Johannes von Avila: Marienpredigten

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Predigten auf die Feste Mariä
des Kirchenlehrers Johannes von Avila

Quelle: Sämmtliche Werke des ehrwürdigen Juan de Avila, des Apostels Andalusiens. Zum erstenmal aus dem spanischen übersetzt von Franz Joseph Schermer. Erster Theil (Band 1) Regensburg 1856, S. 223-384 (384 Seiten), Zweiter Theil (Band 3) Regensburg 1861, S. 197-468 (468 Seiten).

Erster Teil

I. Am Fest Mariä Geburt: Die geistige Verwandtschaft mit Christo

Liber generationis Jesu Christi. Buch der Abstammung Jesu Christi (Mt 1,1)

Wer Durst hat, so ruft der Erlöser, der komme, denn „ich will ihm zu trinken geben von der Quelle lebendigen Wassers, und zwar umsonst" Offb 21,6. Christus, unser Erlöser, Er ist — statt des Preises, um den wir Ihn erlangen sollen, — schon damit zufrieden, wenn wir eine Sehnsucht nach Ihm haben; er begehrt nicht mehr von uns. — Gott rühmt sich dessen, als eines Schmuckes, und lässt sich den Namen beilegen „der Ersehnte": denn nur demjenigen, der ein Verlangen nach ihm hat, mir dem gibt er sich hin, und er hat sich noch keinem entzogen, der sich nach ihm sehnte. Glaubt ihr, bevor er kam, unsere Not zu steuern und um unsertwillen Mensch zu werden, - glaubt ihr, da sei er minder ersehnt worden?

Was für Seufzer entschwebten — den Herzen und den Lippen: Ach, wann wird er kommen? Wann wird Er kommen; ist die Stunde schon da, wo Er kommen wird, Er, der uns retten soll? Warte ein wenig, sagt Gott, „noch eine kleine Weile ist's, so erschüttere ich den Himmel und die Erde, das Meer und das Trockne, und es wird kommen der von allen Völkern Ersehnte" (Hag 2, 7.8). Ich glaube, an diesem Tage, da wurde den Engeln im Himmel zu dieser frohen Botschaft im hohen Maße Glück gewünscht. O welche Freudenfeste haben sie wohl, — unter Jubel und Frohlocken, gefeiert! Wie viele trost- und mutlose Herzen sind durch die Hoffnung auf den Ersehnten getröstet und ermutigt worden, da sie die Zeit kommen sahen, wo Er kommen werde — mittelst der Geburt derjenigen, die ihn gebären sollte! Ich glaube, heute wurde die Weissagung des Propheten im geistigen und wahren Sinne erfüllt: „Alsbald wird zu seinem Tempel kommen der Herrscher, den ihr sucht, und der Engel des Bundes, nach dem ihr verlangt (Mal 3, 1). Der heilige Tempel Gottes, es ist der Schoß der Jungfrau Maria. Alsbald wird er kommen, wird nicht zaudern; er wird alsbald zu seinem Tempel kommen; die Jungfrau, die ihn gebären soll, ist schon geboren worden. Welches Glück wünschten die Engel den Vätern in der Vorhölle zu der frohen Botschaft; welche Freudenfeste feierten sie im Himmel ! Welcher Trost wurde den frommen Menschen auf Erden gewährt durch diese frohe Botschaft!

Die Jungfrau, von welcher der Ersehnte aller Völker geboren werden soll, ist schon geboren worden. Doch was hat dieses für einen Bezug auf uns? Die Geburt der Jungfrau gehört der Vergangenheit an; ich weiß, sie wird nicht mehr für uns wiederkehren. Glaubt ihr, die Barmherzigkeit Gottes sei zu Ende gegangen? Nein; wenn wir Glauben hätten, um Gott in diesem Leben zu danken für die Gnaden, die er uns durch dieses Mägdlein bescherte, dann würden wir die Geburt der heiligen Jungfrau in unsern Herzen empfinden. Wie würde dann unsere Seele Freuden kosten, Freuden, ähnlich den Freuden des Himmels!

Ist hier jemand, der ein Verlangen hat, Gott zu finden? O Herr, der du mich — durch das Verlangen nach dir — tötlich verwundet hast, — so lange suche ich dich, und kann dich nicht finden! — Verleih mir, o Herr, die Gnade, dich als denjenigen zu erkennen, der du bist. Ja, o Herr, ich habe ein großes Verlangen nach dir, und kann dich nicht finden. Gleichwie die Geburt Marias damals ein Zeichen war, dass Christus nahe, so möge uns jetzt dieses, dass sie heute geboren ward, als Zeichen dienen, dass wir die Gnade erlangen werden, auf eine würdige Weise von ihrer Geburt zu sprechen.

I.

„Buch der Abstammung Jesu Christi": das sind die Worte, womit das Evangelium des heutigen Festes der Geburt Marias beginnt. Indes was hat die Abstammung mit Gott zu tun? Was hat die Abstammung für einen Bezug auf Jesus Christus? Die Worte: „Abraham zeugte Isaak, Isaak zeugte Jakob" u. s. w., die müsst ihr der leiblichen Abstammung nach deuten. O Herr, wozu befiehlst du dieses niederzuschreiben, wenn du andernteils befiehlst, wir sollten das Fleisch, den Leib, gering schätzen, und alle Ehre, und allen eitlen Ruhm? Gab es ja, — wenn du dich doch deiner Abstammung rühmen willst, unter diesen Abkommen so viele Böse, dass an dieser Abstammung eher Unehre haftet, als Ehre!

Einer von denselben war Manasses, der Jerusalem mit dem Blut der Propheten, der Diener Gottes, anfüllte, und ein großer Verehrer der Götzen war. Zu ihnen gehörte auch Achab, ja, war noch schlimmer. Unter ihnen fand sich ein Edler, nämlich der König Ezechias. — Warum lässest du deine Stammverwandten zählen? Aus zwei Gründen: erstens, um des Glaubens willen; denn es ward geweissagt, der Messias werde aus dem Stamm Juda und dem Haus und dem Geschlecht Davids hervorgehen, — und — weil, wenn er nicht zum Stamm Juda gehörte, er auch nicht zum Haus Davids gehören konnte. Daher heißt es: „Mathan zeugte Jakob, und Jakob zeugte Joseph, den Mann Marias."

