Nicht als ob wir einen Judas einem Johannes vorzögen. Aber die Taufe Christi, auch wenn sie aus der Hand eines Judas gespendet wird, ziehen wir, und zwar mit Recht, der Taufe des Johannes vor, auch wenn sie durch die Hand eines Johannes erteilt wird« (Aug. Tract. in Joh. 5, 18).
20 Damit sollen aber die Seelsorger und andere, die zur Sakramentenspendung in Betracht kommen, nicht meinen, es sei also schon genug, wenn sie nur genau darauf achten, dass sie die Sakramente in der vorgeschriebenen Weise spenden, gleichgültig, wie es um die Reinheit ihres Lebens und Gewissens steht. Gewiss ist auf das Erstgenannte genau zu achten, aber damit ist noch nicht alles getan, was für die heilige Handlung von Bedeutung ist. Sie müssen sich vielmehr stets vor Augen halten, dass die Sakramente zwar der ihnen innewohnenden Gotteskraft nie verlustig gehen, dass sie aber jedem, der sie im Zustand der Sünde spendet, ewigen Tod und Verdammnis bringen. Heiliges ist (was immer und immer wieder betont werden muss) heilig und mit Ehrfurcht zu behandeln. Beim Propheten steht das Wort: »Zum Sünder spricht Gott: Was zählst du meine Satzungen daher und nimmst meinen Bund in deinen Mund? In Wirklichkeit hassest du die Zucht« (Ps 49, 16 f)! Wenn also ein sündebefleckter Mensch von göttlichen Dingen schon nicht sprechen soll, was muss es dann nicht für ein Verbrechen sein, wenn einer, der sich vielfacher Vergehen schuldig weiß, trotzdem sich nicht scheut, die heiligen Geheimnisse mit beflecktem Munde zu vollziehen, sie in die entweihten Hände zu nehmen, sie anzutasten, andern zu reichen und auszuspenden! Der hl. Dionysius schreibt geradezu, ein Unwürdiger dürfe die Symbole (so nennt er die Sakramente) nicht einmal berühren (De eccl. hier.c. 1, 1). Heiligkeit also vor allem sollen die Spender der heiligen Güter sich angelegen sein lassen, sollen mit reinem Herzen zur Spendung der Sakramente herantreten und ein so frommes Leben führen, dass sie durch den häufigen Vollzug und Genuss der heiligen Geheimnisse mit Gottes Hilfe täglich reichere Gnaden erwerben.
21 Hierauf lehre man, welches die Wirkung der Sakramente ist. Die Erklärungen hierüber werden zugleich die oben gegebene Begriffsbestimmung vom Sakrament noch mehr beleuchten.
Es lassen sich vor allem zwei Wirkungen angeben. An erster Stelle steht mit Recht jene Gnade, die wir nach dem Sprachgebrauch der Kirchenlehrer die Gnade der Rechtfertigung nennen. So belehrt uns nämlich schon ganz klar der Apostel, wenn er sagt, Christus habe die Kirche geliebt und sich für sie dahin gegeben, um sie zu heiligen, indem Er sie reinigte durch das Bad des Wassers in seinem Wort (Eph 5,25 f). Wie eine solch große wunderbare Wirkung durch das Sakrament hervorgebracht wird, dass nach dem berühmten Wort des hl. Augustin »das Wasser den Leib abwäscht und zugleich die Seele berührt« (Aug. Tract. in Joh. 80, 3), das übersteigt alle menschliche Fassungskraft. Denn das Eine steht fest, dass etwas Sinnfälliges aus sich selbst nicht die Kraft hat, wesenhaft bis in die Seele vorzudringen. Im Licht des Glaubens aber wissen wir, dass in den Sakramenten die Kraft des allmächtigen Gottes tätig ist; und in dieser Kraft wirken sie, was die Dinge wie sie sind, aus sich selbst nicht zu leisten vermögen.
