Brief an Bischof Le Camus (Wortlaut)
von Papst
Pius X.
an Bischof Le Camus über die Heilige Schrift
(Quelle: Papst Pius X. und das Bibelstudium und andere Aktenstücke, lateinisch-deutsch, S. 45-55, Verlag Ferdinand Schöningh Paderborn 1906; Kirchliche Druckerlaubnis Paderborn, den 24. Juli 1906 Das bischöfliche Generalvikariat Schnitz)
Allgemeiner Hinweis: Was bei der Lektüre von Wortlautartikeln der Lehramtstexte zu beachten ist |
Wir urteilen, dass Ihre neue Publikation über das Werk der Apostel, in drei Bänden, den Zweck nicht besser erreichen könne, und Wir sind ihnen dankbar, dass Sie Uns dieselbe gewidmet haben.
Man darf nicht mehr der geringsten Illusion hingeben über eine nunmehr evidente Tatsache, dass nämlich die Verachtung, ja der Hass gegen den Glauben und die Sitten der wahren Christen in so trauriger Weise sich in unseren Tagen steigern, dass wir in nur allzu großer Zahl Männer sich bemühen sehen, im privaten oder öffentlichen Leben die ganze Schande des heidnischen Altertums zu Ehren zu bringen. Was konnte man erfolgreicher ersinnen, um ein so großes Übel zurückzudrängen, als einer Welt, die altert und in Verfall gerät, die Beschreibung der jungen Kirche dazubieten und so, indem man das zeigte, was unsere Väter getan und gesagt haben, in den Seelen den heiligen Eifer zu wecken, den zu entfalten notwendig ist, um auf die gegen die weisen Lehren und die Kraft der christlichen Religion gerichteten Angriffe zu antworten?
Dieses ist unstreitig das Ziel Ihrer Arbeit, in der Sie die Anfänge des Christentums in der Weise studieren, dass Sie sich nicht nur als Mann von Gelehrsamkeit und klarsehender Fachkenntnis zeigen, sondern auch völlig durchdrungen von jener Pietät, die die alten Zeiten charakterisiert.
Das, was ferner in Ihrer Arbeit besonders des Lobes würdig ist, ist, dass Sie in Ihrer Art, die heiligen Texte auszulegen, mit Achtung vor der Wahrheit und mit Ehrfurcht vor der katholischen Lehre, dem Wege zu folgen gesucht haben, von dem man unter der Leitung der Kirche niemals abweichen darf. In derselben Weise, in der Tat, wie man die Verwegenheit derjenigen verurteilen muss, die sich verleiten lassen, viel mehr dem Geschmacke der Neuheit zu folgen, als der Unterweisung der Kirche, und nicht zaudern, auf kritische Prozesse von einer ausschweifenden Freiheit zu rekurrieren, geziemt es sich ebenso, die Stellung derjenigen zu missbilligen, die auf keine Weise wagen, mit der bis vor kurzem herrschenden Schriftexegese zu brechen, auch wenn unter der Wahrung der Unversehrtheit des Glaubens der weise Fortschritt der Studien sie einlädt, es herzhaft zu tun.
Sie gehen glücklich zwischen diesen zwei Extremen. Durch das Beispiel, das sie geben, beweisen sie, dass für unsere heiligen Bücher nichts zu fürchten ist von dem wahren Fortschritt, der durch die kritische Wissenschaft realisiert wird, und dass man vielmehr für selbige Bücher großen Vorteil haben kann, indem man zu den Erkenntnissen rekurriert, die durch diese Wissenschaft gebracht werden. Und in der Tat, das ist jedes Mal der Fall, wenn man mit Klugheit und weiser Unterscheidung, wie wir konstatieren, dass sie es selbst getan haben, davon Gebrauch zu machen weiß. Es liegt demnach nichts Überraschendes in dem großen Erfolge, den der erste Band Ihrer fein durchgearbeiteten Studie seit seinem Erscheinen in der Gelehrtenwelt erlangt hat, und es ist kein Zweifel, dass dieselben kompetenten Richter Ihrem kompletten Werke Gerechtigkeit widerfahren lassen werden.
Was Uns angeht, Ehrwürdiger Bruder, so beglückwünschen wir Sie von ganzen Herzen und haben den heißesten Wunsch, dass viele Leser aus Ihrer so bedeutsamen Arbeit alle jene Früchte ziehen, die man mit Recht davon erwartet. Als Unterpfand der göttlichen Huld und als ein Zeugnis Unserer Zuneigung erteilen wir, voll Zärtlichkeit im Herrn, Ihnen, Ihrem Klerus und Ihrem Volke Unseren Apostolischen Segen.
im dritten Jahr Unseres Pontifikates