Jean Guitton: Unterschied zwischen den Versionen

Aus kathPedia
Zur Navigation springenZur Suche springen
Zeile 7: Zeile 7:
 
Von 1940 bis 1945 geriet Guitton in deutsche Kriegsgefangenschaft. Wegen des erhobenen Vorwurfs, dem Regime von Vichy (1940-1944) zu sehr nahegestanden zu haben, das unter Marschall [[Philippe Pétain]] mit der deutschen Besatzung zusammenarbeitete, wurde Guitton zunächst zum Gymnasialprofessor zurückgestuft. In Dijon lehrte er seit 1948 wieder an der Universität. Trotz allseits anerkannter Leistungen benötigte Guitton noch etliche Jahre, bis er 1955 als Professor an die [[Sorbonne]] gelangen konnte. Er lehrte bis 1968 dort [[Philosophie]] und Philosophiegeschichte.
 
Von 1940 bis 1945 geriet Guitton in deutsche Kriegsgefangenschaft. Wegen des erhobenen Vorwurfs, dem Regime von Vichy (1940-1944) zu sehr nahegestanden zu haben, das unter Marschall [[Philippe Pétain]] mit der deutschen Besatzung zusammenarbeitete, wurde Guitton zunächst zum Gymnasialprofessor zurückgestuft. In Dijon lehrte er seit 1948 wieder an der Universität. Trotz allseits anerkannter Leistungen benötigte Guitton noch etliche Jahre, bis er 1955 als Professor an die [[Sorbonne]] gelangen konnte. Er lehrte bis 1968 dort [[Philosophie]] und Philosophiegeschichte.
  
Im Jahr 1961 wurde Guitton zum Mitglied der [[Academie Francaise]] gewählt, als solches ernannte ihn Papst [[Johannes XXIII.]] zu einem der ersten Laien-Auditoren des Konzils. Auf Einladung des mit ihm seit 1950 befreundeten Papstes [[Paul VI.]] durfte Guitton am 3. Dezember 1963 (neben [[Vittorino Veronese]])das Wort an das Konzil richten. Aus Anlass der 400-jährigen Wiederkehr des Schlusses des Konzils von Trient sprach Guitton über sein Lebensthema, die Ökumene. Für diese Fragen wusste er bereits den [[Nuntius]] Roncalli in Paris zu interessieren, der ihm den Kontakt zu G.B. Montini nahelegte, zu dem es am 8. September 1950 kam.  
+
Im Jahr 1961 wurde Guitton zum Mitglied der [[Academie Francaise]] gewählt, als solches ernannte ihn Papst [[Johannes XXIII.]] zu einem der ersten Laien-Auditoren des Konzils. Auf Einladung des mit ihm seit 1950 befreundeten Papstes [[Paul VI.]] durfte Guitton am 3. Dezember 1963 (neben [[Vittorino Veronese]]) das Wort an das Konzil richten. Aus Anlass der 400-jährigen Wiederkehr des Schlusses des Konzils von Trient sprach Guitton über sein Lebensthema, die Ökumene (Zitat unten). Für diese Fragen wusste er bereits den [[Nuntius]] Roncalli in Paris zu interessieren, der ihm den Kontakt zu G.B. Montini nahelegte, zu dem es am 8. September 1950 kam.  
  
 
Einer breiteren Öffentlichkeit wurde Guitton hauptsächlich durch sein Buch "Dialog mit Paul VI." bekannt, das 1967 für Aufsehen sorgte. Erstmals in der Kirchengeschichte wurden gleichsam private Äußerungen eines Papstes publiziert. Die Beziehung zwischen Philosoph und Papst währte bis zum Ableben Paul VI.
 
Einer breiteren Öffentlichkeit wurde Guitton hauptsächlich durch sein Buch "Dialog mit Paul VI." bekannt, das 1967 für Aufsehen sorgte. Erstmals in der Kirchengeschichte wurden gleichsam private Äußerungen eines Papstes publiziert. Die Beziehung zwischen Philosoph und Papst währte bis zum Ableben Paul VI.
  