22 Um aber jeden Zweifel an dieser inneren Wirkung auch für die Folgezeit in den Christenherzen auszuschIießen, hat Gott in der ersten Zeit der Sakramentenspendung in seiner unendlichen Güte es so gefügt, dass diese innern Wirkungen durch Wunderzeichen auch nach außen kund wurden, damit wir ohne Schwanken auch später an diese Wirkungen glaubten, wenn sie sich auch vollständig unsrer Wahrnehmung entziehen. Wir wollen hier absehen von der Tatsache, dass nach der Taufe unsres Heilands im Jordan der Himmel sich öffnete und der Heilige Geist in Gestalt einer Taube erschien, um an die Eingießung der Gnade in unsre Seele beim Bade des Heils zu erinnern (wir sehen deswegen davon ab, weil sich dies mehr auf den Sinn und die Bedeutung der Taufe als auf deren Spendung bezog): aber lesen wir nicht, wie an Pfingsten, als die Apostel den Heiligen Geist empfingen, der sie für die kommende Glaubenspredigt und zur Übernahme aller Gefahren zur Verherrlichung Christi begeisterte und stärkte, »sich vom Himmel her ein Brausen erhob, als ob ein Sturmwind dahin führe, und wie ihnen dann Zungen erschienen wie von Feuer und sich zerteilten«(Apg 2, 2 f)? Daraus ließ sich ersehen, dass das Sakrament der Firmung auch uns diesen Geist verleiht und ähnliche Kraft gibt, in der wir dem Fleisch, der Welt und dem Satan, unsern drei Erbfeinden, tapfer Widerstand leisten können. Und solche Wunder haben sich in der Urkirche bei jeder Spendung dieser Sakramente durch die Apostel eine ganze Zeit hindurch wiederholt, bis der Glaube bereits gefestigt und erstarkt war und sie deshalb aufhörten.
23 Die Ausführungen über die erste Wirkung der Sakramente, die heiligmachende Gnade, zeigen auch klar, dass die Kraft, die den Sakramenten des Neuen Bundes innewohnt, weit höher und erhabener ist als dies seinerzeit bei den Sakramenten des Alten Bundes der Fall war. Diese waren »kraftlose, arme Elemente« (Gal 4, 9), »sie heiligten die Unreinen nur zu äußerer Reinigkeit« (Hebr 9, 13) nicht aber zur Reinheit der Seele. So waren sie denn ihrer ganzen Bestimmung nach nur Vorbilder dessen, was durch unsre sakramentalen Handlungen bewirkt werden sollte. Die Sakramente des Neuen Bundes hingegen, aus Christi Seitenwunde entflossen, der sich im Heiligen Geiste selbst als makelloses Opfer Gott dargebracht, reinigen unser Gewissen von todbringenden Werken, damit wir dem lebendigen Gott dienen (Hebr 9, 14). Und so bewirken sie in der Kraft des Blutes Christi eben jene Gnade, die sie bezeichnen. Mit den Sakramenten des Alten Bundes verglichen, haben sie also nicht nur eine höhere Wirkkraft, sie sind außerdem auch viel reicher an Segen und erhabener an innerer Heiligkeit.
24 Die zweite Wirkung besitzen nicht alle Sakramente, sie ist vielmehr nur drei von ihnen eigen: der Taufe, der Firmung und der Priesterweihe. Sie besteht in dem so genannten Charakter, den sie der Seele einprägen. Wenn der Apostel sagt: »Gott hat uns gesalbt, er hat uns das Siegel eingeprägt und den Geist als Unterpfand ins Herz gegeben« (2 Kor 1,21 f), so umschreibt er mit dem Ausdruck »er hat das Siegel eingeprägt« ziemlich deutlich diesen »Charakter« [=Siegel oder Stempel], der eben dazu dient, etwas zu siegeln oder mit einem Zeichen zu versehen.
