Augustinus von Hippo: Vom Glauben und von den Werken: Unterschied zwischen den Versionen

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Quelle: Des heiligen [[Kirchenvater]]s Aurelius Augustinus ausgewählte Schriften, aus dem [[Lateinisch]]en übersetzt (Des heiligen Kirchenvaters Aurelius Augustinus ausgewählte Schriften Bd. 8; [[Bibliothek der Kirchenväter]], 1. Reihe, Band 49) [[Kösel Verlag|J. Kösel]] & [[Friedrich Pustet Verlag|F. Pustet]] Kempten-München 1925 (S. 316-384). Unter der Mitarbeit von: Patrick Huser.
 
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Über diese drei Fragen glaube ich nun genug gesagt zu haben. Ich habe dabei gezeigt, daß man in der Kirche die bösen Menschen ertragen müsse, doch so, daß darunter die kirchliche Zucht nicht leiden muß. Ferner habe ich gezeigt, daß der Taufunterricht so zu geben sei, daß man den Kompetenten nicht bloß das zu hören gibt, was sie glauben müssen, sondern auch, wie sie zu leben haben. Sie müssen davon überzeugt werden, daß den Gläubigen das ewige Leben nur so versprochen wird, daß keiner zu der Meinung kommen kann, er vermöchte auch durch einen bloß toten Glauben, der ohne Werke nicht retten kann, zu diesem Leben gelangen, sondern einzig und allein durch jenen von Gottes Gnaden geschenkten Glauben, der durch die Liebe wirksam ist . Man beschuldige also nicht treue Ausspender wegen ihrer [vermeintlichen] trägen Nachlässigkeit, sondern man beschuldige lieber die Verstocktheit gewisser Menschen, die das [echte] Geld des Herrn nicht annehmen, dafür aber die Diener des Herrn zwingen wollen, ihr falsches Geld auszugeben. Und dabei wollen sie nicht einmal bloß solche Bösewichter sein, wie der heilige Cyprian erwähnt, die der Welt wenigstens mit Worten, wenn auch nicht in der Tat widersagen: denn sie weigern sich sogar, den Werken des Teufels auch nur mit Worten zu widersagen, da sie ja ganz offen erklären, in ihrem Ehebruch [auch nach der Taufe] verharren zu wollen. — Wenn diese Leute vielleicht noch einen Einwurf zu machen pflegen, den ich in dieser Abhandlung nicht berührt habe, so hielt ich eine Antwort darauf für überflüssig, weil er entweder mit unserer Frage nichts zu tun hatte oder weil er so geringfügig war, daß er von jedermann selber leicht widerlegt werden kann.
 
Über diese drei Fragen glaube ich nun genug gesagt zu haben. Ich habe dabei gezeigt, daß man in der Kirche die bösen Menschen ertragen müsse, doch so, daß darunter die kirchliche Zucht nicht leiden muß. Ferner habe ich gezeigt, daß der Taufunterricht so zu geben sei, daß man den Kompetenten nicht bloß das zu hören gibt, was sie glauben müssen, sondern auch, wie sie zu leben haben. Sie müssen davon überzeugt werden, daß den Gläubigen das ewige Leben nur so versprochen wird, daß keiner zu der Meinung kommen kann, er vermöchte auch durch einen bloß toten Glauben, der ohne Werke nicht retten kann, zu diesem Leben gelangen, sondern einzig und allein durch jenen von Gottes Gnaden geschenkten Glauben, der durch die Liebe wirksam ist . Man beschuldige also nicht treue Ausspender wegen ihrer [vermeintlichen] trägen Nachlässigkeit, sondern man beschuldige lieber die Verstocktheit gewisser Menschen, die das [echte] Geld des Herrn nicht annehmen, dafür aber die Diener des Herrn zwingen wollen, ihr falsches Geld auszugeben. Und dabei wollen sie nicht einmal bloß solche Bösewichter sein, wie der heilige Cyprian erwähnt, die der Welt wenigstens mit Worten, wenn auch nicht in der Tat widersagen: denn sie weigern sich sogar, den Werken des Teufels auch nur mit Worten zu widersagen, da sie ja ganz offen erklären, in ihrem Ehebruch [auch nach der Taufe] verharren zu wollen. — Wenn diese Leute vielleicht noch einen Einwurf zu machen pflegen, den ich in dieser Abhandlung nicht berührt habe, so hielt ich eine Antwort darauf für überflüssig, weil er entweder mit unserer Frage nichts zu tun hatte oder weil er so geringfügig war, daß er von jedermann selber leicht widerlegt werden kann.
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== Weblinks ==
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* [https://bkv.unifr.ch/de/works/cpl-294/versions/vom-glauben-und-von-den-werken-bkv/divisions/2 Vom Glauben und von den Werken (De fide et operibus)] in der [[Bibliothek der Kirchenväter]]
  
 
[[Kategorie: Kirchenlehrerschriften im Wortlaut]]
 
[[Kategorie: Kirchenlehrerschriften im Wortlaut]]
 
[[Kategorie: Christliche Schriften]]
 
[[Kategorie: Christliche Schriften]]

Aktuelle Version vom 7. Februar 2023, 10:25 Uhr

De fide et operibus

(Vom Glauben und von den Werken)

des Kirchenlehrers: Augustinus von Hippo

Quelle: Des heiligen Kirchenvaters Aurelius Augustinus ausgewählte Schriften, aus dem Lateinischen übersetzt (Des heiligen Kirchenvaters Aurelius Augustinus ausgewählte Schriften Bd. 8; Bibliothek der Kirchenväter, 1. Reihe, Band 49) J. Kösel & F. Pustet Kempten-München 1925 (S. 316-384). Unter der Mitarbeit von: Patrick Huser.

Kirchenfenster mit Fantasiebild des heiligen Augustinus im Kölner Dom

Inhaltsverzeichnis

1. Kapitel: Darlegung der falschen Lehre, die Augustinus mit der vorliegenden Abhandlung zurückweisen will

1. Es gibt Leute, die für eine unterschiedslose Zulassung aller zum Bade der Wiedergeburt in Christus Jesus unserm Herrn sind, selbst wenn diese ein ganz abscheuliches und durch völlig offenkundige, schändliche Verbrechen gebrandmarktes Leben nicht ändern wollen, sondern sogar ungescheut erklären, sie wollten diesen Wandel auch noch weiterhin beibehalten. Wenn einer beispielsweise an einer Dirne hängt, so solle man von ihm nicht verlangen, dieses Weib vor allem zu verlassen und erst dann zur Taufe zu kommen, sondern obgleich er sein Verhältnis nicht aufgibt, vielmehr zu seiner Fortsetzung entschlossen ist und sich zu dieser Absicht sogar offen erklärt, so solle man ihn doch zur Taufe zulassen und ihn nicht daran hindern, auch als hartnäckiges Glied einer Buhlerin ein Glied Christi zu werden : nachträglich solle er dann allerdings über die Schwere seiner Sünde aufgeklärt und nach der Taufe über die Notwendigkeit einer Lebensbesserung unterrichtet werden. Sie halten es nämlich für verkehrt und für unzeitig, einen zuerst über das Wesen des christlichen Wandels zu belehren und ihn erst dann zu taufen; sie sind vielmehr der Ansicht, die Spendung des Taufsakramentes müsse vorangehen und erst dann habe der Unterricht über das sittliche Leben zu folgen; wolle einer dann in Treue ein solches Leben führen, so handle er zu seinem Nutzen; aber selbst wenn er sich dazu nicht herbeilasse, so werde er trotz seines Verharrens in jeglicher Freveltat und Unzucht gerettet werden, wenn er nur den christlichen Glauben festhalte, ohne den er freilich auf ewig zugrunde gehen würde. Seine Rettung aber werde wie durch Feuer erfolgen, da er ja ein Mensch sei, der auf das Fundament Christus nicht Gold und Silber und Edelsteine, sondern nur Holz und Heu und Stoppeln auf erbaut habe , d. h. nicht gerechte und keusche, sondern ungerechte und unzüchtige Sitten.

2. Zu dieser Behauptung scheint sie der Brauch veranlaßt zu haben, daß Männer, die sich nach Entlassung ihrer Frau, oder Frauen, die sich nach Entlassung ihres Mannes wieder verhexraten, nicht zur Taufe zugelassen werden da ja dies nach dem unzweifelhaften Zeugnis Christi des Herrn nicht eine eheliche Verbindung, sondern ein Ehebruch ist . Da sie nun einerseits nicht leugnen konnten, daß das ein wirklicher Ehebruch sei, was die [ewige] Wahrheit ganz deutlich als solchen erklärte, und da sie anderseits doch auch denen wieder zur Taufe verhelfen wollten, die sie von so starken Fesseln umstrickt sahen, daß sie im Falle einer Zurückweisung von der Taufe lieber überhaupt ohne jedes Sakrament leben und sogar sterben wollten, als das Band des Ehebruches zu zerreißen und so frei zu werden: so gaben sie einer Anwandlung menschlichen Mitleidens nach und nahmen sich der Sache dieser Unglücklichen in der Weise an, daß sie nicht bloß für ihre, sondern auch für die Zulassung aller schändlichen Verbrecher stimmten. Diese brauchten dabei durch keine Abweisung gestraft, durch keine Unterweisung auf einen guten Weg gebracht und durch keine Buße gebessert zu sein. Denn würden diese Menschen nicht getauft, so müßten sie nach der Ansicht ihrer Fürsprecher auf ewig zugrunde gehen, einmal aber getauft, würden sie trotz ihres Verharrens in jenen Sünden durch Feuer gerettet werden.

2. Kapitel: Das Beispiel des Moses und des Apostels Paulus zeigt, daß trotz der Vermischung von Guten und Bösen in der Kirche die Strafe der Absetzung und Exkommunikation berechtigt ist

3. Wenn ich nun Leuten, die solches lehren, antworte, so stelle ich zu allererst die Berechtigung in Abrede, solche Zeugnisse der Heiligen Schrift, welche die Vermischung der Guten und Bösen in der Kirche für die Gegenwart anzeigen oder für die Zukunft vorhersagen, so aufzufassen, daß sich jemand für gänzliche Aufhebung und Preisgabe einer strengen und sorgfältigen Beobachtung der kirchlichen Zucht ausspricht. Denn eine solche Meinung hat er nicht aus den heiligen Büchern gelernt, sondern die hat er sich auf Grund seines eigenen Gutdünkens fälschlich gebildet. Moses z. B. der Diener Gottes, ertrug zwar eine solche Vermischung beim ersten Volke sehr geduldig und doch bestrafte auch er viele mit dem Schwerte , und auch der Priester Phinees zückte sein zürnendes Schwert gegen diejenigen, die er auf dem Ehebruch ertappte . Da aber unter den Zuchtmitteln der Kirche das sichtbare Schwert verschwinden sollte, so sollen offenbar in unseren Tagen solche Strafen durch Absetzung und durch Exkommunikation ersetzt werden . Auch der heilige Apostel [Paulus], der doch inmitten falscher Brüder so geduldig seufzt und sogar gestattet, daß einige Christum predigen, obwohl sie vom Stachel eines teuflischen Neides gequält werden , glaubt den nicht schonen zu dürfen, der sich das Weib seines Vaters zur Frau genommen hat . Er läßt ihn vielmehr vor versammelter Gemeinde dem Satan zum Verderben des Fleisches übergeben, damit wenigstens seine Seele am Tage der Ankunft des Herrn Jesus gerettet werde. Ebenso hat er auch andere dem Satan übergeben, auf daß sie es lernten nicht zu lästern . Oder sagt er wohl umsonst: “Ich habe euch in meinem Brief geschrieben, mit schamlosen Menschen nicht zu verkehren, d.h. nicht mit allen Unzüchtigen, Habsüchtigen, Räubern oder Götzendienern der ganzen Welt überhaupt; da müßtet ihr ja wohl aus der Welt hinausgehen. Vielmehr, wenn ein Bruder [ein Christ], so schrieb ich euch, schamlos ist oder ein Götzendiener, oder habsüchtig oder ein Lästerer, ein Trunkenbold oder ein Räuber, so sollt ihr mit ihm nicht einmal zu Tische sitzen. [Andere Leute hatte ich nicht im Sinne.] Denn woher käme mir ein Urteil über solche zu, die außerhalb unserer Kirche stehen? Richtet nicht auch ihr nur über Gemeindemitglieder? Das Urteil über die Außenstehenden [die Heiden] wird Gott fällen. Böses aber sollt ihr von euch selbst entfernen . Hiebei verstehen einige die Worte”von euch selbst" so, daß jeder einzelne von seiner Person das Böse entfernen soll, d.h. daß er für sich selbst gut sei. Aber mag man’s verstehen wie man will, ob so, daß dank der Strenge der Kirche die Bösen durch Exkommunikation gebessert werden sollen, oder so, daß jeder durch Strafe und Besserung das Böse von sich selbst entferne, jedenfalls hat die oben angeführte Stelle keinen zweifelhaften Sinn, wo er eine Gemeinschaft mit solchen Brüdern verbietet, die einem von den erwähnten Lastern frönen, also bekannte und berüchtigte Übeltäter sind.

3. Kapitel: Der Apostel Paulus und der Herr selbst mahnen, aus Bruderliebe einen Fehlenden unter Umständen auch zu bestrafen

In welcher Gesinnung der Liebe aber jene barmherzige Strenge angewendet werden soll, das drückt der Apostel nicht bloß an der Stelle aus, wo er sagt: „damit die Seele am Tage der Ankunft des Herrn Jesus gerettet werde „, sondern das zeigt er auch ganz deutlich dort, wo er spricht: „Wenn aber jemand unsern in diesem Briefe niedergelegten Worten nicht gehorcht, den merkt euch und habt keine Gemeinschaft mit ihm, damit er beschämt werde; doch meine ich nicht, daß ihr ihn als Feind betrachten sollt: vielmehr weist ihn zurecht als euren Bruder !“

4. Auch der Herr, dieses unerreichte Vorbild der Geduld, der sogar unter seinen zwölf Aposteln bis zur Stunde seines Leidens einen Teufel duldete , hat gesprochen: „Laßt beides wachsen bis zur Ernte, damit ihr nicht, indem ihr das Unkraut sammeln wollt, zugleich auch den Weizen mitausreißt !„ Er hat aber auch in dem bekannten Gleichnis von der Kirche vorhergesagt, daß die Netze bis ans Ufer, d.h. nämlich bis ans Ende der Welt, gute und schlechte Fische haben werden . So hat er noch mancherlei über die Vermischung der Guten und Bösen bald in klaren Worten, bald in Gleichnissen gesprochen; und doch glaubte er deshalb nicht, man dürfe die Zucht in der Kirche aufgeben. Nein, im Gegenteil: er fordert vielmehr zu ihrer Handhabung auf mit den Worten: “Sehet zu! Wenn dein Bruder gegen dich gesündigt hat, so gehe hin und weise ihn unter vier Augen zurecht. Hört er auf dich, so hast du deinen Bruder gewonnen. Hört er aber nicht auf dich, so nimm noch einen oder zwei mit dir, damit jedes Wort im Munde zweier oder dreier Zeugen liege. Wenn er auf diese gleichfalls nicht hört, so sage es der Kirche; falls er nun aber auch auf die Kirche nicht hört, so sei er dir wie ein Heide oder wie ein Zöllner „. An diese Worte fügt er einen vollgültigen Grund zur Furcht vor jener Strenge bei, indem er sagt: Was ihr löset auf Erden, das wird gelöst sein auch im Himmel, und was ihr bindet auf Erden, das wird gebunden sein auch im Himmel .“ Er verbietet auch, das Heilige den Hunden vorzuwerfen . Es besteht aber kein Widerspruch zwischen dem Apostel und dem Herrn, wenn Paulus sagt: „Die Sünder weise in Gegenwart aller zurecht, damit die übrigen Furcht bekommen !„, während Christus befiehlt: „Weise ihn zurecht unter vier Augen !“ Denn beides muß man tun, je nachdem es die verschiedene Krankheit derjenigen verlangt, deren Behandlung wir nicht zu ihrem Verderben, sondern zu ihrer liebevollen Besserung übernommen haben; es braucht aber dabei für einen jeden Menschen einen eigenen Weg der Heilung. So gibt es auch in der Kirche Gründe, einen Bösen manchmal zu dulden, als ob man ihn gar nicht sähe, und umgekehrt gibt es wieder Gründe, ihn durch Strafe zurechtzuweisen, ihn gar nicht zuzulassen oder ihn aus der kirchlichen Gemeinschaft wieder auszuschließen.

4. Kapitel: Ungesunde Übertreibung richtiger Grundsätze war schon oft die Ursache von Irrlehren

5. Menschen, die das rechte Maß nicht einzuhalten wissen, geraten auf Irrwege, und wenn sie einmal einseitig abschüssige Bahnen zu betreten angefangen haben, dann schauen sie gar nicht mehr auf die Beweisstellen der Heiligen Schrift; und doch bekämen sie dadurch die Möglichkeit, von ihrer falschen Meinung abzukommen und sich einer aus den dafür und dagegen sprechenden Schriftworten gemischten Wahrheit und Mäßigkeit zu erfreuen. Dies gilt nicht bloß von der eben angeregten Frage, sondern auch noch von vielen anderen.

Manche sahen z. B. nur auf diejenigen Stellen der Heiligen Schrift, welche die Verehrung des einen Gottes einschärfen und hielten die Person, die nur Sohn ist, zugleich auch für den Vater und den Heiligen Geist. Andere wiederum litten sozusagen an der gegenteiligen Krankheit: sie achteten nur auf diejenigen Schriften, worin die Dreiheit der Personen erklärt wird, konnten aber nicht verstehen, wie es denn nur einen Gott geben könne, während doch der Vater nicht der Sohn und der Sohn nicht der Vater und der Heilige Geist weder Vater noch Sohn sei. Sie glaubten darum auch eine Verschiedenheit im Wesen behaupten zu müssen. — Es gab dann auch solche, die auf jene Stellen der Heiligen Schrift schauten, die ein Lob der Jungfräulichkeit enthielten: solche Leute verwarfen natürlich die Ehe. Andere hinwieder hatten es auf diejenigen Zeugnisse abgesehen, durch welche die Keuschheit der Ehe gerühmt wird, und hielten Ehestand und Jungfräulichkeit für gleichwertig. — Da einige lasen: “Es ist gut, Brüder, kein Fleisch zu essen und keinen Wein zu trinken” und einiges Ähnliche, so hielten sie das von Gott Geschaffene, und beliebige Speisen für unrein Andere dagegen lasen: „Alles was Gott geschaffen hat, ist gut und nichts von dem darf man verwerfen, was mit Danksagung genossen wird ": und darum ließen sie sich zu Gefräßigkeit und Trunksucht hinreißen; denn sie vermochten sich von den einen Lastern nicht frei zu halten ohne daß nicht auf der anderen Seite ebenso große, ja vielleicht noch größere an ihre Stelle traten.

