Thomas von Aquin: Katechismus

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Katechismus

des heiligen Thomas von Aquin
oder Erklärung
des apostolischen Glaubensbekenntnisses (Opusculum 16: expositio Symboli Apostolorum),
(Opusculum 5: de articulis fidei et ecclesiae sacramentis: im zehnten Glaubensartikel),
des Vater unser (Opusculum 7: expositio orationis Dominicae),
Ave Maria (Opusculum 8: expositio salutationis angelicae)
und der zehn Gebote Gottes (Opusculum 4: de lege amoris et de decem prcaeceptis)

vgl. Editio Leonina

übersetzt und mit Anmerkungen versehen von A. Portmann, Professor der Theologie, Subregens am basel'schen bischöflichen Priesterseminar, und X. Kunz, Direktor des luzernischen Lehrerseminars, Mitglieder der ehemaligen Thomas-Akademie zu Luzern, Petrus Verlag Kirchen/Sieg 1971 (259 Seiten, 1. Auflage). Unveränderte Neuauflage der 1882 im Verlag der Gebrüder Räber, Luzern, erschienen Ausgabe. Die Abkürzungen der biblischen Bücher [samt Vulgata-Eigenheiten wie Psalmenzählung etc.], die Rechtschreibung und Grammatik, wurden bei der Digitalisierung angepasst. Die Anmerkungen wurden nicht wie in der verwendeten Quelle am Ende einer Seite wiedergegeben, sondern sind am Ende des Wikis gesammelt.

Inhaltsverzeichnis

An die Herren Übersetzer, Mitglieder der Akademie des hl. Thomas von Aquin zu Luzern

Hochwürdige Herren!

Wenn man den stets glorreichen Namen des heiligen Thomas von Aquin, des «Engels der Schule», wie er um der Erhabenheit seines Genies, der Tiefe seiner Ideen und der Evidenz seiner Lehrschlüsse willen heißt, auch nur ausspricht, so denkt man unwillkürlich an die sublimsten Höhen der philosophischen und theologischen Spekulation und an Schriften, deren erhabene Weisheit nur den befähigtesten Intelligenzen zugänglich wäre. Es liegt hierin allerdings bereits eine großartige Huldigung, dem heiligen Lehrer dargebracht, denn es zeugt dies von der überaus hohen Idee, welche durch die Reihe der verflossenen Jahrhunderte hindurch sich hinsichtlich des unvergleichlichen Wertes seiner Schriften gebildet hat.

Dennoch schwebte der Geist des heiligen Thomas nicht immer auf den Lichthöhen der spekulativen Wissenschaft. Er wusste seine Sprache auch in weniger schwungvolle Formen zu kleiden, auf dass sie, immerhin in erforderlicher Korrektheit beharrend, die Fülle seines Lehrinhaltes dem Verständnisse aller nahe brächte. Und gleich jenen Blumen, die sich dem strahlenden Sonnenlicht öffnen, sich beständig ihm zuwenden und wie angezogen von dessen belebender Kraft sich ihm entgegen aufrichten, so fand das christliche Volk von seiner Darstellung sich angezogen und emporgehoben zugleich zu höherer Gedankenordnung. Begierig kostete es das substanzreiche Brot, das der große Lehrer ihm bot; die Vernunft schöpfte stets zunehmende Lichteshelle, die Herzen fanden sittliche Kräftigung, edle und würdige Gefühle und Triebe ergriffen den ganzen Menschen und bewirkten einerseits dessen wachsende Befreiung von den niederen Gelüsten und allen Armseligkeiten dieses irdischen Daseins, und anderseits seine geistige Umschaffung zur Gottesähnlichkeit. Und wirklich welch herrliche Blüte der Wissenschaft, welch reiche Förderung echter Bildung, weIche Menge heroisch-sittlicher Charaktere, welche Mannigfaltigkeit vortrefflicher Werke und Gründungen offenbart sich in dieser Zeit, die von der modernen Unwissenheit, nur um die eigene Blösse zu beschönigen, mit dem Schlagworte der barbarischen verschrieen wird! Dazumal beugte das christliche Volk in seinem lebendigen Glauben und seinem eifersüchtigen Freiheitsdrang den Nacken vor nichts anderem als vor Gott und dem Rechte, das aus Gott stammt. Ohne von all den staunenswerten Werken zu reden, welche diese christliche Epoche in allen Zweigen des Wissens und der Kunst erzeugte und die stets die Bewunderung der Jahrhunderte geblieben, weiss man, dass selbst die Volksbildung auf eine solche Stufe gehoben war, dass die großen Lehrer, welche die Kirche gebildet, so ziemlich allgemein verstanden wurden. Das Volk hatte Verständnis, und darum Bewunderung, für die Schätze tiefsinniger Erkenntnis; es vermochte den Reden eines hl. Albert des Großen, eines hl. Thomas von Aquin, eines hl. Bernhard und anderer hochgelehrter Männer zu folgen, die ihm die hehren Geheimnisse der Religion näher beleuchteten und die erhabenen Wahrheiten des Christentums, denen alle echte Wissenschaft, alles wahre Glück entspriesst, auslegten. Wie ganz anders heutzutage, wo die Leute einesteils durch schuldbare Verführer verblendet, andernteils aufgeblasen von ihrer eigenen Weisheit, nicht mehr verstehen, was Gottes ist, sondern in krassem Materialismus versunken, all das verlieren, was der Menschheit wahren Wert gibt: Glaube, Geisteswissenschaft, Idealität, Charakter, Sitte, Kraft, Rechtschaffenheit und Ehre. Dem niedrigen Standpunkte der Lehren, mit denen man sie sättigt, entspricht auch Stil und Ausdruck, wie man sie heute populär nennt. Wahrlich, es liegt hierin ein gerechtes Strafgericht von höherer Hand, für Lehrer wie für Schüler, für Redner wie für Zuhörer.

Welch ein Vergnügen bereitet es mir demnach, meine Herren, Sie einige jener einfachen und kurzen Abhandlungen des englischen Lehrers, die man als dessen Opuscula bezeichnet, übersetzen und herausgeben zu sehen! Gerade sie gestalten sich, gehörig zusammengestellt, zu einer lichtvollen und verständlichen Gesamtdarstellung der wesentlichen Glaubenswahrheiten und Sittenlehren unserer heiligen Religion. Es bietet sich uns da gleichsam eine familiäre Unterweisung, ein Handbüchlein, ein Katechismus dar, ebenso geeignet und nützlich in den Händen der Geistlichkeit wie in jenen des Volkes. Sie haben, Hochwürdige Herren, die selbstbearbeitete Übersetzung auch noch mit zahlreichen Zitaten ausgestattet, welche von umfassender Erudition, gründlicher theologischer Wissenschaftlichkeit und genauer Kenntnis der einschlägigen Autoren aus der Vorzeit und Gegenwart zeugen. Nach Verschiedener Urteil ist auch in Ihrer Übersetzung der Stil ein einfach edler, natürlicher und leichtfasslicher, ganz entsprechend der Natur des Inhaltes, der an sich herrlich ist und somit keines Schmuckes bedarf. Die ganze Ausstattungsweise ist würdig, dem so korrekten und erhabenen Lehrworte des großen Kirchenlehrers zum Ausdrucke zu dienen.

Gewiss haben Sie demnach, meine Herren, eine Arbeit geliefert, die von unserem gebildeten Klerus sehr begrüsst und hoch geschätzt werden wird. Allein auch die Laien werden dies tun, überhaupt alle, die Interesse an der Wahrheit und der Tugend haben und wertzuschätzen wissen, was ein Genie von Natur aus, wenn es noch durch die Lichtstrahlen und wunderbaren Wirkungen der übernatürlichen Gnaden gehoben und geheiligt wird, mit einfachsten Mitteln zu leisten vermag.

Gestatten Sie mir also, Hochwürdige Herren, Sie für eine so nützliche Arbeit zu beglückwünschen und Ihnen für den Dienst, welchen Sie durch deren Veröffentlichung der christlichen Heilserkenntnis leisten, herzlichst zu danken. Ich hoffe, sie werde dazu beitragen, bei unserer würdigen Geistlichkeit, zumal der jüngeren, durch die interessante Lektüre dieser Opuscula überhaupt die Liebe und den Drang zum Studium des hl. Thomas von Aquin anzuregen, und sie um so eher in Stand setzen, mit seinem Geiste sich zu durchdringen, wie es Papst Leo XIII. in seiner beredten und bewunderungswürdigen Enzyklika «Aeterni Patris» vom 4. August 1879 so sehr empfiehlt.

Ich füge den Wunsch hinzu, dass weitere Arbeiten dieser Art nachfolgen mögen und ein heiliger Wetteifer in diesem hochernsten Studium und wichtigen Arbeitsfelde in unserem jüngeren Klerus sich offenbare und entwickle. Ganz besonders möge dies der Fall sein bei den Gliedern der Akademie des hl. Thomas von Aquin, von denen ich erwarte, dass sie mit warmer Begeisterung sowohl die göttliche als die philosophische Wissenschaft zu heben, sie zudem auch in schöner Form und anziehender Ausdrucksweise zu pflegen, und aufs ehrenvollste, getreu und voll den kostbaren Schatz zu bewahren sich bestreben werden, den ihnen ein älterer und gelehrter Klerus, dessen Reihen sich leider immer mehr lichten, seinerseits hinterlassen hat.

In dieser Hoffnung, Hochwürdige Herren, segne ich Sie in wahrer Liebe und verbleibe hoch achtungsvollst

Ihr Ergebener

Luzern, den 19. November 1881
Eugenius

Bischof von Basel

Vorwort

Nachdem von unserem glorreich regierenden HI. Vater, Papst Leo XIII., durch die bekannte thomistische Bulle Aeterni Patris, der Aufruf zu einem vertieften Studium der Werke des hl. Thomas gegeben war, erschien es als wünschbar, dass die Schätze der Weisheit dieses großen Kirchenlehrers nicht nur Eigentum der Gelehrten und der Schule würden, sondern auch, wenn möglich, dem Seelsorgsklerus, dem Prediger und Katecheten, dem Lehrer und selbst dem gebildeten Laien zur praktischen Verwendbarkeit erschlossen werden. am Besten konnte dies geschehen, wenn der hl. Lehrer selbst die Worte seiner Weisheit, der streng wissenschaftlichen Form entkleidend, in ein mehr populäres Gewand fasste, um sie der Menge zugänglich zu machen.

Nun finden sich in der Tat unter seinen Werken einige sogenannte Opuscula, die diesen Zweck zu verfolgen scheinen, und darunter ganz besonders das opusc. 16 expositio Symboli Apostolorum; opusc. 7 und 8 expositio orationis dominicae et salutationis angelicae; und opusc. 4 de decem praeceptis et lege amoris. Es enthalten dieselben eine Auslegung des apostolischen Glaubensbekenntnisses, des Vater unser und Ave Maria und der zehn Gebote Gottes. Wie sich aus der gleichmäßigen Behandlung aller vier Stücke und der Einleitung dazu ergibt, bilden dieselben ein zusammengehöriges Ganzes, und es hatte der Verfasser damit offenbar den Zweck, den Katecheten und Laien ein Handbuch der christlichen Religion zu bieten. Es finden sich auch einige Anhaltspunkte dafür, dass dasselbe und das unten öfter zitierte opusc. 5 de articulis fidei et ecclesiae sacramentis im Mittelalter wirklich als solches benutzt, letzteres sogar zur Benutzung vorgeschrieben wurde.<ref> cf. Franz Moufang: die Mainzer Katechismen p. 2. - Rolfus und Pfister Real-Encycl. Art. Katechese.</ref>

Es lag daher der Gedanke nahe, dieses katechetische Handbuch, dessen Authentizität nicht bezweifelt werden kann,<ref> cf. Werner: d. hl. Thomas v. Aquin I p. 878 und Hurter: S. Patr. opusc. Nr. 6. p. 164 Anmkg. 1.</ref> durch eine Übersetzung einem größeren Leserkreis zugänglich zu machen, zumal bis jetzt nur Bruchstücke davon in lateinischen und deutschen Separat-Ausgaben veröffentlicht worden sind.<ref> cf. Hurter loc. cit: Abdruck des Symbol. apostolic. und Nr. 2 der oratio dominica. - Div. Thomae expositio Symboli apost. orationis dom. et salutat. angel. lateinische und deutsche Ausgabe, Regensburg bei Manz 1865. - Ausgewählte Schriften des hl. Thomas: Von den zwei Geboten der Liebe, den zehn Geboten Gottes und dem hochwürdigen Sakrament des Altars, aus d. Lateinischen v. Conrad Martin. Köln, b. Heberle 1852.</ref> Und da die Einteilung und Behandlung genau der hergebrachten Einrichtung der Katechismen, die früher auch nicht immer in Form von Fragen und Antworten abgefasst waren,<ref> cf. Franz Moufang: Kathol. Katechismen des 15. Jhdts. in deutscher Sprache. Mainz Kirchheim 1881.</ref> entspricht, so dürfte auch der Titel: «Katechismus des hl. Thomas» als gerechtfertigt erscheinen. Es zeichnet sich derselbe gerade durch all das aus, was ein Religionshandbuch für den Katecheten und gebildeten Laien besitzen soll: durch dogmatische Schärfe; überall merkt man In der Erklärung der Glaubenssätze den großen Theologen heraus. Gewöhnlich ist zuerst das betreffende Dogma erklärt, hierauf werden die entgegenstehenden Irrtümer widerlegt, und zwar steht dabei dem Autor eine solche Fülle von Schriftstellen zu Gebot, die geradezu staunenerregend ist; bei den Grunddogmen folgt gewöhnlich noch eine populäre Wiedergabe der spekulativen Darlegung der betreffenden Lehre. So ist dogmatische Genauigkeit ein Vorzug des Werkes. Dazu kommen pädagogische Vorzüge. Gilt als eine Errungenschaft der neueren Pädagogik der sogenannte Anschauungsunterricht, so hat hier denselben Thomas in der ausgiebigsten Weise verwertet. Überall sucht er mit Bildern, die aus der nächsten Umgebung, aus dem gewöhnlichen Leben gegriffen sind, die hohen übersinnlichen Gegenstände dem Verständnis nahe zu bringen und bietet damit besonders dem Katecheten eine reiche Ausbeute. Endlich soll ein Religionshandbuch nicht nur die Wahrheit dem Geiste einprägen, sondern auch Willen und Gemüt für dieselbe gewinnen. Und das geschieht hier durch die erbaulichen Anwendungen, die überall am Schluss der Glaubensartikel angebracht, und durch die Beweggründe zu der betreffenden Tugend, die der Erklärung der zehn Gebote beigefügt sind.

Diese katechetischen Vorzüge des Buches, dann seine unergründliche Tiefe, die es weit über einen gewöhnlichen Schulkatechismus erheben, die zwar einfache aber doch die, vielen lästige, Frageform vermeidende Sprache, und der fromme, den heiligen Autor verratende Geist, der aus dem Ganzen weht, dürften deshalb das Interesse eines weiteren Leserkreises für dieses populärste Werk des hl. Thomas verdienen. Und um die Lektüre noch fruchtbarer zu machen, die Verwandtschaft mit dem Ideengang der größeren Werke des Autors nachzuweisen, und damit wohl auch zum Studium derselben in etwas anzuregen, wurden zugleich, besonders da, wo die Analogie sehr auffallend, die betreffenden Parallelstellen aus den beiden Summen und dem Compendium theol. angeführt. Weil dann die Sakramentenlehre im Vergleich zu anderen Katechismen etwas kurz behandelt ist, wurden aus dem opusc. 5 de eccles. sacramentis die entsprechenden Ergänzungen beigefügt. Was die Übersetzung selbst anbetrifft, so war man bestrebt, möglichst wörtlich das Original wiederzugeben, wodurch, wenn auch einerseits nicht alle Monotonie und Härten zu vermeiden waren, doch anderseits die edle treuherzige Einfachheit der Ursprache besser zum Ausdruck kommen konnte, als durch eine gefeiltere und damit auch freiere deutsche Bearbeitung. Der leichteren Übersichtlichkeit halber wurden die ausgeschriebenen Zahlwörter des Originals immer alinea mit arab. Zahlen gegeben, und die den Grundgedanken enthaltenden Worte in kürzeste Form gebracht und kursiv gedruckt; ebenso ist der Beginn einer neuen Gedankenfolge, besonders die Dreiteilung in positive Darlegung der Lehre, Dogmengeschichtliches und dergleichen und erbauliche Anwendung, jeweilen durch einen größeren Zwischenraum kenntlich herausgehoben worden.

Und so möge denn das Büchlein, nach langer Vergessenheit wieder hinaustreten an die Öffentlichkeit. Und möge es ihm gehen, wie so manchem alten vernachlässigten Kleinod, das, je mehr man es vom Staube reinigt, um so mehr das reine lautere Gold hervorleuchten, je mehr man es studiert, um so mehr die inhaltsreiche, den ganzen christlichen Ideenkreis im Kleinen wiederspiegelnde Symbolik erkennen lässt.

Die Übersetzer

I. ERKLÄRUNG DES APOSTOLISCHEN GLAUBENSBEKENNTNISSES

→ eine andere Übersetzung: Thomas von Aquin: Auslegung des Apostolischen Glaubensbekenntnisses

Drei Stücke sind dem Menschen notwendig zum Heile, nämlich die Wissenschaft dessen, was er glauben, die Wissenschaft dessen, was er begehren, und die Wissenschaft dessen, was er tun soll. Das Erste wird gelehrt im Glaubensbekenntnis, worin uns die Glaubenslehren überliefert werden. Das Zweite im Gebet des Herrn. Das Dritte aber in den zehn Geboten.<ref> Diese Einleitungsworte sind genommen aus dem Anfang der zehn Gebote. Daraus ergibt sich, dass die drei Erklärungen vom hl. Thomas als ein zusammengehöriges Ganzes betrachtet wurden. Und zwar mit dem Symbolum an erster Stelle (vgl. "das erste" und unten "das erste was notwending ist"), weshalb wahrscheinlich diese Einleitung nicht vor op. 4, sondern vor op. 6 gehört. Die Einteilung ist die althergebrachte augustinische cf. Aug. Enchirid. cp.3.</ref>

Einleitung: Vom Glauben im Allgemeinen

Das erste also, was einem Christen nötig ist, das ist der Glaube, ohne den niemand ein «Christgläubiger» genannt werden kann.

Nutzen des Glaubens. - Der Glaube aber bringt dem Menschen einen vierfachen Nutzen:

1. Eine Verbindung mit Gott. - Denn durch den Glauben geht die christliche Seele mit Gott gleichsam einen Ehebund ein: «Ich verlobe mich mit Dir im Glauben.»<ref> Hos. 2, 20. </ref> Daher muss der Mensch, wenn er getauft wird, zuerst den Glauben bekennen, indem er gefragt wird: Glaubst du an Gott? denn die Taufe ist vorab das Sakrament des Glaubens. Deshalb sagt auch der Herr: «Wer glaubt und getauft ist, der wird selig»<ref> Mk. 16, 16.</ref>, denn die Taufe ohne den Glauben nützt nichts. Und daher muss man wohl beherzigen, dass keiner Gott genehm ist ohne den Glauben. «Ohne Glauben ist es unmöglich, Gott zu gefallen.»<ref> Hebr. 11, 6. </ref> Und in diesem Sinne bemerkt auch Augustinus über jene Stelle Röm. 14, 23: «alles, was nicht aus dem Glauben ist, ist Sünde», «wo die Anerkennung der ewigen und unveränderlichen Wahrheit fehlt, ist die Tugend eine falsche, auch bei den besten Sitten.»

2. Einen Anfang des ewigen Lebens. - Denn das ewige Leben besteht in nichts anderem als in der Erkenntnis Gottes. Denn so sagt der Herr: «Das ist das ewige Leben, dass sie Dich den einen wahren Gott erkennen.»<ref> Joh. 17, 3. </ref> Diese Erkenntnis Gottes aber nimmt hier ihren Anfang durch den Glauben, und wird vollendet im zukünftigen Leben, in welchem wir ihn dann erkennen wie er ist. Daher heißt es: «Der Glaube ist die Unterlage der zu hoffenden Dinge».<ref> Hebr. 11, 1. </ref> Niemand also kann zur Seligkeit gelangen, die gerade in der vollendeten Erkenntnis Gottes besteht, wenn er ihn nicht zuerst erkennt durch den Glauben. «Selig, die nicht gesehen und geglaubt haben.»<ref> Joh. 20, 29.</ref>

3. Regelung des gegenwärtigen Lebens. - Denn damit der Mensch recht lebe, ist es notwendig, dass er wisse, was zu einem guten Leben notwendig ist. Müsste er aber dies alles sich durch eigenes Nachdenken aneignen, so würde er dazu entweder gar nicht gelangen oder doch nur sehr spät. Der Glaube dagegen gibt über alles Aufschluss, was man wissen muss, um recht leben zu können. Er lehrt, dass ein Gott existiert, der ein Belohner der Guten, ein Bestrafer der Bösen ist; dass es ein anderes Leben gibt und anderes dergleichen, wodurch wir wirksam zum Guten angetrieben, vom Bösen abgeschreckt werden. Daher heißt es: «Mein Gerechter lebt aus dem Glauben.»<ref> Habak. 2. 4.</ref> Und es wird dies erst recht klar, wenn man beobachtet, wie vor der Ankunft Christi keiner von allen Philosophen mit seinem eigenen Nachdenken auch nur so viel von Gott und was zum ewigen Leben nötig ist, wusste, als nach der Ankunft Christi ein einziges altes Mütterchen durch den Glauben. Daher sagt der Prophet: «Erfüllt ist die Erde von der Weisheit des Herrn.»<ref> Is. 11, 9. </ref>

4. Überwindung der Versuchungen. - «Die Heiligen haben durch den Glauben Mächte überwunden.»<ref> Hebr. 11, 33. </ref> Es erhellt dies daraus: eine jede Versuchung ist entweder vom Teufel, oder von der Welt, oder vom Fleisch. Der Teufel versucht, dass man. Gott nicht gehorche, noch ihm sich unterwerfe; diese Versuchung aber wird durch den Glauben besiegt, denn durch ihn erkennen wir: dass Gott der Herr ist von allem und man vor allem ihm gehorchen muss. Darum sagt der Apostel: «Euer Widersacher, der Teufel, geht umher, suchend, wen er verschlinge, ihm widerstehet tapfer im Glauben».<ref> 1. Petr. 5, 8. </ref> - Die Welt dann versucht durch Anlocken mit Glück oder Abschrecken mit Unglück. Aber auch sie besiegen wir durch den Glauben, indem er uns ein anderes besseres Leben vorhält, und im Hinblick auf dieses verachten wir dann die Güter dieser Welt, und fürchten nicht ihre Übel. Darum sagt wieder der Apostel: «Das ist der Sieg, der die Welt überwindet, euer Glaube.»<ref> 1 Joh. 5, 4. </ref> Und zwar auch noch dadurch, dass er uns noch andere größere Übel vorstellt, nämlich die der Hölle. - Das Fleisch endlich versucht den Menschen, indem es ihn hinzieht zu den augenblicklichen Lüsten dieses Lebens; aber der Glaube zeigt uns, dass wir durch diese, wenn wir ihnen unerlaubt nachhängen, die ewigen Freuden verlieren. So verhilft auch hier der Glaube zum Sieg über die Versuchung; und mit Recht ermahnt uns darum die Schrift: «In allem nehmet den Glauben zum Schilde.»<ref> Eph. 6, 16.</ref> So bringt also der Glaube mannigfachen Nutzen.

Vernünftigkeit des Glaubens. - Aber nun möchte vielleicht jemand einwenden: Trotzdem sei es töricht, etwas zu glauben, was man nicht einsieht und man solle doch nicht glauben, was man nicht begreift. Darauf ist zu antworten, dass dieses Bedenken schon beseitigt

1. die Betrachtung der Unvollkommenheit unserer Erkenntnis, - denn wenn der Mensch durch sich alles Sichtbare und Unsichtbare vollkommen erkennen könnte, dann wäre es allerdings töricht, etwas zu glauben, was man nicht begreift. Aber unsere Erkenntnis ist eine so schwache, dass kein Philosoph je die Natur auch nur einer einzigen Mücke vollkommen erforschen konnte. Wie man denn auch liest, dass ein Philosoph dreißig Jahre in der Einsamkeit war, um die Natur der Biene zu studieren. Wenn also unser Verstand so schwach ist, wäre es dann nicht töricht, von Gott nichts glauben zu wollen, als was der Mensch durch sich erkennen kann? Es gilt hier eben das Wort der Schrift: «Siehe, Gott ist groß, weit überragend unsere Erkenntnis.»<ref>Job 36, 26.</ref> - Die Unhaltbarkeit des Einwandes ergibt sich

2. 'aus der Erhabenheit des göttlichen Wissens über das Menschliche. - Gesetzt der Fall, es würde irgend ein Gelehrter einen Satz aufstellen in seinem Fache, ein Ungebildeter aber würde sagen, es sei nicht so wie der Gelehrte behaupte, weil er es eben nicht begreift, da würde jener Ungebildete doch gar töricht erscheinen. Nun aber übersteigt gewiss der Intellekt eines Engels noch mehr den des besten Philosophen, als der Verstand des besten Philosophen den eines Ungebildeten. Und so wäre es ebenso töricht für einen Philosophen, wenn er das nicht glauben wollte, was ein Engel sagte; aber dann noch viel mehr, wenn er das nicht glauben wollte, was Gott sagt. Es gilt da wieder das Wort der Schrift: «Vieles ist dir gezeigt worden, was über den Verstand des Menschen geht».<ref> Sir. 3, 25.</ref> Die Richtigkeit des Einwandes erhellt

3. Aus der Notwendigkeit des Glaubens überhaupt. - Wenn nämlich der Mensch nichts glauben wollte, als was er selbst erkennt, so könnte er nicht einmal in dieser Welt leben; denn wie sollte er das können? Wie sollte er auch nur glauben, dass der oder der sein Vater sei? Und so ist es notwendig, dass der Mensch jemandem wenigstens das glaube, was er von sich aus nicht sicher wissen kann. Niemand aber ist mehr des Glaubens würdig als Gott. Und deshalb sind jene, die den Worten des Glaubens nicht glauben, nicht weise, sondern töricht und stolz, wie der Apostel sagt: «Der ist aufgeblasen und weiß nichts.»<ref> 1 Tim. 6, 4. </ref> Und darum ruft er aus: «Ich weiß, wem ich geglaubt, und bin sicher»<ref> 2 Tim. 1, 12. </ref> und «die ihr Gott fürchtet, glaubt ihm».<ref> Sir. 11, 8. </ref>

4. Endlich kann man auch antworten: Gott bestätigte, dass das, was der Glaube lehrt, wirklich wahr ist. Denn wenn ein König einen Brief mit seinem Siegel versehen versenden würde, so wagte doch niemand zu sagen, dass jener Brief nicht im Willen des Königs versandt sei. Es ist aber klar, dass alles, was die Heiligen geglaubt und uns von der Lehre Christi überliefert haben, versehen ist mit dem Siegel Gottes. Ein solches Siegel sind nämlich Werke, welche keine bloße Kreatur vollbringen kann. Und das sind die Wunder, mit welchen Christus die Worte der Apostel und Heiligen bestätigte. Wollte man aber einwenden, es habe noch niemand ein Wunder gesehen, so ist darauf einfach zu antworten: Es ist eine bekannte Tatsache, dass die ganze Welt dem Götzendienst huldigte und die Lehre Christi verfolgte, wie dies selbst die Geschichte der Heiden überliefert: jetzt aber sind alle zu Christus bekehrt und zwar Weise und Hohe, Reiche und Mächtige und Große auf die Predigt der Geringen und Armen, und Weniger hin, die Christus verkündeten. Entweder ist nun das durch Wunder geschehen oder nicht. Wenn durch Wunder, so ist der Beweis erstellt. Wenn nicht, so sage ich, dass es kein größeres Wunder geben konnte, als dass die ganze Welt ohne Wunder bekehrt wurde. Suchen wir also kein weiteres. Es kann somit niemand an der Wahrheit des Glaubens zweifeln, sondern wird, was Glaubenssache ist, sogar mehr glauben, als was er sieht, weil das Auge des Menschen getäuscht, die Wissenschaft Gottes aber niemals betrogen werden kann.<ref>Cf. Summa contra gentiles lib. I cp. 3-9.</ref>

Erster Glaubensartikel

Ich glaube an den einen Gott

Von allem nun, was die Gläubigen festhalten müssen, ist das erste, dass es einen Gott gibt. Hier aber ist vorab zu beachten, was dieser Name «Gott» bedeutet. Er will nichts anderes besagen als «Lenke und Vorseher aller Dinge». Der also glaubt wahrhaft, dass es einen Gott gibt, der glaubt, dass alle Dinge dieser Welt von ihm geleitet und regiert werden. Wer dagegen meint, dass alles nur durch den Zufall geschehe, der glaubt nicht an einen Gott. Nun ist aber doch wohl niemand so töricht, der nicht zugestände, dass die Naturdinge regiert, geleitet und geordnet werden, da sie in einer bestimmten Ordnung und Zeit sich betätigen. Denn wir sehen die Sonne, den Mond, die Sterne und alle anderer Naturdinge einen bestimmten Kreislauf beobachten was nicht der Fall wäre, wenn sie nur durch Zufall wären. Wenn daher jemand glaubte, es gebe gar keinen Gott, so wäre der wahrhaft töricht.<ref> Der teleolog. Gottesbeweis in populärer Form, cf. S. th. I qu. 2 art. 3.</ref> «Der Törichte sagt in seinem Herzen: es gibt keinen Gott.»<ref>Ps. 14, 1.</ref> - Dagegen gibt es auch solche, die, obwohl sie glauben, Gott regiere und ordne die Naturdinge, doch nicht glauben, Gott sei auch der Lenker der menschlichen Handlungen, indem sie nämlich meinen, Gottes Vorsehung erstrecke sich nicht auf dieselben. Ihr Grund ist der: weil sie gar oft in dieser Welt die Guten leiden, die Bösen aber glücklich sehen, was die göttliche Vorsehung bezüglich der Menschen auszuschließen scheint. Schon Job lässt sie also sprechen: «In den Höfen des Himmels wandelt er herum und kümmert sich nicht um uns.»<ref>Job 22, 14.</ref>

Aber auch das ist sehr töricht. Denn solchen geht es, wie einem, welcher der Medizin unkundig, den Arzt dem einen Kranken Wasser, einem anderen Wein darreichen sähe, wie es die Arzneikunst fordert, und dann meinte, das geschehe aus Zufall, weil er eben die ärztliche Kunst nicht versteht, während dieser aus guten Gründen so handelt und dem einen Wein, dem anderen Wasser verordnet. Gerade so ist es mit Gott: denn Gott ordnet nach guten Gründen und nach seiner Vorsehung dasjenige an, was den Menschen am Besten ist. Und so sucht er einige Gute heim und belässt dagegen manche Böse im Glücke. Wer daher glaubt, das geschehe nur aus Zufall, der muss wahrhaft töricht genannt werden, und er kann so nur denken, weil er den Grund und Plan der göttlichen Weltregierung nicht versteht. Und einem solchen muss man mit Job zurufen: «dass er dir doch die Geheimnisse seiner Weisheit zeigte und wie mannigfaltig seine Pläne sind.»<ref> Job 11, 6.</ref> Und so hat man denn fest zu glauben, dass Gottes Vorsehung sich nicht nur auf die Natur, sondern auch auf die menschlichen Handlungen erstrecke, und man kann nicht sagen: "Es wird es der Herr nicht sehen und nicht erkennen der Gott Jakobs. Seid vielmehr weise ihr Unweisen im Volke und ihr Törichten nehmt einmal Verstand an. Der das Ohr gepflanzt, er sollte nicht hören? Und der das Auge gebildet, er sollte nicht sehen? Der Herr weiss selbst die Gedanken der Menschen»;<ref> Ps. 93, 7.</ref> Alles also sieht er, auch die Gedanken und die verborgenen Neigungen - daher liegt den Menschen speziell die Pflicht Gutes zu tun ob, weil alles, was sie denken und tun, dem Auge Gottes offenkundig ist. «Alles ist seinen Augen offen und klar.»<ref> Hebr. 14, 13. </ref>

Es muss aber dann weiter festgehalten werden, dass dieser Gott, der alles lenkt und regiert, nur ein Gott ist. Und der Grund dafür ist der: Schon menschliche Angelegenheiten werden am Besten durch einen geordnet und regiert, weil, wenn viele regieren, gar oft eine Zersplitterung entsteht. Weil nun die göttliche Regierung viel vollkommener als die menschliche ist, so ist es klar, dass die Regierung der Welt nicht durch viele, sondern nur durch einen Gott geschehen kann. - Es gibt aber vier Ursachen, durch welche die Menschen zur Annahme von mehreren Göttern geführt worden sind.

1. Die Schwäche des menschlichen Geistes. Denn viele Menschen vermochten in der Schwäche ihres Geistes sich nicht über das Sinnliche zu erheben und glaubten, dass es über die körperliche Natur hinaus nichts mehr gebe, daher nahmen sie an, dass unter den verschiedenen Körpern jene über die anderen erhaben seien und die Welt regieren, die unter ihnen die schönsten und großartigsten schienen, und diesen zollten sie dann göttliche Verehrung. Das sind aber die Himmelskörper, Sonne, Mond und Sterne. Solchen Leuten ging es, wie einem, der an den Hof des Königs geht, um den König zu sehen, und der dann den nächst besten vornehm Gekleideten oder Beamten für den König ansieht. Und von ihnen heißt es in der Schrift: «Sonne und Mond und den Kranz der Sterne hielten sie für Weltbeherrscher und Götter», <ref> Weish. 13, 2.</ref> und «Hebt in die Höhe eure Augen und sehet wie die Sterne vergehen wie Rauch.»<ref> Is. 51, 6.</ref> Eine fernere Ursache der Vielgötterei war:

2. Die Schmeichelei der Menschen. - Denn wieder einige, die den Königen und Fürsten schmeicheln wollten, erwiesen ihnen die Ehre, die nur Gott gebührt, ihnen allein gehorchend und sich ihnen unterwerfend. Und so erhoben sie denn auch einige nach ihrem Tode zu Göttern, andere nannten sie schon bei Lebzeiten Götter. Ein Beispiel erzählt die Schrift: von Nabuchodonosor rief man nämlich aus: «Es möge es das ganze Volk wissen, dass Nabuchodonosor der Gott der Erde ist und neben ihm ist kein anderer».<ref> Judith 5. 29.</ref> Ein fernerer Grund der Vielgötterei war:

3. Die sinnliche Anhänglichkeit an die Kinder und Verwandten. - Denn einige errichteten, wegen der maßlosen Liebe, die sie zu den Ihrigen hatten, ihnen Statuen nach ihrem Tode, und dann kam man allmählich dazu, diesen Statuen göttlichen Kult zu zollen. Von ihnen heißt es: «Weil sie ihrer ungeordneten Anhänglichkeit oder den Königen sich gänzlich hingaben, übertrugen sie den unaussprechlichen Namen sogar auf Stein und Holz.»<ref> Weish. 14, 21.</ref> Eine letzte Ursache des Polytheismus endlich ist:

4. Die Bosheit des Teufels. - Denn er wollte von Anfang an sich Gott gleich machen, deshalb sagt er selbst: «Ich will meinen Thron auf den Nordstern setzen, zum Himmel will ich aufsteigen und dem Höchsten gleich werden.»<ref> Is 14, 13.</ref> Und diesen Willen hat er nie aufgegeben, und deshalb geht all sein Bemühen dahin, sich von den Menschen anbeten und opfern zu lassen. Nicht als ob ihn das sonderlich ergötzte, wenn ihm etwa ein Hund oder eine Katze geopfert wird, wohl aber ist das seine Lust, wenn ihm Ehre gezollt wird, wie Gott; daher sprach er zu Christus: «Dieses alles will ich dir geben, wenn du niederfallend vor mir mich anbetest.<ref> Math. 4, 9.</ref> Und darum. auch gaben die Idole den Befragenden Antwort, damit sie eben von ihnen als Götter angebetet würden; sagt ja doch die Schrift: «Alle Götter der Heidenvölker sind Dämonen.»<ref> Ps. 65, 5.</ref> «Die Heiden aber, die opfern, sie tun's den Dämonen und nicht Gott.»<ref>1 Kor. 10, 20. </ref>

So entsetzlich aber auch dies ist, so gibt es doch Menschen und zwar nicht wenige, die gar oft in diese vier Ursachen der Vielgötterei verfallen. Und obwohl nicht mit Herz oder Mund, so doch mit ihrer Handlungsweise verraten, dass sie an viele Götter glauben. Denn diejenigen, die da glauben, die Himmelskörper können auf den Willen des Menschen einen nötigenden Einfluss ausüben und die in ihren Unternehmungen auf gewisse Zeiten (Konstellationen) sehen, die nehmen doch an, dass die Himmelskörper Götter seien, indem sie Astrolabien<ref> Instrument zur Beobachtung der Sterne, besonders ihrer gegenseitigen Stellung (Konstellation). Früher oft zu abergläubischen Zwecken missbraucht.</ref> anfertigen. Vor solchem warnt der Prophet: «Vor den Zeichen des Himmels wollet euch nicht fürchten, wie die Heiden tun, weil die Satzungen der Heidenvölker eitel sind.»<ref> Jer. 10, 2.</ref> - Ebenso alle jene, die den Fürsten mehr gehorchen als Gott, oder in solchem, wo sie nicht dürfen, machen sie zu ihren Göttern. Dagegen sagt der Apostel: «Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen.»<ref> Apg. 5, 29.</ref> Ebenso jene, die ihre Kinder oder Anverwandten mehr lieben als Gott, tun, als ob es mehrere Götter gebe. So auch jene, die Speise und Trank mehr lieben als Gott. Von solchen heißt es: «Deren Götze ist der Bauch.»<ref> Phil. 3, 19.</ref> Ebenso alle jene, welche Zaubereien und abergläubischem Zeuge huldigen, glauben, die bösen Geister seien Götter, denn sie verlangen ja von den Dämonen, was nur Gott geben kann, nämlich die Offenbarung irgend einer verborgenen Sache und die Enthüllung der Zukunft. Zum ersten ist also festzuhalten, dass es nur einen Gott gibt.

Ich glaube an Gott Vater, den allmächtigen Schöpfer Himmels und der Erde

Wie gezeigt wurde, ist das erste, was man glauben muss, dass es einen und zwar nur einen Gott gibt. Das zweite ist, dass dieser Gott Schöpfer ist, und Himmel und Erde, Sichtbares und Unsichtbares, erschaffen hat. Und um hier subtilere Beweisgründe dafür beiseite zu lassen, mag ein einfaches Beispiel klar machen, wie alles von Gott erschaffen und gemacht sein müsse. Es ist nämlich klar, dass, wenn jemand in ein Haus eintreten würde und verspürte beim Eintritt Wärme und nachher wenn er weiter ins Innere fortschreitet, verspürte er noch größere Wärme und so immer mehr, so würde er annehmen, es sei innen Feuer, wenn er auch das Feuer selbst nicht erblickte, das diese Wärme verursacht. So verhält es sich aber auch bei der Betrachtung dieser Welt. Denn hier sieht man all die verschiedenen mannigfaltigen Dinge, nach verschiedenen Graden der Schönheit und Güte abgestuft, und je näher sie Gott stehen, um so schöner und vollkommener erscheinen sie. So sind die Himmelskörper schöner und vollkommener als die irdischen, das Unsichtbare vorzüglicher als das Sichtbare. Deshalb muss man annehmen, dass dieses alles von einem einzigen höchsten Wesen stammt, welches das Sein den einzelnen Wesen mitteilt und die Vollkommenheit. In diesem Sinne sagt die Schrift: "Eitel sind alle Menschen, denen keine Kenntnis Gottes innewohnt, und die von all dem Guten, das sie sehen, nicht auf den kommen konnten, der da ist, und die, auf die Werke achtend, nicht erkannten, wer ihr Verfertiger.»<ref> Weish. 13, 1.</ref> Und weiter: «Denn von der Größe der Schönheit der Geschöpfe sollte der Schöpfer all dessen erschlossen werden können.»<ref> Ebd. 5.</ref> So muss uns also als gewiss feststehen, dass alles, was in der Welt existiert, von Gott stammt.<ref> Cf. I. qu. 44 art. 1 und qu. 2 art. 3 der Beweis aus den Graden der Vollkommenheit der Dinge (ex gradibus, quae in rebus inveniuntur).</ref>

Hier aber müssen wir drei Irrtümer vermeiden:

1. Den Irrtum der Manichäer, - die sagen, dass alles Sichtbare (Körperliche) vom Teufel (von einem bösen Urprinzip) erschaffen sei, und daher Gott nur die Erschaffung des Unsichtbaren (Geisterreiches) zuschreiben. Ursache ihres Irrtums ist: weil sie Gott, und zwar ganz richtig, als das höchste Gut auffassen, und dann folgern, alles, was vom Guten stamme, müsse selbst gut sein. Indem sie dann aber nicht genau unterschieden zwischen Gut und Bös, glaubten sie, dass alles, was nach irgend einer Rücksicht böse ist, schlechthin böse sei, wie das Feuer, weil es brennt, von ihnen schlechthin als böse bezeichnet wird, und das Wasser, weil es ertränkt u. s. f. Weil nun nichts Sichtbares schlechthin gut ist, sondern irgendwie auch böse und der Verschlechterung fähig, behaupteten sie, dass alles Sichtbare nicht von einem guten, sondern nur von einem bösen Gott geschaffen sein könne. Gegen sie führt Augustinus folgenden Vergleich aus: Wenn jemand in die Werkstatt eines Künstlers einträte, und fände da Instrumente, bei deren Berührung er sich schädigen würde, und deshalb dann meinte, das sei ein böser Meister, weil er solche Instrumente halte, so wäre er doch gewiss töricht, da ja der Künstler solcher Instrumente zu seinen Arbeiten bedarf; so ist es aber auch töricht, zu sagen, dass deshalb gewisse Geschöpfe böse seien, weil sie irgendwie auch schädlich werden können: denn was dem einen schädlich, das ist dem andern nützlich. Dieser Irrtum aber ist gegen die Lehre der Kirche, und um ihn auszuschließen heißt es darum in einem Glaubensbekenntnis: Gott ist der Schöpfer des «Sichtbaren und Unsichtbaren» und in der Schrift: «Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde»<ref> Gen. 1, 1.</ref> und «Alles ist durch ihn geschaffen».<ref> Joh. 1, 3. </ref><ref> Cf. Summ. theol. I qu. 65 art. 1. </ref> Ein fernerer Irrtum ist:

2. Die Annahme der Ewigkeit der Welt - eine Ansicht, die der hl. Petrus erwähnt, wenn er die Irrlehrer sagen lässt: «Seitdem die Väter entschlafen sind, bleibt alles so, wie es vom Anfang der Schöpfung war.»<ref> 2 Petr. 3, 4.</ref> Zu ihrer Behauptung kamen sie dadurch, dass sie sich den Ursprung der Welt nicht recht zu erklären wussten: ihnen ging es, wie Moses Maimonides<ref> Moses Maimonides (geb. zu Cordova 1135, † 1204) widerlegt gegen die arab. Aristoteliker die Beweise welche sie für die Ewigkeit der Weit vortragen. (Stöckl, Gesch. der Philos. des Mittelalters II, p. 279.) </ref> ausführt, wie einem Menschen, der als unmündiges Kind auf eine einsame Insel versetzt würde und nichts von seiner Geburt wüsste; würde man nun einem solchen, wenn er groß geworden, sagen, er sei von einer Frau empfangen und geboren worden, so würde er es nicht glauben, weil es ihm unmöglich schiene, dass ein Mensch im Schoß der Mutter weilen könne. So wollen auch diese Irrlehrer, indem sie den gegenwärtigen Zustand der Welt betrachten, nicht einsehen, dass sie einen Anfang genommen.<ref> Cf. S. th. I qu. 46. 10.</ref> Aber auch das ist gegen die Lehre der Kirche, und um diesen Irrtum auszuschließen heißt es: «Schöpfer Himmels und der Erde»; wenn sie aber erschaffen sind, so folgt, dass sie nicht immer waren, und daher heißt es auch im Psalm: «Er sprach und sie sind geworden».<ref>Ps. 148, 5.</ref>

3. Die Annahme, Gott habe aus einer ewigen Materie die Welt geschaffen. - Zu dieser Behauptung kamen einige, weil sie die Allmacht Gottes nach unserer Macht bemessen wollten. Und weil nun der Mensch nichts machen kann außer aus einem vorliegenden Stoff, so glaubten sie, das sei auch so bei Gott, und deshalb sagten sie, bei der Erschaffung der Dinge sei ihm eine schon vorhandene Materie zu Gebot gestanden. Aber das ist nicht richtig. Denn der Mensch kann deswegen nichts ohne vorliegenden Stoff verfertigen, weil sein Wirken nur ein begrenztes ist und er nichts anderes tun kann als den für verschiedene Formen empfänglichen Stoff zu einer bestimmten Form gestalten, aus dem einfachen Grund, weil seine Macht (sein Können) sich nur auf die Form erstreckt und er deshalb auch nur die Ursache dieser oder jener Form sein kann. Gott aber ist die letztliche Ursache aller Dinge, er schafft nicht nur die Form sondern auch den Stoff, die Materie und daher hat er aus nichts alles gemacht.<ref>Cf. S. th. I qu. 45 dazu qu. 25.</ref> Deshalb heißt es, um auch diesen Irrtum fernzuhalten, «den Schöpfer Himmels und der Erde». Darin unterscheiden sich gerade erschaffen und schaffen, dass erschaffen so viel als aus nichts etwas machen, schaffen aber aus etwas Vorhandenem etwas anderes machen heißt. Wenn er daher aus nichts alles gemacht hat, so müsste er auch, wenn alles vernichtet wäre, doch wieder alles von neuem erschaffen können; und daher kann er auch einem Blinden das Augenlicht wieder geben, einen Toten auferwecken und andere Wunder wirken,<ref> Die Wundermacht ist die notwendige Folge der Schöpfermacht, cf. de potentia qu. 6 de miraculis.</ref> «denn dir fehlt nicht, wenn du willst, das Können.»<ref> Weish. 12, 18. </ref>

Durch die Betrachtung dieser Wahrheiten aber wird der Mensch auf fünf Dinge geführt:

1. Zur Erkenntnis der göttlichen Majestät: denn der Schöpfer steht über dem Erschaffenen; daher, weil Gott der Erschaffer aller Dinge ist, so ist gewiss, dass er vorzüglicher als alle Dinge ist. «Wenn sie daher diese, von ihrer Schönheit entzückt, für Götter hielten, so sollten sie wissen, wie viel schöner ihr Herr sein müsse. Oder wenn sie die Macht und ihr Wirken bewunderten, so mögen sie davon entnehmen, dass, der dies gemacht, noch mächtiger ist»;<ref> Weish. 13, 3. </ref> deshalb ist auch alles, was immer man sich vorstellen oder denken mag, doch geringer als Gott selbst. «Siehe, Gott ist groß, überragend all unsere Erkenntnis.»<ref> Job 36, 26. </ref>

2. Zur Dankbarkeit: denn da Gott der Schöpfer aller Dinge ist, so ist gewiss, dass, was immer wir sind und haben, von Gott ist. «Was hast du, das du nicht empfangen?»<ref> 1 Kor. 4, 7. </ref> «Des Herrn ist die Erde und ihre Fülle usw.»<ref> Ps. 23, 1. </ref> und deshalb müssen wir ihm dafür Dank sagen. «Was soll ich dem Herrn alles tun, für das, was er mir getan?»<ref> Ps. 115, 3. </ref>

3. Zur Geduld im Missgeschick: denn weil eine jegliche Kreatur von Gott stammt und daher gut ist von Natur, so müssen wir, wenn sie dennoch um irgendwie schadet oder züchtigt, glauben, dass diese Strafe von Gott stammt. Niemals aber eine Schuld, weil kein Übel von Gott kommt, als was zum Guten hingeordnet ist. Wenn daher jede Strafe, die der Mensch erduldet, von Gott stammt, so muss man sie geduldig ertragen, denn die Strafen sühnen die Sünden, demütigen die Schuldigen, fordern die Guten zur Liebe Gottes auf. «Wenn wir Gutes aus der Hand Gottes empfangen, warum sollten wir nicht auch das Böse auf uns nehmen?»<ref> Job 11, 10.</ref>

4. Zum richtigen Gebrauch der Geschöpfe. - Denn die Geschöpfe sollen wir dazu gebrauchen, wozu sie von Gott gemacht sind. Sie sind aber geschaffen zu zweierlei: nämlich zur Ehre Gottes, denn «Gott hat alles seinetwegen d. i. zu seiner Ehre geschaffen»,<ref> Spr. 16, 4. </ref> und zu unserem Nutzen.<ref> Kurze Andeutung über das Ziel der Schöpfung; dazu ergänze: das erste Ziel derselben (finis primarius) ist die Ehre Gottes (gloria Dei externa); das zweite (finis secundarius) die Beglückung der Geschöpfe (felicitas creaturarum). Das erste Ziel wird immer irgendwie erreicht, sei es in der Ordnung der Gerechtigkeit oder Güte Gottes; das zweite nur nach dem Massstab der Vollkommenheit, zu der sich die Geschöpfe erheben. Cf. S. theol. I. I!. qu.1--6; I qu. 44 art. 4. </ref> «Das hat Gott dein Herr geschaffen zum Dienste allen Völkern.»<ref> Dtn 4, 19. </ref> Wir müssen daher die Dinge gebrauchen zur Ehre Gottes also so, dass wir damit Gott gefallen; und zu unserem Nutzen, d. h. so, dass wir in ihrem Gebrauche nicht sündigen. «Dein ist alles, und was wir vor deiner Hand empfangen, dir widmen wir es.»<ref> 1. Chr. 21, 14. </ref> Was immer du also besitzest, sei es Wissenschaft oder Schönheit, alles musst du auf ihn beziehen und davon Gebrauch machen zur Ehre Gottes.

5. Zur Erkenntnis der Würde des Menschen. Denn Gott erschuf alles des Menschen wegen, wie es im Psalm heißt: «Alles hast Du ihm zu Füßen gelegt».<ref> Ps. 8, 8.</ref> Der Mensch ist Gott am ähnlichsten unter den Kreaturen nächst den Engeln. Denn so heißt es in der Schrift: «Lasst uns den Menschen machen nach unserem Bild und Gleichnis.»<ref> Gen. 1, 26.</ref> Nicht gleicherweise redete Gott, als er den Himmel oder die Sterne erschuf, sondern nur beim Menschen; und nicht etwa in Bezug auf seinen Körper, sondern bezüglich der Seele, indem sie Freiheit des Willens besitzt und unsterblich ist, und dadurch Gott mehr ähnlich ist, als die anderen Kreaturen. So müssen wir also bedenken, dass der Mensch nächst den Engeln würdiger ist, als alle übrigen Geschöpfe, und dürfen deshalb in keiner Weise unsere Würde herabsetzen durch die Sünde und durch ungeordnete Begierde nach den körperlichen Dingen, da sie ja geringer sind als wir, und zu unserm Dienste geschaffen, sondern wir müssen jene Stellung einnehmen, in die Gott durch die Schöpfung uns gesetzt. Denn Gott schuf den Menschen, auf dass er herrsche, über alles, was auf Erden ist, dagegen seinerseits unterworfen sei Gott. Wir müssen also herrschen und erhaben sein über die Dinge, Gott aber unterworfen sein, ihm gehorchen und dienen, und so kommen wir einst zur Seligkeit in Gott, was er uns durch seine Gnade gewähren wolle.

Zweiter Glaubensartikel: Und an Jesus Christus seinen eingeborenen Sohn, unseren Herrn

Es muss der Christ nicht nur glauben an einen Gott, und dass dieser der Erschaffer Himmels und der Erde und aller Dinge sei; sondern er muss auch glauben, dass Gott Vater ist, und dass Christus der wahre Sohn Gottes ist. Dieses aber ist, wie der hl. Petrus sagt, keine Erdichtung, sondern gewiss und bezeugt durch das Wort Gottes auf dem Berge (Tabor), weshalb er an derselben Stelle sagt: «Wir hängen nicht unverständigen Fabeleien an, indem wir euch die Macht und Allwissenheit unseres Herrn Jesus Christus verkündeten, sondern wir selbst waren Zeugen seiner Herrlichkeit. Denn er hat von Gott dem Vater selbst Ehre und Herrlichkeit erhalten, indem eine Stimme von oben also zu ihm erklang von der ewigen Herrlichkeit: dieser ist mein geliebter Sohn, an dem ich mein Wohlgefallen habe, diesen sollt ihr hören; und diese Stimme haben wir selbst vom Himmel kommen gehört, als wir mit ihm auf dem hl. Berge waren.»<ref> 2 Petr. 1, 16-18.</ref> Auch Christus selbst nennt an verschiedenen Stellen Gott seinen Vater und sich seinen Sohn. Und die Apostel und heiligen Väter nahmen das unter die Glaubensartikel auf, dass Christus Gottes Sohn sei, indem sie sagten: «und an Jesus Christus seinen Sohn» nämlich glaube ich.

Es gab aber einige Häretiker, die dieses falsch auslegten. So sagt:

1. Photinus,<ref> Photin. von Sirmium, um 345, trug während den arianlschen Streitigkeiten mit dem Eblonitismus verwandte Irrtümer vor, und wird hier als Repräsentant dieser Irrlehre angeführt; wurde verurteilt auf der Synode zu Mailand anno 345, cf. Hefele Conciliengesch. I p. 684.</ref> dass Christus nicht anders Sohn Gottes sei, als überhaupt alle guten Menschen, die durch ein gutes Leben und indem sie den Willen Gottes tun, Adoptivkinder Gottes genannt zu werden verdienen. Und so habe auch Christus, der heilig gelebt und den Willen Gottes getan, verdient, Sohn Gottes genannt zu werden. Er behauptete auch, dass Christus nicht vor Maria existiert habe, sondern erst da anfing zu sein, als er von ihr empfangen war. Und so irrte er in zwei Dingen: Erstens darin, dass er leugnete, er sei der wahre Sohn Gottes der Natur nach und zum anderen dadurch, dass er sagte, er habe nach seinem ganzen Sein erst in der Zeit angefangen zu existieren, währenddem unser Glaube festhält, dass er Sohn Gottes der Natur nach und von Ewigkeit ist. Und dafür haben wir auch ausdrückliche Beweise aus der Heiligen Schrift. Denn gegen den ersten Irrtum heißt es: dass er nicht nur Sohn, sondern der eingeborene Sohn Gottes sei. «Der Eingeborene, der im Schoß des Vaters ist»,<ref> Joh. 1, 18.</ref> gegen den zweiten: «Ehedem Abraham war, bin ich»,<ref> Joh. 8, 58. </ref> es ist aber klar, dass Abraham vor der seligsten Jungfrau war und deshalb fügten die Väter in einem anderen Symbolum gegen den ersten Irrtum bei: «An den eingeborenen Sohn Gottes», gegen den zweiten: «Vom Vater geboren vor aller Zeit.» - Ein anderer Häretiker war:

2. Sabellius.<ref> Sabellius aus Lybien, zirka 250, war der Begründer des sogen. Modalismus, wonach Gott nicht dreipersönlich wäre, sondern nur nach seiner verschiedenen Beziehung zur Welt nun Vater (als Schöpfer), nun Sohn (als Erlöser), nun HI. Geist (als Heiligmacher) genannt würde. Cf. Brück, Kirchengesch. § 29. </ref> Dieser gab zwar zu, dass Christus vor Maria war, meinte aber, der Sohn sei nicht eine vom Vater verschiedene Person, sondern der Vater selbst sei Mensch geworden, und so wäre dann die Person des Vaters und des Sohnes dieselbe. Aber auch das ist irrtümlich, weil es die Dreiheit der Personen aufhebt, und dagegen spricht die Stelle bei Johannes: «Ich bin nicht allein, sondern ich, und der mich gesandt hat, der Vater.»<ref>Joh. 8, 16.</ref> Offenbar aber sendet niemand sich selbst. Und so ist Sabellius im Irrtum und mit Beziehung darauf wurde dem apostolischer Glaubensbekenntnis beigefügt: Gott von Gott, Licht vom Licht; d. h. wir müssen glauben, dass Gott der Sohn von Gott dem Vater, und der Sohn, der Licht ist, vom Vater als dem Urlicht ist.

3. Nun gab zwar Arius,<ref> Arius der Hauptirrlehrer in der Christologie, ebenfalls ein Lybier im Anfang des 4. Jahrhunderts lebend, fasste den Logos oder Sohn Gottes, als ein höheres Wesen, als eine Art höchsten Aeon, aber nicht als «wesensgleich» mit Gott. Seine Irrlehre wurde verurteilt auf der allgemeinen Synode zu Nicäa anno 325, cf. Brück § 57.</ref> ein anderer Häretiker, all dies zu, dass nämlich Christus vor Maria war und dass er eine vom Vater verschiedene Person sei. Dagegen trug er drei andere Irrtümer über Christus vor. Fürs erste sagte er, dass der Sohn Gottes nur ein Geschöpf war. Dann dass er nicht von Ewigkeit sondern vom Vater in der Zeit erschaffen sei, als das höchste Geschöpf. Und endlich, dass der Sohn Gottes nicht wesensgleich mit dem Vater und darum nicht wahrer Gott sei. Aber auch das ist irrig und gegen die ausdrückliche Lehre der Schrift. Denn es heißt bei Johannes:<ref>Joh. 10, 30.</ref> «Ich und der Vater sind eins» nämlich in der Natur. Und daher wie der Vater ewig war, so auch der Sohn. Und wie der Vater wahrer Gott, so auch der Sohn. Wo daher Arius sagt, Christus sei ein Geschöpf gewesen, sagt das Symbolum dagegen: wahrer Gott vom wahren Gott. Und wenn er sagt: er sei nicht von Ewigkeit gewesen sondern in der Zeit geschaffen, heißt es dagegen im Symbolum: geboren und nicht geschaffen; und gegen jene Behauptung, er sei nicht wesensgleich mit dem Vater, wird im Symbolum beigefügt: gleichen Wesens mit dem Vater. Es ist also klar, dass wir glauben müssen, Christus sei der eingeborene und wahre Sohn Gottes, gleich ewig mit dem Vater, eine vom Vater verschiedene Person, und doch eine Natur mit dem Vater.

All dies wissen wir hier nur durch den Glauben und werden es erst jenseits im ewigen Leben erkennen durch vollkommene Schauung. Um uns deswegen hienieden doch in etwas zu trösten (ob unserer unvollkommenen Erkenntnis) wollen wir wenigstens einigermaßen in dessen Verständnis einzudringen suchen.<ref> Populäre Wiedergabe der spekulativen Logoslehre, cf. I qu. 27 art. 2.</ref> Man muss aber dabei bedenken, dass es verschiedene Arten der Zeugung in den verschiedenen Wesen gibt. Und die Zeugung in Gott ist offenbar eine andere als die in den geschaffenen Dingen: wir können deshalb zu irgend einem Begriff derselben nur gelangen durch die Vergleichung mit der Zeugung jener Wesen, die Gott am nächsten stehen. Nichts kommt nun hienieden Gott so nahe wie die menschliche Seele. Auch in ihr aber ist eine Art Zeugung, indem der Mensch in seiner Seele etwas denkt, was er das «Erzeugnis» seines Geistes nennt; diese Zeugung geht von der Seele aus, gleichsam als von ihrem Vater und wird das Wort des Geistes oder des Menschen genannt. Die Seele also, indem sie denkt, zeugt das Wort: und so ist nun auch der Sohn Gottes nichts anderes als das Wort Gottes, nicht zwar wie ein äußerlich ausgesprochenes Wort, denn dieses vergeht, sondern wie ein innerlich erzeugtes Wort; und deshalb ist auch das Wort Gottes einer Natur mit Gott und Gott gleich. Johannes, wo er von diesem Worte spricht, hat bereits die drei gegenteiligen Häresien widerlegt, nämlich die des Photinus, mit den Worten: «Im Anfang war das Wort», die des Sabellius durch den Beisatz: «und das Wort war bei Gott», und die des Arius, wenn er sagt: «und Gott war das Wort». Jedoch ist das Wort in Gott doch wieder nicht ganz gleich wie in uns. In uns nämlich ist dasselbe ein Akzidens (etwas uns nur Anhaftendes), in Gott dagegen ist es dasselbe was Gott selbst, da alles, was in Gott ist, seine ganze Wesenheit ist. Niemand wird auch behaupten, dass Gott je ohne Wort war, sonst müsste man ihn ohne Verstand sich denken. Und so war das Wort immer, wie auch Gott ewig ist. - Und wie dann der Künstler alles nach der Idee macht, die seinem Geiste vorschwebt, und die eben das Wort des Geistes ist, so hat auch Gott alles gemacht durch sein Wort, gleichsam als durch seine künstlerische Idee,<ref> Kurze Andeutung der christlichen Ideenlehre, wonach die Welt nicht das Produkt eines blinden Zufalls, sondern ein göttliches Kunstwerk ist, erschaffen nach einem unendlich weisen und ins Einzelnste gehenden göttlichen Weltplan, der dann besonders dem Logos beigelegt (appropriiert) wird. cf. I qu. 15 de ideis und qu. 44 art. 3.</ref> nach den Worten der Schrift: «Alles ist durch ihn gemacht.»<ref> Joh. 1, 3. </ref>

Da also das Wort Gottes der Sohn Gottes ist, und alle Worte Gottes eine gewisse Ähnlichkeit mit diesem (Ur-) Worte haben, so müssen wir:

1. Das Wort Gottes gerne hören, denn das ist ein Zeichen, dass wir Gott lieben, wenn wir sein Wort gern hören. Wir müssen dann:

2. Dem Worte Gottes Glauben schenken. - Denn so wird dann das Wort Gottes, das Christus ist, in uns wohnen, nach dem Worte der Schrift: «Christus wohnt durch den Glauben in euren Herzen»<ref> Eph. 3, 17. </ref> und «Sein Wort habt ihr nicht bleibend in euch»<ref> Joh. 5, 38. </ref> (weil ihr dem nicht glaubt, den er gesandt hat). - Ferner müssen wir:

3. 'Das in uns aufgenommene Wort fortwährend betrachten, weil man nicht nur glauben, sondern das Geglaubte auch überlegen muss, wenn es etwas nützen soll. Diese Betrachtung wird dann aber zu einem vorzüglichen Mittel gegen die Sünde, so sagt schon der Psalmist: «In meinem Herzen habe ich deine Worte verborgen, damit ich vor dir nicht sündige»;<ref> Ps. 118, 11. </ref> und wiederum vom gerechten Manne: «In seinem Gesetze betrachtet er Tag und Nacht.»<ref> Ps. 1, 2. </ref> Daher wird auch von der seligsten Jungfrau hervorgehoben: «dass sie alle diese Worte bewahrte, in ihrem Herzen sie erwägend.»<ref> Lk. 2, 51. </ref> - Es muss aber der Mensch:

4. Das Wort Gottes auch andern mitteilen, durch Ermahnung, Predigt und Anregung. So ermahnt der Apostel: «Kein böses Wort gehe aus eurem Munde, sondern was gut ist zur Erbauung im Glauben».<ref> Eph. 4, 29. </ref> Und «das Wort Christi wohne reichlich in euch mit aller Weisheit, lehret und ermahnet einander»<ref> Kol. 3, 16. </ref> Und, «Predige das Wort, fahre fort damit, es sei gelegen oder ungelegen.»<ref> 2 Tim. 4, 2. </ref> - Endlich muss

5. Das Wort auch zur Ausführung gebracht werden. «Seid Befolger des Wortes und nicht bloß Hörer, indem ihr euch selbst betrüget.»<ref> Jak. 1, 22. </ref> - Alle diese fünf Punkte hat der Reihenfolge nach die allerseligste Jungfrau beobachtet bei der Empfängnis des Ewigen Wortes. Zuerst nämlich hörte sie das Wort, indem der Engel zu ihr Sprach: «Der HI. Geist wird über dich kommen».<ref> Lk. 2, 35.</ref> Dann stimmte sie demselben bei durch die gläubige Antwort: «Siehe ich bin die Magd des Herrn.» Dann empfing und trug sie das Wort in ihrem Herzen. Hierauf sprach sie es aus in der Geburt und endlich hegte und nährte sie es, weshalb die Kirche singt: «den König der Engel selbst hat Maria allein genährt an ihrer vom Himmel erfüllten Brust.»

