Ad-limina-Ansprache von Papst Paul VI. an die SBK am 1. Dezember 1977

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Ansprache an die Bischöfe aus der Schweiz beim Ad-limina-Besuch, 1. Dezember 1977

(Offizieller französischer Text: AAS 70 [1978] 102-107)

(Quelle: Papst Paul VI., Wort und Weisung im Jahr 1977, Libreria Editrice Vaticana und Butzon & Bercker Verlag 1978, S. 495-500 (556 Seiten, Mit kirchlicher Druckerlaubnis Nr 305/6-7/78 Münster. den 9. März 1978 Dr. Spital, Generalvikar, ISBN 3-7666-9018-3)

EINE ECHTE ANTEILNAHME DES VOLKES

Liebe Brüder in Christus!

Herzlichen Dank für diese Worte, die Zeugnis geben von eurer Liebe und eurem Vertrauen zu unserer Person, Zeugnis von eurer festen Verbundenheit mit dem Sitz des Petrus. Herzlichen Willkommensgruß auch in diesem Haus des Papstes, in dieser Stadt Rom, die unsere Diözese ist. Ihr kommt nicht nur gemeinsam hierher zur Wallfahrt zu den Gräbern der Apostel Petrus und Paulus und zum Besuch ihres Nachfolgers; ihr habt die Ewige Stadt auch gewählt als Ort der 158. Sitzung der Schweizer Bischöfe. Damit wollt ihr ohne Zweifel zum Ausdruck bringen, dass ihr im Einklang mit diesem Zentrum der Einheit und in der Nähe der römischen Dikasterien, welche im Dienste der gemeinsamen Bedürfnisse der Universalkirche stehen, über eure pastorale Verantwortung nachdenken wollt. Wir beglückwünschen euch und danken euch für diesen Geist, für dieses Beispiel des "sensus Ecclesiae". Wir sprechen auch herzliche Glückwünsche aus für den Dienst, den jeder von euch erfüllt, vor allem jene unter euch, die die bischöfliche Bürde erst vor kurzem übernommen haben.

Wir haben nicht im Sinn, euren Sorgen neue hinzuzufügen, auch nicht an eurer Stelle geeignete Mittel und Wege zu suchen, um die Treue und den apostolischen Dynamismus eurer Christengemeinden voranzubringen. Die Berichte über eure häufigen Sitzungen, die detaillierte Analyse in dem umfangreichen Dokument, das für den "ad-limina"-Besuch vorbereitet wurde, zeigen sehr genau die Situation und die Probleme, mit denen ihr zu tun habt. Es macht uns Freude, gemeinsam mit euch das Leben der Kirche in der Schweiz und ihren Weg zu betrachten, von dem wir einige Punkte hervorheben, die uns besonders wichtig erscheinen.

Ohne eure diözesanen Verpflichtungen zu vernachlässigen, sorgt ihr euch um die nötige Zusammenarbeit. Je schwieriger diese ist - man denke an die verschiedenen Sprachen, Kulturen und Traditionen, die im Lande wegen des Regionalismus der Kantone sehr tief verwurzelt sind -, desto wichtiger ist sie. Dieser je verschiedene Lokalkolorit ist ja ein Wurzelgrund, den es zu erhalten gilt. Das Streben nach Zusammenarbeit, das in euren pastoralen Projekten sichtbar wird, entspricht dem Rahmen eures Landes, das auf Bundesebene das gemeinsame Gut immer mit dem individuellen Gut in Frieden zu harmonisieren verstand. Wir möchten euch Mut machen für diese nötige Koordination angesichts der Probleme, die euch gemeinsam sind. Der Hl. Stuhl hat zwar den Vorschlag eines "Nationalen Pastoralrates" aus Gründen, die ihr kennt, nicht gutgeheißen. Wir danken euch, dass ihr den Sinn dieser Entscheidung dem christlichen Volk erklärt habt - eines Entscheides, den wir im Blick auf die Universalkirche, aber auch im Interesse der Kirche in der Schweiz gefällt haben. Es geht jetzt darum, gemeinsam mit dem Hl. Stuhl und entsprechend dem kirchlichen Recht den besten und sichersten Weg einer fruchtbaren Zusammenarbeit zwischen den diözesanen und interdiözesanen Diensten zu finden. Die Autorität der Bischofskonferenz, die letztlich für die Einheit und die Authentizität der Pastoral verantwortlich ist, soll dabei gewahrt bleiben.