6. Auch in dem Falle, den wir gerade behandeln sehen manche nur auf jene strengen Gebote, die uns ermahnen, Ruhestörer zurechtzuweisen, das Heilige nicht den Hunden vorzuwerfen, einen Verächter der Kirche den Heiden gleichzuachten und ein Glied, das uns ärgert, von der Verbindung mit dem Körper zu trennen. Solche Leute bringen aber Unruhe in die Kirche, da sie schon vor der Zeit das Unkraut aussondern wollen und so blind in ihren Irrtum verrannt sind, daß sie sich lieber selbst von der Einheit mit Christus trennen. Dieser Fall liegt beispielsweise in unserm Streit gegen das Schisma des Donatus vor: wir meinen dabei nicht diejenigen Donatisten, die es mit dem durch unwahre und verleumderische Beschuldigungen angegriffenen [Bischof] Caecilianus halten und nun aus todbringender Scham ihre verderbliche Ansicht nicht aufgeben wollen, sondern wir meinen jene Donatisten, denen wir zurufen dürfen: “Selbst wenn diejenigen wirklich böse gewesen wären, deretwegen ihr euch von der Kirche getrennt habt, so hättet ihr doch jene, die ihr weder bessern noch auch aus der Kirche ausschließen konntet, ertragen sollen und selber in der Kirche bleiben müssen.” So aber gleichen sie ungestümen Eiferern, die das Unkraut schon vor der Reife des Getreides absondern wollten und die wegen dieses Übereifers sich sogar von ihren geduldigeren Mitbrüdern trennten.

Wieder andere laufen von der entgegengesetzten Seite her Gefahr: Sie wissen gar wohl, daß die Vermischung der Guten und Bösen in der Kirche uns deutlich vorhergesagt ist und sie kennen auch die Gebote der Geduld, “die uns so stark machen, daß wir trotz des Unkrautes, das sich in unserer Kirche zeigt, in unserem Glauben und in unserer Liebe doch nicht behindert werden und nicht wegen des Unkrautes, das wir in der Kirche wahrnehmen, unsererseits selbst die Kirche verlassen”. Sie sind aber der Ansicht, es müsse überhaupt eine völlige Umgestaltung der kirchlichen Disziplin eintreten und räumen darum den [kirchlichen] Vorstehern eine ganz verkehrte Sicherheit ein: deren einzige Aufgabe soll es nämlich sein, einfach zu sagen, was man allgemein zu tun und zu lassen habe; was aber der einzelne Christ tue, das gehe sie gar nichts an.

5. Kapitel: Im Interesse des kirchlichen Friedens und der Einigkeit müssen auch Böse ertragen werden; doch darf die Zucht nicht erschlaffen

7. Wir für unsere Person aber sind der Meinung, eine gesunde Lehre erfordere es, sich im praktischen Leben und in der persönlichen Ansicht nach beiderlei Schriftzeugnissen zu richten, d.h. einerseits die „Hunde“ um des lieben Friedens willen in der Kirche zu ertragen, andererseits aber auch, sobald der Friede in der Kirche einmal gesichert ist, den Hunden nichts Heiliges vorzuwerfen . Wenn wir also sehen müssen, daß wegen der Nachlässigkeit der Vorsteher oder infolge einer entschuldbaren Notlage oder auf Grund heimlichen Einschleichens böse Menschen in der Kirche sind, die wir durch kein Mittel der kirchlichen Zucht zu bessern oder zu zügeln vermögen, so beschleiche unser Herz nicht der unchristliche und verderbliche Wahn, als müßten wir uns von solchen Menschen trennen, um uns nicht selbst mit ihren Sünden zu verunreinigen. Wir dürfen auch nicht den Versuch machen, einzelne Schüler als Reine und Heilige von der alle verbindenden Einheit weg an uns zu ziehen, gerade als hätten wir sie damit von der Gesellschaft der Bösen getrennt. Vielmehr sollen wir uns in solchen Fällen der Gleichnisse der Heiligen Schrift, der göttlichen Weissagungen oder zuverlässiger Beispiele erinnern, wodurch uns ganz deutlich vorausgesagt ist, daß in der Kirche bis ans Ende der Welt und bis zum Tag des Gerichtes mit den Guten immer auch Böse vermischt sein werden, ohne daß sie den Guten schaden, die zwar die nämliche kirchliche Einheit und die nämlichen Sakramente haben [wie die Bösen], mit ihren Werken aber keineswegs einverstanden sind.

Wenn aber die kirchlichen Vorsteher in Zeiten, wo ruhiger Friede in der Kirche herrscht, die Gewalt haben, mit den Mitteln der Zucht gegen ruchlose Übeltäter einzuschreiten, so müssen wir, um nicht in die Gefahr träger Erschlaffung zu geraten, uns durch andere Stacheln der zur strengen Handhabung der Zucht gehörigen Vorschriften antreiben lassen, unter Führung und mit der Hilfe des Herrn unsere Schritte auf seinem Wege so zu lenken, daß wir beiden Schriftforderungen gerecht werden, nämlich weder unter dem Deckmantel der Geduld zu erschlaffen, noch unter dem Vorwand der Sorgfalt zu wüten.

6. Kapitel: Die Unterweisung in der christlichen Glaubens- und Sittenlehre hat ohne Zweifel schon vor dem Empfang der heiligen Taufe zu erfolgen

8. Nachdem wir nun nach der gesunden Lehre diese Einschränkung gemacht haben, wollen wir wieder zu unserm Gegenstand zurückkehren, ob man nämlich zum Empfang der Taufe jedermann zulassen soll, ohne daß man sorgfältig darüber wacht, daß das Heilige nicht den Hunden vorgeworfen werde; und zwar, ob das bis zu dem Grade gelten soll, daß nicht einmal offenkundige Ehebrecher, die sich sogar dauernd diesem Laster verschrieben haben, von einem so heiligen Sakrament zurückgewiesen werden sollen. Solche Leute würden ohne Zweifel nicht zur Taufe zugelassen werden, wenn sie erklärten, an jenen Tagen, wo sie diese Gnade empfangen wollen und sich nach ihrer Anmeldung durch Enthaltsamkeit, Fasten und Exorzismen reinigen, würden sie mit ihren rechtmäßigen und wahren Ehegattinnen in geschlechtlichen Verkehr treten und nicht einmal an jenen paar Festtagen auf ein Recht verzichten, das ihnen zu anderen Zeiten zustehe . Wenn man also schon einen verheirateten Mann, der sich bloß nicht an einen Brauch halten will, nicht zuläßt, wie soll dann zu jenem hochheiligen Sakrament ein Ehebrecher zugelassen werden, der von einer Besserung nichts wissen will?

9. Aber sagen sie: man soll ihn nur erst einmal taufen, dann belehre man ihn über alles, was zu einem guten und gesitteten Leben gehört. Es kommt wohl vor, daß einer im Drange des nahenden Todes auf nur wenige, aber alles umfassende Worte hin glaubt und das Sakrament der Taufe empfängt, um beim Scheiden aus diesem Leben frei von der Makel aller früher begangenen Sünden zu sterben. Wenn aber ein Gesunder um Zulassung zur Taufe bittet und er Zeit hat, um sich zu unterrichten , was ließe sich da für eine passendere Zeit finden, um zu hören, wie man ein gläubiger Christ werden und als solcher leben soll, als gerade jene, wo er mit einer besonders achtsamen und gerade durch religiöse Ehrfurcht gehobenen Geistesverfassung nach dem Empfang des Sakramentes verlangt? Oder sind wir so von Sinnen, daß wir uns gar nicht einmal mehr erinnern können, mit welch gespannter Aufmerksamkeit wir auf die Lehren unserer Katecheten lauschten, als wir nach jener geheimnisvollen Quelle [der heiligen Taufe] verlangten und wir deshalb Kompetenten genannt wurden? Oder sehen wir es nicht auch an jenen anderen, die alljährlich zum Bade der Wiedergeburt hineilen, wie sie sich in jenen Tagen ihres ersten religiösen Unterrichtes, der Exorzismen und Prüfungen betragen, wie sie sich zusammennehmen, um ja keine Versammlung zu versäumen, wie glühend ihr Eifer, wie groß ihre Sorgfalt ist? Wenn es dann nicht an der Zeit ist, es zu lernen, welcher Lebenswandel diesem so herzlich ersehnten großen Sakrament angemessen ist, wann soll es sonst geschehen? Wirklich vielleicht erst dann, wenn sie trotz ihres Verharrens in so großen Lastern die Taufe bereits empfangen haben? Nach einer solchen Taufe sind sie ja doch keine neuen Menschen, sondern immer noch die alten, schuldbeladenen Sünder. Es nimmt sich wahrlich recht sonderbar aus zu sagen: „Ziehet den neuen Menschen an!“, und erst dann, wenn sie diesen angezogen haben, zu sagen: „Ziehet den alten Menschen aus!“, während doch der Apostel die gesunde Ordnung einhält, wenn er spricht: „Ziehet den alten Menschen aus und den neuen an !“ Auch der Herr selbst ruft aus: „Niemand näht einen neuen Fleck auf ein altes Kleid und niemand füllt neuen Wein in alte Schläuche .„ Was hat aber die ganze Zeit, während der sie Stellung und Name eines Katechumenen haben, für einen anderen Zweck, als daß sie das Wesen des christlichen Glaubens und Lebens zu hören bekommen, damit sie, wenn sie sich selbst geprüft haben, vom Tische des Herrn essen und von seinem Blute trinken? Denn “ein jeder, der unwürdig davon ißt und trinkt, der ißt und trinkt sich das Gericht”. Was aber schon während der ganzen Zeit geschieht, welche die Kirche heilsam dazu bestimmt hat, daß die angehenden Christen Katechumenen werden können, das geschieht mit noch viel dringenderer Sorgfalt in den Tagen, wo sie sich bereits zum Empfang der Taufe angemeldet haben und schon Kompetenten heißen.

7. Kapitel: Aus der Lehre der Apostelbriefe können die Gegner des heiligen Augustinus ihre Behauptung nicht beweisen

10. „Ja“, sagen meine Gegner, „wie ist es aber dann, wenn eine Jungfrau unbewußt einen fremden [Ehe-]mann geheiratet hat?“ Wenn sie es niemals erfährt, wird sie darum auch niemals eine Ehebrecherin sein; erfährt sie es aber, dann ist sie von dem Zeitpunkt an eine Ehebrecherin, wo sie wissentlich dem fremden Manne beiwohnt. So gilt ja einer auch im Güterrecht solange mit vollem Recht als rechtmäßiger Besitzer, als er nichts davon weiß, daß er fremdes Gut besitzt; weiß er es aber einmal und trennt er sich trotzdem von dem fremden Besitze nicht, dann gilt er als unrechtmäßiger Besitzer und muß sich mit Fug und Recht einen ungerechten Menschen heißen lassen. Ferne sei es von uns, darüber Schmerz zu empfinden, wenn solche Vergehen wieder gutgemacht werden, gerade als ob dadurch eine Ehe zerrissen würde. Ein solcher Schmerz würde ja nicht einem menschlichen Gefühle, sondern einem törichten Wahne entspringen. Besonders aber gilt dies im Staate unseres Gottes, auf seinem heiligen Berge , d.h. in der Kirche, wo nicht bloß ein [natürliches] Eheband, sondern ein heiliges Ehesakrament empfohlen wird, so daß es einem Manne nicht erlaubt ist, sein Weib einem anderen zu überlassen, eine Tat, die man im römischen Staat einem Cato nicht bloß nicht als Schuld, sondern sogar als Lob angerechnet haben soll . Doch hierüber brauche ich mich nicht weiter zu äußern, da meine Gegner ja gar nicht zu behaupten wagen, so etwas sei keine Sünde und auch nicht sagen, es sei kein Ehebruch. Sie würden auch sonst ganz offenbar dem Herrn und seinem heiligen Evangelium widersprechen. Sie fordern vielmehr bloß, man solle solche Leute zum Empfang des Sakramentes der Taufe und zum Tische des Herrn zulassen, wenn sie auch ganz ausdrücklich von einer Besserung nichts wissen wollen. Ja man dürfe sie dazu überhaupt nicht einmal auffordern, sondern man solle sie erst nachher darüber unterrichten. Würden sie sich dann zur Beobachtung des Gebotes verstehen und ihre Schuld gut machen, dann sollten sie für Weizen gelten, würden sie sich aber dessen weigern, so seien sie wohl Unkraut, [müßten aber trotzdem geduldet werden]: mit dieser Forderung zeigen sie doch deutlich genug, daß sie jene Verbrechen nicht verteidigen oder sie nur als leichte und nichtige betrachten wollen. Denn welcher gutgesinnte Christ möchte wohl den Ehebruch für gar kein oder auch nur für ein geringes Verbrechen halten?

11. Den Zeitpunkt freilich, wann man dergleichen am Mitmenschen tadeln oder wann man es ertragen soll, glauben sie der Heiligen Schrift entnehmen zu können. Wie sie sagen, hätten nämlich die Apostel auch so gehandelt wie sie; sie bringen auch wirklich aus deren Briefen einige Stellen bei, aus denen man wohl sehen kann, daß die Apostel zuerst die Lehre vom Glauben eingeschärft und erst dann die Sittenvorschriften gegeben haben. Diese Tatsache wollen sie nun so verstanden wissen, daß den Täuflingen nur die Glaubenslehre eingeprägt und erst den schon Getauften die nötigen Vorschriften zur Lebensbesserung gegeben werden dürfen. Sie tun dabei, als läsen sie einige Briefe der Apostel, die dort, wo sie vom Glauben allein handeln, bloß an Täuflinge gerichtet seien, während andere Briefe, deren Inhalt sich mit der Aufstellung von Vorschriften über Vermeidung des Schlechten und Aneignung des Guten sich beschäftigt, die schon getauften Christen angingen. Aber wenn demnach feststehen soll, daß diese letzteren Briefe an schon getaufte Christen gerichtet sind, warum bestehen sie dann doch aus Vorschriften doppelten Inhaltes, aus Glaubens- und aus Sittenlehren ? Oder meinen sie, daß man zwar nicht den Täuflingen, aber doch den schon Getauften beide übergeben soll? Das wäre eine törichte Behauptung. Aber dann müssen sie auch zugeben, daß die Apostel ihre aus beiden [der Glaubens- und Sittenlehre] vollkommen zusammengesetzte Lehre in ihren Briefen niedergelegt haben und daß sie nur deshalb meistens zuerst den Glauben gelehrt und dann erst die auf ein gutes Leben hinzielenden Vorschriften beigefügt haben, weil in keinem Menschen ein gutes Leben nachfolgen kann, wenn nicht zuvor der Glaube vorangeht. Denn alles, was der Mensch, wie man sagt, „recht“ tut, verdient diesen Namen bloß, wenn es seinen Grund in kindlicher Liebe zu Gott hat.

Wenn aber einige törichte und allzu unerfahrene Menschen glaubten, die Briefe der Apostel seien an Katechumenen geschrieben, dann müßten gewiß auch diese zugeben, daß schon den noch nicht Getauften zugleich mit den Regeln des Glaubens auch die mit dem Glauben in Zusammenhang stehenden Sittenvorschriften gelehrt werden müssen; es müßte schon sein, daß sie uns überzeugen könnten, bloß die ersten, vom Glauben handelnden Teile der apostolischen Briefe dürften von den Katechumenen gelesen werden, die späteren Teile aber, mit ihren Vorschriften über das christliche Leben, von den Gläubigen: doch dies wäre eine ganz törichte Behauptung. Es läßt sich also aus den Briefen der Apostel kein Beweis für die Annahme erbringen, daß wir glauben müßten, man dürfe deshalb die Täuflinge bloß über den Glauben und erst die schon Getauften über die Sittenlehre unterrichten, weil die Apostel in den ersten Teilen ihrer Briefe den Glauben empfohlen und erst nachher folgerichtig die Gläubigen zu einem guten Leben ermahnt haben. Denn wenn schließlich auch die eine Lehre früher, die andere später behandelt wird, so muß man doch nur allzu oft beide Lehren in einem Redefluß, und zwar vor Katechumenen sowohl wie vor Gläubigen, vor Täuflingen und schon getauften Christen zum Zwecke des Unterrichtes, der [gedächtnismäßigen] Wiederauffrischung, des Bekenntnisses und der Stärkung durch eine gesunde und sorgfältige Belehrung predigen. Darum mögen sie zu den Briefen des Petrus und Johannes, woraus sie einige Zeugnisse entnehmen, immerhin auch noch die Briefe des Paulus und anderer Apostel hinzufügen: ihre Wahrnehmung, daß diese zuerst vom Glauben und erst dann von den Sitten sprachen, ist doch so zu verstehen, wie ich nach meiner Ansicht ganz deutlich gezeigt habe.

8. Kapitel: Die erste Predigt des heiligen Petrus bezeugt die Notwendigkeit der Buße und der Abkehr vor der Welt für alle, die getauft werden wollen

12. „Aber in der Apostelgeschichte“, sagen sie, „hat Petrus jene dreitausend Leute, die sich auf sein Wort hin an einem Tage taufen ließen, nur so angeredet, daß er allein den Glauben an Christus predigte.“ Aber er antwortete ihnen doch auf ihre Frage: „Was sollen wir tun?“ mit den Worten: „Tut Buße und ein jeder von euch lasse sich taufen im Namen dos Herrn Jesus Christus zur Vergebung seiner Sünden und ihr werdet die Gabe des Heiligen Geistes empfangen !“ Warum beachten sie also die Worte nicht: „Tut Buße!“? Darin ist nämlich die Forderung enthalten, das alte Leben auszuziehen, damit man in der Taufe ein neues anziehen könne. Wem soll aber eine Buße fruchten, die dann nur über tote Werke geübt wird, wenn einer im Ehebruch verharrt oder in anderen bösen Taten, in denen die Liebe zur Welt sich ergeht?