Ehrwürdiger Vater, wenn Christus dem Joseph nicht entstammte, da er nicht sein Sohn, sondern der Sohn Marias war, da er durch den Heiligen Geist empfangen wurde; — wie bewährt es sich, dass Jesus Christus zum Stamm Juda gehörte, und dem Geschlecht Davids entsprosste, wenn wir bloß jene aufzählen, denen Joseph entstammte? Maria und Joseph gehörten zu demselben Stamm; denn damals vermählten sich die Abkommen des einen Stamms nicht mit jenen des anderen Stamms; und so geht daraus, — wenn wir die Stammverwandten Josephs aufzählen, — der sich mit Maria, der Mutter Jesu, vermählte, so recht deutlich hervor, dass er zum Stamm Juda gehört und zum Geschlechte Davids.

Doch warum vermählten sich einmal Sprossen des Stammes Levi mit jenen eines andern Stammes? War nicht Elisabeth die Base Marias und gehörte sie nicht zu demselben Stamm? So ist es denn nicht erwiesen, dass Christus dem Stamm Juda entsprosste, wenn wir darlegen, dass es Joseph war, der sich mit Maria verlobte, da sie verschiedenen Stämmen angehören konnte. Wie werden wir demnach erfahren, dass die Entsprossung aus dem nämlichen Stamm wirklich der Fall gewesen? Mochten sich auch einige aus einem Stamm mit einem andern vermählen, so hatte es doch mit dem Stamm Christi seine volle Richtigkeit; dieses um so mehr, als ein anderer Evangelist sagt: „Es ging Joseph von Galiläa, von der Stadt Nazareth nach Judäa in die Stadt Davids, welch» Bethlehem beißt, weil er aus dem Haus und dem Geschlecht David's war" (Lk 2, 4).

Joseph und Maria entsprossten nicht bloß demselben Stamm, sondern waren auch nahe Anverwandte; und es genügte dem Evangelisten, zu bemerken, dass Joseph aus dem Stamm Juda und dem Geschlecht Davids war, ohne dass er Maria erwähnt, denn es war damals nicht Brauch, die Sprossen des Stamms von Seite der Frauen aufzuzählen. Wenn der Evangelist sagt: Joseph war der Vermählte Marias, so geht daraus deutlich hervor, dass Christus aus dem Stamm Juda und dem Haus und dem Geschlecht Davids war.


II.

Gott ließ die Stammverwandten seines Eingebornen Sohnes zweitens aufzählen zur Erbauung aller Menschen, hoher und niedriger; denn ob es gleich etwas Großes war, von Königen, von Fürsten und Patriarchen abzustammen, und ob diese auch dem Fleische nach Verwandte Jesu Christi waren; und ob es gleich — Maria zur unendlichen Ehre gereichte , die Mutter Gottes zu sein : — so fanden sich doch unter diesen viele Böse; denn diese Verwandtschaft mit Christus konnte nicht bewirken, dass diese gut waren; noch — ist dem Erlöser dadurch, dass er von Königen, Fürsten, Patriarchen abstammte, Ehre und Größe zuteil geworden. »,

Nein, er empfing durch die Abstammung von ihnen keinen Vorzug; fand sich indes ein solcher an ihnen, so empfingen sie ihn vielmehr von ihm. Je näher diese ihre Verwandtschaft ist, desto, edler müssen sie sein, um dem Verdienst und den Eigenschaften der Guten näher zu kommen; — je näher sie verwandt waren, desto mehr mussten sie sagen, sie stiegen empor, und nicht, sie stiegen herab. Die Herkunft (wovon hier die Rede ist) ist dem Fleische nach zu verstehen. (Es gibt, sagt der Apostel einmal in einem Brief an die Korinther, kein Mittel, um den Kindern Israel die Decke, die auf ihrem Herzen liegt, wegzunehmen, bis sie sich in Wahrheit zu Christus, dem Erlöser, bekehren. Diese Decke lag darauf, seit Moses, das Angesicht mit einer Decke verhüllt, zu ihnen redete, damit sie den Glanz desselben nicht sehen möchten (2 Kor 3). Der Herr ist nicht Fleisch, sondern Geist; sich zu Gott bekehren, heißt sich demnach zum Geist bekehren. Jenes Gesetz, so voll von Gebräuchen, jenes Gesetz, so dunkel nach außen, — das nach innen mit so viel Licht erfüllt war, — gleich dem Moses, dessen Angesicht so viel Licht umfloss, und das er von außen mit einer Decke verhüllte, — jenes Gesetz ward vergeistigt. — Da betrachtet das Auge nicht das, was jenes Gesetz nach außen bedeutet, nein, die Geheimnisse, die darin verschlossen sind. Ja, das Gesetz möge vergeistigt werden; doch auf welche Weise? Gott befahl: Esst nicht vom Fleische des Schweines, esst zu einer solchen Zeit ein Lamm (Dtn 14).

Allein wie ist das zu verstehen: „nicht vom Fleisch des Schweines essen, heiße keine Sünden fleischlicher Lust begehen?" Wie ist das Essen vom Lamme zu verstehen? Dieses Essen vom Lamme, und das Nichtessen vom Fleisch des Schweines, es ist in geistiger Beziehung zu deuten. — Was bewog dich, o Herr (da du doch das Fleisch nicht liebest, sondern einen so großen Widerwillen dagegen hast, und uns befiehlst, vor demselben zu fliehen), was bewog dich, uns die Sprossen deines Stamms aufzählen zu lassen? Lasst uns diese Abstammung — dem Fleische nach — in eine geistige verwandeln, und wir werden sehen, was den Evangelisten bewogen, die Abstammung Christi zu er zählen, die da eine geistige Abstammung Christi ist. Diese, o Brüder, diese lobt und preist; dieses soll euer sehnsüchtiges Verlangen erregen, nicht dieses, dass er von Abraham abstammt, von Isaak und Jakob und von David, von so vielen Königen und Patriarchen. Nein, das möge nicht euer sehnsüchtiges Verlangen erregen, dass Christus dem Fleische nach von so edler Abkunft ist; zu seiner geistigen Nachkommenschaft zu gehören, das muss für euch etwas Kostbares sein, das muss für euch einen höhern Wert haben, als sein leiblicher Anverwandter zu sein, ein so naher Anverwandter ihr auch sein möchtet. —