DRITTER GLAUBENSARTIKEL: Der empfangen ist vom Heiligen Geist, geboren aus Maria der Jungfrau

Der Christ muss nicht nur, wie im Vorhergehenden gezeigt worden ist, an den Sohn Gottes glauben, sondern auch an dessen Menschwerdung. Darum deutet der hl. Johannes, nachdem er im Anfang seines Evangeliums sich zu den Höhen der Betrachtung des Wesens Gottes erschwungen hat, nachher die Inkarnation an, wenn er sagt: «Und das Wort ist Fleisch geworden.»<ref> Joh. 1, 14. </ref>

Zu dessen Verständnis hier zunächst zwei Beispiele. Es ist gezeigt worden, dass dem Sohne Gottes nichts so ähnlich ist, als der Begriff oder das Wort in unserem Geiste, das noch nicht ausgesprochen ist. Niemand aber erkennt den Gedanken oder das Wort, so lange es im Herzen verschlossen ist, als derjenige, der es erzeugt. Erst wenn es ausgesprochen wird, erkennen es auch andere. So war auch das Wort Gottes, so lange es nur im Herzen des Vaters war, nur vom Vater erkannt, als es aber in Fleisch - wie das Wort in die Stimme - gekleidet ward, da erst wurde es offenbar und bekannt. «Danach erschien er auf Erden, und wandelte unter den Menschen.»<ref>Bar 3, 38. </ref> - Ein anderes Bild ist das geschriebene Wort. Wie nämlich das Wort, wenn es auch ausgesprochen wird, doch nicht gesehen oder berührt werden kann, sondern erst wenn es (auf Pergament) geschrieben wird, so wurde auch das Wort Gottes sichtbar und berührbar, als es gleichsam in unser Fleisch geschrieben wurde. Und wie dann das Pergament, auf welches das Wort des Königs geschrieben wird, selbst Wort des Königs genannt wird, so wird auch der Mensch, mit dem das Wort Gottes in einer Hypostase (Person) geeint ist, «Sohn Gottes» genannt. In dem Sinne könnte man das Wort des Propheten anwenden: «Nimm dir ein großes Buch und schreibe darein mit Menschengriffel»,<ref> Is 8, 1. </ref> und deshalb sagten die Apostel im Symbolum: «Der empfangen ist vom HI. Geist, geboren aus Maria der Jungfrau.»

Aber auch in der Auffassung dieses Glaubenssatzes wurden mannigfache Irrtümer vorgetragen. Mit Rücksicht auf welche die heiligen Väter in einem anderen Symbolum auf der Synode zu Nicäa viele nähere Bestimmungen dem apostolischen Glaubensbekenntnis beifügten, wodurch alle diese einzelnen Irrtümer zurückgewiesen wurden.

1. Origines<ref> Origines, berühmter Kirchenschriftsteller und Vorsteher der Katechetenschule zu Alexandrien, † 254. Mit seinem Hauptirrtum von der "Wiederherstellung aller Kreaturen» wurde er auch zu einer falschen Fassung des Zweckes der Erlösung gebracht; cf. Brück, § 64. </ref> meinte, dass Christus geboren und in diese Welt gekommen sei, damit er auch die Dämonen erlöse, weshalb er behauptete, dass am Ende der Tage auch alle bösen Geister erlöst werden. Das ist aber gegen die Schrift, denn es sagt der Heiland: «Weichet von mir ihr Verfluchten in das ewige Feuer, welches dem Teufel und seinen Engeln bereite worden ist.»<ref> Mt. 25, 41. </ref> Um deshalb jenen Irrtum auszuschließen fügten die Väter dem Glaubensbekenntnis bei «der wegen uns Menschen», also nicht wegen der Dämonen, «und wegen unserem Heile» Mensch geworden ist, woraus auch die besondere Liebe Gottes gegen uns hervorleuchtet.

2. Photinus<ref> Der oben erwähnte Photinus; cf. Comp theol. cp. 202. Summ. c get. Iib. IV cp. 28. </ref> meinte, dass Christus zwar vor Maria geboren sei, fügte aber bei, dass er bloß Mensch sei, der durch sein gutes Leben und die Erfüllung des Willens Gottes verdiente, Sohn Gottes zu werden, aber nur in einem Sinne, wie auch die anderen Heiligen. Dagegen spricht aber das Wort Christi: «Ich bin vom Himmel herabgestiegen, nicht damit ich meinen Willen tue, sondern den Willen dessen, der mich gesandt hat.»<ref> Joh. 6, 38. </ref> Es ist aber klar, dass er nicht herabgestiegen wäre, wenn er nicht vorher dort gewesen. Wäre er aber bloßer Mensch, so wäre er nicht vorher im Himmel gewesen. Um daher diese Meinung auszuschließen, wurde beigefügt: «herabgestiegen von dem Himmel.»

3. Manichäus<ref> Manes, ein Häretiker des 3. Jahrhunderts, leugnete, in Folge seines Dualismus, wonach die Körperwelt von einem bösen Urprinzip geschaffen wäre, die Wahrheit der körperlichen Seite an der menschlichen Natur Christi. Cf. Brück. Kirchengesch. § 28, dazu Thom. Summ. contr. gent. lib. IV cp. 29. S. theol. III qu. 5 art. 1 Comp. theol. cp. 207. </ref> aber sagte, dass Christus zwar der Sohn Gottes und vom Himmel herabgestiegen sei, dass er aber nicht einen wahren, sondern nur einer «Scheinleib» gehabt habe. Doch auch dies ist falsch. Denn es durfte der Lehrer der Wahrheit keinen Trug an sich tragen und wenn er deshalb einen menschlichen Leib zeigte, so musste er auch wirklich einer haben. Deshalb sagte er: «Tastet und sehet, denn ein Geist hat nicht Fleisch und Bein, wie ihr sehet, dass ich habe.»<ref> Lk. 24, 39. </ref> Und so fügte man zur Verurteilung dieses Irrtums im Symbolum bei: «Und er ist Fleisch geworden.»

4. Ebion, ein Jude, behauptete, Christus sei von Maria geboren, aber nur durch natürliche Erzeugung. Auch dies ist falsch, denn der Engel sagte: «Was in ihr erzeugt worden, das ist vom Heiligen Geiste»,<ref> Mt. 1, 20. </ref> und um daher diesen Irrtum auszuschließen fügten die heiligen Väter bei: «vom HI. Geiste».

5. Der Gnostiker Valentin<ref> Valentin, ein Alexandriner, der bedeutendste Gnostiker, † 160 n. Chr., cf. S. theol. III qu. 5 art. 2. Summ. c. gent. lib. IV cp. 30. Cap. theol. cp. 208. </ref> gab zwar zu, dass Christus vom HI. Geiste empfangen worden, behauptete aber, dass der HI. Geist einen himmlischen Leib Maria mitgeteilt und dass dieser dann der Leib Christi geworden, weshalb Maria gleichsam nur der Kanal gewesen, durch den Christus hindurchgegangen. Aber auch dies ist falsch, denn der Engel sagte zu ihr: «das Heilige, das aus dir geboren werden soll, wird Sohn Gottes genannt werden»,<ref> Lk. 1, 35. </ref> und Gal. 4.4: «Als aber die Fülle der Zeit kam, sandte Gott seinen Sohn, gebildet aus einer Frau.» Deshalb fügte man im Glaubensbekenntnis bei: «Geboren aus Maria der Jungfrau.»

6. Arius dann und Apollinaris<ref> Über Arius cf. oben. Apollinaris, Bischof von Laodicäa zirka 380, huldigte dem Trichotomismus, wonach der Mensch bestünde aus: Körper, Seele, Geist. An die Stelle des letzteren wäre dann in Christus der Logos getreten. Dadurch wurde die Wahrheit der geistigen Seite an der menschlichen Natur geleugnet. cf. Brück. § 59, dazu S. theol. III qu. 5 art. 3, S. c. gent. IV. cp. 32. Comp. theol. cp. 205. </ref> behaupteten, Christus sei zwar das Wort Gottes und geboren aus Maria der Jungfrau, aber er habe keine (geistige) Seele gehabt, sondern an deren Stelle sei die Gottheit getreten. Aber das ist gegen die Schrift, denn Christus sagte: «Meine Seele ist betrübt»,<ref> Joh. 12, 27. </ref> und wiederum: «Meine Seele ist betrübt bis in den Tod.»<ref> Mt. 26, 38. </ref> Und so fügten denn die Väter, um diese Ansicht auszuschließen, bei: «Und er ist Mensch geworden.» Denn der Mensch besteht aus Leib und Seele, weshalb Christus wahrhaftig alles besaß, was der Mensch haben kann, mit einziger Ausnahme der Sünde. Mit diesem einzigen Ausdruck aber: «er ist Mensch geworden», werden alle angeführten Irrtümer vernichtet, und was sonst noch in dieser Sache Irriges ausgesonnen werden könnte; insbesondere auch

7. Der Irrtum des Eutyches,<ref> Die folgenden zwei Häresien fassten die Verbindung der beiden Naturen in Christus, der göttlichen und menschlichen unrichtig. Eutyches aus Konstantinopel war Begründer des sogen. Monophysitismus. Seine Irrlehre wurde verurteilt auf dem allgem. Konzil zu Chalcedon 451. </ref> der eine Art Vermischung annahm, wonach aus der göttlichen und menschlichen Natur die eine Natur Christi entstanden sei, die dann weder wahrhaft Gott, noch wahrhaft Mensch wäre. Es ist dies falsch, weil er dann wirklich nicht Mensch wäre, und verstößt auch gegen den Ausdruck, dass er Mensch geworden. Vernichtet wird auch

8. Der Irrtum des Nestorius, <ref> Nestorius, Patriarch von Konstantinopel, nahm in Christus zwei Personen an, eine göttliche und eine menschliche, und bestritt Maria den Ehrentitel: «Gottesmutter». Seine Irrlehre wurde verworfen auf dem allgem. Konzil zu Ephesus 431. cf. S. theol. III qu. 2. S. c. gent. IV. cp. 34 u. 35. Comp. theol. cp. 203 u. 206. </ref> der sagte, der Sohn Gottes sei mit dem Menschen (Christus) nur vereinigt durch Einwohnung. Aber auch das ist falsch. Denn dann wäre er nicht Mensch (geworden), sondern nur im Menschen. Dass er aber wirklich Mensch sei, erhellt aus dem Worte des Apostels: «er ist im Äußern wie ein Mensch erfunden worden»,<ref> Phil. 2, 7. </ref> und «was sucht ihr mich zu töten, einen Menschen.»<ref> Joh. 8, 40. </ref>

Die vorgetragene Wahrheit ist geeignet, in uns fünf heilsame Früchte hervorzubringen:

1. Stärkung des Glaubens. - Denn wenn jemand etwas von einem fernen Lande erzählte, wo er nicht selbst gewesen, so würden wir ihm nicht so glauben, als wenn er selbst dort gewesen wäre. Bevor nun Christus auf die Welt kam, verkündeten die Patriarchen und Propheten und Johannes der Täufer manches von Gott, aber es glaubten ihnen die Menschen nicht so, wie dem Heiland, der eben selbst bei Gott war, ja der mit ihm geradezu eins ist. Deshalb ist unser Glaube so fest, weil er von Christus selbst uns mitgeteilt ist, und wir können mit Johannes sagen: «Niemand hat Gott gesehen, aber der eingeborene Sohn, der im Schoß des Vaters ist, der hat es uns erzählt»,<ref> Joh. 1, 18. </ref> und daher sind uns auch viele Glaubensgeheimnisse nach der Ankunft Christi bekannt, die vorher verborgen waren.

2. Erweckung der Hoffnung. - Denn es ist gewiss, dass der Sohn Gottes nicht einer gleichgültigen Sache wegen zu uns gekommen ist und unser Fleisch angenommen hat, sondern zu unserem großen Nutzen. Daher hat er eine Art Tausch gemacht. Er hat nämlich unseren irdischen Leib angenommen und sich gewürdigt, von einer Jungfrau geboren zu werden, damit er uns dafür seine Gottheit schenke. Und so ist er Mensch geworden, damit er den Menschen zu Gott mache (vergöttliche). «Durch ihn haben wir mittels des Glaubens Zutritt zu dieser Gnade und rühmen uns der Hoffnung auf die Herrlichkeit der Kinder Gottes.»<ref> Röm. 5, 2. </ref>

3. Entzündung der Liebe. - Denn es gibt keinen deutlicheren Beweis der göttlichen Liebe, als dass Gott der Schöpfer aller Dinge selbst ein Geschöpf ist, dass unser Herr, unser Bruder, der Sohn Gottes Menschensohn geworden ist. Es hebt das der Heiland selbst hervor, wenn er sagt: «So hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn dahin gab».<ref> Joh. 3, 16. </ref> aus dieser Betrachtung muss sich wiederum unsere Liebe zu Gott entzünden und entflammen.

4. Reinheit der Seele. - Denn so sehr wurde unsere Natur geadelt und erhöht durch die Verbindung mit Gott, dass sie sogar zur Teilnahme an der göttlichen Person erhoben wurde. Deswegen duldete der Engel nach der Menschwerdung nicht mehr, dass Johannes vor ihm niederfalle, während er es vorher von den größten Patriarchen geschehen ließ. Der Mensch also, diese Erhebung erwägend und beachtend, muss es unter seiner Würde erachten, sich und seine Natur durch die Sünde gemein zu machen. Deshalb sagt der hl. Petrus: «durch ihn wurden euch die köstlichsten Verheißungen geschenkt, so dass ihr dadurch der göttlichen Natur teilhaftig werdet, wenn ihr die verderblichen Lüste dieser Welt fliehet.»<ref> 2 Petr. 1, 4. </ref>

5. Sehnsucht nach Christus. - Denn wenn jemand einen König zum Bruder hätte, aber ferne von ihm wäre, so sehnte er sich gar sehr, zu ihm zu kommen, bei ihm zu sein und zu bleiben. Nun ist Christus wirklich unser Bruder und deshalb müssen wir uns auch sehnen, bei ihm zu sein und mit ihm verbunden zu werden. Es deutet das der Heiland an, wenn er sagt: «Wo das Aas, da versammeln sich die Adler».<ref> Mt. 24, 28. </ref> Und der Apostel sehnte sich, aufgelöst und bei Christus zu sein, eine Sehnsucht, die in uns auch vermehrt wird durch die Betrachtung der Menschwerdung Christi.

Vierter Glaubensartikel: Gelitten unter Pontius Pilatus, gekreuzigt, gestorben und begraben

So notwendig es für den Christen ist, an die Menschwerdung des Sohnes Gottes zu glauben, ebenso notwendig ist ihm der Glaube an dessen bitteres Leiden und Sterben. «Denn es würde uns, wie Gregor der Große sagt, seine Geburt wenig genützt haben, wenn er uns nicht auch erlöst hätte.» - Dass aber Christus für uns gestorben sei, kommt uns so schwer an zu glauben, dass es unser Verstand kaum fassen kann, ja dass es ihn geradezu übersteigt. Es deutet das auch der Apostel an, wenn er Gott sagen lässt: «Ich tue ein Werk in euren Tagen, das ihr nicht glauben werdet, wenn es euch jemand erzählt»,<ref> Apg. 13, 41. </ref> und Habakuk sagt: «Ein Werk wird vollbracht in euren Tagen, das niemand glaubt, wenn es erzählt wird.»<ref> Hab. 1, 5. </ref> So groß ist eben die Gnade Gottes und seine Liebe zu uns, dass er uns mehr getan, als wir nur begreifen können. - Übrigens lehrt der Glaube nicht, dass Christus so den Tod erlitten, dass etwa die Gottheit gestorben wäre, sondern, dass die menschliche Natur in ihm gestorben. Denn er ist nicht gestorben insofern er Gott ist, sondern insofern er Mensch ist.<ref> Cf. Summ. theol. III qu. 46 art. 12. </ref> Drei Beispiele machen das klar. Eines findet sich in uns selbst. Es ist nämlich klar, dass, wenn der Mensch stirbt, bei der Scheidung der Seele vom Leibe nicht die Seele, sondern der Leib oder das Fleisch stirbt: so ist auch beim Tode Christi nicht die Gottheit, sondern die menschliche Natur gestorben. - Aber, wenn die Juden nicht die Gottheit töteten, so möchte man meinen, sie haben nicht schwerer gesündigt, als wenn sie irgend einen anderen Menschen getötet hätten. Darauf kann man wieder mit einem Beispiel antworten. Gesetzt der Fall, es würde jemand das Kleid, das der König trägt, verunehren, so würde das für gleich schuldbar gehalten, als wenn er den König selbst verunehrt hätte. Und so sind auch die Juden, wenn sie schon nicht die Gottheit, sondern nur die menschliche Natur in Christus töten konnten, doch so strafbar, als wenn sie die Gottheit getötet hätten. - Ferner ist früher gesagt worden, dass der Sohn Gottes das Wort Gottes ist, und dass dessen Menschwerdung verglichen werden könne mit dem Niederschreiben des königlichen Wortes auf das Papier. Wenn nun einer das königliche Aktenstück zerrisse, so würde das für gleich gehalten, wie wenn er das Wort des Königs selbst vernichtete. Und so ist auch die Sünde der Juden für so groß zu halten, als wie wenn sie das Ewige Wort selbst getötet hätten.

Aber war es denn notwendig, dass das Wort Gottes für uns gelitten hat? Gar sehr. Und der Gründe dieser Notwendigkeit können besonders zwei angeführt werden: einerseits damit sein Leiden uns ein Heilmittel der Sünde, anderseits damit es uns ein Vorbild für das Leben werde.

Vorab sollte sein Leiden ein Heilmittel wider die Sünde sein, und das ist es geworden für alle Übel, die wir durch die Sünde uns zugezogen. Solcher Übel aber sind fünf:

1. Die Sündenmakel. - Der Mensch nämlich befleckt, wenn er sündigt, seine Seele. Denn wie die Tugend die Schönheit der Seele ausmacht, so die Sünde ihre Entstellung und Befleckung, nach dem Worte der Schrift: «Wie kommt es doch Israel, dass du in der Feinde Land bist. Unrein bist du geworden mit den Toten.»<ref> Bar 3, 10. </ref> Diese Makel aber nimmt das Leiden Christi weg. Denn Christus hat in seinem Leiden durch sein Blut ein Bad bereitet, um damit die Sünder abzuwaschen. «Er hat uns gewaschen von unseren Sünden mit seinem Blute.»<ref> Offb. 1, 5. </ref> Gewaschen aber wird die Seele durch das Blut Christi in der Taufe, weil diese aus dem Blute Christi eine läuternde Kraft hat. Wenn deshalb einer nachher wieder sich befleckt durch die Sünde, so fügt er Christus eine Schmach zu, und sündigt mehr als vorher. Daher sagt der Apostel: «Hatte jemand das Gesetz Moses übertreten, so musste er ohne Erbarmen auf zweier oder dreier Zeugnis hin sterben; wie viel mehr, meinet ihr, verdient jener härtere Strafen, welcher den Sohn Gottes mit Füßen getreten, und das Blut des Bundes, wodurch er geheiligt worden, für unrein gehalten, und dem Geist der Gnade Schmach angetan hat.»<ref> Hebr. 10, 28. </ref>

2. Die Sündenschuld (Beleidigung Gottes). - Wie nämlich der Sinnliche die sinnliche Schönheit liebt, so liebt Gott die geistige, welche in der Schönheit der Seele besteht. Da nun aber durch die Sünde die Seele verunstaltet wird, so wird dadurch Gott beleidigt, und er hasst den Sünder. «Verhasst ist Gott der Frevler und seine Freveltat.»<ref> Weish. 14. 9.</ref> Durch das Leiden Christi aber wird dies aufgehoben, er hat für die Sünde Gott genuggetan, für die der Mensch nicht genugtun konnte, seine Liebe und sein Gehorsam waren größer als die Sünde und Übertretung der ersten Menschen. Und so tritt ein was der Apostel sagt: «Da wir Gott verhasst waren, sind wir mit ihm wieder versöhnt worden durch den Tod seines Sohnes.»<ref> Röm. 5, 10. </ref> Eine fernere Sündenfolge ist:

3. Die Schwachheit. - Denn es meint der Mensch, wenn er etwa einmal sündige, so könne er sich nachher leicht davon enthalten. Allein, es tritt das Gegenteil ein. Denn durch die erste Sünde wird der Mensch geschwächt und geneigter zum Sündigen, und die Sünde beherrscht den Menschen, und der Mensch bringt sich damit, so viel an ihm gelegen ist, in einen solchen Zustand, dass er ohne Unterstützung durch göttliche Kraft sich nicht mehr zu erheben vermag, wie einer, der in eine Grube gefallen ist. So ist unsere Natur, nachdem der Mensch gesündigt, geschwächt und verdorben, und mehr zum Sündigen geneigt. Aber Christus hat diese Schwäche und Hinfälligkeit gemindert, wenn auch nicht ganz aufgehoben. Immerhin ist der Mensch durch das Leiden Christi so gestärkt und die Sünde geschwächt, dass sie nicht mehr solche Gewalt über ihn hat, sondern er vielmehr, unterstützt durch die Gnade, welche in den Sakramenten (die in dem Leiden Christi ihre Kraft haben) erteilt wird, den Kampf aufnehmen, und sich von der Sünde erheben kann. «Unser alte Mensch ist mit ihm gekreuzigt worden, damit der Leib der Sünde vernichtet werde.»<ref> Röm. 6, 6. </ref> So kommt es, dass vor dem Leiden Christi wohl nur wenige ihr Leben ohne schwere Sünde zubrachten, während nachher viele ohne schwere Sünde ihr Leben zubrachten und noch zubringen. - Durch die Sünde zogen wir uns dann zu:

4. Eine Strafschuld. - Denn das fordert die göttliche Gerechtigkeit, dass, wer immer sündigt, auch gestraft werden muss. Die Grösse der Strafe aber richtet sich nach der Grösse der Schuld. Da nun aber die Schuld der Todsünde eine unendliche ist, weil sie gegen ein unendliches Gut, nämlich Gott geht, dessen Gebote der Sünder verachtet, so muss auch die der Todsünde gebührende Strafe eine unendliche sein. Christus hat uns nun aber durch sein Leiden diese Strafe abgenommen und selbst getragen. «Unsere Sünden (d. i. die Strafen derselben) hat er an seinem Körper getragen.»<ref>1 Petr. 2, 24. </ref> Denn das Leiden Christi hatte eine so große Kraft, dass es genügt, alle Sünden der Welt zu sühnen, auch wenn sie Millionen wären. Daher werden diejenigen, die getauft werden, von allen Sünden gewaschen. Aus demselben Grunde kann der Priester Sünden nachlassen. Und daher auch wird, je mehr sich einer dem Leiden Christi verähnlicht, um so mehr Verzeihung erlangen und Gnade verdienen. - Die letzte Sündenfolge ist:

5. Die Verbannung vom Himmelreich. - Gleichwie nämlich jene, die einen König beleidigen, gezwungen werden, sein Reich zu verlassen, so wird auch der Mensch wegen der Sünde aus dem Paradies vertrieben. Daher wurde Adam gleich nach der Sünde aus dem Paradies geworfen und die Pforte desselben geschlossen. Aber Christus hat mit seinem Leiden diese Pforte wieder geöffnet und die Verbannten in das Reich zurückgerufen. Denn durch die Öffnung der Seite Christi ist die Pforte des Paradieses geöffnet worden. Und so wurde also durch das Blut Christi die Makel der Sünde abgewaschen, Gott versöhnt, die Schwäche hinweggenommen, die Strafe gesühnt, und die Verbannten werden ins Reich zurückgerufen. Und daher wurde dem Schächer gesagt: «heute noch wirst du bei mir im Paradies sein». Das wurde vor ihm keinem gesagt, nicht dem Adam, nicht Abraham, nicht David, sondern gerade damals, als der Schächer darum bat, ist die Pforte geöffnet worden. Und darum hieß es: «heute noch» und erhielt er Vergebung. «Zuversichtliche Hoffnung haben wir, in das Heiligtum einzugehen durch das Blut Christi».<ref> Hebr. 10, 19. </ref> Dies also ist der Nutzen des Leidens Christi, insofern es ein Heilmittel wider die Sünde ist.<ref> Cf. S. theol. III qu. 49. Das Ganze ist die Ausführung des Gedankens, dass durch die Erlösung aufgehoben wird: die verschuldete Sündenmakel (macula culpa vgl. 1 und 2), und die Strafschuld (reatus poenre, vgl. 4); gemildert, wenn auch nicht ganz geheilt die Wunde der Natur (vulnera naturae, fomes peccati vgl. 3) und dadurch ermöglicht: die Erreichung des ewigen Endzieles (die visio beatifica vgl. 5) cf. tract. de justificat. </ref>

Aber nicht geringer ist sein Nutzen, als Beispiel für uns. Denn wie der hl. Augustinus sagt: genügt schon das Leiden Christi, um uns Vorbild für unser ganzes Leben zu sein. Wer immer nämlich vollkommen leben will, hat nichts anderes zu tun, als zu verachten, was Christus am Kreuze verachtete, und zu begehren was Christus am Kreuze begehrte. Und es fehlt kein Vorbild irgend einer Tugend am Kreuze. - Suchst du

1. Das Beispiel der Liebe, - «so hat niemand eine größere Liebe, als wer sein Leben gibt für seine Freunde.»<ref> Joh. 15, 1. </ref> Das aber tat Christus am Kreuze, und wenn er sogar sein Leben für uns hingegeben, so sollte es auch uns nicht schwer werden, für ihn was immer für Leiden auf uns zu nehmen. «Was soll ich dem Herrn wieder tun für alles, was er für mich getan?»<ref> Ps. 115, 3. </ref> - Suchst du

2. Ein Beispiel der Geduld, - so findest du das schönste am Kreuze. Denn die Geduld wird besonders durch zwei Dinge erhöht, entweder dadurch, dass einer große Leiden geduldig erträgt, oder dadurch, dass er etwas auf sich nimmt, dem er ausweichen könnte, und dies doch nicht tut. Christus aber hat wirklich große Leiden am Kreuze ertragen. «Ihr alle, die ihr vorbeigeht, seht zu, ob ein Schmerz dem meinen gleiche.»<ref> Klg. 1, 12. </ref> Er hat sie geduldig ertragen, weil er bei allen Leiden keine Klagen ausgestossen. «Wie ein Lamm wird er zur Schlachtbank geführt, und wie ein Schäflein, das geschoren wird, tut er den Mund nicht auf.»<ref> 1. Petr. 11, 23. u. Is 53. 7. </ref> Er konnte auch den Leiden ausweichen und hat es doch nicht getan, denn er sagt: «Oder glaubst du, ich könnte nicht meinen Vater bitten, und er würde mir mehr als zwölf Legionen Engel senden.»<ref> Mt. 26, 53. </ref> So ist also die Geduld Christi am Kreuze eine überaus große. «Und so lasset uns also mit Geduld dem uns vorgelegten Kampfe zulaufen, indem wir aufblicken zu dem Anfänger und Vollender des Glaubens, Christus Jesus, der für die ihm vorgelegte Freude das Kreuz auf sich nahm und die Schmach nicht scheute.»<ref> Hebr. 12, 1. </ref> Oder du suchst

3. Ein Beispiel der Demut, - sieh auf den Gekreuzigten: denn ein Gott wollte gerichtet werden von Pontius Pilatus und sterben. «Deine Sache ist, wie die eines Ungerechten, verurteilt worden.»<ref> Job 36, 17.</ref> Ja wahrhaft, wie die eines Ungerechten, «da wir ihn mit dem schmählichsten Tode bestrafen.»<ref> Weish. 2, 20. </ref> Der Herr wollte für die Diener das Leben der Engel für den Menschen sterben. «Gehorsam ward er bis zum Tode am Kreuze.»<ref> Phil. 2, 9. </ref> - Willst du also

4. Ein Beispiel des Gehorsams, - so folge wiederum dem nach, der gehorsam geworden dem Vater bis zum Tode. «Denn gleichwie durch den Ungehorsam des einen Menschen (Adams) die Vielen zu Sündern geworden sind, so werden auch durch den Gehorsam des einen (Christus) die Vielen zu Gerechten gemacht.»<ref> Röm. 5, 19. </ref> - Und willst du endlich

5. Ein Beispiel der Weltverachtung, - so folge dem nach, der zwar der König der Könige, der Herr der Herrschenden, in welchem sich alle Schätze der Weisheit finden, und der doch am Kreuze dahängt: entblösst, verspottet, verspieen, geschlagen, mit Dornen gekrönt, mit Essig und Galle getränkt, gestorben. Hänge dich daher nicht an Kleiderpracht und Reichtum, «weil sie meine Kleider unter sich verteilt»;<ref> Ps. 21, 19. </ref> nicht an Ehren, «da ich Spott und Schläge erfahren»; nicht an Würden, «da sie eine Dornenkrone aufs Haupt mir setzten»; nicht an Lüste, «da in meinem Durste sie mich tränkten mit Essig.»<ref> Ps. 18, 12. </ref> In dem Sinne sagt auch Augustinus über jene Stelle bei Hebr. 12, 2: «Der für die ihm vorgelegte Freude das Kreuz erduldete»: «Alle irdischen Güter verachtete Christus in seiner Menschheit, damit er uns mit dieser Weltverachtung ein Beispiel gebe.»

Fünfter Glaubensartikel

Hinabgestiegen in das Reich des Todes

Wie gezeigt worden ist, bestand der Tod Christi, wie der der anderen Menschen, in der Trennung von Leib und Seele, aber die Gottheit war so unauflöslich mit dem Menschen Christus verbunden, dass, obwohl Leib und Seele sich von einander getrennt hatten, doch jene fortwährend aufs vollkommenste mit Leib und Seele verbunden blieb, weshalb der Sohn Gottes mit dem Leibe im Grabe gegenwärtig war und mit der Seele in die Hölle stieg.<ref> Cf. S. Theol. III qu. 50. u. 51. </ref>

Es sind aber vier Gründe, warum Christus mit seiner Seele in die Hölle stieg. Der nächste Grund war der:

1. Damit er die ganze Strafe der Sünde aushalte, um so dann auch die ganze Schuld zu sühnen. Die Strafe der Sünde des Menschen war aber nicht nur der Tod des Körpers, sondern es war auch eine Strafe in der Seele, da ja auch die Sünde ihren Sitz in der Seele hatte und somit auch die Seele bestraft wurde, und zwar mit dem Verlust der Anschauung Gottes, eine Strafe, für deren Aufhebung noch nicht genuggetan war. Daher stiegen vor der Ankunft Christi alle, auch die hl. Altväter nach dem Tode in die (vor-) Hölle. Damit nun also Christus die ganze auf der sündigen Menschheit lastende Strafe aushalte, wollte er nicht nur sterben, sondern mit seiner Seele auch in die Hölle hinabsteigen. Daher heißt es Ps. 87.5: «Ich bin gleich geachtet denen, die in die Grube fahren, bin geworden, wie ein Mensch ohne Hilfe, unter den Toten ein Freier.» Die andern nämlich waren dort als Sklaven, Christus aber als Freier. - Ein fernerer Grund der Höllenfahrt Christi war:

2. Damit er vollkommen all seinen Freunden zu Hilfe komme'. Er hatte nämlich seine Freunde nicht nur auf Erden, sondern auch in der Unterwelt, dadurch ist nämlich jemand Freund Christi, dass er die Liebe hat. In der Unterwelt aber waren viele, die mit der Liebe und dem Glauben an den kommenden Erlöser abgeschieden waren, wie Abraham, Isaak, Jakob, Moses, David und andere gerechte und vollkommene Männer. Und weil nun uns Christus sichtbar auf dieser Erde heimsuchte, aber auch jenen mit seinem Tode zu Hilfe kam, so wollte er auch jene von den Seinigen heimsuchen, die in der Unterwelt waren, und ihnen zu Hilfe kommen, indem er auch zu ihnen hinabstieg. «Ich will alle geheimen Teile der Erde durchdringen, und alle Schlafenden heimsuchen und alle erleuchten, die auf den Herrn hoffen.»<ref> Sir. 24, 45. </ref> - Ein weiterer Grund ist:

3. Damit er vollkommen über den Teufel triumphiere. Dann nämlich triumphiert jemand vollkommen über einen anderen, wenn er ihn nicht nur besiegt in offener Feldschlacht, sondern wenn er ihn auch bis in seine eigene Behausung verfolgt und ihn seines Thrones und Wohnsitzes beraubt. Christus nun triumphierte über den bösen Feind und hatte ihn besiegt am Kreuze; daher sagte er: «Jetzt ergeht das Gericht über die Welt, jetzt wird der Fürst dieser Welt in die Flucht geschlagen.»<ref> Joh. 12, 31.</ref> Damit er aber vollkommen triumphiere, wollte er ihm den Thron seines Reiches wegnehmen, und ihn fesseln in seiner Behausung, die eben die Hölle ist. Daher stieg er dort hinab, raubte ihm alles, fesselte ihn und nahm ihm seine Beute. «Er entwaffnete die Oberherrschaften und Gewalten, führte sie mutvoll einher und triumphierte über sie öffentlich durch sich selbst.»<ref> Kol. 2, 15. </ref> Ebenso, weil Christus die Herrschaft und den Besitz über Himmel und Erde empfangen, wollte er auch die Gewalt über die Hölle erlangen, damit so nach dem Apostel «im Namen Jesu jegliches Knie sich beuge, derer, die im Himmel, auf der Erde und unter der Erde sind»<ref> Phil. 2, 10. </ref> und: «In meinem Namen, werden sie Teufel austreiben.»<ref> Mk. 16, 17. </ref> - Der letzte Grund ist:

4. Damit er die Heiligen, die in der (Vor-) Hölle waren, befreie. Wie nämlich Christus den Tod erleiden wollte, damit er die Lebenden von dem Tode befreie, so wollte er auch zur Unterwelt hinabsteigen, damit er die befreie, die dort weilten. So sagt schon der Prophet: «Du wirst auch entlassen im Blute deines Bundes deine Gefangenen aus der wasserleeren Grube.»<ref> Sach. 9, 11. </ref> «O Tod, ich will dein Tod sein, Hölle, ich will dein Biss sein.»<ref> Hos 13, 14. </ref> Obwohl nämlich Christus den Tod vollkommen vernichtete, so hat er doch die Hölle nicht ganz vernichtet, sondern sie (gleichsam) nur verwundet, weil er nämlich nicht alle aus ihr befreite, sondern nur jene, die ohne Todsünde und auch ohne Erbsünde waren, von welch letzterer sie für sich persönlich befreit worden waren durch die Beschneidung; oder vor der Beschneidung diejenigen, die noch nicht beim Vernunftgebrauch waren, durch den Glauben rechtgläubiger Eltern, die Erwachsenen aber durch Opfer und durch den Glauben auf den kommenden Erlöser.<ref> Cf. S. theol. III qu. 70. spec. art. 4. ad 2. </ref> Aber sie wurden noch dort zurückgehalten wegen der Ursünde Adams, von der sie wenigstens bezüglich ihrer Gattungseinheit mit ihm nicht befreit werden, konnten, außer durch Christus. Dagegen beließ er dort jene, die mit einer schweren Sünde hinabgestiegen und die unbeschnittenen Kinder;<ref> Cf. S. theol. III qu. 52 art. 7. </ref> und darum heisst es nur: «ich werde dein Biss sein o Tod,» So also ist Christus zur Hölle gestiegen und aus den angeführten Gründen.<ref> Cf. für das Ganze III qu. 52. </ref>

Hieraus können wir viererlei zu unserer Erbauung entnehmen:

1. Eine feste Hoffnung auf Gott - denn wie sehr auch der Mensch in Bedrängnis sein möge, immer doch soll er auf die Hilfe Gottes hoffen und auf ihn vertrauen. Denn nichts so Schweres gibt es, als in der Hölle sein. Wenn also Christus jene, die in der (Vor)Hölle waren, befreit hat, so darf jeder, wenn er nur ein Freund Gottes ist, vertrauen, dass auch er vor ihm aus jeglicher Bedrängnis befreit werde. «Diese (die göttliche Weisheit) hat den verkauften Gerechten nicht verlassen, sondern ist mit ihm in die Grube gestiegen und verließ ihn in den Banden nicht.»<ref> Weish. 10, 13. </ref> Und weil Gott insbesonders seinen Dienern hilft, so darf besonders sicher sein, der Gott dient. «Wer der Herrn fürchtet, zittert vor nichts und erschrickt nicht, denn er ist seine Hoffnung.»<ref> Sir. 34. 16. </ref>

2. Eine heilsame Furcht und Flucht der Vermessenheit. - Denn obwohl Christus für die Sünder gelitten und abgestiegen ist zur Hölle, so hat er doch nicht alle daraus befreit, sondern nur jene, die ohne schwere Sünde waren, wie oben ausgeführt worden ist. Jene aber, die in der Todsünde gestorben, beließ er dort, deshalb hoffe keiner Verzeihung, der mit schwerer Sünde dort hinuntersteigt, sondern er wird so lange in der Hölle sein, als die heiligen Väter im Paradiese, nämlich ewig. «Sie werden eingehen zur ewigen Strafe, die Gerechten dagegen ins ewige Leben.»<ref> Mt. 25. 48. </ref>

3. Eine ängstliche Sorgfalt. - Christus ist zu unserem Heile zur Hölle hinabgestiegen und so müssen auch wir oft in Besorgnis dort hinabsteigen, indem wir nämlich jene Strafen betrachten, wie das auch Ezechias tat, indem er sagte: «Ich sprach: in der Hälfte meiner Tage will ich zu den Pforten der Unterwelt steigen.»<ref> Is 38, 10. </ref> Denn wer dorthin durch Betrachtung fleissig hinabsteigt im Leben, wird nicht so leicht hinabsteigen im Tode, weil dessen Erwägung abhält von der Sünde. Denn wir sehen, dass die Menschen dieser Welt sich hüten vor Verbrechen wegen der zeitlichen Strafe. Wie viel mehr muss man sich deshalb davor hüten wegen der Strafe der Hölle, die viel größer ist, sowohl in Bezug auf ihre Länge, als auf ihre Bitterkeit und Vielfältigkeit. Deshalb sagt der Weise: «Gedenke der letzten Dinge, so wirst du in Ewigkeit nicht sündigen.»<ref> Sir. 7, 40. </ref>

4. Ein Beispiel der Liebe. - Christus stieg nämlich zur Hölle, um die Seinigen daraus zu erlösen. Und so müssen auch wir dort hinabsteigen, um den Unsrigen zu Hilfe zu kommen. Denn sie können sich selbst nicht helfen und deshalb müssen wir denen zu Hilfe kommen, die im Fegfeuer sind. Gar hart wäre der, welcher seinem Freunde nicht zu Hilfe käme, der im Kerker sich befände. Aber noch viel härter ist der, welcher seinem Freunde nicht zu Hilfe kommt, der im Fegfeuer ist, da kein Vergleich der zeitlichen Strafen mit jenen ist. Mit Job rufen die armen Seelen uns zu: «Erbarmt euch meiner, erbarmt euch meiner, wenigstens ihr meine Freunde; denn die Hand Gottes hat mich berührt.»<ref> Job 19, 21. </ref> Und deshalb heißt es an einer anderen Stelle: «Es ist ein heiliger und heilsamer Gedanke, für die Verstorbenen zu beten, damit sie von ihren Sünden befreit werden.»<ref> 2 Makk. 12, 46. </ref> Zu Hilfe kommt man ihnen aber besonders durch drei Dinge, wie der hl. Augustinus sagt, nämlich durch Messen, Gebete und Almosen. Und der hl. Gregor fügt ein viertes hinzu, nämlich das Fasten. Der Grund ist einleuchtend, denn auch in dieser Welt kann der Freund dem Freunde zu Hilfe kommen. Zu verstehen ist aber dieses selbstverständlich nur von denen, die im Fegfeuer sind.

Am dritten Tag wieder auferstanden von den Toten

Zwei Dinge sind dem Menschen notwendig, dass er sie wohl wisse, nämlich die Herrlichkeit Gottes und die Strafe der Hölle. Denn durch die Herrlichkeit angezogen und durch die Strafen abgeschreckt, hüten sich die Menschen vor der Sünde und werden davon abgezogen. Aber gerade diese Dinge sind ihnen gar schwer fassbar. Daher heißt es von der göttlichen Glorie: «Was im Himmel ist, wer erforscht es?»<ref> Weish. 9, 16. </ref> Und zwar sind sie den Irdischgesinnten deshalb schwer erkennbar, weil, «wer von der Erde stammt, auch nur von der Erde spricht».<ref> Joh. 3, 31. </ref> Nicht schwer dagegen sind sie für die Geistigen, weil, «wer von dem Himmel kommt, über alle ist».<ref> Joh. 3, 31. </ref> Deshalb ist nun Gott vom Himmel gestiegen und Fleisch geworden, damit er uns das Himmlische lehre. - Ebenso war es aber auch schwer, die Strafen der Hölle kennen zu lernen, «denn noch keiner ist bekannt geworden, der von der Unterwelt zurückgekehrt wäre»,<ref> Weish. 2, 1. </ref> sagt der Gottlose. Aber auch das kann man jetzt nicht mehr sagen. Denn wie er herabgestiegen von dem Himmel, um das Himmlische zu lehren, so ist er auch erstanden von den Toten, um uns über die Unterwelt zu unterrichten. Und so ist es notwendig, dass wir glauben, nicht nur, dass er Mensch geworden und gestorben, sondern auch, dass er wieder auferstanden von den Toten. Und deshalb heißt es: «am dritten Tag wieder auferstanden von den Toten.» - Es gibt aber mehrere, die wieder von den Toten auferstanden, so Lazarus, der Sohn der Witwe, die Tochter des Jairus. Die Auferstehung Christi jedoch unterscheidet sich von derjenigen dieser und anderer in vier Punkten:

1. In Bezug auf die Ursache der Auferstehung.<ref> Cf. S. theol. III qu. 53 art. 4. </ref> Die anderen nämlich, die auferstanden sind, taten dies nicht in eigener Kraft, sondern durch Christus oder auf das Gebet irgend eines Heiligen hin. Christus aber erstand in eigener Kraft, weil er nicht nur Mensch war, sondern auch Gott und die Gottheit des Logos niemals getrennt war, weder von der Seele, noch von dem Leibe, weshalb dann eben der Leib die Seele und die Seele den Leib wieder annahm, sobald sie wollte. In dem Sinne sagte der Heiland selbst: «Ich habe die Gewalt, meine Seele hinzugeben und sie wiederum anzunehmen.»<ref> Joh. 10, 18. </ref> Deshalb, wenn er auch starb, so geschah dies doch nicht aus Schwachheit, oder aus Notwendigkeit, sondern in eigener Macht und mit freiem Willen. Was ebenfalls klar daraus hervorgeht, dass, als er den Geist aushauchte, er mit kräftiger Stimme noch redete, was die anderen Sterbenden nicht mehr vermögen, weil sie aus Schwachheit sterben. Daher sagte der Hauptmann unter dem Kreuze: «Wahrhaft, dieser war Gottes Sohn.»<ref> Mt. 27, 54. </ref> Wie er aber so aus eigener Kraft seine Seele dahingab, so nahm er sie auch in eigener Kraft wieder an, weshalb man sagt: «er erstand» und nicht er wurde auferweckt, gleichsam von einem anderen. «Ich schlief ein und schlummerte und stand wieder auf.»<ref> Ps. 3, 6. </ref> Auch widerspricht dies nicht jener anderen Stelle, wenn es heißt: «Diesen Jesus hat Gott wieder auferweckt.»<ref> Apg. 2, 32. </ref> Denn der Vater erweckte ihn und der Sohn, da der Vater und der Sohn gleiche Macht besitzen. - Es unterscheidet sich seine Auferstehung von der anderer aber auch:

2. In Bezug auf das Leben, zu welchem er erstand'<ref> Cf. III qu. 54. </ref> - denn Christus erstand zu einem glorreichen und unverweslichen Leben, nach jenen Worten des Apostels: «Christus erstand von den Toten durch die Herrlichkeit des Vaters»<ref> Röm. 6. 4. </ref>, die andern aber zu dem gleichen Leben, das sie vorher hatten: wie das sich bei Lazarus und den anderen zeigt. - Ein Unterschied ist:

3. In Bezug auf die Früchte und Wirksamkeit,<ref> Cf. III qu. 56. </ref> weil in Kraft der Auferstehung Christi die anderen auferstehen. «Viele Leiber der Heiligen, die entschlafen waren, erstanden»,<ref> Mt. 27, 52. </ref> und «Christus erstand vor den Toten, er, der Erstling der Entschlafenen.»<ref> 1 Kor. 15, 20. </ref> Zu beachten ist aber dabei, dass Christus durch das Leiden zur Glorie gelangte: «Musste so nicht Christus leiden, und also in seiner Herrlichkeit eingehen?»<ref> Lk. 24, 26. </ref> damit er uns belehre, wie auch wir zur Herrlichkeit gelangen können. «Durch viele Prüfungen müssen wir ins Reich Gottes eingehen.»<ref> Apg. 14, 21. </ref> Endlich ist ein Unterschied:

4. In Bezug auf die Zeit,<ref> Cf. III qu. 53 art. 2. </ref> denn die glorreiche Auferstehung der anderen wird verschoben bis zum Ende der Welt, außer sie werde einigen durch eine ganz besondere Vergünstigung schon vorher zugestanden, wie der allerseligsten Jungfrau und nach einem frommen Glauben dem hl. Evangelisten Johannes, dagegen Christus erstand schon am dritten Tage. Der Grund dafür ist der, weil die Auferstehung und der Tod und die Geburt Christi wegen unserem Heile eintraten, und er darum dann auferstehen wollte, als es unser Heil erforderte. Wäre er nun sogleich auferstanden, so hätte man nicht geglaubt, dass er gestorben sei; anderseits, wenn er seine Auferstehung lange hinausgeschoben hätte, so würden die Jünger im Glauben nicht standhaft geblieben sein und so hätte sein Leiden keinen Nutzen gehabt. «Was ist für ein Nutzen in meinem Blute, wenn ich zur Verwesung niedersteige?»<ref> Ps. 29, 10. </ref> Und daher ist er am dritten Tage auferstanden, damit man seinen Tod glaube und damit die Jünger den Glauben nicht verlören.<ref> Cf. für das Ganze III qu. 53-57. </ref>

Hieraus können wir viererlei zu unserer Erbauung entnehmen:

1. Wir sollen uns bemühen, Geistigerweise von dem Tode der Seele, den wir uns durch die Sünde zugezogen, aufzuerstehen zum Leben der Gerechtigkeit, das in der Buße geführt wird. In diesem Sinne sagt der Apostel: «Erhebe dich, der du schläfst, und erstehe von den Toten und Christus wird dich erleuchten».<ref> Eph. 5, 14. </ref> Es ist dies dann die erste Auferstehung, von der auch die Apokalypse spricht, wenn es heißt: «Glückselig, wer Teil hat an der ersten Auferstehung».<ref> Offb. 20, 6. </ref>

2. Man soll diese Auferstehung nicht verschieben bis zum Tode, sondern bald sie vornehmen, weil auch Christus (schon) am dritten Tage auferstanden ist. Darum heißt es in der Heiligen Schrift: «Zögere nicht, dich zu bekehren zum Herrn, und verschiebe es nicht von Tag zu Tag.»<ref> Sir. 5, 8. </ref> Denn du kannst nicht wohl über dein Heilsgeschäft nachdenken, wenn du von der Schwäche der Krankheit gedrückt wirst; auch verhinderst du damit einen Teil all jenes Guten, das in der Kirche sonst geschehen sollte, und stürzest dich in viel Böses durch dein Verharren in der Sünde. Zudem lässt, wie der hl. Beda sagt, der Teufel einen um so schwerer los, je länger er ihn besessen.

3. Wir sollen zu einem unverweslichen Leben auferstehen, so, dass wir nicht wieder sterben. Das will heissen, mit einem solchen Vorsatz, dass wir fortan nicht mehr sündigen. Auf diesen Gedanken macht auch der Apostel aufmerksam, wenn er sagt<ref> Röm. 6, 9. </ref>: «Christus, von den Toten auferstanden, stirbt nicht mehr, der Tod hat fortan keine Herrschaft mehr über ihn», und dann weiter unten die Anwendung macht: «So sollet auch ihr bedenken, dass ihr der Sünde abgestorben seid, und für Gott lebt in Christus Jesus. Deshalb soll auch in eurem sterblichen Leibe die Sünde keine Herrschaft haben, indem ihr etwa seinen Begierden gehorchen (folgen) würdet. Sondern gebt euere Glieder der Sünde nicht hin, als Werkzeuge der Ungerechtigkeit, vielmehr gebet euch Gott hin, als lebendig Gewordene von den Toten.»<ref> Röm. 6, 11. </ref>

4. Wir sollen auferstehen zu einem neuen höheren Leben, indem wir alles meiden, was uns früher Gelegenheit oder Ursache des Todes der Sünde war. «Wie Christus auferstanden ist von den Toten in der Herrlichkeit des Vaters, so lasset auch uns in einem neuen Leben wandeln».<ref> Röm. 6, 4. </ref> Dieses neue Leben aber ist das Leben der Gerechtigkeit, welches die Seele erneuert und zum Leben der ewigen Herrlichkeit führt. Amen.

Sechster Glaubensartikel: Aufgefahren in den Himmel, er sitzt zur Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters

Nach der Auferstehung Christi muss man seine Auffahrt glauben, vermöge welcher er sich am vierzigsten Tag zum Himmel erhob, und deshalb heißt es: «aufgefahren zum Himmel». Darüber hat man sich dreierlei zu merken: Erstens nämlich, dass die Auffahrt erhaben, dann dass sie wohlbegründet und endlich, dass sie nützlich war.

Erhaben war sie, weil Christus bis zum Himmel sich erhob. Es hat das einen dreifachen Sinn:

1. Er erhob sich über alle körperlichen Himmel.<ref> Cl. S. theol. III qu. 57 art. 4. </ref> - So sagt der Apostel: «Er stieg auf über alle Himmel».<ref> Eph. 4, 10. </ref> Und zwar war Christus hierin der erste: denn vorher waren irdische Körper nur auf der Erde, so sehr, dass selbst Adam in einem irdischen Paradiese war.

2. Er fuhr auf über alle geistigen Himmel,<ref> Cf. I. cit. art. 5. </ref> - d. h. über die rein geistigen Wesen. Denn so heißt es im Epheserbrief: «Er hat Jesus gesetzt zu seiner Rechten im Himmel; über jede Oberherrschaft und Gewalt und Macht und Herrschaft, und jede Würde, die nicht nur in dieser Welt, sondern auch in der zukünftigen genannt wird; und alles hat er unter seine Füße gelegt».<ref> Eph. 1. 20. </ref>

3. Er erhob sich bis zum Sitze des Vaters.<ref> Cf. S. theol. III qu. 58. </ref> - So sagt Daniel 7. 13: «Siehe! auf den Wolken des Himmels kam der Menschensohn, und kam bis zum Alten der Tage». Und bei Markus 19 heißt es: «Und unser Herr Jesus Christus, nachdem er gesprochen. wurde zum Himmel erhoben, und sitzet zur Rechter Gottes.» Das ist aber bei Gott nicht von einer körperlichen Rechten gemeint, sondern in übertragenem Sinne zu verstehen; indem von Gott insofern gesagt wird, er sitze zur Rechten des Vaters, d. i. ihm gleichgestellt, als auch ein Mensch zur Rechten des Vaters sitzt, d. h. an seinen Gütern Anteil hat. Dieses strebte der böse Feind an, nach Isai 14, 13: «Zum Himmel will ich mich erheben, und über die Sterne Gottes meinen Thron erheben; sitzen will ich auf dem Berge des Bundes, auf der Seite nach Süden; und erheben will ich mich über die Höhe der Wolken gleich sein dem Allerhöchsten.» Aber niemand erhob sich so hoch als Christus und deshalb heißt es: «Er ist aufgefahren zum Himmel und sitzet zur Rechter des Vaters», und im Psalm: «Es sprach der Herr zu meinem Herrn: sitze zu meiner Rechten».<ref> Ps. 109. 1. </ref>

Zweitens war die Himmelfahrt Christi wohl begründet,<ref> Cf. S. theol. III qu. 57 art. 1. </ref> d. h. billig oder von der Vernunft gefordert Denn:

1. Der Himmel gebührte Christus wegen seiner Natur. - Es ist nämlich naturgemäß, dass ein jedes Wesen dahin zurückkehrt, von woher es seinen Ursprung genommen. Der eigentliche Ursprung Christi aber ist von Gott, der über alles erhaben ist. Denn so spricht er: «Ich bin vom Vater ausgegangen und in diese Welt gekommen, und so verlasse ich wieder diese Welt und gehe zum Vater»<ref> Joh. 16, 28. </ref> und: «Niemand erhebt sich zum Himmel, außer wer vom Himmel gekommen, der Menschensohn, der im Himmel ist».<ref> Joh. 3, 13. </ref> Denn obwohl auch die Heiligen in den Himmel eingehen, so doch nicht wie Christus, weil dieser in eigener Kraft, die Heiligen aber nachgezogen von Christus nach dem Worte des Hohenliedes: «Ziehe mich nach dir».<ref> Hld. 1.3. </ref> Oder man kann auch sagen, dass wirklich niemand in den Himmel aufsteigt, als Christus. Weil die Heiligen sich nur dahin erheben insofern sie Glieder Christi sind, während er das Haupt der Kirche ist, so dass an ihnen dann in Erfüllung geht, was der Heiland sagt: «Wo immer ein Aas ist, da versammeln sich die Adler».<ref> Mt. 26, 28. </ref>

2. Es gebührte Christus der Himmel wegen seinem Siege. - Denn er war in die Welt gesandt, um gegen den Teufel zu kämpfen; und er besiegte ihn; und daher verdiente er, über alles erhoben zu werden. «Ich siegte und sitze (darum) zur Rechten meines Vaters auf seinem Throne».<ref> Offb. 3, 21. </ref>

3. Er verdiente dies wegen seiner Demut. - Denn keine Demut ist so groß, als die Demut Christi, da er, obwohl er Gott war, Mensch werden wollte, und obwohl er Herr war, doch Knechtsgestalt annahm, wie der Apostel sagt,<ref> Phil. 2, 8. </ref> und sogar bis zur Hölle hinabstieg. Daher verdiente er, erhoben zu werden, denn die Demut ist der Weg zur Erhöhung, heißt es doch in der Schrift: «Wer sich verdemütigt, wird erhöht werden»,<ref> Lk. 14, 11. </ref> und von Christus insbesonders: «Der herabstieg, der ist es auch, der emporstieg über alle Himmel».<ref> Eph. 4, 10. </ref>

Drittens war die Auffahrt Christi nützlich,<ref> Cf. S. theol. III qu. 57 art. 6. </ref> und dieses wieder aus drei Gründen:

1. Um uns den Weg zum Himmel zu zeigen, denn dazu stieg er empor, um uns eben dahin zu führen. Wir nämlich würden den Weg nicht wissen, wenn er ihn uns nicht zeigte. Daher sagt der Prophet: «Er stieg empor, den Weg öffnend vor ihnen»,<ref> Mich. 2, 13. </ref> und (fügen wir bei) um uns sicher zu machen über den Besitz des himmlischen Reiches; weshalb er sagt: «Ich gehe, Euch einen Ort zu bereiten».<ref> Joh. 14, 2. </ref>

2. Es gewährt uns seine Himmelfahrt größere Sicherheit (bezüglich unseres eigenen Heiles), denn er fuhr zu diesem Zweck empor, damit er für uns Fürsprache einlege. In dem Sinne sagt der Apostel:<ref> Hebr. 7, 25. </ref> «durch ihn dürfen wir hintreten vor Gott, indem er stets bereit ist, für uns Fürbitte einzulegen.» «Wir haben einen Fürsprecher beim Vater, unsern Herrn Jesus Christus».<ref> 1 Joh. 2,1. </ref>

3. Er zieht so unsere Herzen zu sich hin. «Wo dein Schatz ist, da ist dein Herz» heißt es,<ref> Mt. 6, 21. </ref> und das macht, dass wir das Irdische verachten, weshalb der Apostel uns ermahnt: «Wenn ihr mit Christus auferstanden seid, so strebet nach dem, was oben ist, wo Christus ist zur Rechten Gottes sitzend; habet Sinn für das Höhere und nicht für das Irdische».<ref> Kol. 3, 1. </ref>

Siebenter Glaubensartikel: Von dort wird er kommen, zu richten die Lebenden und die Toten

Zum Amte eines Königs und Herrn gehört das Richten. Nach dem Buch der Sprichwörter: «ist es der König, der da sitzet auf dem Throne des Gerichtes, zerstreuend alles Böse mit seinem Blicke.»<ref> Spr. 20, 8. </ref> Weil nun also Christus in den Himmel aufgefahren und zur Rechten des Vaters sitzt, als der Herr über alles, so muss ihm offenbar auch das Gericht zukommen und deshalb bekennen wir im katholischen Glaubensbekenntnis, dass er «kommen wird zu richten die Lebendigen und die Toten». Es verkündigten dies auch die Engel bei der Himmelfahrt: «Dieser Jesus, der von euch entrückt ist in den Himmel, wird einstens wiederkommen, so wie ihr ihn jetzt in den Himmel auffahren saht».<ref> Apg. 1, 11. </ref> Über dieses Gericht aber ist dreierlei zu betrachten. Das erste ist die Form des Gerichtes, das zweite, dass es zu fürchten ist, das dritte, wie wir uns auf dasselbe vorbereiten sollen.<ref> Cf. S. theol. III. qu. 59. </ref>

Bezüglich der Form des Gerichtes treten uns drei Fragen entgegen: nämlich wer der Richter sei, wer die zu Richtenden, und worüber sie gerichtet werden.

Richter nun ist Christus, <ref> 1 cit. art. 1. </ref> denn: «Er ist von Gott zum Richter gesetzt worden über Lebendige und Tote».<ref> Apg. 10, 42. </ref> Ob wir nun unter diesen Toten die Sünder verstehen und unter den Lebendigen die Gerechten, oder unter den Lebenden buchstäblich diejenigen, die dann noch am Leben sind, und unter den Toten alle die verstorben sind. Richter aber ist er nicht nur als Gott, sondern auch als Mensch,<ref> L. cit. art. 2. </ref> und zwar aus drei Gründen:

1. Weil es notwendig ist, dass die zu Richtenden den Richter sehen. - Die Gottheit aber ist so beseligend, dass niemand ohne Seligkeit sie schauen kann, und deshalb darf sie kein Verdammter sehen, weil er sonst die Seligkeit kostete. Daher ist es notwendig, dass er in der Gestalt eines Menschen erscheine, damit er von allen gesehen werden könne. «Er gab ihm die Gewalt, Gericht zu halten, weil er der Menschensohn ist.»<ref> Joh. 5, 27. </ref>

2. Weil er dieses Amt verdiente als Mensch.<ref> L. cit. art. 3. </ref> - Er selbst ist nämlich als Mensch ungerecht gerichtet worden, und daher hat ihn Gott zum Richter der ganzen Welt gemacht. Auf ihn kann man daher die Stelle bei Job anwenden: «Deine Sache ist wie die eines Ungerechten verurteilt worden, darum wirst du das Gericht erhalten».<ref> Job. 36, 17. </ref>

3. Damit ihnen das Gericht durch einen Menschen weniger Angst einjage, die Verzweiflung von den Menschen fliehe, wenn sie von einem Menschen gerichtet werden. - Wenn nämlich die Menschen nur von Gott gerichtet würden, so müssten sie vor Schreck verzweifeln. So aber gilt das Wort bei Lukas: «Sie werden den Menschensohn auf einer Wolke kommen sehen».<ref> Lk. 21, 27. </ref>

Die zu Richtenden dann sind alle Menschen, welche sind und waren und sein werden. Denn so sagt der Apostel: «Wir alle müssen offenbar werden vor dem Richterstuhl Christi, damit jeder vorbringe, was er getan in seinem Leibe, Gutes oder Böses».<ref> 2 Kor. 5, 10. </ref> Aber es ist, wie der hl. Gregor sagt, ein vierfacher Unterschied unter den zu Richtenden. Zu richten sind nämlich teils Gute teils Böse.