13. „Aber“, sagen sie, „Christus wollte ja überhaupt nur, sie sollten Buße tun für den Unglauben gegen ihn.“ Merkwürdige Voreingenommenheit, um keinen schärferen Ausdruck zu gebrauchen! Mit dem Worte „Tut Buße!“ sind also nur Werke des Unglaubens gemeint! Und doch soll nach der Lehre des Evangeliums das alte Leben in ein neues verwandelt werden. Dazu gehört doch gewiß auch jene Stelle, wo der Apostel sagt: „Wer gestohlen hat, der stehle weiterhin nicht mehr !“ und all die anderen, in denen er auseinanderlegt, was es heiße, den alten Menschen aus- und einen neuen anzuziehen.

Aber selbst in den Worten des Petrus hätten sie bei einiger Sorgfalt und Aufmerksamkeit etwas finden können, was für sie beherzigenswert wäre: denn seinen Worten: „Tut Buße und ein jeder von euch lasse sich taufen im Namen des Herrn Jesus Christus zur Vergebung seiner Sünden und ihr werdet die Gabe des Heiligen Geistes empfangen; denn uns gilt die Verheißung und unseren Kindern und allen, die ferne sind, soviele ihrer der Herr, unser Gott, berufen hat “, fügte der Verfasser des Buches sofort noch die Bemerkung hinzu: „Auch noch mit vielen anderen Worten gab Petrus Zeugnis, indem er sprach: ‘Reißet euch los von dieser verkehrten Welt!’ Jene aber nahmen seine Worte sehr gierig auf und glaubten und ließen sich taufen; und es wurden an diesem Tage [der Gemeinde] an dreitausend Seelen hinzugefügt .“ Wer sähe da nicht ein, daß Petrus mit den vielen anderen Worten, die vom Verfasser der Kürze halber nicht wiedergegeben sind, darauf hinzielte, sie sollten sich von dieser verkehrten Welt losreißen; denn das ist ja in knapper Form die Grundlehre dessen, was er ihnen mit vielen Worten nahebringen wollte. Der Satz: „Reißet euch los von dieser verkehrten Welt!“ ist eben der Hauptinhalt seiner Worte. Um dies Ziel zu erreichen, gab Petrus mit mehreren Worten Zeugnis. Diese umfaßten die Verurteilung der toten Werke, welche die Liebhaber dieser Welt ruchlos verüben, und die Empfehlung eines guten Lebens, das eben jene treu einhalten sollen, die sich von dieser verkehrten Welt losreißen. Meine Gegner sollen demnach nur die Behauptung aufzustellen wagen, der reiße sich von der verkehrten Welt los, der nur fest an Christus glaubt, sonst aber in allen möglichen Lastern verharrt und selbst den Ehebruch feierlich gelobt. Ist aber eine solche Behauptung sündhaft, dann sollen aber auch die Täuflinge nicht bloß zu hören bekommen, was sie zu glauben haben, sondern auch, wie sie sich von dieser verkehrten Welt losreißen können. Schon in diesem Zeitpunkt müssen sie hören, wie sie als Gläubige einmal [nach der Taufe] zu leben haben.

9. Kapitel: Das Beispiel des von Philippus getauften Kämmerers beweist nicht, daß zur Taufe das bloße Bekenntnis der Gottheit Christi hinreichend sei

14. Meine Gegner werfen mir ein: „Jener Eunuch, den Philippus taufte, sagte doch auch nur: ‘Ich glaube, daß Jesus Christus Gottes Sohn ist’, und wurde auf dieses Bekenntnis hin sogleich getauft.“ Soll also jemand nur dies zu antworten brauchen, um sofort getauft zu werden? Soll der Katechet nichts lehren und der Glaubende nichts bekennen vom Heiligen Geist, nichts von der heiligen Kirche, nichts von der Sündenvergebung, nichts von der Auferstehung der Toten, ja schließlich sogar von unserm Herrn Jesus Christus nur, daß er Gottes Sohn sei, aber nichts von seiner Menschwerdung aus der Jungfrau, von seinem Leiden, seinem Kreuzestod, seiner Grablegung, seiner Auferstehung am dritten Tag, von seiner Himmelfahrt und von seinem Sitzen zur Rechten des Vaters ?

Wenn nun beim Eunuchen die Antwort: „Ich glaube, daß Jesus Christus der Sohn Gottes ist“ wirklich hinreichend erschien, auf daß er sofort getauft wurde und seine Reise fortsetzen durfte, warum folgen wir dann diesem Beispiel nicht? Warum ahmen wir es nicht nach und lassen all das andere weg, was wir [jetzt] für notwendig halten, selbst wenn die Kürze der Zeit die Taufe dringend erscheinen läßt? Denn sogar in diesem Notfall stellen wir unsere Fragen und lassen den Täufling auf alles antworten, auch wenn er es nicht im Gedächtnis behalten kann. Wenn aber die Heilige Schrift von all dem schwieg, was Philippus sonst noch mit seinem Täufling, dem Eunuchen, tat, und weiter keine Erklärung gab, sondern in den Worten: „Es taufte ihn aber Philippus “ alles eingeschlossen wissen wollte, was in der Heiligen Schrift der Kürze halber wohl wegbleiben durfte, obwohl es, wie wir wissen, nach der überlieferten Ordnung geschehen mußte , so ist geradeso unzweifelhaft mit den Worten, es habe Philippus dem Eunuchen das Evangelium vom Herrn Jesus gepredigt, auch gemeint, er habe ihn auch darüber unterrichtet, was zum sittlichen Leben eines solchen Menschen gehört, der an den Herrn Jesus glaubt. Denn das heißt eben Christus predigen, daß man nicht bloß das sagt, was man von Christus glauben muß, sondern auch, was der zu beobachten hat, der in die Verbindung mit dem Leibe Christi eintreten will: alles muß da gesagt werden, was von Christus zu glauben ist, nicht nur, wessen Sohn er ist, von wem er nach seiner Gottheit und von wem er dem Fleische nach gezeugt ist, was und warum er gelitten hat, worauf die Kraft seiner Auferstehung beruht, was für eine Gabe des Heiligen Geistes er seinen Gläubigen versprochen und wirklich verliehen hat, sondern auch, welche Art von Glieder er als das Haupt sucht, belehrt, liebt, befreit und zum ewigen Leben der Herrlichkeit führt. Wenn solches gesagt wird, dann wird Christus zwar bald kürzer und knapper, bald wieder in breiterer und reicherer Form gepredigt, aber es wird doch nicht bloß von dem gesprochen, was zum Glauben, sondern auch von dem, was zum sittlichen Leben eines Gläubigen gehört.

10. Kapitel: Die Worte des Apostels Paulus, er wisse nur Christus den Gekreuzigten, schließen auch die ganze Lehre vom Werke Christi, von der Selbstkreuzigung und der Liebe in sich

15. Geradeso läßt sich auch das von meinen Gegnern angeführte Wort des Apostels Paulus auffassen: „Ich behauptete nicht, unter euch etwas anderes zu wissen als Christus Jesus, und zwar den Gekreuzigten .“ Diese Stelle verstehen sie so, als sei damit den Korinthern nur eingeschärft worden, zunächst einmal zu glauben und erst nach der Taufe die Anforderungen eines sittlichen Lebens kennen zu lernen. Dies, sagen sie, habe dem Apostel vollständig genügt. [Es ist das der gleiche Apostel,] der ihnen auch gesagt hat, sie hätten wohl viele Lehrmeister in Christus, aber nicht viele Väter; denn er selbst habe sie ja in Christus Jesus durch das Evangelium gezeugt . Dieser Apostel hat sie also durch das Evangelium gezeugt, obwohl er Gott dankt, daß er keinen aus ihnen getauft habe als den Crispus, den Caius und das Haus des Stephanas. Wenn er nun die Korinther wirklich über nichts anderes unterrichtet hat, als nur über Christus den Gekreuzigten, was soll man dann einem entgegenhalten, der infolgedessen behauptet, sie hätten bei ihrer Erzeugung durch das Evangelium nicht einmal von der Auferstehung Christi etwas gehört? Warum sagt aber Paulus zu ihnen: „Ich habe euch zunächst überliefert, daß Christus gestorben ist nach dem Zeugnis der Schrift und daß er begraben worden ist und daß er am dritten Tage auferstanden ist nach der Schrift “, wenn er sie über nichts anderes belehrt hat, als nur über den Gekreuzigten? Wenn sie aber die Stelle nicht so verstehen und zugeben , daß auch noch diese Glaubenstatsachen zur Lehre von Christus dem Gekreuzigten gehören, dann sollen sie auch wissen, daß der Begriff „Christus der Gekreuzigte“ den Menschen gar vieles zu sagen hat, und zwar vor allem, daß unser alter Mensch zugleich mit ihm gekreuzigt wurde, damit der Leib der Sünde ausgezogen werde und wir nicht mehr weiterhin der Sünde dienen . Daher sagt der Apostel auch über sich selbst: „Ferne sei es von mir, mich in etwas anderem zu rühmen als im Kreuze unseres Herrn Jesus Christus, durch den mir die Welt gekreuzigt ist und ich der Welt .“ Sie sollen daher nur recht achtsam darauf sehen, wie denn Christus der Gekreuzigte gelehrt und gelernt wird, und sie werden erkennen, daß es zu seinem Kreuze gehört, daß auch wir in seinem Leib der Welt gekreuzigt werden. Man versteht aber darunter jede Bezähmung „böser Gelüste: es ist daher unmöglich, daß denjenigen, die durch das Kreuz Christi gebildet werden , offenkundiger Ehebruch erlaubt wird.

Denn auch der Apostel Petrus erinnert bezüglich des Sakramentes dieses Kreuzes, d. h. des Leidens Christi, daran, es müßten jene, die durch dasselbe geweiht werden, zu sündigen aufhören. Er spricht nämlich also: “Da nun Christus dem Fleische nach gelitten hat, so waffnet euch mit dem nämlichen Gedanken; denn wer dem Fleische nach gestorben ist, der hat aufgehört zu sündigen, um fortan nicht mehr nach den Gelüsten der Menschen, sondern nach dem Willen des Herrgottes die noch übrige Zeit im Fleische zu leben usw.„ Damit zeigt er ganz richtig, daß zu Christus dem Gekreuzigten, d.h. der im Fleische gelitten hat, nur jener gehört, der an seinem eigenen Leib seine fleischlichen Gelüste gekreuzigt hat und gut lebt durch das Evangelium.

16. Was soll man aber dazu sagen, daß nach der Ansicht meiner Gegner auch jene zwei Gebote, an denen nach dem Worte des Herrn das ganze Gesetz und die Propheten hängen , für die Wahrheit ihrer Meinung sprechen? Sie sagen nämlich, weil es im ersten Gebot heiße: “Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben aus deinem ganzen Herzen, aus deiner ganzen Seele und aus deinem ganzen Gemüte !„, so bezieht sich dieses erste, die Liebe zu Gott vorschreibende Gebot auf die Täuflinge, während sich das zweite Gebot, das dem ersten ähnlich ist: “Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst !„ auf schon Getaufte beziehe, weil es sich hier, wie sie glauben, um sittliche Gebote fürs menschliche Leben handle. Dabei vergessen sie aber ganz jene Schriftstelle: “Wenn du deinen Bruder nicht liebst, den du doch siehst, wie wirst du da Gott lieben können, den du nicht siehst ?„ und jene andere, die in dem gleichen Johannesbrief steht: “Wenn jemand die Welt liebt, in dem wohnt die Liebe zum Vater nicht .” Wohin anders aber gehört jegliche Schandtat böser Sitten, als zur Liebe zu dieser Welt? Darum kann auch jenes erste Gebot, das sich ihrer Ansicht nach an die Täuflinge wendet, ohne gute Sitten durchaus nicht beobachtet werden. Doch ich will mich dabei nicht mehr länger aufhalten: denn bei sorgfältiger Betrachtung zeigt sich, daß diese beiden Gebote so enge miteinander verbunden sind, daß weder die Gottesliebe ohne Nächstenliebe, noch die Nächstenliebe ohne Gottesliebe im Menschen bestehen kann. Für unsere Frage genügt aber auch das schon, was wir über diese beiden Gebote jetzt gesagt haben.

11. Kapitel: Die Tatsache, daß die Israeliten noch vor der Gesetzgebung auf dem Sinai durch das Rote Meer gingen, spricht auch nicht für eine unbedingte Zulassung zur Taufe

17. „Aber das Volk Israel wurde zuerst durch das Rote Meer geführt, was doch ein Vorbild der Taufe war, und erst dann empfing es das Gesetz, um zu lernen, wie es zu leben habe.“ Warum übergeben wir denn den Täuflingen das Symbolum und fordern seine Wiedergabe? Denen gegenüber, die Gott durch das Rote Meer geführt und so aus der Gewalt der Ägypter befreit hat, ist doch dergleichen nicht geschehen? Das sehen nun meine Gegner wohl ein, daß diese Handlung durch das vorausgehende Geheimnis der Besprengung der Türpfosten mit dem Blute des Lammes und der ungesäuerten Brote der Reinheit und Wahrheit angedeutet wurde. Warum begreifen sie dann folgerichtig nicht auch, daß die Trennung von den Ägyptern das Aufgeben der Sünden bedeute, das die Täuflinge geloben? Hierher gehört nämlich das Wort des Petrus: „Tut Buße und ein jeder von euch lasse sich taufen im Namen unseres Herrn Jesus Christus !“ Das ist geradeso, als wollte er sagen: „Weichet von Ägypten und geht durch das Rote Meer!“ Darum ist auch im sogenannten Hebräerbrief bei Erwähnung der für Täuflinge notwendigen Anfangsgründe die Bekehrung von den toten Werken verlangt. Es heißt dort nämlich: „Sehen wir jetzt einmal ab von den Anfangsgründen des christlichen Unterrichtes und schauen wir mehr auf die geistliche Reife [im Glauben], damit wir nicht immer von neuem den Grund [unseres geistigen Lebens] legen müssen mit der Bekehrung von den toten Werken, mit dem Glauben an Gott, mit dem Unterricht von der Taufe, von der Auflegung der Hände [bei der Firmung], von der Auferstehung der Toten und vom ewigen Gericht !“ Dies alles gehört nämlich nach dem ausführlichen und klaren Zeugnis der Heiligen Schrift zu den Anfangsgründen der Neugetauften. Was will aber der Ausdruck „sich von den toten Werken bekehren“ anders sagen als Abwendung von solchen Werken, die man ertöten muß, wenn man leben will? Wenn darunter aber Ehebruch und Unzucht nicht verstanden werden sollen, dann weiß ich nicht, was man wirklich tote Werke heißen soll.

Was soll aber das Gelöbnis, solche Sünden aufzugeben, helfen, wenn nicht auch alle früher begangenen Sünden, die den Sünder sozusagen verfolgen, durch das Bad der Wiedergeburt getilgt werden? War es ja doch auch für die Israeliten nicht genügend, bloß Ägypten zu verlassen: nein, es mußte das sie verfolgende Heer der Feinde in den Fluten des Meeres umkommen, während es dem Volke Gottes zu seinem Übergang und zu seiner Befreiung offen stand. Wenn sich also einer ganz offen weigert, sich von seinem Ehebruch zu bekehren, wie soll der durch das Rote Meer geführt werden können, wenn er es standhaft ablehnt, Ägypten zu verlassen? Sodann beachten sie gar nicht, daß das erste Gebot jenes Gesetzes, das dem Volke nach seinem Durchzug durch das Rote Meer gegeben wurde, lautet: „Du sollst keine fremden Götter neben mir haben; du sollst dir keine Götzen machen, noch irgendein Bild von all dem, was oben am Himmel und was unten auf der Erde und was im Wasser und unter der Erde ist; solches sollst du nicht anbeten und ihm nicht dienen !“ und was sonst noch zu diesem Gebote gehört. Da sollen jetzt meine Gegner nur gefälligst gegen ihre eigene Behauptung die Ansicht verteidigen, auch vom Dienste des einen Gottes und von der Vermeidung des Götzendienstes dürfe man nicht den Täuflingen, sondern nur den schon Getauften predigen. Nein, sie dürfen jetzt nicht mehr behaupten, den Täuflingen dürfe man nur den Glauben an Gott einschärfen und erst nach Empfang des Sakramentes [der Taufe] dürften sie über die Sittengebote gemäß dem zweiten, von der Nächstenliebe handelnden Gebot unterwiesen werden. Denn beides enthält jenes Gesetz, welches das Volk nach seinem Durchzug durch das Rote Meer gleichsam wie nach seiner Taufe erhielt. Auch erfolgte die Verteilung der Gebote nicht so, daß das Volk vor seinem Durchzug durch jenes Meer zuerst über die Vermeidung des Götzendienstes unterrichtet wurde und erst nach demselben zu hören bekam, daß man Vater und Mutter ehren müsse, daß man nicht ehebrechen und töten dürfe und wie die übrigen Vorschriften zu einem guten und unschuldigen Lebenswandel noch heißen.

12. Kapitel: Götzendienst ist nicht schlechter als Ehebruch; und doch werden unverbesserliche Götzendiener nicht einmal zum Katechumenat, geschweige denn zur Taufe zugelassen

18. Wenn also jemand mit der Bitte um Zulassung zum Sakramente der Wiedergeburt käme, jedoch ganz offen erklärte, von seinem Götzendienst werde er aber trotzdem erst ablassen, wenn es ihm selbst beliebe, und wenn dieser Mensch gar inständig nach der Taufe verlangte und von ganzem Herzen ein Tempel des lebendigen Gottes werden wollte, obwohl er nicht bloß ein Götzendiener ist, sondern in seinem so ruchlosen Götzendienst auch verharrt: da möchte ich wissen, ob meine Gegner dafür wären, einen solchen Mann auch nur zum Katechumenen zu machen. “Nein,” würden sie schreien, “so etwas darf auf keinen Fall geschehen.” Und wirklich läßt sich von ihrem Verstand auch gar keine andere Entscheidung erwarten.