Sprach dieses Christus nicht aus, als er einmal noch mit dem Volke redete, und seine Mutter und seine Brüder an der Pforte standen, und Einer zu ihm sprach- „Sieh, deine Mutter und deine Brüder stehen draußen und suchen dich," und Er alsdann erwiderte: „Wer den Willen meines Vaters tut, der im Himmel ist, derselbe ist mir Bruder, Schwester und Mutter" (Mt 12, 46) ? Das ist es , was Gott anerkennt, das ist es, dem er einigen Wert beilegt. Ein anders mal, da entgegnete er einer Frau, das ihm unter dem Volke zurief: „Selig ist der Leib, der dich getragen, und die Brüste, die du gesogen (Lk 11, 27): ja freilich selig ist, der das Wort Gottes hört, und dasselbe beobachtet (Lk 11, 28)! Das heißt von edler Abkunft sein; der gehört zum geistigen Geschlecht Jesu Christi.

III.

Wollt ihr zu den Verwandten Christi gezählt werden? Wohlan, so hört: in dem heutigen Evangelium, da werden die Wege beschrieben, die jene gehen, welche zu diesem Stamm gehören, und die auch ihr gehen müsst, wenn ihr ihnen beigezählt werden wollt.

Wer ist der Erste bei dieser Abstammung? Abraham; doch habt nicht Abraham dem Fleische nach im Sinne; nein, lasst diesen bei Seite, denkt euch unter Abraham, was sich der Apostel denkt ; denkt euch Abraham als „Vater der Gläubigen". Steht ihr außerhalb dieser geistigen Abstammung, dann ist der erste Stein, die erste Grundlage, die ihr legen müsst, der Glaube: ihr müsst glauben, müsst eure Augen dafür, was Gott sagen wird, schließen, sei es wenig, sei es viel; sei es klar, sei es dunkel: um zuversichtlich zu glauben, was Er ausspricht, das werde sich unfehlbar also verhalten, dazu sei für euch dieses genug, dass es Gott sagt. Abraham war so alt, war so schwach, um eine Nachkommenschaft natürlicherweise erwarten zu sollen, dass er eher dem Grab gehörte; und auch Sara, seine Ehefrau, schon im jugendlichen Alter unfruchtbar, war damals bereits hochbetagt, und im hohen Maße schwach. Abraham war alt, denn er zählte hundert Jahre; die unfruchtbare Sara ist beinahe so alt, wie ihr Gatte! — was waren dieses — nach eurer Meinung — für Grundlagen zu einer Nachkommenschaft? - Indess diese zwei, Abraham und Sara, sie sind die Ersten, welche zum geistigen Geschlecht Jesu Christi gehören. — Wie? von solchen, die alt, die schwach, die mutlos sind, die keine Kraft haben, von solchen soll der Sohn des Segens geboren werden?

Ja, wer die Freundschaft Gottes, wer seine Liebe und Gnade besitzen will, der muss von solchen geboren werden, die alt und schwach sind, die auf sich kein Vertrauen haben, die, — mit Entfernung aller Eitelkeit, sich erniedrigen und demütigen: kommen wir doch nicht durch unsere eignen Kräfte in den Himmel, sondern durch die Gnade. Magst du auch weiser sein, als Salomon, magst du auch reicher sein, als jener König von Griechenland; es frommt dir Alles nichts. Doch du vertraust darauf, was du vermagst? Du darfst deinen geringen Kräften misstrauen.

Erkenne es, dass du nichts bist; sei nicht darauf stolz, was du weißt; fühle dich abhängig von der Barmherzigkeit Gottes! Die Weisheit, die begehren wir von ihm als ein Almosen, nicht unsrer Kräfte und Verdienste wegen. Sage, o Herr, kann ich dich erlangen ohne dich? Nein, ich kann nicht zu dir kommen ohne dich, ich kann nicht zu dir kommen, wenn du mir nicht Kraft und Stärke gibst, um zu dir zu kommen. Hilf mir; steh mir bei; denn du bist all mein Trost, all mein Schutz und Schirm; in deinen Händen liegt meine Kraft und Stärke und mein Mut, in deinen Händen liegt meine Seligkeit. Nur du kannst mir helfen, sonst nichts; in deine Hände, o Herr, empfehle ich mich.

Auf diese Weise denn müssen wir handeln, müssen uns für schwach, für ohnmächtig, für unfruchtbar, für arm, sehr arm erkennen; denn wir sind nicht im Stande, wir vermögen nicht durch eigne Kraft in den Himmel zu kommen. Nein ! wenn du dich deswegen rühmst, deswegen — einigermaßen mit dir selbst zufrieden bist, dass der Himmel dir gehöre, oder die Herzen der Menschen, dass dir beide gehören wegen deiner Keuschheit, wegen deiner Demut, wegen deiner Geduld, nein, dann wirst du niemals zum geistigen Geschlecht, zum geistigen Stamm Christi gehören. Nur auf diese Weise wirst du dazu gehören, wenn du dich erniedrigst, wenn du dich demütigst, wenn du dich geringschätzest, wenn du nicht aus deine Kräfte bauest: das sind die glückseligen Armen im Geiste, denn ihrer ist das Himmelreich!

Ich wünsche, o Herr, so sprach Salomon, nicht über mäßigen Reichtum; dass ich dadurch nicht etwa übermütig und zur Verleugnung gereizt werde (Spr 30, 8-9; Ps 61). — Sagt mir, was nützte dem Pharisäer sein Reichtum, wenn er, verurteilt, damit aus dem Tempel ging, weil er sich auf sein Vermögen verließ? Nützte dem Zöllner seine Armut nicht mehr, wenn er, gerechtfertigt, mit derselben aus dem Tempel ging, weil er auf sich und auf seine Kräfte Misstrauen setzte?