1. Von den Bösen aber werden einige verurteilt aber nicht gerichtet, nämlich die Ungläubigen, deren Taten nicht untersucht werden, weil, wie Johannes sagt: «Wer nicht glaubt, schon gerichtet ist».<ref> Joh. 3, 18. </ref>

2. Einige aber werden verurteilt und gerichtet, nämlich die Gläubigen, die mit einer schweren Sünde hinschieden. «Der Sold der Sünde aber ist der Tod»,<ref> Röm. 6, 23. </ref> sie werden aber nicht ausgeschlossen von dem Gericht wegen dem Glauben, den sie hatten.

3. Von den Guten dann werden ebenfalls einige gerettet und nicht gerichtet, nämlich die Armen im Geiste um Gottes willen, vielmehr werden sie die andern richten, denn so steht geschrieben: «Ihr, die ihr mir nachgefolgt seid, werdet bei der Wiedergeburt, wenn der Menschensohn auf dem Throne seiner Herrlichkeit sitzen wird, auch auf zwölf Thronen sitzen und die zwölf Stämme Israels richten»,<ref> Mt. 19, 28. </ref> was nicht nur von den Jüngern, sondern überhaupt von allen (geistig oder freiwillig) Armen zu verstehen ist, sonst wäre Paulus, der mehr als die anderen gearbeitet, nicht in ihrer Zahl. Es ist dies Wort daher zu verstehen auch von allen Nachfolgern der Apostel und apostolischen Männern. Und darum sagt der Apostel: «Wisset ihr denn nicht, dass wir die Engel richten werden»,<ref> 1 Kor. 6, 3. </ref> und der Prophet Isaias: «Der Herr wird zum Gerichte kommen mit den Ältesten des Volkes und seinen Fürsten».<ref> Is 3, 14. </ref>

4. Einige aber werden gerettet und gerichtet; nämlich diejenigen, die in der Gerechtigkeit sterben. Obwohl sie nämlich in der Gerechtigkeit abschieden, so haben sie doch in den irdischen Geschäften sich nicht ganz von Fehlern frei erhalten, und daher werden sie gerichtet aber gerettet.

Ins Gericht gezogen aber werden sie über alle guten und bösen Werke, denn so heißt es im Prediger: «Wandle nach den Neigungen deines Herzens, aber wisse, dass dich Gott über all das vor Gericht führen wird»,<ref> Neh. 11, 10. </ref> und am Schluss: «Und alles was geschieht, es sei gut oder böse, wird Gott um aller Übertretungen willen ins Gericht bringen».<ref> Neh. 12, 14. </ref> Ja selbst von den müssigen Reden sagt der Heiland: «über jedes unnütze Wort, das die Menschen reden, müssen sie am Tage des Gerichtes Rechenschaft geben»,<ref> Mt. 12, 36. </ref> und von den Gedanken bemerkt das Buch der Weisheit: «Über die Gedanken des Ungerechten wird Nachfrage gehalten».<ref> Weish. 1, 9. </ref> Daraus erhellt die Form des Gerichtes.

Zu fürchten ist dann dieses Gericht aus vier Gründen:

1. Wegen der Weisheit des Richters, - denn er weiss alles: Gedanken, Worte und Werke, weil «alles vor seinen Augen offen und bloß liegt»,<ref> Hebr. 4, 13. </ref> und: «alle Wege der Menschen liegen vor seinen Augen».<ref> Spr. 16, 2. </ref> Er weiß alle unsere Worte nach dem Ausspruch der Weisheit: «Das Ohr des Eifers hört alles»,<ref> Weish. 1, 10. </ref> ebenso unsere Gedanken, nach dem Worte des Propheten: «Aller Menschen Herz ist böse und unerforschlich, wer durchschaut es? Ich der Herr erforsche dein Herz und prüfe die Nieren. Ich vergelte einem jeglichen nach seinem Wandel und nach den Früchten seiner Anschläge».<ref> Jer. 17, 9. </ref> Auch unfehlbare Zeugen werden dort sein: «indem ihr Gewissen ihnen Zeugnis gibt und die Gedanken sich untereinander anklagen oder lossprechen, am Tage, wenn Gott das Verborgene der Menschen richten wird».<ref> Röm. 2, 15. </ref>

2. Wegen der Macht des Richters, - weil er allmächtig ist in sich, - darum sagt der Prophet: «Siehe! Gott der Herr kommt mit Macht».<ref> Is 40, 10. </ref> Ebenso ist er allmächtig mit den anderen, weil alle Kreatur mit ihm ist, denn: «Es kämpft mit ihm der Erdkreis gegen die Törichten»,<ref> Weish. 5, 21. </ref> und deshalb sagte Job: «Niemand ist's, der sich deiner Hand entwinden könnte»,<ref> Job 10, 7. </ref> und der Psalmist: «Wenn ich in den Himmel aufstiege, so bist du dort; und wenn ich in die Tiefe hinabsteige, so bist du eben dort».<ref> Ps. 138, 8. </ref>

3. Wegen der unbeugsamen Gerechtigkeit des Richters. - Jetzt nämlich ist die Zeit der Barmherzigkeit, dann aber ist nur mehr die Zeit der Gerechtigkeit, deshalb ist jetzt die Zeit unser, dann aber wird sie Gottes sein. Darum droht er im Psalm: «Wenn die Zeit an mich kommt, werde ich strenge richten»,<ref> Ps. 74, 3. </ref> und die Sprichwörter sagen: «der eifernde Grimm des Mannes schont nicht am Tage der Rache, noch wird er von jemand sich erbitten lassen, auch nicht noch so viele Gaben zum Lösegeld annehmen».<ref> Prov. 6, 34. </ref>

4. Wegen dem Zorn des Richters. - Denn anders erscheint er den Gerechten, nämlich mild und freundlich. «Sie sehen ihren König im Glanze»,<ref> Is. 33, 10. </ref> anders den Bösen, nämlich zornig und furchtbar, so dass sie zu den Bergen sagen: «Fallet über uns und bedecket uns vor dem Zorn des Lammes».<ref> Offb. 6, 16. </ref> Dieser Zorn jedoch besagt in Gott nicht eine Aufregung des Gemütes, sondern nur die Wirkung des Zornes, nämlich die über die Sünder verhängte Strafe, und zwar eine ewige. Darum ruft Origines aus: «Wie bedrängt werden die Sünder im Gerichte sein, über ihnen thront der erzürnte Richter usw.»

Gegen diese Furcht aber haben wir vier Heilmittel:

1. Gutes tun. - «Willst du des Richters Macht nicht fürchten, sagt der Apostel, so tue Gutes und du erntest Lob von ihm».<ref> Röm. 13, 3. </ref>

2. Buße und die Beichte für Begangenes. Und zwar soll diese drei Eigenschaften haben: Schmerz (Reue) im Gemüt, Zerknirschung in der Anklage, Bitterkeit in der Genugtuung.

3. Almosen, denn dieses reinigt alles nach dem Wort des Heilandes: «Macht euch Freunde aus euerem Reichtum, damit, wenn es mit euch zu Ende geht, sie euch in die ewigen Wohnungen aufnehmen».<ref> Lk. 16, 9. </ref>

4. Die Liebe, nämlich die Liebe Gottes und des Nächsten, «welche Liebe eine Menge von Sünder bedeckt», wie es 1 Petr. 4.8. und Spr. 10. 12 heißt.

Achter Glaubensartikel: Ich glaube an den Heiligen Geist

Wie früher gesagt wurde, ist das Wort Gottes der Sohn Gottes, wie das Wort des Menschen das Erzeugnis der Erkenntnis ist. Oft aber ist das Wort des Menschen ein totes. Wenn nämlich der Mensch denkt und weiß, was er tun sollte, aber doch den Willen es zu tun nicht hat, wie nach den Worten des Apostels<ref> Jak. 2. </ref> auch der Glaube ein toter genannt wird, wenn der Mensch nicht befolgt, was er glaubt. - Das Wort Gottes aber ist ein lebendiges: «lebendig ist die Sprache Gottes»,<ref> Hebr. 4, 12. </ref> und deshalb muss Gott Wille und Liebe besitzen, weshalb Augustinus sagt: «Das Wort, von dem wir hier sprechen, ist eine Erkenntnis mit Liebe.» Wie aber das Wort Gottes der Sohn Gottes, so ist diese Liebe Gottes der Heilige Geist.<ref> Cf. S. theol. I qu. 36. art. 1. </ref> Und darum hat auch der Mensch den Heiligen Geist, wenn er Gott liebt, nach dem Worte des Apostels: «die Liebe Gottes ist in unsere Herzen ausgegossen durch den Geist, der uns gegeben ist».<ref> Röm. 5, 5. </ref>

Es gab aber einige, welche unrichtig vom HI. Geist dachten und behaupteten, er sei ein Geschöpf, geringer als Vater und Sohn und nur ein Diener und Gesandter Gottes. Um diesen Irrtum auszuschließen, fügten die heiligen Väter einem anderen Symbolum<ref> Im sog. konstantinopolitanischen, das in der Messe gebetet wird. cf. Denz. Enchir. 47. </ref> noch fünf nähere Bestimmungen über den Heiligen Geist hinzu.

1. Die erste ist dazu da, um hervorzuheben, dass, obwohl noch andere Geister existieren, nämlich die Engel, sie doch nur Diener Gottes sind, nach jenem Wort des Apostels: «Alles sind dienende Geister»;<ref> Hebr. 1, 14. </ref> während der Heilige Geist der Herr ist: «der Geist ist Gott»,<ref> Joh. 4, 24. </ref> und «Herr ist der Geist».<ref> 2 Kor. 3, 17. </ref> Daher auch da, wo der Heilige Geist, Freiheit ist, wie es 2 Kor. 3. 17. heißt, weil er nämlich Gott lieben macht und die Weltliebe hinweg nimmt. Um dieses also auszudrücken wurde hinzugefügt: «und an den Heiligen Geist (sc. glaube ich) den Herrn».

2. Der zweite Ausdruck dann hebt hervor, dass das Leben der Seele darin besteht, dass sie mit Gott verbunden ist, indem Gott seinerseits das Leben der Seele ist, wie die Seele das Leben des Körpers. Mit Gott aber verbindet der Heilige Geist durch die Liebe, weil er selbst die Liebe Gottes ist, und daher macht er lebendig nach dem Worte des Apostels: «der Geist ist es, der lebendig macht».<ref> Joh. 6, 64. </ref> Daher heißt es: «und (ich glaube) an den Lebendigmacher.»

3. Die dritte Beifügung betont, dass der Heilige Geist die gleiche Wesenheit mit dem Vater und Sohne hat; denn wie der Sohn das Wort des Vaters, so ist der Heilige Geist die Liebe des Vaters und Sohnes und deshalb geht er aus beiden hervor; und wie das Wort Gottes gleicher Wesenheit ist mit dem Vater, so auch die Liebe mit dem Vater und Sohn; und deshalb heist es: der vom Vater und vom Sohne ausgeht.» Daher erhellt auch hieraus wieder, dass er kein Geschöpf ist.

4. Die vierte Bestimmung will andeuten, dass er dem Vater und Sohne gleich ist, in Bezug auf die Verehrung. Es sagt die Schrift: «die wahren Anbeter verehren den Vater im Geiste und in der Wahrheit»,<ref> Joh. 4, 23. </ref> und: «lehret alle Völker, und taufet sie im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes».<ref> Mt. 28, 19. </ref> Deshalb wurde im Symbolum beigefügt: «der mit dem Vater und dem Sohne gleicherweise angebetet wird.»

5. Die fünfte Ergänzung, durch die hervorgehoben werden soll, dass er Gott gleich ist, ist die Erwähnung, dass die heiligen Propheten aus Gott gesprochen haben. Es ist nämlich klar, dass, wenn der Heilige Geist nicht Gott wäre, es nicht heissen könnte, dass die Propheten durch ihn gesprochen.

Nun aber sagt der Apostel in seinem zweiten Briefe: «dass vom Heiligen Geiste inspiriert die Gottesmänner gesprochen haben»,<ref> 2 Petr. 1, 21. </ref> und Isaias: «Gott der Herr hat mich gesandt und sein Geist».<ref> Is. 48,16. </ref> Und deshalb fügte man bei: «der gesprochen hat durch die Propheten.» Dadurch aber werden zwei Irrtümer zurückgewiesen, nämlich der Irrtum der Manichäer, welche sagten, dass das Alte Testament nicht von Gott sei, was falsch ist, weil der Heilige Geist durch die Propheten gesprochen, ebenso der Irrtum der Montanisten, welche sagten, dass die Propheten nicht durch den Heiligen Geist gesprochen haben, sondern in einer Art von Raserei.<ref> Cf. zu diesen Bestimmungen: Compend. theol. cp. 48. u. S. c. gent. lib. IV. cp. 16-24. </ref>

Es kommt aber mannigfacher Nutzen und Gnadenerweise vom Heiligen Geiste.

1. Er reinigt von Sünden. Der Grund dafür ist der: weil dem Gleichen, der das Dasein gibt, auch die Wiederherstellung desselben zukommt. Die Seele aber wird durch den Heiligen Geist erschaffen, weil Gott alles durch ihn macht, indem die Liebe seiner Vollkommenheit der Grund der Erschaffung aller Dinge ist. Denn, so sagt die Schrift: «Du liebst alles, was da ist, und hassest nichts von dem, was du gemacht hast ... <ref> Weish. 11, 25. </ref> Und Dionysius der Areopagite:<ref> De divin. nom. cap. 4. </ref> «Die Liebe lässt ihn nicht ohne erzeugte Wesen neben sich sein... Deswegen war es aber auch passend, dass die durch die Sünden zerrütteten Herzen auch durch den Heiligen Geist wieder hergestellt werden. Es deutet auch das die Heilige Schrift an, wenn sie sagt: «Sende aus deinen Geist und sie werden geschaffen, und du erneuerst das Antlitz der Erde».<ref> Ps. 103, 30. </ref> Auch ist es nicht verwunderlich, wenn gerade der Heilige Geist von Sünden reinigt, weil ja alle Sünden durch die Liebe nachgelassen werden. Denn so sagt der Heiland: «Ihr sind viele Sünden nachgelassen worden, weil sie viel geliebt hat»,<ref>Lk. 7, 47. </ref> und das Buch der Sprichwörter: «Alle Vergehungen bedeckt die Liebe»,<ref>Spr. 10, 12. </ref> und ebenso der hl. Petrus: «Die Liebe bedeckt eine Menge von Sünden».<ref>1 Petr. 4, 8. </ref>

2. Er erleuchtet den Verstand: denn alles, was wir glauben, glauben wir durch den Heiligen Geist, nach jenem Worte des göttlichen Heilandes: «Der Tröster aber, der Heilige Geist, den der Vater in meinem Namen senden wird, der wird euch alles lehren, und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe»,<ref>Joh. 14, 26. </ref> und: «Seine Salbung wird euch über alles belehren».<ref>1 Joh. 2, 27. </ref>

3. Er hilft und zwingt sozusagen zur Befolgung der Gebote. Denn niemand kann die Gebote Gottes halten, ohne durch die Liebe Gottes: «Wer mich liebt, der haltet meine Gebote».<ref>Joh. 14, 23. </ref> Der Heilige Geist aber bewirkt in uns diese Liebe und so hilft er uns auch in der Beobachtung der Gebote. Darum spricht er durch den Propheten: «Ich werde euch ein neues Herz geben und einen neuen Geist in euch legen; ich werde wegnehmen das steinerne Herz aus eurem Fleische, und euch ein weiches Herz geben; und ich will meinen Geist in euch legen, und machen, dass ihr nach meinen Geboten wandelt, meine Rechte beobachtet und darnach tuet».<ref>Ez. 36, 26. </ref>

4. Er kräftigt die Hoffnung auf das ewige Leben: denn er ist das Unterpfand jener Erbschaft. Nach dem Apostel «sind wir bezeichnet mit dem Heiligen Geiste der Verheißung, welcher das Unterpfand unserer Erbschaft ist».<ref> Eph. 1, 13. </ref> Denn er ist gleichsam das Angeld des ewigen Lebens, und das deshalb, weil der Mensch nur dadurch ein Anrecht auf das ewige Leben hat, dass er ein Kind Gottes wird, das wird er aber durch die Verähnlichung mit Christus. Verähnlicht mit Christus aber wird jemand dadurch, dass er den Geist Christi hat, und das ist eben der Heilige Geist.<ref> Dem Heiligen Geist wird die Gnadenwirksamkeit zugeschrieben (appropriiert); durch die Gnade wird der Mensch übernatürlich mit Christus verähnlicht, dadurch nach seinem Bild ein Kind Gottes, und als solches Erbe des ewigen Lebens und so ist der Heilige Geist das Unterpfand der Seligkeit. Vgl. die Gnadenlehre I. II. qu. 109-114. </ref> «Denn nicht habt ihr wieder den Geist der Knechtschaft empfangen, um euch zu fürchten, sondern den Geist der Aufnahme zur Kindschaft, indem wir rufen: Abba d. i. Vater, denn der Geist selbst gibt Zeugnis unserem Geiste, dass wir Kinder Gottes sind»,<ref> Röm. 8, 15. </ref> und: «Weil ihr Kinder Gottes seid, so sandte Gott den Geist seines Sohnes in euere Herzen, der da ruft: Abba, Vater».<ref> Gal. 4, 6. </ref>

5. Er ratet uns in Zweifeln und belehrt uns über den Willen Gottes. Denn so heißt es in der Apokalypse: «Wer Ohren hat zu hören, der höre, was der Geist den Gemeinden sagt»,<ref> Offb. 11, 7. </ref> und bei Is. 50, 4.: «Ich will ihn hören wie einen Lehrer.»

Neunter Glaubensartikel: Die eine heilige katholische Kirche

Wie wir sehen, dass in einem Menschen eine Seele und ein Leib ist, aber doch verschiedene Glieder: so ist auch die Katholische Kirche ein Leib, mit verschiedenen Gliedern. Die Seele aber, welche diesen Leib belebt, ist der Heilige Geist;<ref> Das Wirken des Heiligen Geistes in der Kirche ist Grund Ihrer vier wesentlichen Eigenschaften: der Einheit, Heiligkeit, Katholizität und Apostolizität. Garantie ihres unveränderten Fortbestandes, ihre Infallibilität und Indefektibilität. Ursache einer besonderen göttlichen Providenz über ihre Innere und äußere Geschichte, und dessen Anerkennung, Bedingung einer höheren und wahren Auffassung der Kirche. Cf. S. theol. III qu. 8.</ref> deshalb müssen wir nach dem Glauben an den Heiligen Geist auch an die heilige Katholische Kirche glauben und deshalb folgt auch im Glaubensbekenntnis sogleich: (Ich glaube an) «eine heilige Katholische Kirche». Es heißt aber Kirche soviel als «Versammlung», und daher heilige Kirche so viel als Versammlung der Gläubigen; und jeder Christ ist gleichsam ein Glied dieser Kirche, von der es heißt: «Nahet euch zu mir ihr Ungelehrten und sammelt euch zum Hause der Belehrung».<ref> Sir. 51, 31. </ref> Diese Kirche aber hat vier Eigenschaften: sie ist einig, heilig, katholisch oder allgemein und fest, stark (weil apostolisch).

Erstens ist sie einig. Daher gehören die verschiedenen Sekten, welche die Irrlehrer gestiftet, nicht zur Kirche, denn sie sind in Parteien gespalten, während die Kirche eins ist nach jenem Worte des hohen Liedes: «Eine ist meine Taube, meine Vollkommene».<ref> Hld. 6, 8. </ref> Diese Einheit der Kirche wird aber durch drei Dinge bewirkt:

1. Durch die Einheit des Glaubens: denn alle Christen, die zum Leibe der Kirche gehören, glauben das Nämliche. Darum ermahnt der Apostel die Gläubigen: «Ihr sollt alle die gleiche Sprache führen»<ref> 1 Cor. 1, 10. </ref>, und: «Es ist nur ein Gott, ein Glaube, eine Taufe».<ref> Eph. 4, 10. </ref>

2. Durch die Einheit der Hoffnung: weil alle in derselben Hoffnung auf das ewige Heil gegründet sind, weshalb der Apostel sagt: «Seid ein Leib und ein Geist, wie ihr auch berufen seid zu einer Hoffnung eurer Auserwählung».<ref> Eph. 4, 4. </ref>

3. Durch die Einheit der Liebe: weil alle verbunden sind in der Liebe Gottes, und unter sich durch die gegenseitige Liebe. Denn es betet der Heiland: «die Herrlichkeit, die du mir gegeben, habe ich ihnen gegeben, damit sie eins seien, wie wir eins sind».<ref> Joh. 17, 22. </ref> Es äußert sich aber diese Liebe, wenn sie wahr ist, dadurch, dass die Glieder für sich gegenseitig besorgt sind, und aneinander Anteil nehmen. So ermahnt uns der Apostel: «dass wir in der Liebe zunehmen in allen Stücken in ihm, der das Haupt ist, Christus, durch welchen der ganze Leib zusammengefügt und verbunden wird und mittelst aller gegenseitigen Hilfeleistung, nach der einem jeden Glied zugemessenen Wirksamkeit, wodurch der Körper Wachstum erhält zu seiner Erbauung in Liebe».<ref> Eph. 4, 16. </ref> Und so soll ein jeder mit der ihm von Gott verliehenen Gnade dem Nächsten dienen. Daher soll auch keiner die Kirche verachten noch dulden, dass er von derselben getrennt oder ausgestossen werde. Denn es gibt nur eine Kirche, durch die die Menschen selig werden können, wie auch außer der Arche Noes keiner gerettet werden konnte.

Zweitens ist sie heilig. Wohl gibt es auch noch eine andere Versammlung (oder Kirche), nämlich die der Bösen, nach jenem Worte des Psalmisten: «Ich hasse die Kirche der Bösen».<ref> Ps. 25, 5. </ref> Allein diese ist eben böse, die Kirche Christi dagegen heilig: «der Tempel Gottes ist heilig und der seid ihr».<ref> 1. Kor. 3, 17. </ref> Deshalb heißt es im Glaubensartikel: «eine heilige Kirche». Geheiligt aber werden die Gläubigen dieser Kirche durch vier Dinge:

1. Durch die Abwaschung: denn wie die Kirche bei der Einweihung durch Wasser abgewaschen wird, so sind auch die Gläubigen gewaschen worden durch das Blut Christi: «Er hat uns geliebt und uns von unseren Sünden gewaschen in seinem Blute».<ref> Offb. 1, 5.</ref> «Darum hat Jesus außerhalb der Tore gelitten»,<ref> Hebr. 13, 12. </ref> damit er durch sein Blut das Volk heiligte.

2. Durch die Salbung: denn wie die Kirche gesalbt wird, so werden auch die Gläubigen mit geistiger Salbung gesalbt, damit sie geheiligt werden; anders wären sie nicht einmal Christen, denn Christus heißt so viel als der Gesalbte. Diese Salbung aber ist die Gnade des Heiligen Geistes, nach den Worten der Heiligen Schrift: «der uns gesalbt, ist Gott»,<ref> 2 Kor. 1, 21. </ref> und «ihr seid geheiligt im Namen unseres Herrn Jesus Christus».<ref> 1 Kor. 6, 11. </ref>

3. Durch die Einwohnung der Dreieinigkeit: denn wo immer Gott wohnt, der Ort ist heilig. So heißt es in der Genesis: «Wahrhaft dieser Ort ist heilig»,<ref> Gen. 28, 16. </ref> und beim Psalmisten: «Deinem Hause ziemet Heiligkeit, o Herr».<ref> Ps. 92, 5. </ref>

4. Durch die Gebete, die über uns gesprochen werden: «du aber, o Herr, bist in uns: und dein heiliger Name ist angerufen über uns».<ref> Jer. 14, 9. </ref> - Wir müssen uns deshalb hüten, dass wir nicht nach einer solchen Heiligung und Einweihung durch die Sünde der Tempel unserer Seele schänden. Denn, sagt der Apostel: «Wenn jemand den Tempel Gottes entheiligt, den wird Gott zu Grunde richten».<ref> 1 Kor. 3, 17. </ref>

Drittens ist die Kirche katholisch oder allgemein und zwar:

1. In Bezug auf den Ort, - weil sie über die ganze Erde ausgedehnt ist; und es ist das hervorzuheben gegen die Donatisten.<ref> Eine afrikanische Sekte des 4. Jahrhunderts: fasste die Merkmale der Kirche, so ihre Heiligkeit und Allgemeinheit falsch; gegen sie der hl. Augustinus. cf. Brück. Klrchengesch. § 56. </ref> Denn so heißt es in der Schrift: «Euer Glaube wird in der ganzen Welt verkündet»,<ref> Röm. 1, 8. </ref> und «Gehet hin in die ganze Welt und predigt das Evangelium allen Geschöpfen».<ref> Mk. 16, 15. </ref> Daher war Gott vor Alters nur in Judäa gekannt, jetzt aber über die ganze Erde hin. Es dehnt sich aber diese Kirche über drei Teile aus: der eine ist auf Erden, der andere im Himmel, der dritte im Fegfeuer.

2. In Bezug auf den Stand der Menschen, indem keiner ausgeschlossen ist, weder der Herr noch der Diener, weder Mann noch Frau: «da ist weder Jude noch Grieche, weder Sklave noch Freier, weder Mann noch Frau, sondern alle sind eins in Christus.»<ref> Gal. 3, 28. </ref>

3. In Bezug auf die Zeit. Einige wollten nämlich behaupten, dass die Kirche nur bis zu einer gewissen Zeit dauere. Aber das ist falsch, denn diese Kirche nahm ihren Anfang zur Zeit Abels und wird dauern bis zum Ende der Tage.<ref> Die Kirche ist vollendet durch Christus, aber vorbereitet durch die patriarchalische und jüdische Religion; dies ist ihre Antiquität; sie wird aber auch dauern bis zum Ende der Tage und dies Ist ihre Indefektibilität. cf. Bonaventura Breviloq. Prrem. § 3. </ref> Denn so steht geschrieben: «Siehe, ich bin bei euch alle Tage bis ans Ende der Welt».<ref> Mt. 28, 20. </ref> Und selbst nach dem Ende der Welt wird sie fortdauern im Himmel.

Viertens ist sie fest (apostolisch). - Ein Haus heißt fest:

1. Wenn es auf gutem Fundamente ruht. - Das eigentliche Fundament der Kirche aber ist Christus, denn: «ein anderes Fundament kann niemand legen, als das gelegt ist, und das ist Christus Jesus».<ref> 1 Kor. 3, 2. </ref> Das fernere Fundament sind dann die Apostel und ihr· Lehre. Deshalb ist dieses Haus fest und heißt es in der Apokalypse,<ref> Offb. 21, 14. </ref> dass die Mauer der Stadt zwölf Grundsteine hatte, worauf die Namen der zwölf Apostel geschrieben waren. Und darum auch wird die Kirche «apostolische» genannt und Petrus zu Andeutung ihrer Stärke Felsenmann (alib. Gipfel).

2. Es erhellt die Festigkeit eines Hauses ferne daraus, wenn es trotz Erschütterung nicht eingestürzt werden kann. - Die Kirche aber konnte nie zerstört werden, und zwar nicht: von den Verfolgern vielmehr erstarkte sie nur während den Verfolgungen, und ihre Verfolger und die, gegen welche sie selbst auftrat, erlagen. Denn: «wer auf diesen Stein fällt, der wird zerschmettert werden, und auf wen er fällt, den wird er zermalmen",<ref> Mt. 21, 44. </ref> - Nicht auch von den Häresien, vielmehr, je mehr Irrtümer auftraten um so mehr wurde die Wahrheit allseitig beleuchtet, denn es gilt von den Irrlehrern das Wort: «Sie sind Menschen verdorbenen Sinnes, verworfen in Glaubenssachen, aber sie werden es nicht weit bringen»<ref> 2. Tim. 3, 8. </ref> - Aber auch von den Versuchungen des Satan konnte sie nicht überwunden werden. Denn die Kirche ist wie ein Turm, in welchem jeder Schutz sucht, der wider den Teufel kämpft: «Ein fester Turm ist der Name des Herrn".<ref> Spr. 18, 10. </ref> Und deshalb strengt sich der Teufel besonders an, sie zu zerstören, aber er wird nicht Meister, denn der Herr hat gesagt: «Die Pforten der Hölle werden sie nicht überwältigen»<ref> Mt. 16, 18. </ref> d. h. sie werden gegen dich Krieg führen, aber nicht die Oberhand gewinnen. Daher kommt es auch, das nur die Kirche Petri (dem bei der Aussendung der Jünger Italien zufiel) immer im Glauben fest blieb.

Und während anderswo entweder der Glaube gar nicht ist, oder vermischt mit vielen Irrtümern, so ist doch die Kirche Petri im Glauben stark und von allen Irrtümern rein, was nicht zum Verwundern ist, da der Herr zu Petrus gesagt: «Ich habe für dich gebetet, Petrus, damit dein Glaube nicht wanke».<ref> Lk. 22, 32. </ref>

Zehnter Glaubensartikel: Gemeinschaft der Heiligen, Vergebung der Sünden

Wie im natürlichen Körper die Wirksamkeit eines Gliedes dem ganzen Leibe zugute kommt, so auch in dem geistigen Körper der Kirche. Und weil alle Gläubigen ein Leib sind, so wird das Gute des einen auch dem anderen zugewendet. Denn nach dem Apostel «sind die Einzelnen nur Glieder untereinander».<ref> Röm. 12, 5. </ref> Daher ist neben dem anderen, was die Apostel uns zu glauben überliefert, auch das festzuhalten, dass eine Gemeinschaft der Guten in der Kirche besteht, und das will hervorgehoben werden mit den Worten: «Gemeinschaft der Heiligen». Unter allen Gliedern der Kirche aber ist das wichtigste Christus, weil er ihr Haupt ist, nach dem Worte des Apostels: «Er hat ihn zum Haupte über die ganze Kirche gesetzt und sie ist sein Leib».<ref> Eph. 1, 22. </ref> Und so wird denn das Gute oder Verdienst Christi allen Christen zugewendet, wie die Betätigung des Hauptes den Gliedern. Diese Zuwendung aber geschieht durch die Sakramente der Kirche, in welchen die Kraft des Leidens Christi wirksam ist, welches seinerseits gewirkt ist zur Verleihung der Gnade und zur Sündennachlassung. Solcher Sakramente aber gibt es sieben:

1. Die Taufe

1. Die Taufe.<ref> Bezüglich der Taufe ist zu merken: dass ihre Materie in wahrem natürlichen Wasser besteht, die Form lautet: «Ich taufe dich im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.» Spender (minister) des Sakramentes ist der Priester, in dessen Amtspflicht es liegt, zu taufen. Im Notfalle aber können nicht nur die Diakonen, sondern auch Laien, Frauen, ja selbst Heiden und Häretiker taufen, wenn nur die rechte Form angewendet und in der Intention getauft wird, zu tun, was die Kirche tut. Die Wirkung der Taufe ist die Nachlassung der Erbsünde und der persönlichen Sünden und zwar nach der ganzen Schuld und Strafe, so dass dem Täufling für die früheren Sünden keine Bußen auferlegt werden dürfen, sondern er, wenn er gleich nach der Taufe sterben sollte, sogleich in die Herrlichkeit Gottes eingehen würde, weswegen die Wirkung der Taufe gerade in dieser Öffnung der Pforte des Paradieses besteht.» Thom. de eccles. sacramentis opusc. V.</ref> - Sie ist eine Art geistiger Wiedergeburt. Wie nämlich das leibliche Leben nur erlangt wird durch die leibliche Geburt, so kommt der Mensch auch nur zum geistlichen oder Gnadenleben durch eine geistige Wiedergeburt. Diese aber wird bewirkt durch die Taufe. Denn so sagt der göttliche Heiland: «Wenn jemand nicht wiedergeboren wird aus dem Wasser und dem Heiligen Geist, so kann er nicht eingehen in das Reich Gottes».<ref> Joh. 3. 5. </ref> Und dabei ist zu bemerken, dass, wie der Mensch nur einmal geboren wird, er auch nur einmal getauft werden kann, weshalb die Väter dem Glaubensbekenntnis beifügten: «Ich bekenne eine Taufe». Die Wirkung der Taufe aber ist, dass sie von allen Sünden reinigt, und zwar sowohl in Bezug auf die Schuld als auf die Strafe. Daher wird auch den Getauften keine Buße auferlegt, wie große Sünder sie auch gewesen sein mögen, so dass, wenn sie gleich nach der Taufe stürben, sie sogleich ins ewige Leben eingehen würden. Daher kommt es auch, dass, obwohl nur die Priester Ordentlicherweise taufen, im Falle der Not jeder Mensch taufen darf, aber selbstverständlich mit genauer Beobachtung der Taufformel, welche also lautet: «Ich taufe dich im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes.» Seine ganze Kraft aber hat dieses Sakrament vom Leiden Christi, nach den Worten des Apostels: «Wir alle, die wir in Christus Jesus getauft sind, wurden in seinem Tode getauft»,<ref> Röm. 6. 3. </ref> und darum findet, wie Christus drei Tage im Grabe war, auch eine dreimalige Untertauchung (oder Besprengung) statt.

2. Die Firmung

2. Die Firmung.<ref> Das zweite Sakrament ist die Firmung: Ihre Materie Ist das Chrisma, bereitet aus Öl, welches den Schmuck der Seele, und auch Balsam, welcher den Wohlgeruch eines guten Rufes bedeutet, und geweiht durch den Bischof. Die Form dieses Sakramentes lautet: «Ich bezeichne dich mit dem Zeichen des Kreuzes, und stärke dich mit dem Chrisma des Heiles, im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.» Der Spender des Sakramentes ist nur der Bischof, der Priester darf nicht, mit Chrisma die Stirne salbend, firmen. Die Wirkung des Sakramentes besteht darin, dass durch dasselbe die Kraft des Heiligen Geistes mitgeteilt wird, wie sie den Aposteln am Pfingstfest ward, damit so der Geist standhaft den Namen Christi bekenne. Deshalb wird auch der Firmling auf der Stirne gesalbt, welche der Sitz der Schamröte ist, auf dass er nicht erröte, den Namen Christi zu bekennen, welcher den Juden ein Ärgernis, den Heiden eine Torheit ist, und deshalb wird er auch mit dem Kreuzzeichen bezeichnet.» ibid. </ref> - Das zweite Sakarment ist die Firmung. Wie nämlich den leiblich Geborenen Kräfte notwendig sind zum Handeln, so ist den geistig Wiedergeborenen die Kraft des Heiligen Geistes notwendig. Daher haben auch die Apostel nach der Auffahrt Christi zur Stärkung ihrer Kraft den Heiligen Geist empfangen. Denn so heißt es in der Schrift: «Ihr aber bleibet in der Stadt, bis ihr angetan seid mit der Kraft von oben»<ref> Lk. 24, 49. </ref> Diese Kraft aber wird im Sakrament der Firmung erteilt. Darum sollen die, denen die Erziehung der Kinder obliegt, recht dafür besorgt sein, dass sie gefirmt werden, weil in der Firmung große Gnade mitgeteilt wird. Auch wird derjenige, der die Firmung empfangen, wenn er hinscheidet, eine größere Glorie erhalten, als der nicht Gefirmte, weil er schon hienieden mehr Gnade besaß.

3. Das Altarssakrament

3. Das Altarssakrament.<ref>«Das dritte Sakrament ist die Eucharistie: Deren Materie ist Weizenbrot und Wein vom Weinstock mit etwas Wasser vermischt, das mit dem Wein sich vermengt, und jene Vereinigung zu einem mystischen Leibe bedeutet, die zwischen Christus und dem gläubigen Volke besteht. Die Form des Sakramentes sind die Einsetzungsworte Christi: -Dieses ist mein Leib» usw., «Dieses ist der Kelch meines Blutes» usw. Denn der Priester spricht bei der Konsekration in der Person Christi. Minister ist der Priester und niemand anders kann den Leib des Herrn konsekrieren. Die Wirkung ist eine doppelte, die Konsekration selbst und die Vereinigung des Empfängers mit Christus (die Kommunion). In Kraft der Konsekrationsworte nämlich wird das Brot in den Leib Christi und der Wein in sein Blut verwandelt, und zwar so, dass der ganze Christus enthalten ist unter den Gestalten des Brotes, die ohne Ihre Substanz verbleiben, und der ganze Christus unter den Gestalten des Weines, und in jedem Teil, wenn eine Teilung stattfindet. Die zweite Wirkung des Sakramentes, die in demjenigen eintritt, der es würdig geniesst, ist die Vereinigung des Menschen mit Christus nach den Worten des Heilandes selbst: «Wer mein Fleisch isst, und mein Blut trinkt, der bleibt in mir und ich in ihm.» Und weil durch die Gnade der Mensch mit Christus verbunden wird, so tritt beim würdigen Genuss auch eine Vermehrung der Gnade ein.» ibid. </ref> - Das dritte Sakrament ist die Eucharistie. Wie nämlich dem Menschen, nachdem er geboren und zu Kräften gekommen, Speise nötig ist, damit er erhalten und stets neu gestärkt werde: so ist es auch im geistlichen Leben. Auch nach erlangter Kraft ist dem Menschen eine geistliche Speise nötig und die ist der Leib Christi. Denn so sagte der göttliche Heiland: «Wenn ihr nicht das Fleisch des Menschensohnes esst und sein Blut trinkt, werdet ihr das Leben nicht in euch haben».<ref> Joh. 6, 54. </ref> Darum muss nach kirchlicher Verordnung jeder Christ wenigstens einmal im Jahre den Leib des Herrn empfangen, aber würdig und mit reinem Herzen, denn: «wer unwürdig isst und trinkt, d. h. mit dem Bewusstsein einer schweren Sünde, die er nicht gebeichtet, oder von der er nicht lassen will, der isst und trinkt sich das Gericht hinein».<ref>1 Kor. 11. 29. </ref>

4. Die Buße

4. Die Buße.<ref>«Das vierte Sakrament ist die Buße: Seine Materie (Quasimaterie) sind die Akte des Büssers, welche die drei Teile der Buße ausmachen, nämlich erstens die Reue, die darin besteht, dass der Mensch die begangenen Sünden bereut und den Vorsatz hat, in Zukunft nicht mehr zu sündigen. Zweitens das Bekenntnis, in welchem der Sünder alle (wenigstens die schweren) Sünden, deren er sich erinnert, dem verordneten Priester bekennt. Drittens die Genugtuung für die Sünden, nach dem Urteilsspruch des Priesters, bestehend in Fasten, Gebet oder Almosen. Die Form des Sakramentes sind die Absolutionsworte des Priesters: «Ich spreche dich los» usw. Spender desselben ist der Priester, der und insoweit er dazu die Gewalt erhalten hat; die Wirkung ist die Nachlassung der Sünden.» ibid. </ref> - Das vierte Sakrament ist die Buße. Denn schon im leiblichen Leben kommt es vor, dass einer hie und da krank wird, und wenn er kein Heilmittel hat, so stirbt er. Und so tritt auch im geistlichen Leben Krankheit ein, durch die Sünde. Daher ist auch hier ein Heilmittel nötig, soll die Gesundheit wieder erlangt werden, und das ist die Gnade, welche im Sakrament der Buße erteilt wird. Schon der Psalmist deutet dies an mit den Worten: «Der Herr ist's, der alle deine Missetaten vergibt und alle deine Schwachheiten heilt».<ref> Ps. 102. 3. </ref> Zur Buße aber gehören drei Stücke: die Reue. die da ist ein Schmerz über die Sünde mit dem Vorsatz, sie nicht mehr zu tun. Das Sündenbekenntnis und zwar ein vollständiges. Und die Genugtuung, welche durch gute Werke geleistet wird.

5. Die Letzte Ölung

5. Die letzte Ölung.<ref>«Das fünfte Sakrament ist die letzte Ölung: Deren Materie ist Olivenöl, das vom Bischof geweiht ist. Und sie darf nur Todkranken erteilt werden. Diese werden dann an den fünf Sinnen gesalbt, nämlich an den Augen, wegen den Sünden mit den Blicken, an den Ohren, wegen dem Gehör, an der Nase, wegen dem Geruch, am Munde, wegen dem Geschmack und der Rede, und an den Füßen, wegen dem Gang. Die Form lautet: «Durch diese Salbung und seine mildreichste Barmherzigkeit verzeihe dir der Herr, was du gesündigt mit dem Gesichte» usw. Spender des Sakramentes ist der Priester. Seine Wirkung die Heilung der Seele und (unter Umständen) auch des Leibes.»ibid. </ref> - Das fünfte Sakrament ist die letzte Ölung. Es gibt nämlich in diesem Leben gar vieles, was den Menschen hindert, zu einer gänzlichen Reinigung von aller Sünde zu gelangen. Und doch kann niemand ins ewige Leben eingehen, er sei denn ganz gereinigt. Daher war noch ein anderes Sakrament notwendig, durch welches der Mensch von den Sünden geläutert, von der Schwachheit befreit und zum Eintritt ins himmlische Reich vorbereitet würde. Und das ist eben das Sakrament der letzten Ölung. Dass dasselbe aber nicht auch immer leibliche Genesung herbeiführt, kommt daher, weil oft vielleicht das längere Leben der Seele nicht frommen würde. «Wenn daher jemand unter euch krank ist, so rufe er die Priester der Kirche, und die sollen über ihn beten, und ihn mit Öl salben im Namen des Herrn. Und das Gebet des Glaubens wird dem Kranken zum Heile sein und der Herr wird ihm Erleichterung schaffen, und wenn er Sünden auf sich hat, so werden sie ihm vergeben werden».<ref> Jak. 5, 14. </ref> So wird also durch die vorgenannten fünf Sakramente alles Nötige vermittelt bis zur Vollendung des Lebens. Aber weil diese Sakramente doch durch bestimmte Diener gespendet werden müssen, so war noch ein sechstes Sakrament nötig, nämlich:

6. Die Priesterweihe

6. Die Priesterweihe,<ref> «Das sechste Sakrament ist die Priesterweihe: Es gibt aber sieben Weihen, nämlich: das Presbyterat, Diakonat, Subdiakonat, Akolytat, Exorzistat, Lektorat und Ostiariat. Die Tonsur dagegen ist keine Weihe, sondern nur der Eintritt In den Klerikalstand, und der Episkopat ist mehr eine Kirchenwürde, als eine Weihe; die Materie dieses Sakramentes ist jener Gegenstand, bei dessen Übergabe die Weihe erteilt wird, wie z. B. die Priesterweihe durch Überreichung des Kelches erteilt wird, und so jede Weihe durch Übergabe jenes Gegenstandes, der besonders bei der Ausübung des betreffenden Ordos gebraucht wird. (Controvers. cf. S. theol. Supplem. qu. 34 art. 5.) Die Form des Sakramentes aber lautet so: «Empfange die Gewalt, das Opfer darzubringen In der Kirche, sowohl für die Lebenden wie für die Verstorbenen», und entsprechend bei den anderen Weihen. Spender dieses Sakramentes ist der Bischof, der die Weihen erteilt. Die Wirkung ist die Vermehrung der Gnade dazu, dass der Geweihte ein würdiger Stellvertreter Christi sei.- ibid. </ref> indem dem Priesterstand die Verwaltung der Sakramente obliegt. Dabei kommt es nicht auf den Lebenswandel der Ausspender an, und wenn diese auch mitunter auf böse Wege abirren, sondern nur auf die Kraft Christi, durch welche die Sakramente allein ihre Wirksamkeit haben, während jene nur die Ausspender sind, nach dem Worte des Apostels: «So halte uns jedermann für Diener Christi und Ausspender der Geheimnisse Gottes».<ref>1 Kor. 4, 1. </ref> Und darin eben besteht das sechste Sakrament. Das siebente aber ist:

7. Die Ehe

7. Die Ehe<ref> «Das siebente Sakrament ist die Ehe, die ein Abbild der Vereinigung Christi mit der Kirche ist. Geschlossen wird sie durch den (in der von der Kirche vorgeschriebenen Form ausgesprochenen) gegenseitigen Konsens der Eheleute. Das Gut der Ehe aber ist ein dreifaches: nämlich die Erhaltung des Menschengeschlechtes und die Erziehung der Kinder zum Dienste Gottes. Dann die gegenseitige Treue, zu der die Ehegatten verpflichtet sind. Und endlich die unmittelbare Wirkung des Sakramentes selbst, nämlich die Unauflöslichkeit der Ehe, damit sie eben dadurch ein Abbild jener unauflöslichen Verbindung Christi mit der Kirche sei». ibid. </ref> - Wer in Kraft desselben keusch und rein lebt, der wirkt sein Heil, und kann ein Leben ohne schwere Sünde führen. In lässliche Sünden aber können die Eheleute sich verstricken, wenn sie sich allzu sehr von ihrer Begierlichkeit hinreissen lassen, aber doch nicht so, dass sie über den Zweck der Ehe hinausgehen; wenn aber das, so sündigen sie schwer.

Durch diese sieben Sakramente erhalten wir Nachlassung der Sünden und deshalb wird im Glaubensbekenntnis sogleich beigefügt: «Nachlass der Sünden». Darum auch ist den Aposteln die Gewalt gegeben, Sünden nachzulassen, und es ist eine Glaubenswahrheit, dass die Diener der Kirche von den Aposteln und diese von Christus die Binde- und Lösegewalt in der Kirche empfangen haben, und dass in der Kirche die volle Gewalt der Sündennachlassung besteht, aber in einer gewissen Abstufung, nämlich vom Papst hinab zu den anderen kirchlichen Vorgesetzten. - Endlich ist zu merken, dass nicht bloß die Kraft des Leidens Christi, sondern auch das Verdienst seines Lebens uns zu Gute kommt. Ja was immer Gutes von allen Heiligen geschieht, daran nehmen auch diejenigen Teil, die sich in der Liebe und Gnade Gottes befinden, denn sie sind alle eins: «Ich nehme Teil an allen, die dich fürchten».<ref> Ps. 118, 63. </ref> So kommt es denn, dass alle, die in der Liebe leben, teilhaftig werden an allem Guten, das auf der ganzen Erde geschieht, aber in besonderer Weise jene, für die speziell ein gutes Werk verrichtet wird. Denn einer kann für den anderen einstehen, wie z. B. verschiedene Bruderschaften miteinander in besondere Gemeinschaft der guten Werke treten. Und so erhalten wir also durch diese Gemeinschaft der Heiligen zwei Vorteile, einerseits, dass das Verdienst Christi allen zugewendet wird, anderseits, dass die guten Werke des einen auch den andern zu Gute kommen. Daher verlieren umgekehrt die Exkommunizierten, gerade dadurch, dass sie außerhalb der Kirche sind, ihren Teil an allem Guten, das geschieht, ein Verlust, der größer ist, als jeder irdische Verlust. Dazu kommt noch eine andere Gefahr: es ist nämlich sicher, dass durch solche Fürbitten die Versuchung des Teufels erschwert wird, wenn daher jemand von dieser gegenseitigen Gebetsgemeinschaft ausgeschlossen ist, so wird er auch leichter vom Teufel überwunden; weshalb z. B. in der alten Kirche ein Exkommunizierter selbst Leiblicherweise vom Teufel geplagt wurde.

Elfter Glaubensartikel: Auferstehung des Fleisches

Der Heilige Geist heiligt die Kirche nicht bloß der Seele nach, sondern in seiner Kraft werden auch einst unsere Körper auferstehen. Denn: «Er hat Jesus Christus, unseren Herrn, von den Toten auferweckt, und «durch einen Menschen ist der Tod und durch einen Menschen die Auferstehung von den Toten».<ref> 1 Kor. 15, 21. </ref> Deshalb glauben wir, nach unserem Glauben, an eine Auferstehung der Toten. - Bezüglich derselben kommt viererlei in Betracht: erstens der Nutzen, der aus dem Glauben an die Auferstehung entspringt, zweitens die Beschaffenheit der Auferstandenen im allgemeinen, drittens die der Guten und viertens die der Bösen im besondern.

Erstens der Nutzen, der aus dem Glauben und der Hoffnung an die Auferstehung entspringt, ist ein vierfacher. Dieser Glaube ist nämlich geeignet:

1. Zur Verscheuchung der Traurigkeit: in die wir wegen dem Tode lieber Angehöriger gestürzt werden. Es ist nämlich unmöglich, dass der Mensch nicht traure bei dem Tode seiner Lieben, aber der Gedanke an ihre Auferstehung mildert gar sehr den Schmerz über den Tod. So tröstet auch der Apostel die Thessaloniker: «Wir wollen euch, Brüder, nicht im Ungewissen lassen über die Entschlafenen, dass ihr nicht betrübt seid, wie die übrigen, die keine Hoffnung haben».<ref> 1 Thess. 4, 12. </ref> Dieser Glaube benimmt uns

2. Die Furcht vor dem Tode: denn wenn der Mensch nicht ein anderes besseres Leben nach dem Tode hoffen dürfte, dann wäre allerdings der Tod gar sehr zu fürchten, und es müsste der Mensch eher alles, selbst Unerlaubtes tun, als dem Tode sich aussetzen. Aber weil wir glauben, dass es ein anderes, besseres Leben gibt, so darf man den Tod nicht so fürchten, dass man deshalb etwas Böses zu tun brauchte. Denn Christus ist gestorben: «damit er durch den Tod dem die Macht nähme, der des Todes Gewalt hatte, das ist dem Teufel, und diejenigen erlöste, welche in der Furcht des Todes durch das ganze Leben der Knechtschaft unterworfen waren».<ref> Hebr. 2, 14. </ref> Dieser Glaube verleiht auch

3. Eifer im Guten. - Wenn es nämlich für den Menschen kein anderes als dieses irdische Leben gäbe, dann würde er sich wenig anstrengen, Gutes zu tun, und es müsste ihm das alles gar gering und gleichgültig vorkommen, denn sein Sehnen wird nicht befriedigt durch ein zeitliches, irdisches Gut, sondern geht auf das Ewige. Weil wir aber glauben, dass wir durch unsere Werke hinieden ewige Güter bei der Auferstehung verdienen, deshalb geben wir uns Mühe, Gutes zu wirken. So sagt auch der Apostel: «Wenn wir nur in diesem Leben auf Christus hoffen würden, dann wären wir elender daran als alle Menschen».<ref> 1 Kor. 15, 19. </ref> Endlich ist dieser Glaube

4. Ein Abschreckungsmittel von der Sünde. Denn wie die Hoffnung auf den Lohn zum Guten anregt, so schreckt die Furcht vor der Strafe, die, wie wir glauben, den Bösen aufbehalten ist, vom Bösen ab, denn: «es werden hervorgehen, die Gutes getan, zur Auferstehung des Lebens, die aber Böses getan zur Auferstehung des Gerichtes».<ref> Joh. 5, 29. </ref>

Zweitens: Bezüglich der Beschaffenheit und des Zustandes der Auferstandenen im allgemeinen sind vier Dinge zu merken:

1. Die Gleichheit des Auferstehungsleibes mit dem im Leben getragenen. - Es wird nämlich derselbe Leib, den wir jetzt haben, mit demselben Fleisch und Bein wieder auferstehen. Es haben zwar einige behauptet, dass der Leib, der hienieden verwest, nicht auferstehen werde. Allein, das ist gegen den deutlichen Ausspruch des Apostels, wenn er sagt: «Dieses Verwesliche muss die Unverweslichkeit anziehen»,<ref> 1 Kor. 15, 53. </ref> und gegen eine andere Stelle der Schrift, welche besagt, dass in der Kraft Gottes derselbe Leib zum Leben erstehen werde. Es heißt nämlich im Buch Job: «Wieder werde ich umgeben werden mit meiner Haut und mit meinem Fleische werde ich noch Gott schauen».<ref> Job 19, 26. </ref>

2. Die Beschaffenheit des Auferstehungsleibes: Es werden nämlich die Leiber der Auferstandenen anders beschaffen sein als jetzt: sowohl die der Seligen als die der Bösen werden unverweslich sein, die Guten immer in ihrer Herrlichkeit, die Bösen immer in der Strafe. Es muss eben, wie schon bemerkt: «das Verwesliche die Unverweslichkeit, das Sterbliche die Unsterblichkeit anziehen».<ref> 1 Kor. 15, 53. </ref> Und wegen dieser Unverweslichkeit und Unsterblichkeit des Leibes fällt dann auch der Gebrauch der Speisen und das eheliche Leben dahin. «In der Auferstehung werden sie, nach dem Worte des Heilandes, weder heiraten noch verheiratet werden, sondern sie werden wie die Engel Gottes im Himmel sein».<ref> Mt. 22, 30. </ref> Es geht das besonders gegen die Juden und Sarazenen, und es gilt gegen ihre Meinung das Wort: «Der Mensch kehrt nicht wieder in seine häusliche Verhältnisse zurück».<ref> Job 7, 10. </ref>

3. Die Vollkommenheit des Auferstehungsleibes': denn alle, Gute und Böse, werden mit einem fehlerlosen Leibe, wie er zu einem vollkommenen Menschen gehört, auferstehen, so dass es dort keinen Blinden und Lahmen oder sonst mit einem Gebrechen Behafteten gibt. Denn es sagt der Apostel: «die Toten werden unverweslich auferstehen»,<ref> 1 Kor. 15, 52. </ref> d. h. frei von allen körperlichen Gebrechen.

4. Das Alter des Auferstehungsleibes: Es werden nämlich alle im vollkommenen Alter, d. i. mit zwei- oder dreiunddreissig Jahren erstehen, denn diejenigen, die noch nicht zu diesen Jahren gelangt, erreichten noch nicht das vollkommene Alter und die Greise haben es schon überschritten und darum wird den Jüngeren das Fehlende hinzugesetzt, die Greise werden wieder in das beste Alter zurückversetzt, «bis wir alle gelangen zur vollkommenen Mannheit, zum Maße des Vollalters Christi».<ref> Eph. 4, 13. </ref>

'Drittens, bezüglich der Auferstehung der Guten, ist im besonderen zu merken, dass sie mit einer ganz besonderen Glorie verbunden ist; indem nämlich ihre Leiber verklärt werden und als solche vier Eigenschaften besitzen; sie werden nämlich sein:

1. strahlend (claritas) nach dem Worte der Schrift: «Die Gerechten werden leuchten wie die Sonne im Reiche des Vaters»;<ref> Mt. 13, 43. </ref>

2. leidensunfähig (impassibilitas):' «Gesät wird ein Leib in Unehre, auferstehen wird er in Herrlichkeit, gesät wird er in Schwachheit, auferstehen wird er in Kraft».<ref> 1 Kor. 15, 43. </ref> «Trocknen wird Gott alle Tränen in ihren Augen, der Tod wird nicht mehr sein, noch Trauer, noch Klage, noch Schmerz wird es geben, denn das Frühere ist vergangen».<ref> Offb. 21, 4. </ref>

3. leichtbewegt (agil, agilitas): «Leuchten werden die Gerechten und wie Funken im Rohrdickicht hin- und herblitzen»;<ref> Weish. 3, 7. </ref>

4. ätherisch (subtilitas): «Gesät wird ein tierischer Leib, auferstehen dagegen ein geistiger»,<ref> 1 Kor. 15, 44. </ref> nicht als ob er ganz Geist würde, aber doch ganz dem Geiste unterworfen.

Viertens endlich bezüglich der Auferstehung der Verdammten ist festzuhalten, dass ihr Zustand gerade der umgekehrte von demjenigen der Seligen ist. Sie verfallen der ewigen Strafe, und das hat für ihre Leiber vier Übel zur Folge. Sie werden sein: verfinstert: «Verbrannt werden die Züge ihres Antlitzes sein»<ref> Is. 13, 8. </ref> - ferner: leidensfähig, obwohl sie niemals sterben, indem sie immer im Feuer brennen und doch nicht vernichtet werden. Nach dem Worte der Schrift: «Ihr Wurm wird nicht sterben und ihr Feuer nicht erlöschen».<ref> Is. 66, 24. </ref> - Sie werden dann sein: schwer, darniederziehend, denn die Seele wird darin wie gefesselt sein: «um die Könige derselben in Fesseln zu schlagen»<ref> Ps. 149, 8. </ref> - und endlich gleichsam tierisch, die Seele und der Leib: «das Vieh verfault in seinem Mist».<ref> Joel 1, 17. </ref>

Zwölfter Glaubensartikel: Und ein ewiges Leben. Amen

Passend wird der Abschluss alles dessen, was wir im Symbolum glauben müssen, mit dem gemacht, was auch das Ziel aller unserer Wünsche ist, nämlich mit dem ewigen Leben, und so heißt es denn zum Schluss: «An ein ewiges Leben. Amen.» - Diesen Glaubenssatz leugnen diejenigen, welche behaupten, die Seele höre mit dem Körper auf zu existieren. Wäre das wahr, so stünde der Mensch auf der gleichen Stufe mit dem Tiere, und wer so etwas annehmen kann, bei dem trifft das Wort der Schrift zu: «Der Mensch, da er in Ehre war, bedachte es nicht, sondern sank zu den unvernünftigen Tieren herab und wurde ihnen ähnlich».<ref> Ps. 48, 21. </ref> Die menschliche Seele nämlich hat eine gewisse Ähnlichkeit mit Gott nach ihrer unsterblichen Seite hin, nach ihrer sinnlichen Seite dagegen mit dem Tiere. Wenn also einer glaubt, die Seele sterbe mit dem Körper, so gibt er jene Ähnlichkeit mit Gott auf, und sinkt zu den Tieren herab. Gegen solche gilt das Wort der Schrift: «Sie kennen die Geheimnisse Gottes nicht, hoffen nicht auf die Belohnung der Gerechtigkeit und achten die Ehre heiliger Seelen nicht. Denn Gott hat den Menschen unsterblich erschaffen und nach seinem Bilde und Gleichnisse ihn gemacht».<ref>Weish. 2, 22. </ref>

Vorab ist in diesem Artikel nun zu betrachten, worin das ewige Leben der Seligen besteht und da ist festzuhalten, dass es besteht:

1. In dem Besitze Gottes. - Denn Gott selbst ist der Lohn und das Ziel all unserer Mühen: «Ich bin dein Beschützer und dein übergroßer Lohn».<ref>Gen. 15, 1. </ref> Dieser Besitz aber besteht in der Anschauung des Wesens Gottes: «Jetzt zwar schauen wir noch gleichsam im Spiegel und Gleichnis, dann aber von Angesicht zu Angesicht».<ref>1 Kor. 10, 12. </ref>

2. In ewigem Lobpreis und vollkommener Befriedigung aller Wünsche. - Der hl. Augustinus sagt: «Wir werden schauen, lieben und loben», und der Prophet: «Freude und Wonne wird dort gefunden, Danksagung und Lobgesang».<ref> Is. 51, 3. </ref> - Ebenso die Befriedigung aller Wünsche: denn dort hat jeder Selige über alles Hoffen und Wünschen. Der Grund liegt nahe: in diesem Leben kann nämlich niemand sein Sehnen ganz erfüllen, und sättigt auch kein endlich Gut des Menschen Verlangen. Denn Gott allein befriedigt es und übertrifft es unendlich und so denn ruht es nur in Gott. Daher sagt auch Augustinus: «Du hast uns für dich geschaffen, o Herr, und unruhig ist unser Herz, bis es ruht in dir.» Weil nun die Heiligen in der ewigen Heimat Gott vollkommen besitzen, so ist klar, dass ihre Sehnsucht gestillt sein wird und die Herrlichkeit sie noch weit übertrifft. Darum sagt die Schrift: «Geh' ein in die Freude deines Herrn»,<ref> Mt. 25, 21. </ref> und der hl. Augustin: «Die ganze Freude geht nicht in die sich Freuenden ein, sondern diese geht ganz in die Freude ein». Nach dem Worte der Schrift: «Ich werde gesättigt, wenn er erscheint in seiner Herrlichkeit»<ref> Ps. 16, 15. </ref> und «Mit Gütern erfüllt er dein Verlangen».<ref> Ps. 102, 5. </ref> - Denn was immer es Erfreuliches gibt, findet sich dort in Überfülle. Sucht einer Vergnügen und Genüsse, dort ist der höchste und vollkommenste Genuss, weil an dem höchsten Gute, Gott: «Dann wirst du ob des Allmächtigen überfließen vor Lust»,<ref> Job 22, 26. </ref> und «Vergnügen sind dir zur Hand ewiglich».<ref> Ps. 15, 11. </ref> Sucht einer Ehren, dort wird der Inbegriff der Ehren sein. Es streben die Menschen so gern nach den höchsten weltlichen oder geistlichen Ehrenstellen. Auch dieses Streben wird dort erfüllt. Denn es singen die Seligen in der Apokalypse: «Du hast uns unserem Gott zu einem Königreiche und zu Priestern gemacht»;<ref> Offb. 5, 10. </ref> und neidisch sprechen im Buch der Weisheit die Verworfenen: «Siehe wie sie gerechnet sind unter die Söhne Gottes».<ref> Weish. 5, 5. </ref> Oder es sucht einer Wissenschaft, dort ist die vollkommenste, denn die Natur aller Dinge und jegliche Wahrheit und was immer wir wollen, werden wir dort erkennen, und besitzen was wir wünschen in und mit dem ewigen Leben: «Mit ihm kamen mir alle Güter zugleich»,<ref> Weish. 7, 11. </ref> und «die Sehnsucht der Gerechten wird erfüllt»,<ref> Spr. 10, 24. </ref> Das ewige Leben besteht aber ferner:

3. In vollkommener Sicherheit: in dieser Welt ist sie nie vollkommen; denn je mehr einer besitzt und hervorragt, um so mehr fürchtet, um so mehr begehrt er. Im ewigen Leben dagegen ist keine Traurigkeit, keine Mühe, keine Furcht. «In Überfluss wird man geniessen, fern von aller Furcht des Bösen».<ref> Spr 1, 33. </ref> Endlich besteht die Seligkeit:

4. In der frohen Gemeinschaft mit allen Seligen. Diese Gemeinschaft aber ist eine überaus süße: denn jeder nimmt Teil an dem Glücke aller Seligen, denn ein jeder liebt den anderen wie sich selbst, und deshalb freut er sich an dem Glücke, des anderen, wie an seinem eigenen. Und so kommt es dann, dass die Freude und das Glück eines jeden einzelnen vermehrt wird nach dem Maß der Freude aller. «Die Freude an allen beut deine Wohnung».<ref> Ps. 86, 7. </ref>

Dieses also und noch vieles andere, was gar nicht ausgesprochen werden kann, wird der Anteil der Seligen im Himmel sein. Die Bösen dagegen, die dem ewigen Tode verfallen, haben gerade umgekehrt das an Pein und Strafe, was die Guten an Freude und Herrlichkeit. Es setzt sich aber ihre übergroße Strafe aus viererlei zusammen:

1. Aus der Trennung von Gott und allen Guten. Es ist dies die sogen. poena damni, die Strafe des Verlustes, die ihrer Abkehr von Gott entspricht und größer ist, als die poena sensus, die Strafe der Sinne. Sie ist angedeutet mit den Worten der Schrift: «Den unnützen Knecht werfet hinaus in die äußerste Finsternis».<ref> Mt. 25, 30. </ref> So haben die Bösen schon hienieden innere Finsternis, nämlich die Verfinsterung durch die Sünde; dort aber kommt dann auch noch die äußere Finsternis hinzu.