Aber nun sollen sie auch an der Hand der Schriftstellen, die sie in der erwähnten Weise verstanden wissen wollen, den Beweis dafür erbringen, was sie eigentlich dazu berechtigt, ihm zu widersprechen und ihn nicht [zur Taufe] zuzulassen, obgleich er dagegen mit den Worten protestiert: “Ich habe Christus den Gekreuzigten kennen gelernt und verehre ihn; ich glaube, daß Christus Jesus der Sohn Gottes ist; halte mich nicht länger auf und verlange nichts weiter von mir! Hat ja doch auch der Apostel von denen, die er durch das Evangelium zeugte, nichts anderes gefordert als die Kenntnis von Christus dem Gekreuzigten; und nach der lauten Beteuerung des Eunuchen, er glaube, daß Jesus Christus der Sohn Gottes sei, taufte ihn Philippus sogleich auf der Stelle. Was willst du also mich von meinem Götzendienst abhalten und läßt mich nicht eher zum Sakramente Christi zu, als bis ich diesen aufgegeben habe? Ihn kenne ich schon von meiner Jugendzeit her, die unabwälzbare Gewalt der Gewohnheit läßt mich nicht anders handeln. Ich will ihn aufgeben, wenn ich einmal kann und wenn es mir bequem ist; doch selbst wenn ich es nicht tue, so will ich doch nicht ohne das Sakrament Christi dies mein Leben beenden, damit Gott meine Seele nicht aus deinen Händen verlange.” Was soll man wohl einem solchen Menschen antworten? Soll er vielleicht aufgenommen werden? Das sei ferne! So weit dürften meine Gegner wohl sicher nicht gehen.

Was werden wir ihm also antworten, wenn er so spricht und wenn er gar noch weiter hinzufügt, man hätte ihm wenigstens vor der Taufe nichts von einer Verwerfung des Götzendienstes sagen sollen; denn auch jenes erste Volk habe vor seinem Durchzug durch das Rote Meer nichts davon gehört, da es ja sein hierauf bezügliches Gesetz erst nach seiner Befreiung aus Ägypten erhalten habe. Gewiß werden sie diesem Menschen antworten: “Dann wirst du ein Tempel Gottes sein, wenn du die Taufe empfangen hast”; der Apostel aber sagt: “Welche Verbindung hat der Tempel Gottes mit den Götzen ?”

Aber warum begreifen dann diese Leute nicht, daß man geradeso sagen muß: “Du willst nach Empfang der Taufe ein Glied Christi sein? Glieder Christi aber können doch nicht Glieder einer Dirne sein!” Denn auch dies spricht der Apostel aus, wenn er an einer anderen Stelle sagt: “Gebt euch keiner Täuschung hin! Weder Hurer noch Götzendiener”, und was er dort sonst noch aufzählt, “werden das Reich Gottes besitzen .” Warum lassen wir also Götzendiener nicht zur Taufe zu, während wir Hurer zulassen zu können glauben? Und doch sagt der Apostel von diesen und allen anderen Sündern: “Solche Sünder sind auch einige unter euch gewesen; aber ihr seid abgewaschen, geheiligt und gerechtfertigt im Namen unseres Herrn Jesus Christus und im Geiste unseres Gottes .” Was liegt also für ein Grund dafür vor, daß ich, wenn ich beide [von der Taufe] abweisen kann, den um die Taufe bittenden Hurer bleiben lasse, den Götzendiener aber abweise? Es ist ja doch, soviel ich höre, zu einem jeden von ihnen gesagt worden: “Und solche Sünder seid auch ihr gewesen, aber ihr seid abgewaschen.”

Aber meine Gegner veranlaßt zu ihrer Meinung der Glaube, daß, wenn auch nur durch Feuer, das Heil derer gesichert sei, die an Christus glauben und sein Sakrament empfangen, d. h. getauft sind, und das selbst dann, wenn sie sich so wenig um die Besserung ihrer Sitten kümmern, daß sie ein schlechtes Leben führen. Doch was man nach der Schrift davon zu halten hat, das werde ich mit Gottes Hilfe bald sehen.

13. Kapitel: Johannes der Täufer verlangte von allen Täuflingen Besserung des Lebens; Christus selbst erklärt die Beobachtung der Gebote als notwendig zur Erlangung der ewigen Seligkeit

19. Ich stehe noch immer bei der Untersuchung der von meinen Gegnern aufgestellten Behauptung, man dürfe bloß die schon Getauften über die zum christlichen Laben notwendigen Sitten unterrichten, während man den Täuflingen nur die Lehre vom Glauben einprägen dürfe. Wäre dem aber wirklich so, so hätte, ganz abgesehen von den zahlreichen schon angeführten Gründen, nicht auch Johannes der Täufer denen, die zu seiner Taufe kamen, zugerufen: „Ihr Natterngezücht, wer zeigt euch einen Weg zur Flucht vor dem kommenden Zorne? Bringet also würdige Früchte der Buße !“, und was er sonst gewiß nicht vom Glauben, sondern von den guten Werken erinnernd anführt. Als daher die Soldaten fragten: „Was sollen wir tun?“, da antwortete er ihnen nicht: „Glaubet nur einstweilen und laßt euch taufen! Später werdet ihr schon hören, was ihr tun sollt.“ Nein, um dem kommenden Herrn wie ein Vorläufer den Weg in ihr Herz zu reinigen, redete er schon zuvor zu ihnen und ermahnte er sie schon zuvor mit den Worten: „Tut niemandem Gewalt an; fügt niemandem ein Unrecht zu; begnügt euch mit eurem Solde !“ Und als in ähnlicher Weise auch die Zöllner fragten, was sie tun müßten, da sprach er: „Fordert nicht mehr, als euch festgesetzt ist !“ — Der Evangelist [Lukas] durfte nicht gleich ganze Predigten einfügen; aber schon durch diese kurzen Erwägungen hat er deutlich genug gezeigt, daß es Aufgabe eines Katecheten sei, seinen Täufling auch über die Sitten zu belehren und zu ermahnen. Hätten nun diese Leute dem Johannes geantwortet: Wir wollen durchaus keine würdigen Früchte der Buße bringen; wir werden vielmehr Ränke schmieden, Gewalttaten verüben und gerade das tun, was uns verboten ist, und hätte sie Johannes trotz dieser klaren Willensäußerung doch getauft, so könnte man nicht einmal dann behaupten, worum es sich ja augenblicklich gerade dreht, es sei nicht an der Zeit, schon während des Taufunterrichtes dem Täufling im voraus zu sagen, wie er sein gutes Leben führen müsse.

20. Doch sollen sie sich, um von anderem ganz zu schweigen, an die Antwort erinnern, die der Herr selbst jenem Reichen gab , der ihn fragte, was er tun müsse, um das ewige Leben zu erlangen: „Willst du zum Leben eingehen,“ sagte er damals, „so halte die Gebote!“ Da fragte nun der Reiche: „Welche denn?“ Der Herr erinnerte aber daraufhin bloß an die Gebote des Gesetzes: „Du sollst nicht töten, du sollst nicht ehebrechen“ usw. Als hierauf jener entgegnete, das habe er schon von seiner Jugend auf getan, da fügte der Herr noch das Gebot der Vollkommenheit hinzu: er solle all sein Gut verkaufen und es als Almosen unter die Armen verteilen, auf daß er einen Schatz im Himmel habe; dann solle er dem Herrn selbst nachfolgen. Daraus mögen meine Gegner erkennen, daß dem Manne nicht bloß die nach ihrer Ansicht einzig notwendigen Hilfsmittel zur Erlangung des Lebens, nämlich Glaube und Taufe, empfohlen wurden, sondern daß er auch Sittenvorschriften erhielt, die freilich ohne den Glauben nicht treu beobachtet werden können. Allerdings scheint der Herr an dieser Stelle von der Betonung der Notwendigkeit, auch den Glauben einzuschärfen, geschwiegen zu haben. Trotzdem begnügen wir uns nun doch nicht, solchen Menschen, die zum Leben eingehen wollen, jetzt bloß Sittenlehren vorzuschreiben. Denn wie gesagt sind beide gegenseitig miteinander verbunden, weil in einem Menschen, der den Mitmenschen nicht liebt, keine Gottesliebe, und in einem, der Gott nicht liebt, keine Nächstenliebe wohnen kann. Daher kommt es, daß die Heilige Schrift manchmal bloß das eine ohne das andere, bald dies und bald jenes erwähnt, ohne eine beides umfassende Belehrung zu geben, um auch auf diese Weise erkennen zu lassen, daß das eine ohne das andere nicht bestehen kann. Denn wer an Gott glaubt, der tue, was Gott vorschreibt, und wer es deshalb tut, weil es Gott vorschreibt, der muß auch an Gott glauben.

14. Kapitel: Der Apostel Paulus schreibt zwar dem Glauben und nicht den Werken die Rechtfertigung zu; aber er meint die Werke, die dem Glauben vorausgehen, und einen Glauben, der durch die Liebe tätig ist. Schon die Apostel Jakobus und Petrus sind einer falschen Auffassung der paulinischen Lehre entgegen getreten

21. Aus diesem Grunde müssen wir noch einen Irrtum ins Auge fassen, der aus dem Herzen der Gläubigen gerissen werden muß; sonst setzen sie etwa gar in falscher Sicherheit ihr Heil dadurch aufs Spiel, daß sie zu dessen Erlangung vielleicht den Glauben schon für genügend halten und deshalb ein gutes Leben und die Bewahrung des Weges Gottes durch gute Werke vernachlässigen. Haben ja doch manche auch schon zur Zeit der Apostel einige dunkle Aussprüche des Apostels Paulus nicht verstanden und gemeint, er sage: „Laßt uns Böses tun, damit Gutes daraus erwachse .“ Er hatte nämlich gesagt: „Das Gesetz trat dazwischen, damit die Sünde überströme. Wo aber die Sünde überströmt, da strömt auch die Gnade über .“ Das ist insoferne wahr, weil die Menschen nach Empfang des Gesetzes in stolzer Überhebung auf ihre eigene Kraft bauten und nicht durch den rechten Glauben den göttlichen Beistand zur Besiegung böser Begierden erlangten, weshalb sie auch noch durch Übertretung des Gesetzes mit mehreren und schwereren Vergehen belastet wurden. Und so nahmen sie denn im Bewußtsein ihrer großen Schuld ihre Zuflucht zum Glauben, um durch ihn Barmherzigkeit und Verzeihung zu erlangen und „Hilfe vom Herrn, der Himmel und Erde erschaffen hat “. Nachdem so die Liebe durch den Heiligen Geist in ihr Herz ausgegossen war , wollten sie im Geiste der Liebe das tun, was sie gegen die Begierlichkeit dieser Welt tun mußten. In diesem Sinne war es schon im Psalm vorhergesagt worden: „Ihre Schwächen waren zu zahlreich geworden, deshalb kamen sie herbeigelaufen .“ Wenn also der Apostel sagt, er sei der Ansicht, der Mensch werde gerechtfertigt durch den Glauben ohne die Werke des Gesetzes, so meint er das nicht so, daß nach Erlangung und Bekenntnis des Glaubens die Werke der Gerechtigkeit verachtet werden, sondern daß jeder wisse, er könne durch den Glauben gerechtfertigt werden, auch wenn die Werke des Gesetzes nicht vorausgegangen sind; denn diese Werke folgen der Rechtfertigung nach, gehen ihr aber nicht voraus. — Ich habe jedoch nicht nötig, mich in diesem Buch näher hierüber zu verbreiten; denn ich habe über diese Frage erst jüngst ein ausführliches Buch herausgegeben unter dem Titel „Vom Buchstaben und vom Geist “.

Weil aber diese [falsche] Ansicht schon damals entstanden war, so richten sich andere apostolische Briefe eines Petrus, Johannes, Jakobus und Judas vornehmlich gegen eine solche Auffassung und betonen nachdrücklich, daß der Glaube ohne die Werke nichts helfe. Aber auch Paulus selbst hat nicht jeden beliebigen Glauben an Gott für heilsam und echt evangelisch erklärt, sondern nur einen solchen, dessen Werke aus der Liebe hervorgehen. „Und der Glaube,“ sagt er, „der durch die Liebe wirksam ist .“ So wenig nützt also, wie er versichert, der Glaube, der einigen zum Heile zu genügen scheint, daß er sogar sagt: „Hätte ich alle Glaubenskraft, daß ich Berge versetzen könnte, fehlte mir aber die Liebe, so wäre ich nichts .“ Wo aber gläubige Liebe wirksam ist, da lebt man ohne Zweifel gut. „Denn die Liebe ist die Fülle des Gesetzes .“

22. In seinem zweiten Brief gibt Petrus ganz klare Ermahnungen zur Heiligkeit des Lebens und der Sitten; er kündet hier an, daß diese Welt vergehen wird, daß aber ein neuer Himmel und eine neue Erde in Aussicht stehen als Wohnung für die Heiligen; um nun dieser Wohnung würdig zu werden, sollen die Leser auf die Art ihrer Lebensführung acht geben. Da aber nun Petrus wußte, daß einige ruchlose Menschen gewisse dunkle Stellen des Apostels Paulus als Vorwand benützt hatten, um sich um ein gutes Leben nicht mehr kümmern zu müssen, da sie ja wegen ihres Glaubens betreffs ihres Heiles in Sicherheit seien, so sagte er, es gebe in den Briefen des heiligen Paulus einige sehr schwer verständliche Stellen , die diese Leute zu ihrem eigenen Verderben verkehrt auffaßten; geradeso machten sie es auch mit den anderen Schriften. Und doch dachte jener Apostel über das ewige Heil, das nur denen gegeben werde, die ein gutes Leben führen, geradeso wie die übrigen Apostel. Folgendermaßen heißt es bei Petrus: „Wenn sich nun aber dieses alles über kurz oder lang auflösen wird, wie müßt ihr euch dann jetzt verhalten? Bleibt immer so heilig und fromm, daß ihr die Ankunft des Tages Gottes furchtlos erwarten, ja herbeisehnen könnt! Da werden die Himmel im Feuer vergehen und schmelzen die lodernden Elemente. Wir hoffen aber alsdann nach der Versicherung des Herrn auf neue Himmel und auf eine neue Erde, in denen Gerechtigkeit wohnt. Da ihr nun dieses erwartet, Geliebte, so bestrebt euch, in Frieden mit Gott und den Menschen zu leben, damit ihr rein und tadellos vor ihm erfunden werdet! Benützet die Langmut des Herrn in bußfertigem Sinn zu eurem Heile! Das hat ja auch unser lieber Bruder Paulus nach der ihm verliehenen hohen Weisheit an euch geschrieben. Er mahnt uns zur Buße in allen Sendschreiben, in denen er von den letzten Dingen redet. Freilich ist manches in seinen Briefen schwer verständlich; Unkundige und Leichtfertige verdrehen und mißdeuten es zu ihrem Verderben. Ebenso machen sie es auch mit den übrigen heiligen Schriften. Weil ihr es nun voraus wißt, Brüder, so hütet euch, durch die Vorspiegelungen der Ruchlosen euch fortreißen zu lassen und, durch den Irrtum verführt, abzufallen vom Glauben, an dem ihr bisher so treu festgehalten habt! Wachset vielmehr in der Gnade und Erkenntnis unseres Herrn und Heilandes Jesus Christus! Ihm sei die Ehre jetzt und immerdar !“

23. Jakobus aber tritt denen, die meinen, der Glaube ohne die Werke vermöge etwas zum Heile, so schroff gegenüber, daß er sie selbst mit den Teufeln vergleicht; er sagt nämlich: „Du glaubst, daß es einen Gott gibt! Da tust du gut daran. Aber auch die Teufel glauben und zittern .“ Wie hätte er sich kürzer, wahrer und schroffer ausdrücken können? Lesen wir ja doch auch im Evangelium, daß die Teufel Christus als den Sohn Gottes bekannt haben und doch wurden sie von diesem darob getadelt, während Petrus für das gleiche Bekenntnis sein Lob erntete . „Was wird es nützen, meine Brüder,“ sagt Jakobus, „wenn einer zwar sagt, er habe den Glauben, wenn er aber keine Werke hat? Wird dieser Glaube ihn retten können ?“ Desgleichen sagt er: „Der Glaube ohne Werke ist tot .“ Wie lange täuschen sich also jene noch, die nur einen toten Glauben haben und sich doch das ewige Leben versprechen?

15. Kapitel: Die Stelle des Apostels von der Prüfung durch Feuer ist nicht so zu verstehen, als könnten schwere Sünden durch Feuer getilgt werden

24. Darum muß man sorgsam beachten, wie denn eigentlich jener so überaus dunkle Ausspruch des Apostels Paulus zu verstehen ist, wo er sagt: „Niemand kann einen anderen Grund legen, als [durch Paulus von Gott] gelegt worden ist, nämlich Jesus Christus. Ob aber einer auf dieser [unabänderlichen] Grundlage Gold, Silber und Edelsteine aufbaut oder aber Holz, Heu und Stoppeln , das wird am Gerichtstag offenbar werden. Jener Tag wird im Weltbrand hervortreten und die Beschaffenheit eines jeden Werkes mit Feuer erproben. Besteht es die Probe, so wird der Meister hoch belohnt werden, verbrennt aber sein Werk, so hat er den Schaden davon. Er wird wie durch Feuer hindurchgehen müssen, um gerettet zu werden .“ Diese Worte wollen einige so verstanden wissen, daß Gold und Silber und kostbare Steine jene auf dieses Fundament aufzubauen scheinen, die mit dem Glauben, der in Christus ist, zugleich auch die guten Werke verbinden; Holz und Heu und Stoppeln aber diejenigen, die trotz des nämlichen Glaubens, den sie besitzen, doch schlechte Werke verrichten. Sie glauben daher, daß diese zwar dank des Fundamentes [auf dem sie aufgebaut sind] zur Erlangung des Heiles gereinigt werden können, aber nur durch gewisse Feuerstrafen.

