Erste Rundfunkbotschaft von Papst Johannes XXIII. (Wortlaut)

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Erste Rundfunkbotschaft

von Papst
Johannes XXIII.

30. Oktober 1958

(Quelle: Herder-Korrespondenz, Herder Verlag, Dreizehnter Jahrgang 1958/59; Drittes Heft, Dezember 1958, S. 114-115)

Allgemeiner Hinweis: Was bei der Lektüre von Wortlautartikeln der Lehramtstexte zu beachten ist


In der ersten Rundfunkbotschaft "Urbi et Orbi" am 30. Oktober 1958, wandte sich Papst Johannes XXIII, zum ersten Mal in einer kurzen lateinischen Ansprache über den Rundfunk an die ganze Welt:

"In dieser erschütternden Stunde, in der Uns nach dem Hingang Unseres um die katholische Kirche hochverdienten Vorgängers erhabenen Andenkens, Pius' XII., die schwere Last des Höchsten Hirtenamtes nach dem unerforschlichen Ratschluß des Allwissenden Gottes auferlegt worden ist und Uns niederdrückt und fast zerbricht, flehen Wir vor allem inständig zu Gott, er möge in seiner unendlichen Güte Unsere Schwäche und Gebrechlichkeit stärken, Unsern Geist erleuchten und Unsern Willen aufrichten.

So dann umarmen Wir voll Liebe Unsere geliebten Söhne im Heiligen Kollegium, deren glänzende Gaben und Tugenden Wir kennen; vor allem diejenigen, die Wir mit Schmerzen fern von Uns wissen und deren Leiden und Nöte Uns so tief berühren.

Ferner drängt es Uns, all Unsern Ehrwürdigen Brüdern im Episkopat, die sich auf der ganzen Welt mühen, den Weinberg des Herrn zu bestellen, Unser väterliches Wohlwollen und Unsere Liebe auszudrücken.

Auch die Priester können Wir nicht mit Schweigen übergehen, die als Verwalter der göttlichen Geheimnisse wirken, insbesondere die Missionare, die Verkünder des göttlichen Wortes, die keine Mühe scheuen, die Wahrheit des Evangeliums in fernen Ländern zu verbreiten; die Ordensleute beiderlei Geschlechts, die der Kirche mit Eifer und Verständnis dienen; die friedliche Kampfschar der Katholischen Aktion, die unter Leitung des Episkopats vorgeht, und alle die anderen, die irgendwie dem hierarchischen Apostolat helfen: jeden einzelnen von ihnen segnen Wir mit ergriffenem Herzen.

Für alle schließlich, die Unsere Kinder in Christus sind, insbesondere die Armen oder vom Kummer Bedrückten, erflehen und erbitten Wir von Gottes Güte, er möge jedem und allen die nötige Hilfe und den göttlichen Trost in reichem Maße gewähren.

Unter Unsern Kindern sind Unserem Herzen besonders die Venetianer teuer, bei denen Wir das Hirtenamt ausgeübt haben, und die Leute in der Diözese Bergamo, wo Wir das Licht der Welt erblickten. Wenn Wir ihnen auch fern sind, in der Liebe Jesu Christi sind Wir doch stets dort gegenwärtig und werden es immer sein; und Wir setzen besonderes Vertrauen in ihre Bitten, die mit den Unsern vereint zu Gott emporsteigen, um die himmlischen Gnaden zu erwirken.

In besonderer Weise wendet sich Unser Geist jenen Bischöfen, Priestern, Ordensleuten und allen Gläubigen zu, die unter den Völkern leben, wo dem katholischen Glauben keine oder nicht die volle Freiheit gewährt wird, wo die heiligen Rechte der Kirche mit Füßen getreten werden und ihre rechtmäßigen Oberhirten entweder in die Verbannung geschickt oder zu Zwangsaufenthalt verurteilt sind oder verhindert werden, ihr Amt frei, wie es sich gehört, auszuüben. Sie alle sollen wissen, dass Wir ihre Leiden, ihre Sorgen, ihre Bitternisse teilen; Wir flehen Gott, den Geber alles Guten, inständig an, er möge den unmenschlichen Verfolgungen ein Ende machen, die nicht nur dem echten Frieden und Wohlergehen jener Völker, sondern auch der modernen Zivilisation und den längst erworbenen Menschenrechten widerstreiten. Möge Gott die Lenker jener Nationen mit göttlichem Licht erleuchten, möge er den Verfolgern vergeben, möge er allen den Genuß der rechtmäßigen Freiheit wiederschenken und ihnen bessere und glücklichere Zeiten verleihen.