2. Aus den Gewissensbissen: Nach dem Psalmisten ruft ihnen nämlich das Gewissen zu: «Ich werde dich rügen, und deine Sünden dir vor Augen stellen»;<ref> Ps. 49, 21. </ref> und nach dem Buch der Weisheit «werden sie vor innerer Angst aufseufzen».<ref> Weish, 5, 3. </ref> Und doch wird ihnen diese Reue und Zerknirschung nichts nützen, weil ihr Grund nicht der Hass des Bösen, sondern nur der Schmerz der Strafe ist.

3. Aus der Unermesslichkeit der fühlbaren Strafe: nämlich des höllischen Feuers, das Leib und Seele peinigen wird. Es ist das die bitterste Strafe, wie die Heiligen sagen: denn sie werden gleichsam ewig am Sterben sein und doch nie sterben können, weshalb dies auch der ewige Tod genannt wird, indem, wie das Sterben das Bitterste ist was es geben kann, so die in der Hölle die Bitterkeit dieser Strafe ewig verkosten müssen. «Wie Schlachtschafe fahren sie zur Unterwelt, wo sie der Tod weidet».<ref> Ps. 48, 15. </ref> Gesteigert wird endlich ihre Strafe

4. Aus der Verzweiflung am Heile. - Denn wenn ihnen eine Hoffnung auf Befreiung gegeben wäre, so würde ihre Strafe gemildert. Aber da ihnen alle Hoffnung genommen ist, so erhält gerade dadurch die Strafe ihre ganze Schwere: «Ihr Wurm wird nicht sterben, und ihr Feuer nicht erlöschen».<ref> Is. 66, 24.</ref>

Daraus erhellt, was für ein Unterschied ist zwischen guten oder bösen Werken. Denn die guten Werke führen hinauf zum Leben, die bösen ziehen hinab zum Tode. Und deshalb sollten die Menschen dies recht oft sich in Erinnerung bringen, denn dadurch würden sie zum Guten hingezogen und vom Bösen abgeschreckt. Daher steht auch bezeichnend am Schluss des Glaubensbekenntnisses das Wort: «Ein ewiges Leben», damit man sich immer tiefer dem Gedächtnisse einpräge, zu was für einem Leben uns führen möge der Herr Jesus Christus, Gott hochgelobt in Ewigkeit. Amen.

== II. ERKLÄRUNG DES VATER UNSER UND AVE MARIA ==

DAS GEBET DES HERRN

<ref> «Zur Erlangung des Heiles ist nächst dem Glauben auch die Hoffnung notwendig. Es war daher ganz angemessen, dass unser Erlöser, wie er durch Offenbarung himmlischer Geheimnisse der Urheber und Vollender unseres Glaubens geworden, so auch unsere Herzen zu lebendiger Hoffnung entzündete, indem er uns ein Gebet lehrte, durch welches unsere Hoffnung auf Gott aufs mächtigste gehoben wird, da wir von Gott selber belehrt werden, um was wir ihn bitten sollen.» Thom. Aq. Compend. theol. pars II cp. 3. </ref>

Einleitung: Von der Vortrefflichkeit des Gebetes des Herrn

Unter den verschiedenen Gebeten ist das Gebet des Herrn<ref> Cf. Thom. Aq. Comp. theol. p. II cap. 5. </ref> das vortrefflichste. Denn es besitzt die fünf Vorzüge, welche das Gebet haben soll. Es soll nämlich sein: zuversichtlich, aufrichtig, geordnet, andächtig und demütig. Es soll sein:

1. Zuversichtlich:<ref> Über das Gebet und seine Eigenschaften, cf. S. theol. II. II. qu. 63. spec. über die sieben Bitten des Vater unser art. 9. </ref> «Mit Vertrauen sollen wir hinzutreten zum Throne der Gnade».<ref> Hebr. 4, 16. </ref> Und glaubensvoll, wie geschrieben steht: «Er bitte aber im Glauben, ohne zu zweifeln».<ref> Jak. 1, 6. </ref> Offenbar ist nun dieses Gebet das zuverlässigste von allen, hat es ja unser Fürsprecher selbst gelehrt, er, der weiseste Beter, in weIchem alle Schätze der Weisheit verborgen sind, und von dem geschrieben steht: «Wir haben einen Fürsprecher beim Vater, Jesus Christus, den Gerechten»,<ref> Joh. 2, 1. </ref> weswegen Cyprian sagt: «Da wir in Christus beim Vater einen Fürsprecher für unsere Sünden haben, so wollen wir, wenn wir für unsere Vergehen um Verzeihung bitten, dies mit den Worten unseres Fürsprechers tun.» Noch mehr aber erhellt die Zuverlässigkeit dieses Gebetes daraus, dass derjenige, der in Gemeinschaft mit dem Vater das Gebet erhört, auch selbst uns beten gelehrt hat, nach jenem Wort der Schrift: «Er wird zu mir rufen und ich werde ihn erhören».<ref> Ps. 90. 15. </ref> Darum schreibt Cyprian: «Freundlich, zutraulich, und andächtig ist das Gebet, wenn man den Herrn mit seinen eigenen Worten bittet». Deshalb ist dieses Gebet auch niemals fruchtlos, denn durch dasselbe werden, wie Augustinus lehrt, die lässlichen Sünden nachgelassen.

2. Unser Gebet muss aufrichtig sein - d. h. der Betende muss von Gott das verlangen, was ihm erspriesslich ist. Denn nach dem Ausspruche des hl. Johannes von Damaskus ist das Gebet eine an Gott gestellte Bitte um das uns Geziemende. Gar oft nämlich wird das Gebet nicht erhört, weil Ungeziemendes verlangt wird: «Ihr bittet und erlanget's nicht, weil ihr in übler Gesinnung bittet».<ref> Jak. 4. 3. </ref> Es ist aber sehr schwer zu wissen, um was man bitten soll, da es äußerst schwer ist zu wissen, was begehrenswert ist. Was man aber begehren darf, um das darf man auch beten. Deswegen sagt der Apostel: «Um was wir beten sollen, wie sich's gebührt, wissen wir nicht».<ref> Röm. 8. 26. </ref> Nun aber ist Christus unser Lehrer. Ihm kommt es daher auch zu, uns zu lehren, um was wir beten sollen. Darum sprachen seine Jünger zu ihm: «Herr, lehre uns beten».<ref> Lk. 11. 1. </ref> Das also, um was er uns beten gelehrt hat, das darf man auch mit Recht verlangen, weswegen Augustinus sagt: «Wenn wir auf die rechte Weise beten, so sagen wir, welche Worte immer wir dabei gebrauchen mögen, nichts anderes, als was in diesem Gebete des Herrn enthalten ist.»

3. Das Gebet muss ferner ein geordnetes sein gerade wie das Verlangen, da ja das Gebet nur der Ausdruck des Verlangens ist. Das aber ist die rechte Ordnung, dass wir beim Verlangen und Beten das Geistige dem Fleischlichen, das Himmlische dem Irdischen vorziehen, gemäß den Worten des Heilandes: «Vor allem suchet das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit, und alles Übrige wird euch beigegeben werden».<ref> Mt. 6, 33. </ref> Diese Ordnung aber hat uns der Herr in diesem Gebet einhalten gelehrt, da darin zuerst um das Himmlische und dann erst um das Irdische gebetet wird.

4. Das Gebet muss auch andächtig sein, weil die Salbung der Andacht das Opfer des Gebetes Gott angenehm macht, gemäß dem Ausspruch des Psalmisten: «In deinem Namen will ich aufheben meine Hände. Wie von Mark und Fett lass satt werden meine Seele».<ref> Ps. 62, 5. </ref> Die Andacht aber wird meistens durch die Breite des Gebetes geschwächt, weswegen der Herr beim Gebete alle überflüssige Wortmacherei zu meiden befiehlt mit den Worten: «Wenn ihr aber betet, sollt ihr nicht viel reden».<ref> Mt. 6, 7. </ref> Und Augustinus sagt: «Vom Gebete sei ferne alles weitläufige Gerede. Nicht fehlen aber darf die öftere Anrufung, wenn nur das Herz in glühender Andacht verharrt.» Deswegen hat der Herr dieses Gebet kurz gefasst. - Die Andacht aber geht hervor aus der Liebe zu Gott und dem Nächsten und diese zweifache Liebe findet in diesem Gebete ihren Ausdruck. Denn um die Liebe zu Gott anzudeuten, nennen wir ihn «Vater»; und um die Liebe zum Nächsten auszudrücken, beten wir für alle gemeinsam, indem wir sprechen: Vater «unser»; und führe «uns» nicht in Versuchung, wozu uns eben die Nächstenliebe antreibt.

5. Das Gebet muss endlich demütig sein, denn «auf das Gebet der Demütigen schaut der Herr».<ref> Ps. 101, 18. </ref> Dies lehrt der Heiland durch die Parabel vom Pharisäer und vom Zöllner;<ref> Lk. 18, 10. </ref> ebenso heißt es im Buch Judith: «Der Demütigen und Sanftmütigen Gebet hat dir allezeit gefallen».<ref> Jud 9, 16. </ref> Auch diese Demut nun zeigt sich in diesem Gebete. Denn es ist wahre Demut, wenn einer nicht vermessen auf seine eigene Kraft vertraut, sondern alles von der Gnade Gottes zu erlangen hofft.

Der Nutzen des Gebetes' ist ein dreifacher.

1. Es ist ein wirksames und nützliches Heilmittel gegen das Böse - denn es befreit von den begangenen Sünden: «Du hast nachgelassen die Gottlosigkeit meiner Sünde, um das soll zu dir bitten jeder Heilige».<ref> Ps. 31, 6. </ref> So hat der Schächer am Kreuze gebetet und Verzeihung erlangt, da er von Christus die Worte hörte: «Heute wirst du mit mir im Paradiese sein».<ref> Lk. 23, 43. </ref> So hat der Zöllner gebetet und ist gerechtfertigt in sein Haus gegangen.<ref> Lk. 18, 14. </ref> Auch befreit das Gebet von der Furcht vor kommenden Sünden, von Betrübnis und Traurigkeit. «Ist jemand unter euch traurig, so bete er mit Geduld».<ref> Jak. 5, 13. </ref> Es befreit auch von Feinden und von Verfolgungen. «Statt dass sie mich lieben, verleumden sie mich. Ich aber bete».<ref> Ps. 108, 4. </ref>

2. Es ist wirksam und nützlich zur Erlangung aller Wünsche. - «Was ihr immer im Gebete begehret, glaubet nur, dass ihr es erhaltet»,<ref> Mk. 11, 24. </ref> und wenn wir nicht erhört werden, so geschieht dies entweder deshalb, weil wir nicht anhaltend beten, denn «man muss immer beten und niemals nachlassen»,<ref> Lk. 18, 1. </ref> oder weil wir nicht um das bitten, was uns mehr zu Heile ist. In dem Sinne sagt Augustinus: «Gut ist der Herr, der uns oft nicht gab, was wir wollten, um uns das zu geben, was wir eher wollen sollten.» Ein Beispiel dafür ist der hl. Paulus, welcher dreimal bat, dass von ihm der Stachel genommen werde, und nicht erhört wurde.

3. Endlich ist das Gebet nützlich, weil es uns zu Hausfreunden Gottes macht. «Lass mein Gebet wie Rauchwerk vor dein Angesicht kommen».<ref> Ps. 140, 2. </ref>

DIE VORREDE

Vater unser, der du bist im Himmel<ref> Cf. Comp. theol. II. cp. 5-8. </ref>

Wir beten also: Vater. - Zweierlei ist hier zu beachten, nämlich: Wie ist Gott unser Vater, und was sind wir ihm als Vater schuldig?

Er wird Vater genannt:

1. Wegen der besonderen Art und Weise unserer Erschaffung, indem er uns nämlich nach seinem Ebenbild und Gleichnis erschaffen hat, das er den anderen niedrigeren Geschöpfen nicht aufgeprägt. «Er ist dein Vater, der dich gemacht und erschaffen hat».<ref>Deut. 32. 6. </ref> Ebenso ist er unser Vater.

2. Wegen der Art und Weise unserer Regierung. Denn, obwohl er alles regiert, so regiert er uns doch wie Kinder, die übrigen Geschöpfe dagegen wie Diener: «Deine Vorsehung, Vater, leitet alles».<ref> Weish. 14, 3. </ref> «Und du regierst uns mit großer Nachsicht».<ref> Weish. 12, 18. </ref>

3. Wegen unserer Annahme an Kindes Statt, denn den anderen Geschöpfen hat er gleichsam nur Geschenke, uns aber die Erbschaft selbst verliehen und zwar deswegen, weil wir seine Kinder sind. Wenn wir aber Kinder, sind wir auch Erben. «Denn nicht habt ihr wieder empfangen den Geist der Knechtschaft, um euch zu fürchten, sondern ihr habt den Geist der Kindschaft empfangen, in welchem wir rufen: Abba, Vater».<ref> Röm. 8, 15. </ref>

Weil nun Gott unser Vater ist, so sind wir ihm viererlei schuldig.

1. Ehre: «Wenn ich Vater bin, wo ist meine Ehre?»<ref> Mal. 1, 6. </ref> Diese besteht aber in drei Punkten. Im Lobe gegenüber Gott: «Das Opfer des Lobes ehrt mich»,<ref> Ps. 49, 23. </ref> welches aber nicht bloß vom Munde, sondern vom Herzen kommen soll. «Dieses Volk ehrt mich mit den Lippen, aber sein Herz ist fern von mir».<ref> Is. 29, 13. </ref> Dann in der Reinheit des Leibes in Bezug auf sich selbst: «Verherrlicht und traget Gott in eurem Leibe».<ref> 1 Kor. 6, 20. </ref> Endlich in der Gerechtigkeit des Urteils gegenüber dem Nächsten. «Die Ehre des Königs liebt das Gericht».<ref> Ps 98, 4. </ref>

2. Nachfolge: weil er unser Vater ist. «Du nennst mich Vater und zögerst nicht, hinter mir herzugehen.» Diese Nachfolge besteht wieder in einem dreifachen: In der Liebe: «Seid Nachahmer Gottes als die lieben Kinder, und wandelt in der Liebe».<ref> Eph. 5, 1. </ref> Und zwar geht diese Liebe auf das Innere, auf das Herz. - In der Barmherzigkeit, denn mit der Liebe muss die Barmherzigkeit verbunden sein: «Seid barmherzig».<ref> Lk. 6, 36. </ref> Es geht diese mehr auf das Äußere, auf das Werk. - In der Vollkommenheit, weil Liebe und Mitleid vollkommen sein müssen: «Seid vollkommen, wie auch euer Vater im Himmel vollkommen ist».<ref> Mt. 5, 48. </ref>

3. Gehorsam: «Vielmehr werden wir dem Vater der Geister gehorsam sein», und zwar auch dies aus drei Gründen: Erstens wegen seiner Herrschaft über uns, denn er ist unser Herr: «Alles, was der Herr gesprochen, wollen wir tun und ihm gehorchen».<ref> Ex. 24, 7. </ref> Zweitens wegen seines Beispiel, «indem der wahre Sohn dem Vater gehorsam geworden bis zum Tode».<ref> Phil. 2, 8. </ref> - Drittens wegen des Lohnes: «Ich will spielen vor dem Herrn, weil er mich erwählt hat.»<ref> 1 Sam. 6, 21. </ref>

4. Geduld in den Züchtigungen: «Die Züchtigung des Herrn, mein Sohn, verwirf nicht und lass den Mut nicht sinken, wenn du von ihm gestraft wirst. Denn wen der Herr lieb hat, den züchtigt er, und hat Wohlgefallen an ihm, wie ein Vater an dem Sohne».<ref>Spr. 3, 11. </ref>

Das Wörtlein «unser» zeigt, was wir den Nächsten schuldig sind. Erstens Liebe, weil sie unsere Brüder sind, denn alle sind ja Kinder Gottes. «Wer seinen Bruder, den er sieht, nicht liebt, wie wird er dann Gott, den er nicht sieht, lieben?»<ref>1 Joh. 4, 20. </ref> Ebenso Ehrerbietung, weil sie Kinder Gottes sind. «Haben wir nicht alle einen Vater? Hat nicht ein Gott uns erschaffen? Warum also verachtet ein jeder von euch seinen Bruder?»<ref>Mal. 2, 10. </ref> «Mit Achtung kommt einander zuvor».<ref>Röm. 12, 10. </ref> Und all das wegen des Nutzens, «weil er allen, die ihm gehorsam sind, Urheber der ewigen Seligkeit geworden».<ref>Hebr. 5, 9. </ref>

Der du bist im Himmel

Der Betende muss vor allem Vertrauen haben; dies ist von größter Wichtigkeit: «Er bitte aber im Glauben, ohne zu zweifeln».<ref> Jak. 1, 6. </ref> Darum schickt der Herr, indem er uns beten lehrt, dasjenige voraus, wodurch in uns das Vertrauen erweckt wird, nämlich die Güte des Vaters. Deshalb spricht er «Vater unser», dem Spruch gemäß: «Wenn ihr, die ihr böse seid, eueren Kindern gute Gaben zu geben wisst, wie viel mehr wird euer Vater im Himmel den guten Geist denen geben, die ihn darum bitten?»<ref> Lk. 11, 13. </ref> Dieses Vertrauen wird ferner genährt durch den Hinblick auf die Macht Gottes, weswegen der Heiland spricht: «Der du bist im Himmel»; und der Psalmist: «Darum erhebe ich zu dir vertrauensvoll meine Augen, der (weil) du im Himmel wohnest».<ref> Ps. 122, 1. </ref> Es können aber diese Worte dreierlei andeuten.

1. Die Vorbereitung des Betenden. - So heißt es in der Schrift: «Vor dem Gebete bereite dein Herz vor»,<ref> Neh. 18, 23. </ref> d. h. für das Himmlische, wonach also «Himmel» soviel als «himmlische Herrlichkeit» bedeutete, den Worten gemäß: «Euer Lohn ist groß im Himmel».<ref> Mt. 5, 12. </ref> - Und diese Vorbereitung besteht vorerst in der Nachahmung des Himmlischen, da das Kind den Vater nachahmen soll. Darum steht geschrieben: «Gleichwie wir das Bild des Irdischen getragen haben, so lasst uns auch das Bild des Himmlischen tragen».<ref> 1 Kor. 15, 49. </ref> - Ferner in der Betrachtung des Himmlischen, weil die Menschen ihre Gedanken häufiger dahin zu richten pflegen, wo sie den Vater, und was sie sonst lieben, haben, den Worten gemäß: «Wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz»<ref> Mt. 6, 21. </ref> Deswegen sagt der Apostel: «Unser Wandel ist im Himmel».<ref> Phil. 3, 20. </ref> - Endlich besteht die Vorbereitung des Betenden in dem Streben nach dem Himmlischen, so dass er von demjenigen, der im Himmel ist, nur Himmlisches verlangt, der Mahnung des Apostels gemäß: «Was oben ist, suchet, wo Christus ist».<ref> Kol. 3, 1. </ref>

2. Die Geneigtheit zur Erhörung seitens dessen, zu dem man betet. - Fasst man nämlich die Worte «im Himmel» soviel als «in den Heiligen», so erhellt daraus die Nähe des uns Erhörenden. Denn in diesen wohnt Gott, jenem Ausspruch der Schrift gemäß: «Du bist in uns, o Herr».<ref> Jer. 14, 9. </ref> Wirklich werden die Heiligen auch Himmel genannt, da es heißt: «Die Himmel erzählen die Herrlichkeit Gottes».<ref> Ps. 18, 1. </ref> - Gott wohnt aber in den Heiligen durch den Glauben: «Christus wohnt durch den Glauben in eueren Herzen»;<ref> Eph. 3, 17. </ref> - durch die Liebe: «Wer in der Liebe bleibt, bleibt in Gott und Gott in ihm»;<ref> 1 Joh. 4, 16. </ref> - durch die Erfüllung der Gebote: «Wenn mich jemand liebt, so wird er mein Wort halten, und mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und Wohnung bei ihm nehmen».<ref> Joh. 14, 23. </ref>

3. Die Fähigkeit und Macht zur Erhörung. - Es können sich nämlich die Worte «im Himmel» auch auf den materiellen Himmel beziehen. Nicht zwar als ob Gott durch den körperlichen Himmel eingeschlossen würde, da ihn ja die Himmel der Himmel nicht fassen können,<ref> 1 Kön. 8, 27. </ref> wohl aber kann damit seine Allwissenheit, durch die er von der Höhe herab alles sieht, angedeutet werden, nach jenen Worten der Schrift: «Er schaut von der Höhe seines Heiligtums herab»; sowie seine erhabene Macht, denn: «Der Herr hat im Himmel seinen Thron befestigt», endlich auch seine Unveränderlichkeit, den Worten des Psalmisten gemäß: «Du aber bleibst ewig und deine Jahre nehmen nicht ab»,<ref> Ps. 101,13. </ref> weswegen es auch von Christus heißt: «Sein Thron ist wie die Tage des Himmels»<ref> Ps. 88, 30. </ref> und nach Aristoteles der Himmel wegen seiner Unveränderlichkeit allgemein für die Wohnstätte der Geister gehalten wird.

Durch die Worte: «Der du bist im Himmel» 'wird uns nun aber auch Vertrauen auf das Gebet eingeflößt und zwar aus drei Gründen, nämlich wegen der Macht und Freundlichkeit dessen, zu dem gebetet wird, und wegen der Angemessenheit der Bitte selbst.

1. Wegen der Macht dessen, zu dem gebetet wird. - Auf diese Macht wird hingewiesen, wenn unter Himmel der körperliche Himmel verstanden wird. Und wenn er auch von keinem Orte umfasst werden kann, da geschrieben steht: «Ich erfülle Himmel und Erde»,<ref> Jer. 23, 24. </ref> so sagt man doch von ihm, er wohne im (körperl.) Himmel, um damit zweierlei, nämlich die Größe seiner Macht und die Erhabenheit seiner Natur anzudeuten. - Das erstere ist gegen diejenigen gerichtet, welche behaupten, dass alles durch den verhängnisvollen Einfluss der Himmelskörper mit Notwendigkeit geschehe, in welchem Falle alles Beten zu Gott unnütz wäre. Allein das ist eine törichte Meinung, da wir ja in dem Sinne von Gott sagen, dass er im Himmel wohne, weil er der Herr des Himmels und der Sterne ist, der Stelle gemäß: «Der Herr hat im Himmel seinen Thron bereitet».<ref> Ps. 102, 19. </ref> Das andere aber richtet sich gegen diejenigen, welche sich beim Beten irgendwelche körperliche Vorstellungen von Gott machen; deswegen heißt es von Gott, er wohne im Himmel, damit durch das, was unter den sinnlichen Dingen das Höchste ist, seine göttliche, alles, selbst das menschliche Wünschen und Erkennen, übersteigende Erhabenheit zur Anschauung gebracht werde. Darum ist alles Denkbare und Wünschbare geringer als Gott. Und deswegen heißt es: «Siehe, Gott ist groß und übertrifft unsere Wissenschaft».<ref> Job 36, 26. </ref> «Erhaben über alle Völker ist der Herr».<ref> Ps. 112, 4. </ref> «Wem sonach wollet ihr Gott vergleichen?»<ref> Is. 40, 18. </ref>

2. Wegen der Freundlichkeit Gottes. - Diese wird angedeutet, wenn unter dem Himmel die Heiligen verstanden werden. Denn da einige behaupten, dass er wegen seiner Erhabenheit um die menschlichen Dinge sich nicht bekümmere, so muss man dem gegenüber wohl erwägen, dass er uns nahe, ja ganz in uns ist, da es ja von ihm heißt, dass er im Himmel, d. i. in den Heiligen, welche Himmel genannt werden, wohne, dem Spruch gemäß: «Die Himmel erzählen die Herrlichkeit Gottes»,<ref> Ps. 18, 1. </ref> und «Du bist in uns, o Herr».<ref> Jer. 14, 9. </ref> Denn dies flößt den Betenden Vertrauen ein und zwar aus zwei Gründen: Erstens wegen der Nähe Gottes, der Lehre des königlichen Sängers gemäß: «Der Herr ist allen denen nahe: die ihn anrufen»,<ref> Ps. 144, 18. </ref> weshalb auch der göttliche Heiland erwähnt: «Du aber, wenn du betest, gehe in deine Kammer»,<ref> Mt. 6, 6. </ref> nämlich in die des Herzens. - Zweitens, weil wir durch den Beistand der anderen Heiligen das erlangen können, um was wir bitten, gemäß dem Ausspruch: «Wende dich an einen der Heiligen».<ref> Job 5, 1. </ref> «Betet für einander, damit ihr das Heil erlanget».<ref> Jak. 5,16. </ref>

2. Wegen der gehörigen Verfassung zum Gebete und der Passendheit desselben. - Diese erlangt das Gebet dadurch, dass wir die Worte: «Der du bist im Himmel», in dem Sinne nehmen, dass darunter die geistigen und ewigen Güter verstanden werden, welche die Glückseligkeit begründen. Dadurch wird das Gebet in doppelter Hinsicht ein passendes: Erstens, weil in uns hierdurch die Sehnsucht nach dem Himmlischen entzündet wird. Denn unsere Sehnsucht muss dahin streben, wo wir den Vater haben, weil dort unser Erbtum ist. «Suchet, was oben ist».<ref> Kol. 3, 1. </ref> «Zu einem unverwelklichen Erbe, welches euch im Himmel aufbewahrt wird».<ref> 1 Petr. 1, 4. </ref> - Zweitens, weil wir dadurch zu einem himmlischen Leben angeleitet werden, damit wir dem himmlischen Vater gleichförmig werden, gemäß den Worten des Apostels: «Wie der Himmlische, so auch die Himmlischen».<ref> 1 Kor. 15, 48. </ref> Beides nun, nämlich das himmlische Verlangen und das himmlische Leben, macht zum Gebete geschickt, erzeugt die richtige Verfassung und eben dadurch wird das Gebet ein passendes, zweckentsprechendes.

Erste Bitte: Geheiligt werde dein Name<ref> Cf. Comp. theol. II. p. cp. 8. </ref>

In dieser ersten Bitte beten wir darum, dass der Name Gottes unter uns geoffenbart und bekannt werde.

Es ist aber der Name Gottes

1. wunderbar: weil er in allen Geschöpfen Wunderbares wirkt, deswegen spricht der Herr im Evangelium: «In meinem Namen werden sie Teufel austreiben, in neuen Sprachen reden, Schlangen aufheben, und wenn sie etwas Tödliches trinken, wird es ihnen nicht schaden».<ref> Mk. 16, 17. </ref>

2. liebenswürdig: «Kein anderer Name ist uns unter dem Himmel gegeben, in welchem wir selig werden können».<ref> Apg. 4, 12. </ref> Vor allem aber muss man das Heil lieben. Und da haben wir ein schönes Beispiel am hl. Ignatius, der den Namen Christi so sehr liebte, dass er, als Trajan ihn aufforderte, den Namen Christi zu verleugnen, erwiderte, derselbe könne aus seinem Munde nicht entfernt werden. Und als jener ihm das Haupt abzuschneiden und Christus aus seinem Munde zu entfernen drohte, sprach er: «Und wenn du ihn auch aus meinem Munde wegnähmest, so könntest du ihn doch nicht aus meinem Herzen herausreissen: denn dieser Name ist in mein Herz eingeschrieben und deswegen kann ich ihn anzurufen nicht ablassen.» Als Trajan dies hörte, wollte er die Wahrheit des Gesagten erproben. Deshalb ließ er den Diener Gottes enthaupten und ihm das Herz aus dem Leibe reissen, und da fand es sich, dass der Name Christi mit goldenen Buchstaben in dasselbe geschrieben war. Denn der Heilige hatte diesen Namen gleichsam wie ein Siegel auf sein Herz gelegt. Ferner ist der Name Gottes

3. anbetungswürdig: «Im Namen Jesu sollen sich beugen alle Knie derer, die im Himmel, auf Erden und unter der Erde sind».<ref> Phil. 2, 10. </ref> Im Himmel tun dies die Engel und die Seligen. Auf Erden die Menschen und zwar aus Liebe zur ewigen Herrlichkeit oder aus Furcht vor der ewigen Strafe. Unter der Erde endlich tun dies die Verdammten und zwar aus Furcht. Endlich ist der Name Gottes:

4. unaussprechlich: indem keine Zunge sein Wesen auszudrücken im Stande ist. Deswegen wird er oft durch geschöpfliche Dinge veranschaulicht. Er wird Stein genannt mit Rücksicht auf seine Festigkeit: «Auf diesen Felsen will ich meine Kirche bauen».<ref> Mt. 16. 18. </ref> Feuer: wegen seiner Läuterungskraft, weil wie das Feuer das Metall, so Gott die Herzen der Sünder reinigt. «Dein Gott ist ein verzehrendes Feuer».<ref> Dtn. 4. 24. </ref> Ebenso Licht wegen seines Leuchtens, weil, wie das Licht die Finsternis, so auch der Name Gottes die Finsternis des Geistes erleuchtet. «Mein Gott erleuchte meine Finsternisse».<ref> Ps. 17. 29. </ref>

Darum nun bitten wir, dass dieser Name bekannt werde, damit er erkannt und «geheiligt» werde. 'Das Wort «heilig» aber hat eine dreifache Bedeutung. Es bedeutet zunächst soviel als:

1. gefestigt (dem irdischen Wechsel enthoben). Deshalb werden alle Seligen im Himmel «Heilige» genannt, weil sie in der ewigen Seligkeit gefestigt sind. Auf der Welt können sie nicht heilig sein, weil sie all den verschiedenen Wechselfällen des Lebens unterworfen sind. Darum schreibt der hl. Augustinus: «Ich bin von dir abgewichen, o Herr, und allzu sehr umhergeirrt, von deiner Beständigkeit hab' ich mich abgewandt.» - Ferner bedeutet heilig so viel als:

2. «überirdisch»: So haben die Heiligen im Himmel keine irdischen Begierden. Und in dem Sinne sagt der Apostel: «Ich erachtete alles für Kot»<ref> Phil. 3. 8. </ref> etc. Mit dem Wort «Erde» dagegen wird das Niedrige, Sündhafte, die Sünder bezeichnet und zwar: Erstens mit Rücksicht auf ihre Erzeugnisse. Wenn nämlich die Erde nicht bebaut wird, so bringt sie Disteln und Dornen hervor. So bringt auch die Seele des Sünders, wenn sie nicht durch die Gnade befruchtet wird, nur Disteln und Stacheln der Sünden hervor. «Dornen und Disteln wird sie dir hervorbringen».<ref> Gen. 3, 18. </ref> Dann mit Rücksicht auf die Finsternis. Denn die Erde ist finster und dunkel. So ist auch der Sünder dunkel und finster. «Finsternis war über dem Abgrund».<ref> Gen. 1, 2. </ref> Ferner mit Rücksicht auf die Trockenheit. Die Erde ist nämlich ein trockenes Element, welches in Staub zerfiele, wenn es nicht durch die Feuchtigkeit des Wassers zusammengehalten würde. Denn Gott hat die Erde auf das Wasser gestellt, den Worten des Psalmisten gemäß: «Der die Erde auf dem Wasser befestigt»,<ref> Ps. 135, 6. </ref> um den dürren und trockenen Erdstoff durch das Wasser zusammenzuhalten. So hat auch der Sünder eine dürre und trockene Seele, der Lehre der Schrift gemäß: «Meine Seele ist wie Erde ohne Wasser.»<ref> Ps. 142, 6. </ref> Endlich bedeutet heilig soviel als:

3. im Blute gewaschen: darum werden die Heiligen im Himmel heilig genannt, weil sie im Blute gewaschen wurden, was auch der Apostel lehrt, wenn er sagt: «Es sind die, welche aus großer Trübsal gekommen und ihre Kleider gewaschen haben im Blute des Lammes».<ref> Offb. 7, 14. </ref> Und an einer anderen Stelle: «Er hat uns gewaschen von unseren Sünden mit seinem Blute».<ref> Offb. 1, 5. </ref>

Zweite Bitte: Dein Reich komme<ref> Cf. Comp. theol. II. pars cp. 9. </ref>

Wie gesagt bewirkt in uns der Heilige Geist die rechte Liebe, das wahre Verlangen und Gebet, und bringt so in uns vorerst die Furcht hervor, vermöge welcher wir beten, dass der Name Gottes geheiligt werde. Eine andere Gabe des Heiligen Geistes nun ist die Frömmigkeit oder Pietät.<ref> Die sieben Bitten des Vater unser werden mit den sieben Gaben des Heiligen Geistes in Parallele gestellt, und aus denselben abgeleitet. Vgl. über sie S. theol. I. 11. qu. 68. </ref> Sie ist eine innige, hingebungsvolle Liebe gegen den Vater, sowie gegen jeden leidenden Menschen. Da nun Gott unser Vater ist, so müssen wir ihn nicht bloß ehren und fürchten, sondern auch lieben. Diese Liebe nun bewirkt, dass wir bitten, "das Reich Gottes komme zu uns», nach den Worten der Schrift: «Lasst uns gottselig und gerecht leben in dieser Welt, indem wir erwarten die selige Hoffnung und die Ankunft der Herrlichkeit des großen Gottes».

Man könnte aber fragen: «Da das Reich Gottes immer bestanden hat, warum bitten wir denn, dass es zu uns komme?» Mit Rücksicht hierauf ist zu bemerken, dass das Wort «Reich» und die Bitte um seine Ankunft einen dreifachen Sinn haben kann. Es kann bedeuten:

1. Herrschaftsrecht, aber noch nicht Herrschaftsbesitz. - Es kann nämlich der Fall eintreten, dass ein König das Recht der Herrschaft über ein Reich besitzt, ohne dass dieses Herrschaftsrecht bekannt und anerkannt worden, weil noch nicht alle Bewohner des Reiches sich ihm unterworfen haben. Erst dann also wird sein Herrschaftsrecht offenbar werden, wenn die Bewohner des Reiches sich ihm unterworfen haben. Gott aber ist von sich aus und seiner Natur nach Herr über alles und Christus hat als Gott wie als Mensch von Gott die Herrschaft über alles empfangen. «Und er hat ihm Gewalt und Ehre und das Reich gegeben».<ref> Dan. 7, 14. </ref> Darum muss ihm alles unterworfen sein. Das ist aber jetzt noch nicht der Fall, sondern wird erst gegen das Ende geschehen. «Er muss herrschen, bis er alle Feinde unter seine Füße legt».<ref> 1 Kor. 15, 25. </ref> - Und deswegen bitten wir nun: «Dein Reich komme», und zwar beten wir damit um dreierlei: vorab, dass die Gerechten vollendet, dann dass die Sünder bestraft und endlich dass der Tod vernichtet werde. Denn die Menschen werden Christus auf zweifache Weise unterworfen: freiwillig oder unfreiwillig. Da nämlich der Wille Gottes so wirkt, dass er unbedingt erfüllt werden muss, und da Gott will, dass alles Christus unterworfen werde, so muss von zweien notwendig eines geschehen: entweder erfüllt der Mensch den Willen Gottes, indem er sich seinen Geboten unterwirft, und dies tun die Gerechten, oder Gott bringt seinen Willen in Erfüllung, indem er die Ungehorsamen bestraft, und dies tut er an den Sündern und Gottlosen. Letzteres wird geschehen am Ende der Welt. «Bis ich deine Feinde zum Schemel deiner Füße lege».<ref> Ps. 109, 2. </ref> - Und so kommt es vorab den Heiligen zu, zu bitten, dass das Reich Gottes komme, nämlich dass sie selber ihm vollständig unterworfen werden mögen. - Für die Sünder aber befasst die Bitte etwas Schreckliches in sich, da sie nichts anderes besagt, als dass sie durch den Willen Gottes gestraft werden mögen. «Wehe denen, die nach des Herrn Tag verlangen»<ref> Am 5, 18. </ref>

Endlich wird dadurch dann auch der Tod vernichtet. Denn da Christus das Leben ist, so kann in seinem Reiche der Tod, als der Feind des Lebens, nicht herrschen. Weswegen es heißt: «Der letzte Feind aber, der vernichtet wird, ist der Tod».<ref> 1 Kor. 15, 26. </ref> Und dies wird bei der Auferstehung geschehen. «Er wird den Leib unserer Niedrigkeit umgestalten, dass er gleichgestaltet sei dem Leibe seiner Herrlichkeit».<ref> Phil. 3, 21. </ref> Unter Himmelreich kann dann ferner verstanden werden:

2. Die Herrlichkeit des Paradieses. - Denn Reich bedeutet soviel als Regierung. Die beste Regierung aber ist da, wo nichts gegen den Willen des Regenten geschieht. Der Wille Gottes aber ist das Heil der Menschen: «denn er will, dass alle Menschen gerettet werden».<ref> 1 Tim. 2, 4. </ref> Und dieses wird vor allem im Paradiese der Fall sein, wo nichts dem Heile der Menschen mehr entgegen sein wird. «Sie werden aus seinem Reiche alle Ärgernisse sammeln».<ref> Mt. 13, 41. </ref> In dieser Welt dagegen findet sich vieles, was dem Heile der Menschen entgegen ist. Wenn wir also beten: «Dein Reich konne», so bitten wir, dass wir des himmlischen Reiches und der Herrlichkeit des Paradieses teilhaftig werden mögen. Und dieses Reich ist aus drei Gründen überaus begehrenswürdig: Erstens wegen der höchsten Gerechtigkeit, die in ihm herrscht. «Dein Volk werden lauter Gerechte sein».<ref> Is. 60, 21. </ref> Hienieden sind die Schlechten mit den Guten vermischt, dort aber gibt es keine Bösen mehr und keine Sünder. - Ferner wegen der vollkommensten Freiheit. Hienieden nämlich gibt es keine vollkommene Freiheit, obwohl alle naturgemäß nach derselben verlangen; dort aber wird eine vollständige Freiheit gegen jede Knechtschaft herrschen. «Selbst die Natur wird von jeglicher Verderbtheit befreit sein»,<ref> Röm. 8, 21. </ref> und nicht nur werden dort alle frei sein, sondern Könige werden sie sein. «Du hast uns unserem Gott zu einem Königreich gemacht».<ref> Offb. 5, 10. </ref> Der Grund hiervon liegt darin, dass alle denselben Willen mit Gott haben werden, so dass Gott will, was die Heiligen wollen, und die Heiligen, was Gott will. Und so geschieht mit dem Willen Gottes auch ihr Wille. Und es werden deshalb alle herrschen, weil der Wille aller geschehen, und der Herr die Krone aller sein wird. «An jenem Tage wird der Herr der Heerscharen eine herrliche Krone, ein Freudenkranz für die übrigen seines Volkes».<ref> Is. 28, 5. </ref> - Endlich ist das Himmelreich überaus verlangenswert wegen den überschwänglichen Freuden, die es bietet. «Kein Auge hat es gesehen, außer dir, o Gott, was du denen bereitet, die auf dich harren».<ref> Is. 64, 4. </ref> «Der dein Verlangen mit Gütern erfüllt».<ref> Ps. 102, 5. </ref> Es wird nämlich der Mensch in Gott alles in höherer Weise und in vollkommenerem Maß finden, was man sonst in der Welt sucht. Suchst du Ergötzlichkeiten, in Gott wirst du die höchsten finden. Suchst du Reichtümer, dort wirst du alles im Überfluss haben, wo die Quelle der Reichtümer, und so verhält es sich mit allen andern Gütern. «Wenn die Seele», sagt Augustinus, «fern von dir Buhlerei treibt, so sucht sie außer dir, was sie nur rein und lauter findet, wenn sie zu dir zurückkehrt.» Endlich kann dieses Reich auch gefasst werden als:

3. Die Herrschaft über die Sünde. - Bisweilen nämlich herrscht in dieser Welt die Sünde. Das ist dann der Fall, wenn der Mensch einen solchen Hang zur Sünde hat, dass er ihren Reizungen sofort Folge leistet. «Es herrsche nun aber nicht mehr die Sünde in euerem sterblichen Leib»,<ref> Röm. 6, 12. </ref> sondern Gott soll in deinem Herzen herrschen. «Sion dein Gott wird herrschen».<ref> Is. 52, 7. </ref> Gott aber herrscht dann in dir, wenn du ihm bereitwillig gehorchst und seine Gebote beobachtest.

Wenn wir also beten: «Zukomme uns dein Reich», so bitten wir, dass in uns nicht die Sünde, sondern Gott herrschen möge. Durch diese Bitte werden wir dann zu jener Seligkeit gelangen, von der es heißt: «Selig sind die Sanftmütigen, denn sie werden das Erdreich besitzen».<ref> Mt. 5, 4. </ref><ref> Auch die «acht Seligkeiten» werden mit den sieben Bitten verbunden. Wie diese als die Wirkung, ais der unmittelbare Ausfluss, der sieben Gaben des Heiligen Geistes erscheinen, so werden als die Wirkung, als die Erfüllung der einzelnen Bitten, je eine der «acht Seligkeiten» hingestellt. Ober diese vgl. S. theol. I. II. qu. 69. </ref> Wenn nämlich, nach der ersten Auslegung, der Mensch wünscht, dass Gott der Herr über alles sei, so rächt er nicht selber das ihm zugefügte Unrecht, sondern behält Gott die Rache vor. Denn wenn du dich rächtest, würdest du nicht bitten, dass sein Reich zu dir komme. Wenn du aber nach der zweiten Auslegung sein Reich, d. i. die Herrlichkeit des Paradieses erwartest, so darfst du dich nicht wegen dem Verlust irdischer Dinge bekümmern. Ebenso musst du, wenn du der dritten Erklärung gemäß bittest, dass Gott und Christus in dir herrschen wolle, sanftmütig sein, da Christus überaus sanftmütig gewesen. «Lernet von mir, denn ich bin sanftmütig».<ref> Mt. 11, 29. </ref> «Ihr ertruget mit Freude den Raub eurer Güter».<ref> Hebr. 10, 34. </ref>

Dritte Bitte: Dein Wille geschehe wie im Himmel, so auf Erden

Die dritte Gabe, die uns der HI. Geist verleiht, ist die Gabe der Wissenschaft. Denn der HI. Geist verleiht den Guten nicht nur die Gabe der Gottesfurcht und Frömmigkeit, oder jener Pietät gegen Gott, sondern er macht den Menschen auch weise. Um diese Gabe flehte David, als er sprach: «Lehre mich Heiligkeit, Zucht und Erkenntnis».<ref> Ps. 118, 66. </ref> Und das ist die Wissenschaft, die der HI. Geist uns gelehrt und vermöge welcher der Mensch ein tugendhaftes Leben führt. Die Weisheit und Wissenschaft besteht aber vorzüglich darin, dass man sich nicht auf seine eigene Einsicht verlässt. «Verlasse dich nicht auf deine Klugheit».<ref> Spr. 3, 5. </ref> Denn diejenigen, welche nur auf ihre eigene Einsicht bauen, welche nicht auf andere, sondern nur auf sich vertrauen, werden immer als Toren befunden und betrachtet. «Hast du einen Menschen gesehen, der sich für weise hielt - an einem Toren ist mehr Hoffnung als an ihm».<ref> Spr. 26, 12. </ref> Dass aber der Mensch nicht auf seine eigenen Einsicht sich verlässt, ist eine Frucht der Demut. Darum ist auch die Weisheit eine Stätte der Demut, wie es in den Sprichwörtern heißt: «Die Stolzen haben zu großes Selbstvertrauen».<ref> Spr. 11, 2. </ref> Deshalb lehrt uns der HI. Geist durch die Gabe der Wissenschaft, dass wir nicht unseren, sondern Gottes Willen tun sollen. Und darum bitten wir Gott, dass sein Wille wie im Himmel, so auch auf Erden geschehe, und hierin zeigt sich die Gabe der Wissenschaft. Deswegen beten wir zu Gott: «Dein Wille geschehe». Gleichwie der Kranke nicht seinem eigenen Willen, sondern demjenigen des Arztes folgt, und wenn er etwas anderes wollte, ein Tor wäre, so dürfen auch wir von Gott nichts anderes verlangen, als dass an uns sein Wille geschehe. Denn dann hat das Menschenherz die rechte Richtung, wenn es mit dem göttlichen Willen übereinstimmt. Hierin hat Christus uns ein herrliches Beispiel gegeben. «Ich bin vom Himmel herabgekommen, nicht damit ich meinen Willen tue, sondern den Willen dessen, der mich gesandt hat».<ref> Joh. 6, 38. </ref> Christus hat nämlich als Gott denselben Willen wie der Vater, als Mensch dagegen hat er einen anderen Willen als der Vater; und mit Bezug auf diesen letzteren sagt er, er tue nicht seinen Willen, sondern den des Vaters. Und darum lehrte er uns beten: «Dein Wille geschehe».

Aber was heißt denn das: «Dein Wille geschehe»?

Steht nicht geschrieben: «Er tut alles, was er will»?<ref> Ps. 113, 3. </ref> Wenn er im Himmel und auf Erden alles tut, was er will, warum spricht er denn: «Dein Wille geschehe wie im Himmel, also auch auf Erden»? Hier ist zu bemerken, dass Gott dreierlei an uns will und dass wir bitten, es möge dies geschehen.

1. Erlangung des ewigen Lebens. - Denn wenn jemand zu irgend einem Zwecke etwas tut, so will er damit diesen Zweck erreichen. Nun hat Gott den Menschen nicht für nichts erschaffen. Denn es steht geschrieben: «Hast du denn vergeblich alle Menschenkinder erschaffen?»<ref> Ps. 88, 48. </ref> Er hat also die Menschen für etwas erschaffen, aber nicht für die sinnlichen Vergnügungen - denn solche haben auch die Tiere - sondern für das ewige Leben. Der Herr will also, dass der Mensch das ewige Leben habe. Wenn aber ein Ding den Zweck erreicht, wozu es bestimmt ist, so sagt man, es ist gerettet. Wenn es ihn aber nicht erreicht, so sagt man, es ist verloren. Gott nun hat, wie schon bemerkt, den Menschen für das ewige Leben erschaffen. Erlangt er dasselbe, so wird er gerettet und selig, und das eben will der Herr. «Das ist der Wille meines Vaters, der mich gesandt hat, dass jeder, der den Sohn sieht und an ihn glaubt, das ewige Leben habe».<ref> Joh. 6, 40. </ref> Dieser Wille ist schon erfüllt an den Engeln und Heiligen im himmlischen Vaterland, weil sie Gott schauen, erkennen und genießen. Wir aber bitten, dass, wie der Wille an uns erfüllt werde, die wir noch auf Erden sind. Um dieses also flehen wir, wenn wir beten, dein Wille geschehe an uns auf Erden, wie an den Heiligen im Himmel. Gott will:

2. Haltung der Gebote. - Wenn jemand etwas wünscht, so will er nicht bloß das Gewünschte, sondern auch die Mittel, wodurch er das Gewünschte erlangt. So will der Arzt, damit er die Gesundheit erlange, auch Diät, Arzneien und dergleichen. Gott aber will, dass wir das ewige Leben haben. «Willst du aber zum Leben eingehen, so halte die Gebote».<ref> Mt. 19, 17. </ref> Er will also, dass wir die Gebote halten. «Gott will von euch einen vernünftigen Gehorsam, so dass ihr prüfet, was der Wille Gottes sei: wie gut, wohlgetällig und vollkommen er sei.<ref> Röm. 12, 2. </ref> Gut: weil nützlich. «Ich bin der Herr, der dich Nützliches lehrt».<ref> Is. 48, 17. </ref> Wohlgetällig: nämlich dem Liebenden, wenn er auch vielleicht denen, die nicht lieben, nicht angenehm sein sollte: «Ein Licht ist aufgegangen den Gerechten, und denen, die aufrichtigen Herzens sind, Freude».<ref> Ps. 96, 11. </ref> Vollkommen: weil ehrenvoll. «Seid vollkommen, wie euer Vater im Himmel vollkommen ist».<ref> Mt. 5, 48. </ref> Wenn wir also sagen, dein Wille geschehe, so bitten wir, dass wir die Gebote Gottes halten mögen. Dieser Wille Gottes wird erfüllt an den Gerechten, noch nicht dagegen an den Sündern. Die Gerechten aber werden bezeichnet durch den Ausdruck «Himmel», die Sünder dagegen mit dem Worte «Erde». Und so beten wir denn: dass der Wille Gottes auf Erden, d. i. an den Sündern so geschehe, wie er im Himmel, d. h. an den Gerechten geschieht.

Zu bemerken ist dann noch, dass der Heiland durch die Art und Weise der Rede uns eine Lehre geben will. Er sagt nämlich nicht «tue», oder «lasst uns tun», sondern dein Wille «geschehe», weil zum ewigen Leben zwei Dinge notwendig sind, nämlich die Gnade Gottes und der freie Wille des Menschen. Obgleich nämlich Gott den Menschen ohne den Menschen erschaffen hat, so rechtfertigt er ihn doch nicht ohne ihn. Deshalb sagt Augustinus: «Derjenige, welcher dich ohne dich erschaffen, wird dich nicht ohne dich rechtfertigen». Denn er will, dass der Mensch mit der Gnade mitwirke. - Aber es heißt auch: «Bekehret euch zu mir und ich werde mich zu euch bekehren».<ref> Zachar. 1, 3. </ref> «Durch die Gnade Gottes bin ich, was ich bin, und seine Gnade ist in mir nicht unwirksam gewesen».<ref> 1 Kor. 15, 10. </ref> überhebe dich daher nicht deinerseits, sondern vertraue auf die Gnade Gottes. Aber sei auch nicht müßig, sondern strenge deine eigenen Kräfte an. Und darum sagt Christus nicht: «Lasst uns tun», damit es nicht den Anschein gewinne, als ob die Gnade Gottes nichts wirke. Ebenso wenig spricht er «tue», damit es nicht scheine, als ob unser Wollen und Bemühen nichts tue; sondern er spricht: «es geschehe», nämlich durch die Gnade Gottes und unsere eigene Mitwirkung. - Gott will

3. Die Zurückversetzung des Menschen in den ursprünglichen Zustand. - Damals, nach der Erschaffung, war die Würde des Menschen eine so große, dass Geist und Seele von dem Widerstreben des Fleisches und der Sinnlichkeit nichts verspürten. Denn so lange die Seele Gott gehorsam war, war auch das Fleisch dem Geiste so unterworfen, dass es von der Verderbnis des Todes, der Krankheiten und anderer Leiden nichts fühlte. Aber seitdem der Geist und die Seele, die in der Mitte zwischen Gott und dem Fleische war, sich durch die Sünde gegen Gott empörte, hat auch der Leib gegen die Seele sich empört, und von diesem Augenblicke an ward sie dem Tode und den Krankheiten unterworfen und fühlt einen beständigen Widerstreit zwischen Sinnlichkeit und Geist. «Ich sehe ein anderes Gesetz in meinen Gliedern, welches dem Gesetze meines Geistes widerstreitet»,<ref> Röm. 7, 23. </ref> und: «Das Fleisch gelüstet wider den Geist und der Geist wider das Fleisch».<ref>Galat. 5, 17. </ref> So herrscht ein beständiger Kampf zwischen Fleisch und Geist und sinkt der Mensch durch die Sünde immer tiefer. Darum ist es der Wille Gottes, dass der Mensch in den ursprünglichen Zustand zurückversetzt werde, d. h., dass im Fleische nichts sei, was dem Geiste hinderlich wäre. «Das ist der Wille Gottes, euere Heiligung».<ref>Thessal. 4, 3. </ref> Dieser Wille Gottes aber (bezüglich des Fleisches) kann hienieden noch nicht vollständig in Erfüllung gehen, da erst bei der Auferstehung der Heiligen die Körper in verklärter Gestalt auferstehen und unverweslich und herrlich sein werden. «Gesät wird der Leib in Unehre, auferstehen wird er in Herrlichkeit».<ref> 1 Kor. 15, 43. </ref> Hingegen wird der Wille Gottes wenigstens im geistigen Teile schon hienieden in den Gerechten erfüllt: durch Gerechtigkeit, Wissenschaft und Leben. Wenn wir also beten: «Dein Wille geschehe», so bitten wir, dass er auch am Fleische geschehe; und verstehen dann unter «dem Himmel» den Geist, und unter «der Erde» das Fleisch, so dass diese Bitte dann den Sinn hat: dein Wille geschehe so auf Erden, d. h. an unserem Fleische, wie er im Himmel, d. i. in unserem Geiste durch Gerechtigkeit erfüllt wird.

Durch diese Bitte aber gelangen wir zu der Glückseligkeit der Trauer, von welcher es heißt: «Selig die Trauernden».<ref> Mt. 5, 5. </ref> Dies ergibt sich aus jeder der drei angeführten Erklärungen. Denn nach der ersten sehnen wir uns nach dem ewigen Leben, und diese Sehnsucht erweckt in uns das Gefühl der Traurigkeit. «Wehe mir, dass meine Fremdlingschaft so lange währt».<ref> Ps. 119, 5. </ref> Und diese Sehnsucht brennt in den Gerechten so heftig, dass sie nach dem Tode, der doch an und für sich etwas nicht Begehrenswertes ist, Verlangen tragen. «Wir sind aber getrosten Mutes und haben guten Willen, lieber fortzugehen aus dem Leib und heimzugehen zu dem Herrn».<ref> 2 Kor. 5, 8. </ref> - Ebenso sind, der zweiten Erklärung zufolge, diejenigen traurig, welche die Gebote halten. Denn diese sind wohl süß für die Seele, für den Leib dagegen, der dadurch beständig abgetötet wird, sind sie bitter. «Sie gehen und weinen (in Bezug auf den Leib), aber kommen werden sie, kommen mit Frohlocken»<ref> Ps. 125, 6. </ref> (in Bezug auf die Seele). - Desgleichen hat, nach der dritten Erklärung, der beständige Kampf zwischen Fleisch und Geist Traurigkeit zur Folge. Es ist fast nicht anders möglich, als dass die Seele in diesem Kampfe gegen das Fleisch verwundet wird, wenigstens durch lässliche Sünden, und um nun den erlittenen Schaden wieder gut zu machen, trauert sie. «Ich wasche alle Nächte (d. i. im Hinblick auf die Finsternis der Sünde) mein Bett»<ref> Ps. 6, 7. </ref> (d. i. mein Gewissen). Und diejenigen, welche auf solche Art trauern, gelangen ins Vaterland, zu welchem uns führen wolle Jesus Christus, Gott hochgelobt in Ewigkeit.

Vierte Bitte: Unser tägliches Brot gib uns heute

Nicht selten kommt es vor, dass jemand gerade infolge großer Weisheit und Wissenschaft furchtsam und mutlos wird, und darum bedarf er darüber hinaus notwendig der Starkmut des Herzens, damit er in den Nöten des Lebens nicht verzage. «Er gibt den Müden Kraft, und den Erschöpften Stärke und Macht in Fülle».<ref> Is. 40. 29. </ref> Diese «Starkmut» aber verleiht der Heilige Geist. «Da kam der Geist in mich und stellte mich auf meine Füße».<ref> Ez. 2, 2. </ref> Diese Stärke aber, die der Heilige Geist verleiht, wird dazu gegeben, damit das Herz des Menschen sich nicht beängstige, wegen dem, was ihm notwendig ist, sondern fest vertraue, dass Gott alles Notwendige gewähren werde. Deshalb lehrt uns der Heilige Geist, der uns diese «Starkmut» verleiht, zu Gott beten: «Gib uns heute unser tägliches Brot», weswegen er auch Geist der Stärke genannt wird.

In den drei vorhergehenden Bitten nun flehten wir um Geistiges, das in dieser Welt zwar wohl beginnt, aber erst im ewigen Leben zur Vollendung gelangt. Denn wenn wir beten, dass der «Name Gottes geheiligt» werde, so bitten wir, dass die Heiligkeit Gottes erkannt werde. Beten wir: «Dein Reich», so bitten wir, dass wir des ewigen Lebens teilhaftig werden mögen. Flehen wir: «Dein Wille geschehe», so bitten wir, dass der Wille Gottes an uns erfüllt werde. Obwohl nun das alles in dieser Welt seinen Anfang nimmt, so kann es doch erst im ewigen Leben vollkommen erlangt werden. Deshalb war es geboten, um etwas, das auch notwendig, zu bitten, das schon im gegenwärtigen Leben vollkommen erlangt werden kann. Und darum hat uns der Heilige Geist um dieses Notwendige beten gelehrt. Er will dadurch uns zeigen, dass Gott auch für unsere zeitlichen Bedürfnisse sorge, und deshalb spricht er: «Gib uns heute unser tägliches Brot.»

Mit diesen Worten aber lehrt er uns sechs Fehler meiden, welche aus diesem Verlangen nach irdischen Gütern hervorzugehen pflegen.

1. 'Die Unzufriedenheit mit einem standesgemäßen Leben, und die Begier nach dem, was über den Stand und seine Verhältnisse hinausgeht. - So in den Kleidern: Es wünscht der Soldat nicht die Kleider eines Soldaten, sondern die eines Feldherrn, der Kleriker nicht die Gewänder eines Klerikers, sondern die eines Bischofs. Diese Leidenschaft aber zieht die Menschen vom Geistigen ab, weil ihr Herz allzu sehr am Zeitlichen hängt. Und diesen Fehler lehrt uns der Herr meiden, indem er uns nur um «Brot» zu bitten befiehlt, d. h. um das einem jeden je nach seinen Verhältnissen für das gegenwärtige Leben Notwendige, was alles unter dem Worte «Brot» verstanden ist. Deshalb lehrt er uns nicht um leckere, verschiedenartige und ausgesuchte Dinge bitten, sondern um Brot, ohne welches der Mensch nicht leben kann, und das ein allgemeines Nahrungsmittel ist. «Des Lebens Erstes für den Menschen ist Wasser und Brot».<ref> Sir. 29, 28. </ref> «Wenn wir Nahrung und Kleidung haben, so lasst uns damit zufrieden sein».<ref> Tim. 6, 8. </ref>

2. Die Belästigung oder Übervorteilung anderer im Erwerbe zeitlicher Güter. - Dieses Laster ist deshalb so gefährlich, weil die Wiedererstattung geraubten Gutes schwierig ist. Denn die Sünde, sagt Augustinus, wird nicht vergeben, wenn nicht das gestohlene Gut zurückerstattet wird. Diesen Fehler nun lehrte uns der Heiland meiden, indem er uns um «unser», nicht um fremdes Brot zu bitten befiehlt, denn die Betrüger essen eben fremdes und nicht ihr eigenes Brot.

3. Die übermäßige Sorge um das Zeitliche. - Es gibt nämlich Leute, welche mit dem, was sie haben, nie zufrieden sind, sondern immer noch mehr wollen. Es ist das ein ungeregeltes Verlangen. Denn dieses soll geregelt werden nach dem Bedürfnisse. «Armut und Reichtum gib mir nicht; verleihe nur, was nötig ist zu meinem Lebensunterhalt».<ref> Spr. 30, 8. </ref> Diesen Fehler werden wir zu meiden ermahnt durch die Worte: Gib uns heute unser «tägliches» Brot, d. h. Brot für einen Tag. Ein fernerer Fehler ist:

4. Die unmäßige Essgier. - Es gibt Leute, die an einem Tage so viel verzehren, was für mehrere Tage hinreichte. Diese bitten nicht um das tägliche Brot, sondern um Brot für zehn Tage. Und weil sie zuviel verausgaben, so kommen sie zuletzt um alles. «Diejenigen, welche Trinkgelagen sich zuwenden, und Gastereien geben, gehen zugrunde».<ref> Spr. 23, 21. </ref> «Ein trunksüchtiger Arbeiter wird nicht reich».<ref> Koh. 19, 1. </ref>

5. Die Undankbarkeit. - Wenn jemand mit seinen Reichtümern sich brüstet und es nicht anerkennt, dass alles, was er hat, von Gott komme, so steht es sehr schlimm mit ihm. haben wir ja alle geistigen wie zeitlichen Güter von Gott. «Dein ist alles. Nur was von deiner Hand wir empfangen, haben wir dargebracht».<ref> 1 Chr. 29, 14. </ref> Um nun von diesem Übel uns fern zu halten, spricht er: «Gib uns» und unser «Brot», damit wir wissen, dass all das Unsrige von Gott komme. Es ist dabei nämlich auch der Umstand noch wohl ins Auge zu fassen, dass bisweilen dem Reichen seine Reichtümer nicht nur keinen Nutzen, sondern geistigen und zeitlichen Schaden bringen. Sind doch schon viele durch ihre Reichtümer zu Grunde gegangen. Es sagt darüber der Prediger: «Es gibt auch ein anderes Übel, welches ich gesehen unter der Sonne, und zwar vielfach bei den Menschen. Es ist ein Mann, welchem Gott gibt Reichtum und Besitz und Ehre, und nichts mangelt seiner Seele von allem, was sie begehrt. Jedoch lässt ihn Gott nicht davon Genuss haben, sondern ein fremder Mann verschlingt es»,<ref> Koh. 6, 1. u. 2. </ref> und: «die aufgespeicherten Reichtümer sind zum Unglücke des Besitzers».<ref> Koh. 5, 12. </ref> Wir müssen also bitten, dass unsere Reichtümer uns zum Nutzen gereichen, und dies tun wir mit den Worten: Gib uns heute unser «Brot», d. h. mache, dass die Reichtümer uns auch wirklich nützen, damit es uns nicht gehe wie Job sagt, dass sich nämlich «das Brot verwandelt in seinem Leibe in Schlangengift. Schätze, die er verschlang, wird er ausspeien und aus seinem Leib wird Gott sie heraustreiben».<ref> Job 20, 14. </ref> Ein anderer Fehler ist endlich noch

6. Die übermäßige Besorgnis wegen dem Zeitlichen. - Es gibt nämlich Leute, die sich um das Zeitliche auf Jahre hinaus schon vorher bekümmern. Solche kommen niemals zur Ruhe, und ihnen ruft der Heiland zu: «Seid nicht so besorgt, indem ihr immer sprecht: «Was werden wir morgen essen, oder was trinken, oder womit uns bekleiden?»<ref> Mt. 6, 31. </ref> Und darum lehrt der Herr uns beten, dass uns «heute» unser tägliches Brot, d. h. das uns für die Gegenwart Notwendige, gegeben werde.