25. Wäre dem nun wirklich so, dann geben wir zu, daß sie mit einer lobwürdigen Liebe für die unterschiedslose Zulassung aller zur Taufe eintreten, und zwar nicht bloß der Ehebrecher und Ehebrecherinnen, die entgegen dem Ausspruch des Herrn eine falsche Heirat versuchen, sondern auch der öffentlichen Dirnen, die bei ihrem höchst schändlichen Gewerbe bleiben wollen. Solche Weiber pflegte gewiß selbst die nachsichtigste Kirche nicht zur Taufe zuzulassen, bevor sie sich nicht von ihrer früheren Prostitution freigemacht hatten. Doch wenn jene Ansicht richtig ist, dann sehe ich durchaus nicht ein, warum sie nicht auf jeden Fall zugelassen werden sollen. Denn wer sähe es nicht lieber, daß sie auf das [in Christo] gelegte Fundament wenigstens Holz und Heu und Stoppeln aufbauen und schließlich doch, wenn auch durch ein bedeutend länger dauerndes Feuer gereinigt werden, als daß sie ewig zugrunde gehen?

Doch sind in diesem Falle einige klare und unzweideutige Schriftstellen falsch: „Hätte ich alle Glaubenskraft, so daß ich Berge versetzen könnte, fehlte mir aber die Liebe, so wäre ich nichts “, oder jene andere: „Was soll es nützen, meine Brüder, wenn einer zwar sagte, er habe den Glauben, wenn er aber keine Werke hat? Wird ein solcher Glaube ihn selig machen können ?“ Falsch wird dann auch jene Stelle sein: „Täuschet euch nicht! Weder Schamlose noch Götzendiener, weder Diebe noch Habsüchtige, weder Ehebrecher noch Weichlinge noch Knabenschänder, weder Trunkenbolde noch Lästerer noch Räuber werden das Himmelreich besitzen .“ Falsch ist dann auch die Stelle: „Offenkundig aber sind die Werke des Fleisches: Buhlerei, Unlauterkeit, Schamlosigkeit und Ausschweifung, Götzendienst und Giftmischerei, Feindschaft, Streit und Eifersucht, Zorn und Ränke, Spaltungen und Parteiungen, Trunksucht,. Schwelgerei u. dgl. Was ich euch schon früher gesagt habe, das wiederhole ich heute: wer solches tut, der wird des Reich Gottes nicht besitzen .“ Diese Stellen sind dann alle falsch. Dann mag man auch in solchen Lastern verharren: man glaubt einfach, läßt sich taufen und wird dann doch gerettet durch Feuer. Also auch wer solche Verbrechen begeht, wird, wenn er nur in Christus getauft ist, das Reich Gottes besitzen. Wenn sie auch nach der Abwaschung [in der Taufe] noch die gleichen sind, dann ist aber auch der Ausspruch vergebens: „Solche Sünder sind auch einige von euch gewesen; aber ihr seid abgewaschen .“— Desgleichen wird auch der Ausspruch des Petrus nichtig erscheinen: So hat auch euch in ähnlicher Weise das Taufwasser gerettet. Wir waschen da nicht etwa den Schmutz des Leibes ab, sondern die Unreinigkeit der Seele und geloben Gott, das Gewissen rein zu bewahren .„ Solche Leute haben ein ganz schlechtes Gewissen, ganz befleckt mit schändlichen Verbrechen und nicht gereinigt durch Reue über ihre Sünden: und doch macht sie die Taufe selig; denn wegen des Fundamentes, das in eben dieser Taufe gelegt wird, sollen sie, wenn auch durch Feuer, gerettet werden! — Ich sehe auch nicht ein, warum dann der Herr gesagt hat: “Willst du zum Leben eingehen, so halte die Gebote !„ — dabei erklärt er auch, was denn zu guten Sitten gehöre —, wenn man auch ohne diese Gebote zu halten, allein auf Grund eines ohne die Werke toten Glaubens zum Leben gelangen kann. Und wie soll dann jener Fluch wahr sein, den er denen zuschleudern wird, die er zu seiner Linken aufstellt: “Fort mit euch in das ewige Feuer, das dem Teufel und seinen Engeln bereitet ist ! Diese schilt er ja nicht, weil sie nicht an ihn geglaubt, andern weil sie kein gutes Werk vollbracht haben. Vielmehr damit sich niemand von einem Glauben, der ohne die Werke tot ist, ein ewiges Leben verspreche, darum wird er nach seiner Versicherung alle Völker voneinander scheiden, die untereinander vermischt dieselbe Weide hatten. Dadurch soll klar werden, daß jene, die da sagen werden: „Herr, wann haben wir dich denn dies alles leiden sehen und haben dir nicht geholfen ?“, die nämlichen sind wie diejenigen, die zwar an ihn geglaubt, aber um gute Werke sich nicht gekümmert hatten, als ob man schon auf Grund eines toten Glaubens zum ewigen Leben gelangen würde. Oder sollen vielleicht bloß diejenigen, die keine Werke der Barmherzigkeit geübt haben, ins ewige Feuer gehen müssen, diejenigen dagegen nicht verdammt werden, die fremdes Gut geraubt oder die durch Zerstörung des Tempels Gottes im eigenen Herzen gegen sich selbst unbarmherzig waren ? Nein, Werke der Barmherzigkeit nützen nichts ohne die Liebe. Sagt ja doch der Apostel: „Wenn ich all meine Habe unter die Armen verteilte, die Liebe aber nicht besäße, so würde es mir nichts nützen .“ Oder kann vielleicht jemand den Nächsten so lieben wie sich selbst, wenn er sich gar nicht liebt? Nein! „Denn wer die Ungerechtigkeit liebt, haßt seine Seele .“

Auch ein beliebtes Selbsttäuschungsmittel mancher Menschen kann hiebei nicht geltend gemacht werden, daß nämlich unter dem ewigen Feuer nicht zugleich auch die Strafe einer ewigen Verbrennung gemeint sei. Das Feuer freilich, das sei wohl ewig, doch würden, wie sie glauben, durch dasselbe all diejenigen hindurchgehen, denen sie wegen ihres toten Glaubens [wenigstens] das Heil durch Feuer in Aussicht stellen; das Feuer also sei natürlich ewig, ihre Verbrennung aber, d.h. die Wirkung des Feuers gegen sie, die sei nicht ewig. — Doch der Herr sah, und darin zeigt sich gerade seine Herrlichkeit, auch diesen Einwand voraus und beschloß darum seinen Urteilsspruch mit den Worten: „So werden jene in die ewige Verbrennung, die Gerechten aber zum ewigen Leben eingehen .“ Die Verbrennung wird demnach ewig dauern wie das Feuer selbst und jene werden nach dem Ausspruch der ewigen Wahrheit dorthin eingehen müssen, denen es, wie sie erklärt, keineswegs am Glauben, wohl aber an guten Werken gefehlt hat.

26. Wenn also all diese Stellen und was sich sonst noch an unzweideutigen Aussprüchen in allen Teilen der hl. Schrift in großer Anzahl finden läßt, falsch ist, nur dann kann freilich jene Erklärung von Holz, Heu und Stoppeln die richtige sein, daß die durch Feuer gerettet werden, die nur am Glauben an Christus festgehalten, sich aber um gute Werke nicht gekümmert haben. Sind aber jene Aussprüche wahr und unzwei deutig, dann heißt es allerdings für jene Stelle des Apostels [Paulus] einen anderen Sinn suchen und sie muß unter diejenigen gezählt werden, von denen Petrus sagt, es sei in seinen Schriften einiges schwer zu verstehen . Solche Stellen nun dürfen die Menschen nicht zu ihrem eigenen Verderben mißdeuten: das würden sie aber tun, wenn sie entgegen den klarsten Zeugnissen der Schrift die schlechtesten Menschen, die hartnäckig an ihrer Schlechtigkeit festhalten, ohne sich durch Besserung oder Bekehrung zu ändern, bezüglich der Erlangung des Heiles in falsche Sicherheit wiegten.

16. Kapitel: Der heilige Augustinus gibt seine Erklärung der berühmten Stelle von der Prüfung durch das Feuer

27. Doch da möchte mich vielleicht jemand fragen, was denn ich selbst von jener Stelle des Apostels Paulus halte und wie ich meine, daß man sie auffassen müsse. Ich muß aber gestehen, es wäre mir viel lieber, wenn ich einsichtsvollere und gelehrtere Männer hören könnte, die sie so erklären, daß mein ganzerobiger Erklärungsversuch und was man sonst noch hiezu anführen könnte, als unumstößlich wahr feststünde. Durch solche Stellen [wie ich sie dort anführte] bezeugt aber die Heilige Schrift ganz unzweideutig, daß nur der vom Apostel umschriebene Glaube von Nutzen sei, nämlich der Glaube, der durch die Liebe wirksam ist ; fehlten aber die Werke, dann könne er nicht retten, und zwar weder mit noch ohne Feuer; denn würde er wenn auch nur durch Feuer retten, dann gereichte er ja immerhin zur Rettung. Es heißt aber ganz bedingungslos und deutlich: “Was nützt es, wenn einer sagt, er habe den Glauben, wenn er aber keine Werke besitzt? Wird ihn ein solcher Glaube retten können ?”

Aber ich will doch so kurz als möglich meine eigene Ansicht über diesen so schwer verständlichen Ausspruch des Apostels Paulus darlegen. Doch was ich damit auch verspreche, so mag man vornehmlich daran festhalten, daß ich hierüber, wie gesagt, lieber tüchtigere Männer hören würde.

Das bedarf keiner Erklärung, daß im Gebäude eines weisen Baumeisters Christus das Fundament bildet. Es heißt ja ganz deutlich: “[Denn] ein anderes Fundament kann niemand legen als das [durch Paulus] bereits gelegt ist, nämlich Christus Jesus . Wenn es aber heißt”Christus“, so heißt das ohne Zweifel soviel als”der Glaube an Christus“. Denn durch den Glauben wohnt Christus in unserem Herzen, wie der gleiche Apostel sagt. Dieser Glaube an Christus ist aber sodann gewiß kein anderer als der, den der Apostel mit den Worten umschrieben hat:”Der Glaube, der durch die Liebe wirksam ist ." Denn der Glaube der Teufel, die ja auch glauben und zittern und Jesus als den Sohn Gottes bekennen, kann ja nicht als Fundament des Glaubens aufgefaßt werden; ihr Glaube ist ja nicht durch die Liebe wirksam, sondern nur durch die Furcht erzwungen. Der Glaube an Christus also, der Glaube der christlichen Gnade, d. h. der Glaube, der durch die Liebe wirksam ist, läßt, wenn er einmal als Fundament gelegt ist, niemanden zugrunde gehen.

Soll ich aber nun eingehender darlegen, was es heißt, auf diesem Fundament Gold, Silber und kostbare Steine oder aber Holz, Heu und Stoppeln zu bauen so dürfte, fürchte ich, die Auslegung etwas schwer verständlich sein. Ich will es aber doch mit Gottes Hilfe versuchen, kurz und so gut als möglich meine Ansicht klar darzulegen: erinnern wir uns wieder an jenen Menschen, der den guten Meister darum fragte, was er denn tun müsse, um das ewige Leben zu erlangen . Darauf bekam er als Antwort zu hören, wenn er zum Leben eingehen wolle, dann müsse er die Gebote beobachten, und als er weiter fragte, was denn für Gebote, da wurde ihm gesagt: “Du sollst nicht töten, du sollst nicht ehebrechen, du sollst nicht stehlen, du sollst kein falsches Zeugnis geben; ehre deinen Vater und deine Mutter; liebe deinen Nächsten wie dich selbst!” Dies also solle er tun im Glauben an Christus. Damit war ohne Zweifel gemeint, er solle an einem Glauben festhalten, der durch die Liebe wirksam ist; denn hätte er die Gottesliebe nicht, ohne die wiederum eine Eigen liebe nicht möglich ist, dann würde er auch seinen Nächsten nicht lieben können wie sich selbst. Würde er dann auch noch den weiteren Rat des Herrn erfüllen: “Wenn du vollkommen sein willst, so gehe hin und verkaufe alles, was du hast, und gib es den Armen, um einen Schatz im Himmel zu haben; und dann komme und folge mir nach!”, so würde er auf jenes [in Christus gelegte] Fundament Gold, Silber und Edelsteine bauen. Denn er wäre dann nur auf das bedacht, was Gottes ist und wie er Gott gefallen könne , und eine solche Gesinnung wäre, wie ich meine, Gold, Silber und Edelgestein. Wenn sich aber nun einer geradezu von sinnlicher Liebe zum Reichtum ergreifen ließe und trotz vieler Almosen, die er trotzdem von seinem Reichtum gibt, zu dessen Vermehrung sogar an Betrug und Raub dächte oder aus Furcht vor einer Verminderung oder einem Verlust desselben sogar in ein schändliches Verbrechen fiele: der hätte sich dadurch bereits von dem festen Fundament entfernt. Wenn er jedoch, wie gesagt, in fleischlicher Liebe zum Reichtum nur soweit ginge, daß er derlei Güter nur mit Schmerz vermissen würde, so würde er auf sein Fundament Holz und Heu und Stoppeln bauen, und zwar vorzüglich dann, wenn er auch noch ein Weib hätte, so daß er auch ihretwegen an das dächte, was der Welt ist und wie er seinem Weibe gefallen könne . Weil man sich also von dem, was man mit fleischlicher Zuneigung liebt, nicht ohne Schmerz trennt, deshalb gelangen jene, die es so besitzen, durch den Schaden, den sie bei seinem Verlust erlitten haben, gewissermaßen durch das Feuer des Schmerzes zum Heile; denn im Fundament haben sie ja den durch die Liebe tätigen Glauben und ziehen ihm jene Güter aus keinem Grund und aus keiner Begierde vor. Je weniger einer aber diese Güter liebt und je mehr er sie so besitzt, als besäße er sie nicht , um so sicherer ist er vor dem Schmerz über ihren Verlust. Wer aber jene Güter so liebt, daß er, um sie zu behalten oder zu erlangen, sogar Mord, Ehebruch, schamlose Taten, Götzendienst und ähnliche Verbrechen begeht, der wird trotz seines Fundamentes nicht durch Feuer gerettet, sondern nach Verlust des Fundamentes mit ewigem Feuer gequält werden.

28. Um die Kraft, die schon im Glauben allein liegt, zu beweisen, führen sie noch eine andere Stelle an. Der Apostel sagt nämlich: “Will der Ungläubige seine Ehe scheiden, dann scheide er sie! Denn der [christliche] Bruder oder die [christliche] Schwester sind in diesem Falle nicht gebunden .” Das heißt, man darf wegen des Glaubens an Christus selbst die rechtmäßig angetraute Ehegattin ohne alle Schuld verlassen, wenn sie mit dem christlichen Mann wegen seines christlichen Bekenntnisses nicht mehr leben will. Meine Gegner aber beachten nicht, daß eine solche Frau mit Fug und Recht entlassen wurde, wenn sie zu ihrem Manne sagte: “Ich kann deine Gattin nicht mehr sein, wenn du mir nicht Reichtum zusammenraubst oder wenn du die gewohnte Kuppelei, die unser Haus leidlich unterhielt, nicht auch als Christ noch weiter treibst”, oder wenn sie sonst noch etwas Schlechtes und Schändliches an ihrem Manne wußte, woraus sie Vergnügen, Befriedigung ihrer Lüsternheit, leicht erworbenen Unterhalt und feinen Kleiderputz gewann. Ein Mann nun, zu dem sein Weib also spricht, wird sich, wenn anders er sich bei seiner Taufe wahrhaft von seinen bösen Werken bekehrt hat und den in Liebe tätigen Glauben als Fundament besitzt, ohne Zweifel mehr von der Liebe zur göttlichen Gnade als zum Fleische seines Weibes hingezogen fühlen und wird starkmütig ein Glied abhauen, das ihm zum Verhängnis wird. Der Schmerz, den er bei dieser Trennung in seinem Herzen aus fleischlicher Liebe zu seinem Weibe verspürt, das ist der Verlust, den er erleidet, und das Feuer, durch das er selbst gerettet werden wird, während das Heu verbrennt. Wenn er aber sein Weib schon besaß, als besäße er es nicht, d.h. nicht aus Begierlichkeit, sondern aus Barmherzigkeit, in der Hoffnung, es vielleicht auch noch zu retten, und wenn er selbst die eheliche Pflicht mehr leistet als daß er sie [als ein gutes Recht] fordert, dann wird er ganz gewiß keinen leiblichen Schmerz empfinden, wenn er sich von einem solchen Ehebund lösen muß; war er ja doch an der Seite seines Weibes nur auf das bedacht, was Gottes ist und wie er Gott gefalle . Und deshalb würde er in dem Grade, als er auf eine solche Gesinnung Gold und Silber und Edelsteine aufbaute, keinen Schaden leiden; denn sein Gebäude, das ja nicht aus Heu erbaut ist, würde durch keinen Brand in Flammen aufgehen.

29. Ob nun die Menschen nur in diesem Leben solches erdulden müssen oder ob auch nach diesem Leben noch manches Strafgericht dieser Art erfolgt, so widerspricht doch meiner Ansicht nach diese Auffassung unserer Schriftstelle ihrem Wahrheitsgrunde nicht. Aber auch wenn ein anderer, mir unbekannter Sinn vorzuziehen wäre, so brauchen wir doch, solange wir an dem von mir angegebenen Sinn festhalten, “den Ungerechten und Ungehorsamen, den Verbrechern und Unreinen, den Vater- und Muttermördern, den Totschlägern, den Hurern und Knabenschändern, den Menschenräubern, den Lügnern und Meineidigen und was sonst noch der gesunden Lehre gemäß dem herrlichen Evangelium des seligen Gottes zuwider ist”, nicht zu sagen: “Wenn ihr nur an Christus glaubt und sein Sakrament der Taufe empfangt, so werdet ihr doch gerettet werden, auch wenn ihr euer ganz schlechtes Leben nicht ändert.”