Ja, dem Armen ist das Himmelreich, demjenigen, der glaubt, er sei nichts, demjenigen, der es nicht wagt, vor Gott zu erscheinen , indem er seine Geringfügigkeit betrachtet; demjenigen, der spricht: O Herr, ich habe keinen Schmuck und keine Zierde, um vor dir zu erscheinen! Wie sollte, o Herr, ein so niedriges Geschöpf erscheinen vor der unermesslichen Güte, und vor einer solchen Hohheit, wie es die deinige ist? Ich bin nichts; ich vermag nichts. Du, o Herr, bist all mein Reichtum, meine Kraft, meine Stärke. Du, o Herr, bist all meine Hülfe und Stütze, du nur bist das Gut meiner Seele. »

IV.

Von diesen Schwachen nun, von diesen Unfruchtbaren wird Jesus Christus geboren; durch Demütigung und Selbsterniedrigung gelangen wir dahin, zu seinem Stamm zu gehören. O Herr, hatte denn Abraham mehr? Wenn er sich in ermutigender Zuversicht erging, so hatte er großes Vertrauen auf Gott. Es ist nicht genug, dass ihr euch für elend und unglücklich erkennt, wenn ihr dabei nicht auf Gott vertraut; es ist nicht genug, dass ihr eure Ohnmacht erkennt, wenn ihr nicht auf Gott vertraut, wenn ihr nicht glaubt, bei Gott walte Macht und Barmherzigkeit, um euch zu kräftigen und euch zu helfen. Es ist nicht genug, dass ihr eine so recht geringe Meinung von euch habt, wenn ihr nicht ganz erhaben von Gott denkt.

Gewiss. Abraham war so ganz schwach, so ganz nieder gebeugt, so ganz ferne von Vertrauen auf sich; doch er war andrerseits stark, gewaffnet, mutig, indem er auf Gott vertraute. Da kam Gott eines Tags und sprach zu ihm: nach einem Jahre werde er einen Sohn haben. Wie? o Herr, dieses hoch betagte Ehepaar soll einen Sohn erhalten? Ja, es wird einen erhalten! Wie? diese, die mehr Toten ähnlich sind, und sich eher für das Grab eignen, als dazu, Kinder zu erzeugen; sie sollen — am Ende so vieler Lebensjahre, die sie zählen, und da keine Kinder bekommen hatten, jetzt erst Kinder bekommen? Ja; Sara lächelte darüber, was Gott sagte; sie hielt es schier für Spott. In meinen jungen Jahren, sprach sie bei sich, wo ich Kinder gebären konnte, da war ich unfruchtbar; jetzt, wo das Alter kommt, da soll ich, ist es möglich, — empfangen?

Sara hatte einigen Zweifel; Abraham jedoch glaubte es ohne Bedenken; er dachte nicht: Ich bin alt, meine Frau ist unfruchtbar; wie soll dieses geschehen? Nein, er hatte kein solches Bedenken. Allein was tat er denn ? Er glaubte den Worten Gottes; er hatte das feste Vertrauen, was Gott ausspreche, das sei unfehlbare Wahrheit. Zu uns spricht Gott dieses: Wenn du dich als einen Sünder beweinst, wenn du reiflich deine Schwäche betrachtest, wenn du es reiflich erwägest: dreißig Jahre sind es, dass ich bös lebe; jeden Tag nehme ich mir vor, gut und fromm zu leben; niemals vollziehe ich meinen Vorsatz; heute falle ich hier, morgen dort. Wenn du reiflich erwägst, wie oft du Gott dienen wolltest, und es nie völlig dahin brachtest, so verliere den Mut nicht, sondern habe Vertrauen. Es tut uns die Überzeugung not, dass wir ohne Gott nichts als Elend haben.

Deine Versuchungen, so sagte ein heiliger Einsiedler, werden niemals aufhören, dich zu bekriegen, bis du erkennest, dass du nichts bist, und dass deine Hilfe nur in Gott liegt; bis du zuversichtlich glaubst, Er werde dir helfen, bis du versichert bist, du vermögest ohne Gott nichts, und könnest dich nicht erkennen ohne Gott, wie du denn überzeugt wärest, du würdest es nicht vermögen , — wenn du ein großes Meer ausschöpfen wolltest mit einem Krüglein, — so dass du so viele Krüge voll herausschöpftest, bis du so weit kämest, dass du nichts mehr darin ließest.

Herr, es ist recht schlimm gewesen; wer wird es zählen können, wie oft ich dich beleidigt habe? Wie viele Jahre habe ich damit hingebracht, dich zu beleidigen? Ich werde — nicht Eine gut angewendete Stunde — aufzählen können, nein, — Millionen Übeltaten! Wenn du mir nicht hilfst, barmherziger Gott, werde ich verloren sein. Wie wird es mir ergehen, wenn du mich verlässest? — Jetzt seid ihr (da ihr also sprecht), jetzt seid ihr gut; nun habt ihr Anteil an dem Geschlecht Abrahams; — ihr erkennt eure Schwäche, eure Ohnmacht; ihr setzt Misstrauen in eure Kräfte; — jetzt seid ihr gut: doch solltet ihr darum den Mut verlieren? Nein, ihr müsst euer Vertrauen setzen auf die Barmherzigkeit Gottes, der die Gefallenen aufrichtet", der euch heilen, der euch kräftigen, der euch gelangen lassen wird zur ewigen Seligkeit.

Ihr müsst gute Werke vollbringen und eure Schwäche und Niedrigkeit erkennen; allein wenn ihr dabei stehen bleibt, dann nützt es euch nichts.

Was sollte es Größeres geben, als das Vertrauen, als einen lebendigen Glauben ? Es gibt kein Einkommen, welches so sicher wäre, wie das derjenigen, die aus Gott vertrauen, wie das derjenigen , die auf Gott hoffen.