Es gibt aber auch noch ein anderes Brot: nämlich das sakramentale Brot und das Brot des Wortes Gottes. Und so beten wir in dieser Bitte auch um dieses sakramentale Brot, das täglich in der Kirche konsekriert wird, dass, wie wir es im Sakramente empfangen, so es uns zum Heil gespendet werde. «Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel gekommen ist».<ref> Joh. 6, 51. </ref> Und »wer unwürdig isst und trinkt, isst und trinkt sich selbst das Gericht hinein».<ref> 1 Kor. 11, 29. </ref> Ebenso ist eine Art Brot das Wort Gottes nach dem Worte der Schrift selbst: «Nicht vom Brote allein lebt der Mensch, sondern von jedem Worte, das aus dem Munde Gottes kommt».<ref> Mt. 4, 4. </ref> Und so bitten wir, mit dem Ausdruck: dass er uns Brot gebe, auch um dieses sein Wort. - Dadurch aber wird dem Menschen jene Seligkeit zuteil, welche «Hunger nach der Gerechtigkeit» genannt wird. Denn wenn man die geistigen Güter einmal besitzt, schätzt und begehrt man sie immer mehr, und aus diesem Verlangen geht der Hunger, und aus dem Hunger die sättigende Fülle des ewigen Lebens hervor.

Fünfte Bitte: Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern

Es kann wohl jemand große Weisheit und Starkmut besitzen, aber er vertraut allzu sehr auf seine eigene Kraft und wird deshalb nicht weise handeln, noch das Angestrebte zu glücklichem Ziele führen. Dagegen werden «die Gedanken durch weisen Rat gestärkt».<ref> Spr. 20, 18.</ref> Und zwar wird derselbe Heilige Geist, der Starkmut gibt, auch diesen Rat verleihen, denn jeder gute, auf das Heil des Menschen bezügliche Rat kommt vom Heiligen Geiste. Rat aber hat der Mensch besonders dann vonnöten, wenn er von Trübsalen heimgesucht wird. Gerade wie der des Rates der Ärzte bedarf, der krank ist. Darum muss auch der Mensch, wenn er durch die Sünde an der Seele erkrankt, Rat suchen, um wieder geheilt zu werden. Dieser dem Sünder notwendige Rat wird angedeutet vom Propheten, wenn er sagt: «Mein Rat möge dir gefallen, o König! deine Sünden löse durch Almosen».<ref> Dan. 4, 24. </ref> Der beste Rat gegen die Sünde ist also Almosen und Barmherzigkeit. Und deswegen lehrt der Heilige Geist die Sünder beten: «Vergib uns» unsere Schulden. - Wir sind aber Gott das schuldig, was wir ihm von seinem Rechte nehmen. Gott aber hat das Recht, von uns zu verlangen, dass wir seinen Willen erfüllen, indem wir ihn dem unsrigen vorziehen. Wir nehmen daher Gott sein Recht, wenn wir unseren Willen dem seinigen vorziehen, und das geschieht durch die Sünde. Die Sünden sind also «unsere Schulden». - Darum gibt der Heilige Geist uns den Rat, Gott um Verzeihung der Sünden zu bitten, und deshalb beten wir: «Vergib uns unsere Schulden».

Wir können aber an dieser Bitte dreierlei ins Auge fassen: Erstens, den Grund der Bitte, zweitens, die Art und Weise ihrer Erfüllung, drittens die Bedingungen der Erfüllung.

Was nun erstens die Gründe der Bitte anbetrifft, so sind in derselben selbst zwei angeführt, die dem Menschen hienieden gar sehr notwendig sind, nämlich: Furcht und Hoffnung.

1. Die Furcht und Demut. - Es gab nämlich Irrlehrer,<ref> Die Pelagianer (im 5. Jahrh.) stellten den Satz auf: «Der Mensch vermag ohne Gnade, in eigener Kraft, sich von allen schweren und lässlichen Sünden zu enthalten. Und deshalb kann der Gerechte nicht für sich, sondern höchstens für andere beten: «Vergib uns unsere Schulden ... Cf. Denz. Enchirid. 68. und 71. Brück Kirchen· gesch. §. 61. </ref> die in ihrer Vermessenheit so weit gingen, dass sie behaupteten, der Mensch könne in dieser Welt aus eigener Kraft alle Sünden meiden. Das aber ward niemandem gegeben, als allein Christus, der Gnade ohne Maß besaß, und der allerseligsten Jungfrau, welche voll der Gnaden und frei von jeder Sünde war, nach den Worten des hl. Augustin: «Wenn von der Sünde die Rede ist, will ich, dass ihrer (nämlich der heiligen Jungfrau) keine Erwähnung geschehe.» Keinem anderen Heiligen dagegen ward es verliehen, dass er nicht wenigstens in lässliche Sünden fiel. Deshalb: «Wenn wir sagen, wir haben keine Sünde, so täuschen wir uns selbst, und die Wahrheit ist nicht in uns».<ref> 1 Joh. 1, 8. </ref> Und das wird eben auch durch diese Bitte bewiesen. Selbst alle Heiligen nämlich müssen das Vater unser beten, und darin auch die Worte: Vergib uns unsere Schulden. Also anerkennen und bekennen sich alle als Sünder und Schuldige. Wenn du aber ein Sünder bist, so ziemt sich für dich Furcht und Demut; anderseits aber doch auch

2. Hoffnung. - Denn, obwohl wir Sünder sind, dürfen wir doch nicht verzweifeln, damit die Verzweiflung uns nicht in verschiedene und noch größere Sünden stürze, wie der Apostel sagt: «Die der Hoffnung absagend sich selber überantwortet haben in die Unlauterkeit, zur Verübung jeglicher Unreinheit».<ref> Eph. 4, 19. </ref> Deshalb ist es sehr nützlich, immer zu hoffen. Denn jeder Mensch, ein wie großer Sünder er auch sein möge, muss hoffen, dass, wenn er seine Sünden vollkommen bereut und sich bekehrt, Gott ihm verzeihen werde. Diese Hoffnung wird in uns befestigt, wenn wir beten: «Vergib uns unsere Schulden». Vernichtet wurde sie von den Novatianern,<ref>Die Novatianer, eine rigoristische Sekte des 3. Jahrh. in Rom und Afrika; sie sprachen den Gefallenen jede Hoffnung auf Verzeihung ab. Cf. Brück Kirchengesch. § 35. </ref> welche behaupteten, wer einmal nach der Taufe gesündigt, könne keine Vergebung mehr erlangen. Es ist dies aber so gewiss eine irrige Behauptung, als wahr ist, was Christus sagt: «Die ganze Schuld hab' ich dir erlassen, weil du mich gebeten hast».<ref>Mt. 18. 32. </ref> Wann immer also du darum bittest, kannst du Barmherzigkeit erlangen, wenn du nur mit einem reuigen Herzen darum bittest. So entsteht also Furcht und Hoffnung aus dieser Bitte, weil alle Sünder, die ihre Sünden bereuen und beichten, Barmherzigkeit erlangen, und hieraus erhellt auch ihre Notwendigkeit.

Was den zweiten Punkt, die Art und Weise der Erfüllung der Bitte betrifft, so ist an der Sünde ein Doppeltes zu unterscheiden, nämlich die Schuld, durch welche Gott beleidigt wird, und die Strafe, welche für die Schuld zu leisten ist.

1. Die Schuld wird nachgelassen durch die vollkommene Reue, verbunden mit dem Vorsatz, zu beichten und Genugtuung zu leisten. Es ergibt sich dies aus jener Stelle beim Psalmisten: «Ich sprach: Bekennen will ich wider mich mein Unrecht dem Herrn, und du hast nachgelassen meiner Sünde Schuld».<ref> Ps. 31. 5. </ref> Man darf also nicht verzweifeln, da zur Nachlassung der Schuld schon die Reue, verbunden mit dem Vorsatz zu beichten, genügt. - Aber da wird vielleicht jemand einwenden: Wenn die Sünde durch die Reue vergeben wird, wozu bedarf es dann noch des Priesters?<ref> Der Autor fragt hier nach dem Grund, warum der Pönitent, im Fall er durch eine vollkommene Reue schon vor der Beichte gerechtfertigt ist, er doch noch das Sakrament empfangen soll, und gibt als einen solchen an: zur Nachiassung zeitlicher Sündenstrafen. Andere Gründe vgl. Hurter, Compend. theoi. dogm. III. 509. Dass iibrigens auch mit der vollkommenen Reue immer das votum confitendi, der Vorsatz, sobald als möglich zu beichten, verbunden sein muss, geht aus dem Context hervor, cf. den Anfang. </ref> Hierauf ist zu erwidern, dass Gott allerdings mit Rücksicht auf die Reue die Schuld nachlässt, und die ewige Strafe in eine zeitliche verwandelt. Aber es bleibt nichtsdestoweniger dem Büßer noch die Verpflichtung zu einer zeitlichen Strafe; So dass, wenn er ohne Beichte sterben würde - vorausgesetzt, dass er diese nicht aus Verachtung unterließe - er ins Fegfeuer kommen würde, dessen Strafe, wie Augustinus lehrt, eine sehr große ist.

2. Die Strafe. - In der Beichte nun spricht dich der Priester in Kraft der Schlüsselgewalt, welcher du dich durch das Bekenntnis unterwirfst, von dieser Strafe los. Darum sagt Christus zu den Aposteln: «Empfanget den Heiligen Geist; welchen ihr die Sünden nachlassen werdet, denen sind sie nachgelassen, und welchen ihr sie behalten werdet, denen sind sie behalten».<ref> Joh. 20, 23. </ref> Wenn daher jemand einmal beichtet, wird ihm etwas von dieser (zeitlichen) Sündenstrafe nachgelassen, und ebenso, wenn er wieder beichtet. Und so könnte er so oft beichten, bis ihm die ganze Strafe nachgelassen wäre. - Die Nachfolger der Apostel aber haben noch ein anderes Mittel, diese Strafe nachzulassen, eingeführt, nämlich den Ablass,<ref> Der Ablass ist ein «Nachlass» zeitlicher Sündenstrafen; durch Zuwendung der für sie persönlich überflüssigen Genugtuungswerke der Heiligen (supereffluentes sanctorum satisfactiones); auf die Erfüllung der Ablassbedingungen hin. Cf. S. theol. III Suppl. qu. 25-28. </ref> welcher aber nur dem, der im Stande der Gnade sich befindet, nützt, und zwar so viel, auf wie viel er verkündet worden ist. Dass aber der Papst dazu die Macht hat, ist klar. Viele Heilige nämlich haben so viel Gutes getan und doch nie eine schwere Sünde begangen, deshalb kommen ihre (Buss-) Werke der Kirche zugute. Ebenso sind die Verdienste Christi und der seligsten Jungfrau gleichsam ein Schatz, aus welchem der Papst und diejenigen, welche er hierzu bevollmächtigt, dergleichen Verdienste schöpfen und wo nötig austeilen können. - So also werden die Sünden nachgelassen, und zwar nicht nur die Schuld durch die Reue, sondern auch die Strafe durch die Beichte und die Ablässe.

Was endlich den dritten Punkt, die Bedingungen der Erfüllung, anbelangt, so wird von unserer Seite erfordert:

1. Dass wir unseren Nächsten die uns zugefügten Beleidigungen verzeihen- Darum heißt es: «Wie auch wir vergeben unseren Schuldigern», sonst würde Gott uns nicht verzeihen. «Ein Mensch beharrt gegen den anderen im Zorn, und von Gott erwartet er Heilung?»<ref> Sir. 28, 3. </ref> «Vergebt, so wird auch euch vergeben werden»,<ref> Lk. 6, 37. </ref>und darum wird nur bei dieser Bitte eine Bedingung gemacht, indem es heißt: Wie auch wir vergeben etc. Wenn du also nicht vergibst, wird dir auch nicht vergeben werden. Aber du könntest sagen: Ich werde nur den ersten Teil dieser Bitte beten, nämlich: vergib uns. Den zweiten Teil, nämlich: Wie auch wir etc., werde ich weglassen. Aber willst du denn Christus täuschen? Das ist dir unmöglich. Denn derjenige, der dieses Gebet uns gelehrt, erinnert sich desselben wohl und kann daher nicht getäuscht werden. Darum soll auch dein Herz das erfüllen, was du mit dem Munde sprichst. Nun fragt es sich aber, ob derjenige, welcher seinem Nächsten nicht verzeihen will, beten dürfe: Wie auch wir vergeben etc. Man sollte meinen, er dürfe es nicht, weil er lügt. Allein da ist zu bemerken, dass er nicht lügt, weil er dann nicht in seinem Namen, sondern im Namen der Kirche betet, welche nicht getäuscht wird. Deswegen auch ist die Bitte in die Mehrzahl gesetzt. Dagegen ist wohl zu beachten:

2. Dass es zwei Arten der Verzeihung gibt. Die eine findet sich bei den Vollkommenen und besteht darin, dass der Beleidigte den Beleidiger aufsucht. «Suche den Frieden».<ref> Ps. 33, 15. </ref> Die andere, welche im Allgemeinen bei allen sich findet und zu der auch alle verpflichtet sind, besteht darin, dass der Beleidigte dem Beleidiger, der um Verzeihung bittet, diese nicht verweigert. «Vergib deinem Nächsten, der dir Unrecht getan, dann werden auch dir, wenn du bittest, die Sünden gelöst werden».<ref> Sir. 28, 2. </ref>

Dieses aber führt zu einer anderen Seligkeit, die der Heiland andeutet, wenn er sagt: «Selig die Barmherzigen». Denn die Barmherzigkeit besteht eben darin, dass wir unseres Nebenmenschen uns erbarmen und inm verzeihen..

Sechste Bitte: Und führe uns nicht in Versuchung

Es gibt Menschen, welche, wenngleich sie gesündigt haben, doch Vergebung ihrer Sünden zu erlangen wünschen und deshalb beichten und bereuen, dabei aber nicht den notwendigen Eifer anwenden, um sich vor dem Rückfall in die Sünde zu bewahren. Das aber ist ein Widerspruch, dass man auf der einen Seite seine Sünden bereut und beweint, auf der anderen Seite aber durch fortgesetztes Sündigen Grund zu neuer Reue gibt. Und deswegen heißt es: «Wascht euch, und seid rein».<ref> Is. 1. 16. </ref> Und darum ermahnte uns Christus zunächst, wie oben gezeigt wurde, um Vergebung der Sünden zu bitten, aber lehrt dann sogleich in dieser Bitte von Gott erflehen, dass wir die Sünden meiden können: dass wir nämlich nicht in Versuchung geführt werden, welche uns zu neuem Sündigen verleitet, und deshalb fügt er bei: «Und führe uns nicht in Versuchung». - Hier nun kann man untersuchen: das Wesen der Versuchung, die Art und Weise der Versuchung und die Mittel zur Überwindung der Versuchung.

Was nun erstens das Wesen der Versuchung anbetrifft: so bedeutet «versuchen» nichts anderes, als «prüfen», «erproben». Deshalb heißt «den Menschen versuchen» soviel, als seine Tugend prüfen. Die Tugend des Menschen kann aber auf eine zweifache Art geprüft oder auf die Probe gestellt werden, da sie nach zwei Richtungen hin sich betätigt, einerseits als Gutes tun, andererseits als Böses meiden, nach dem Wort der Schrift: «Fliehe das Böse und tue das Gute».<ref> Ps. 33, 15. </ref> Es wird daher die Tugend des Menschen bald in dieser, bald in jener Beziehung geprüft.

1. In der Ausübung des Guten wird der Mensch geprüft, ob er sich willig und bereit zeige zu dieser oder jener guten Handlung, z. B. zum Fasten und dergleichen. Denn wenn dies bei ihm der Fall ist, dann ist seine Tugend eine erprobte. Auf diese Weise prüft Gott bisweilen den Menschen, nicht als ob dessen Tugend ihm verborgen wäre, sondern damit alle dieselbe erkennen und sich zum Beispiel nehmen. So hat er Abraham und Job versucht.<ref>Gen. 22. 2. und Job 1. 12. </ref> Und so lässt er manchmal Trübsale über die Gerechten kommen, auf dass, indem sie dieselben geduldig ertragen, ihre Tugend offenbar werde und sie in derselben immer mehr Fortschritte machen. «Der Herr euer Gott stellt euch auf die Probe, damit offenbar werde, ob ihr ihn liebet, oder nicht».<ref> Deut. 13.3. </ref> So also versucht Gott, indem er zum Guten anregt. Die Tugend des Menschen wird dann aber auch geprüft:

2. Durch Anreizung zum Bösen. Widersteht er dabei tapter und willigt nicht ein, dann ist seine Tugend eine bewährte; wenn er aber der Versuchung unterliegt, dann ist seine Tugend nichtig. Aut diese Weise aber wird niemand von Gott versucht, denn Gott ist ja, wie der Apostel sagt, unversuchbar vom Bösen, und versucht darum selber niemanden.<ref> Jak. 1, 13. </ref> Dagegen wird der Mensch vom eigenen Fleisch, vom Teufel und von der Welt versucht und darin besteht:

Zweitens die Art und Weise der Versuchung. - Er wird versucht:

1. Vom Fleisch - und zwar auf zweifache Weise: Erstens nämlich reizt das Fleisch ihn zum Bösen an. Das Fleisch nämlich sucht immer die ihm entsprechenden sinnlichen Genüsse, und diese sind gar oft sündhaft, denn wer sich in sinnlichen Vergnügungen aufhält, vernachlässigt das Geistige. «Jeder wird versucht von seiner Begierlichkeit».<ref>Jak. 1, 14. </ref> - Zweitens versucht das Fleisch dadurch, dass es vom Guten abzieht. Denn der Geist an und für sich fände immer Freude an den geistigen Gütern, aber das darniederziehende Fleisch hindert ihn daran. «Der verwesliche Leib beschwert die Seele»;<ref>Weish. 9, 15. </ref> und: «Ich freue mich an dem Gesetze Gottes dem inneren Menschen nach, sehe aber ein anderes Gesetz in meinen Gliedern, welches widerstreitet dem Gesetze meiner Vernunft und mich gefangen gibt dem Gesetze der Sünde, welches ist in meinen Gliedern».<ref>Röm. 7, 22. </ref> Und diese Versuchung ist sehr beschwerlich, weil unser Feind, nämlich das Fleisch, mit uns stets verbunden ist. Denn keine Pest ist, wie Boëtius sagt, so verderblich, wie ein Feind im eigenen Hause. Darum muss man gegen das Fleisch immer auf der Hut sein. «Wachet und betet, damit ihr nicht in Versuchung fallet».<ref>Mt. 26, 41. </ref> Eine fernere und sehr heftige Versuchung geht dann aus:

2. Vom Teufel. - Denn nachdem das Fleisch niedergetreten ist, erhebt sich ein anderer Feind, nämlich der Teufel, gegen den wir einen sehr schweren Kampf zu bestehen haben. «Wir haben nicht zu kämpfen wider Fleisch und Blut, sondern wider die Herrschaften und Gewalten, wider die Weltherrscher dieser Finsternis».<ref> Eph. 6, 12. </ref> Darum wird er auch ganz bezeichnend Versucher genannt: «Damit nicht etwa der Versucher euch versuche».<ref> Thess. 3, 5. </ref> Er geht aber bei seinen Versuchungen sehr schlau zu Werke. Denn wie ein kluger Feldherr, welcher eine Festung belagert, zur Ausführung eines Sturmes die schwächsten Punkte derselben ins Auge fasst, so versucht auch der Teufel den Menschen von jener Seite, wo er am schwächsten ist. Daher sucht er ihn zu jenen Lastern zu verleiten, zu denen die Menschen, wenn sie das Fleisch überwunden haben, am meisten geneigt sind, wie zum Zorn, zum Hochmut und zu anderen Sünden des Geistes. «Euer Widersacher, der Teufel, geht umher, wie ein brüllender Löwe, suchend, wen er verschlinge».<ref> 1 Petr. 5, 8. </ref> Dabei tut der Teufel zweierlei. Er stellt nämlich demjenigen, den er versucht, nicht gleich ein offenbares Übel, sondern irgend ein scheinbares Gut vor Augen, damit er ihn anfänglich wenigstens einigermaßen von seinem ursprünglichen Vorsatz abbringt, denn wenn er ihn auch nur ein wenig davon entfernt hat, so ist es nachher viel leichter, ihn zur Sünde zu verleiten. «Der Satan selbst gestaltet sich um zu einem Engel des Lichtes».<ref> 2 Kor. 11, 14.</ref> Wenn er ihn dann zur Sünde verführt hat, so verstrickt er ihn so in dieselbe, dass er ihn von seinem Falle sich nicht mehr erheben lässt. «Verstrickt sind seine Nerven». <ref> Job 40, 12. </ref> So tut also der Teufel zweierlei: Er täuscht und hält den Getäuschten in der Sünde fest. Endlich aber wird der Mensch auch versucht:

3. Von der Welt: und zwar auf zweifache Weise Erstens durch ein unmäßiges Verlangen nach zeitlichen Gütern. «Die Wurzel aller Übel ist die Habsucht».<ref> 1 Tim. 6, 10. </ref> Zweitens durch Schreckmittel von Verfolgern und Tyrannen nach den Worten Jobs: «Auch wir sind in Finsternis gehüllt»,<ref> Job 37. 19. </ref> und des Apostels: «Alle welche fromm leben wollen in Christus Jesus, werden Verfolgung leiden».<ref> 2 Tim. 3, 12. </ref> Doch dagegen gilt der Ausspruch des göttlichen Heilandes: «Fürchtet nicht diejenigen, welche den Leib töten, aber die Seele nicht töten können, sondern fürchtet vielmehr denjenigen, der Leib und Seele ins Verderben der Hölle stürzen kann».<ref> Mt. 10, 28. </ref> - So viel über das Wesen und die Art und Weise der Versuchung. Betrachten wir noch:

Drittens die Mittel gegen die Versuchung. - Hier ist zunächst zu bemerken, dass Christus uns nicht darum beten lehrt, dass wir gar nicht versucht werden, sondern nur darum, dass wir nicht in Versuchung geführt werden. Denn wenn der Mensch die Versuchung überwindet, so verdient er eine Krone, und deswegen heißt es: «Als lauter Freude erachtet es, meine Brüder, wenn ihr in mancherlei Versuchungen geraten seid».<ref> Jak. 1, 2. </ref> «Sohn, willst du treten in den Dienst Gottes, so halte bereit deine Seele auf Versuchung»,<ref> Sir. 2, 1. </ref> und wiederum: «Selig der Mann, der die Versuchung aushält. Denn bewährt erfunden, wird er die Krone des Lebens empfangen».<ref> Jak. 1, 12. </ref> Und deshalb lehrt der Herr uns nur bitten, dass wir nicht in Versuchung geführt werden durch Einwilligung. «Versuchung mag euch nicht befallen, außer menschliche».<ref> 1 Kor. 10, 13. </ref> Denn versucht werden ist menschlich, aber in die Versuchung einwilligen ist teuflisch. - Aber da könnte man sagen: führt uns denn nicht Gott selbst zum Bösen, da er ja spricht: Und führe uns nicht in Versuchung? Doch darauf ist zu antworten: dass dieses In-Versuchung-führen höchstens sagen will, dass Gott hie und da das Böse zulässt, insofern er nämlich dem Menschen wegen vieler Sünden seine Gnade entzieht, nach deren Verlust der Mensch in Sünden fällt, weshalb der Psalmist spricht: «Wenn hinschwindet meine Kraft, verlass mich nicht».<ref> Ps. 70, 9. </ref> Er leitet aber den Menschen, damit er nicht in Versuchung fällt:

1. Durch das Feuer der Liebe,' denn jeder, auch der kleinste Funken der Liebe, vermag der Sünde Widerstand zu leisten. «Viele Wasser vermögen nicht auszulöschen die Liebe».<ref> Hld. 8, 7. </ref> Er leitet ihn ferner:

2. Durch Erleuchtung des Verstandes, wodurch er uns belehrt, was wir tun sollen. Denn jeder Sünder ist, wie schon Aristoteles sagte, ein Verblendeter, und deshalb sagt Gott: «Erkenntnis will ich dir geben und dich unterweisen».<ref> Ps. 31, 8. </ref> Und um diese Erkenntnis flehte David, da er sprach: «Erleuchte meine Augen, dass ich nicht entschlummere in den Tod, damit nicht je sage mein Feind: «überwältigt hab' ich ihn».<ref> Ps. 12, 4. </ref>

Das aber wird uns verliehen durch die Gabe der Erkenntnis. Und indem wir sodann der Versuchung widerstehen, bewahren wir ein reines Herz, von dem der Heiland sagt: «Selig, die ein reines Herz haben, denn sie werden Gott anschauen».<ref> Mt. 5, 8. </ref> Und so gelangen wir durch diese Bitte zur Seligkeit der Anschauung Gottes, zu der uns Gott dereinst führen möge.

Siebente Bitte: Sondern erlöse uns von dem Bösen. Amen.

Im Vorhergehenden hat der Herr uns gelehrt, wie wir um Vergebung der Sünden beten und die Versuchungen meiden sollen. Hier aber lehrt er uns um Bewahrung vor den Übeln bitten. Es geht diese Bitte überhaupt auf Abwendung aller Übel, also der Sünden, Krankheiten und Leiden und Bedrängnisse, wie der hl. Augustinus sagt. Da wir aber von der Sünde und von der Versuchung bereits gesprochen haben, so müssen wir jetzt von den anderen Übeln, d. h. vor allen Leiden und Widerwärtigkeiten dieser Welt reden, von welchen Gott auf vierfache Weise uns befreit.

1. Durch Bewahrung vor dem Leiden. - Es geschieht dies zwar selten. Denn die Heiligen werden in dieser Welt mit Leiden heimgesucht, wie geschrieben steht: «Alle, welche fromm leben wollen in Christus Jesus, werden Verfolgung leiden».<ref> 2 Tim. 3. 12. </ref> Bisweilen jedoch sucht Gott einen Menschen nicht mit Trübsalen heim. Dann nämlich, wenn er ihn zu schwach findet, um dieselben zu ertragen. Gott handelt da gleich einem Arzt, der einem schwachen Kranken auch nicht starke Arzneien vorschreibt «Sieh', ich habe gegeben vor dir offene Türe, welche niemand schließen kann, weil du geringe Kraft hast».<ref> Offb. 3. 8. </ref> Im himmlischen Vaterland dagegen wird dies allgemein der Fall sein, denn dort wird niemand mehr von Trübsalen heimgesucht werden. «In sechs Bedrängnissen (nämlich des gegenwärtigen Lebens bei welchem sechs Altersstufen unterschieden werden) wird er dich retten, in der siebenten dagegen wird dich das Unglück gar nicht erreichen».<ref> Job 5, 19. </ref> «Nicht hungern werden sie und nicht dürsten fortan».<ref> Offb. 7, 16. </ref>

2. Durch Trost im Leiden. - Denn würde Gott den Menschen nicht trösten, so vermöchte er nicht auszuhalten. Denn: «über die Maßen sind wir beschwert worden, über unser Vermögen».<ref> 2 Kor. 1, 8. </ref> «Doch der die Gebeugten tröstet, Gott, er hat auch uns getröstet»,<ref> 2 Kor. 7, 6. </ref> und: «Bei der Menge meiner Sorgen in meinem Herzen, erfreuen deine Tröstungen meine Seele»<ref> Ps. 93, 19. </ref>

3. Durch Erweis von Wohltaten, ob denen man die Leiden vergisst. - Denn: «Nach dem Sturme gibst du Ruhe».<ref> Tob. 3, 22. </ref> Darum sind die Trübsale und Bedrängnisse dieser Welt nicht so zu fürchten, weil sie einerseits wegen des damit verbundenen Trostes und andererseits wegen ihrer kurzen Dauer leicht zu ertragen sind. «Denn unsere gegenwärtige Trübsal, die augenblicklich und leicht ist, bewirkt eine überschwängliche ewige, alles überwiegende Herrlichkeit in uns»,<ref> 2 Kor. 4, 17. </ref> indem wir dadurch das ewige Leben erlangen.

4. Durch Verwandlung von Leid in Freud'. - Darum lehrte er uns nicht beten: Erlöse uns von der «Trübsal», sondern erlöse uns von dem «Übel», denn die Trübsale verwandeln sich den Heiligen zur Krone des ewigen Lebens. Deshalb rühmen sie sich der Trübsale. «Nicht allein aber dies, sondern wir rühmen uns auch in den Bedrängnissen, bewusst, dass die Bedrängnis Geduld bewirkt».<ref> Röm. 5, 3. </ref> «In der Zeit der Drangsale vergibst du die Sünden».<ref> Tob. 3, 13. </ref>

Es befreit also Gott den Menschen vom Übel und von den Bedrängnissen dadurch, dass er dieselben zum Guten wendet. Das aber ist ein Zeichen der höchsten Weisheit. Denn das ist gerade Sache des Weisen, das Böse zum Guten zu lenken. Dies aber geschieht durch die Geduld, die nur im Leider gewirkt werden kann. Die anderen Tugenden nämlich brauchen zu ihrer Ausübung das Gute, die Geduld dagegen das Übel und deshalb ist sie nur bei Übeln, d. h. in Widerwärtigkeiten notwendig. «Des Mannes Einsicht wird an der Geduld erkannt».<ref> Spr. 19, 11.</ref>

Darum eben lehrt uns der Heilige Geist um dieselbe bitten, mittelst der Gabe der Weisheit. Und dadurch werden wir dann zur Seligkeit des Friedens<ref> Mt. 5, 9. </ref> geführt. Denn durch die Geduld erwerben wir uns Frieden im Glück wie im Unglück. Deshalb werden auch die Friedfertigen Kinder Gottes genannt, weil sie Gott ähnlich sind. Denn wie Gott nichts zuwider geschehen kann, so auch ihnen nichts, weder Glück noch Unglück. Und darum sind selig die Friedfertigen, weil sie werden Kinder Gottes genannt werden - Das «Amen» ist eine allgemeine Bekräftigung aller Bitten, und heißt soviel als: So geschehe es! Gott gebe es!

Und so ist denn im Gebete des Herrn, um das Ganze kurz zusammenzufassen, alles enthalten, was wir verlangen, und alles, was wir meiden sollen. Unter allem Wünschenswerten wird nämlich das am meisten gewünscht, was am meisten geliebt wird und dies ist Gott, und deswegen bitten wir zuerst um die Verherrlichung Gottes, indem wir sprechen: Geheiligt werde dein Name. Von Gott aber müssen wir für unsere eigene Person dreierlei verlangen. Das Erste ist, dass wir das ewige Leben erlangen, und um dieses bitten wir mit den Worten: Dein Reich komme. Das Zweite ist das, dass wir den Willen Gottes und seine Gerechtigkeit erfüllen mögen und um dieses beten wir mit den Worten: Dein Wille geschehe wie im Himmel also auch auf Erden. Das Dritte ist, dass wir das für unser Leben Notwendige haben, und um dieses flehen wir mit den Worten: Gib uns heute unser tägliches Brot. Von diesen dreien spricht der Herr auch anderswo: «Suchet vor allem das Reich Gottes», in Bezug auf das erste, «und seine Gerechtigkeit», in Bezug auf das zweite. «Und alles Übrige wird euch beigegeben werden», in Bezug auf das dritte. - Das hingegen, was wir meiden und fliehen sollen, ist das dem Guten Entgegengesetzte. Das Gut aber, das wir vor allem verlangen, ist, wie schon bemerkt, ein vierfaches. Es ist erstens die Verherrlichung Gottes und diese kann durch nichts Böses verunmöglicht werden. «Wenn du sündigst, was schadest du ihm... wenn du recht tust, was schenkst du ihm?» Denn sowohl durch die Bestrafung des Bösen, als durch die Belohnung des Guten wird Gott verherrlicht. Das zweite Gut ist das ewige Leben, und diesem ist die Sünde entgegengesetzt, weil es durch die Sünde verloren geht; um nun diese zu entfernen beten wir: Vergib uns unsere Schulden, wie auch wir vergeben unseren Schuldigem. Das dritte Gut ist die Gerechtigkeit und die guten Werke, und diesem ist entgegengesetzt die Versuchung, weil sie uns an der Ausübung guter Werke hindert. Um nun dieselbe fern zu halten, beten wir: Und führe uns nicht in Versuchung. Das vierte Gut endlich sind die notwendigen zeitlichen Güter und diesem sind die Widerwärtigkeiten und Leiden entgegengesetzt, und um diese auszuschließen, beten wir: Sondern erlöse uns von dem Übel. Amen.

DER ENGLISCHE GRUß

Einleitung

Der Englische Gruß enthält drei Teile: Erstens die Worte des Engels, nämlich: «Gegrüsst seist du voll der Gnade, der Herr ist mit dir, du bist gebenedeit unter den Frauen». Dann die Worte der Elisabeth der Mutter des Täufers Johannes: «Gebenedeit is die Frucht deines Leibes». Endlich, was die Kirche beigefügt hat, nämlich das Wort «Maria». Denn der Engel hat nicht gesagt: «Gegrüsst seist du, Maria» sondern: «Gegrüsst seist du, Gnadenvolle.» Aber diese Einfügung entspricht, wie wir später sehen werden, durchaus dem Sinne des Engelsgrußes.

Sei gegrüsst

Was nun den ersten Teil dieses Grußes betrifft, so ist dabei zu beachten, dass es sonst in alter Zeit für eine außerordentliche Auszeichnung gehalten wurde, wenn den Menschen Engel erschienen. Und ebenso, dass man es den Menschen zum höchster Lobe anrechnete, wenn sie den Engeln Ehrfurcht bezeigten. Darum wird Abraham gelobt, weil er die Engel gastfreundlich aufgenommen und ihnen Ehrfurcht erwiesen hat. Dass aber ein Engel einem Menschen Ehrfurcht erwies, das war etwas Unerhörtes, bis der Erzengel Gabriel die allerseligste Jungfrau grüßte, indem er ehrerbietig zu ihr sprach «Ave!»

Dass aber in alter Zeit nicht die Menschen vor den Engeln, sondern die Engel von den Menschen verehrt wurden, hat seinen Grund darin, dass die Engel höhere Wesen sind, als die Menschen, und zwar in dreifacher Hinsicht:

1. Hinsichtlich der Würde'. Die Engel nämlich besitzen eine rein geistige Natur: «Geister hat er zu seinen Boten gemacht»<ref> Ps. 103, 4. </ref>, die Menschen dagegen eine sterbliche. Darum sprach Abraham: «Ich will reden zu meinem Herrn, wiewohl ich Staub und Asche bin».<ref> Gen. 18, 27. </ref> Es war daher nicht geziemend, dass ein geistiges und unvergängliches Geschöpf einem vergänglichen, nämlich dem Menschen, Ehrerbietung erwies.

2. Wegen der Gottesnähe. - Denn die Engel sind gleichsam Gottes Hausfreunde, da sie unmittelbar vor seinem Antlitz stehen. «Tausendmal Tausende dienten ihm und zehntausendmal Hunderttausende umstanden ihn».<ref> Dan. 7, 10. </ref> Die Menschen dagegen sind gleichsam Fremdlinge Gottes und durch die Sünde von ihm entfernt. «Fliehend habe ich mich entfernt».<ref> Ps. 54, 8. </ref> Deshalb gebührt es sich, dass der Mensch den Engel verehre, als einen Freund und Hausgenossen des Königs.

3. Wegen der Fülle des göttlichen Gnadenlichtes: denn die Engel nehmen an diesem göttlichen Lichte in vollstem Maß Teil. «Ist eine Zahl wohl seiner Heerscharen? Und über welchen steigt nicht empor sein Licht?» Darum erscheinen auch die Engel immer von Licht umflossen. Die Menschen dagegen nehmen am Lichte der Gnade nur in beschränktem Maß teil, so dass ihm gleichsam etwas Dunkel beigemischt ist. Es war daher nicht geziemend, dass die Engel einem Menschen Ehrerbietung erwiesen, bis ein mit der menschlichen Natur bekleidetes Wesen gefunden wurde, das in dieser dreifachen Hinsicht mit noch höheren Vorzügen ausgestattet war, als selbst die Engel. Und ein solches Wesen war die allerseligste Jungfrau. Deshalb, um diesen ihren dreifachen Vorzug vor den Engeln anzudeuten, wollte der Engel ihr seine Ehrfurcht bezeigen. Und deshalb sprach er zu ihr: «Sei gegrüsst». So übertraf also die allerseligste Jungfrau die Engel in diesen drei Punkten, - und zwar erstens in Bezug auf die Fülle der Gnade, die ihr in reichlicherem Maß als irgend einem Engel zuteil geworden. Um nun dieses anzudeuten und sie dafür zu ehren, fügte der Engel bei:

Du bist voll der Gnade

Es will das soviel sagen, als wenn er gesagt hätte: «Ich bezeige dir deswegen meine Ehrfurcht, weil du an Fülle der Gnade mich übertriffst». Die allerseligste Jungfrau wird aber in dreifacher Beziehung «voll der Gnade» genannt.

1. In Beziehung auf ihre Seele, welche die ganze Fülle der Gnade besaß. - Die Gnade Gottes wird nämlich zu einem doppelten Zwecke verliehen, nämlich um das Gute zu tun und das Böse zu meiden. Und in diesen beiden Beziehungen besaß die seligste Jungfrau die vollkommenste Gnade. Denn erstens hat sie jede Sünde mehr gemieden, als irgend ein Heiliger nach Christus... Die Sünde ist nämlich entweder eine schwere oder eine lässliche, und von diesen beiden war sie frei. Darum sagt die Heilige Schrift von ihr: «Du bist ganz schön, meine Freundin, und keine Makel ist an dir».<ref> Hld. 4. 7. </ref> Und der hl. Augustinus schreibt in seinem Buch von der Natur und Gnade: «Wenn alle Heiligen in ihrem Leben befragt worden wären, ob sie ohne Sünde seien, so würden sie einstimmig geantwortet haben»: «Wenn wir sagten, wir haben keine Sünde, so betrügen wir uns selbst und die Wahrheit ist nicht in uns».<ref> 1 Joh. 1, 8. </ref> «Hiervon aber nehme ich aus die heilige Jungfrau, welche ich, wenn von der Sünde die Rede ist, wegen der Ehre des Herrn nicht einmal erwähnt wissen will. Denn wir wissen, dass derjenigen, die den sündelosen Heiland empfangen und gebären sollte, zum allseitigen Siege über alles Böse ein größeres Maß von Gnade zugeteilt worden (als irgend einem andern Geschöpfe)» ...<ref> Im Original steht an diesen beiden Stellen noch: peccatum enim aut est originale, et de isto fuit in utero mundata, aut mortale etc., und sed Christus excellit Beatam Virginem in hoc, quod sine originali conceptus et natus est. Beata autem Virgo in originali est concepta sed non nata. - Da nun unten ausdrücklich steht: ipsa Virgo nec originale, nec mortale, nec veniale peccatum incurrit, so kann hier Thomas nur eine infectio carnis per peccatum originale materiale ante animationem, aber keine infectio animae per peccatum formale, also wohl eine sanctificatio in utero post primum instans logicum, aber nicht post primum instans temporis und somit eine praeservatio im Sinne des Dogmas annehmen. cf. Uccelli, die kritische Ausgabe der salut. angel. in i Gigli a ,Maria. Napoli 1874. Lachat. S. theol. trad. t. VI p. 133 ff. Morgolt Mariologie p. 67 ff.</ref> - Maria hat aber zweitens auch alle Tugenden (gleichermassen) geübt, die anderen Heiligen dagegen besonders irgend eine einzelne. So der eine die Demut, ein anderer die Keuschheit, ein dritter die Barmherzigkeit. Und so werden sie mehr als Vorbilder einzelner Tugenden uns vorgestellt. Wie z. B. der hl. Nikolaus, als Vorbild der Barmherzigkeit usf. Die allerseligste Jungfrau dagegen ist ein Vorbild aller Tugenden. Sie ist ein Muster der Demut: «Siehe, ich bin die Magd des Herrn»,<ref> Lk. 1, 38. </ref> und: «Er hat angesehen die Niedrigkeit seiner Magd»;<ref> Lk. 1, 48. </ref> das Urbild der Keuschheit, «denn ich erkenne keinen Mann», und so betreffs jeder anderen Tugend, wie leicht nachgewiesen werden könnte. - So ist sie also voll der Gnade sowohl in Bezug auf die Ausübung des Guten als die Vermeidung des Bösen. Sie ist aber auch:

2. Voll der Gnade, weil die Gnadenfülle ihrer Seele auch auf ihren Leib überströmte. - Es ist schon etwas Grosses an den Heiligen, dass sie soviel Gnade besaßen, dass ihre Seele geheiligt wurde. Die Seele der seligsten Jungfrau aber war so von Gnade erfüllt, dass diese auch auf den Leib überströmte und ihn zur Empfängnis des Sohnes Gottes würdig machte. Darum schreibt Hugo von St. Viktor: «Weil die Liebe des Heiligen Geistes ihr Herz ganz durchglühte, so wirkte sie in ihrem Leibe das Wunder der Menschwerdung des Sohnes Gottes». «Denn das Heilige, das aus dir wird geboren werden, wird Sohn Gottes genannt werden».<ref> Lk. 1 35. </ref>

3. Endlich wird Maria «die Gnadenvolle» genannt, wegen dem Überströmen ihrer Gnade auf alle Menschen. - Denn wiederum ist es schon etwas Großes an jedem Heiligen, wenn er so viel Gnade besitzt, dass sie sogar noch zur Heiligung vieler anderer hinreicht. Würde er aber so viel besitzen, dass sie zur Heiligung aller Menschen auf der ganzen Welt hinreichte, so wäre das wohl das Höchste». Dies ist aber der Fall bei Christus und bei der heiligsten Jungfrau. Denn von dieser glorreichen Jungfrau kannst du in jeder Gefahr Hilfe erlangen. Deshalb heißt es von ihr im Hohenlied: "Tausend Schilde, d. i. Heilmittel gegen die Sünde, finden sich in ihr»<ref> Hld. 4, 4. </ref> usf. - Ebenso kannst du bei der Ausübung jeder Art guter Werke sicher auf ihren Beistand rechnen. Und darum sagt sie von sich selbst: "Bei mir ist jegliche Hoffnung des Lebens und der Tugend».<ref> Sir. 24.</ref>

So ist sie also voll der Gnade und überstrahlt die Engel vorab durch die Gnadenfülle.<ref> Cf. oben pag. 129. Nr. 3.</ref> Darum trägt sie schon deswegen passend den Namen Maria, was soviel bedeutet, als die für sich «Erleuchtete», weshalb es bei lsaias von ihr heißt: «Er wird mit Lichtglanz erfüllen deine Seele»,<ref> ls. 58. 11.</ref> und auch «die Erleuchterin der anderen», nämlich aller auf der ganzen Welt, weshalb sie mit der Sonne und dem Monde verglichen wird.

Ein zweiter Vorzug Mariens vor den Engeln besteht dann darin, dass sie zu Gott in einem viel vertrauteren Verhältnis steht, sie in der Gottesnähe<ref> Cf. oben p. 129 Nr. 2.</ref> übertrifft. Auch dieses deutet der Engel an mit den Worten:

Der Herr ist mit dir

Es wollen diese Worte so viel sagen als: «lch erweise dir deshalb Ehre, weil du Gott näher stehst, als ich. Denn der Herr ist mit dir.» Der «Herr», sagt er, d. i. der Vater in und mit dem Sohne, eine Auszeichnung, welche weder einem Engel noch irgend einem anderen Geschöpfe je zuteil geworden. «Denn das Heilige, das aus dir geboren werden wird, wird Sohn Gottes genannt werden».<ref> Lk. 1, 35. </ref> Also Gottes Sohn im Schoße der Jungfrau! «Frohlocket und jauchzet, ihr Sionsbewohner, denn erhaben ist in eurer Mitte der Heilige lsraels».<ref> ls. 12, 6.</ref> So ist der Herr mit der allerseligsten Jungfrau in anderer Weise, als mit den Engeln, denn mit ihr ist er als Sohn, mit den Engeln als Herr. Gott der Heilige Geist wohnt in ihr, wie in einem Tempel. Darum wird sie auch «Tempel des Herrn», «Heiligtum des Heiligen Geistes» genannt, weil sie vom Heiligen Geiste empfangen hat. «Der Heilige Geist wird über dich kommen».<ref> Lk. 1., 35. </ref> Es steht sonach die allerseligste Jungfrau in einem innigeren und vertrauteren Verhältnis zu Gott, als irgend ein Engel, da Gott der Vater, Gott der Sohn und Gott der Heilige Geist, also die ganze heilige Dreifaltigkeit mit und in ihr ist. Darum wird von ihr gesungen: «Du bist die edle Ruhestatt der heiligen Dreifaltigkeit.» Danach enthalten aber auch die Worte: «der Herr ist mit dir», das höchste Lob, das Maria gespendet werden kann; und mit Recht bezeugt ihr deshalb der Engel seine Verehrung, da sie Mutter des Herrn ist. Wenn aber Mutter des Herrn, so dann selbst «Herrin» und mit Recht wird ihr auch deshalb wieder der Namen «Maria» gegeben, der in syrischer Sprache eben nichts anderes bedeutet als «Herrin».

Es überstrahlt endlich Maria drittens die Engel durch ihre Reinheit und Würde,<ref> Cf. oben p. 129 Nr. 1. </ref> denn sie war nicht bloß selbst rein, sondern hat auch anderen die Reinheit vermittelt. Sie war nämlich ganz rein vorab von aller Schuld, da sie weder die Erbsünde<ref> So die ältesten Manuskripte aus dem 13. Jahrh.: quia nec originale, nec mortale, nec veniale peccatum incurrit. Cf. Uccelli, loc. cit. pag. 107. </ref> noch eine schwere oder lässliche Sünde sich zuzog.

Sie war aber auch rein von aller Strafe (was der Engel mit den Worten andeutete):

Du bist gebenedeit unter den Frauen

Es ist nämlich wegen der (Ur-) Sünde ein dreifacher Fluch über die Menschheit ausgesprochen worden:

1. Der Fluch über die Frau: - dahin lautend, dass es in Verderbnis empfangen, mit Beschwerden tragen und in Schmerzen gebären werde. Von diesem Fluche aber war Maria frei, da sie den Erlöser ohne Verderbnis empfangen, voll Tröstungen getragen und ohne Schmerzen geboren hat, nach den Worten des Propheten: «Sie sprosset und frohlocket in Freude lobsingend».<ref> Is. 35, 2. </ref>

2. Der Fluch über den Mann, darin bestehend: dass er im Schweisse des Angesichtes sein Brot essen solle. Von diesem Fluche war Maria frei, weil, wie der Apostel lehrt, «die Jungfrauen frei sind von den Sorgen dieser Welt und Gott allein dienen».<ref> 1 Kor. 7. </ref>

3. Ein Fluch, der beide Geschlechter trifft: dass sie nämlich alle in Staub zurückkehren müssen. Und auch von diesem Fluche ist Maria frei geblieben, weil sie auch ihrem Leib nach in den Himmel aufgenommen worden ist. Denn wir glauben, dass sie nach dem Tode wieder auferweckt und in den Himmel emporgetragen worden sei. «Erhebe dich, o Herr! zu deiner Ruhe, du und die Lade deiner Heiligung».<ref> Ps. 131, 8.</ref><ref> Es werden hier die sogen. Privilegien Mariä aufgezählt; nach kirchlicher Lehre ist Maria: ohne Erbsünde empfangen. cf. Denz. Enchir. Nr. 1502, und oben; wurde durch ein speciale privilegium gratial vor jeder /ässlichen Sünde bewahrt. ibid. 715 und oben; und war Jung/rau: vor, in und nach der Geburt Ihres Sohnes, ibld. 204. 880. oben 2; sie war dem Fluche Evas nicht unterworfen in der'Geburt ihres Sohnes: absque ullo dolore Virginis partum esse confitemur. Concil. Constant. 111. oben 1; sowie auch nicht dem Gesetze der körperlichen Verwesung. oben 3. Cf. die Mariologie S. theol. 111 qu. 27-34. </ref>

So war also Maria frei von jedem Fluche. Und deshalb ist sie gebenedeit unter den Frauen, weil sie allein den Fluch gehoben, den Segen gebracht und die Pforten des Paradieses geöffnet hat. Und so kommt ihr endlich auch deswegen passend der Name Maria zu, denn es bedeutet derselbe auch «Meeresstern»; wie nun die Schiffer durch den Meeresstern in den sicheren Hafen geleitet werden, so werden die Christen durch Maria den Meeresstern zur himmlischen Herrlichkeit geführt.

Und gebenedeit ist die Frucht deines Leibes

Der Sünder sucht bisweilen in irgend einem Dinge ein Gut, ohne es zu erlangen, während dagegen der Gerechte dasselbe erlangt. «Aufbewahrt wird dem Gerechten die Habe des Sünders».<ref> Spr. 13. 22. </ref> So streckte Eva ihre Hand aus nach der Frucht, fand aber darin nicht alles, was sie suchte. Die allerseligste Jungfrau aber hat in ihrer Frucht alles gefunden, was Eva gesucht hatte. Denn Eva suchte in ihrer Frucht drei Güter.

1. Gottähnlichkeit. - Sie suchte nämlich das, was ihr der Teufel Lügnerischerweise in Aussicht gestellt hatte, nämlich, dass sie sein würden wie Götter, wissend Gutes und Böses. «Ihr werdet sein wie Götter», sprach jener Lügner.<ref> Gen. 3. 5. </ref> Er hat aber gelogen, weil er ein Lügner ist und der Vater der Lüge. Denn Eva ist durch den Genuss der Frucht Gott nicht ähnlich, sondern unähnlich geworden, weil sie durch die Sünde von Gott ihrem Heil sich abgewendet hat. Darum wurde sie auch aus dem Paradiese vertrieben. - Die allerseligste Jungfrau dagegen und nach ihr alle Christen haben dieses Gut in der Frucht ihres Leibes gefunden, da wir durch Christus mit Gott verbunden und ihm ähnlich werden. «Wenn er erschienen ist, werden wir ihm ähnlich sein».<ref> 1 Joh. 3. 2. </ref>

2. 'Lust. - Es suchte nämlich Eva in ihrer Frucht auch Ergötzung, weil sie gut zum Geniessen war. Aber sie fand sie nicht, da sie sofort ihre Nacktheit erkannte und Schmerz empfand. In der Frucht der Jungfrau dagegen finden wir Süßigkeit und Heil. «Wer mein Fleisch isst, der hat das ewige Leben».<ref> Joh. 6. </ref>

3. Schönheit. - Es war die Frucht Evas schön anzuschauen. Aber schöner noch ist der Jungfrau Frucht, in welche die Engel zu schauen gelüstet.<ref> 1 Petr. 1, 12. </ref> «Schön bist du an Gestalt über den Menschenkindern».<ref> Ps. 45, 3. </ref> Seine Schönheit aber hat ihren Grund darin, dass er der Abglanz der Herrlichkeit des Vaters ist.

Eva konnte also in ihrer Frucht ebenso wenig finden, was sie suchte, als ein Sünder in seinen Sünden. Und darum müssen wir das, was wir begehren, in der Frucht der Jungfrau suchen. Denn diese Frucht ist gesegnet von Gott, weil er sie so mit jeglicher Gnade erfüllt hat, dass sie, wenn wir sie nur treu verehren, auch uns zuteil wird. «Gesegnet sei Gott und der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der uns gesegnet hat mit jeglichem geistlichen Segen in Christus».<ref> Eph. 1, 3. </ref> Sie (die Frucht) wird aber verehrt von den Engeln: «Die Benedeiung, und die Herrlichkeit, und die Danksagung, und die Ehre, und die Macht und die Stärke unserem Gott».<ref> Offb. 7,12. </ref> Sie soll auch verehrt werden von den Menschen: «Jede Zunge soll bekennen» usw.<ref> Phil. 2, 11. </ref> «Gebenedeit sei der da kommt im Namen des Herrn»<ref> Ps. 117, 26. </ref> Darum ist aber auch die Jungfrau gebenedeit. Aber noch mehr: «gebenedeit die Frucht ihres Leibes».

III. ERKLÄRUNG DER ZWEI GEBOTE DER LIEBE UND DER ZEHN GEBOTE GOTTES

Einleitung: Von dem Gesetz überhaupt<ref> Cf. s. theol. I. II. qu. 90-108. </ref>

Nachdem bisher in der Erklärung des Symbolums über die Wissenschaft dessen, was zu glauben, in der Auslegung des Vater unser, über die Wissenschaft dessen, was zu begehren, abgehandelt wurde,<ref> Statt dieses Überganges steht im Urtext, was oben an den Anfang des Symbolums gestellt wurde, cf. dazu die Anmerkung pag. 1. </ref> wollen wir nun von der Wissenschaft dessen handeln, was der Mensch tun soll. - Zu der Kenntnis dazu nun aber besteht:

1. Das Naturgesetz.<ref> Cf. S. theol. 1. cit. qu. 94. </ref> - Es ist dieses nichts anderes, als das von Gott uns eingeschaffene Licht der Erkenntnis, wodurch wir erkennen, was wir tun und was wir meiden sollen. Dieses Licht und dieses Gesetz hat Gott dem Menschen gleich bei seiner Erschaffung verliehen. Es glauben aber viele Menschen die Nichterfüllung dieses Gesetzes mit ihrer Unkenntnis desselben entschuldigen zu können. Allein diesen gilt der Ausspruch des Propheten im vierten Psalm: «Viele sprechen, wer wird uns Gutes sehen lassen?» Als ob sie nicht wüssten, was sie zu tun haben. Ihnen antwortet derselbe Prophet an der nämlichen Stelle: «Gezeichnet ist über uns das Licht deines Angesichtes, o HerrI» Es ist dies das Licht der Erkenntnis, durch das wir erkennen, was wir zu tun haben. Weiss doch ein jeder, dass er das, was er nicht will, dass man ihm tue, auch keinem andern tun darf, und Ähnliches mehr.

2. Das Gesetz der Begierlichkeit. - Obgleich aber Gott dem Menschen bei seiner Erschaffung dieses Naturgesetz gegeben hat, so hat doch der Teufel in sein Fleisch ein anderes Gesetz hineingesät, nämlich das «Gesetz der Begierlichkeit». Denn so lange die Seele des ersten Menschen durch die Beobachtung der göttlichen Gebote Gott unterworfen war, war auch sein Fleisch in allem der Seele oder der Vernunft unterworfen. Nachdem aber der Teufel durch seine Einflüsterung den Menschen von der Beobachtung der göttlichen Gebote abgezogen hatte, empörte sich auch sein Fleisch gegen seine Vernunft. Und daher kommt es, dass der Mensch, obschon er seiner Vernunft nach das Gute will, sich doch, verleitet durch seine Begierlichkeit, zum Gegenteil hinneigt. Darum schreibt der Apostel im Briefe an die Römer: «Ich sehe aber ein anderes Gesetz in meinen Gliedern, das dem Gesetze meines Geistes widerstreitet».<ref> Röm. 7. 22. </ref> Daher geschieht es oft, dass das Gesetz der Begierlichkeit das Gesetz der Natur und die Ordnung der Vernunft stört, weshalb der Apostel der genannten Stelle die Worte beifügt: «Welches Gesetz mich gefangen hält unter dem Gesetze der Sünde.»

3. Das geschriebene Gesetz.<ref>Cf. loc. cit. qu. 98. </ref> - Weil also das Gesetz der Natur durch das Gesetz der Begierlichkeit zerstört war, bedurfte es, um den Menschen zu den Werken der Tugend zurückzuführen und von den Lastern abzuziehen, eines anderen Gesetzes, nämlich «das geschriebene Gesetz». Es wird aber der Mensch durch zwei Beweggründe vom Bösen abgezogen und zum Guten hingeleitet. Erstens durch die Furcht vor der Strafe. Denn das erste, was den Menschen dazu bewegt, dass er anfängt, die Sünde zu meiden, ist die Erwägung der Höllenstrafe und des letzten Gerichtes. Und daher heißt es: «Der Anfang der Weisheit ist die Furcht des Herrn», und gleich darauf: «Die Furcht des Herrn treibt die Sünde aus.» Denn, wenn auch derjenige, welcher aus Furcht nicht sündigt, damit noch nicht gerecht ist, so nimmt doch die Rechtfertigung hiermit ihren Anfang. Auf diese Weise nun wird der Mensch vom Bösen abgezogen und zum Guten hingeleitet durch das mosaische Gesetz, dessen Übertreter mit dem Tode bestraft wurden. «Hat jemand das Gesetz Moses übertreten, so muss er auf zweier oder dreier Zeugnis hin ohne Erbarmen des Todes sterben»?

4. Das Gesetz der Liebe.<ref> Cf. qu. 106. </ref> - Weil aber jene Weise der Gesetzeserfüllung ungenügend ist, so war auch das Gesetz Moses, welches in dieser Weise, nämlich durch die Furcht, vom Bösen zurückhielt, ungenügend. Denn es hielt wohl die Hand, nicht aber den Geist vom Bösen zurück. Darum war ein anderer Beweggrund notwendig, um den Menschen vom Bösen ab- und zum Guten hinzuleiten, nämlich die Liebe. Daher ward das Gesetz Christi, das evangelische Gesetz, gegeben, welches eben das Gesetz der Liebe ist. - Zwischen dem Gesetze der Furcht und dem Gesetze der Liebe besteht aber ein dreifacher Unterschied.<ref> Cf. qu. 107. </ref> Erstens macht das Gesetz der Furcht seine Beobachter zu bloßen Sklaven, das Gesetz der Liebe aber macht sie zu Freien. Denn wer nur aus Furcht handelt, der handelt wie ein Sklave; wer aber aus Liebe handelt, der handelt wie ein Freier oder wie ein Sohn, den Worten des Apostels gemäß: «Wo der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit»,<ref> 2 Kor. 3, 17. </ref> denn diejenigen, die diesen Geist haben, handeln wie Kinder aus Liebe. Der zweite Unterschied besteht darin, dass die Beobachter des ersten Gesetzes nur auf zeitliche Güter hingewiesen wurden: «Wenn ihr willig seid und auf mich höret, sollet ihr die Güter des Landes geniessen».<ref> Is. 1, 19. </ref> Die Beobachter des letzteren Gesetzes dagegen werden auf die himmlischen Güter hingewiesen: «Willst du zum Leben eingehen, so halte die Gebote»,<ref> Mt. 19,17. </ref> und an einer anderen Stelle: «Tut Buße, denn das Himmelreich ist nahe»,<ref> Mt. 3, 2. </ref> Der dritte Unterschied endlich besteht darin, dass das erste Gesetz schwer ist, den Worten des hl. Petrus gemäß: «Nun denn, warum versuchet ihr Gott, indem ihr ein Joch auf den Nacken der Jünger leget, das weder unsere Väter, noch wir zu tragen vermochten»,<ref> Apg. 15, 10. </ref> während dagegen das zweite Gesetz leicht ist, nach dem Ausspruch des Heilands selbst, der da sagt: «Mein Joch ist süß und meine Bürde ist leicht»,<ref> Mt. 11, 30. </ref> sowie auch nach der Lehre des Apostels: «Denn nicht habt ihr empfangen den Geist der Knechtschaft wieder zur Furcht, sondern empfangen habt ihr den Geist der Kindschaft».<ref> Röm. 8, 15. </ref>

Von dem Gesetze der LIebe<ref>Vgl. Über Wesen und Wirkungen der Liebe: S. theol. II. II. qu. 23-30.</ref>

So gibt es also, wie ausgeführt wurde, ein vierfaches Gesetz; das erste ist das Naturgesetz, welches Gott dem Menschen gleich bei seiner Erschaffung ins Herz geschrieben. Das zweite ist das Gesetz der Begierlichkeit. Das dritte ist das geschriebene Gesetz. Das vierte endlich ist das Gesetz der Liebe und Gnade, welches das Gesetz Christi ist. Nun können aber nicht alle hierüber einem langen Studium obliegen, und deshalb hat Christus ein kurzes Gesetz gegeben, damit alle es kennen lernen und keiner die Nichtbeobachtung desselben mit Unwissenheit entschuldigen könnte. Und dieses Gesetz nun ist das der göttlichen Liebe. Mit Bezug hierauf sagt der Apostel: «Ein kurzgefasstes Wort wird der Herr auf Erden geben».<ref> Röm. 9, 28.</ref>

Dieses Gesetz nun soll die Richtschnur aller menschlichen Handlungen sein. Denn gleichwie auf dem Gebiete der Kunst ein Werk nur dann als gut und richtig bezeichnet wird, wenn es nach der Regel ausgeführt worden, so ist auch eine menschliche Handlung nur dann recht und tugendhaft, wenn sie mit der Regel der göttlichen Liebe übereinstimmt. Stimmt sie mit derselben nicht überein, so ist sie weder gut, noch recht, noch vollkommen. Es müssen daher die menschlichen Handlungen, um gut zu sein, mit der Regel der göttlichen Liebe übereinstimmen.

Dieses Gesetz der göttlichen Liebe nun bringt im Menschen vier überaus erstrebenswerte Wirkungen hervor. Es erzeugt in ihm.

1. Das geistliche Leben. - Denn wie naturgemäß der Liebende den geliebten Gegenstand in sich aufnimmt, so hat auch derjenige, welcher Gott liebt, Gott in sich, nach den Worten des hl. Johannes: «Wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm».<ref> Joh. 4, 16. </ref> Denn es liegt in der Natur der Liebe, dass sie den Liebenden in den Geliebten umwandelt.