30. Auch das kananäische Weib kann uns nicht zur Preisgabe unserer Überzeugung zwingen, etwa deshalb, weil ihm der Herr seinen Wunsch erfüllte, obgleich er zuvor noch zu ihm gesagt hatte: “Es ist nicht gut, das Brot der Kinder zu nehmen und es den Hunden vorzuwerfen .” Denn er, der die Herzen prüft, sah eben seine Bekehrung; darum lobt er das Weib und sagte nicht mehr zu ihm: “Du Hund, groß ist dein Glaube”, sondern: “Weib, groß ist dein Glaube.” Er änderte die Anrede, weil er auch die Gesinnung [des Weibes] verändert sah und erkannte, daß jener Tadel Frucht getragen hatte. Sonderbar aber wäre es gewesen, hätte er an ihm einen Glauben ohne Werke gelobt, d.h. einen Glauben, der nicht schon durch die Liebe wirken könnte, sondern einen toten Glauben, nicht einen Glauben der Christen, sondern einen Glauben der Teufel, wie ihn Jakobus ohne das geringste Bedenken genannt hat . Wollen sie endlich nicht einsehen, daß jene Kananäerin ihre verderbten Sitten geändert hat, als sie der Herr mit verächtlichem Tadel zurückwies, dann sollen sie nur, wenn sie können, geradeso wie die Tochter des kananäischen Weibes geheilt worden ist, ihrerseits die Kinder all derjenigen heilen, die nur glauben, aber ihr schuldbeflecktes Leben nicht einmal verheimlichen, sondern es sogar offen zur Schau tragen und es nicht bessern wollen; nicht aber sollen sie diese zu Gliedern Christi machen, da sie selbst nicht aufhören, Glieder einer Buhlerin zu sein. Darin haben sie Verstand gezeigt, daß sie einsehen, derjenige sündige gegen den Heiligen Geist und sei ohne Hoffnung auf Verzeihung einer ewigen Sünde schuldig, der bis ans Ende seines Lebens nicht an Christus glauben will. Möchten sie es aber doch recht einsehen, was es denn heißt: an Christus glauben; das heißt aber nicht den Glauben der Teufel haben, der mit Recht für tot gehalten wird, sondern einen Glauben, der durch die Liebe wirksam ist.

17. Kapitel: Unverbesserliche Sünder nicht in die Kirche aufzunehmen verrät nicht grausame Härte, sondern ist nur kluge Vorsicht, um die Guten vor Verführung zu bewahren

31. Wenn wir nun unter solchen Umständen derartige Menschen nicht zur Taufe zulassen, so ist das kein Versuch, das Unkraut schon vor der Zeit auszureißen; nein, aber wir wollen auch nicht wie der Teufel das Unkraut förmlich säen . Denn wir halten ja damit keine Leute ab, die wirklich zu Christus kommen wollen, wir beweisen ihnen vielmehr durch ihr eigenes Geständnis bloß, daß sie selbst nicht zu Christus kommen wollen. Wir verbieten ihnen auch keineswegs, an Christus zu glauben, sondern wir zeigen nur, daß solche Leute nicht an Christus glauben wollen, die den Ehebruch für etwas anderes erklären als wie Christus selbst sagt oder die glauben, Ehebrecher könnten Glieder desjenigen sein, der selbst durch seinen Apostel [Paulus] von ihnen sagt, daß sie das Reich Gottes nicht besitzen, daß sie Gegner jener gesunden Lehre sind, die dem glorreichen Evangelium unseres seligen Gottes gemäß ist . Darum darf man sie nicht unter diejenigen zählen, die zum Hochzeitsmahl kamen, sondern unter diejenigen, die nicht kommen wollten . Denn da sie selbst der Lehre Christi ganz offen zu widersprechen und seinem heiligen Evangelium entgegenzutreten wagen, so ist es nicht so, daß sie trotz ihres Kommens zurückgewiesen werden, sondern sie selbst verschmähen es, zu kommen. Die aber, die der Welt zwar mit Worten, aber nicht tatsächlich widersagen, die kommen zwar [zum Gastmahl], werden unter den Weizen gesät, werden in die Scheune gebracht und werden den Schafen gleichgeachtet, sie gehen in die Netze und mischen sich unter die Tischgenossen. Wenn sie aber einmal in die Kirche aufgenommen sind, wird bei ihrem geheimen und offenkundigen Treiben der Grundsatz der Duldung zur Geltung kommen müssen, falls es keine Gewalt gibt, sie zurecht zu weisen , oder falls nicht besonders schwerwiegende Gründe ihre Trennung verlangen.

Die Erzählung der Schrift, es seien alle Leute, ob gut oder bös, zum Hochzeitsmahl geführt worden, dürfen wir auf keinen Fall so verstehen, als habe man auch jene herbeigeführt, die nach ihrem eigenen Geständnis böse bleiben wollten. Denn sonst hätten ja die Knechte des Hausvaters selbst das Unkraut [unter den Weizen] gesät; dann wäre auch der Ausspruch falsch: „Der Feind, der das Unkraut säte, das ist der Teufel .“ Weil dieser Ausspruch aber nicht falsch sein kann, so wußte man entweder, als die Diener die Leute herbeiführten, noch nicht, ob es gute oder böse Menschen waren und erkannte sie erst nach ihrer Aufnahme in ihrer Eigenschaft, oder sie wurden gut oder böse nach dem landläufigen Sprachgebrauch genannt, der auch solche, die noch nicht zum Glauben gelangt sind, zu loben oder zu tadeln pflegt. — Hieher gehört auch die Aufforderung des Herrn an seine Jünger bei ihrer erstmaligen Aussendung zur Verkündigung des Evangeliums, sie sollten sich bei ihrer Ankunft in einer Stadt jedesmal erkundigen, wer hier würdig sei, daß sie bei ihm bis zu ihrer Abreise wohnten . Wer anders aber sollte ein solch würdiger Mensch sein, als wer im Urteil seiner Mitbürger für gut gilt, und wer anders ein solch unwürdiger Mensch, als wer jenen Mitbürgern als böse bekannt ist? Leute beider Art kommen zum christlichen Glauben und das ist der Grund, warum Gute und Böse herbeigeführt werden, weil auch jene Bösen die Bekehrung von toten Werken nicht verweigern, Verweigern sie diese aber, so werden sie nicht zurückgestoßen, obwohl sie einzutreten verlangen, sondern ihr eigener offener Widerspruch war es dann, der sie selbst vom Eingang hinwegtrieb.

32. Darum wird auch jener Knecht sicher sein und nicht mit den Trägen verdammt werden, weil er das Talent seines Herrn nicht verausgaben wollte, da sie ja selbst nicht annehmen wollten, was er ihnen anbot. Dieses Gleichnis ist nämlich um deretwillen ins Evangelium aufgenommen worden , die das Amt eines Ausspenders in der Kirche unter dem nichtigen Vorwand ablehnen, sie wollten nicht über fremde Sünden Rechenschaft ablegen müssen. Solche Menschen hören nur, handeln aber nicht, d.h. sie empfangen wohl, geben aber nicht weiter. Ein treuer und sorgfältiger, zum Ausgeben gern bereiter und auf den Gewinn seines Herrn wohl bedachter Ausspender nun sagt zu einem Ehebrecher: „Sei kein Ehebrecher, wenn du getauft werden willst; glaube vielmehr, wenn du getauft werden willst, an Christus, der dein Tun Ehebruch heißt. Sei kein Glied einer feilen Dirne, wenn du ein Glied Christi sein willst!“ Wenn aber nun der Mensch antwortet: „Ich gehorche nicht, ich tue es nicht“, so will er selbst das echte Geld des Herrn nicht annehmen, sondern sucht vielmehr sein eigenes falsches Geld unter die Schätze des Herrn zu schmuggeln. Würde er aber das Versprechen der Besserung zwar geben, es aber dann doch nicht halten, und könnte er nach der Taufe auf keine Weise zur Besserung gebracht werden, so würden sich schon Maßregeln finden lassen, um einen sich selbst unnützen Menschen auch für andere unschädlich zu machen. So ließe sich dann wohl verhüten, daß ein schlechter Fischer in den guten Netzen des Herrn mit seinen schlechten Netzen die Fische seines Herrn finge, d.h. daß ein solcher Mensch, wenn er in der Kirche ein schlechtes Leben führte, vielleicht auch eine schlechte Lehre in der Kirche einführte. Wenn nämlich solche Leute ihr schlechtes Tun auch noch verteidigen oder ganz offen erklären, sie würden darin verharren, und wenn sie gleichwohl zur Taufe zugelassen werden, so scheinen sie damit nichts anderes zu verkünden, als daß die Hurer und Ehebrecher, auch wenn sie bis zum Ende der Welt in ihrer Schlechtigkeit verharren, das Reich Gottes besitzen und durch das Verdienst des Glaubens, der doch ohne die Werke tot ist , zum ewigen Leben und zum Heil gelangen werden. Das sind die schlechten Netze, vor denen sich die Fischer hauptsächlich hüten müssen: unter diesen Fischern jenes bekannten Gleichnisses der Heiligen Schrift sind die Bischöfe und die niedrigeren kirchlichen Vorsteher zu verstehen. Es heißt ja: „Kommet und ich will euch zu Menschenfischern machen .“ Mit guten Netzen können nämlich gute und schlechte Fische gefangen werden; in schlechten Netzen aber können keine guten Fische gefangen werden. Bei einer guten Lehre aber ist es also: wer sie hört und sie erfüllt, der ist selber gut, schlecht aber ist, wer sie zwar hört, aber nicht erfüllt; wer aber eine schlechte Lehre für wahr hält, der ist, auch wenn er ihr nicht gehorcht, selber schlecht; und noch schlechter ist, wer sie auch noch befolgt.

18. Kapitel: Daß schlechte Menschen nicht zur Taufe zugelassen werden, ist keine ungerechte Neuerung der Kirche; selbst geheime Vergehen müssen wenigstens durch die Lehrvorträge gestraft werden

33. Es wäre eigentlich Pflicht meiner andersdenkenden Brüder, von ihrer Meinung abzustehen; ob es eine neue Meinung ist oder eine schon seit alters bestehende, will ich jetzt gar nicht untersuchen: jedenfalls ist sie gefährlich. Doch zu meiner höchsten Verwunderung behaupten sie die Lehre, man solle jene ganz ruchlosen Menschen, die offen erklären, in ihren Schandtaten beharren zu wollen, von der Taufe zurückweisen, sei erst neu eingeführt worden. Weiß Gott, wo diese Leute eigentlich herumpilgern; werden ja doch Dirnen und Schauspieler und alle, die erwerbsmäßig ein schändliches Gewerbe öffentlich ausüben, nur nach Auflösung oder Zerreißung solcher Bande zu den christlichen Sakramenten zugelassen . Diese Leute müßten doch nach jener Ansicht samt und sonders zur Taufe zugelassen werden, wenn nicht die Kirche ihre schon althergebrachte und lebenskräftige Sitte beibehielte, die sich auf einen bekannten Ausspruch der höchsten Wahrheit gründet, die uns versichert, daß „alle, die solches tun, das Reich Gottes nicht besitzen werden “. Wenn sie sich daher von diesen toten Werken nicht bekehren, so läßt man sie nicht zu den Sakramenten hinzutreten. Haben sie sich aber doch eingeschlichen, so können sie auch dann nur im Falle einer wenigstens nachfolgenden Bekehrung gerettet werden.

Trunksüchtige, Geizige, Schmähsüchtige aber und alle, die irgendeines anderen verabscheuungswürdigen Lasters schuldig sind, die jedoch wegen keiner offenkundigen Tatsache überführt und angeklagt werden können, werden doch in den Vorschriften und Lehrvorträgen sehr scharf gegeißelt, und es scheint, daß all diese Leute nur nach erfolgter Besserung zur Taufe hintreten. Wenn sie nun aber ehebrecherische Menschen sehen, die nicht ein bloß menschliches, sondern ein göttliches Gesetz verdammt, d.h. Männer, die fremde Weiber wie eigene haben, oder Weiber, die fremde Männer haben, und wenn sie bemerken, daß man solche Leute nachsichtiger zu behandeln und zur Taufe zuzulassen pflegt, dann sollen sie auch solche Mißbräuche nach jenen gesunden Grundsätzen verbessern. Sie sollen dann Sorge tragen, daß auch diese nicht zugelassen werden, damit sie nicht auch noch mit ihren schlechten Beispielen gute Sitten verderben. Sie sollen nicht glauben, man dürfe Kompetenten nicht über die Besserung ihrer Sitten unterrichten und sollen nicht grundsätzlich für die Aufnahme aller erklärten Verüber jener öffentlichen Schändlichkeiten und Frevel stimmen, d.h. der Hurer, Kuppler, Gladiatoren und was es sonst noch für schlechte Menschen dieser Art gibt, und dies sogar auch dann noch, wenn sie in ihren Sünden verharren. Denn all diese Laster, deren Aufzählung der Apostel mit den Worten schließt: „Alle aber, die solches verüben, werden das Reich Gottes nicht besitzen “, tadeln die Anhänger einer strengeren Zucht ganz naturgemäß, falls sie Kenntnis davon erhalten, und lassen solche Leute, die widersprechen und ihren Willen, in solchen Sünden zu beharren, bekennen, nicht zur Taufe zu.

19. Kapitel: Unbußfertiger Ehebruch schließt auf jeden Fall von der Taufe aus; wenn ältere kirchliche Bestimmungen sich darüber nicht äußern, so liegt der Grund darin, daß diese Sünde eben früher sehr selten war. — Einige zweifelhafte Fälle

34. Manche sind der Ansicht, alle andern Sünden ließen sich unschwer durch Almosen wieder gut machen, doch gibt es, wie auch diese Leute nicht verkennen, drei Todsünden, die so lange mit Exkommunikation bestraft werden müssen, bis sie durch demütige Buße wieder geheilt sind: nämlich Unzucht, Götzendienst und Mord. Für den Augenblick brauche ich nicht näher auf diese Ansicht und auf eine Untersuchung über ihren Wert oder Unwert einzugehen; sonst würde sich nämlich wegen einer zur Lösung unseres Problems gar nicht notwendigen Nebenfrage unser angefangenes Werk allzu sehr ausdehnen. Denn wenn gar kein Laster zur Taufe zugelassen werden darf, so ist ja auch der Ehebruch unter all den Sünden miteinbegriffen und das genügt für unseren Zweck. Bestehen aber nur jene erwähnten drei Ausnahmen, so befindet sich auch darunter wieder der Ehebruch; und von ihm ist ja unsere Erörterung ausgegangen.

35. Auch früher gab es schon schlechte Christen mit sehr bösen Sitten, doch von der Sünde daß Männer fremde Weiber zur Ehe nahmen und Weiber mit fremden Männern sich verheirateten, scheinen sie frei gewesen zu sein. Daher schlich sich in einigen Kirchen die Nachlässigkeit ein, im Kompetentenunterricht nach solchen Lastern gar nicht mehr zu fragen und sie nicht mehr zu geißeln. Und schließlich kam es so weit daß man sie allmählich sogar verteidigte. Bisher sind sie jedoch bei Getauften noch nicht häufig, es müßte denn schon sein, daß wir durch Mangel an Wachsamkeit ihre Zahl wachsen ließen. Diese Art von Nachlässigkeiten bei den einen und diese Unerfahrenheit und Unwissenheit bei den anderen ist es aller Wahrscheinlichkeit nach die der Herr dort mit dem Namen Schlaf bezeichnet zu haben scheint, wo er sagt: „Als aber die Leute schliefen, da kam der Feind und säte Unkraut [unter den Weizen] .“ — Daß aber dieses Übel unter den Sünden auch der schlechtesten Christen anfänglich nicht vorkam, lässt sich daraus erschliessen, dass der heilige Cyprian in seinem Brief über die Gefallenen ihrer gar keine Erwähnung tut Und doch führt er dort unter Klagen und Weinen viele Sünden an, um derentwillen Gott, wie Cyprian sagt, in seinem Groll die Geißel einer unerträglichen Verfolgung über die Kirche kommen ließ. Unser Laster aber nennt er bei dieser Gelegenheit nicht: und doch spricht er mit ganz offenem Nachdruck davon, daß es zu den schlechten Sitten gehöre, mit Ungläubigen sich durch das Band der Ehe zu verbinden; denn das heiße nichts anderes als die Glieder Christi den Heiden preisgeben. — Heutzutage aber hält man solche Ehen schon überhaupt nicht mehr für Sünde, weil es tatsächlich hierüber im Neuen Testament keine Vorschrift gibt und man deshalb ihre Erlaubtheit annahm oder wenigstens in Zweifel gestellt ließ. — Auch im Falle des Herodes besteht keine Gewißheit darüber, ob er das Weib seines schon gestorbenen oder seines noch lebenden Bruders geheiratet hat ; es ist daher nicht ganz klar, was ihm denn Johannes eigentlich als unstatthaft verwiesen hat. — Verspricht eine Konkubine, sie werde keinen anderen Mann erkennen, selbst wenn ihr bisheriger Herr sie entläßt, so kann man mit Recht zweifeln, ob man sie nicht zum Empfang der Taufe zulassen soll. Wer aber sein auf Ehebruch ertapptes Weib entläßt und eine andere heiratet, der darf, wie es scheint, jenen nicht gleichgestellt werden, die aus einem andern Grund als wegen Ehebruch ihr Weib entlassen und wieder eine andere heiraten. Sogar in den göttlichen Aussprüchen ist es so unklar, ob derjenige, der mit unbezweifeltem Recht sein ehebrecherisches Weib entläßt, im Falle einer Wiederverheiratung nun selbst auch als ein Ehebrecher zu gelten hat, daß sich jemand meines Erachtens in diesem Punkte nur unter einer geringen Sünde täuscht. Offenkundige Verbrechen der Unzucht schließen demnach ganz natürlich auf jeden Fall von der Taufe aus, wenn sie nicht durch bußfertige Sinnesänderung gebessert werden. Im Zweifelsfalle soll man wenigstens dergleichen Verbindungen zu verhindern suchen. Denn wozu soll man sich einer so großen, zweifelhaften Gefahr aussetzen? Sind aber solche Verbindungen schon geschlossen, so weiß ich nicht, ob diejenigen, die sie geschlossen haben, ebenso von der Taufe zurückgewiesen werden sollen.