Wir umarmen die gesamte Kirche des Ostens genauso wie die des Westens mit warmer väterlicher Liebe; und auch jenen, die von diesem Apostolischen Stuhl getrennt sind, wo Petrus in seinen Nachfolgern ,bis zum Ende der Welt' lebt (Matth. 28, 20) und den Auftrag Christi ausführt, alles auf Erden zu binden und zu lösen (Matth. 16,19) und die gesamte Herde des Herrn zu weiden (Joh. 21,15-17), auch jenen öffnen Wir voll Liebe Unser Herz und Unsere Arme. Wir wünschen glühend ihre Heimkehr in das Haus des gemeinsamen Vaters, und Wir wiederholen die Worte des Erlösers: ,Heiliger Vater, bewahre sie in Deinem Namen, die Du mir gegeben hast; laß sie eins sein, wie Wir eins sind' (Joh. 17, 11). So möge ,eine Herde und ein Hirt' werden (Joh. 10, 16). Wir beten, dass sie alle freiwillig kommen mögen; und möge es mit Gottes Hilfe bald geschehen. Sie werden kein fremdes Haus finden, sondern ihr eigenes, eben jenes, das ihre Väter von alters her mit ihrer Lehre erleuchtet und mit ihrer Tugend geschmückt haben.

Jetzt aber sei es Uns erlaubt, Uns an die Anführer aller Nationen zu wenden, in deren Hand die Geschicke der einzelnen Völker, ihre Zukunft, ihre Hoffnung liegen. Warum legt man nicht endlich die Streitigkeiten und Spannungen in gerechter Weise bei? Warum benutzt man den menschlichen Geist und die Reichtümer lieber, um Waffen herzustellen - furchtbare Werkzeuge des Todes und der Zerströrung -, als dass man sie zur Hebung des Wohlstands aller Völker, besonders aber der notleidenden, verwendet? Wir wissen wohl, dass der Verwirklichung dieser guten Absichten und der Beilegung der Streitigkeiten gewaltige Schwierigkeiten entgegenstehen, aber sie müssen überwunden werden, denn es handelt sich dabei um die entscheidendsten Fragen, die mit dem Glück des ganzen Menschengeschlechts aufs engste verbunden sind. Macht euch darum mit Vertrauen und Mut ans Werk, und das Licht von oben möge euch erleuchten, die Hilfe Gottes euch beistehen. Schaut auf die euch anvertrauten Völker, hört auf ihre Stimmen. Was verlangen sie, was erflehen sie von euch? Nicht neue Monsterwaffen, die unsere Zeit ängstigen und die Ursache von Brudermord und allgemeiner Vernichtung werden können, sondern Frieden. Frieden, in dem die ganze Menschheitsfamilie frei leben, wachsen und blühen kann; Gerechtigkeit, die endlich die Rechte und Pflichten der verschiedenen GeseIlschaftsklassen in gerechter Weise regelt; schließlich Ruhe und Eintracht, damit endlich ein Wohlstand, der diesen Namen verdient, daraus hervorgehen kann. Nur in einem Frieden, in dem die rechtmäßigen Ansprüche jedes einzelnen geschützt sind und der von brüderlicher Liebe getragen ist, entfalten sich die Künste, vereinigen sich alle Fähigkeiten zum Guten, wachsen die öffentlichen und privaten Reichtümer. Man kennt die Gedanken großer Männer hierüber: der Friede ist ,die geordnete Eintracht der Völker' (Augustinus, De Civ. Dei, 1. XIX, c. 13); ,Friede ist die Ruhe der Ordnung' (ebd.; und Thomas, lI-lI, 29, 1 ad 1); und ,das Wort Friede ist süß und die Sache selber heilsam; aber zwischen Frieden und Knechtschaft liegt eine Welt. Frieden ist ruhige Freiheit' (Cicero, Philip. II, 44).

Doch muss man ernstlich bedenken, was die Engel über der Wiege des göttlichen Kindes sangen: ,Ehre sei Gott in der Höhe und Frieden auf Erden den Menschen, die guten Willens sind' (Luk. 2, 14). Denn es gibt keinen wahren Frieden für die Bürger, die Völker, die Rassen, wenn er nicht zuerst ihren Seelen geschenkt wird. Es kann keinen äußeren Frieden geben, wenn er nicht den inneren Frieden widerspiegelt, wenn er nicht von jenem Frieden geleitet wird, ohne den alles schwankt und zu fallen droht. Einzig der Glaube an den heiligsten Gott kann ihn also stützen, erhalten und festigen. Daran müssen sich die erinnern, die den Namen Gottes ablehnen, seine heiligen Rechte mit Füßen treten und sich alle Mühe geben, die Menschen davon abzubringen, ihn zu verehren. In dieser ernsten Stunde wiederholen Wir die Worte Christi: ,Den Frieden hinterlasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch' (Joh. 14,27).

Dieses wahren und vollen Friedens und aller anderen himmlischen Gaben sei der Apostolische Segen, den Wir ,Urbi et Orbi' mit glühender Liebe erteilen, Vorzeichen und Vermittler."