Wenn wir daher Gemeines und Vergängliches lieben, so werden wir selber auch gemein und unbeständig nach den Worten des Propheten: «Sie wurden abscheulich wie dasjenige, was sie liebten».<ref>Hos. 9. 10.</ref> Wenn wir aber Gott lieben, so werden wir göttlich. Denn «wer dem Herrn anhängt wird», wie der Apostel sagt, «ein Geist mit ihm».<ref> 1 Kor. 6. 17. </ref> Wie aber nach den Worten des hl. Augustinus die Seele das Leben des Körpers ist, so ist auch Gott das Leben der Seele. Dann nämlich sagen wir, dass der Leib durch die Seele lebe, wenn er die ihm eigentümlichen Lebensverrichtungen vornimmt, wenn er sich betätigt und bewegt. Trennt sich dagegen die Seele vom Körper, so ist dieser untätig und bewegungslos. Gerade so ist auch die Tätigkeit der Seele nur dann tugendhaft und vollkommen, wenn sie durch die Liebe tätig ist, durch welche Gott in ihr wohnt. Ohne diese Liebe ist sie im Guten untätig nach den Worten des hl. Johannes: «Wer nicht liebt, der bleibt im Tode».<ref> Joh. 3. 14. </ref> Und hätte einer auch alle Gaben des Heiligen Geistes, besäße aber die Liebe nicht, so hätte er das Leben nicht. Denn weder die Sprachengabe, noch die Gabe des Glaubens, noch irgend eine andere Gabe können ohne die Liebe das Leben verleihen. Es verhält sich damit gleichsam, wie mit einem toten Leib, der nicht aufhört tot zu sein, auch wenn man ihn mit Gold und Edelsteinen schmückt. Hierin also besteht die erste Wirkung der Liebe. - Eine fernere Wirkung derselben ist:

2. Die Beobachtung der göttlichen Gebote. - Denn die Liebe Gottes ist, wie der hl. Gregor sagt, niemals müßig. Sie wirkt Großes, wo sie aber nichts, wirkt, da ist sie nicht vorhanden. Daher ist die bereitwillige Erfüllung der göttlichen Gebote ein sicheres Zeichen der Liebe. Denn der Liebende unternimmt Großes und Schwieriges um des Geliebten willen, und der Heiland sagt: «Wenn jemand mich liebt, so wird er mein Wort halten».<ref> Joh. 14, 23. </ref> Wer also das Gesetz der Liebe erfüllt, der erfüllt damit das ganze Gesetz. Es gibt nämlich zwei Arten göttlicher Gebote. Einige derselben sind gebietend und diese erfüllt die Liebe, da ja der Inbegriff des Gesetzes, das aus Geboten besteht, nichts anderes ist, als die Liebe, indem durch sie die Gebote erfüllt werden. Einige Gebote dagegen sind verbietend und diese erfüllt die Liebe ebenfalls, denn «die Liebe», sagt der Apostel, «tut nicht unrecht».<ref> 1 Kor. 13, 4. </ref> Eine Wirkung der Liebe ist:

3. Schutz vor den Widerwärtigkeiten. - Denn, demjenigen, welcher die Liebe hat, können keine Widerwärtigkeiten schaden, vielmehr gereichen sie ihm zum Nutzen nach den Worten des Apostels: «Denen, die Gott lieben, gereicht alles zum Besten».<ref> Röm. 8, 28. </ref> Ja das Widerwärtige und Schwere wird ihm sogar süß vorkommen, wie wir das auch im täglichen Leben wahrnehmen können. Eine fernere Wirkung der Liebe ist endlich:

4. Das Anrecht auf die ewige Seligkeit. - Denn nur denjenigen, welche die Liebe haben, wird die ewige Seligkeit verheißen. Alles andere ist ohne die Liebe zur Erlangung der Seligkeit ungenügend nach der Lehre des Apostels: «Im übrigen ist mir die Krone der Gerechtigkeit hinterlegt, welche mir an jenem Tage geben wird der Herr, der gerechte Richter, nicht einzig aber mir, sondern auch denen, die seine Ankunft lieben».<ref> 2 Tim. 4, 8. </ref> - Auch wird der Gradunterschied der Seligkeit nur durch den Gradunterschied der Liebe und nicht durch irgend eine andere Tugend bedingt. Viele waren enthaltsamer, als die Apostel, und gleichwohl genießen diese ein größeres Maß von Seligkeit als alle anderen, weil sie ein größeres Maß von Liebe besaßen. Denn sie besaßen, wie der Apostel sagt, «die Erstlinge des Geistes».<ref> Röm. 8, 23. </ref> So wird demnach der Unterschied der Seligkeit durch den Unterschied der Liebe bedingt. Das also sind die vier hauptsächlichsten Wirkungen der Liebe.

Aber außer diesen gibt es noch einige andere, welche wir hier nicht übergehen dürfen. Es bewirkt nämlich die Liebe auch:

1. Nachlassung der Sünden, eine Wahrheit, die wir von uns selbst abnehmen können. Denn wenn einer einen anderen beleidigt und ihn nachher wieder aufs innigste liebt, so wird dieser ihm um der Liebe willen die (zugefügte) Beleidigung verzeihen. Gerade so erlässt auch Gott denjenigen, die ihn lieben, ihre Sünden. «Die Liebe bedeckt eine Menge der Sünden», schreibt der hl. Petrus.<ref> 1 Petr. 4, 8. </ref> Er schreibt mit Recht: sie «bedeckt», da Gott sie nicht mehr sieht, um sie zu bestrafen. Und Salomon lehrt sogar, dass die Liebe alle Sünde bedecke.<ref> Spr. 10, 13. </ref> Der sprechendste Beweis hierfür ist das Beispiel der Magdalena, von welcher es im Evangelium heißt: «Ihr sind viele Sünden vergeben» und zwar deswegen, «weil sie viel geliebt hat».<ref> Lk. 7, 47. </ref> Aber da könnte man vielleicht die Einwendung machen: «Zur Tilgung der Sünden genügt also schon die Liebe allein und die Buße ist somit nicht notwendig.» Hierauf ist zu erwidern, dass niemand wahrhaft liebt, der nicht zugleich wahrhaft Buße tut. Denn es ist offenbar, dass, je mehr wir jemanden lieben, wir auch desto mehr Schmerz empfinden, wenn wir ihn beleidigt haben und dies ist eine Wirkung der Liebe. Ferner bewirkt sie:

2. Erleuchtung des Herzens. Denn «wir alle sind», wie Job sagt, «in Finsternisse gehüllt»,<ref> Job 37, 19. </ref> und wissen oft nicht, was wir tun oder was wir begehren sollen. Die Liebe aber lehrt uns alles zum Heile Notwendige. Darum schreibt der hl. Johannes: «Seine Salbung lehrt euch alles».<ref> 1. Joh. 2, 20. </ref> Dies hat seinen Grund darin, dass da, wo die Liebe ist, auch der Heilige Geist ist, der alles weiß und uns, wie der Psalmist sagt, den rechten Weg führt. Darum heißt es auch im Buch Jesus Sirach: «Die ihr den Herrn fürchtet, liebet ihn und eure Herzen werden erleuchtet werden»<ref> Sir. 2, 10. </ref> nämlich damit ihr wißt, was euch zum Heile notwendig ist. Eine andere Wirkung, welche die Liebe im Menschen hervorbringt, ist:

3. Die vollkommene Freude.<ref> Cf. loc. cit. qu. 28 de gaudio, quod est effectus charitatis. </ref> Denn eine wahre Freude kann nur derjenige haben, der in der Liebe ist. Wer nämlich etwas begehrt, hat weder Freude noch Ruhe, bis er es erlangt hat. Bei zeitlichen Dingen tritt aber oft der Fall ein, dass man das, was man nicht besitzt, begehrt, dagegen das, was man besitzt, verschmäht und darüber Ekel empfindet. Mit den geistlichen Dingen dagegen verhält es sich nicht so, sondern wer Gott liebt, der besitzt ihn, und die Seele dessen, der ihn liebt und begehrt, ruht in ihm. «Denn wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm».<ref> Joh. 4. 16. </ref> Ferner verleiht die Liebe dem Menschen:

4. Vollkommenen Frieden.<ref> Cf. loc. cit. qu. 29 de pace.</ref> Bei den zeitlichen Dingen trifft es oft zu, dass man sie sehnlich begehrt, dass aber, wenn man sie hat, die Seele darin gleichwohl keine Ruhe findet, sondern vielmehr, wenn sie das eine besitzt, gleich wieder nach etwas anderem verlangt, wie es bei Isaias heißt: «Die Gottlosen aber sind wie das aufgeregte Meer, weIches nie ruhen kann, und dessen Wogen Kot heraufwühlen und Schlamm. Die Gottlosen haben keinen Frieden, spricht der Herr».<ref> Is. 37, 20. 21. </ref> So verhält es sich aber nicht mit der Liebe gegen Gott. Denn wer Gott liebt, der hat einen vollkommenen Frieden, nach den Worten des königlichen Sängers: «Reichen Frieden haben alle, die dein Gesetz lieben, und sie erleiden keinen Anstoß».<ref> Ps. 118, 165. </ref> Dies hat darin seinen Grund, weil Gott allein im Stande ist, unsere Sehnsucht zu befriedigen. «Denn Gott ist», wie der Apostel sagt, «größer als unser Herz». Und darum schreibt der hl. Augustinus: «Du hast uns, o Herr, für dich geschaffen, und unruhig ist unser Herz, bis es Ruhe findet in dir». Ebenso heißt es beim Psalmisten: «Mit Gütern erfüllt er (der Herr) dein Verlangen».<ref> Ps. 102, 5. </ref> Endlich verleiht die Liebe dem Menschen:

5. Eine hohe Würde. Es sind nämlich alle Geschöpfe Diener der göttlichen Majestät. Denn da alle von ihm erschaffen sind, so sind sie ihm auch alle zu Diensten, gerade wie das Kunstwerk dem Künstler. Aber die Liebe macht aus dem Diener einen Freien und einen Freund, weshalb der Herr zu den Aposteln spricht: «Ich nenne euch nicht mehr Knechte, sondern Freunde».<ref> Joh. 15, 15. </ref> Aber sind denn Paulus sowie die übrigen Apostel, welche sich Knechte nennen, nicht Knechte? Allerdings nennen sie sich so. Allein es ist hier wohl zu beachten, dass es eine zweifache Knechtschaft gibt. Die erste ist die Knechtschaft der Furcht, und diese ist peinlich und nicht verdienstlich.

Denn wer nur aus Furcht vor der Strafe vom Sündigen absteht, der erwirbt sich dadurch noch kein Verdienst, sondern ist immer noch ein Knecht. Die zweite Knechtschaft ist die der Liebe. Denn wer nicht aus Furcht vor der göttlichen Strafgerechtigkeit, sondern aus Liebe zu Gott handelt, der handelt, weil er willig handelt, nicht wie ein Sklave, sondern wie ein Freier. Darum sagt der Heiland zu den Aposteln: «Ich nenne euch nun nicht mehr Knechte». Und warum? Hierauf antwortet der Apostel im Römerbrief mit den Worten: «Ihr habt nicht wieder den Geist der Knechtschaft empfangen zur Furcht, sondern ihr habt empfangen den Geist der Kindschaft».<ref> Röm. 8, 15. </ref>

Und der hl. Johannes schreibt: «Die Furcht ist nicht in der Liebe, denn die Furcht hat Pein, die Liebe dagegen hat Ergötzlichkeit».<ref> 1 Joh. 4, 18. </ref> Aber nicht nur zu Freien macht uns die Liebe, sondern auch zu Kindern, «so dass wir», wie Johannes sagt, «Kinder Gottes heißen und sind».<ref> 1 Joh. 3, 1. </ref> Ein Fremder wird nämlich dann jemandes Kind, wenn er sich das Recht auf seine Erbschaft erwirbt. Durch die Liebe nun erlangen wir das Recht auf die Erbschaft Gottes, welche das ewige Leben ist. Dies lehrt der hl. Paulus im Briefe an die Römer, wo er schreibt: «Der Geist selbst gibt Zeugnis unserem Geiste, dass wir Kinder Gottes sind. Wenn aber Kinder, so auch Erben und zwar Erben Gottes und Miterben Christi».<ref> Röm. 8, 16. 17. </ref> «Siehe», heißt es im Buch der Weisheit, «wie sie unter die Kinder Gottes gezählt sind».<ref> Weish. 5, 5. </ref>

Von der Erlangung und Vermehrung der Liebe. Aus dem Gesagten erhellt zur Genüge, wie groß der Nutzen ist, den die Liebe im Gefolge hat. Da nun die Liebe so nützlich ist, so soll man sich eifrig bestreben, sie zu erlangen und zu vermehren. Niemand kann aber die Liebe aus sich selber haben, sondern sie ist ein reines Gnadengeschenk Gottes. Deshalb sagt der Apostel Johannes: «Nicht, als ob wir Gott geliebt hätten, sondern weil er uns zuvor geliebt hat».<ref> Joh. 4, 10. </ref> Das will sagen: nicht deswegen liebt uns Gott, weil wir ihn zuvor geliebt, sondern, dass wir ihn lieben, ist selbst nur eine Wirkung seiner Liebe. Und wenn auch alle Geschenke vom Vater des Lichtes herkommen, so ist doch dieses Geschenk, nämlich die Liebe, weitaus das vortrefflichste aller Geschenke. Denn alle anderen kann man ohne die Liebe und ohne den Heiligen Geist besitzen, mit der Liebe aber besitzt man notwendig auch den Heiligen Geist. Darum sagt der Apostel: «Die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist».<ref> Röm. 5, 5. </ref> Dagegen kann man sowohl die Gabe der Sprachen, wie auch die Gabe der Wissenschaft und die Gabe der Prophezeiung ohne die Gnade und ohne den Heiligen Geist besitzen.

Obgleich aber die Liebe ein göttliches Geschenk ist, so ist doch zu ihrem Empfange von unserer Seite eine Vorbereitung notwendig, und zwar sind zu ihrer Erlangung sowohl, als auch zu ihrer Vermehrung je zwei Stücke erforderlich. Zur Erlangung der Liebe ist notwendig:

1. Die fleissige Anhörung (Lesen) des Wortes Gottes. Denn schon im gewöhnlichen Leben geschieht es, dass wenn wir von jemandem Gutes hören (lesen), wir zur Liebe gegen ihn entzündet werden. Gerade so werden wir auch, wenn wir das Wort Gottes. hören (lesen), zur Liebe gegen ihn entflammt. Daraus deutet auch der Psalmist hin, wenn er sagt: «Überaus feurig ist dein Ausspruch und dein Knecht liebt ihn»,<ref> Ps. 118. </ref> und an einer anderen Stelle: «Der Ausspruch des Herrn hat ihn entflammt».<ref> Ps. 104. </ref> Und desgleichen sprachen jene zwei Jünger, die vor göttlicher Liebe glühten, zu einander: Brannte nicht unser Herz in uns, als er auf dem Wege mit uns redete und uns, die Schrift aufschloss»,<ref> Lk. 24, 32. </ref> und in der Apostelgeschichte lesen wir, dass, als Petrus predigte, der Heilige Geist die Zuhörer erfüllte. Und wie oft geschieht es, dass Leute mit einem harten Herzen zur Predigt kommen (zu einem Buch greifen) durch das Wort der Verkündigung aber zur göttlichen Liebe entzündet werden! Ein zweites Mittel zur Erweckung der Liebe ist:

2. Die Betrachtung, besonders die Betrachtung de Wohltaten Gottes. - «Mein Herz brannte in mir», sagte der Psalmist, «und wenn ich daran denke, brennt Feuer auf».<ref> Ps. 38, 4. </ref> Willst du daher die göttliche Liebe erlangen, so musst du fleißig die göttlichen Gnadenerweise betrachten. Denn fürwahr ein Herz, härter als Stein, müsste derjenige haben, der an die Wohltaten, die er von Gott empfangen, an die Gefahren, denen er entronnen, und an die Glückseligkeit, die ihm von Gott verheißen wird, denken könnte, ohne dadurch zur göttlichen Liebe entzünde zu werden. Darum sagt der hl. Augustinus: «Hart ist das Herz des Menschen, welches, weit entfernt, die Liebe zu schenken, sie nicht einmal erwidern will.» Und so kann man überhaupt sagen, dass, wie böse Gedanken die Liebe zerstören, so gute Gedanken sie erwerben, nähren und bewahren. Daher ruft uns Gott durch den Propheten zu: «Tut hinweg von meinen Augen eure bösen Gedanken»;<ref> Is. 16. </ref> desgleichen heiss es im Buch der Weisheit: «Verkehrte Gedanken trennen von Gott».<ref> Weish. 1. 3. </ref>

Es ist aber, wie zur Erlangung, so auch zur Vermehrung der Liebe zweierlei erforderlich, und zwar:

1. Die Losreißung des Herzens vom Irdischen. Denn es ist unmöglich, das Herz zu gleicher Zeit gänzlich auf zwei Gegenstände zu richten, die einander entgegengesetzt sind. Daher kann niemand Gott und die Welt zugleich lieben. Je mehr sich daher unser Herz von der Liebe zu den irdischen Dingen losreißt, um so mehr wird es in der Liebe zu Gott befestigt, deshalb sagt der hl. Augustinus: «Das Gegengift gegen die Liebe ist die Begierde, zeitliche Güter zu erlangen oder zu bewahren. Dagegen ist das Nahrungsmittel der Liebe die Verminderung der Begierlichkeit. Die Vollkommenheit der Liebe dagegen ist das Nichtvorhandensein (der gänzliche Mangel) der Begierlichkeit, weil die Wurzel aller Übel die Begierlichkeit ist.» Wer daher die Liebe in sich nähren will, der muss mit allem Eifer dahin streben, die Begierden in sich zu vermindern. Die Begierlichkeit ist aber nichts anderes, als das leidenschaftliche Verlangen, irdische Güter zu erwerben oder zu bewahren. Der Anfang dieser Verminderung ist die Furcht Gottes, der allein ohne die Liebe nicht gefürchtet werden kann. Eben deshalb wurden die verschiedenen religiösen Orden eingeführt, damit durch dieselben das Herz von den weltlichen und vergänglichen Dingen abgezogen und zu göttlichen Dingen erhoben werde. Hierauf deutet die Stelle im zweiten Buch der Makkabäer hin, welche also lautet: «Es erglänzte die Sonne, die früher in Wolken gehüllt war».<ref> 2 Makk. 1, 22. </ref> Die Sonne, d. h. der menschliche Geist, ist in Wolken gehüllt, wenn er ins Irdische versunken ist, er erglänzt dagegen, wenn er von der Anhänglichkeit an das Irdische losgerissen und abgezogen wird. Dann nämlich glänzt er und die göttliche Liebe wächst in ihm. Das andere Mittel, die Liebe zu vermehren, ist:

2. Die ausdauernde Geduld in Widerwärtigkeiten. Denn wenn wir für denjenigen, den wir lieben, Beschwerliches ertragen, so wird dadurch unsere Liebe offenbar nicht zerstört, sondern vermehrt, wie es im Hohenlied heißt: «Viele Wasser, d. i. viele Trübsale, können die Liebe nicht auslöschen».<ref> Hld. 8, 7. </ref> Und darum werden Heilige, welche für Gott Widerwärtigkeiten ertragen, in der Liebe zu ihm noch mehr befestigt, gerade wie der Künstler jenes Kunstwerk am meisten liebt, das ihm am meisten Mühe gekostet hat. Daher kommt es, dass die Gläubigen in der Liebe zu Gott um so mehr wachsen, je mehr Trübsale sie für ihn zu ertragen haben. Und deshalb heißt es in der Heiligen Schrift: «Vermehrt wurden die Wasser, d. i. die Trübsal, und sie erheben höher die Arche»,<ref> Gen. 7, 17. </ref> d. h. die Kirche oder die Seele des Gerechten.

Von der Liebe Gottes

Als Christus kurz vor seinem Leiden von den Gesetzesgelehrten gefragt wurde, welches das erste und größte Gebot<ref> Vgl. über die zwei Gebote der Liebe: S. theol. II. II. qu. 44. </ref> sei, antwortete er: «Du sollst den Herrn deinen Gott lieben aus deinem ganzen Herzen, aus deiner ganzen Seele und aus deinem ganzen Gemüte. Das ist das größte und erste Gebot»-<ref> Mt. 22, 37. </ref> Und in der Tat ist dieses das größte, vornehmste und nützlichste unter allen Geboten; denn in diesem Gebote werden alle anderen erfüllt.

Um aber dieses Gebot der Liebe vollkommen erfüllen zu können, sind vier Mittel erforderlich: '

1. Die dankbare Erinnerung an die Wohltaten Gottes. - Denn alles, was wir sind und haben: Seele, Leib und alle äußeren Güter, haben wir ja von Gott. Darum müssen wir ihm auch vor allem dienen und ihn aus ganzem Herzen lieben. Denn der ist ein höchst undankbarer Mensch, der seinen Wohltäter beim Andenken an die von ihm empfangenen Wohltaten nicht liebt. In Erwägung dessen sprach David: «Dein ist alles, und was wir von deiner Hand empfangen haben, das gaben wir dir».<ref> 1 Chr. 29, 14. </ref> Und darum sagt auch die Schrift zu Davids Lob: «Er lobte Gott von ganzem Herzen und liebte den Herrn, der ihn erschaffen».<ref>Sir. 47, 10. </ref> Um das Gebot der Liebe erfüllen zu können, ist notwendig:

2. Die Betrachtung der Grösse und Erhabenheit Gottes. - Denn Gott ist größer, als unser Herz, wie der hl. Johannes sagt.<ref>1 Joh. 3, 20. </ref> Und wenn wir ihm auch mit ganzem Herzen und mit allen Kräften dienen, so tun wir immer noch nicht genug. «Preiset den Herrn, so hoch ihr könnt, er ist doch noch höher. Lobet den Herrn, erhebet ihn, so viel ihr könnt, denn er ist höher, als alles Lob».<ref> Sir. 43, 32. 33. </ref> Ferner ist notwendig:

3. Die Lossagung vom Weltlichen und Irdischen. Denn wer irgend etwas Gott gleichsetzt, der fügt ihm eine schwere Beleidigung zu. «Wem wollet ihr Gott vergleichen?» spricht der Prophet Isaias.<ref> Is. 40, 18. </ref> Wir setzen aber etwas anderes Gott gleich, wenn wir die zeitlichen und vergänglichen Dinge zugleich mit Gott lieben. Es ist das ein Ding der Unmöglichkeit. Denn es heißt in der Schrift: «So enge ist das Bett, dass einer herabfällt, und so kurz das Oberkleid, dass es zwei nicht deckt».<ref> Is. 28, 20.21. </ref> Es wird hier das Herz des Menschen mit einem engen Bett und mit einer kurzen Oberkleid verglichen. Das menschliche Herz ist nämlich eng mit Bezug auf Gott. Wenn du daher andere Dinge in dein Herz aufnimmst, so vertreibst du Gott aus demselben. Denn so wenig der Mann bei seiner Frau, duldet Gott in der Seele einen Nebenbuhler, weshalb er selbst sagt: «Ich bin der Herr dein Gott, ein mächtiger und eifersüchtiger».<ref> Ex. 20, 5. </ref> Er will nicht, dass wir etwas anderes so sehr lieben wie ihn, oder neben ihm. Das letzte notwendige Mittel ist:

4. Gänzliches Meiden der Sünde. - Denn wer in Sünden ist, kann Gott nicht lieben, nach den Worten des Heilandes: «Ihr könnt nicht Gott und dem Mammon zugleich dienen».<ref> Mt. 6, 24. </ref> Du kannst also Gott nicht lieben, wenn du in der Sünde bist. Jener aber liebte ihn, der da sprechen konnte: «Ich bitte, Herr, gedenke doch, wie ich vor dir gewandelt in Wahrheit und mit vollkommenem Herzen».<ref> Is. 38, 3. </ref> Auch der Prophet Elias sagt: «Wie lange noch hinket ihr auf beiden Seiten?»<ref> 1 Kön. 18, 21. </ref> Wie nämlich der Hinkende sich bald nach dieser, bald nach jener Seite hinneigt, so ists auch mit dem Sünder. Bald sündigt er, bald wieder will er Gott suchen. Und darum spricht der Herr beim Propheten Joel: «Bekehret euch zu mir mit eurem ganzen Herzen».<ref> Joel 2, 12. </ref>

Gegen diesen Punkt versündigen sich zwei Klassen von Menschen. Erstens diejenigen, welche, indem sie die eine Sünde, z. B. die Wollust, meiden, eine andere Sünde, z. B. den Wucher, begehen. Solche werden verurteilt durch den Apostel, der da spricht: "Wer gegen ein Gebot verstößt, ist schuldig an allen».<ref> Jak. 2,10.</ref> Zur zweiten Klasse gehören diejenigen, welche einiges beichten, anderes dagegen nicht, oder welche von dem, was sie zu beichten haben, dem einen Beichtvater nur das, einem anderen das andere sagen. Solche haben von ihrer Beichte keinen Nutzen, vielmehr begehen sie dadurch eine neue Sünde, weil sie Gott zu täuschen suchen und weil sie das Sakrament gleichsam teilen. Auf das erstere passen die Worte: «Es ist sündhaft, von Gott eine halbe Vergebung zu hoffen». Und in Bezug auf das letztere sagt die Heilige Schrift: «Schüttet aus vor ihm eure Herzen»,<ref> Ps. 61, 9.</ref> weil nämlich in der Beichte alles geoffenbart werden muss.

Nachdem wir nun gezeigt haben, dass der Mensch verpflichtet ist, sich selbst an Gott hinzugeben, haben wir jetzt noch zu erwägen, was der Mensch in Liebe an Gott hinzugeben schuldig sei. - Es muss aber der Mensch ein vierfaches an Gott hingeben; nämlich: sein Herz, seine Seele, seinen Geist und seine Kraft. Denn der Heiland sagt bei Matthäus: «Du sollst Gott, deinen Herrn, lieben aus deinem ganzen Herzen, aus deiner ganzen Seele, aus deinem ganzen Geiste und aus allen deinen Kräften»,<ref> Mt 22, 37.</ref> d. h. mit deiner ganzen Kraft und Macht.

1. Unter dem Herzen ist hier die Absicht, «die gute Meinung» zu verstehen. Die Absicht besitzt eine solche Kraft, dass sie alle Werke nach sich zieht.

Daher wird selbst das Gute, das wir in schlechter Absicht verrichten, in Böses verwandelt. Und darum sagt der Heiland: «Wenn dein Auge», d. i. deine Absicht «schlecht ist, so ist dein ganzer Körper» d. h. die Gesamtheit deiner guten Werke «dunkel».<ref> Lk. 11, 34. </ref> Deshalb sollen wir bei allen unseren Handlungen unsere Absicht auf Gott richten, nach der Mahnung des Apostels: «Ihr mögt essen oder trinken oder sonst was tun, tut alles zur Ehre Gottes».<ref> 1 Kor. 10, 31. </ref>

2. Indessen ist es mit der guten Absicht allein noch nicht getan. Es muss auch die Güte des Willens da sein, und diese wird durch den Ausdruck «Seele» bezeichnet. Denn nicht selten geschieht es, dass einer von seinen Handlungen, auch wenn er sie in guter Absicht verrichtet, keinen Nutzen hat, weil eben diese Güte des Willens fehlt. Wenn z. B. jemand stiehlt, um einen Armen zu speisen, so ist die Absicht wohl gut, aber es fehlt der rechte Wille. Darum ist kein schlechtes Werk, das in guter Absicht verrichtet wird, jemals zu entschuldigen, nach den Worten des Apostels: «Die da sagen, lasst uns Böses tun, auf dass Gutes daraus entstehe, deren Verdammung ist gerecht».<ref> Röm. 3, 8. </ref> Diese Willensgüte ist bei der guten Absicht aber dann vorhanden, wenn der Wille mit dem göttlichen Willen übereinstimmt, um was wir täglich bitten, wenn wir sprechen: «Dein Wille geschehe», und was der Psalmist mit den Worten ausdrückt: «Ich hatte den Willen, deinen Willen zu tun, o Herr».<ref> Ps. 39, 9. </ref> Und darum heißt es: «Du sollst Gott lieben aus deiner ganzen Seele». Denn das Wort «Seele» wird in der Schrift oft für Wille genommen, wie z. B. im Briefe an die Hebräer, wo es heißt: «Wenn er (der Gerechte) sich zurückzieht, wird es nicht zum Wohlgefallen sein meiner Seele», d. h. meinem Willen.<ref> Hebr. 10 38.</ref>

3. Oft aber ist die Absicht und der Wille gut. Dagegen ist im Geist etwas Verkehrtes und deshalb muss man auch die Erkenntnis ganz an Gott hingeben, nach dem Ausspruch des Apostels: «Wir nehmen gefangen jeden Verstand zum Gehorsam Christi».<ref>2 Kor. 10, 5. </ref> Viele sündigen nämlich zwar nicht in Werken, dagegen wollen sie öfters sündhaften Gedanken sich hingeben. Diesen ruft der Prophet zu: «Schaffet hinweg von meinen Augen eure bösen Gedanken».<ref>Is. 1, 16. </ref> Andere vertrauen auf ihre eigene Weisheit und wollen ihren Verstand dem Glauben nicht unterwerfen- Solche geben ihren Geist nicht an Gott hin, und ihnen gilt das Wort des weisen Mannes: «Verlass dich nicht auf deine Klugheit».<ref>Spr. 3, 5. </ref>

4. Zu den drei genannten Stücken muss aber noch ein viertes hinzukommen. Man muss nämlich auch all seine Kraft und Macht an Gott hingeben, den Worten des Psalmisten gemäß: «Meine Stärke will ich an dich halten, weil du, o Gott, mein Beschirmer bist».<ref>Ps. 58, 10. </ref> Denn es gibt Leute, die ihre Macht zum Sündigen verwenden und hierin ihre Stärke kundgeben. Diesen ruft Isaias zu: «Wehe euch, die ihr Helden seid im Weintrinken, und starke Männer im Mischen berauschenden Trankes».<ref>Is. 5, 22. </ref> Andere hinwiederum zeigen ihre Macht und Stärke darin, dass sie dem Nächsten Schaden zufügen, während sie dieselbe durch Unterstützung des Nächsten betätigen sollten, der Mahnung der Heiligen Schrift gemäß: «Rette die, welche geführt werden zum Tode, und unterlass nicht, diejenigen zu befreien, welche zum Untergange geschleppt werden».<ref> Spr. 24, 11. </ref> Wir müssen also, um Gott zu lieben, an ihn hingeben die Absicht, den Willen, den Geist und die Kräfte.

Von der Nächstenliebe<ref> Cf. S. theol. II. II. qu. 25-27. de objecto et ordine charltatis. </ref>

Auf die eine Frage, welches das größte Gebot sei, gab Christus zwei Antworten. Die erste lautete: «Du sollst den Herrn deinen Gott lieben» und hierüber haben wir bereits gehandelt. Die zweite Antwort aber lautet: «Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.»

Wer dieses Gebot beachtet, erfüllt das ganze Gesetz, denn «die Liebe ist», wie der Apostel sagt, «die Erfüllung des Gesetzes».<ref> Röm. 13. 8. </ref> Es sind aber vier Beweggründe, die uns zur Liebe des Nächsten antreiben müssen.'

1. Die Liebe Gottes, nach den Worten des Apostels Johannes: «Wer da sagt: ich liebe Gott, hasst aber seinen Bruder, der ist ein Lügner»,<ref> 1 Joh. 14. 20. </ref> denn wer da sagt: er liebe jemanden, und doch dessen Sohn oder dessen Glieder hasst, der lügt. Wir alle aber, die wir gläubig sind, sind Söhne und Glieder Christi, nach dem Ausspruch des Apostels: «Ihr aber seid Christi Leib und Glieder von ihm».<ref> 1 Kor. 12. 27. </ref> Wer also den Nächsten hasst, der liebt auch Gott nicht.

2. Das göttliche Gebot. Christus hat nämlich vor seinem Hingang unter allen anderen Geboten seinen Jüngern besonders dieses eingeschärft, indem er zu ihnen sprach: «Dies ist mein Gebot, dass ihr einander liebet, so wie ich euch geliebt habe».<ref> Joh. 15. 12. </ref> Keiner also, der seinen Nächsten hasst, erfüllt die göttlichen Gebote und deshalb ist die Liebe des Nächsten ein Zeichen der Beobachtung der göttlichen Gebote. Hierauf weist der Herr selbst mit den Worten hin: «Daran werden alle erkennen, dass ihr meine Jünger seid, wenn ihr einander liebet».<ref> Joh. 13, 35. </ref> Er sagt nicht: An der Auferweckung der Toten oder an einem anderen augenfälligen Zeichen wird man euch als meine Jünger erkennen, sondern daran, dass ihr einander liebet. Und das nahm sich der hl. Johannes wohl zu Herzen, weshalb er spricht: «Wir wissen, dass wir vom Tode ins Leben übergesetzt sind»; und warum? «weil wir die Brüder lieben. Wer nicht liebt, bleibt im Tode».<ref> 1 Joh. 3, 14. </ref>

3. Die Gemeinschaft der Natur. Selbst jedes Tier liebt seinesgleichen»,<ref> Sir. 13, 19. </ref> sagt die Heilige Schrift. Da nun alle Menschen in Bezug auf ihre Natur einander gleichen, so müssen sie auch alle einander lieben. Darum ist der Hass gegen den Nächsten nicht nur dem Gesetze Gottes, sondern auch dem Gesetze der Natur zuwider. Ein Beweggrund zur Nächstenliebe ist endlich auch:

4. Der große Nutzen, den sie uns bringt. Denn alles Gute des einen kommt durch die Liebe auch dem anderen zugute. Sie ist es, die die Kirche eint und alles gemeinsam macht: «Ich nehme teil an allen, die dich fürchten».<ref> Ps. 118, 63. </ref>

Du sollst deinen Nächsten lieben, wie dich selbst; dieses Gebot der Nächstenliebe ist das zweite Gebot des Gesetzes. Im Vorhergehenden haben wir gezeigt, dass wir den Nächsten lieben müssen. Es erübrigt nun noch, die Art und Weise dieser Liebe näher ins Auge zu fassen. Diese ist angedeutet mit dem Zusatz: «wie dich selbst». Dieser Zusatz lenkt unsere Betrachtung auf fünf Punkte hin, die wir be der Liebe des Nächsten zu beachten haben.

1. Wir müssen den Nächsten in Wahrheit so lieben wie uns selbst, und dies geschieht dann, wenn wir ihn um seinetwillen und nicht um unseretwillen lieben. Es sind nämlich drei Arten von Liebe zu unterscheiden, von denen zwei unecht, eine aber echt ist: Die erste Art von Liebe ist diejenige, weiche nur wegen dem Nutzen liebt. Von dieser heißt es in der HI. Schrift: «Mancher Freund ist nur ein Tischgenosse und am Tage der Not bleibt er nicht».<ref> Sir. 6, 10. </ref> Eine solche Liebe ist offenbar nicht echt. Sie schwindet sobald der Nutzen schwindet, und wir haben bei derselben nicht das Wohl des Nächsten, sondern unser Wohl im Auge. - Die zweite Art von Liebe ist die, welche nur wegen der Ergötzlichkeit liebt. Auch diese Liebe ist keine echte, weil sie schwindet sobald die Ergötzlichkeit schwindet. Und wir suchet bei derselben ebenfalls nicht des Nächsten Wohl, sondern unser eigenes. - Die dritte Art der Liebe endlich, ist diejenige, welche der Tugend wegen liebt, und diese Liebe allein ist die echte. Denn wenn wir diese besitzen, lieben wir den Nächsten nicht um unseres eigenen, sondern um seines Wohles willen.

2. 'Unsere Liebe gegen den Nächsten muss eine Wohlgeordnete sein, d. h. eine solche, dass wir ihn nicht mehr als Gott aber ebenso sehr wie Gott, sondern dass wir ihn wie uns selbst lieben, worauf der Ausspruch im Hohenlied hindeutet: «Er hat die Liebe in mir geordnet». <ref> Hld. 2, 4. </ref> Diese Ordnung der Liebe lehrte der Herr, wenn er sprach: «Wer Vater oder Mutter mehr liebt, als mich, ist meiner nicht wert.

Und wer Sohn oder Tochter mehr liebt, als mich, ist meiner nicht wert».<ref> Mt. 10, 37. </ref>

3. Unsere Nächstenliebe soll wirksam sein. Dich selber liebst du nicht bloß, sondern du bist auch eifrig bestrebt, dir Gutes zu erwerben und Böses abzuwenden. Dasselbe nun musst du auch deinen Nächsten tun. Dazu ermahnt der Apostel, wenn er sagt: «Lasst uns nicht bloß mit Worten oder mit der Zunge lieben, sondern in der Tat und Wahrheit».<ref> 1 Joh. 3, 18. </ref> Ja diejenigen sind geradezu die Schlechtesten, weIche zwar mit dem Munde lieben, in ihrem Herzen aber Übles sinnen. Auf sie beziehen sich die Worte des Psalmisten: «Sie reden friedlich mit ihrem Nächsten, in ihrem Herzen aber haben sie Böses».<ref> Ps. 27, 3. </ref> Und der Apostel schreibt: «Die Liebe sei ungeheuchelt».<ref> Röm. 12, 9. </ref>

4. Wir sollen den Nächsten beharrlich lieben, wie wir uns selbst beharrlich lieben. «Wer ein Freund ist, liebt allezeit und ein Bruder wird bewährt in der Not»,<ref> Spr. 17, 17. </ref> d. h. er bewährt sich als Freund sowohl im Unglück als Glück, ja im Unglück bewährt er sich vorzugsweise als solchen. Zur Bewahrung der Freundschaft tragen aber besonders zwei Tugenden bei: Erstens die Geduld; denn «ein jähzorniger Mensch erregt Streit».<ref> Spr. 15, 18. </ref> Zweitens die Demut, welche die Grundlage der Geduld ist. Denn: «Unter den Stolzen ist immer Hader», wie die Schrift sagt.<ref> Spr. 13, 10. </ref> Wer von sich selber hoch denkt, auf seinen Mitmenschen dagegen verächtlich herabblickt, der kann dessen Unvollkommenheiten nicht ertragen.

5. Endlich sollen wir den Nächsten auf eine heilige und gerechte Weise lieben, d. h. wir sollen ihn nicht lieben, um mit ihm Sünden zu begehen. Denn auf eine solche Weise darfst du auch dich selbst nicht lieben, da du dadurch Gott verlieren würdest. Darum ermahnt uns der Heiland: «Bleibet in meiner Liebe,»<ref> Joh. 15, 9. </ref> von welcher Liebe es im Buch Jesus Sirach heißt: «Ich bin die Mutter der schönen Liebe».<ref> Sir. 24, 24. </ref>

«Du sollst deinen Nächsten lieben, wie dich selbst». Dieses Gebot haben die Juden und Pharisäer in verkehrtem Sinne aufgefasst, da sie glaubten, dass Gott durch dieses Gebot nur gebiete, die Freunde zu lieben, die Feinde dagegen zu hassen; denn sie verstanden unter den Nächsten nur die Freunde. Diese falsche Auffassung wollte Christus zurückweisen, als er sprach: «Liebt euere Feinde, tut Gutes denen, die euch hassen, und betet für euere Verfolger».<ref> Mt. 5, 44. </ref> Es unterliegt deshalb keinem Zweifel, dass keiner, der seinen Bruder hasst, im Stande der Gnade sich befindet. Denn der hl. Johannes sagt: «Wer seinen Bruder hasst, der ist in der Finsternis».<ref> 1 Joh. 2, 11. </ref> - Hiermit scheint aber im Widerspruch zu stehen, dass auch die Heiligen einige hassten, wie es beim Psalmisten heißt: «Mit vollkommenem Hasse hasse ich sie».<ref> Ps. 138, 22. </ref> Ebenso heißt es im Evangelium: «Wenn jemand zu mir kommt, und nicht hasst seinen Vater und Mutter und Frau und Kinder und Brüder und Schwestern, noch dazu auch sein eigen Leben, kann er nicht mein Jünger sein».<ref> Lk. 14, 26. </ref> Dieser scheinbare Widerspruch wird jedoch gelöst durch die Handlungsweise Christi, die wir bei all unseren Handlungen uns zum Vorbild nehmen müssen. Gott nämlich liebt und hasst, weil bei jedem Menschen zweierlei in Betracht zu ziehen ist: die Person und die Sünde. Die Person nun müssen wir bei allen Menschen lieben, die Sünde dagegen hassen. Wünschte also jemand einen Menschen in die Hölle, so würde er die Person hassen. Wünschte er aber seine Bekehrung, so würde er die Sünde hassen, welche man immer hassen muss. Mit Rücksicht hierauf sagt die Heilige Schrift an einer Stelle: «Du hassest alle, o Herr, welche Ungerechtigkeit üben».<ref> Ps. 5, 7. </ref> An einer anderen Stelle dagegen: «Du liebst alles, o Herr, was da ist, und hassest nichts von dem, was du gemacht hast».<ref> Weish. 11, 25. </ref> Wir sehen also, dass Gott zugleich liebt und hasst; er liebt die Person und hasst die Sünde.

Auch kann man bisweilen ohne Sünde dem Nächsten wehe tun, wenn man nämlich dadurch nur Gutes will, weil Gott ebenso verfährt, wie z. B. wenn ein Mensch in Folge seiner Krankheit gut wird, während er in gesunden Tagen schlecht bliebe, oder wenn ein anderer im Unglück sich bekehrt, der im Glücke verkehrt war, nach dem Ausspruch des Propheten: «Die Heimsuchung lehrt aufs Wort zu merken».<ref> Is. 28,19. </ref> Ebenso wenn man das Unglück eines Tyrannen, der die Kirche verwüstet, wünscht, insofern man nur das Heil der Kirche durch den Fall des Tyrannen wünscht. In diesem Sinne heißt es im zweiten Buch der Makkabäer: «In allem sei gepriesen Gott, der die Gottlosen überliefert hat».<ref> Makk. 1, 17. </ref> Und dieses müssen alle anstreben und zwar nicht bloß mit dem Willen, sondern auch in der Tat. Denn es ist keine Sünde, die Schlechten auf gerechte Weise mit dem Tode zu bestrafen.<ref> Man beachte das «gerecht». Es handelt die Stelle von der Strafberechtigung der gesetzlichen Obrigkeit, gestützt auf Röm. 13. 4. cf. S. th. II. II. qu. 64 art. 2 u. 3 quod principibus et judicibus tantum non autem privatis personis, peccatores occidere licet; dazu: qu. 104 u. 158 art. 1 ad 3. </ref> Vielmehr sind, die solches tun, nach dem Ausspruch des Apostels,<ref> Röm. 13, 4. </ref> Diener Gottes und sie beachten das Gebot der Liebe, weil die Strafe oft zur Züchtigung, oft aber auch wegen eines höheren und göttlicheren Gutes verhängt wird. Denn ein höheres Gut ist das Leben einer ganzen Gesellschaft, als das Leben eines einzigen Menschen.

Es ist aber nicht genug, dass man dem Nebenmenschen nicht übel wolle, man muss auch sein Bestes wollen, nämlich seinen Fortschritt in der Tugend und seine ewige Seligkeit. In einer zweifachen Beziehung nämlich kann man das Beste des Nächsten wollen, Erstens im allgemeinen, insofern er ein Geschöpf Gottes und des ewigen Lebens fähig ist. Zweitens im besonderen, wenn er unser besonderer Freund oder Genosse ist. Von jener allgemeinen Liebe darf niemand ausgeschlossen werden. Denn jeder muss für jeden beten, und jeder muss einem jeden in der äußersten Not Hilfe leisten. - Dagegen bist du nicht verpflichtet, mit jedem (selbst mit deinem Beleidiger) in nähere freundschaftliche Beziehungen zu treten, es wäre denn, dass er dich um Verzeihung bäte, denn dann wäre er dein Freund, und wenn du ihn dann von dir stießest, so würdest du deinen Freund hassen. Daher sagt der Heiland: «Wenn ihr den Mitmenschen ihre Vergehen vergebt, so wird der himmlische Vater auch euch euere Sünden vergeben; wenn ihr aber den Mitmenschen nicht vergebt, so wird auch euer Vater euch euere Sünden nicht vergeben».<ref> Mt. 6, 14. u. 15. </ref> Und im Gebet des Herrn heißt es: «Vergib uns unsere Schulden, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern».<ref> Mt. 6, 12. </ref>

«Du sollst deinen Nächsten lieben, wie dich selbst.» Wie soeben bemerkt worden, sündigst du, wenn du deinem Nächsten nicht verzeihst, obgleich er dich darum bittet. Dass du aber selbst zuerst deinen Beleidiger aufsuchst und mit dir wieder zu versöhnen trachtest, ist nicht Pflicht, sondern nur Rat. Indessen gibt es doch viele Gründe, welche dich bewegen sollen, ihn so an dich zu ziehen.

1. Die Wahrung der eigenen Würde. Die verschiedenen Würden haben nämlich auch verschiedene Abzeichen und niemand darf die Abzeichen seiner eigenen Würde verschmähen. Die größte aller Würden aber ist die Kindschaft Gottes und das Abzeichen dieser Würde ist die Feindesliebe. «Liebt eure Feinde», ruft der Heiland uns zu, «damit ihr Kinder eures Vaters seid, der im Himmel ist».<ref> Mt. 5, 44. u. 45. </ref> Denn wenn du nur den Freund liebst, so ist das noch kein Zeichen der göttlichen Kindschaft; denn dieses tun, wie der Heiland sagt, auch die Heiden und die öffentlichen Sünder.

2. Die Erringung des Sieges. Ein jeder wünscht diesen naturgemäß; entweder musst du also denjenigen, der dich beleidigt hat, durch deine Güte zur Liebe hinreißen und dann bist du der Sieger, oder er muss dich zum Hasse hinreißen und dann bist du der Besiegte. Darum ermahnt der Apostel: «Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde du das Böse durch Gutes».<ref> Röm. 12, 21. </ref>

3. Die Erlangung vielfältigen Nutzens. Denn durch eine solche Handlungsweise erwirbt man sich Freunde. «Wenn dein Feind hungert, sagt der Apostel, so speise ihn. Wenn er dürstet, so tränke ihn! Denn tust du also, so wirst du feurige Kohlen sammeln auf sein Haupt».<ref> Röm. 12, 20. </ref> Und der hl. Augustinus bemerkt: «Durch nichts kann man den Feind mehr zur Liebe herausfordern, als wenn man ihm durch Liebe' zuvorkommt.» Denn niemand ist so hartherzig, dass er, wenn er auch die Liebe nicht zuerst geben, doch nicht wenigstens die empfangene zurückgeben wollte. Deshalb heißt es im Buch Jesus Sirach: «Nichts lässt sich mit einem treuen Freunde vergleichen»,<ref> Sir. 6, 15. </ref> und der weise Mann sagt: «Wenn dem Herrn des Menschen Wege wohlgefallen, so lenkt er selbst dessen Feinde zum Frieden».<ref> Spr. 16, 7. </ref>

4. Die daraus entstehende größere Kraft des Gebetes. - Denn wenn der Herr durch den Mund des Propheten Jeremias spricht: «Wenn auch Moses und Samuel vor mir ständen, so hätte ich doch kein Herz für dieses Volk»,<ref>Jer. 15, 1. </ref> so tut er, wie Gregor der Große sagt, diesen beiden deshalb besondere Erwähnung, weil sie für ihre Feinde gebetet haben. Desgleichen hat auch Christus am Kreuze für seine Feinde gebetet, indem er sprach: «Vater verzeih' ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun».<ref> Lk. 23, 34. </ref> Ebenso hat der hl. Stephanus durch das Gebet für seine Feinde der Kirche reichlichen Nutzen verschafft, weil er dadurch den Paulus bekehrte.

5. Die Losschälung von der Sünde - welche wir alle sehnlichst wünschen müssen. Denn gar oft sündigen wir und suchen Gott nicht: da zieht uns immer wieder Gott zu sich durch Krankheit oder durch irgend eine andere Heimsuchung, wie es bei Hosea heißt: «Ich will deinen Weg verzäunen mit Dornen und verbauen mit einer Mauer».<ref> Hos. 2, 6. </ref> So ward der hl. Paulus gezogen, der wie der Psalmist von sich sagen konnte: «Wie ein Schaf, das verloren war, irrte ich umher. Suche deinen Knecht, o Herr»,<ref> Ps. 118, 176. </ref> und wie die Braut im Hohenlied: «Ziehe mich dir nach».<ref> Hld. 1, 3. </ref> Die Gnade aber, dass Gott uns an sich zieht, erlangen wir, wenn wir unseren Feind dadurch, dass wir ihm zuerst vergeben, an uns ziehen. Denn der Heiland sagt: «Mit welchem Maß ihr ausmesst, mit demselben wird euch wieder eingemessen werden. Vergebet, so wird auch euch vergeben werden»,<ref> Lk. 6, 37. u. 38.</ref> und an einer anderen Stelle: «Selig sind die Barmherzigen, denn sie werden Barmherzigkeit erlangen».<ref> Mt. 5, 7. </ref> Denn es gibt keine größere Barmherzigkeit als seinem Beleidiger zu vergeben.

DIE ZEHN GEBOTE GOTTES

Einleitung

Wie schon oben bemerkt worden, beruht das ganze Gesetz Christi auf der Liebe; die Liebe aber beruht auf zwei Geboten, nämlich auf den Geboten der Gottes- und der Nächstenliebe, von welchen beiden Geboten bereits gehandelt worden ist.

Indem wir nun zur Besprechung des Gesetzes übergehen, das Gott dem Moses auf Sinai gegeben, so müssen wir vorab bemerken, dass die zehn Gebote dieses Gesetzes von der Hand des Herrn selbst auf zwei steinerne Tafeln geschrieben waren. Die drei ersten Gebote, welche auf der ersten Tafel standen, beziehen sich auf die Liebe Gottes, die sieben anderen Gebote aber, die auf der zweiten Tafel standen, beziehen sich auf die Liebe des Nächsten. So ruht demnach das ganze Gesetz auf diesen zwei Geboten.

Das erste Gebot: Du sollst an den einen Gott glauben

Das erste Gebot nun, das sich auf die Liebe Gottes bezieht, lautet: «Du sollst keine fremden Götter neben mir haben».<ref> Ex. 20, 3. </ref> Zum besseren Verständnis dieses Gebotes müssen wir hier daran erinnern, dass die Alten dasselbe auf vielfache Weise übertreten haben.

1. Einige verehrten nämlich böse Geister; denn «alle Götter der Heiden sind», wie der Psalmist sagt, «böse Geister».<ref>Ps. 95, 5. </ref> Dieses ist die größte und schrecklichste von allen Sünden. - Aber auch heutzutage noch übertreten viele dieses Gebot. Alle diejenigen nämlich, die sich mit Wahrsagerei und Zeichendeuterei abgeben, denn dergleichen kann, wie der hl. Augustinus lehrt, nicht geschehen, ohne dass man mit dem Teufel eine Art Bund schließt. Gegen diese Sünde eifert der Apostel, wenn er schreibt: «Ich will nicht, dass ihr Gemeinschaft habt mit den Teufeln». Und ebenda selbst: «Ihr könnt nicht den Kelch des Herrn trinken und den Kelch der Teufel».<ref> 1 Kor. 10, 20. </ref>

2. Andere verehrten die Himmelskörper, indem sie die Gestirne für Götter hielten. «Sonne und Mond», heißt es im Buch der Weisheit, hielten sie für weltbeherrschende Götter».<ref> Weish. 13, 2. </ref> Darum verbot Moses den Juden, ihre Augen zum Himmel zu erheben und Sonne, Mond und Sterne anzubeten. «Bewahrt sorgfältig euere Seelen», ruft Moses den Israeliten zu, «dass ihr nicht etwa die Augen zum Himmel erhebt und anschaut Sonne und Mond und alle Gestirne des Himmels, und sie im Truge befangen anbetet und das verehrt, was der Herr geschaffen hat, euer Gott, zum Dienste aller Völker, die unter dem Himmel sind».<ref> Dtn. 4, 19. </ref> - Gegen dieses Gebot versündigen sich die Sterndeuter, welche lehren, dass die Sterne die Lenker der Seelen sind, während sie doch des Menschen wegen geschaffen sind, dessen Lenker Gott allein ist.

3. Andere verehrten die niederen Elemente, indem sie «das Feuer oder den Wind für Götter hielten».<ref> Weish. 13, 2. </ref> - In diesen Irrtum verfallen auch diejenigen, welche ihr Herz allzu sehr an die irdischen Dinge hängen und dieselben missbrauchen, weshalb auch der hl. Paulus den Geiz geradezu für Götzendienst erklärt.<ref> Eph. 5, 5. </ref>

4. Wieder andere verehrten in ihrem Wahne Menschen, entweder andere oder sich selbst, und zwar aus drei verschiedenen Ursachen. Erstens aus Sinnlichkeit. «Von bitterer Trauer gepeinigt», heißt es im Buch der Weisheit, «machte ein Vater das Bild eines ihm durch frühen Tod entrissenen Sohnes, und begann denjenigen, welcher dazumal als Mensch gestorben war, nun als einen Gott zu verehren, und führte unter seinen Untergebenen Opfer und Festbräuche ein».<ref> Weish. 14, 15. </ref> - Zweitens aus Schmeichelei. Denn wenn man gewisse Menschen persönlich nicht verehren konnte, weil sie nicht gegenwärtig waren, so Iieß man sich, um sie abwesend verehren zu können, ihre Bildnisse anfertigen, die man dann an ihrer Statt verehrte. «Auch von denjenigen, welche von Angesicht die Menschen nicht ehren konnten, weil sie ferne wohnten, ließ man sich eine Abbildung aus der Ferne bringen und man fertigte ein kenntliches Bild des Königs, welchen man zu ehren wünschte, so dass sie den Abwesenden gerade so verehrten, als wäre er anwesend».<ref> Weish. 14, 17. </ref> - Auf gleiche Weise handeln alle diejenigen, welche irgend einen Menschen mehr lieben und verehren, als Gott selber. Solchen gilt der Ausspruch des Heilands: «Wer Vater oder Mutter mehr liebt, als mich, ist meiner nicht wert»,<ref> Mt. 10, 37. </ref> und die Worte des Psalmisten: «Vertrauet nicht auf Fürsten, auf Menschenkinder, bei denen keine Hilfe».<ref> Ps. 145, 2. u. 3. </ref> - Drittens endlich aus Vermessenheit. Denn manche ließen sich aus Vermessenheit Götter nennen, wie z. B. Nabuchodonosor, von dem es im Buch Judith heißt: «Der König Nabuchodonosor hatte ihm (dem Holofernes) befohlen, alle Götter der Erde zu vertilgen, damit er allein Gott genannt werde».<ref> Jud. 3, 13. </ref> Und ebenso heißt es bei Ezechiel: «Menschensohn, sage zum Fürsten von Tyrus: So spricht Gott der Herr: Dafür, dass sich erhöht hat dein Herz und du gesagt hast: ,Gott bin ich und auf dem Throne Gottes sitze ich', deshalb, siehe, führe ich her über dich Fremdlinge, die Gewaltigsten der Nationen».<ref> Ez. 28, 2 ff. </ref> - Dasselbe tun diejenigen, welche mehr ihren Sinnen als den Geboten Gottes folgen. Solche verehren sich selbst als Götter, denn indem sie den Lüsten des Fleisches nachgehen, verehren sie ihren Leib als Gott. Von ihnen sagt der Apostel, «dass ihr Gott der Bauch sei».<ref> Phil. 3, 19. </ref> Alle diese Sünden also muss man vermeiden.

«Du sollst keine fremden Götter neben mir haben». Wie schon bemerkt, verbietet uns das erste Gebot, ein anderes Wesen, als Gott, anzubeten. Zur Beobachtung dieses Gebotes sollen uns folgende fünf Gründe bestimmen:

1. Die Würde Gottes. - Wenn wir diese nicht achten, so fügen wir Gott selbst ein Unrecht zu, wie solches sich aus der Analogie menschlicher Verhältnisse leicht abnehmen lässt. Jeder Würde nämlich gebührt Ehrfurcht. Daher ist derjenige ein Verräter des Königs, der ihm das, was er ihm schuldet, vorenthält. Dieses Unrecht nun begehen manche Gott gegenüber. Von ihnen sagt der Apostel: «Und sie verwechselten die Herrlichkeit des unvergänglichen Gottes mit einem Gebilde von einem vergänglichen Menschen und von Vögeln und Vierfüßlern und Gewürmern»,<ref> Röm. 1, 23. </ref> eine Sünde, die Gott sehr missfällig ist. Darum spricht er durch den Mund des Propheten: «Meine Ehre gebe ich nicht einem anderen, und meinen Ruhm nicht den Götzenbildnern».<ref> Is. 42, 8. </ref>

Die Würde Gottes besteht aber besonders in seiner Allwissenheit. Darum wird im Lateinischen Gott nach seinem lichten allwissenden Wesen benannt,<ref> Deus von der Wurzel div glänzen, licht, klar; unser deutsches «Gott» nach einigen vom persischen Khodä i. e. der Absolute, nach Anderen vom Indogermanischen: ghu rufen i. e. der Angerufene oder von godhi i. e. Priester, Geheiligter.</ref> denn das ist ein Merkmal der Gottheit. «Machet kund, was kommen wird, in der Zukunft, denn daran werden wir erkennen, ob ihr Götter seid»,<ref> Is. 41. 23. </ref> und «Alles ist nackt und aufgedeckt vor seinen Augen».<ref> Hebr. 4. 31. </ref> Diese Ehre aber entziehen ihm die Wahrsager, gegen welche die Worte des Propheten gerichtet sind: «Wenn sie dann sagen zu euch: ,Befraget Wahrsager und Beschwörer, welche flüstern zu ihren Zaubereien!' (so sprechet): Soll nicht das Volk bei seinem Gotte anfragen? Für die Lebenden und die Toten?»<ref> Is. 8.19. </ref>

2. Die Freigebigkeit Gottes. Alles Gute haben wir von Gott, und gerade das gehört wieder zu seiner Würde, dass er der Schöpfer und Spender aller Güter ist. Darum spricht der Psalmist: «Du öffnest deine Hand und erfüllest alles Lebendige mit Segen».<ref> Ps. 144. 16. </ref> Alles Gute kommt also von Gott, dem Geber und Spender jeder guten Gabe, der Alles mit seinem Segen erfüllt. Du zeigst dich daher sehr undankbar gegen ihn, wenn du ihn nicht als den Geber alles dessen, was du besitzest, anerkennst, sondern dir einen anderen Gott machst, wie die Kinder Israels, die er aus Ägypten geführt, sich ein Götzenbild machten. Sie taten wie jene Buhlerin, von welcher Hosea redet, und die da sagte: «Ich will nachgehen meinen Buhlen, welche mir geben Brot, und mein Wasser, und meine Wolle, und mein Linnen, mein Öl und meinen Trank».<ref> Hos. 2, 5. </ref> Der gleichen Sünde macht sich auch derjenige schuldig, der seine Hoffnung auf etwas anderes, als auf Gott setzt, d. h. von jemand anderem Hilfe begehrt. Darum preist der Psalmist den Mann selig, der seine Hoffnung auf den Namen des Herrn setzt.<ref> Ps. 39, 5. </ref> Und der hl. Paulus schreibt an die Galater: «Jetzt, nachdem ihr Gott erkannt habt, und auch erkannt worden seid von Gott, wie wendet ihr euch wieder hin zu den schwachen und ärmlichen Anfangsgründen, denen ihr von neuem dienen wollt? Tage beobachtet ihr und Monde und Zeiten und Jahre».<ref> Gal. 4, 9. u. 10. </ref>

3. Die Unverletzlichkeit des Taufgelübdes. Denn bei der Taufe haben wir dem Teufel abgeschworen und Gott allein Treue angelobt und dieses Gelöbnis dürfen wir nicht brechen. Darum schreibt der Apostel im Briefe an die Hebräer: «Hat irgendwer das Gesetz des Moses gebrochen, so stirbt er sonder Erbarmen auf zwei oder drei Zeugen hin. Um wie viel schlimmerer Strafen, meint ihr, wird würdig erachtet werden, wer den Sohn Gottes mit Füßen getreten und das Blut des Bundes für unrein geachtet hat, in welchem er ist geheiligt worden, und den Geist der Gnade gehöhnt hat».<ref> Hebr. 10, 28. u. 29. </ref> Und im Briefe an die Römer heißt es: «Eine Frau wird, so lange ihr Mann lebt, Ehebrecherin heißen, wenn sie mit einem anderen Manne ist»,<ref> Röm. 7, 3. </ref> und eine solche musste nach dem Gesetze verbrannt werden. Wehe also dem Sünder, der auf zwei Wegen einhergeht, und wehe denjenigen, die nach bei den Seiten hinken!

4. Der Druck der teuflischen Herrschaft. «Ihr werdet fremden Göttern dienen», heißt es beim Propheten Jeremias, «und sie werden euch Tag und Nacht keine Ruhe gönnen».<ref> Jer. 16, 13. </ref> Denn der Teufel ruht nicht, wenn er uns zu einer Sünde verführt hat, sondern sucht uns sofort zu einer anderen zu verleiten. Darum sagt der Heiland: «Wer Sünde tut, der ist der Sünde Knecht».<ref> Joh. 8, 34. </ref> Und der hl. Gregor schreibt: «Eine Sünde, die durch die Buße nicht getilgt wird, zieht uns durch ihre Schwere bald zu einer anderen fort». Gerade umgekehrt verhält es sich mit der Herrschaft Gottes. Denn seine Gebote sind nicht schwer, indem Christus selber sagt: «Mein Joch ist süß und meine Bürde ist leicht».<ref> Mt. 11, 30. </ref> Wenn nämlich der Mensch für Gott so viel tut, als er für die Sünde getan, so wird ihm dies schon für genügend angerechnet. «Wie ihr», schreibt der Apostel, «Euere Glieder dienstbar dargeboten habt der Unlauterkeit und der Gesetzlosigkeit, so bietet jetzt dar euere Glieder dienstbar der Gerechtigkeit zur Heiligung».<ref> Röm. 6, 19. </ref> Von den Knechten des Teufels aber heißt es im Buch der Weisheit: «Wir erschöpften unsere Kraft auf der Straße des Unrechts und Verderbens, und durchwandelten ungebahnte Pfade. Nur den Weg des Herrn erkannten wir nicht.»<ref> Weish. 5, 7. </ref> Und bei Jeremias: «Um Unrecht zu üben matten sie sich ab».<ref> Jer. 9, 5. </ref>

5. Die Unermesslichkeit der Belohnung oder der Gabe, die uns dafür zuteil werden wird. Denn in keinem anderen Gesetze werden so herrliche Belohnungen verheißen, wie im Gesetze Christi. Den Sarazenen werden Ströme von Milch und Honig, den Juden das Gelobte Land, den Christen aber wird die Herrlichkeit der Engel verheißen. «Denn», heißt es in der HI. Schrift, «sie werden sein, wie die Engel Gottes im Himmel».<ref> Mt. 22, 30. </ref> In Erwägung dessen ruft auch der hl. Petrus aus: «O Herr! zu wem sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens».<ref>Joh. 6, 69. </ref>

Das zweite Gebot: Du sollst den Namen Gottes nicht eitel nennen

"Du sollst den Namen des Herrn, deines Gottes nicht eitel nennen".<ref> Gen. 20, 7. </ref> Dies ist das zweite Gebot des Gesetzes, und wie es nur einen Gott gibt, den wir anbeten müssen, so gibt es auch nur einen, den wir über alles verehren müssen. Diese Verehrung bezieht sich aber zuerst auf den Namen, weshalb es heißt: «Du sollst den Namen nicht eitel nennen».