20. Kapitel: Nur wer glaubt und sich von toten Werken bekehrt, erlangt in der Taufe Gesundheit der Seele

36. Man darf nicht zugeben, daß sich irgendeine Todsünde einer ganz gefährlichen Sicherheit und einer höchst verderblichen Begünstigung erfreut; der ordnungsgemäße Gang der Heilung besteht demnach nach der gesunden Lehre der Wahrheit darin, daß die Täuflinge an Gott den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist glauben, und zwar so, wie es das Symbolum vorschreibt, das ihnen bei der Taufe übergeben wird ; außerdem sollen sie sich von toten Werken bekehren. Dann brauchen sie nicht zu zweifeln, daß sie in der Taufe Vergebung aller früher begangenen Sünden erlangen werden. Dies wird aber nicht geschehen, damit sie von da ab ungescheut sündigen können, sondern damit ihnen die bisherigen Sünden nicht mehr schaden; so erhalten sie zwar Vergebung für ihre vergangenen, aber keinen Freibrief für künftige Sünden. Dann können auch geistigerweise jene Worte gebraucht werden: „Siehe, du bist gesund geworden; sündige nun nicht mehr !“, Worte, die der Herr deshalb von der leiblichen Gesundung gebrauchte, weil er wußte, daß dem Menschen, den er gesund gemacht hatte, die Krankheit des Fleisches zur Strafe für seine Sünden zugestoßen war. Doch wie meine Gegner zu einem Menschen, der als Ehebrecher zur Taufe hinzutritt und als Ehebrecher auch wieder von ihr hinweggeht, sagen können: „Siehe, du bist gesund geworden!“, darüber muß ich mich wundern. Denn wo gibt es dann überhaupt noch eine schwere und verderbliche Krankheit, wenn Ehebruch Gesundheit ist?

21. Kapitel: Unter den vielen Gläubigen der apostolischen Zeit mögen sich recht wohl auch Ehebrecher und Dirnen befunden haben; doch ist damals gewiß niemand aufgenommen worden, als wer sich von toten Werken bekehrte, weil nur der in Liebe tätige Glaube die Verheißung des Lebens hat

37. „Aber“, sagen sie, „unter jenen dreitausend Menschen, welche die Apostel an einem Tage getauft haben, und unter den viel tausend Gläubigen, womit der Apostel von Jerusalem bis nach Illyrien das Evangelium erfüllte , waren gewiß auch Männer, die mit fremden Weibern, und Weiber, die mit fremden Männern verbunden waren: an denen hätten doch die Apostel für die Kirche eine Regel zur Beobachtung festsetzen müssen, damit man wisse, ob man solche Leute zur Taufe zulassen solle, wenn sie nicht zuerst ihren Ehebruch wieder gut machten.“Aber ebenso gut könnte man ihnen gegenüber auch behaupten, man finde auch niemanden erwähnt, der trotz eines Ehebruches zugelassen worden sei. Oder könnten vielleicht in endloser Reihenfolge die Verbrechen eines jeden einzelnen Menschen aufgezählt werden oder gilt nicht vielmehr vollauf die bekannte Hauptregel, die Petrus in klaren Worten den Täuflingen bezeugt, wenn er sagt: „Reißt euch los von dieser verkehrten Welt !“ Wer wollte aber nun bezweifeln, daß Ehebruch und hartnäckige Sünder zu dieser verkehrten Welt gehören? Geradeso gut könnte man aber auch sagen, daß unter den vielen Tausenden von Gläubigen aus allen Völkern sich wohl auch öffentliche Dirnen hätten finden können, die jede Kirche erst dann zur Taufe zuläßt, wenn sie ihr schändliches Gewerbe aufgeben, und daß die Apostel auch über deren Zulassung oder Abweisung Beispiele hätten aufstellen müssen. Aber immerhin haben wir kleinere Beispiele, von denen wir auf größere schließen können. Wenn nämlich den Zöllnern, die zur Johannestaufe kamen, verboten wurde, mehr als die festgesetzte Abgabe zu verlangen , dann wäre es doch sonderbar, wenn denen, die zur Taufe Christi kommen, der Ehebruch gestattet sein könnte.

38. Auch auf die Israeliten weisen meine Gegner hin, die gleichfalls viele schwere Verbrechen begangen, sogar viel Prophetenblut vergossen und doch nicht wegen dieser Untaten, sondern einzig und allein wegen ihres Unglaubens, weil sie nicht an Christus glauben wollten, den völligen Untergang verdient hätten. Sie übersehen aber dabei, daß die Sünde der Juden nicht bloß darin bestand, daß sie an Christus nicht glaubten, sondern auch darin, daß sie Christus sogar töteten. Gewiß liegt da das Verbrechen des Unglaubens vor, aber dazu auch noch das der Grausamkeit: das erstere verstößt wohl gegen den rechten Glauben, das andere aber gegen einen guten Lebenswandel. Keine aber von diesen Sünden darf der haben, der den Glauben an Christus haben will, sonst besitzt er eben nur einen Glauben, der ohne die Werke tot ist, so wie man ihn auch bei den Teufeln findet , nicht aber den Glauben der Gnade, der durch die Liebe wirkt.

39. Dies ist der Glaube, von dem es heißt: „Das Himmelreich ist in euch “, und jene reißen es an sich, die Gewalt gebrauchen durch den Glauben, weil sie den Geist der Liebe sich verschaffen, in der die Fülle des Gesetzes wohnt , ohne die aber auch die buchstäbliche Beobachtung des Gesetzes der Übertretung schuldig macht. Man darf darum nicht glauben, darum heiße es: „Das Himmelreich leidet Gewalt, und nur die Gewalt gebrauchen, reißen es an sich “, weil auch die Schlechten ins Himmelreich gelangen können, wenn sie nur glauben, dabei aber ein ganz schlechtes Leben führen, sondern vielmehr deshalb, weil die Schuld der Übertretung, die man durch das bloße Gebot des Gesetzes, das heißt des Buchstaben ohne den Geist, auf sich lädt, durch den Glauben abgeschüttelt wird und weil durch starken Glauben der Heilige Geist erlangt wird, durch den die Liebe in unser Herz ausgegossen und das Gesetz nicht mehr aus Furcht vor Strafe, sondern aus Liebe zur Gerechtigkeit erfüllt wird.

22. Kapitel: Nur wer Gottes Gebote hält, kennt Gott; Gottes Gebote halten heißt aber sowohl an ihn glauben, als auch seinen Geboten gemäß leben. — Wir sollen nicht sündigen, aber im Falle der Sünde auch nicht verzweifeln

40. Kein leichtsinniger Mensch lasse sich darum täuschen und glaube Gott zu kennen, wenn er ihn nur mit einem toten Glauben, d.h. ohne gute Werke, bekennt, so wie es auch die Teufel machen, und wenn er sich der festen Hoffnung hingibt, er werde deshalb ins ewige Leben gelangen, weil ja der Herr sagt: „Das aber ist das ewige Leben, daß sie dich, den einen wahren Gott, erkennen und den du gesandt hast, Jesus Christus .“ Er soll sich vielmehr auch noch an die andere Stelle erinnern, wo es heißt: „Daran erkennen wir ihn, wenn wir seine Gebote halten. Wer aber sagt: Ich kenne ihn, hält aber seine Gebote nicht, der ist ein Lügner und Wahrheit ist nicht in ihm .“ Es darf aber nun keiner glauben, seine Gebote umfaßten bloß das Gebot des Glaubens, eine Behauptung, die auch wirklich noch niemand aufzustellen wagte. Er selbst hat ja, um nicht durch die Menge der Gebote die Gedanken zu verwirren, nur gesagt: „An diesen zwei Geboten hängt das ganze Gesetz und die Propheten .“ Man kann freilich wohl sagen, die Gebote Gottes bezögen sich bloß auf den Glauben; aber man darf dann nicht einen toten Glauben, sondern jenen lebendigen meinen, der durch die Liebe wirksam ist. Später aber hat Johannes seine Auffassung selbst mit den Worten näher dargelegt: „Das ist sein Gebot, daß wir an den Namen seines Sohnes Jesus Christus glauben und einander lieben.“

41. Es ist also von Nutzen, im rechten Glauben an Gott zu glauben, Gott zu verehren und Gott zu kennen: wir bekommen dann seinen Beistand zu einem guten Leben und machen uns seiner Verzeihung würdig, wenn wir sündigen. Nicht aber dürfen wir unbesorgt in Werken verharren, die er haßt, sondern wir müssen sie aufgeben und zu ihm sprechen: „Ich habe gesprochen: Herr, erbarme dich meiner, heile meine Seele, weil ich vor dir gesündigt habe .“ So können aber diejenigen zu niemandem sprechen, die nicht an ihn glauben und so sprechen ohne Nutzen diejenigen, die weit entfernt vom Mittler und darum seiner Gnade fremd sind. Daher kommen die bekannten Worte im Buche der Weisheit, für die jene verderbliche Sicherheit wohl keine Erklärung geben kann: „Auch wenn wir gesündigt haben, sind wir dein .“ Denn wir haben einen guten, großen Herrn, der die Sünden des Büßers heilen kann und heilen will, der es ebenso gut aber auch über sich bringt, verstockte Sünder zu verderben. Nach den Worten: „Dein sind wir“, heißt es weiter: „Denn wir kennen deine Macht.“ Das ist doch gewiß eine Macht, der sich kein Sünder heimlich entziehen kann. Darum fügt das Buch der Weisheit im unmittelbaren Anschluß daran bei: „Nicht aber wollen wir sündigen, weil wir wissen, daß wir dir zugezählt sind. “Wer sich nämlich die Wohnung bei Gott, zu der alle durch Prädestination bestimmt sind, die nach seinem Wohlgefallen berufen wurden , würdig vorstellt, der wird sich gewiß bestreben, ein jener Wohnung entsprechendes Leben zu führen. Dasselbe sagt auch Johannes: „Dies habe ich euch geschrieben, damit ihr nicht sündigt; wenn aber einer sündigt, so haben wir einen Fürsprecher beim Vater, nämlich Jesus Christus den Gerechten; und dieser selbst ist die Sühne für unsere Sünden .“ Dieses schreibt Johannes aber nicht, damit wir in aller Ruhe sündigen können, sondern damit wir eine etwa begangene Sünde aufgeben und dann wegen unseres Fürsprechers, den der Ungläubige nicht hat, keineswegs an der Vergebung verzweifeln.

23. Kapitel: Beim Jüngsten Gericht wird es bloß zwei Arten von Menschen geben: Verdammte und Heilige; unter den ersteren werden sich in gleicher Weise Gläubige und Ungläubige befinden, ja die verdammten Gläubigen werden wegen der von ihnen mißbrauchten Gnade noch strenger bestraft werden

42. Man darf aber nun keineswegs dieser eben angeführten Schriftstelle zufolge denen, die zwar an Gott glauben, aber trotzdem in ihren verderbten Sitten beharren wollen, ein milderes Los in Aussicht stellen; und noch viel weniger darf man dies nach den Worten des Apostels [Paulus]: „Die ohne das Gesetz gesündigt haben, gehen ohne das Gesetz zugrunde; die aber im Gesetze gesündigt haben, die werden durch das Gesetz auch gerichtet werden .“ Denn an dieser Stelle besteht kein Unterschied zwischen „zugrundegehen“ und „gerichtet werden“, sondern es ist nur mit zwei Ausdrücken ein und dieselbe Sache bezeichnet. In der Heiligen Schrift pflegt nämlich das Wort „Gericht“ auch als gleichbedeutend mit dem Ausdruck „ewige Verdammnis“ gebraucht zu werden. So sagt z.B. der Herr im Evangelium: „Es wird die Stunde kommen, wo alle, die in den Gräbern liegen, seine Stimme hören werden; die nun, die Gutes getan haben, werden hervorgehen zur Auferstehung des Lebens, die aber Böses getan haben, zur Auferstehung des Gerichtes .“ Es heißt da aber nicht: „die geglaubt haben“ oder „die nicht geglaubt haben“, sondern es heißt: „diejenigen, die Gutes getan haben“ und „die Böses getan haben“. Denn ein gutes Leben ist ja an sich schon unzertrennlich von einem durch die Liebe wirksamen Glauben . Denn ein solcher Glaube ist ja selbst schon das gute Leben. Wir sehen daher, daß der Herr den Ausdruck „Auferstehung des Gerichtes“ für „Auferstehung der ewigen Verdammnis“ gebraucht hat. Denn alle, die auferstehen werden, und dazu gehören doch wohl auch die ganz Ungläubigen, da sie ja gleichfalls in den Gräbern ruhen, hat er in zwei Gruppen eingeteilt, indem er erklärte, die einen würden zur Auferstehung des Lebens, die andern aber zur Auferstehung des Gerichtes auferstehen.

43. Aber, sagen sie, unter den Letzteren seien eben nicht die ganz Ungläubigen zu verstehen, sondern jene, die durch Feuer gerettet werden; denn diese haben wenigstens geglaubt, wenn sie auch schlecht gelebt haben. Und darum, sagen sie, sei nur deren vorübergehende Strafe mit dem Ausdruck „Gericht“ bezeichnet. Aber diese Erklärung ist höchst unverschämt; denn der Herr teilt durchaus alle, die auferstehen werden und darunter ohne Zweifel auch die Ungläubigen, in zwei Gruppen: in solche, die des Lebens und in solche, die des Gerichtes teilhaftig werden und dabei will er, wenn er es auch nicht ausdrücklich hinzufügt, das Gericht geradeso aufgefaßt wissen, wie das Leben . Sagt er ja doch auch nicht [ausdrücklich]: „zur Auferstehung des ewigen Lebens“, wenn er es gleich nicht anders verstanden wissen will. Sie mögen aber zusehen, was sie auf das Wort des Herrn antworten: „Wer nicht glaubt, der ist schon gerichtet .“ Denn hier müssen sie ohne Zweifel annehmen, daß der Ausdruck „Gericht“ für „ewige Strafe“ gebraucht ist, oder sie müssen es wagen, auch den Ungläubigen die Rettung durch Feuer zu versprechen. Denn da der Herr sagt: „Wer nicht glaubt, der ist schon gerichtet,“ d.h. für das Gericht bestimmt, so können sie doch das Gericht nicht den schlecht lebenden Gläubigen gleichsam als große Wohltat versprechen, da ja auch die Ungläubigen nicht verdammt, sondern bloß gerichtet werden sollen . Wagen sie eine solche Behauptung aber nicht aufzustellen, dann sollten sie es auch nicht wagen, jenen, von denen es heißt: „sie werden durch das Gesetz gerichtet werden“, ein milderes Los zu versprechen; denn bekanntlich pflegt „Gericht“ auch für „ewige Verdammnis“ gesetzt zu werden.

Aber wir finden ja sogar, daß diejenigen, die wissentlich sündigen, sich nicht bloß in keiner besseren, sondern sogar in einer schlimmeren Lage befinden. Es gehören dazu aber vor allem diejenigen, die das Gesetz empfangen haben; denn wie geschrieben steht, gibt es keine Übertretung, wo es kein Gesetz gibt . Hierher gehört auch die Stelle: „Ich würde keine Begierlichkeit kennen, wenn nicht das Gesetz sagte: Du sollst keine Begierde haben. Sobald darum einmal die Gelegenheit [zur Sünde] vorhanden ist, bewirkt durch das Gebot die Sündlichkeit in mir alle Lust .“ Daneben gäbe es noch viele andere Stellen beim gleichen Apostel [Paulus]. Von dieser größeren Schuld befreit durch Jesus Christus, unsern Herrn, die Gnade des Heiligen Geistes, der die Liebe in unsere Herzen ausgießt und uns dadurch die Liebe zur Gerechtigkeit schenkt , damit so die ungemäßigte Begierlichkeit überwunden werde. Damit beschäftigt sich die Auffassung, daß diejenigen, von denen es heißt: „wer durch das Gesetz gesündigt hat, wird durch das Gesetz auch gerichtet werden “, nicht bloß nicht milder, sondern sogar noch strenger behandelt werden als diejenigen, die ohne Gesetz gesündigt haben und so auch ohne das Gesetz zugrunde gehen. Auch wird hier deren Gericht nicht eine bloß vorübergehende Strafe genannt, sondern es will als die nämliche Strafe aufgefaßt werden, wie die, mit der auch der Ungläubige gerichtet wird.

44. Diese Schriftstelle benützen diese Leute also dazu, um solchen Menschen, die zwar glauben, aber trotzdem ein ganz schlechtes Leben führen, das Heil durch Feuer zu versprechen, und sie verkünden ihnen: „Die ohne das Gesetz gesündigt haben, werden ohne das Gesetz zugrunde gehen, die aber im Gesetz gesündigt haben, werden durch das Gesetz gerichtet werden “, gerade als ob es hieße: „Sie werden nicht zugrunde gehen, sondern durch Feuer gerettet werden.“ Sie vermochten dabei aber nicht zu beachten, daß der Apostel wohl von solchen Leuten sprach, die ohne Gesetz oder die im Gesetz gesündigt haben, daß er sich aber dabei über den Unterschied zwischen Heiden und Juden äußerte und zeigen wollte, daß nicht bloß den Heiden, sondern beiden [den Juden und den Heiden] zu ihrer Befreiung die Gnade Christi notwendig sei. Das zeigt ja der ganze Römerbrief deutlich. Also auch den Juden, die im Gesetze sündigten und von denen es heißt, „sie werden durch das Gesetz gerichtet werden“, wenn sie nicht die Gnade Christi befreit, sollen sie immerhin die Rettung durch Feuer versprechen, da es von ihnen heißt: „sie werden durchs Gesetz gerichtet werden“. Tun sie das nicht, dann sollen sie sich hüten, daß sich gegen sie nicht Leute erheben mit der Behauptung, sie [meine Gegner] hätten sich in die schwere Sünde des Unglaubens verstrickt, da sie in einer den christlichen Glauben betreffenden Sache auf Gläubige und Ungläubige das übertrugen, was doch bloß von denen, die ohne Gesetz und denen, die im Gesetz sündigten, gesagt wurde und wobei es sich bloß darum handelte, Juden und Heiden zur Gnade Christi einzuladen.

24. Kapitel: Christliche Freiheit ist nicht eine Freiheit ungezügelter Sinnenlust; würde sie so mißbraucht, so wäre das schlimmer als der Unglaube der Heiden

Es heißt nicht: Die ohne den Glauben gesündigt haben, werden ohne den Glauben auch zugrunde gehen; die aber im Glauben gesündigt haben, werden durch ihren Glauben auch gerichtet werden; nein, es ist vielmehr von der Sünde „ohne Gesetz“ und von der Sünde „im Gesetz“ die Rede. Daraus geht doch ganz deutlich hervor, daß da eine zwischen Heiden und Juden, nicht aber eine zwischen guten und bösen Christen schwebende Frage berührt wird.