Ihr habt, verehrte Brüder, das Vertrauen, Gott werde einen Tag herbeiführen, wo eure Sara einen Sohn erhalten wird; es werde ein Tag kommen, wo euch Gott seine Gnade beschert, dass eure Seele Trost erfülle, dass diese so böse, so unfruchtbare, so andachtslose, so stolze Seele demütig werde, wo diese dann ihrem Gott ergeben und demütig vor ihm sein wird. — Welche Freude pflegt die Seele zu haben, wenn sie, die zuvor stolz war, demütig wird; wenn sie, die vorher blind war, jetzt sieht; wenn sie, die vorher Gott ungehorsam war, jetzt sieht, wie sie Gott gehorcht; wenn sie, die vorher bös war, sieht, sie ist jetzt durch die Gnade gut und fromm ! Ich war, spricht sie alsdann, — unfruchtbar und kinderlos, war hinweggeführt und gefangen; wer hat denn diese erzogen? Ich war verlassen und einsam, wo waren denn diese (Is 49, 21)?

Wenn die Seele sich sanft und mild, andachtsvoll und wohltätig sieht, demütig, keusch und lauter, dann spricht sie: Was ist doch dieses? Wer hat mir diese Kinder geben? Wer hat diese guten Werte erzeugt und erzogen? Wer ist doch dieses ? Es ist die Barmherzigkeit Gottes; die beschert der Seele so große Gnaden, dass sie dieselben nicht zu erfassen im Stande ist.

V.

Ehrwürdiger Vater, wenn mir die Engel sagten, es werde ein Tag kommen, wo ich eine Tochter erhalten würde, die "Freude" heiße, wie sie's dem Abraham gesagt, — ich würde es zuversichtlich glauben; - wenn es mir Gott gesagt haben würde, ich würde mit Vertrauen auf die Erfüllung seiner Verheißung hoffen; doch Gott hat mir nichts dergleichen gesagt, hat von seiner Seite nichts zu mir gesprochen. Ich verstehe diese Sprache nicht; ich habe nie etwas dergleichen in mir empfunden: nein, ich weiß kein Merkmal anzugeben, ich begreife es nicht.

O Bruder, die Schuld liegt an dir (denn von Seite Gottes waltete sie nicht ob), dass Er es unterließ, dir Boten zu schicken; wisse, diese Dinge werden den Menschen gesagt, nicht den Engeln: „Euch geht die Verheißung an, und eure Kinder" (Apg 2,39), sagt der Apostel; euch hat sich Gott mitzuteilen, euch seine Boten zu schicken und euren Kindern, dass sie euch melden und mitteilen, was er von euch begehrt. — Sagt, Verehrte, hat euch Gott niemals gerufen? Wenn ihr in eurer Seele eine heilsame Veränderung gewahr werdet, ein ernstes Erkennen der Eitelkeit dieses Lebens, ein Erkennen, dass Alles vergeht; ein Erkennen, wie bald ihr sterben werdet, und wie all eure Habe hienieden bleiben wird; wenn ihr einen Ruf vernehmt: Wozu will ich meine Hoffnung auf etwas setzen, was so bald vergeht? Wer setzt sein Vertrauen auf etwas so Hinfälliges? Wer setzt sein Vertrauen auf etwas, das so geschwind ein Ende nehmen soll?

Wenn ihr dieses gewahr werdet, dann ist es von Gott; der Herr hat euch gerufen. Glaubtet ihr, o Brüder, dieses wäre nicht von Gott? Ihr schätzt dieses so gering? Wie? ihr meint, ihr könntet dieses von selbst denken? Ihr seid im Irrtum. Lernt erkennen, dass es Eingebungen Gottes sind; ihr habt nicht die Kraft: „Wer immer von dem Vater gehört und gelernt hat, der kommt zu mir" (Joh 6, 45). — Niemand kommt zu Christus, wenn ihn nicht der Vater ruft und ihn dahin bringt, indem er in heiligen Eingebungen zu ihm redet. Diese guten Vorsätze, dieses fromme Verlangen, diese deine Umwandlung kommt von Gott: das ist Gottes Wort. Wenn du in dir gute Vorsätze wahrnimmst, wahrnimmst gute Gedanken, wenn dein Herz von dem heißen Verlangen entbrannt ist, den Weg der Sünde zu verlassen und dich zu Gott zu wenden und ihm zu dienen, und ihn nicht mehr zu beleidigen; — dann hege die Hoffnung, deine Seele werde bald einen Sohn gebären, der Freude heißt.

O Priester, wo findet sich diese Verheißung für mich, um zuversichtlich zu glauben, das Wort Gottes werde in Erfüllung gehen? Dieses ist so recht schlimm, dass wir es nicht wissen, oder dass wir, wenn wir es, wissen, dasselbe außer Acht lassen. Als man dich taufte, da wurde dir diese Verheißung gegeben; dass du getauft worden, dieses ist ein Zeichen, dass dich Gott zu seiner Gnade berufen. Als dich Gott in der heiligen Taufe zu seinem Kind annahm, da wurde dir die Versicherung gegeben, Gott werde dich nie verlassen, werde dir in allen deinen Nöten beistehen, werde nicht aufhören zu dir zu sprechen, und dir in deinen Angelegenheiten und Zweifeln Rat zu geben, und dir Engel und Boten zu senden, die ihrerseits zu dir sprechen, — was die guten Eingebungen sind.

Glaubst du, es sei etwas Geringes, ein Christ zu sein? Doch wann wurde es mir verheißen, Gott werde mir einen Sohn schenken, der Freude heißen würde? Gott werde meine Seele trösten und erquicken und ihr beistehen in allen ihren Nöten? Als man dich taufte. Und wenn du diese Freude nicht empfindest, und wenn du dieses Gut nicht wahrnimmst, und wenn dir kein Sohn geboren ward, dann kommt es daher: du hast dich von Gott getrennt, und wollte Gott, nicht wegen der Sünde; nimmst du aber jene Heilmittel der göttlichen Barmherzigkeit wahr, nimmst du wahr, was Gott in deinem Herzen spricht, bist du aufmerksam darauf, was er sagt: dann vertraue und hoffe auf ihn, habe das feste Vertrauen, Er wird sein Versprechen halten (hat er es ja noch jedem in diesem Leben gehalten); und niemand wird sich über Gott beklagen, er habe nicht erfüllt, was Er ihm in der heiligen Taufe verheißen, nämlich ihm einen Sohn zu schenken.