Das Wort eitel wird aber in einem dreifachen Sinne' gebraucht. Es bedeutet mitunter so viel als:

1. Lügenhaft, so im Psalm 11: «Sie haben Eitles d. h. Lügenhaftes geredet.» Du sprichst demnach den Namen Gottes eitel aus, wenn du ihn zur Bekräftigung einer Lüge gebrauchst. Darum heißt es in der Heiligen Schrift: «Falschen Eid liebt nicht, denn alles das sind Dinge, die ich hasse, spricht der Herr»,<ref> Sach. 8, 17. </ref> und an einer anderen Stelle: «Du sollst nicht leben, weil Lüge du gesprochen hast im Namen des Herrn».<ref> Sach. 13, 3. </ref>

Wer falsch schwört, begeht ein Unrecht gegen Gott, gegen sich selbst und gegen den Nächsten. Er begeht ein Unrecht gegen Gott, denn da bei Gott schwören nichts anderes ist, als Gott zum Zeugen anrufen, so glaubt der Falschschwörende entweder, dass Gott die Wahrheit nicht wisse, und schreibt mithin Gott Unwissenheit zu, während doch, wie der Apostel Paulus sagt, «vor seinen Augen alles nackt und offenbar ist».<ref> Hebr. 4, 13.</ref> Oder er wähnt, dass Gott die Lüge liebe, da er doch die Lüge hasst, indem es beim Psalmisten von ihm heißt: «Du wirst alle verderben, die Lüge reden»,<ref> Hebr. 6, 16. </ref> oder er beschränkt die Macht Gottes, als ob er kein Zeugnis geben oder als ob er das falsche Zeugnis nicht bestrafen könne. - Desgleichen begeht der Falschschwörende gegen sich selber ein Unrecht, weil er sich des Gerichte Gottes schuldig macht. Denn sagen: Bei Gott es ist wahr, heißt nichts anderes, als: Gott soll mich strafen, wenn es nicht wahr ist. - Endlich fügt ein solcher auch seinen Mitmenschen ein Unrecht zu, denn ohne gegenseitiges Vertrauen kann die menschliche Gesellschaft nicht bestehen. Der Eid aber ist gerade dazu bestimmt, um jeden Zweifel an der Wahrheit einer Aussage zu beseitigen. «Denn der Eid», sagt der Apostel, «dient zur Bestätigung und macht jeder Widerrede ein Ende».<ref> Ps. 5, 7. </ref> Mithin begeht der Falschschwörende ein Unrecht gegen Gott, gegen sich selbst und gegen den Nächsten. Bisweilen bedeutet das Wort «eitel»:

2. «Unnütz», so z. B. beim Psalmisten, wenn Er sagt: «Der Herr kennt die Gedanken der Menschen, dass sie eitel sind»,<ref> Ps. 93, 11. </ref> und es wird daher der Name Gottes auch eitel ausgesprochen, wenn man ihn zur Bekräftigung unnützen Geredes anruft. Im alte Bunde war es verboten, falsch zu schwören. «Du sollst nicht gebrauchen den Namen des Herrn deines Gottes zum Trug».<ref> Dtn. 5, 11.</ref> Christus aber hat da Schwören überhaupt verboten, außer im Falle de Not. «Ihr habt gehört», spricht er, «dass zu den Alten gesagt worden: Du sollst nicht falsch schwören. Ich aber sage euch: ihr sollt überhaupt nicht schwören».<ref> Mt. 5, 33. u. 34.</ref> Der Grund dieses Verbotes liegt darin, dass wir, wie der hl. Jakobus lehrt, mit nichts so leicht uns verfehlen, als mit der Zunge, indem fast niemand dieselbe zu beherrschen vermag. Daher können wir leicht in Gefahr kommen, falsch zu schwören und darum sagt der Heiland: «Eure Rede sei ja, ja, nein, nein», und «ihr sollt gar nicht schwören».<ref> Mt. 5. </ref> Der Eid<ref>In die Erklärung der «zehn Gebote, werden die meisten Traktate der Moral, aber in populärer Form, verflochten; so hier: vom Eid. Vgl. S. theol. II. II. de iuramento qu. 89 und de periurio qu. 98. </ref> ist gleichsam eine Arznei, welche man nicht immer, sondern nur im Falle der Not anwendet. Deshalb fügt der Heiland hinzu: «Was darüber ist, das ist vom Bösen», und im Buch Jesus Sirach heißt es: «An das Schwören gewöhne sich nicht dein Mund, denn vielfach ist der Sturz durch dasselbe».<ref> Sir. 23. 9. </ref> Führe darum nicht immer den Namen Gottes im Munde, noch mische die Namen der Heiligen in deine Reden, sonst kannst du dich vor der Sünde des Schwörens nicht hüten. Manchmal versteht man unter dem Worte «eitel» auch:

3. Die Sünde oder Ungerechtigkeit. Diese Bedeutung hat das Wort beim Psalmisten, wo es heißt: «Wie lange noch, ihr Menschenkinder, seid ihr harten Herzens? wie sehr liebt ihr die Eitelkeit und gehet der Lüge nach?»<ref> Ps. 4. 3. </ref> Hiernach spricht auch der den Namen Gottes eitel aus, welcher schwört, dass er irgend eine Sünde tun wolle. Nun besteht darin, dass man das Gute tut und das Böse meidet, die Gerechtigkeit. Wenn du also schwörst, einen Diebstahl oder etwas anderes dergleichen ausführen zu wollen, so sündigst du gegen die Gerechtigkeit, und wenn auch ein solcher Eid nicht gehalten werden darf, so ist es doch ein sündhafter Eid. Ein solcher Eid war der des Herodes gegen Johannes.<ref> Mk. 6, 23. </ref> Ebenso sündigt derjenige gegen die Gerechtigkeit, der da schwört, dieses oder jenes Gute nicht zu tun, wie z. B. nicht in die Kirche zu gehen, nicht in einen religiösen Orden einzutreten und dergleichen. Auch ein solcher Eid ist, obgleich er nicht gehalten werden muss, ein sündhafter Eid. Man darf also nicht falsch, nicht unnütz und nicht sündhaft schwören, und deshalb heißt es beim Propheten: Du sollst schwören, «bei Gott, in Wahrheit, im Ernst und in Gerechtigkeit».<ref> Jer. 4, 2. </ref>

Endlich hat das Wort eitel bisweilen auch die Bedeutung von «Töricht». So im Buch der Weisheit: «Eitel d. h. töricht sind alle Menschen, in welchen nicht Erkenntnis Gottes sich findet»,<ref> Weish. 13, 1. </ref> Wer also vom Namen Gottes töricht redet, wie die Gotteslästerer, der spricht ebenfalls den Namen Gottes eitel aus. Solchen gilt der Ausspruch der Schrift: «Wer den Namen Gottes lästert, der soll des Todes sterben».<ref> Lev. 24, 16. </ref>

«Du sollst den Namen Gottes nicht eitel nennen.» Es ist nun zur weiteren Erörterung dieses Gebotes zu bemerken, dass man den Namen Gottes zu sechs verschiedenen Zwecken gebrauchen' kann.

1. Zur Bekräftigung einer Aussage, wie z. B. beim Eidschwur; man bekennt dadurch, dass die erste Wahrheit nur in Gott ruht, und erweist dadurch Gott Verehrung. Darum wird auch im Gesetze geboten, dass man nur bei Gott schwören solle.<ref> Dtn. 6, 13. </ref> Das Gegenteil tun diejenigen, welche bei etwas anderem, als bei Gott schwören. Dieses verbietet der Heilige Geist mit den Worten: «Du sollst nicht bei den Namen fremder Götter schwören».<ref> Ex. 23, 13. </ref> Schwört man aber, was bisweilen auch vorkommt, bei den Geschöpfen, so heißt das eben doch wieder nichts anderes, als bei Gott schwören. Denn wenn du z. B. bei deiner Seele, oder bei deinem Leben schwörst, so ist dies ebenso viel, als wenn du sagtest: Gott solle (sofern ich die Unwahrheit rede) mich an meiner Seele oder an meinem Leben strafen. In diesem Sinne schwört der Apostel, wenn er sagt: «Ich rufe als Zeugen Gott an für meine Seele».<ref> 2 Kor. 1, 23. </ref> Dasselbe geschieht, wenn du beim Evangelium schwörst. Denn auch in diesem Falle schwörst du eigentlich bei Gott, der das Evangelium gegeben hat. - Darum sündigen diejenigen, welche allzu leicht bei Gott oder beim Evangelium schwören. Ferner wird der Name Gottes angerufen:

2. Zur Heiligung. So bei der heiligen Taufe, wodurch wir eben geheiligt werden. Mit Bezug hierauf sagt der Apostel: «Ihr seid nun abgewaschen, ihr seid geheiligt, ihr seid gerechtfertigt im Namen unseres Herrn Jesus Christus».<ref> 1 Kor. 6, 11. </ref> Und diese Abwaschung in der Taufe erhält eben ihre Kraft durch die Anrufung der heiligsten Dreifaltigkeit. Hierauf weist auch der Prophet hin mit den Worten: «Du, o Herr, bist unter uns, und dein Name ist angerufen über uns».<ref> Jer. 14, 9. </ref> Wiederum wird der Name Gottes angerufen:

3. Zur Austreibung des Widersachers. Daher widersagt man vor der Taufe durch die Anrufung des Namens Gottes dem Teufel. Und der Prophet sagt: «Es möge über uns nur angerufen werden dein Name, und nimm weg die Schmach von uns».<ref> Is. 4, 1. </ref> - Man spricht somit den Namen Gottes eitel aus, wenn man nach der hl. Taufe wieder zur Sünde zurückkehrt. Dann wird der Name Gottes angerufen:

4. Zum Bekenntnis dieses Namens. Mit Bezug hierauf schreibt der Apostel: «Wie werden sie den anrufen, an den sie nicht geglaubt haben),<ref> Röm. 10. 14.</ref> und an derselben Stelle: «Jeder, der den Namen des Herrn anruft, wird selig werden». - Den Namen Gottes können wir aber bekennen erstens mit dem Munde, indem wir das Lob Gottes<ref> Cf. II. II. qu. 91 de laude Dei. </ref> verkünden, nach den Worten des Propheten: «Jeden, der anruft meinen Namen, habe ich zu meiner Verherrlichung erschaffen».<ref> Is 43, 7.</ref> Wenn du daher etwas redest, was der Ehre Gottes zuwider ist, so sprichst du den Namen Gottes eitel aus. Sodann können wir den Namen Gottes auch durch die Tat bekennen, wenn wir nämlich solche Werke ausüben, welche zur Verherrlichung Gottes gereichen. Hierzu ermahnt uns der göttliche Heiland mit den Worten: «Lasset euer Licht leuchten vor den Menschen, auf dass sie euere guten Werke sehen und eueren Vater preisen, der im Himmel ist».<ref> Mt. 5, 16. </ref> Manche tun hiervon das gerade Gegenteil, und von diesen sagt der hl. Paulus: «Durch euch wird der Name Gottes unter den Heiden gelästert».<ref> Röm. 2, 24.</ref> Es wird der Name Gottes angerufen:

5. Zum Schutze, denn «der Name des Herrn», heißt es in der Heiligen Schrift, «ist ein sehr fester Turm. Zu ihm eilet der Gerechte und wird erhöht»,<ref> Spr. 18, 10. </ref> und der Heiland selber sagt: «In meinem Namen werden sie Teufel austreiben».<ref> Mk. 16. 17. </ref> Ebenso heißt es in der Apostelgeschichte: «Es ist den Menschen unter dem Himmel kein anderer Name gegeben, in weIchem sie selig werden können, als allein der Name Jesus».<ref> Apg. 4, 12. </ref> Endlich wird der Name Gottes angerufen:

6. Zur Ausführung eines jeden Geschäftes. «Alles, was immer ihr tut», ermahnt der Apostel, «es sei im Worte oder im Werke, tut alles im Namen unseres Herrn Jesus Christus».<ref> Kol. 3, 17. </ref> Und der Psalmist sagt: «Unsere Hilfe ist im Namen des Herrn».<ref> Ps. 123, 8. </ref> - Hie und da beginnt man aber ein Werk unbedachtsam mit diesem Namen, wie z. B. bei einem Gelübde,<ref> Über das Gelübde cf. II. II. qu. 88. </ref> das man nicht hält, und dann nennt man wieder den Namen des Herrn eitel. Daher heißt es in der Heiligen Schrift: «Wenn du Gott etwas gelobt hast, so säume nicht, es einzulösen»<ref> Sir. 18, 22.</ref> und an einer anderen Stelle: «Gelobet und löset ein dem Herrn, euerem Gotte».<ref> Ps. 75, 12. </ref> Denn ein treuloses und törichtes Versprechen missfällt Gott.

Das dritte Gebot: Du sollst den Sonntag heiligen

«Gedenke, dass du den Tag des Sabbat heiligest».<ref> Ex. 20, 8. </ref> Dieses Gebot nimmt unter den zehn Geboten passend die dritte Stelle ein. Denn erstens müssen wir Gott im Herzen verehren, weshalb das erste Gebot mit den Worten: «Du sollst keine fremden Götter neben mir haben» die Anbetung nur eines Gottes befiehlt. Zweitens müssen wir Gott mit dem Munde verehren und dieses verlangt das zweite Gebot von uns mit den Worten: «Du sollst den Namen deines Gottes nicht eitel nennen». Drittens aber müssen wir Gott auch im Werke (d. i. im äußeren Kult) verehren und dies schreibt uns das dritte Gebot vor, welches lautet: «Gedenke, dass du den Sabbat heiligest». Dadurch hat Gott seinen Willen ausgesprochen, dass wir an einem bestimmten Tage uns ganz seinem Dienste widmen sollen. - Es ist aber dieses Gebot aus fünf Gründen gegeben:

1. Zur Abwehr eines Irrtums. - Denn der Heilige Geist sah voraus, dass mit der Zeit solche auftreten würden, welche lehrten, die Welt sei von Ewigkeit her. «Wisst», schreibt der hl. Petrus, «dass in den letzten Tagen Spötter kommen werden mit Spott, wandelnd nach ihren eigenen Begierden, und sagend: Wo ist die Verheißung oder seine Wiederkunft? Denn seitdem die Väter entschlafen sind, dauert alles so fort von Anbeginn. Denn ihnen, welche dies wollen, entgeht, dass Himmel und Erde schon früher waren, aus Wasser und durch Wasser entstanden mittels des Wortes Gottes.»<ref> 2 Petr. 3, 3-5. </ref> Darum hat Gott einen Tag zur Erinnerung daran festgesetzt, dass er in sechs Tagen alles erschaffen und am siebenten Tage von seinem Schöpfungswerke geruht, und mit Rücksicht hierauf hat er das Gebot gegeben: «Gedenke, dass du den Sabbat heiligst». - Zum Andenken an diese erste Schöpfung feierten die Juden den Sabbat. Aber Christus hat durch seine Ankunft eine neue Schöpfung gegründet. Durch die erste Schöpfung ist der irdische, durch die zweite ist der himmlische Mensch gebildet worden. «Denn in Christus», sagt der Apostel, «ist weder die Beschneidung etwas, noch die Unbeschnittenheit, sondern ein neues Geschöpf».<ref> Gal. 6, 15. </ref> Dieses neue Geschöpf ist der Mensch geworden durch die Gnade, welche in der Auferstehung sich wirksam zu zeigen begonnen hat.

«Gleichwie Christus durch die Herrlichkeit des Vaters von den Toten auferstanden ist, so sollen auch wir in einem neuen Leben wandeln. Denn wenn wir mit eingepflanzt sind der Ähnlichkeit mit seinem Tode, so werden wir es auch mit der Auferstehung sein.»<ref> Röm. 6, 4. u. 5. </ref> Da nun die Auferstehung am Sonntage stattgefunden, so feiern wir Christen den Sonntag, wie die Juden wegen der ersten Schöpfung den Sabbat. Es war der Sabbat auch eingesetzt:

2. Zur Hinweisung auf den Erlöser. - Da nämlich nach den Worten des Pslamisten: «Mein Fleisch wird ruhen in Hoffnung - du wirst nicht zugeben, dass dein Heiliger die Verwesung schaue»,<ref> Ps. 15, 10. </ref> der Leib Christi im Grabe unversehrt blieb: so sollte die Ruhe des Sabbats die Ruhe seines Leibes im Grabe vorbilden, gleichwie die Opfer seinen Tod vorbildeten. Wir aber bringen diese Opfer nicht mehr dar, da das Vorbild vor der Wesenheit und Wahrheit weichen musste, wie der Schatten vor der aufgehenden Sonne. Dagegen weihen wir den Sabbat der Verehrung der glorreichen Jungfrau, welche an jenem Tage, wo Christus im Grabe lag, den Glauben allein in ihrem Herzen bewahrte. Ferner ist die Sonntagsruhe angeordnet:

3. Zur Bekräftigung und Versinnbildung einer göttlichen Verheißung. - Es hat nämlich Gott verheißen, dass auch uns einst Ruhe zuteil werde. «Es wird der Tag kommen», heißt es beim Propheten, «wo dir Gott Ruhe schafft von deiner Mühsal und deiner Bedrängnis und der harten Dienstbarkeit, in welcher du vordem gedient»;<ref> Is. 14, 3. </ref> und an einer anderen Stelle heißt es: «Mein Volk wird wohnen in des Friedens Anmut, in Wohnstätten der Zuversicht und in vergnüglicher Ruhe».<ref> Is. 32, 18. </ref> Wir erwarten aber Ruhe von einem dreifachen Ungemach, nämlich von den Mühen des gegenwärtigen Lebens, von der Plage der Versuchungen und von der Knechtschaft des Teufels. Diese Ruhe hat Christus denjenigen verheißen, die zu ihm kommen, indem er spricht: «Kommet zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, und ich werde euch erquicken. Nehmt mein Joch auf euch und lernt von mir, wie ich sanft bin und demütig von Herzen, und ihr werdet Ruhe finden für euere Seelen. Denn mein Joch ist süß und meine Bürde leicht».<ref> Mt. 11, 28-30. </ref> Wir ersehen aber aus der Heiligen Schrift, dass der Herr sechs Tage gearbeitet und am siebenten Tage geruht hat. Ebenso müssen auch wir erst unser Werk vollbracht haben, ehe wir uns der Ruhe erfreuen können. Diese Zeit der Ruhe aber dauert dann länger, als die Zeit der Arbeit gedauert, nach den Worten der Schrift: «Schauet mit eueren Augen, wie ich wenig mich mühte, und für mich doch viele Ruhe fand».<ref> Sir. 51, 35. </ref> Denn die Ewigkeit übertrifft die gegenwärtige Zeit weit mehr, als tausend Jahre einen Tag. Ein besonderer Tag zur Gottesverehrung wurde dann auch angeordnet:

4. Zur Entzündung der Gottesliebe. - Denn der verwesliche Leib beschwert die Seele und der Mensch strebt daher immer mehr abwärts nach den irdischen Dingen, wenn er nicht eifrig bemüht ist, sich von ihnen loszureissen und nach oben zu erheben. Deshalb muss es gewisse Zeiten geben, die ihn hierzu ermahnen. Manche beschäftigen sich beständig mit höheren Dingen gemäß den Worten des Psalmisten: «Ich will den Herrn lobpreisen zu jeder Zeit; sein Lob soll immerdar in meinem Mund sein».<ref> Ps. 33, 2. </ref> Und nach der Mahnung des Apostels: «Betet ohne Unterlass».<ref> Thess. 5, 17. </ref> Solche haben beständig Sabbat. - Manche tun dies nur zu gewissen Zeiten, nach dem Ausspruch des Psalmisten: «Siebenmal des Tages sing' ich dein Lob, o Herr».<ref> Ps. 118, 164. </ref> - Für andere aber muss, damit sie Gott nicht ganz entfremdet und in der Liebe zu ihm nicht ganz lau werden, zu diesem Zwecke ein bestimmter Tag festgesetzt sein. Solchen gilt das Wort des Propheten: «Wenn du den Sabbat freudenreich nennst, dem Herrn geheiligt und ehrwürdig und ihn ehrst, indem du nicht tust deine Wege und nicht befunden wird deine Lust daran, Geschwätz zu führen: dann wirst du Wonne haben an dem Herrn».<ref> Is. 58, 13. u. 14. </ref> Und der Ausspruch des frommen Job: «Dann wirst du ob des Allmächtigen von Wonne überfließen und zu Gott dein Angesicht erheben».<ref> Job 22, 26. </ref> Denn nicht um sinnlichen Vergnügungen nachzugehen, sondern um Gott den Herrn zu loben und zu ihm zu beten, ist ein solcher Tag eingesetzt worden. Darum sagt der hl. Augustinus, es sei weniger sündhaft, an diesem Tage zu pflügen als zu spielen. Endlich ist das Gebot gegeben:

5. Zur Ausübung von Liebeswerken gegen die Untergebenen, - besonders auch, damit wir ihnen die nötige Ruhe und Erholung gönnen. Denn manche sind so gewinnsüchtig, dass sie, grausam gegen sich selbst und gegen die Ihrigen, unaufhörlich arbeiten und sich abmühen würden, wenn dieses Gebot der Sabbatsheiligung nicht bestände. Und weil die Juden, wegen ihrer Habsucht, sich gerade hierin am meisten verfehlten, so heißt es in der Heiligen Schrift: «Halte den Tag des Sabbat, dass du ihn heiligst, wie dir befohlen der Herr dein Gott. Sechs Tage magst du arbeiten und verrichten alle deine Geschäfte. Der siebente ist der Tag des Sabbat, das ist die Ruhe des Herrn, deines Gottes. An diesem tue durchaus keine Arbeit, du und dein Sohn und Tochter, Knecht und Magd, und Ochs und Esel und all dein Vieh, und der Fremde, der innerhalb deiner Pforten ist, so dass ruhe dein Knecht und deine Magd, wie auch du.»<ref> Dtn. 5, 12-14. </ref> - Das sind also Gründe, wegen welchen dies Gebot gegeben worden ist.

«Gedenke, dass du den Sabbat heiligest.» Wir haben bisher gezeigt, dass und warum die Juden den Sabbat, wir Christen den Sonntag und andere Feste feiern. Wir wollen nun sehen, in welcher Weise diese Feier geschehen soll; und es ist dabei zu beachten, dass der Herr nicht nur sagt: «Halte den Sabbat», sondern: «Bedenke wohl, dass du den Sabbat heiligst». Das Wort «heilig» hat aber einen zweifachen Sinn. Oft bedeutet heilig so viel, als rein. In diesem braucht der Apostel das Wort, wenn er schreibt: «Ihr seid abgewaschen, ihr seid geheiligt u. s. f.» Oft aber wird mit dem Worte heilig eine dem Dienste Gottes geweihte Sache bezeichnet, wie heilige Orte, Zeiten, Kleider, Gefässe. In diesem doppelten Sinne nun müssen wir die Sonn- und Feiertage heilig halten, d. h. wir müssen sie mit reinem Herzen feiern und uns an denselben dem Dienste Gottes widmen. Es ist demnach bei diesem Gebote zweierlei in Erwägung zu ziehen, erstens nämlich, was wir an einem Festtag meiden, und zweitens, was wir an demselben tun sollen. Meiden müssen wir an einem solchen Tage dreierlei:

1. 'Die körperliche Arbeit, indem es in der HI. Schrift heißt: «Heiligt den Tag des Sabbat, und verrichtet an demselben keinerlei Geschäft»,<ref> Jer. 17, 22.</ref> und an einer anderen Stelle; «An diesem Tage sollt ihr keinerlei knechtliche Arbeit tun».<ref> Lev. 23, 7. </ref> Eine knechtliche Arbeit aber ist eine «körperliche» Arbeit im Gegensatz zu den geistigen Arbeiten, wie denken und dergleichen., welche «freie» Arbeiten sind, da zu denselben niemand genötigt werden kann. - Indessen dürfen knechtliche Arbeiten am Sabbat in folgenden vier Fällen verrichtet werden: Erstens im Falle der Not. Deshalb entschuldigt der Herr seine Jünger, dass sie am Sabbat Ähren pflückten.<ref> Mt. 12, 1. f. </ref> Zweitens im Dienste der Kirche. So heißt es im Evangelium, dass die Priester am Sabbat alle im Tempel notwendigen Verrichtungen vornahmen.<ref> Mt. 12, 5. </ref> Drittens im Dienste der Nächstenliebe. So hat der Heiland selber am Sabbat den Mann mit der verdorrten Hand geheilt und die Juden, die ihn deswegen tadelten, durch das Gleichnis vom Schafe, das am Sabbatin eine Grube fällt, widerlegt.<ref> Mt. 12, 11. f. </ref> Viertens endlich, auf den (rechtmäßigen) Befehl der Oberen hin, wie z. B. Gott den Juden geboten hatte, auch am Sabbat die Beschneidung vorzunehmen.<ref> Joh. 7, 21. </ref>

2. Die Sünde: «Wahrt euere Seelen», spricht der Prophet Jeremias, «und traget nicht Lasten am Tage des Sabbats».<ref> Jer. 17, 21. </ref> Die drückende Last oder Bürde der Seele aber ist die Sünde. Dies drückt der Psalmist in den Worten aus: «Meine Missetaten haben mein Haupt überstiegen, und gleich einer schweren Bürde lasten sie auf mir».<ref> Ps. 37, 5. </ref> Auch ist die Sünde ein knechtliches Werk, indem Christus selber sagt: «Wer Sünde tut, ist der Sünde Knecht».<ref> Joh. 8, 34. </ref> Das Gebot: «Du sollst am Sabbat kein knechtliches Werk verrichten», kann daher auch von der Sünde verstanden werden. Wer also am Sabbat sündigt, der übertritt dieses Gebot, da Gott an diesem Tage durch die Sünde ebenso sehr, als durch die knechtliche Arbeit beleidigt wird. Darum spricht der Herr durch den Mund des Propheten: «Neumond und Sabbat und andere Feste ertrage ich nicht mehr. Frevel sind mir euere Versammlungen, euere Neumonde und euere Feste hasst meine Seele, sie sind mir zur Last geworden».<ref> Is. 1. 13. u. 14. </ref>

3. Den Müßiggang. - Denn: «Müßiggang lehrt viel Böses».<ref> Sir. 33. 29. </ref> Darum schreibt der hl. Hieronymus an Rustikus: «Tu' immer etwas Gutes, damit der Teufel dich stets beschäftigt finde.» Es ist daher besser, dass man nur die gebotenen Feste feiert, wenn man andere nur in Müßiggang hinbringen wollte. «Die Majestät des Königs», sagt der Psalmist, «liebt das Urteil»,<ref> Ps. 98. 4. </ref> d. i. eine verständige Auslegung des Gesetzes. Es erhellt das aus einer Begebenheit, die im Buch der Makkabäer erzählt wird. Eine größere Anzahl Juden hatte sich in verborgene Orte der Wüste zurückgezogen. Dort wurden sie am Sabbat von den Feinden überfallen und da sie glaubten, sie dürften an diesem Tage sich nicht verteidigen, so wurden sie alle niedergemacht.<ref> 1 Makk. 2. 31. f. </ref> Gerade so ergeht es vielen, die die Feste in Müßiggang hinbringen. Ihnen gilt das Wort des Propheten: «Die Feinde sehen sie und spotten ihrer Sabbat».<ref> Klg. 1. 7. </ref> Man muss sich deshalb in diesem Punkte jene Juden zum Vorbilde nehmen, welche, wie es im ersten Buch der Makkabäer heißt, beschlossen und sprachen: «Gegen jedermann, welcher zu uns kommt zum Kampfe am Sabbatstag, gegen den lasst uns kämpfen, damit wir nicht alle sterben».<ref> 1 Mt. 2, 41. </ref>

«Gedenke, dass du den Sabbat heiligst.» Nachdem wir gezeigt haben, dass man die Feste heiligen und was man an denselben vermeiden müsse, erübrigt uns noch, auseinanderzusetzen, was wir an denselben tun müssen, und dieses lässt sich in drei Punkte zusammenfassen.

1. Wir sollen an den Festen Gott Opfer darbringen. Schon von Moses wird den Juden befohlen, täglich morgens und abends ein Lamm zu opfern, aber am Sabbat dieses Opfer zu verdoppeln.<ref> Num. 28. </ref> Desgleichen heißt es im Buch der Chronik: «Dein ist alles, und was wir aus deiner Hand empfangen haben, geben wir dir».<ref> 1 Chr. 29, 14. </ref> - Wir müssen deshalb erstens unsere Seele Gott zum Opfer bringen, und dies können wir dadurch, dass wir eine herzliche Reue über unsere Sünden erwecken. Hierauf weist der Psalmist hin mit den Worten: «Ein Opfer für Gott ist ein zerknirschter Geist».<ref> Ps. 51, 19. </ref> Ferner können wir Gott unsere Seele opfern durch Gebet um die göttlichen Wohltaten, was der königliche Sänger ebenfalls ein Opfer nennt, wenn er sagt: «Lass mein Gebet wie Weihrauch vor dein Angesicht kommen, meiner Hände Erhebung sei ein Abendopfer».<ref> Ps. 141, 2. </ref> Denn die Festtage sollen uns geistige Freuden gewähren, diese aber bewirkt das Gebet und deshalb müssen wir an solchen Tagen unsere Gebete vervielfältigen. - Zweitens müssen wir an Festtagen Gott unseren Leib opfern und dies geschieht hauptsächlich durch das Fasten. «Darum», schreibt der Apostel, «ermahne ich euch denn, Brüder, durch die Erbarmungen Gottes, dass ihr darstellet euere Leiber als Opfer, als lebendiges, heiliges, Gott wohlgefälliges, als einen vernünftigen Gottesdienst»,<ref> Röm. 12, 1.</ref> desgleichen durch Lobpreisung Gottes, nach den Worten des Psalmisten: «Das Opfer des Lobes ehrt mich».<ref> Ps. 50, 23. </ref> Daher vervielfältigt man an Festtagen die Lobgesänge. - Drittens sollen wir an Festen Gott unsere zeitliche Habe opfern, und dies geschieht durch Almosengeben. Dazu ermuntert uns der Apostel mit den Worten: «Der Wohltätigkeit aber und Gemeinschaft vergesst nicht, denn durch solche Opfer wird Gott gewonnen».<ref> Hebr. 13, 16. </ref> Und zwar sollen wir an solchen Tagen den Armen doppelt so viel spenden, als an anderen Tagen, da die Festtage Tage gemeinsamer Freude sein sollen. Denn es heißt in der Heiligen Schrift: «Dieser Tag ist geheiligt dem Herrn, unserem Gott. Trauert nicht und weinet nicht... Gehet hin und reicht Anteil denen, welche für sich nichts bereitet haben, weil der Tag heilig ist dem Herrn».<ref> Neh. 8. 9. u. 10. </ref>

2. Wir sollen an den Festtagen mit großem Eifer das Wort Gottes anhören und betrachten, wie solches auch die Juden bis auf den heutigen Tag tun, indem sie alle Sabbat die Schriften der Propheten lesen.<ref> Apg. 13, 15. </ref> Darum sollen die Christen, deren Gerechtigkeit ja vollkommener sein soll, als die der Juden, an den Festtagen zur Predigt und zum kirchlichen Gottesdienst zusammenkommen. «Denn, wer aus Gott ist», sagt der Heiland, «der hört auch Gottes Wort».<ref> Joh. 8, 47. </ref> Desgleichen sollen sie durch nützliche Reden einander erbauen, wozu der Apostel mit den Worten ermahnt: «Kein schlimmes Wort gehe aus euerem Munde, sondern was gut ist zur Erbauung des Glaubens, damit es Gnade gebe den Hörern».<ref> Eph. 4, 29. </ref> Diese zwei Dinge, nämlich die Betrachtung des Wortes Gottes und die erbaulichen Reden, sind der Seele des Sünders heilsam, weil sie ihr die Richtung zum Bessern geben. «Denn meine Worte, spricht der Herr beim Propheten Jeremias, sind wie Feuer, und wie ein Hammer, der Felsen zerschmettert».<ref> Jer. 23, 29. </ref> - Das Wort Gottes belehrt die Unwissenden, weshalb der Psalmist sagt: «Leuchte meinen Füßen ist dein Wort, und Licht für meine Wege».<ref> Ps. 119, 105. </ref> Ebenso facht es in den Lauen den Eifer an nach den Worten der Schrift: «Das Wort des Herrn entflammt ihn».<ref> Ps. 103, 19. </ref> - Die entgegengesetzte Wirkung aber zeigt sich bei denjenigen, welche unnütze Reden führen oder anhören; «denn schlechte Reden», sagt der Apostel, «verderben gute Sitten. Seid wachsam ihr Gerechten und sündigt nicht».<ref> 1 Kor. 15. 33. 34. </ref>

3. Wir sollen an Festtagen unsere Seele in die göttlichen Dinge versenken. Es ist das besonders Sache der Vollkommenen. Dazu ermuntert uns der königliche Sänger, wenn er spricht: «Seid still und schauet, wie lieblich der Herr ist.» Es führt dies zur Ruhe der Seele. Denn wie der ermüdete Körper sich nach Ruhe sehnt, so auch die Seele. Die Ruhestätte der Seele aber ist Gott nach dem Ausspruch des königlichen Sängers: «Sei mir, o Gott, ein Beschützer und eine Zufluchtsstätte».<ref> Ps. 30, 4. </ref> Hierauf deutet auch der Apostel hin, wenn er sagt: «Es steht für das Volk Gottes noch ein Ruhetag zu erwarten».<ref> Hebr. 4, 9. </ref> Und im Buch der Weisheit heißt es: «Kehre ich heim in mein Haus, so werde ich bei ihr (der Weisheit) Ruhe finden».<ref> Weish. 8, 16.</ref> - Bevor aber die Seele zu dieser Ruhe gelangen kann, müssen drei Arten von Ruhe vorausgegangen sein. Erstens die Ruhe von der Sünde, denn «das Herz des Gottlosen ist wie ein aufgeregtes Meer, das keine Ruhe finden kann».<ref> Is. 57, 20. </ref> Zweitens die Ruhe von den fleischlichen Begierden, denn «das Fleisch gelüstet wider den Geist und den Geist gelüstet wider das Fleisch».<ref> Gal. 5, 17. </ref> Drittens die Ruhe von den zeitlichen Sorgen, worauf der Heiland hindeutet, wenn er sagt: «Martha, Martha! Du bist besorgt und in Unruhe um gar vieles».<ref> Lk. 10, 41. </ref> Sind diese drei Arten von Ruhe vorausgegangen, dann kann die Seele frei in Gott ruhen, dem Ausspruch des Propheten gemäß: «Wenn du den Sabbat freudenreich nennst, dann wirst du Wonne haben an dem Herrn».<ref> Is. 58, 13. u. 14. </ref>

Deshalb haben die Heiligen alles verlassen,<ref> Andeutung der evangelischen Räte, als Mittel zu dieser vollkommenen Ruhe des Geistes. Der «Ruhe von den fleischlichen Begierden» entspricht das «Gelübde der Keuschheit». Der «Ruhe von den zeitlichen Sorgen» das «Gelübde der Armut». Cf. S. theol. II. II. qu. 186. </ref> um diese Ruhe zu finden, denn sie ist eine kostbare Perle, welche man, wenn man sie gefunden hat, bewahrt, und in der Freude darüber hingeht und alles verkauft, was man hat, und sie kauft,<ref> Mt. 13, 46. </ref> denn diese Ruhe ist der Anfang des ewigen Lebens und der ewigen Seligkeit, weshalb der Psalmist von ihr sagt: «Das ist meine Ruhe ewiglich, hier will ich wohnen, dann ich habe sie erkoren».<ref> Ps. 132, 14. </ref>

Das vierte Gebot: Du sollst Vater und Mutter ehren

Ehre deinen Vater und deine Mutter, damit du lange lebest und es dir wohl ergehe auf Erden».<ref> Ex. 20 12.</ref> Die Vollkommenheit des Menschen besteht in der Liebe Gottes und des Nächsten. Auf die Liebe Gottes beziehen sich die drei Gebote, welche auf der ersten Tafel geschrieben waren. Auf die Liebe des Nächsten beziehen sich die sieben Gebote, welche auf der zweiten Tafel geschrieben waren. Wir sollen aber, wie der Apostel Johannes sagt, «nicht bloß mit Worten oder mit der Zunge lieben, sondern in Werk und Wahrheit».<ref> Joh. 3, 18.</ref> Wollen wir aber auf diese Weise unsere Liebe bekunden, so müssen wir ein Doppeltes beobachten, nämlich das Böse meiden und das Gute tun. Daher treiben uns einige Gebote zum Guten an, andere dagegen halten uns vom Bösen ab.

Es steht nun allerdings in unserer Macht, uns zu hüten, dass wir jemandem etwas Böses zufügen. Aber es steht nicht gleicherweise in unserer Macht, auch einem jeden Gutes zu erweisen. Darum lehrt der hl. Augustinus, dass wir alle Menschen lieben müssen, dass wir aber nicht allen wohltun können. Unter allen aber müssen wir zuerst denjenigen wohltun, die uns enger verbunden sind. Denn wenn einer, sagt der Apostel, für die Seinigen und besonders für seine Hausgenossen keine Sorge trägt, so hat er den Glauben verleugnet.<ref> 1 Tim. 5, 8. </ref>

Unter allen Verwandten nun stehen uns Vater und Mutter am nächsten, weshalb der hl. Ambrosius sagt: Zuerst müssen wir Gott lieben, nächst Gott aber Vater und Mutter. Und das eben ist es, was uns das vierte Gebot einschärft. Diese unsere Pflicht begründet der Philosoph (Aristoteles) durch den Hinweis darauf, dass wir die großen von den Eltern empfangenen Wohltaten nicht mit gleichen zu erwidern im Stande sind und dass daher der Vater wohl den Sohn, der ihn beleidigt hat, verstossen darf, aber nicht umgekehrt der Sohn den Vater. Es sind aber vorzüglich drei Wohltaten, welche das Kind den Eltern verdankt.

1. Den Grund seines Daseins. Darum heißt es in der Heiligen Schrift: «Ehre deinen Vater und vergiss nicht die Schmerzen deiner Mutter. Bedenke, dass du ohne sie nicht geboren wärst.».<ref> Sir. 7, 29. </ref>

2. Die Nahrung oder den notwendigen Lebensunterhalt. Denn nackt tritt das Kind in diese Welt ein, wie es bei Job heißt,<ref> Job 1, 21. </ref> und von den Eltern wird es unterhalten.

3. Die Erziehung. «Unsere leiblichen Väter», sagt der Apostel, «hatten wir zu Zuchtmeistern».<ref> Hebr. 12, 9. </ref> Und «hast du Kinder», mahnt der weise Sirach, «so unterweise sie».<ref> Sir. 7, 25. </ref> - Diese Erziehung soll schon frühzeitig beginnen. Denn «der Jüngling bleibt bei seinem Wege, auch wenn er alt geworden, weicht er von demselben nicht ab».<ref> Spr. 22, 6. </ref> Und: «Es ist gut dem Mann, wenn er sein Joch getragen von seiner Jugend an».<ref> Klg. 3, 27. </ref> Und sie soll zu zwei Dingen anleiten: zur Furcht Gottes und zur Flucht der Sünde nach dem Beispiele des Tobias, der seinen Sohn schon von Kindheit an den Herrn zu fürchten und sich vor jeder Sünde sorgfältig zu hüten lehrte.<ref> Tob. 4, 6. </ref> - Schuldbar stehen deshalb jene Eltern da, welche sich der Untaten ihrer Kinder sogar noch freuen. «Denn aus gesetzwidrigem Umgange geborene Kinder», heißt es im Buch der Weisheit, «sind Zeugen der Schlechtigkeit wider ihre Eltern»,<ref> Weish. 4, 6.</ref> und im zweiten Buch Moses wird gesagt, dass Gott die Sünde der Eltern an ihren Kindern straft.<ref> Ex. 20, 5. </ref>

Die Kinder verdanken somit den Eltern das Dasein, die Nahrung und die Erziehung. Weil sie nun:

1. Von ihnen das Dasein empfangen haben, müssen sie dieselben mehr ehren, als jeden anderen Herrn, von dem sie immerhin nur zeitliche Güter empfangen. Nicht mehr aber als Gott, welchem sie ihre Seele verdanken. «Wer den Herrn fürchtet, ehrt die Eltern, und gleichwie Gebietern dient er denen, die ihn gezeugt. In Wort und Tat und aller Geduld ehre deinen Vater, damit dir Segen von ihm zukomme und der Segen desselben bis ans Ende währe».<ref> Sir. 3, 8-10. </ref> - Indem aber die Kinder ihre Eltern ehren, ehren sie auch sich selbst, denn der weise Sirach sagt: «Freue dich nicht über die Schmach deines Vaters, denn seine Schande gereicht dir nicht zur Ehre, da das Ansehen eines Menschen in der Ehre seines Vaters besteht, und ein ehrloser Vater die Schande des Sohnes ist».<ref> Sir. 3, 12. u. 13. </ref> Weil dann:

2. Die Eltern uns in unserer Kindheit Nahrung gereicht, so sollen wir ihnen Nahrung reichen in ihrem Alter. Darum sagt die Heilige Schrift: «Mein Kind, nimm dich an des Alters deines Vaters und betrübe ihn nicht in seinem Leben, und wenn seine Sinne abnehmen, so halte es ihm zu Gute, und verachte ihn nicht in deiner Kraft. Denn das Almosen an dem Vater gerät nicht in Vergessenheit, und deinen Sünden gegenüber wird es in Rechnung gebracht, und in Gerechtigkeit wird dein Haus erbaut, und deiner am Tage der Drangsal gedacht werden, und wie in Wärme das Eis, so werden gelöst werden deine Sünden. Gleichwie der sich einen schlimmen Ruf macht, welcher seinen Vater verlässt, so auch ist verflucht von Gott, wer seine Mutter betrübt.»<ref> Sir. 3, 14-18. </ref> - Zur Beschämung jener Kinder, die sich gegen diese Pflicht versündigen, weist Kassiodorus auf das Beispiel der Störche hin, welche, wenn ihre Eltern vor Alter die Schwungkraft ihrer Flügel verloren haben und sich ihre Nahrung nicht mehr suchen können, mit ihren Federn sie erwärmen und ihre erschlafften Leiber mit Speise erquicken und so in frommer Erwiderung ihren Eltern zurückgeben, was sie in ihrer Jugend von ihnen empfangen haben. Weil dann:

3. Unsere Eltern uns lehren und erziehen, so sind wir ihnen Gehorsam schuldig, der Mahnung des Apostels gemäß: «Ihr Kinder gehorcht euren Eltern».<ref> Kol. 3, 20. </ref> Es müsste denn sein, dass sie uns etwas befehlen würden, was dem Gesetze Gottes zuwider ist, denn in diesem Falle wäre es, wie Hieronymus in seinem Briefe an Heliodorus schreibt, nur Kindesliebe, gegen die Eltern grausam d. i. ungehorsam zu sein. Sagt ja der Heiland selber: «Wenn jemand seinen Vater und seine Mutter nicht hasst, so kann er mein Jünger nicht sein».<ref> Lk. 14, 26. </ref> Denn Gott ist in des Wortes vollster Bedeutung noch mehr unser Vater, als unser irdischer Vater. Oder: «Ist der wohl nicht dein Vater, der dich als Erbe nahm, der dich gebildet und geschaffen ?».<ref> Dtn. 32, 6. </ref>

«Ehre deinen Vater und deine Mutter, damit du lange lebest und es dir wohl ergehe auf Erden.» Unter allen Geboten ist das vierte Gebot das einzige, welches die Verheißung eines langen Lebens mit sich führt. Diese Verheißung ist ihm aber deshalb beigefügt worden, damit es nicht scheine, als ob den Kindern, die ihre Eltern ehren, keine Belohnung gebühre, weil dieses schon die Natur fordere. - Es sind aber hauptsächlich fünf überaus wünschenswerte Güter, die den Kindern, welche ihre Eltern ehren, verheißen werden.

1. Für das gegenwärtige Leben die Gnade und für das zukünftige die Glorie. «Ehre deinen Vater, damit der Segen Gottes über dich komme».<ref> Sir. 3, 10. </ref> Dagegen werden diejenigen, die dieses Gebot nicht halten, von Gott verflucht. «Verflucht, wer seinen Vater und seine Mutter nicht ehrt», heißt es in der Heiligen Schrift.<ref> Dtn. 27, 16. </ref> Und der Heiland sagt: «Wer im Kleinen ungerecht ist, ist es auch im Größeren».<ref> Lk. 16, 10. </ref> Das leibliche Leben ist aber sozusagen nichts im Vergleich zum Leben der Gnade. Wer daher für die Wohltat des natürlichen Lebens, das er von seinen Eltern empfangen hat, nicht dankbar ist, der ist unwürdig der größeren Wohltat, des Lebens der Gnade und folglich auch der größten Wohltat, des Lebens der Glorie.

2. Ein langes Leben. «Wer seinen Vater ehrt», sagt der weise Sirach, «wird ein recht langes Leben geniessen».<ref> Sir. 3, 7. </ref> Lang ist das Leben, das nicht sowohl nach dem Maß der Zeit als vielmehr nach den Taten bemessen wird, dann aber ist das Leben ein reiches, wenn es ein tugendhaftes ist. Darum lebt der Tugendhafte und Heilige lange, auch wenn er frühzeitig stirbt. «Früh vollendet, hat er viele Jahre erfüllt, denn seine Seele war gottgefällig».<ref> Weish. 4, 13. 14. </ref> Und jener Handelsmann handelt am Besten, der an einem Tage so viel ausrichtet, als ein anderer in einem Jahre. - Dagegen ist ein langes leibliches Leben bisweilen die Ursache des geistigen Todes, wie dieses bei Judas der Fall war. Wie sich aber Kinder, die ihre Eltern ehren, langes Leben verdienen, so verdienen sich Kinder, die ihren Eltern Unrecht zufügen, den Tod. Denn von den Eltern haben wir das Leben empfangen, wie die Soldaten vom Könige ein Lehen. Wie nun diese, wenn sie gegen ihren König treulos sind, mit Recht des Lehens verlustig gehen, so werden auch wir, wenn wir die Eltern beleidigen, mit Recht des Lebens verlustig. Denn es heißt in der Heiligen Schrift: «Ein Auge, das seinen Vater verspottet, und verachtet, von seiner Mutter geboren zu sein, das sollen die Raben aushacken und die jungen Adler fressen».<ref> Spr. 30, 17. </ref> Unter den jungen Adlern sind hier die Könige und Fürsten, unter den Raben die Diener der Obrigkeit zu verstehen. Und wenn auch die schlechten Kinder nicht immer mit dem leiblichen Tode bestraft werden, so können sie doch dem geistigen Tode nicht entfliehen. - Darum soll auch der Vater seinen Kindern nicht eine zu große Gewalt einräumen, eingedenk der Mahnung des weisen Sirach: «Dem Sohne und der Frau, dem Bruder und dem Freunde gib keine Gewalt über dich während deines Lebens, und einem anderen überlasse nicht dein Besitztum, dass es dich nicht etwa reue und du darum bitten musst. So lange du lebest und atmest, mache dich nicht irre irgend ein Mensch.»<ref> Sir. 33, 20.21. </ref>

3. Beschenkung mit Kindern, die auch wieder dankbar und freudebringend sind. - Denn der Vater vererbt auf den Sohn, und «wer seinen Vater ehrt, wird Freude an seinen Kindern haben»<ref> Sir. 3, 3. </ref> und: «Mit demselben Maß, womit ihr ausmesst, wird euch eingemessen werden»,<ref> Mt. 7, 2. </ref>

4. ein guter Ruf, denn «eines Menschen Ehre besteht in der Ehre seines Vaters; welch einen bösen Namen aber macht sich der, welcher seinen Vater verlässt!»<ref> Sir. 3, 13.18. </ref> Endlich:

5. zeitlicher Wohlstand, denn: «Der Segen des Vaters befestigt die Häuser der Kinder; aber der Fluch der Mutter zerstört sie von Grund aus».<ref> Sir. 3, 11. </ref>

«Ehre deinen Vater und deine Mutter, auf dass du lange lebest und es dir wohl ergehe auf Erden.» Es ist aber wohl zu bemerken, dass es außer den leiblichen Vätern auch noch andere Väter gibt, denen ebenfalls Ehrfurcht gebührt. So werden:

1. Die Apostel und andere Heilige mit Rücksicht auf ihre Lehre und ihr gutes Beispiel Väter genannt. «Denn wenn ihr auch», schreibt der hl. Paulus an die Korinther, «zehntausend Erzieher hättet in Christus, so habt ihr doch nicht viele Väter. Denn in Christus Jesus habe ich euch durch das Evangelium gezeugt.»<ref> 1 Kor. 4, 15. </ref> Und der weise Sirach sagt: «Lasst uns loben die ruhmwürdigen Männer und unsere Väter in ihren Geschlechtern»,<ref> Sir. 44, 1. </ref> lasst sie uns aber loben nicht mit dem Mund, sondern durch Nachahmung ihres Beispiels. Und dies tun wir dann, wenn an uns nicht das Gegenteil von dem gefunden wird, was wir an ihnen loben. Darum heißt es auch in der Heiligen Schrift: «Gedenkt eurer Vorsteher, welche euch das Wort Gottes verkündigt haben. Schaut hin auf den Ausgang ihres Wandels und ahmet ihren Glauben nach».<ref> Hebr. 13, 7. </ref>

2. Auch die geistlichen Vorsteher werden Väter genannt und sind zu ehren, weil sie Diener Christi sind. Denn «Wer euch hört», sagt der Heiland, «der hört mich, und wer euch verachtet, der verachtet mich».<ref> Lk. 10, 16. </ref> Wir sollen sie daher ehren durch Gehorsam, nach der Mahnung des Apostels: «Gehorchet euren Vorstehern und seid ihnen untertänig»,<ref> Hebr. 13. 17.</ref> und durch Entrichtung der Zehnten, den Worten der Schrift gemäß: «Ehre den Herrn mit deiner Habe und gib ihm von den Erstlingen aller deiner Früchte».<ref> Spr. 3, 9. </ref>

3. Auch die Könige und Fürsten sind Väter. So wird z. B. Naaman, der Feldherr des Königs von Syrien, in der Heiligen Schrift Vater genannt. «Vater», sagten seine Diener zu ihm, «wenn dir der Prophet etwas Großes befohlen hätte, du hättest es tun müssen, wie viel mehr, da er dir nur gesagt hat: wasche dich, so wirst du rein werden».<ref> 2 Kön. 5, 13. </ref> - Könige und Fürsten werden aber deshalb Väter genannt, weil sie für das Wohl des Volkes sorgen müssen. Sie ehren wir durch Unterwürfigkeit. Hierzu ermahnt uns der hl. Paulus mit den Worten: «Jegliche Seele sei den vorstehenden Gewalten untergeben»,<ref> Röm. 13, 1. </ref> und zwar nicht bloß aus Gründen der Vernunft, sondern auch um des Gewissens willen. Denn nach der Lehre des Apostels ist jede Gewalt von Gott, und müssen wir daher auch einer jeden geben, was wir ihr schuldig sind, Steuer, wem Steuer, Zoll, wem Zoll, Furcht, wem Furcht, Ehre wem Ehre gebührt.<ref> Röm. 13, 7. </ref> Und in den Sprichwörtern Salomons heißt es: «Fürchte den Herrn, mein Sohn, und den König».<ref> Spr. 24, 21. </ref><ref> Über die Pietät gegen die Autorität, cf. S. th. II. II. qu. 104. </ref>

4. Als Väter werden ferner bezeichnet unsere Wohltäter. «Sei gegen Waisen», sagt der fromme Sirach, «barmherzig wie ein Vater»,<ref> Sir. 4, 10. </ref> denn gerade das ist dem Vater eigen, den Kindern wohl zu tun, und darum sind wir verpflichtet, unsern Wohltätern auch wieder mit Wohltaten zu vergelten. «Die Wohltat des Bürgen vergiss nie»,<ref> Sir 19. 20. </ref> denn solches tun die Undankbaren. «Die Hoffnung des Undankbaren aber wird verschwinden wie das Eis des Winters».<ref> Weish. 5, 15. </ref>

5. Endlich werden auch die im Alter Vorgerückten Väter genannt. «Frage deinen Vater», heißt es in der Heiligen Schrift, «und er wird dir es verkünden, deine Ahnen und sie werden dir es sagen».<ref> Dtn. 32, 7. </ref> Und an einer anderen Stelle: «Vor einem grauen Haupte sollst du aufstehen und die Person des Greises ehren».<ref> Lev. 19, 32. </ref> Ebenso sagt der weise Sirach: «In Mitten Angesehener sei nicht vorlaut, und wo Greise sind, da sprich nicht viel. Horche schweigend, und für deine Zurückhaltung wird dir Gunst und Huld zuteil.»<ref> Sir. 32, 9. u. 13. </ref>

Diese alle sind zu ehren, denn sie alle tragen gewissermaßen das Gleichnis des Vaters, der im Himmel ist, an sich, und es gilt somit auch von ihnen das Wort des Heilandes: «Wer euch verachtet, der verachtet mich, und wer mich verachtet, verachtet denjenigen, der mich gesandt hat».<ref> Lk. 10, 16. </ref>

Das fünfte Gebot: Du sollst nicht töten

«Du sollst nicht töten».<ref> Ex. 20, 13. </ref> Im göttlichen Gesetze, durch das wir zur Liebe Gottes und des Nächsten angehalten werden, wird uns geboten, nicht nur das Gute zu tun, sondern auch das Böse zu meiden. Eines der größten Übel aber, das man dem Nächsten zufügen kann, ist, dass man ihn tötet. Dieses nun verbietet das fünfte Gebot mit den Worten: Du sollst nicht töten». Was den Sinn dieser Worte betrifft, so haben sich im Laufe der Zeit drei irrige Ansichten geltend gemacht:

1. Einige nämlich behaupteten, auch das Töten unvernünftiger Tiere sei durch dieses Gebot untersagt. Das Irrige dieser Behauptung liegt auf der Hand. Denn es ist offenbar keine Sünde, die Tiere, die der Gewalt des Menschen unterworfen sind, zu seinem Vorteil zu gebrauchen. Auch liegt es in der natürlichen Ordnung der Dinge, dass die Pflanzen den Tieren zur Nahrung dienen und einige Tiere wieder anderen Tieren, und dass hinwiederum alle, die Pflanzen sowohl wie die Tiere, dem Menschen zur Nahrung dienen.<ref> Cf. S. th. I. qu. 96. art. 1.</ref> Darum sprach der Herr zu Noe und den Seinen: «Alles, was sich regt und lebt, sei euch zur Speise, gleichwie das grüne Kraut geb' ich euch das alles».<ref> Gen. 9, 3. </ref> Hiermit stimmt überein, was der weise Aristoteles sagt, nämlich, dass die Jagd gleichsam ein gerechter Krieg sei. Dasselbe lehrt auch der hl. Paulus, indem er an die Korinther schreibt: «Alles, was auf dem Fleischmarkte verkauft wird, dürft ihr essen».<ref> 1 Kor. 10, 25. </ref> Und so heißt also das Gesetz: «Du sollst keinen Menschen töten.»

2. Andere stellten nun aber die Behauptung auf, es sei durch dieses Gebot die Tötung des Menschen unbedingt verboten.<ref> Cf. S. theo!. II. II. qu. 64 art. 2. </ref> Daher seien die weltlichen Richter, welche nach Vorschrift der Gesetze andere zum Tode verurteilen, als Menschenmörder zu betrachten. Diesen entgegnet schon der hl. Augustinus, dass Gott durch das Gebot: Du sollst nicht töten, sich selbst die Gewalt zu töten nicht genommen habe, denn er sagt ja von sich: «Ich bin's, der tötet und lebendig macht».<ref> Dtn. 32, 39. </ref> Es ist mithin denjenigen, die von Gott hierzu beauftragt sind, erlaubt, jemanden zu töten, denn was uns Gott zu tun beauftragt, das tut er gewissermaßen selbst. Jedes Gesetz ist aber im Auftrage Gottes gegeben. Darum heißt es in der Heiligen Schrift: «Durch mich regieren die Könige und verordnen die Gesetzgeber, was recht ist»,<ref> Spr. 8, 15. </ref> und der Apostel schreibt: «Willst du die Obrigkeit nicht fürchten, so tue Gutes, und du wirst ihren Beifall erhalten, denn Gottes Dienerin ist sie, dir zum Besten. Wenn du aber Böses tust, so fürchte sie, denn sie trägt nicht umsonst das Schwert; denn sie ist Gottes Dienerin, eine Rächerin zur Bestrafung dessen, der Böses tut.»<ref> Röm. 13. 3. 4. </ref> Auch befiehlt Gott dem Moss: «die Zauberer sollst du nicht leben lassen».<ref> Ex. 22. 18. </ref> Was nun Gott zu tun erlaubt ist, das ist im Auftrage Gottes auch seinen Dienern zu tun erlaubt. Gott kann aber offenbar nicht sündigen, wenn er, der Urheber der Gesetze, die Sünde mit dem Tod bestraft, da der Sünde Sold der Tod ist, wie der Apostel sagt,<ref> Röm. 6, 23. </ref> folglich sündigt auch der Diener Gottes nicht, wenn er im Auftrage Gottes über einen Verbrecher die Todesstrafe verhängt. Es ist deshalb der Sinn der Worte: Du sollst nicht töten, dem Gesagten zufolge nur der: «Du sollst nicht eigenmächtig, auf eigene Autorität hin, töten.»

3. Wieder andere endlich behaupteten, durch die Worte: «Du sollst nicht töten», sei nur verboten, andere zu töten, nicht aber, sich selbst zu töten,<ref> Cf. S. theo!. II. II. qu. 64. art. 5. </ref> wie solches von Samson, von Cato und einigen Jungfrauen bekannt ist, die, wie Augustinus in seinem Buch von der Stadt Gottes berichtet, sich selbst in die Flammen gestürzt haben. Hierauf erwidert aber dieser heilige Kirchenlehrer: «Wer sich selbst tötet, der tötet jedenfalls einen Menschen.»

Wenn es daher, außer im Auftrage Gottes, nicht erlaubt ist, einen Menschen zu töten, so ist es auch nicht erlaubt, sich selbst zu töten, außer es geschehe im Auftrage Gottes oder auf Antrieb des Heiligen Geistes, wie dies bei Samson der Fall war. Und so gilt auch hier wieder: «Du sollst nicht töten».

Man kann aber einen Menschen auf vierfache Weise töten, nämlich:

1. Mit der Hand, weshalb es bei Isaias heißt: «Euere Hände sind voll von Blut».<ref> Is. 1, 15.</ref> Solches ist nicht nur wider die christliche Liebe, die uns befiehlt, den Nächsten wie uns selbst zu lieben - daher auch der hl. Johannes sagt, «dass kein Menschenmörder das ewige Leben bleibend in sich habe» - sondern auch gegen die Natur, weil, wie die Heilige Schrift sagt, sogar jedes Tier seinesgleichen liebt,<ref> Sir. 13, 9. </ref> Daher heißt es auch im zweiten Buch Moses: «Wer einen Menschen schlägt, um ihn zu töten, der soll des Todes sterben».<ref> Ex. 21. </ref> Ja ein Menschenmörder ist noch grausamer als ein Wolf, denn selbst ein Wolf frisst nicht das Fleisch eines anderen Wolfes.

2. Mit dem Mund. Und dies geschieht dadurch, dass man jemand gegen seinen Nächsten aufreizt, indem man denselben anklagt und verleumdet. Mit Bezug hierauf sagt der Psalmist: «Der Menschenkinder Zähne sind Waffen und Pfeile, und ihre Zunge ein scharfes Schwert».<ref> Ps. 56, 5. </ref>

3. Durch Unterstützung des Mörders. Darum sagt die Heilige Schrift: «Mein Sohn, wenn dich die Sünder locken, so folge ihnen nicht. Denn ihre Füße laufen zum Bösen, und sie eilen, Blut zu vergießen.»<ref> Spr. 1, 11. </ref>

4. Durch Einwilligung- Denn nicht nur diejenigen,die Böses tun, sagt der Apostel, sondern auch diejenigen, welche dazu ihre Beistimmung geben, sind des Todes würdig.<ref> Röm. 1, 32. </ref> Man gibt aber gewissermaßen seine Zustimmung zu einem Mord, wenn man ihn nicht verhindert. Deshalb ermahnt die Heiliige Schrift: «Errette die, die man zum Tode führt, und unterlass nicht, die zu erlösen, die man zum Untergang schleppt».<ref> Spr. 24, 11.</ref>

5. Endlich kann man einen Menschen auch töten durch Nachlässigkeit oder Geiz, wenn man ihn nämlich nicht unterstützt, obwohl man dies könnte, sondern ihn zu Grunde gehen lässt. Daher sagt der hl. Ambrosius: «Speise den, der vor Hunger dahinstirbt; speisest du ihn nicht, so bist du sein Mörder.»

Man kann aber einen Menschen entweder bloß lm Leibe nach töten - und hiervon war im Bisherigen die Rede - oder man kann ihn der Seele nach töten, indem man ihn zu einer Todsünde verführt und ihm dadurch das Leben der Gnade raubt - darum nennt die Heilige Schrift den Teufel einen Menschenörder von Anfang an, weil er den Menschen zur Sünde verführt hat - oder endlich, man kann ihn an Leib und Seele zugleich töten. Dieses Letztere kann wieder auf zweifache Weise geschehen, nämlich erstens durch den Mord von Schwangeren, indem dadurch die ungeborenen Kinder ihrem Leib und ihrer Seele nach getötet werden, zweitens durch den Selbstmord.