Es ist der Charakter gleichsam ein der Seele eingeprägtes Abzeichen, unauslöschlich und für immer in der Seele verbleibend. Der hl. Augustin hat darüber folgende Stelle: »Sollten die Sakramente der christlichen Religion weniger leisten können als etwa das äußere Abzeichen, das der Soldat trägt? Das Militärabzeichen wird dem Soldaten, falls er fahnenflüchtig wird und dann wieder zur Truppe zurückkehrt, nicht von neuem eingedrückt, sondern das alte dient auch jetzt noch als Erkennungszeichen« (Aug. Tract. in Joh. 6, vgl. contra Crescon. 1, 35).
25 Der Charakter hat eine zweifache Bedeutung: er soll uns erstens befähigen zum Empfang oder zur Ausübung heiliger Geheimnisse; zweitens soll er ein Unterscheidungszeichen zwischen den einzelnen darstellen. So hat der Taufcharakter beides zur Folge: Wir erhalten die Befähigung zum Empfang der andern Sakramente, und anderseits empfängt der Christ da, mit ein Merkmal, das ihn vom Heiden, der den Glauben nicht hat, unterscheidet. Ähnliches lässt sich vom Firm- und Weihecharakter feststellen. Der Firmcharakter waffnet und schult uns gleichsam als Kriegsleute Christi zum öffentlichen Bekenntnis und zur Verteidigung seines Namens sowie gegen den Feind im eigenen Innern und die bösen Geister in der Luft; zugleich bildet der Firmcharakter ein Unterscheidungsmerkmal gegenüber jenen, die als Neugetaufte gleichsam wie neugeborene Kinder sind. Der Charakter der Priesterweihe aber verleiht die Gewalt, die Sakramente zu vollziehen und auszuspenden und unterscheidet die mit dieser Gewalt Begnadeten von den übrigen Gläubigen. Es ist also an dem Glaubenssatz (Vgl. Conc. Trid. VII can. 9 de sacr.) der Katholischen Kirche festzuhalten, wonach diese drei Sakramente einen Charakter einprägen und somit auch nie wiederholt werden dürfen.
Soweit also über die Sakramente im allgemeinen. 26 Bei der Darlegung dieses Lehrabschnittes soll der Seelsorger vor allem auf zwei Ziele mit aller Kraft hinarbeiten. Erstens sollen sich die Gläubigen klar darüber werden, welch hohe Achtung, ehrwürdige Behandlung und Verehrung diesen göttlichen Himmelsgaben gebührt. Zweitens sollen sie die Sakramente, wie Gott sie in seiner unendlichen Güte zu aller Heil gegeben hat, auch fromm und gewissenhaft gebrauchen. Ja, das Verlangen nach christlicher Vollkommenheit sollte so lebendig in ihnen entbrennen, dass sie es als empfindlichsten Schaden betrachten, wenn sie den so heilsamen Genuss der Sakramente, insbesondere des Sakramentes der Buße und des Altares, längere Zeit entbehren müssen.
Diese beiden Ziele wird der Seelsorger unschwer erreichen können, wenn er die eben behandelten Wahrheiten über den göttlichen Ursprung und den Nutzen der Sakramente öfter den Gläubigen einprägt. Einmal, dass sie von unserm Herrn und Heiland eingesetzt sind, von dem nur das Allerbeste kommen kann. Dann dass bei ihrer Spendung die Gottheit des Heiligen Geistes mit ihrer Allmacht zugegen ist, der dabei unser innerstes Herz durchdringt. Weiter, wie die Sakramente solch wunderbare und unfehlbare Heilkraft für unsre Seele besitzen. Endlich, dass sie die Kanäle sind, die die unendlichen Schätze des Leidens unsres Herrn in uns überleiten. Abschließend weise man dann darauf hin, dass der ganze Bau des Christentums allerdings auf der unerschütterlichen Grundfeste des gottgesetzten Ecksteins beruht, dass er aber wohl sie her zum großen Teil ins Wanken und zum Einsturz käme, wenn nicht die Predigt des Gotteswortes und der Empfang der Sakramente ihn allseits stützten. Denn wie wir durch die Sakramente ins Leben eingeführt werden, so sind sie für uns auch gleichsam die Speise, die uns nährt, die uns erhält und stärkt.
[Fortsetzung folgt]