 
Die eigentliche Erforschung des von Guitton vertretenen Ansatzes steht im deutschsprachigen Raum noch aus, da er sowohl [[Kant]] (wie jedweder [[Existenzialphilosophie]]), als auch jeder Ausprägung des deutschen [[Idealismus]] oder des [[Materialismus]] heftig widerspricht. Wegen dieser Grundhaltung wird Guitton aber auch in Frankreich von weiten Kreisen als (vermeintlich nur konfessionell bedeutender) "christlicher Denker" wahrgenommen. Guitton hingegen behauptet, gerade die moderne Kritik fortgesetzt und so, also vorurteilsfrei, die bleibende Berechtigung ''realistischer'' Philosophie wieder entdeckt zu haben.
 
Die eigentliche Erforschung des von Guitton vertretenen Ansatzes steht im deutschsprachigen Raum noch aus, da er sowohl [[Kant]] (wie jedweder [[Existenzialphilosophie]]), als auch jeder Ausprägung des deutschen [[Idealismus]] oder des [[Materialismus]] heftig widerspricht. Wegen dieser Grundhaltung wird Guitton aber auch in Frankreich von weiten Kreisen als (vermeintlich nur konfessionell bedeutender) "christlicher Denker" wahrgenommen. Guitton hingegen behauptet, gerade die moderne Kritik fortgesetzt und so, also vorurteilsfrei, die bleibende Berechtigung ''realistischer'' Philosophie wieder entdeckt zu haben.
 +
 +
== Guitton zur Ökumene ==
 +
 +
Aus der Rede vom 3. Dezember 1963:
 +
 +
"Daher muss man ohne Unterlass an die beiden komplementären Wahrheiten erinnern, welche die Seele des katholischen Ökumenismus sind: Die erste ist, dass die katholische Kirche das Amt hat, der Welt zu verkündigen, dass sie die einzige vom göttlichen Stifter gewollte Kirche ist, die Kirche ''sans coutures'', in der sich alles sichtbar versammeln muss. Wenn wir dieses Erfordernis verschweigen, so betrügen wir unsere Brüder; wir würden aufhören zu sein, was wir sind. Aber katholisch sein, das bedeutet auch auszurufen, dass die Verwirklichung der Einheit nicht vollendet sein wird, ehe die legitimen Formen christlicher und menschlicher Vielfalt ihren Ort und ihre gerechte Freiheit im Schoße der Kirche finden können. Katholisch sein, das ist also: zwei Beunruhigungen haben, die ich gewissermaßen voneinander abhängig nennen würde und die sich in unserem Herzens überkreuzen: die erste Unruhe, die der Einheit, der einen Herde, des einen Hirten; die zweite Unruhe, die der Verschiedenheit, die will, dass jedes Schäfchen von jedem anderen verschieden sein mag, dass alle berechtigten Unterschiede versammelt sein mögen in der Kirche, damit die Kirche ein reichlicheres Leben habe." (Cfr.: ''Un siècle, une vie'', S. 387.) 
  
 
=== Literatur ===
 
=== Literatur ===

Version vom 1. August 2007, 11:43 Uhr

Der französische Philosoph und Schriftsteller Jean Guitton wurde am 18. August 1901 in St. Etienne geboren und starb am 21. März 1999 in Paris.

Von Jugend auf arbeitete er an der Wiedergewinnung der katholischen Identität im Horizont des modernen Bewusstsein. Seine frühen Hauptwerke wurden von ihm demnach unter dem Leitmotiv La pensée moderne et le catholicisme zusammengefasst (7 Bde. 1934-1950). Er knüpft darin an den Begriff der Entwicklung an, wie John Henry Newman ihn vertritt, interpretiert Henri Bergson als ersten Metaphysiker seit Leibniz und wagt so zugleich eine Neuinterpretation des Thomismus.

Nach dem 1920 begonnenen Studium an der École normale superieure (1923 agregé in Philosophie) promovierte Guitton 1933 mit einer Arbeit über Plotin und Augustinus. Zunächst Lehrer an verschiedenen Lycée, wurde Guitton 1937 zum Philosophieprofessor in Montpellier berufen.