Isaak, nämlich die Freude, das Lächeln (Gen 21, 6), wird nachher geboren. Sprecht, was ist es, das geboren wird, nachdem ihr in eurem einsamen Gemach eure Sünden beweint habt? Es ist — die Freude. Wer nicht zu weinen im Stande ist, der kostet nichts Gutes.

Was wird alsdann geboren, wenn ihr das kindliche Vertrauen hegt, Gott habe euch nach seiner Barmherzigkeit eure Sünden verziehen? Eine Lust, die eure Seele in dem Maße empfindet, dass sie außer sich kommt. Was wird als dann geboren, wenn ihr tiefe Traurigkeit empfunden? Viel Freude. Die Freude , die nach Traurigkeit kommt, ist sicherer, als die Freude, die kommt, ohne dass wir vorher Traurigkeit empfunden; nehmt euch davor in Acht. Die Lust, welche nicht aus wahrer Freude hervorgeht, die haltet für verdächtig. Es ist dieses die Weise Gottes, unsers Herrn, dass er niemandem Freude bescheren, dass er niemanden trösten will, ohne ihm vorher Kummer und Traurigkeit zu bereiten.

Ein wenig Selbstvertrauen, dass du dergleichen besitzest, was dich bestimmt, von der Traurigkeit zu lassen; und wieder dieses, dass du dich erkennst und dich als unwürdig beklagest: das lasst dich in der Tat wahre Freude genießen und Gutes kosten. Denn aus diesem Weinen, aus dieser Traurigkeit, aus dieser Trostlosigkeit, aus dieser Verschmähung der sinnlichen Freuden und Annehmlichkeiten, und wieder aus diesem Vertrauen auf Gott, daraus geht Lächeln und Freude hervor, daraus wird der Sohn geboren, der zum Geschlecht Jesu Christi gehört.

VI.

Es wird — hier mancher sein, dem ein Sohn geboren ward, ein Sohn, der heiter sein wird in Gott, mutvoll und froh; glaubt er doch ob seiner Barmherzigkeit zuversichtlich , er sei im Stand der Gnade. — „Gott liebt mich," — spricht er, „ich habe meine künftige Seligkeit schon in den Händen." Allein niemanden gibt es, der klug wäre und besonnen, während er dem Glück im Schoße sitzt. Wünsche nicht so sehr diesen Sohn; freue dich nicht so außerordentlich — über denselben; sachte! erwäge, was du tust, erwäge, welche Gefahr dabei obwaltet; sei nicht den Müttern ähnlich, die ihre Kinder so sehr lieben, so sehr mit ihnen spielen, sie so sehr verzärteln und verwöhnen, dass sie dieselben verderben.

Wartet es nur ab, Geliebte; der Sohn wird heranwachsen, und ihr werdet sehen, was vorgeht. Als Isaak schon erwachsen war, und als Abraham nach so vielen Freuden, welche ihm die Geburt Isaaks bereitete, am sichersten zu sein glaubte, da rief ihm Gott und sprach: Abraham, nimm deinen geliebten Sohn und sieh den Berg, den ich dir zeigen will; denn dort sollst du ihn als Brandopfer dar bringen. — Da nehmt den Sohn: glaubt ihr, es sei Vorsicht nötig? Niemand sage: Ich bin wohl daran, es mangelt mir nichts; ich bin jetzt heiter und froh; Gott sei gepriesen! „Frohlocket dem Herrn mit Zittern" (Ps 1, 11)! Freuet euch, aber mit Furcht und Bangigkeit, seid demütig; erwägt, was ihr tut; denn es kommt die Zeit, wo euch Gott befiehlt, den Sohn zu opfern. Bringe mir, so spricht Gott, deine Freude als Brandopfer dar.

Der unglückliche Greis führte seinen Sohn an der Hand, um ihn als Brandopfer Gott zu opfern. Warum wolltest du, o Herr, die Freuden dieses Greises in dem Maße verbittern, dass du ihm befiehlst, er solle etwas töten, was er so sehr liebte? Ja, würden ihn die Menschen töten, dann würde ich's meinetwegen gelten lassen; doch du, o Herr, der du dem trostlosen Greis durch die Geburt eines Sohnes so große Freude beschert hast, du befiehlst jetzt, dass er ihn als Brandopfer opfere! Es ist, o Herr, in der Tat etwas Hartes, wenn du, Allmächtiger, sagst: Opfere deinen Sohn als Brandopfer. Du, der du im Geschlecht Jesu Christi Freude spendest, du versetzest diesen herben Schlag?

Wohlan, Verehrte, Er, der euch Trost verlieh. Er, der euch Freude bescherte, Er wird große Traurigkeit und die größten Leiden und Drangsale über euch verhängen, damit ihr die Freude verlieren möchtet, die Er euch geschenkt hatte: Er, der euch Trost verlieh. Er wird sagen: Opfere mir deinen Sohn als Brandopfer.

Wie freudig fuhren die Apostel in einem Schifflein auf dem galiläischen Meere, da Jesus Christus mit ihnen fuhr! Wie zufrieden waren sie, indem sie sprachen: Christus ist bei uns, Er, der das Meer geschaffen und die Winde, den Himmel und die Erde: so sind wir sicher davor, dass sich ein Sturm erhebe; ist doch der Herr der Welt bei uns; wir haben nichts zu befürchten. — Es erhebt sich ein starker Wind, und das Meer fängt an zu grollen, und die Wellen erheben sich, und alsbald riefen die Apostel dem Herrn: „Herr, hilf uns, wir gehen zu Grunde" (Mt 8, 25) ! Siehst du nicht den Sturm? Furcht ergriff dieselben. Was ist dieses, ihr Apostel? So bald kommt ihr aus der Fassung? Wie kurz war doch — die Freude, die ihr noch vor einem Augenblick hattet, wie kurz die Lust, womit ihr vor einem Augenblick die Fluten durchzogt! Das Schlimmste dabei ist, dass Christus selbst, der bei ihnen war (sie glaubten daher, sie seien vor dem Sturme sicher), den Sturm sich erheben ließ, und dass Er es ist, der die Trübsal über sie verhängte. Und das ist noch immer der Grund, warum dir so wenige dienen, o Herr: sie glauben, es wäre eine große Erholung, dir zu dienen; sie fangen mit Zuversicht an und haben das sichere Vertrauen, in deiner Gesellschaft werde sich kein Sturm erheben, und wenn ihnen alsdann das Gegenteil begegnet, da lassen sie von dem Begonnenen ab. Das ist der Grund, warum du, o Herr, so wenig Freunde hast.