45. Aber selbst wenn jene Leute höchst unpassend und töricht an jener Stelle den Glauben für das Gesetz nehmen wollen, so können sie auch hieraus nur die ganz deutliche Ansicht des Apostels Paulus lesen. Dieser sprach von denen, welche die Worte der Schrift: „Wir sind [als Angehörige des Neuen Testamentes] nicht Söhne der Dienstmagd, sondern Söhne der Freien; Christus aber ist es, der mit dieser Freiheit uns befreit hat “, zugunsten der Fleischeslust gedeutet, zum Deckmantel ihrer Bosheit gemacht und geglaubt hatten, das heiße frei leben, daß sie im Gefühl ihrer sicheren Erlösung alles tun dürften, was ihnen beliebte. Dabei achteten sie aber nicht auf das Wort [des heiligen Paulus]: „Ihr seid zur Freiheit berufen worden, Brüder! Sehet zu, daß ihr diese Freiheit nicht zum Anlaß für fleischliche Sünden mißbraucht !“ Daher sagt auch Petrus selbst: „Ihr seid frei, freilich nicht wie solche, die in ihrer Freiheit nur den Deckmantel ihrer Bosheit sehen .“ Von solchen Leuten sagt er auch in seinem zweiten Brief: „Sie sind wasserleere Brunnen, vom Sturm getriebene Nebelwolken, die Finsternis der Hölle ist ihnen vorbehalten. Sie halten hochtrabende, alberne Reden und verlocken durch ihre fleischlichen Lüste und Liederlichkeiten jene, die sich eben erst vom Irrtum [der heidnischen Gesellschaft] losgesagt haben. Sie verheißen ihnen Freiheit, wiewohl sie selbst Sklaven des Verderbens sind. Denn von dem jemand überwältigt ist, dessen Sklave ist er auch. Wenn nun solche, die kaum den Unlauterkeiten der Welt durch die Erkenntnis unseres Herrn und Heilandes Jesus Christus entronnen sind, sich wieder von ihren Reizen umgarnen lassen, so sind die letzten Dinge bei ihnen ärger geworden als die ersten . Es wäre für sie wahrlich besser gewesen, sie hätten Christus, den Weg der Gerechtigkeit, gar nicht kennen gelernt, als daß sie nach seiner Erkenntnis dem ihnen mitgeteilten heiligen Gebote wieder untreu geworden sind. So aber ist es ihnen gegangen, wie ein wahres Sprichwort sagt: “Der Hund kehrt zurück zu dem, was er gespien hat, und die Sau, eben abgeschwemmt, wälzt sich aufs neue im Kote .„ Warum verspricht man nun trotz dieser doch so deutlichen Wahrheit denjenigen ein besseres Los, die den Weg der Gerechtigkeit, d.h. Christus den Herrn, erkannt haben und trotzdem ein verworfenes Leben führen? Hätten sie ihn doch lieber gar nicht kennen gelernt! Denn ganz klar heißt es ja doch: “Besser wäre es für sie gewesen, sie hätten den Weg der Gerechtigkeit überhaupt nicht kennen gelernt, als daß sie, nach seiner Erkenntnis, dem ihnen mitgeteilten heiligen Gebote wieder untreu geworden sind .

25. Kapitel: Das vom Apostel Petrus eingeschärfte Gebot besteht in der Enthaltung von der Unzucht der Welt; die anderen Apostel stimmen hierin mit ihm überein

46. Unter dem Gebote, von dem an der eben angeführten Stelle die Rede ist, ist aber nicht jenes heilige Gebot zu verstehen, das den Glauben an Gott vorschreibt, obwohl ja eigentlich darin alles eingeschlossen ist, wenn wir den geforderten Glauben als einen solchen fassen, der durch die Liebe wirksam ist. Der Apostel drückt sich vielmehr ganz deutlich darüber aus, was er eigentlich unter dem heiligen Gebote verstanden wissen will, nämlich die Vorschrift, daß wir die Unlauterkeit dieser Welt preisgeben und einen keuschen Lebenswandel führen sollen. Er sagt nämlich: „Wenn nun solche, die kaum den Unlauterkeiten der Welt durch die Erkenntnis des Herrn und Heilandes Jesus Christus entronnen sind, sich wieder von ihren Reizen umgarnen lassen, so sind die letzten Dinge bei ihnen ärger geworden als die ersten .“ Er sagt nicht: „diejenigen, die der Unkenntnis Gottes oder dem Unglauben der Welt entronnen sind“ oder etwas Ähnliches, sondern er sagt: „die den Unlauterkeiten der Welt entronnen sind“, und dazu gehört doch gewiß jegliche Unreinigkeit und Schandtat. Denn an einer früheren Stelle sprach er in bezug auf solche Leute: „Sie halten Gastmähler mit euch mit Augen voll Ehebruch und unaufhörlichen Sünden .“ Darum heißt er sie auch „wasserleere Brunnen “, und zwar Brunnen, weil sie die Erkenntnis unseres Herrn Christus erhalten haben, trockene Brunnen aber deshalb, weil sie nicht entsprechend leben. Von solchen Leuten sagt auch der Apostel Judas: „Bei eueren Liebesmahlen gereichen sie der Gemeinde zur Schande, sie prassen ohne Scham und Scheu und sind nur darauf aus, sich zu mästen; sie sind Wolken ohne Wasser “ usf. Was nämlich Petrus mit den Worten sagt: „Sie halten Gastmähler mit euch mit Augen voll Ehebruch“, das drückt Judas folgendermaßen aus: „Bei eueren Liebesmahlen gereichen sie der Gemeinde zur Schande.“ Solche Leute sind nämlich beim Genuß der Sakramente und bei den Liebesmahlen des Volkes mit den guten Christen vermischt. Was nun Petrus „wasserleere Brunnen“ und Judas „Wolken ohne Wasser“ nennt, eben das heißt Jakobus einen „toten Glauben“.

47. Aus diesem Grunde soll man die bloß vorübergehende Strafe durch Feuer solchen Leuten, die ein schändliches und ruchloses Leben führen, nicht einfach deshalb versprechen, weil sie den Weg der Gerechtigkeit erkannt haben; denn wie die auf der höchsten Wahrheit beruhende Heilige Schrift sagt, wäre es besser für sie gewesen, wenn sie diesen Weg nicht erkannt hätten . Sagt ja doch auch der Herr von solchen Menschen: „Es werden die letzten Dinge jenes Menschen schlimmer sein als die ersten “; denn da er nicht den Heiligen Geist als Bewohner seiner gereinigten Seele aufnimmt, so macht er es möglich, daß der unreine Geist in größerer Zahl wieder in seine Seele zurückkehrt. Oder sollen wir vielleicht die, von denen wir immer reden, deshalb für besser halten, weil sie bloß aus dem Grunde nicht zur Unreinheit des Ehebruchs zurück gekehrt sind, weil sie diese Unreinheit überhaupt noch nicht aufgegeben haben oder weil sie sich nach ihrer Reinigung bloß deshalb nicht wieder befleckt haben, weil sie überhaupt von einer Reinigung nichts hatten wissen wollen? Ja nicht einmal um mit erleichtertem Gewissen zur Taufe hinzutreten zu können, lassen sie sich auch nur dazu herbei, die alte Unreinheit auszuspeien, um sie dann freilich nach Hundeart wieder zu verschlingen; nein, sondern noch im heiligen Bade suchen sie verstockten Herzens hartnäckig die unverdaute Ruchlosigkeit zu behalten und verbergen sie nicht einmal durch ein, wenn auch nur verstelltes Versprechen, sondern geben sie ungeziemend durch ein freches Geständnis kund. Das Weib des Lot verließ wenigstens Sodoma und blickte erst nachher voll Verlangen nach dem zurück, was hinter ihr lag . So machen es diese Leute aber nicht; sie weigern sich vielmehr schlechtweg, Sodoma überhaupt zu verlassen und versuchen mit den Sünden Sodomas sogar bei Christus einzutreten. Der Apostel Paulus sagt von sich: „Ich war vordem ein Lästerer und Verfolger und Schmäher, aber ich habe Gottes Barmherzigkeit erlangt, weil ich es unwissend tat im Unglauben .“ Diesen Menschen aber sagt man: Wenn ihr im Besitze des Glaubens seid, dann werdet ihr Barmherzigkeit erlangen, selbst wenn ihr mit vollem Wissen schlecht lebt. Es würde zu weit, ja fast ins Ungemessene führen, wollte man alle Zeugnisse der Heiligen Schrift sammeln, aus denen erhellt, daß die Schuld derer, die wissentlich ein ganz schlecht tes und ungerechtes Leben führen, nicht bloß nicht milder beurteilt werden darf als die Schuld derer, die es unwissentlich taten, sondern daß ihre Schuld gerade deshalb noch schwerer ist. Doch mögen diese Ausführungen genügen.

26. Kapitel: Zusammenfassendes Urteil des heiligen Augustinus; zur Erlangung der ewigen Seligkeit sind zwei Dinge vonnöten: der wahre Glaube und ein gutes sittliches Betragen. — Bemerkung über die drei Arten menschlicher Sünde

48. Mit Hilfe des Herrn, unseres Gottes, wollen wir uns demnach sorgfältig davor in acht nehmen, die Menschen dadurch in gefährliche Sicherheit zu wiegen, daß wir ihnen sagen, sie würden, einmal in Christus getauft, zum ewigen Heil gelangen, was für ein Leben sie auch in diesem Glauben führten. Wir wollen niemanden in gleicher Weise zum Christen machen, wie die Juden ihre Proselyten; denn zu diesen Juden sagt der Herr: “Wehe euch, ihr Schriftgelehrten und Pharisäer, die ihr Meer und Land durchzieht, um einen einzigen Proselyten zu machen, und wenn ihr ihn dazu gebracht habt, ihn zu einem Sohn der Hölle macht, zweimal mehr als ihr selber seid .” Wir wollen vielmehr in beiden Stücken die Lehre des göttlichen Meisters einhalten: der Taufe entspreche ein christliches Leben und niemandem soll, wenn eines von diesen Stücken fehlt, das ewige Leben versprochen werden. Denn der gleiche [göttliche Meister], der gesprochen hat: “Wenn jemand nicht wiedergeboren ist aus dem Wasser und dem Heiligen Geiste, so wird er nicht in das Himmelreich eingehen”, hat auch [von den Juden] gesagt: “Wenn euere Gerechtigkeit nicht vollkommener ist als die der Schriftgelehrten und Pharisäer, so werdet ihr nicht in das Himmelreich eingehen .” Über die nämlichen Juden äußerte er sich aber noch folgendermaßen: “Schriftgelehrte und Pharisäer sitzen auf dem Lehrstuhl des Moses. Was die euch sagen, das tut; was sie aber selber tun, das tut nicht! Denn sie sagen es wohl, befolgen es aber selber nicht .” Ihre Gerechtigkeit besteht also darin, etwas zwar zu sagen, es aber nicht zu tun; und darum wollte er, daß unsere Gerechtigkeit vollkommener sei als die ihrige: wir aber sollen etwas sagen und es zugleich auch tun. Ist die Gerechtigkeit nicht von der Art, so kann man ins Himmelreich nicht eingehen. [Hat einer aber eine solche Gerechtigkeit,] so darf er sich trotzdem darob nicht erheben, um nicht gar zu sagen, sich vor anderen damit brüsten, sondern er soll nur bei sich selbst sich zu sagen getrauen, er sei in diesem Leben ohne Sünde.

Es gibt aber einige Sünden, die so schwer sind, daß man sie mit der Exkommunikation bestrafen muß. Denn sonst würde der Apostel ja nicht sagen: “[Ich habe entschieden,] da ihr und mein Geist versammelt seid, einen solchen Menschen dem Satan zum Verderben des Fleisches zu überliefern, auf daß seine Seele am Tage unseres Herrn Jesus Christus gerettet werde. Darum sagt er auch:” … um nicht über viele trauern zu müssen, die vordem gesündigt und doch für ihre Unzucht und Ausschweifung, die sie getrieben haben nicht Buße getan haben ." Wenn es sodann nicht ebenso einige Sünden gäbe, die nicht durch demütigende, von der Kirche über die eigentlichen Büßer verhängte Buße, sondern bloß durch heilsame Zurechtweisung geheilt werden müssen, so würde der Herr nicht sagen: “Weise ihn zurecht zwischen dir und ihm allein; hört er auf dich, so hast du deinen Bruder gewonnen .” Und wenn es endlich nicht auch gewisse, in diesem Leben unvermeidliche Sünden gäbe, so würde er uns nicht in dem von ihm gelehrten Gebete ein tägliches Heilmittel bieten, da wir sagen: “Vergib uns unsere Schulden, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern .”

27. Kapitel: Rückblick auf die wichtigsten in dieser Abhandlung erörterten Fragen

49. Zur Genüge habe ich jetzt, wie ich glaube, meine persönliche Ansicht über den vorliegenden Gegenstand dargelegt. Drei Fragen haben sich dabei ergeben:

Die erste betrifft die Vermischung der guten und schlechten Menschen in der Kirche: diese sind ihr Weizen und ihr Unkraut. Dabei heißt es sich recht sorglich vor dem Glauben hüten, als seien uns dergleichen Gleichnisse, das vorliegende [vom Weizen und vom Unkraut] so gut wie das von den unreinen Tieren in der Arche oder irgendein anderes mit gleichem Inhalt, dazu gegeben worden, damit die kirchliche Zucht einschlafe, von der es ja unter dem Bilde des bekannten Weibes heißt: „Streng ist die Zucht ihres Hauses .“ Doch darf man auch nicht so weit gehen, daß man nun in verwerflicher Spaltung die Guten von den Schlechten trennen wollte; denn das wäre wahnwitzige Verwegenheit und nicht strenge Sorgfalt. Durch diese Gleichnisse und Weissagungen wird nämlich den Guten nicht der Rat gegeben, in träger Untätigkeit etwas zu verabsäumen, was sie vielmehr verhindern müssen, sondern es wird ihnen damit nur der Rat gegeben, in aller Geduld, aber ohne Gefährdung der wahren Lehre, das zu ertragen, was sie nun einmal nicht verbessern können. Aber obwohl geschrieben steht, daß auch unreine Tiere in die Arche des Noe eintraten, so müssen die Vorsteher der Kirche doch dagegen einschreiten, wenn noch ganz unreine Menschen tanzend zur Taufe hinzutreten wollen , und das wäre doch gewiß eine geringere Sünde als Ehebruch. Durch dieses Vorbild, das uns die Geschichte bietet, ist vorausverkündet, daß es in der Kirche immer auch Unreine geben werde nach den Grundsätzen der Duldung, aber nicht wegen einer Verderbnis der Lehre oder wegen einer Auflösung der kirchlichen Zucht. Denn nicht wo es den unreinen Tieren gerade beliebt, brachen sie ein Loch in die Arche durch das sie sich Eingang verschafften, sondern alle gingen durch ein und dieselbe Türe ein, die der Baumeister gemacht hatte.

Die zweite Frage besteht darin, daß meine Gegner glauben, man solle den Täuflingen nur einmal den Glauben übergeben, über die Sitten sollten sie dann spater nach der Taufe unterrichtet werden. Doch wenn ich mich nicht täusche, ist hinreichend gezeigt, daß es dann vor allem Aufgabe des Wächters ist, nicht von der Strafe zu schweigen, die der Herr einem sündhaften Leben androht, wenn alle, die um das Sakrament der Gläubigen bitten mit viel größerer Aufmerksamkeit auf alles hört was man ihnen sagt [d.h. im Tauf Unterricht]. Denn sonst würden sie gerade durch die Taufe zu der sie ja kommen, um Vergebung für die Schuld aller Sunden zu erlangen, der schwersten Verbrechen schuldig werden.

Die dritte Frage ist die gefährlichste. Denn bloß daraus, daß diese zu wenig erwogen und nicht nach dem Worte Gottes behandelt wurde, scheint mir jener Wahn entstanden zu sein, daß man Menschen, die ein höchst ruchloses und schändliches Leben führen und in einem solchen Leben auch verharren wollen, ewiges Heil und Leben verspricht, wenn sie nur an Christus glauben und seine Sakramente empfangen. Das ist aber doch dem ganz klaren Ausspruch des Herrn zuwider, der dem nach dem ewigen Leben verlangenden Jüngling antwortete: „Willst du zum Leben eingehen, so halte die Gebote !“, und dann die Gebote aufzählte, durch deren Beobachtung gerade jene Sünden vermieden werden, denen unbegreiflicherweise wegen des Glaubens, der doch ohne Werke tot ist, das ewige Leben versprochen wird.

Über diese drei Fragen glaube ich nun genug gesagt zu haben. Ich habe dabei gezeigt, daß man in der Kirche die bösen Menschen ertragen müsse, doch so, daß darunter die kirchliche Zucht nicht leiden muß. Ferner habe ich gezeigt, daß der Taufunterricht so zu geben sei, daß man den Kompetenten nicht bloß das zu hören gibt, was sie glauben müssen, sondern auch, wie sie zu leben haben. Sie müssen davon überzeugt werden, daß den Gläubigen das ewige Leben nur so versprochen wird, daß keiner zu der Meinung kommen kann, er vermöchte auch durch einen bloß toten Glauben, der ohne Werke nicht retten kann, zu diesem Leben gelangen, sondern einzig und allein durch jenen von Gottes Gnaden geschenkten Glauben, der durch die Liebe wirksam ist . Man beschuldige also nicht treue Ausspender wegen ihrer [vermeintlichen] trägen Nachlässigkeit, sondern man beschuldige lieber die Verstocktheit gewisser Menschen, die das [echte] Geld des Herrn nicht annehmen, dafür aber die Diener des Herrn zwingen wollen, ihr falsches Geld auszugeben. Und dabei wollen sie nicht einmal bloß solche Bösewichter sein, wie der heilige Cyprian erwähnt, die der Welt wenigstens mit Worten, wenn auch nicht in der Tat widersagen: denn sie weigern sich sogar, den Werken des Teufels auch nur mit Worten zu widersagen, da sie ja ganz offen erklären, in ihrem Ehebruch [auch nach der Taufe] verharren zu wollen. — Wenn diese Leute vielleicht noch einen Einwurf zu machen pflegen, den ich in dieser Abhandlung nicht berührt habe, so hielt ich eine Antwort darauf für überflüssig, weil er entweder mit unserer Frage nichts zu tun hatte oder weil er so geringfügig war, daß er von jedermann selber leicht widerlegt werden kann.

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