Von 1940 bis 1945 geriet Guitton in deutsche Kriegsgefangenschaft. Wegen des erhobenen Vorwurfs, dem Regime von Vichy (1940-1944) zu sehr nahegestanden zu haben, das unter Marschall Philippe Pétain mit der deutschen Besatzung zusammenarbeitete, wurde Guitton zunächst zum Gymnasialprofessor zurückgestuft. In Dijon lehrte er seit 1948 wieder an der Universität. Trotz allseits anerkannter Leistungen benötigte Guitton noch etliche Jahre, bis er 1955 als Professor an die Sorbonne gelangen konnte. Er lehrte bis 1968 dort Philosophie und Philosophiegeschichte.

Im Jahr 1961 wurde Guitton zum Mitglied der Academie Francaise gewählt, als solches ernannte ihn Papst Johannes XXIII. zu einem der ersten Laien-Auditoren des Konzils. Auf Einladung des mit ihm seit 1950 befreundeten Papstes Paul VI. durfte Guitton am 3. Dezember 1963 (neben Vittorino Veronese) das Wort an das Konzil richten. Aus Anlass der 400-jährigen Wiederkehr des Schlusses des Konzils von Trient sprach Guitton über sein Lebensthema, die Ökumene (Zitat unten). Für diese Fragen wusste er bereits den Nuntius Roncalli in Paris zu interessieren, der ihm den Kontakt zu G.B. Montini nahelegte, zu dem es am 8. September 1950 kam.

Einer breiteren Öffentlichkeit wurde Guitton hauptsächlich durch sein Buch "Dialog mit Paul VI." bekannt, das 1967 für Aufsehen sorgte. Erstmals in der Kirchengeschichte wurden gleichsam private Äußerungen eines Papstes publiziert. Die Beziehung zwischen Philosoph und Papst währte bis zum Ableben Paul VI.

Die eigentliche Erforschung des von Guitton vertretenen Ansatzes steht im deutschsprachigen Raum noch aus, da er sowohl Kant (wie jedweder Existenzialphilosophie), als auch jeder Ausprägung des deutschen Idealismus oder des Materialismus heftig widerspricht. Wegen dieser Grundhaltung wird Guitton aber auch in Frankreich von weiten Kreisen als (vermeintlich nur konfessionell bedeutender) "christlicher Denker" wahrgenommen. Guitton hingegen behauptet, gerade die moderne Kritik fortgesetzt und so, also vorurteilsfrei, die bleibende Berechtigung realistischer Philosophie wieder entdeckt zu haben.

Guitton zur Ökumene

Aus der Rede vom 3. Dezember 1963:

"Daher muss man ohne Unterlass an die beiden komplementären Wahrheiten erinnern, welche die Seele des katholischen Ökumenismus sind: Die erste ist, dass die katholische Kirche das Amt hat, der Welt zu verkündigen, dass sie die einzige vom göttlichen Stifter gewollte Kirche ist, die Kirche sans coutures, in der sich alles sichtbar versammeln muss. Wenn wir dieses Erfordernis verschweigen, so betrügen wir unsere Brüder; wir würden aufhören zu sein, was wir sind. Aber katholisch sein, das bedeutet auch auszurufen, dass die Verwirklichung der Einheit nicht vollendet sein wird, ehe die legitimen Formen christlicher und menschlicher Vielfalt ihren Ort und ihre gerechte Freiheit im Schoße der Kirche finden können. Katholisch sein, das ist also: zwei Beunruhigungen haben, die ich gewissermaßen voneinander abhängig nennen würde und die sich in unserem Herzens überkreuzen: die erste Unruhe, die der Einheit, der einen Herde, des einen Hirten; die zweite Unruhe, die der Verschiedenheit, die will, dass jedes Schäfchen von jedem anderen verschieden sein mag, dass alle berechtigten Unterschiede versammelt sein mögen in der Kirche, damit die Kirche ein reichlicheres Leben habe." (Cfr.: Un siècle, une vie, S. 387.)

Literatur

Jean Guitton, Un siècle - une vie, Paris 1988, ISBN 978-2221049976