Ihr werdet in der Schweiz wie anderswo mit einer Reihe von neuen Fragen und Initiativen konfrontiert, die Aufmerksamkeit und reife Überlegung verlangen. Das Evangelium muss heute in Worten und Begriffen verkündet werden, welche die junge Generation versteht. Die beste Form zu beten und zu feiern muss gefunden werden. Die Christen sollen ein Zeugnis der Liebe und Gerechtigkeit geben, das den heutigen Bedürfnissen angepasst ist. In eurer Umgebung gibt es zahlreiche Laien und Priester, die in diesen Belangen sehr aktiv sind. Die Schweizerische Synode 1972 hat viele Beispiele dieser Vitalität gegeben. Es bleibt zwar die Tatsache, dass es sich oft um heikle Fragen handelt, deren Lösung - will sie fruchtbar und dauerhaft sein - immer mehrere Aspekte berücksichtigen muss, die einem einzelnen oder einer Gruppe von Fachleuten, auch wenn sie es sehr gut meinen, entgehen können. Die Antwort auf die verschiedenen religiösen Nöte erhält nur dann ihren wirklichen Sinn - auch dann, wenn die legitimen Sensibilitäten und die Sorge um die missionarische Adaptation beobachtet werden -, wenn sie der Offenbarung, dem erklärten Glaubensgut, der Ordnung des Kirchenrechtes, den Entscheidungen des Hl. Stuhles, der sicheren Lehre der Theologen treu ist. Mit Rücksicht auf all diese Aspekte, "neue" und "alte", wie ihr es so schön formuliert habt, kommt es euch nicht nur zu, die vorgeschlagenen und laufenden Initiativen abzuwägen, sondern auch euren Mitarbeitern für diese Bewertung die nötigen Instruktionen zu geben. Das Zweite Vatikanische Konzil und die ihm folgenden Richtlinien weisen dazu den Weg und die Leitung. Jene, die diese Orientierungen vernachlässigen oder versuchen, sie zu durchkreuzen, indem sie an die Treue zur Vergangenheit appellieren, sind der Sendung der Kirche heute und ihrer Verantwortung für morgen untreu. Jene, die diese Orientierungen überschreiten, um ihrer eigenen Inspiration zu folgen, bauen auf Sand eine Kirche ohne Wurzeln. Die einen wie die anderen schaden der Einheit und der Glaubwürdigkeit der Kirche: wir hören nicht auf, dies zu wiederholen.

Weil es uns an Zeit mangelt, können wir nur einige Ausschnitte erwähnen, in denen sich die Vitalität der Kirche in der Schweiz manifestiert. Dank intensiver Vorbereitungsarbeit und entsprechender Anleitung hat bei euch die Liturgiereform sich gut entfaltet und zu einer echten Anteilnahme des Volkes an der Liturgie geführt. Das ist ermutigend. Erhaltet der Liturgie ihren vornehmlichen Sinn: Lobpreis Gottes und Feier des Heilsgeschehens. Wir hoffen, dass die Katholiken der Schweiz aus dem pastoralen Dokument, das eure Konferenz über den "Sonntag der Christen" vorbereitet, heilsamen Nutzen ziehen. Wir denken auch an die Bemühungen, die Vorbereitung auf die Sakramente zu verbessern. In diesem Punkt gilt es zu beachten, dass die vom Hl. Stuhl erlassenen Anordnungen die Authentizität und die innere Ausgeglichenheit der Erneuerung garantieren. Wer die beachtet, vermeidet es, wichtige Aspekte zu vernachlässigen, wie z. B. die Einzelbeichte, auch was die Kinder betrifft, die sich auf die Kommunion vorbereiten. Es ist notwendig, dass die Seelsorger dies gut verstehen und dieser Frage den nötigen Platz und die nötige Zeit einräumen.