Was ist dieses für ein vortrefflicher Grund? „Weil du vor Gott angenehm warst," sagte der Engel zu Tobias, weil du sein Freund und sein Diener warst, darum „musste die Versuchung dich bewähren" (Tob 12,13). Das Ganze ist dieses, dass wir, um Diener Gottes zu sein, versucht werden müssen. Das erscheint als eine vortreffliche Begünstigung!! — Doch schätzt dieses nicht gering, denn dieses begegnet den vertrautesten Freunden und Dienern Gottes.

Wie Vieles leidet in dieser Beziehung jener, der in ein Kloster geht. — Als ich noch im weltlichen Stande lebte, spricht er, da empfand ich nichts von diesem, was ich jetzt leide; da wusste ich noch nicht, was es um die Versuchung sei; wie zufrieden, wie freudig und heiter war ich dort; da kannte ich keine Betrübnis; nachdem ich ins Kloster gegangen, — welche Drangsale, welchen Kummer ertrage ich! Welche Versuchungen von Seite des Fleisches und von Seite der Eitelkeit, des Hochmutes! Welche Ungelegenheiten verursacht mir der Teufel, um davon, was ich begonnen, abzulassen! Wer wird dieses ertragen?

Entsetze dich nicht, o Bruder! Was denkst du doch? Es ist dieses der Wille Gottes, dass du die Freude zum Opfer bringest, und die Lust, die du im bewegten Leben empfunden; die Freude, die du mit dir brachtest, als du ins Kloster gingst, oder den Trost, den du empfunden, nachdem du dahin gekommen warst. Gott will, dass du dich abtötest; Gott ruft dir: Gib deine Freude her, opfere sie mir zum Brandopfer.

Wisset, o Brüder, Gott verfährt mit dem Menschen wie ein Brautigam, dem seine Braut große Liebe kund gibt. Er will sehen, ob diese Liebe wahr sei, oder erheuchelt; er gibt daher nur fälschlich vor, er reise in ein fremdes Land; doch er entfernt sich nicht von dem Orte, wo er lebt; er behorcht die Braut, um zu sehen, was sie tut: ob sie sich putze und schmücke, ob sie lache und von Fenster zu Fenster gehe und sich von einem Vergnügen zu einem andern wende. Und wenn sie dieses tut, dann erkennt er sogleich, dass sie ihn nicht von Herzen liebt; wenn sie aber die Wohnung nicht verläßt, ohne zu weinen; wenn sie sich nur mittelmäßig kleidet. Alles dieses wegen der Abwesenheit ihres Bräutigams; dann sieht ihr Bräutigam alsbald, dass ihn seine Braut liebt, von Herzen liebt.

Wenn Gott mit der Seele eines Christen verkehrt, wie ist es ein Wunder, wenn dieser nicht hingeht, — Stier gefechte, Ritterspiele mit Lanzen oder Rohrstäben (Ritterspiel bei feierlichen Gelegenheiten, wobei die in verschiedenen Abteilungen verteilten Ritter mit Rohrstäben nacheinander warfen und sich wechselseilig durch Schilde zu schützen suchten) und der gleichen mehr anzusehen? Die Süßigkeit, die er durch die Gegenwart Gottes genießt, sie ist so groß, dass es nicht befremden kann, wenn er alles verachtet, was es nur in diesem Leben gibt. Wobl findet sich keine so sittlich gesunkene Frau, die sich Gott nicht ergäbe, wenn es nur ein wenig von seiner Süßigkeit kostet, das nicht sogleich alles verließe, was es hienieden gibt, nicht verließe die Ergötzlichkeit eines sünd haften Lebens, und Gott nicht folgte, und nicht die süßen und lieblichen Freuden Gottes suchte.

Wenn dir, o Bruder, Gott mannigfachen Trost verleiht, wenn er dich heimsucht, wenn er stets an deiner Seite ist, wie ist es zu verwundern, dass du ihn hochschätzst und liebest, und ihm gerne dienst, und ihm ins Gesicht blickest, um zu sehen, was er befehlen wolle? Da verdient es wenig Dank, dass du fromm und gut bist.

Wenn Gott dir nicht zur Seite steht, wenn dich Leiden und Mühsale bedrängen, dann zeigt es sich, ob du es bist, der ihn wahrhaft liebt; wenn Er dir Trübsal schickt, Kummer und Not, dir schickt Widerwärtigkeit auf Widerwärtigkeit, — dann lässt es sich sehen, ob du zu jenen gehörest, die Gott standhaft dienen. Wartet, so spricht Gott, ich will mich ein wenig verbergen (Vergl. „Briefe Avilas", Brief 30, worin derselbe diese Wahrheit in einem überraschend lieblichen und sinnigen Bilde darstellt) und sehen, wie die Liebe von N.N. beschaffen ist. Lasst mich sehen, ob er mir wirklich so zugetan, ob er wirklich so treu und redlich ist; oder ob er aufhört, mir zu dienen, ob er für die Armen Sorge trägt, wie er es in meiner Gegenwart getan.

Da ist Einer, — der will, — weil es ihm scheint, als wäre ihm Gott ferne (indem er ihm den Trost entzieht, in dem er ihm ein wenig Betrübnis schickt) — der will sogleich gehen; er glaubt schon, Gott habe ihn verlassen. Wegen so kleinfügiger Dinge, sagt Gott, verlierst du den Mut? Du willst also fortgehen? Du hast wenig Liebe zu mir!