«Du sollst nicht töten.» Christus lehrt uns im Evangelium,<ref> Mt. 5. </ref> dass unsere Gerechtigkeit größer sein müsse als die Schriftgelehrten und Pharisäer. Hiedurch lehrt er uns zugleich, dass wir Christen auch die Vorschriften des Gesetzes vollkommener als die Juden erfüllen müssen. Es ist diese Forderung durchaus begründet, da man sich einen größeren Lohn auch nur durch größere Anstrengung erwerben kann, den Worten des Apostels gemäß: «Wer spärlich sät, wird auch spärlich ernten».<ref> 2 Kor. 9. </ref> Im Alten Bunde nun wurden nur zeitliche und irdische Güter verheißen. So spricht Gott durch den Mund des Propheten Isaias: «Wenn ihr willig seid, und mir gehorcht, sollt ihr die Güter des Landes geniessen».<ref> Is. 1, 19. </ref> Im Neuen Bunde dagegen werden himmlische und ewige Güter verheißen. Da wir also einen größeren Lohn erwarten, so müssen wir auch eine größere Gerechtigkeit üben. Die Gerechtigkeit aber besteht in der Beobachtung der Gebote. Unter den Geboten aber, die wir auf eine vollkommenere Weise beobachten müssen, erwähnt der Heiland ausdrücklich das Gebot: «Du sollst nicht töten.» «Ihr habt gehört», sagt er, «was zu den Alten gesagt worden: du sollst nicht töten. Ich aber sage euch, wer nur seinem Bruder zürnt, macht sich schon des Gerichtes schuldig»,<ref> Mt. 5. </ref> d. h. er macht sich der Strafe schuldig, die das Gesetz für denjenigen bestimmt, der einen andern tötet, im Gesetze aber heißt es: «Wer seinen Nächsten mit Vorsatz tötet und mit List, den sollst du von meinem Altare vertreiben, dass er sterbe».<ref> Ex. 21. 12. </ref>

Vor dem Zorn aber müssen wir uns auf eine fünffache Weise hüten.

1. Wir müssen uns hüten, dass wir uns nicht zu schnell zum Zorn fortreissen lassen. «Jeder sei schnell zum Hören, aber langsam zum Reden und langsam zum Zorn».<ref> Jak. 1. </ref> Der Grund hiervon liegt darin, weil der Zorn eine Sünde ist und von Gott bestraft wird.

Aber, müssen wir nun fragen, ist denn jeder Zorn sündhaft. Darüber gibt es zwei verschiedene Ansichten. Die Stoiker behaupteten, dass dem Weisen jede Gemütsbewegung fremd sein soll und dass die wahre Tugend in der Ruhe der Seele bestehe. Die Peripatetiker dagegen lehrten, dass auch einem Weisen der Zorn sich zieme, wenn derselbe nur ein gemäßigter sei. Diese letztere Ansicht ist offenbar die richtigere. Denn für dieselbe spricht einerseits die Autorität Gottes, indem ja das Evangelium selbst Christus, in welchem doch der Urquell aller Weisheit war, solche Gemütsbewegungen beilegt. Andererseits spricht für dieselbe auch unsere Vernunft. Denn wenn alle Gemütsaufregungen mit der Tugend unvereinbar wären, so gäbe es einige Kräfte der Seele, welche dem Menschen nicht bloß unnütz, sondern sogar schädlich wären, weil sie keine (der Tugend) entsprechenden Tätigkeiten hätten und dahin gehörte z. B. das Vermögen des Zürnens, des Begehrens und dergleichen.

Daher ist der Zorn bisweilen eine Tugend, bisweilen aber auch nicht. Mann kann nämlich das Wort Zorn in einem dreifachen Sinn' nehmen.

Erstens inwiefern er ohne alle Gemütsaufregung in einem blossen Urteil der Vernunft besteht. Dies ist aber nicht eigentlich Zorn, sondern ein Urteil der Vernunft. In diesem Sinne wird auch dem Herrn, inwiefern er die Bösen bestraft, in der Heiligen Schrift Zorn beigelegt. «Ich will den Zorn des Herrn tragen, heißt es bei Michäas, denn ich habe mich wider ihn versündigt».<ref> Mich. 7, 9. </ref>

Zweitens wird der Ausdruck Zorn im Sinne von Gemütsaufregung gebraucht, die in der Empfindung wurzelt. Und diese kann wieder zweifacher Art sein: entweder wird sie von der Vernunft geregelt und hält sich in den Schranken der Vernunft, indem man nur zürnt, wann, so sehr und worüber man zürnen muss. In diesem Fall ist der Zorn ein Akt der Tugend und wird dann auch «Eifer» genannt. Mit Bezug hierauf sagt auch Aristofeles, die Sanftmut bestehe keineswegs darin, dass man nie und auf keinerlei Weise zürne. Ein solcher Zorn ist also nicht sündhaft.

Es gibt aber noch eine dritte Art des Zornes und dies ist jene Gemütsaufregung, welche die Schranken der Vernunft überschreitet. Diese Art des Zornes ist immer Sünde, und zwar ist sie bald eine lässliche, bald eine Todsünde, je nach der Verschiedenheit des Gegenstandes, der uns zur Sünde reizt. Eine Todsünde kann etwas sein entweder der Gattung nach, oder wegen der damit verbundenen Umstände. Der Menschenmord nun ist, weil er dem göttlichen Gebote direkt widerspricht, seiner Gattung nach eine Todsünde, und darum ist auch die Einwilligung in denselben ihrer Gattung nach eine Todsünde. Denn wenn die Handlung selbst todsündlich ist, so ist es auch die Einwilligung in dieselbe. Doch kann es bisweilen geschehen, dass zwar die Handlung ihrer Art nach eine Todsünde ist, dass dagegen die Begierde danach keine Todsünde ist. Dies ist dann der Fall, wenn wir in dieselbe nicht einwilligen; so ist z. B. die Begierde der Unzucht, sofern wir nicht einwilligen, keine Todsünde. Gerade so verhält es sich nun auch mit dem Zorn, der nichts anderes ist, als die Begierde, ein erlittenes Unrecht zu rächen. Wird nun diese Begierde zur Leidenschaft, so dass die Vernunft von ihr beherrscht wird, so ist sie eine Todsünde. Wird dagegen die Vernunft nicht bis zur Einwilligung hingerissen, so ist sie nur eine lässliche Sünde. Ist aber die Handlung, auf welche die Begierde sich bezieht, ihrer Art nach keine Todsünde, so ist es auch die Begierde nicht und zwar auch selbst dann nicht, wenn man in dieselbe einwilligt. Wenn daher der Heiland sagt: «Wer seinem Bruder zürnt, der ist des Gerichtes schuldig», so ist dies von jenem Zorn zu verstehen, der anderen Schaden zufügen will. Ein solcher Zorn ist, wenn die Einwilligung hinzukommt, allerdings eine schwere Sünde, und es gilt von ihm das Wort der Heiligen Schrift: «Und alles, was geschieht, es sei gut oder böse, wird Gott zu Gerichte bringen ob jeder Übertretung».<ref> Sir. 12, 14. </ref>

2. Wir sollen ferner uns nicht zu schnell zum Zorn hinreissen lassen, weil jeder Mensch die Freiheit liebt und die Knechtschaft hasst. Der Zorn aber raubt dem Menschen die Freiheit, denn der Zornige ist nicht mehr Herr seiner selbst. «Wer vermag», sagt die Heilige Schrift, «die Heftigkeit eines Gereizten zu ertragen?» «Schwer ist der Stein, und eine Last der Sand, aber des Toren Zorn ist schwerer als beide».<ref> Spr. 27, 3. </ref>

Auch müssen wir uns hüten, dass wir im Zorne nicht lange verweilen. «Zürnet und sündigt nicht»,<ref> Ps. 4, 5. </ref> und der Apostel ermahnt: «Die Sonne soll nicht untergehen über eurem Zorn».<ref> Eph. 4, 26. </ref> Den Grund hiervon gibt der Herr selber im Evangelium an, wo er spricht: «Versöhne dich alsbald mit deinem Gegner, so lange du noch auf dem Wege bist mit ihm, damit er dich nicht etwa dem Richter überantworte, und der Richter dich dem Schergen übergebe, und du ins Gefängnis geworfen werdest. Wahrlich, ich sage dir: nicht wirst du von dort herauskommen, bis du den letzten Heller bezahlt hast.»<ref> Mt. 5, 25. 26. </ref>

3. Wir müssen uns auch hüten, dass der Zorn nicht weiter fortschreite, und zwar vorerst, dass er nicht in Gedanken noch mehr zunehme und zum Hass sich ausbilde. Zwischen Zorn und Hass ist nämlich der Unterschied, dass der Zorn schnell vorübergeht, der Hass dagegen länger andauert. Deshalb ist der Hass eine Todsünde; denn: «Wer seinen Bruder hasst, ist ein Menschmörder»,<ref> 1 Joh. 3. </ref> sagt der Apostel. Der Grund hiervon liegt darin, weil ein solcher sich selbst tötet, indem er sich der Liebe beraubt, und weil er sich gar leicht dazu fortreissen lässt, auch den gehassten Mitmenschen zu töten. Deswegen schreibt der hl. Augustinus: «Hegt keinen Streit untereinander oder legt ihn so bald als möglich bei, damit der Zorn sich nicht zum Hasse ausbilde und den Splitter zu einem Balken und die Seele zu einer Menschenmörderin mache.» Und im Buch der Sprichwörter heißt es: «Ein zorniger Mensch richtet Hader an»,<ref> Spr. 15, 18. </ref> und im Buch Genesis: «Verflucht sei ihre Wut, weil sie so unstillbar, und ihr Zorn, weil er so hart».<ref> Gen. 49, 7. </ref>

4. Wir müssen uns hüten, dass der Zorn nicht in Worten sich kundgebe. «Der Tor gibt sogleich kund seinen Zorn».<ref> Spr. 12, 16. </ref> Der Zorn kann sich aber auf zweifache Weise in Worten äußern, nämlich durch Schimpfen und durch stolze Reden. In Bezug auf das erstere sagt der Heiland: «Wer zu seinem Bruder sagt: Du Narr! der ist des höllischen Feuers schuldig»,<ref> Mt. 5, 22. </ref> in Bezug auf das letztere sagt er: «Wer zu seinem Bruder sagt: Du Dummkopf! ist des hohen Rates schuldig».<ref> Mt. 5, 22. </ref> Ebenso heißt es im Buch der Sprichwörter: «Eine sanfte Antwort bricht den Zorn, eine harte' Rede erreget Grimm».<ref> Spr. 15, 1. </ref>

5. Endlich müssen wir uns hüten, dass der Zorn nicht zum Werk, zur Tat fortschreite. Denn bei allen unseren Handlungen müssen wir zweierlei im Auge behalten, nämlich, dass wir Gerechtigkeit und Barmherzigkeit üben. Der Zorn aber verhindert beides. «Der Zorn des Menschen», sagt der Apostel, «tut nicht, was gerecht ist vor Gott».<ref> Jak. 1, 20. </ref> Und wenn er auch wollte, so könnte er nicht. Darum sprach einmal ein weiser Mann zu einem Menschen, der ihn beleidigt hatte: «Ich würde dich bestrafen, wenn ich nicht zornig wäre.» Desgleichen hat, wie es im Buch der Sprüche heißt, der Zorn und der hervorbrechende Grimm kein Erbarmen.<ref> Spr. 27, 4. </ref> Und im ersten Buch Moses heißt es von Simeon und Levi, den Söhnen Jakobs: «In ihrem Zorn haben sie den Mann getötet».<ref> Gen. 49, 6. </ref> Deshalb lehrt uns Christus, dass wir nicht bloß vor dem Menschenmorde, sondern auch vor dem Zorn uns hüten sollen. Denn ein weiser Arzt entfernt die Krankheit nicht bloß vom Äußern des Körpers, sondern er räumt auch die Wurzel derselben weg, damit sie nicht aufs neue ausbricht. Und darum will der Herr, dass wir uns auch vor den ersten Ursachen der Sünde hüten sollen, somit auch vor dem Zorn, welcher die erste Ursache des Menschenmordes ist.

Das sechste Gebot: Du sollst nicht Unkeuschheit treiben

«Du sollst nicht ehebrechen».<ref> Ex. 20, 14. </ref> An das Verbot des Mordes schließt sich das Verbot des Ehebruches an. Dieser Anschluss ist ein sehr passender und naturgemäßer. Denn da Mann und Frau gleichsam ein Leib sind, nach den Worten der Schrift: «Und es werden zwei in einem Fleisch sein»,<ref> Gen. 2, 24. </ref> so ist nach dem Unrecht, das der eigenen Person eines Menschen zugefügt wird, nämlich nach dem Mord, keines größer, als dasjenige, welches ihm in der mit ihm verbundenen Person, nämlich durch den Ehebruch zugefügt wird. Der Ehebruch nun ist sowohl der Frau als dem Mann verboten. Zuerst aber wollen wir vom Ehebruch der Frau handeln, weil sie durch denselben eine größere Sünde zu begehen scheint, als der Mann. Die Frau begeht nämlich durch einen Ehebruch gleichzeitig drei schwere Sünden. «Jede Frau», heißt es in der Heiligen Schrift, «die ihren Mann verlässt und einen Erben erhält aus fremder Ehe, ist erstens treulos gegen das Gesetz des Allerhöchsten, zweitens sündigt sie gegen ihren Mann, drittens befleckt sie sich mit Ehebruch und verschafft sich Kinder von einem anderen Mann».<ref> Sir. 23, 32. 33. </ref> Sie versündigt sich also:

1. 'Durch Untreue, weil sie gegen das Gesetz Gottes treulos ist; denn der Herr hat den Ehebruch verboten. Desgleichen handelt sie gegen eine ausdrückliche Anordnung Gottes, denn «was Gott verbunden hat», spricht der Herr, «das soll der Mensch nicht trennen».<ref> Mt. 19, 6. </ref> Ebenso übertritt sie auch die Satzungen oder das Sakrament der Kirche. Denn der Ehebund wird im Angesicht der Kirche geschlossen und Gott wird gleichsam als Zeuge und Bürger der ehelichen Treue zugezogen, wie es beim Propheten heißt: «Der Herr ist Zeuge zwischen dir und der Frau deiner Jugend, an dem du treulos geworden bist. Und doch war sie deine Genossin und die Frau deines Bundes».<ref> Mal. 2, 14.</ref> Die Ehebrecherin handelt somit gegen das Gesetz Gottes, gegen eine ausdrückliche Satzung Gottes und gegen das Sakrament der Kirche. Sie versündigt sich:

2. 'Durch Verrat an ihrem Ehegatten, weil sie denselben verlassen hat. «Denn die Frau hat, wie der hl. Paulus schreibt, keine Gewalt über ihren Leib, sondern der Mann».<ref> 1 Kor. 7, 4. </ref> Deshalb kann sie auch nicht einmal die jungfräuliche Keuschheit bewahren ohne Einwilligung des Mannes. Wenn sie daher die Ehe bricht, so begeht sie einen Verrat an ihrem Mann, indem sie einem anderen sich hingibt, gerade wie ein Knecht seinen Herrn verrät, wenn er einem anderen Herrn sich hingibt. Eine solche Frau hat, wie die Schrift sagt: «den Führer ihrer Jugend verlassen und des Bundes ihres Gottes vergessen».<ref> Spr. 2, 16. 17. </ref> Es begeht die Ehebrecherin:

3. Einen Diebstahl, weil sie von einem fremden Mann sich Kinder verschafft, und ein solcher Diebstahl ist ein sehr großer, weil er das Erbteil rechtmäßiger Kinder in die Hände fremder Kinder bringt. Um diesen Schaden von den rechtmäßigen Kindern abzuwenden, muss sie dahin zu wirken suchen, dass die fremden Kinder in einen religiösen Orden eintreten oder sonst einen Lebensberuf ergreifen, durch den sie von der Erbschaft des Vermögens ihres Ehemannes ausgeschlossen werden.

Eine Ehebrecherin ist somit eine Gottesräuberin, eine Verräterin und eine Diebin.

Allein nicht weniger als die Frauen versündigen sich durch den Ehebruch die Männer,' wenn sie bisweilen auch mit der gegenteiligen Annahme sich schmeicheln. Es ergibt sich dieses aus drei Gründen.

1. Aus der gegenseitigen Gleichheit der ehelichen Rechte und Pflichten. Denn wie die Frau keine Gewalt hat über ihren Leib, sondern der Mann, so ist auch, wie der Apostel lehrt der Mann nicht Herr über seinen Leib, sondern die Frau.<ref> 1 Kor. 7, 4.</ref> Daher darf in Sachen der Ehe keiner der beiden Ehegatten ohne die Einwilligung des anderen etwas tun. Dieses innige Verhältnis zwischen den beiden hat Gott dadurch angedeutet, dass er die Frau nicht aus dem Fuß oder aus dem Haupt, sondern aus der Seite des Mannes gebildet hat. <ref> Cf. S. theol. I. qu. 92 art. 3. </ref> Darum erreichte auch die Ehe erst durch das Gesetz Christi ihre Vollkommenheit. Denn unter dem jüdischen Gesetze herrschte keine Gleichheit zwischen den beiden Ehegatten, indem oft der Mann mehrere Frauen, die Frau dagegen nicht mehrere Männer hatte. Dass der Mann durch Ehebruch nicht weniger schwer sündigt, als die Frau, ergibt sich:

2. Aus der größeren Kraft des Mannes. Denn die eigentliche Schwachheit der Frauen ist die Begierlichkeit. Darum schreibt der hl. Petrus: «Ihr Männer sollt, zusammenlebend der Erkenntnis gemäß, dem weiblichen, als dem schwächeren Gefässe, Ehre erweisen, wie auch als Miterbinnen der Gnade des Lebens, damit euere Gebete nicht verhindert werden».<ref> 1 Petr. 3, 7. </ref> Wenn du daher von der Frau verlangst, was du selbst nicht zu halten vermagst, so brichst du die Treue. Endlich erhellt das Gesagte:

3. Aus der Autorität des Mannes, der ja das Haupt der Frau ist. Darum dürfen auch, wie der Apostel sagt, die Frau in der Kirche nicht reden, sondern sollen, wenn sie sich unterrichten wollen, die Männer zuhause fragen.<ref> 1 Kor. 14, 34. 35. </ref> Der Mann ist somit der Lehrer der Frau und darum hat ihm auch Gott das Gebot gegeben. Wie nun im Fall der Übertretung eines Gebotes der Priester schwerer sündigt, als der Laie, und der Bischof schwerer als der Priester, weil es im Beruf der Bischöfe und Priester liegt, andere zu lehren: so macht sich auch der Mann, wenn er die Ehe bricht, eines schwereren Treuebruches schuldig, indem er nicht hält, was er halten soll. Doch mögen die Ehefrauen (im Falle einer Untreue ihrer Männer) die Worte des Heilandes beachten: «Haltet und tut alles, was sie euch sagen, nach ihren Werken aber sollt ihr nicht tun».<ref> Mt. 23. 3. </ref>

«Du sollst nicht ehebrechen.» Mit diesen Worten hat Gott, wie wir soeben gezeigt haben, den Männern sowohl als den Frauen den Ehebruch verboten. Nun gibt es aber manche, welche glauben, dass wohl der Ehebruch, aber nicht die einfache Hurerei eine Todsünde sei. Dass dieses eine durchaus verkehrte Ansicht ist, ergibt sich aus den Worten des Apostels, der da sagt: «Die Hurer und die Ehebrecher wird Gott richten»,<ref> Hebr. 13. 14. </ref> «Täuscht euch nicht! weder Hurer, noch Götzendiener, noch Ehebrecher, noch Weichlinge, noch Knabenschänder, noch Diebe, noch Habsüchtige, noch Trunkenbolde, noch Lästerer, noch Räuber werden das Reich Gottes erben».<ref> 1 Kor. 6, 9. 10. </ref> Vom Himmelreich aber wird man nur wegen einer Todsünde ausgeschlossen. Es ist somit auch die einfache Hurerei eine Todsünde. - Du wirst auch vielleicht einwenden, du sehest nicht ein, warum die Hurerei eine Todsünde sei, da ja hierbei nicht, wie beim Ehebruch, der Leib einer Ehefrau preisgegeben werde. Hierauf erwidere ich, dass, wenn hierbei auch nicht der Leib eines Ehefrau, so doch der Leib Christi preisgegeben wird. Denn unser Leib ist in der Taufe Christus hingegeben und geweiht worden. Wenn man daher einer Ehefrau kein Unrecht zufügen darf, so darf man es noch viel weniger Christus. «Wisst ihr nicht», schreibt der hl. Paulus an die Korinther, «dass euere Leiber Glieder Christi sind? Darf ich nun die Glieder Christi nehmen und daraus Glieder einer Buhlerin machen? Das sei ferne.»<ref> 1 Kor. 6, 15. </ref> Es ist daher eine Häresie, zu behaupten, die einfache Hurerei sei keine Todsünde. Durch das Gebot: Du sollst nicht ehebrechen, wird somit nicht nur der Ehebruch, sondern jede fleischliche Beiwohnung, außer in der Ehe, streng verboten. Wenn dagegen andere behaupten, die geschlechtliche Vereinigung des Mannes und der Frau sei nicht ohne Sünde, so ist auch diese Behauptung häretisch. Denn der Apostel schreibt: «Ehrbar sei die Ehe in allem und das Ehebett unbefleckt».<ref> Hebr. 13, 4. </ref> Eine solche geschlechtliche Vereinigung kann bisweilen nicht nur ohne alle Sünde geschehen, sondern sie kann denjenigen, die im Stande der Liebe und Gnade sich befinden, sogar verdienstlich sein für das ewige Leben, bisweilen aber ist sie mit einer lässlichen, bisweilen mit einer Todsünde verbunden.

Wenn sie nämlich in der Absicht, Kinder zu erzeugen, stattfindet, so ist sie ein Akt der Tugend. Findet sie statt in der Absicht, dem anderen Eheteil die eheliche Pflicht zu leisten, so ist sie ein Akt der Gerechtigkeit. Geschieht sie dagegen zum Zweck der Lustbefriedigung, so ist sie, wofern sie die Schranken der Ehe nicht überschreitet, mit einer lässlichen Sünde verbunden. Wofern sie aber diese Schranken überschreitet, so dass sie sich, wenn ihr solches möglich wäre, auch auf eine andere Person ausdehnen würde, so ist sie eine Todsünde.

Ehebruch und Hurerei sind aus vielen Gründen verboten:

1. Es tötet diese Sünde die Seele des Menschen. Denn «wer ein Ehebrecher isb>, sagt die Heilige Schrift, «stürzt durch die Armut des Herzens seine Seele ins Verderben».<ref> Spr. 6. 32. </ref> Es heißt, «durch die Armut des Herzens», denn Armseligkeit ist es, wenn das Fleisch über den Geist herrscht.

2. Sie verwirkt das Leben. Denn nach dem Gesetze soll der Ehebrecher des Todes sterben.<ref> Lev. 20; Dtn. 22. </ref> Und wenn ein solcher oft auch nicht körperlich bestraft wird, so ist das nur zu seinem Verderben - indem die leibliche Strafe, wenn man sie geduldig erträgt, zur Vergebung der Sünden gereicht - er wird dafür dann später im zukünftigen Leben bestraft.

3. Sie ruiniert das Vermögen. Darum sagt auch der Heiland vom verschwenderischen Sohn, er habe durch sein ausschweifendes Leben sein Vermögen verschleudert.<ref> Lk. 15.</ref> Und der weise Sirach sagt: «Gib deine Seele nicht an Buhlerinnen hin, damit du nicht dich und dein Erbe zu Grunde richtest».<ref> Sir. 9, 6. </ref>

4. Sie entehrt die Nachkommen. «Die Kinder der Ehebrecher», heißt es im Buch der Weisheit, «werden vergehen, und Nachkommenschaft aus gesetzwidrigem Beilager wird ausgerottet. Und wenn sie selbst langes Leben haben, werden sie doch für nichts geachtet, und ehrlos wird ihr Alter sein.»<ref> Weish. 3. 16. 17. </ref> Mit Bezug hierauf sagt auch der Apostel: «Sonst wären eure Kinder unrein, nun aber sind sie rein».<ref> 1 Kor. 7. 14. </ref> Auch werden uneheliche Kinder nicht zu kirchlichen Würden zugelassen, wenn man Geistliche ohne diesen Flecken haben kann.

5. Es macht diese Sünde ehrlos, besonders die Frauen. Denn «jedes Frau, das eine Buhlerin ist, wird wie Straßen kot zertreten».<ref> Sir. 9, 10. </ref> Und vom ehebrecherischen Manne heißt es im Buch der Sprüche: «Schande und Schmach häuft er auf sich und sein Schimpf erlischt nicht mehr».<ref> Spr. 6, 33. </ref> Darum sagt auch der hl. Gregorius, dass die Sünden des Fleisches zwar eine geringere Schuld, aber eine größere Schande nach sich ziehen, als die Sünden des Geistes und zwar deswegen, weil sie uns mit den Tieren gemein machen. «So ein Mensch», sagt der Psalmist, «wenn er in Ehre ist, erkennt es nicht; er gleicht unvernünftigem Vieh und ist diesem ähnlich».<ref> Ps. 48, 21. </ref>

Das siebente Gebot: Du sollst nicht stehlen

«Du sollst nicht stehlen.»<ref> Ex. 20, 15.</ref> Der Herr hat im Gesetz zunächst verboten, dem Nächsten Unrecht zuzufügen. Und zwar hat er ihm Unrecht zuzufügen verboten erstens: an seiner eigenen Person durch die Worte: «Du sollst nicht töten»; zweitens an der mit ihm verbundenen Person durch die Worte: «Du sollst nicht ehebrechen». Drittens an seiner Habe durch die Worte: «Du sollst nicht stehlen». Durch dieses Gebot ist jeder Diebstahl d. h. jede unrechtmäßige Zueignung irgend einer Sache verboten. Man kann nämlich auf mancherlei Weise einen Diebstahl begehen.

1. Durch heimliches Sichzueignen einer Sache (Diebstahl). So heißt es im Evangelium: «Wenn der Hausvater wüsste, zu welcher Stunde der Dieb kommen würde u.s.f.».<ref> Mt. 24, 43. </ref> Solches ist eine Art von Verrat und deshalb sehr tadelnswert. Darum sagt auch die Schrift: «Auf den Dieb wartet Schande».<ref> Sir. 5, 7. </ref>

2. 'Durch gewaltsames Wegnehmen (Raub), was ein noch größeres Unrecht ist. «Sie üben Gewalt, die Waisen plündernd, und sie berauben das arme Volk».<ref> Job 24, 9. </ref> Zu dieser Art von Dieben gehören auch schlechte Fürsten und Könige. «Ihre Fürsten», heißt es beim Propheten, «sind wie brüllende Löwen».<ref> Zef. 3, 3. </ref> Solche handeln gegen die Absicht Gottes, der eine gerechte Regierung will, indem er spricht: «Durch mich regieren die Könige und verordnen die Gesetzgeber, was recht ist».<ref> Spr. 8, 15. </ref> Und dieses Unrecht üben sie bisweilen in Weise des Diebstahles, bisweilen in Weise gewaltsamen Raubens, weshalb der Prophet von ihnen sagt: «Deine Fürsten sind abtrünnig, Diebesgenossen u.s.f.».<ref> Is. 1, 23. </ref> Bisweilen auch dadurch, dass sie Gesetze geben, die nur auf ihren Gewinn berechnet sind. Aber «wehe denen», ruft der Prophet aus, «die ungerechte Gesetze geben».<ref> Is. 10, 1. </ref> Auch der hl. Augustinus sagt, jede ungerechte Schenkung sei Diebstahl. Und anderswo schreibt er: «Was sind die Reiche anderes als Räubereien?»

3. Durch Vorenthalten des Lohnes, weshalb es in der Schrift heißt: «Der Lohn des Taglöhners soll bei dir nicht bleiben bis an den Morgen».<ref> Lev. 19, 13.</ref> Hieraus ist zu ersehen, dass man einem jeden geben soll, was ihm gebührt, sei er ein Fürst, ein geistlicher Vorgesetzter, ein Priester oder was sonst immer. Darum sagt der Apostel: «Gebt jedem, was ihr ihm schuldig seid: Steuer, wem Steuer; Zoll, wem Zoll gebührt».<ref> Röm. 13, 7. </ref> Den Regierungen insbesondere sind wir deswegen Steuer schuldig, weil sie für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit sorgen.

4. Durch Betrug im Handel und Verkehr. Mit Bezug hierauf heißt es in der Heiligen Schrift: «Du sollst nicht verschiedene Gewichte haben».<ref> Dtn. 25, 13. </ref> «Ihr sollt nichts Unrechtes tun im Gerichte, mit der Messschnur, im Gewichte, im Maß. Es sei die Waage richtig, die Gewichte richtig, der Scheffel richtig und das Sechstelmass richtig».<ref> Lev. 35, 36. </ref> «Ein Greuel ist vor dem Herrn zweierlei Gewicht; eine falsche Waage ist nicht gut».<ref> Spr. 20, 23. </ref>

Des gleichen Betruges machen sich auch Wirte schuldig, welche den Wein mit Wasser vermischen.

Auch der Wucher gehört hierher. Im Ps. 14 erhebt der königliche Sänger die Frage: «Herr, wer wird wohnen in deinem Zelte und wer wird ruhen auf deinem heiligen Berge?» und die Antwort lautet: «der sein Geld nicht auf Wucher leiht». Ebenso ist dieses Gebot gegen die Wechsler gerichtet, insofern sie sich Unredlichkeiten erlauben, sowie gegen die Verkäufer von Tuch und anderen Gegenständen im gleichen Fall.

Warum aber, könnte hier einer fragen, darf man sein Geld nicht ebenso, wie sein Haus oder sein Pferd verkaufen (i. e. auf Wucherzinsen geben)? Hierauf ist zu antworten, dass es sündhaft ist, etwas zweimal zu verkaufen. Bei einem Hause nun muss man zweierlei von einander unterscheiden, nämlich die Sache selbst und den Nutzen. Etwas anderes ist es nämlich: ein Haus haben, und etwas anderes: dieses Haus gebrauchen. Man kann daher, ohne das Haus zu verkaufen, den Nutzen desselben besonders verkaufen und so in allen ähnlichen Fällen. Wenn aber etwas nur im Gebrauch besteht und sein Wert durch diesen Gebrauch erschöpft wird, so darf man damit nicht so, wie mit einem Hause, verfahren. Ein Geldstück z. B. gebrauche ich, wenn ich etwas damit kaufe, Getreide, wenn ich es verzehre. Wenn man daher den Nutzen dieser Dinge verkauft, so verkauft man sie zweimal.<ref>Cf. S. theol. II. II. qu. 78, dazu die Bestimmungen über das neuere Zinswesen und die Bedingungen seiner Erlaubthelt: Encycl. «Vix pervenit. Benedikt XIV. vom 1 Nov. 1745. Denzinger Enchir. 1318. </ref>

5. Endlich begeht man einen Diebstahl durch den Kauf weltlicher oder geistlicher Ämter (Simonie). Auf den Kauf weltlicher Ämter beziehen sich die Worte des frommen Job: «Die Schätze, die er verschlang, wird er ausspeien, und aus seinem Leib wird Gott sie heraustreiben».<ref> Job. 20. 15. </ref> Alle Tyrannen nämlich, welche ein Reich, oder eine Provinz, oder ein Lehngut mit Gewalt in Besitz nehmen, sind Diebe und zur Wiedererstattung verpflichtet. - Was aber den Kauf geistlicher Ämter betrifft, so sagt hierüber der Heiland selber: «Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer nicht durch die Türe in den Schafstall eingeht, sondern anderswoher hinein steigt, der ist ein Dieb und Räuber».<ref> Joh. 10. 1. </ref>

«Du sollst nicht stehlen.» Wie wir soeben gezeigt haben, verbietet dieses Gebot, uns irgend etwas auf unrechtmäßige Weise zuzueignen. Es gibt nun verschiedene Gründe, die uns zur Haltung dieses Gebotes antreiben sollen.

1. Die Schwere der Sünde des Diebstahls, denn diese Sünde wird in der Heiligen Schrift sogar mit dem Menschenmord verglichen. So sagt der weise Sirach: «Das Brot der Armut ist das Leben des Armen. Wer einen solchen betrügt, ist ein Mörder» und an einer anderen Stelle: «Wer Blut vergießt und wer einen Taglöhner betrügt, sind Brüder».<ref> Sir. 34, 25. u. f. </ref>

2. Die Gefährlichkeit dieser Sünde. Keine andere Sünde ist so gefährlich, wie diese. Denn keine Sünde wird ohne Reue und Genugtuung nachgelassen. Bei keiner Sünde ist aber die Reue und Genugtuung so schwer, wie bei dieser. Denn anderen Sünden folgt die Reue oft sozusagen auf dem Fuß nach, wie z. B. dem Mord, sobald der Zorn sich abgekühlt, der Hurerei, sobald die Leidenschaft vorüber ist und so auch bei anderen Sünden. Bei dieser aber ist, wenn man auch zuweilen darüber Reue empfindet, die Genugtuung schwer, und zwar besonders deshalb weil man nicht bloß dasjenige zurückzugeben hat was man genommen, sondern auch den Schaden den man dadurch dem rechtmäßigen Eigentümer zugefügt hat, ersetzen und zudem noch wegen der Sünde selbst Buße tun muss. Darum sagt die Heilige Schrift: «Wehe dem, der zu mehren sucht, was nicht sein eigen! Wie lange vergräbt er sich in tiefer Schlamm?»<ref> Hab. 2, 6.</ref> Schlamm nennt es die Schrift, weil der Mensch nicht so leicht wieder herauskommt.

3. Die Nutzlosigkeit des geraubten Gutes, denn solches nützt der Seele nichts. "Die Schätze der Ungerechtigkeit bringen keinen Nutzen»,<ref> Spr. 10, 2. </ref> sagt die Schrift. Der Seele sind nämlich Reichtümer zu Almosenspenden und Opfern nützlich. «Mit seinem Reichtum kauft mancher sein Leben los»,<ref> Spr. 13, 8. </ref> heißt es im Buch der Sprichwörter. Doch darf dazu nur das eigene, nicht fremdes Gut verwendet werden; denn der Prophet Isaias sagt: «Denn ich der Herr liebe das Recht und hasse Staub im Opfer».<ref> Is. 61, 8. </ref> Ebenso heißt es im Buch Sirach: «Wer Opfer darbringt von dem Gute der Armen, gleicht dem, welcher einen Sohn opfert vor dem Angesicht seines eigenen Vaters».<ref> Sir. 34, 24. </ref> - Gestohlenes Gut bringt aber auch in zeitlicher Hinsicht keinen Nutzen und zwar deswegen, weil es nicht dauerhaft ist. «Wehe dem», heißt es in der Schrift, «der schlimmen Erwerb zusammenrafft für sein Haus, damit in der Höhe sein Nest sei und der sich befreit wähnt von des Unglücks Hand!»<ref> Hab. 2, 9. </ref> «Wer Reichtum zusammenhäuft durch Wucher, sammelt denselben für einen, der freigebig ist gegen die Armen».<ref> Spr. 28, 8. </ref> «Dem Gerechten wird aufbewahrt die Habe des Sünders».<ref> Spr. 13, 22. </ref>

4. Die besondere Schädlichkeit des ungerechten Gutes, denn ungerechtes Gut führt auch den Verlust des rechtmäßigen Vermögens herbei. Es ist gleichsam ein Feuer, das mit Spreu vermischt wird. Denn: «Feuer frisst die Hütten derer, die gerne Geschenke nehmen», heißt es im Buch Job.<ref> Job 15, 34. </ref>

Dazu kommt noch, dass der Betrüger nicht nur seine eigene Seele ins Verderben stürzt, sondern auch die Seelen seiner Kinder in große Gefahr bringt, weil diese zur Zurückgabe des ungerechten Gutes verpflichtet sind.

Das achte Gebot: Du sollst nicht falsches Zeugnis geben

«Du sollst kein falsches Zeugnis geben wider den Nächsten».<ref> Ex. 20, 16. </ref> Während Gott in den drei unmittelbar vorhergehenden Geboten verbietet, den Nächsten in Werken Unrecht zuzufügen, so verbietet er in diesem Gebote, ihm Unrecht zu tun in Worten. «Du sollst», sagt er, «kein falsches Zeugnis geben wider den Nächsten.» Dies kann aber auf eine zweifache Weise geschehen, nämlich vor Gericht, oder im (gewöhnlichen) alltäglichen mündlichen Verkehr mit andern.

Vor Gericht kann es wieder auf dreifache Weise geschehen, weil hierbei drei Personen dieses Gebot übertreten können.

1. Die Person des falschen Anklägers. Darum heißt es in der Schrift: «Du sollst kein Verleumder, noch Ohrenbläser unter deinem Volke sein».<ref>Lev. 19, 16. </ref> Und wie man das Falsche nicht aussagen darf, so darf man auch (vor Gericht) das Wahre nicht verschweigen. «Hat aber dein Bruder wider dich gesündigt, so gehe hin und weise ihn zurecht zwischen dir und ihm allein»,<ref>Mt. 18, 15. </ref> ermahnt der Heiland.

2. Die Person des falschen Zeugen. «Ein falscher Zeuge», heißt es im Buch der Sprüche, «bleibt nicht ungestraft».<ref>Spr. 19, 9 </ref> Dieses Gebot schließt alle vorhergehenden Gebote in siech, denn der falsche Zeuge ist unter Umständen auch ein Menschenmörder, oder Dieb und dergleichen. Ein solcher muss mit der verdienten Strafe belegt werden. Hierzu fordert die Heilige Schrift auf mit den Worten: «Wenn sie (die Richter) nach sehr genauer Untersuchung finden, dass der falsche Zeuge gegen seinen Bruder eine Lüge aussagt, so sollen sie ihm entgelten lassen, was er seinem Bruder zu tun gedachte. So schaffe das Böse aus deiner Mitte, auf dass die übrigen es vernehmen und Furcht haben, und zukünftig nicht wagen, Gleiches zu tun. Erbarme dich seiner nicht, sondern fordere Leben um Leben, Auge um Auge, Zahn um Zahn, Hand um Hand, Fuß um Fuß».<ref> Dtn. 19, 18-21.</ref> Und an einer anderen Stelle heißt es: «Wurfspieß und Schwert und spitzer Pfeil ist ein Mensch, der falsches Zeugnis redet wider den Nächsten».<ref> Spr. 25, 18. </ref>

3. Die Person des Richters, der ein ungerechtes Urteil spricht. Darum sagt die Heilige Schrift: «Du sollst nicht ungerecht richten. Du sollst nicht ansehen die Person des Armen und nicht bevorzugen das Antlitz des Vermögenden. Gerecht richte deinen Nächsten.»<ref> Lev. 19, 15. </ref>

Im alltäglichen mündlichen Verkehr versündigen sich gegen dieses Gebot fünf Arten von Menschen.

1. Die Ehrabschneider. «Die Ehrabschneider», sagt der Apostel, «sind Gott verhasst».<ref> Röm. 1, 30. </ref> Er sagt: «Gott verhasst», weil dem Menschen nichts so teuer ist, als sein guter Name. Denn «ein guter Name ist besser, als kostbare Salben».<ref> Sir. 7, 2. </ref> «Ein guter Name ist besser, als viele Reichtümer».<ref> Spr. 22, 1. </ref> Die Ehrabschneider aber rauben den guten Namen, weshalb auch die Schrift sagt: «Wer heimlich (einen andern) verkleinert, unterscheidet sich durch nichts von der Schlange, die in der Stille sticht».<ref> Sir. 10, 11. </ref> Wenn daher solche dem Nächsten den guten Namen, den sie ihm geraubt, nicht wieder zurückgeben, so können sie nicht selig werden.

2. Diejenigen, welche die Ehrabschneider gerne anhören. Darum warnt die Schrift: «Umhege deine Ohren mit Dornen, auf eine schlimme Zunge höre nicht, und deinem Munde mache Türflügel und Riegel».<ref> Sir 28, 28. </ref> Man soll daher die Ehrabschneider nicht gerne anhören, man soll ihnen vielmehr durch ein trauriges und finsteres Gesicht seine Unzufriedenheit zu erkennen geben. Denn «wie der Nordwind den Regen verscheucht, so (bringt) ein verdrießlich Gesicht die verleumderische Zunge zum Schweigen».<ref> Spr. 25, 23.</ref>

3. Die Ohrenbläser, die alles, was sie über jemanden hören, ihm wieder erzählen. Solche verabscheut der Herr. Denn es heißt im Buch der Sprüche: «Sechs Dinge sind, welche der Herr hasst, und das siebente verabscheut seine Seele: Stolze Augen, lügnerische Zungen, Hände, welche unschuldig Blut vergiessen, ein Herz, welches arge Ränke sinnt, Füße, die schnell sind, dem Bösen nachzueilen, einen falschen Zeugen, der Lügen aussagt, und einen, der zwischen Brüder Zwietracht sät».<ref> Spr. 6, 16. </ref> Desgleichen heißt es im Buch Sirach: «Der Ohrenbläser und Doppelzüngige wird verflucht; denn er hat entzweit viele Friedfertige».<ref> Sir. 28, 15. </ref>

4. Die Schmeichler. Von ihnen heißt es in der Heiligen Schrift: «Gerühmt wird der Sünder ob seiner Seele Lüste und der Bösewicht gesegnet».<ref> Ps. 10, 3. </ref> «Mein Volk! die dich glücklich nennen, sie belügen dich, und verderben den Weg deiner Schritte».<ref> Is. 3, 12. </ref> «Es strafe mich der Gerechte in Erbarmen und rüge mich! Aber das Öl des Sünders salbe nicht mein Haupt».<ref> Ps. 140, 5. </ref>

5. Endlich sündigen gegen dieses Gebot die Murrenden, Eine Sünde, die besonders oft bei Untergebenen vorkommt. Darum warnt der Apostel: «Murret nicht, wie einige von ihnen murrten, und durch den Würgengel umkamen».<ref> 1 Kor. 10, 10. </ref> Und im Buch der Weisheit heißt es: «Hütet euch vor dem Murren, welches unnütz ist»,<ref> Weish. 1, 11. </ref> und in den Sprichwörtern: «Durch Geduld wird besänftigt der Herrscher, und eine sanfte Zunge beugt die Härte».<ref> Spr. 25, 15. </ref>

«Du sollst kein falsches Zeugnis geben wider den Nächsten.» Durch dieses Gebot wird überhaupt jede Lüge verboten, denn die Schrift sagt: «Wolle doch nicht lügenhaft aussagen irgend eine Unwahrheit, denn solche Gewohnheit ist nicht gut».<ref> Sir. 7, 14. </ref> - Es ist aber das Lügen hauptsächlich aus vier Gründen nicht erlaubt.

1. Es macht die Lüge den Menschen dem Teufel ähnlich, denn der Lügner wird ein Sohn des Teufels. Wie nämlich der Mensch durch seine Sprache verrät, aus welcher Gegend und aus welchem Vaterland er sei (wie dies bei Petrus der Fall war, zu welchem die Magd sagt: «Deine Sprache verrät dich»<ref> Mt. 26, 73. </ref>); so verraten sich auch gewisse Menschen als vom Geschlecht des Teufels stammend und werden Kinder des Teufels genannt, jene nämlich, welche Lügen reden, denn der Teufel ist der Lügner von Anbeginn und der Vater der Lüge.<ref> Joh 8. </ref> Er hat zuerst gelogen, indem er zu unseren Stammeltern sprach: «Ihr werdet keineswegs des Todes sterben».<ref> Mos. 3. 4. </ref> Dagegen sind diejenigen, welche die Wahrheit reden, Kinder Gottes, weil Gott die Wahrheit selbst ist.

2. Es löst die Lüge die Bande der menschlichen Gesellschaft auf. Die Menschen sollen in Gemeinschaft mit einander leben; das wäre aber nicht möglich, wenn sie unter sich nicht die Wahrheit redeten. Darum mahnt der Apostel: «Leget die Lüge ab und redet die Wahrheit einer gegen den anderen, denn wir sind Glieder unter einander».<ref> Eph. 4, 25. </ref>

3. Es bringt die Lüge den Menschen um Ehre und guten Namen, denn wer sich ans Lügen gewöhnt, findet keinen Glauben mehr, und wenn er auch die Wahrheit spricht. Dies bestätigt die Schrift mit den Worten: «Vom Unreinen, was wird gereinigt werden und vom Lügner, was wird Wahres gesagt werden?».<ref> Sir. 34, 4. </ref>

4. Es stürzt die Lüge die Seele ins Verderben, denn es heißt in der Schrift: «Ein Mund, der lügt, tötet die Seele»,<ref> Weish. 1, 11. </ref> und an einer anderen Stelle: «Du vernichtest alle Lügner».<ref> Ps. 5, 7. </ref>

Hieraus erhellt, dass die Lüge eine Todsünde ist. Doch muss man hierbei Lüge und Lüge unterscheiden, indem einige Lügen Todsünden, andere dagegen nur lässliche Sünden sind.

Eine Todsünde ist es:

1. 'In Sachen des Glaubens zu lügen, wie dies zutreffen kann bei geistlichen Vorgesetzten, Lehrern und Predigern. Und diese Art der Lüge ist schwerer als alle andern. Mit Bezug hierauf sagt der hl. Petrus: «Es waren aber auch falsche Propheten in dem Volke, wie auch unter euch falsche Lehrer sein werden, welche Sekten des Verderbens einführen werden, und die den, der sie erkauft hat, den Herrn verleugnen und schnelles Verderben über sich herbeiführen».<ref> 2 Petr. 2, 1. </ref> - Es gibt auch solche, die in Glaubenssachen lügen, um als gelehrte Leute zu erscheinen. Diesen gilt das Wort des Propheten: «Über wen belustigt ihr euch, gegen wen sperrt ihr den Mund auf und streckt die Zunge aus? Seid ihr nicht Kinder des Frevels, Lügenbrut?».<ref> Is. 57, 4. </ref>

2. Andere wiederum lügen, um dem Nebenmenschen zu schaden; darum sagt der Apostel «Lüget nicht».<ref> Kol. 3, 9. </ref> - Diese zwei Arten der Lüge sind Todsünden.

Einige lügen für sich selbst, was wieder aus verschiedenen Gründen geschehen kann. Es kann geschehen:

1. Aus Demut, namentlich in der Beichte. Hierüber sagt der hl. Augustinus: «Wie der Mensch sich hüten muss, dass er nicht verschweigt, was er getan hat, so muss er sich auch hüten etwas von sich zu sagen was er nicht getan hat.» Und in der Heiligen Schrift heißt es: «Hat Gott denn nötig euerer Lüge, dass ihr für ihn Arglistiges redet?»,<ref> Job 13. 7.</ref> und an einer anderen Stelle: «Mancher spricht ein gründliches Wort und sagt die Wahrheit. Mancher demütigt sich arglistig und sein Inneres ist voll Trug. Und mancher ist gar zu unterwürfig aus allzu großer Demut.»<ref> Sir. 19. 23. 24. </ref>

2. Manche lügen auch aus Leichtfertigkeit und Scham, indem sie zuerst eine Unwahrheit sagen, in der Meinung, sie reden die Wahrheit. Später aber, wenn sie die Unrichtigkeit ihrer Aussage erkannt haben, sich schämen, dieselbe zu wieder rufen. Darum ermahnt die Schrift: «Widersprich auf keine Weise dem Worte der Wahrheit, und schäme dich, wenn du aus Unwissenheit gelogen hast».<ref> Sir. 4. 30. </ref>

3. Einige lügen wegen einem Vorteil, indem sie dadurch etwas erlangen, oder einem Übel entgehen wollen. Diesen gilt der Ausspruch des Propheten: «Wir machten die Lüge zu unserer Zuflucht und den Trug zu unserem Schirm».<ref> Is. 28, 15. </ref> Ebenso heißt es im Buch der Sprüche: «Wer sich auf Lügen stützt, der weidet Winde».<ref> Spr. 10, 4. </ref>

4. Andere lügen zum Nutzen ihres Nächsten, um ihn vom Tode, oder aus einer Gefahr, oder von irgend einem Nachteile zu befreien. Auch vor dieser Art von Lügen sollen wir uns hüten, wie Augustinus lehrt. Desgleichen sagt auch die Schrift: «Nimm nicht Rücksicht auf jemanden zu deinem Nachteile und lüge nicht zum Schaden deiner Seele».<ref> Sir. 4, 26. </ref>

5. Wieder andere endlich lügen aus Scherz und auch davor müssen wir uns hüten, denn sonst könnte uns das Lügen leicht zur Gewohnheit werden, die Gewohnheit aber uns zur Todsünde führen, «denn der Zauber des Lasters verdunkelt das Edle».<ref> Weish. 4, 12. </ref>

Das neunte Gebot: Du sollst nicht begehren deines Nächsten Gut

Darin besteht der Unterschied zwischen dem göttlichen und dem menschlichen Gesetze, dass das menschliche nur die Werke und Worte, das göttliche dagegen nicht nur diese, sondern auch die Gedanken richtet. Dieser Unterschied hat in den Urhebern der beiden Gesetze ihren Grund. Das menschliche Gesetz nämlich ist von Menschen gegeben, welche nur über das urteilen können, was äußerlich erscheint. Das göttliche Gesetz dagegen ist von Gott, der das Innere ebenso gut wie das Äußere sieht. Darum nennt ihn der Psalmist «Gott meines Herzens»<ref> Ps. 73, 26. </ref> und im Buch der Könige heißt es: «Der Mensch sieht wohl das, was sichtbar ist, der Herr aber schaut auf das Herz».<ref> 1 Sam. 16, 7. </ref>

Im Bisherigen haben wir von den Geboten gehandelt, welche die Worte und Werke zum Gegenstande haben; jetzt erübrigt uns noch, von denjenigen zu handeln, die sich auf die Gedanken des Menschen beziehen. Denn bei Gott gilt der Wille für die Tat. «Du sollst nicht begehren», heißt somit: «Du sollst dem Nächsten das Seinige nicht nur nicht durch die Tat wegnehmen, sondern du sollst auch nicht einmal ein Gelüsten danach haben.»

Die Gründe nun, die uns abhalten sollen, nach dem Eigentum des Nächsten zu streben, sind hauptsächlich folgende:

1. Wegen der Unersättlichkeit der Begierden. Denn die Begierde ist in gewissem Sinn etwas Unendliches. Jeder verständige Mensch aber muss sich ein bestimmtes Ziel setzen und keiner darf sich ins Ziellose verlieren. Deswegen heißt es in der Schrift: «Der Geizige wird vom Gelde nie satt»,<ref> Sir. 5, 9. </ref> und an einer anderen Stelle: «Wehe euch, die ihr Haus an Haus reiht und Acker zu Acker fügt».<ref> Is. 5, 8. </ref> Der Grund aber, warum die Begierde unersättlich ist, liegt darin, dass des Menschen Herz geschaffen ist, Gott in sich aufzunehmen. Darum sagt der hl. Augustinus: «Du hast uns für dich geschaffen, o Herr, und unser Herz ist unruhig, bis es seine Ruhe findet in dir.» Somit kann dasjenige, was weniger als Gott ist, unser Herz nicht ausfüllen. Nur der kann es ausfüllen, der, wie der Psalmist sagt: «unser Verlangen mit Gütern erfüllt».<ref> Ps. 102, 5. </ref>

2. Wegen dem Verlust der Ruhe, die ein so hohes Gut ist. Denn die Begierigen sind immer besorgt, entweder das, was sie nicht besitzen, sich zu erwerben, oder das, was sie besitzen, zu bewahren. Darum heißt es im Buch des Predigers: «Die Fülle des Reichtums lässt den Reichen nicht schlafen»<ref>Neh. 5, 11. </ref> und «Wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz»,<ref>Mt. 6, 21. </ref> sagt der Heiland. Deshalb vergleicht er auch, wie schon Gregor bemerkt, die Reichtümer mit Dornen.<ref>Lk. 8, 14. </ref>

3. Wegen der Nutzlosigkeit großer Reichtümer. Die Habsucht macht nämlich den Reichtum unnütz, sowohl für uns selbst, wie für andere. Denn er ist in diesem Falle zu nichts anderem da, als um ihn aufzubewahren d. h. ihn nicht zu gebrauchen. Dies bestätigt auch die Schrift, wenn sie sagt: «Einem geizigen und kargen Mann nützt Reichtum nichts».<ref>Sir. 14, 3. </ref>

4. Es schwächt die Habsucht das Gerechtigkeitsgefühl. Darum heißt es in der Heiligen Schrift: «Nimm keine Geschenke an, weil sie auch Einsichtsvolle verblenden und die Aussagen der Gerechten in das Gegenteil verkehren»<ref>Ex. 23, 8. </ref> und an einer anderen Stelle: «Wer das Geld liebt, bleibt nicht gerecht».<ref>Sir. 31, 5. </ref>

5. Es tötet die Begierde die Liebe Gottes und des Nächsten, denn nach dem hl. Augustinus ist die Liebe in uns um so stärker, je schwächer die Begierde ist, und umgekehrt. Sie tötet die Liebe des Nächsten, darum sagt die Schrift: «Einen sehr werten Bruder verachte nicht um Goldes willen».<ref> Sir. 7, 20. </ref> Sie tötet die Liebe Gottes, denn wie niemand zwei Herren, so kann auch niemand Gott und dem Mammon zugleich dienen.<ref> Mt. 6, 24. </ref>

6. Sie erzeugt jede Art von Ungerechtigkeit', denn sie ist, wie der Apostel lehrt, die Wurzel alles Bösen.<ref> 1 Tim. 6, 10. </ref> Wenn sie daher im Herzen sich eingewurzelt hat, so wirkt sie Mord, Diebstahl und alles andere Böse. Darum schreibt der Apostel: «Die, welche reich werden wollen, fallen in Versuchung und Fallstricke des Teufels, und viele unnütze und schädliche Begierden, welche die Menschen in Untergang und Verderben stürzen, denn eine Wurzel aller Übel ist die Habsucht».<ref> 1 Tim. 6, 9.10. </ref>

Endlich ist noch zu bemerken, dass diese Begierde nach dem Gute des Nächsten eine Todsünde ist, wenn dasselbe ohne eine gerechte Ursache begehrt wird, wo dies nicht der Fall, ist sie eine lässliche Sünde.

Das zehnte Gebot: Du sollst nicht begehren deines Nächsten Frau

Der hl. Apostel Johannes schreibt in seinem ersten Briefe: «Alles, was in der Welt ist, ist Begierlichkeit des Fleisches, Begierlichkeit der Augen und Hoffart des Lebens».<ref> Joh. 2, 16. </ref> Somit besteht alles, was für den sinnlichen Menschen begehrenswert ist, in diesen drei Dingen. Zwei davon sind untersagt durch das Gebot: «Du sollst nicht begehren deines Nächsten Haus». Unter dem Worte «Haus» wird aber auch die irdische Größe verstanden, dem Ausspruch des Psalmisten gemäß: «Ruhm und Reichtum sind in seinem Haus».<ref> Ps. 112, 3. </ref> Wer somit das Haus des Nächsten begehrt, der begehrt seine Würden und Reichtümer. An dieses Gebot nun, welches das Haus des Nächsten zu begehren verbietet, schließt sich ein anderes an, wodurch die Begierlichkeit des Fleisches verboten wird, das Gebot nämlich: «Du sollst nicht begehren deines Nächsten Frau».<ref> Ex. 20, 17. </ref>

Weil aber unsere Natur durch die Erbsünde verderbt worden, so ist von der Begierlichkeit niemand frei, als allein Christus und die glorwürdige Jungfrau. Die Begierlichkeit selber aber kann entweder mit einer lässlichen, oder mit einer Todsünde verbunden sein. Letzteres ist dann der Fall, wenn sich der Mensch von ihr beherrschen lässt. Darum schreibt der hl. Paulus in seinem Briefe an die Römer: «Die Sünde herrsche nicht in eurem sterblichen Leibe».<ref> Röm. 6, 12. </ref> Er sagt nicht: die Sünde (d. h. die Begierlichkeit) sei nicht in eurem sterblichen Leibe, sondern: sie herrsche nicht in eurem sterblichen Leibe, bekennt er ja anderswo von sich selber: «Ich weiss, dass in mir, d. i. in meinem Fleische, nichts Gutes wohnt.» Es herrscht aber die Sünde im Fleische:

1. Wenn die Begierlichkeit mit unserer freien Einwilligung im Herzen herrscht, weshalb der Apostel gleich hinzufügt: «so dass ihr den Lüsten des Fleisches gehorcht». In diesem Sinne sagt auch der Heiland: «Wer eine Frau ansieht, um ihrer zu begehren, der hat schon im Herzen an ihr die Ehe gebrochen».<ref> Mt. 5, 28. </ref> Denn vor Gott gilt der Wille für die Tat selbst.

2. Es herrscht die Sünde in uns, wenn die böse Begierlichkeit in Worten sich kundgibt. Denn es heißt in der Schrift: «Aus der Fülle des Herzens redet der Mund»<ref> Mt. 12, 34. </ref> und an einer anderen Stelle: «Kein schlimmes Wort gehe aus eurem Mund hervor».<ref> Eph. 4, 29. </ref> Darum ist es auch sündhaft, eitle Gesänge zu dichten, selbst nach der Lehre der Philosophen, welche der Ansicht waren, dass Dichter, welche Liebesgedichte verfassten, aus dem Staate verbannt werden sollten.

3. Endlich herrscht die Sünde in uns, wenn die böse Begierlichkeit in Werken hervortritt, so dass man mit seinen Gliedern der Begierlichkeit dient. Darum ermahnt uns der Apostel: «Gleichwie ihr euere Glieder hingegeben habt dem Dienste der Unlauterkeit und der Gesetzlosigkeit zur Ungerechtigkeit, so gebet jetzt hin euere Glieder dem Dienste der Gerechtigkeit zur Heiligung».<ref> Röm. 6, 19. </ref>

Dieses also sind die drei Stufen der Begierlichkeit.

Es kostet aber eine große Anstrengung, um diese Sünde zu meiden, da sie inwendig in uns selbst ist. Denn der Sieg über einen einheimischen Feind ist weit schwerer, als der über einen äußeren Gegner. Dieser Sieg über die böse Begierlichkeit kann aber auf eine vierfache Art errungen werden.

1. Durch Flucht der äußeren Gelegenheit, wie z. B. schlechte Gesellschaften und überhaupt alles, was gelegentlich zu dieser Sünde verleiten kann. In Bezug hierauf heißt es in der Schrift: «Schaue nicht auf eine Jungfrau, damit ihre Schönheit dir nicht zum Falle werde... Schaue nicht umher in den Gassen der Stadt, und schweife nicht herum in den Straßen derselben. Wende dein Angesicht von einer schmucken Frau weg und schaue nicht auf die Schönheit einer Fremden. Durch die Schönheit einer Frau sind schon viele zugrunde gegangen und durch sie entbrennt die Lust, wie Feuer»<ref> Sir. 9, 5. f. </ref> und an einer anderen Stelle: «Kann wohl ein Mensch Feuer verbergen in seinem Busen, ohne dass seine Kleider verbrennen?»<ref> Spr. 6, 27. </ref> Darum erhielt auch Lot den Befehl, aus der ganzen Umgegend von Sodoma zu fliehen.

2. Durch Ausschlagen der bösen Gedanken, weil sie sonst die Begierlichkeit aufregen. Den Zugang aber verwehrt man ihnen dadurch, dass man das Fleisch züchtigt. Darum schreibt der Apostel: «Ich züchtige meinen Leib und bringe ihn zur Dienstbarkeit, damit ich nicht, nachdem ich anderen gepredigt habe, selbst verworfen werde».<ref> 1 Kor. 9, 27. </ref>

3. Durch Gebetseifer, denn «wenn der Herr die Stadt nicht behütet, so wachen die Wächter umsonst» und «ich wusste», heißt es im Buch der Weisheit, «dass ich anders nicht enthaltsam sein könnte, wenn nicht Gott es gäbe».<ref> Weish. 8, 21. </ref> Diese Wahrheit bestätigt auch der Heiland selber mit den Worten: «Diese Art Geister wird nicht ausgetrieben, außer durch Gebet und Fasten».<ref> Mt. 17, 20. </ref> Wenn zwei miteinander kämpfen, und du willst den einen unterstützen, den anderen aber nicht, so musst du dem ersten Hilfe leisten, dem anderen dagegen sie entziehen. Zwischen Geist und Fleisch nun herrscht ein beständiger Kampf. Willst du nun, dass der Geist beständig siege, so musst du ihm Hilfe gewähren. Dies aber geschieht durch das Gebet. Dem Fleisch aber musst du die Hilfe entziehen und dies geschieht durch Fasten, denn durch Fasten wird das Fleisch geschwächt.

4. Durch stete nützliche Beschäftigung, denn «der Müßiggang lehrt viel Böses».<ref> Sir. 33, 29. </ref> «Siehe», sagt der Prophet Ezechiel, «dies war die Schuld Sodomas, deiner Schwester: Hochmut, Genüge an Brot, und Überfluss und Müßiggang, bei ihr und ihren Töchtern».<ref> Ez. 16, 49. </ref> Darum schreibt auch der hl. Hieronimus: «Tu' immer etwas Gutes, damit der Teufel dich stets beschäftigt finde». Die beste aller Beschäftigungen aber ist das Studium der heiligen Schriften, weshalb derselbe Kirchenvater an Paulinus schreibt: «Liebe das Studium der heiligen Schriften, und du wirst die Laster des Fleisches nicht lieben.»

Das nun sind die zehn Gebote, von denen der Herr sagt: «Willst du in's Leben eingehen, so halte die Gebote».<ref> Mt. 19, 17. </ref> Die zwei Wurzeln aller Gebote sind die Liebe Gottes und des Nächsten. Der Gottliebende muss aber ein dreifaches tun: erstens darf er keinen anderen Gott haben und mit Bezug hierauf heißt es: "Du sollst keine fremden Götter ehren.» Zweitens muss er Gott ehren, und in Bezug hierauf heißt es: "Du sollst den Namen deines Gottes nicht eitel nennen.» Drittens muss er gern in Gott ruhen, und in Bezug hierauf heißt es: «Gedenke, dass du den Sabbat heiligst.» Wer aber den Nächsten lieben will, muss ihm vorerst die gebührende Ehre erweisen, und deshalb heißt es: Du sollst Vater und Mutter ehren.» Zweitens darf er ihm nichts Böses zufügen und zwar nicht in Werken, weshalb es heißt: «Du sollst nicht töten» - ein Unrecht, das man ihm an seiner eigenen Person zufügt, - ferner: «Du sollst nicht ehebrechen» - ein Unrecht, das man ihm an der mit ihm verbundenen Person zufügt, - endlich: «Du sollst nicht stehlen» - ein Unrecht, das man ihm an seinen äußeren Gütern zufügt. Desgleichen nicht durch Worte, weshalb es heißt: «Du sollst nicht falsches Zeugnis geben»; endlich auch nicht in Gedanken und in Bezug hierauf heißt es: «Du sollst nicht begehren deines Nächsten Gut», und «Du sollst nicht begehren deines Nächsten Frau.»

Anmerkungen

<references />

Mögliche Quelle