Die Vorbereitung auf den priesterlichen Dienst verlangt große Sorgfalt. Die theologischen, spirituellen und pastoralen Leitlinien, welche in der Ratio institutionalis sacerdotalis grundgelegt sind, sind euch ebenso klar wie uns. Die Erneuerung des ständigen Diakonates und die Berufung zu verschiedenen nichtordinierten kirchlichen Diensten, die sehr segensreich sein können, sind von der Sorge um jene, die den Priesterberuf ergreifen möchten und immer wieder Ermunterung brauchen, untrennbar. Im Dienst der diözesanen Gemeinschaft, welche gemeinsam mit ihrem Bischof arbeitet, braucht die Kirche die einen wie die anderen, jeden an seinem Platz. Für die Kirche ist auch die Mitarbeit der Frauen absolut notwendig; in vielen Bereichen der Pastoral ist ihr Beitrag unersetzlich.

Für alle, Priester und Laien, kann nur eine vertiefte Ausbildung in der christlichen Lehre, unterstützt vom Gebet, die Kraft geben, der durch den Wandel unserer Zivilisation - verstärkt durch die Massenmedien - hervorgerufenen Infragestellung wesentlicher Werte mit Intelligenz und Klarheit Herr zu werden. Wir haben das Werk, die Weisheit und den kirchlichen Sinn des verehrten Kardinals Charles Journet, der für uns alle Beispiel eines treuen und offenen Theologen bleibt, sehr geschätzt. Die Theologen haben in der Kirche tatsächlich eine schwere Verantwortung: möchten sie sich immer bewusst sein, dass sie eine der höchsten Aufgaben im Dienst des Gottesvolkes erfüllen und dass die erste Regel ihres Handelns ist, ihr Forschen und Lehren auf der Ebene des Glaubens zu führen. Wenn sie das vergessen sollten, dann müsste die christliche Gemeinschaft die Forderungen der Wahrheit klar kennen; das ist nicht nur eine Frage der kirchlichen Disziplin, sondern der Loyalität. Es freut uns, dass ihr dank der Theologischen Fakultäten in Freiburg und Luzern vorteilhafte Möglichkeiten besitzt, um den Anforderungen der heutigen Zeit zu genügen. Außer den Priestern haben dort auch viele Laien, besonders Katecheten, ihren Glauben vertiefen können. Das ist für sie und für ihre Brüder sehr wichtig. Wir denken an die junge Generation, deren Ausdauer, besser: deren geistliche Entwicklung einer soliden Nahrung und der Erfahrung christlicher Gemeinschaft bedarf.

Es freut uns auch, zu wissen, dass ihr euch als Bischöfe um die Gewissensbildung bemüht. Damit unterstützt ihr einerseits die Gläubigen in ihren ethischen Bedürfnissen, die unteilbar mit dem Glauben zusammenhängen, andererseits tragt ihr so zur Sanierung der Sittlichkeit in der Gesellschaft bei. Neuere Umstände haben von euch verlangt, mit Klarheit und Festigkeit für den Schutz jeglichen menschlichen Lebens einzutreten. Wir sind sicher, dass ihr Mittel und Wege finden werdet, um diese Erziehung auf die beste Weise weiterzuführen, ohne vom Problem, das in Frage steht, die anderen Forderungen abzutrennen: die Selbstbeherrschung in der ehelichen Liebe, das Familienleben, die Heiligkeit der Ehe. Ihr vernachlässigt es auch nicht, den Sinn für die Gerechtigkeit, den Frieden, die evangelische Armut, das Teilen, die Solidarität für die Entwicklung der wenig begünstigten Völker zu fördern. Eure Anstrengungen haben auch Erfolg. Man kann das, um nur ein Beispiel zu nennen, an der Großzügigkeit der Fastenopfer-Kollekte sehen.