Das tun schwache Seelen, die fern von Liebe sind; das tun jene, die sich nur in der Gegenwart Gottes zu regen und zu bewegen wissen. Doch die edle Seele, die ist noch hochsinniger, wenn ihr Gott ferne steht; die strebt dahin, nichts Gemeines zu tun, in nichts Gemeines zu verfallen. Je ferner ihr die Hilfe Gottes ist, desto mehr empfiehlt sie sich seinem Schutz und seinem Willen, und sucht ihm treu zu sein, bis Er zurückkehrt. Wie oft ist Isaak in augenscheinlicher, größter Gefahr!

Oftmals entschwand euch die Freude, und wollte Gott, es wäre nicht wegen der Sünde! denn die ist das schwarze Übel; da ist die schwarze Trübsal. Sagt mir, was für ein Verlust es ist! Sagt mir, seid ihr in Christus? Ihr gehört nicht zum geistigen Geschlecht Christi? Sagt, wie viele Nächte habt ihr dahin gebracht, so dass ihr daran dachtet? Was nützt euch ein großes Vermögen? Was nützen euch Glanz, hohe Abkunft, Schönheit? Was nützt es euch, wenn ihr so prachtvoll gekleidet seid, dass man euch mit Staunen ansieht? Was nützt es euch, dass euch die ganze Welt ehrt und hochschätzt , — wenn ihr nicht zum geistigen Geschlecht Christi gehört? Seid ihr in Christo, oder nicht?

Einige werden sich finden, die auf diese Frage zu antworten wissen. Andere werden sich finden, die nicht darauf zu antworten wissen. Einige werden sich finden, — die, wenn ihr an sie die Frage stellt, ob sie in Christo seien, zur Antwort geben: nein. Jeder, auf welchem eine Todsünde lastet, ist nicht in Christo. Wehe ihm, wehe der Mutter, die ihn geboren! Verflucht ist das Brot, das er isst; verflucht das Wasser, das er trinkt; verflucht der Schlaf, den er schläft; verflucht die Schritte, die er tut. Doch mich erfasst noch größerer Schauer, dass du, o Bruder, ohne Gott sein kannst, und dich daran gewöhnst, ohne ihn zu leben, und zu Gott sagst: Geh, ich habe dich nicht notwendig, ich befinde mich wohl — ohne dich!

Ja, das ist erschrecklich. Dass du sündigst, wenn— du sogleich tiefe Reue empfindest, das ist nicht zu verwundern, das bedarf nicht sowohl einer Erwähnung; doch, dass du dich, — nachdem du gesündigt, dich daran gewöhnst, ohne Christus zu leben, das, ja, das ist mehr, als wundersam. Was beginnst du ohne Christus? Sprich, wie kannst du ohne ihn leben? Was ist das für ein Leben, das du ohne ihn lebest? Was nützt es dir, wenn dir die ganze Welt gehört, wenn du die Gunst des Fürsten besitzest, die Gunst der Menschen, der Welt, der — Hölle, — wenn dich alsdann in der Todesstunde das Reich der Qual aufnimmt? Nichts davon wird dich retten von den Qualen und den Flammen, die nie aufhören, die dauern weichen, so lauge Gott — Gott sein wird. —

Es ist eine Glaubenswahrheit: wenn du in Hass und Feindschaft, wenn du in einer Sünde der Unzucht stirbst, oder in jeder andern Todsünde, so wirst du unfehlbar in die Hölle kommen. O Unglücklicher, wenn du nicht in Christo bist! Wo willst du hingehen — ohne Christus? Warum tust du ihm solches Leid an? Warum stürzest du dich ins Verderben? Warum bist du so grausam gegen dich selbst? Was willst du dich durchaus in die Hölle stürzen ?

O hasse dich nicht so sehr! Bereite dir nicht so blindlings dein Verderben! Was soll dieses heißen: Gott hat sein Blut für dich vergossen, und du willst dieses Gut nicht nützen? Warum soll der so unermessliche Preis, um den du zu stehen gekommen, verloren gehen? Da du denn kein Mitleid mit dir selbst hast, da du denn so grausam gegen dich selbst bist, dass du dir auf diese Weise das Verderben bereiten willst: so bestrebe dich jetzt um Jesu willen, dass seine Tränen nicht vergebens geflossen, dass er sich nicht vergeblich tausend Mühen unterzogen, dass er nicht vergeblich unter den Geißelschlägen geblutet; denn Alles litt und duldete er für dich, damit du Nutzen schöpfen möchtest aus seinem kostbaren Leiden, dadurch Kraft erhalten möchtest, deine Leidenschaften zu besiegen, um ihn nicht zu beleidigen. Es werden sich Andere finden, die werden auf jene Frage antworten: Ehrwürdiger Vater, ich gehöre nicht zu diesen; ich werde in mir keine Todsünde gewahr, ich will niemandem übel; allein ich weiß nicht, was ich besorge, welche Furcht dieses mein Herz befällt; ich weiß nicht, ob ichs mit Christo halte. Ehrwürdiger Vater, ich weiß mich nicht auszusprechen.

Das ist, o Brüder, ein anderes Bedenken, ein anderer Zweifel; hütet euch vor Gleichgültigkeit — in Hinblick auf das, was Gott ist. O Wurm, wie viele Kleider hast du schon zernagt! Wenn die Rede geht: es herrscht eine ansteckende Krankheit; die Menschen sterben dahin; — wenn ihr die Krankheit bekommt, wenn man euch sagt: ihr müsst sterben: dann werdet ihr sogleich die Furcht in euch wahr nehmen. Was ist dieses? Wären wir keine Freunde der Lauheit, dann würden wir keine Furcht haben; doch ihr seid lau, und darum müsst ihr Furcht, Angst und Besorgnis hegen.

Lasst uns dahin streben, auf diesem Wege, den uns Jesus Christus zeigt, mit aller Sorgfalt zu wandeln; lasst uns, da er uns versicherte, er sei gekommen, Feuer auf die Erde zu senden (Lk 12, 49), — denselben flehen, er möge uns von diesem Feuer verleihen, auf dass wir in unsern Herzen entbrennen und erglühen (denn "Furcht ist," wie der Apostel sagt, „nicht in der Liebe, sondern die vollkommene Liebe treibt die Furcht aus"); auf dass wir uns so seiner Anschauung erfreuen im Himmel. — Amen.