Gewisse Sektoren der Pastoral werfen bei euch größere Probleme auf. Das tägliche Zusammensein von Katholiken und Protestanten, vor allem in den gemischten Ehen, verlangt von euch die Praxis eines weisen Ökumenismus. Jedoch innerhalb der vom Hl. Stuhl gegebenen Richtlinien, damit das geistliche Wohl der Eheleute gefördert wird. Einzelne, sogar viele, haben sich auf diesem Weg mit großem Einsatz engagiert, um möglichst bald die von Christus gewollte Einheit zu finden. Dieser Ökumenismus möge für die gesamte Christenheit nicht in Gleichgültigkeit oder willkürliche Auswahl ausarten, sondern zum Eifer anspornen im Suchen der Wahrheit, die in echter Liebe gelebt werden soll, im gemeinsamen Wachsen im Glauben und in der vertieften Sorge um die Erziehung der Jugend zu einem Glauben, der keine Konzessionen kennt.

Die Präsenz der Ausländer, die in der Schweiz arbeiten, stellt euch vor schwierige Fragen. Die Kirche hat viel dazu beigetragen, dass sie jene Aufnahme und jenes Verständnis finden, das sie verdienen, ferner die geistliche Hilfe, die sie brauchen und die ihnen von den zahlreichen Missionaren - "geistliche Väter", wie sie sie nennen - mit Großherzigkeit gegeben wird. Wir ermuntern diese Missionare, mit euch in enger Gemeinschaft zusammenzuarbeiten. Eure pastorale Aktion darf auch den Tourismus nicht vernachlässigen, der in eurem Land wegen der Gastfreundlichkeit und der landschaftlichen Schönheit von großer Bedeutung ist. Schließlich denken wir an die internationale Stadt Genf, wo viele internationale zwischenstaatliche und nichtstaatliche Organisationen, die fast durchweg bei den Vereinten Nationen akkreditiert sind, ihren Sitz haben: Wir empfehlen eurem apostolischen Eifer das Apostolat jener Priester und Laien, welche den Christen jenes Milieus zur Verfügung stehen, die im Dienste der Welt große Verantwortung tragen. Wir halten ein in der Aufzählung der pastoralen Dienste, in denen wir euch an der Arbeit wissen. All diese Dienste verlangen zweifellos gut organisierte Strukturen, mehr aber noch einen vom Evangelium geprägten Geist und Vertrauen auf Gottes Gnade. "Ich bin mit euch", sagt der Herr: Das ist die Ermutigung, welche die Apostel immer in Erinnerung behalten müssen.

Der Heilige Geist möge euch erleuchten und unterstützen auf diesem weiten Bauplatz, auf den er euch berufen hat; um das Samenkorn der Frohbotschaft zu säen und um dessen Wachstum zu behüten, auch dann, wenn ihr die Freude der Ernte nicht sogleich seht.

Was uns betrifft, so bewegt uns die Erinnerung an unsere Reise nach Genf, an den Besuch der Internationalen Organisation der Arbeit, des Ökumenischen Rates der Kirchen und an unseren Kontakt mit den Behörden der Schweiz und mit der christlichen Bevölkerung von Genf. Ja, es ist wahr, der Empfang eurer Mitbürger hat uns Freude bereitet, wie wir auch tagtäglich den hingebenden und pünktlichen Dienst der Schweizergardisten hier zu schätzen wissen. Gott möge euer Land segnen!

Euren Priestern, Ordensleuten und Laien gelten unsere Grüße und unser Apostolischer Segen, den wir euch von Herzen spenden.