Parta humano generi (Wortlaut)
Parta humano generi |
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von Papst
Leo XIII.
an die Ehrwürdigen Brüder. die Patriarchen, Primaten, Erzbischöfe, Bischöfe
der katholischen Welt, die in Gnade und Gemeinschaft mit dem Apostolischen Stuhle stehen
Der Rosenkranz als Waffe gegen die alten und neuen Irrlehren
8. September 1901
(Quelle: Rudolf Graber: Die marianischen Weltrundschreiben der Päpste in den letzten hundert Jahren, Echter-Verlag Würzburg 1954 [2. Auflage], S. 123-126; Mit kirchlicher Druckerlaubnis)
Allgemeiner Hinweis: Was bei der Lektüre von Wortlautartikeln der Lehramtstexte zu beachten ist |
Inhaltsverzeichnis
Verbreitung der Marienverehrung
1 Tief verankert sind in unser aller Herzen die unvergänglichen Segnungen, die unser Erlöser Jesus Christus dem menschlichen Geschlechte gebracht hat. In Ewigkeit nicht wird die Erinnerung daran in der Kirche erlöschen, zumal da dieses Gedenken täglich sich verbindet mit einer ganz zärtlichen Liebe zur jungfräulichen Gottesmutter.
2 Es ist nun schon ein langer Zeitraum, auf den Wir in Unserem hohenpriesterlichen Amt zurückblickten können, und wenn Wir alle Unsere Handlungen an Unserem Geiste vorüberziehen lassen, so erfüllt Uns eines mit Dankbarkeit und freudigem Trost: Es ist dies das Bewußtsein, dass Wir alle diese Dinge unter dem Beistand Gottes und seiner Eingebung entweder selber zur größeren Ehre der Jungfrau Maria in Angriff genommen haben oder dass Wir dies durch Katholiken zur segensreichen Ausführung kommen ließen. Eine ganz besondere Freude aber wurde Uns dadurch zuteil, dass man auf Grund Unserer besorgten Mahnungen den marianischen Rosenkranz immer mehr schätzen lernte und dass er sich als eine liebe Gewohnheit immer mehr im christlichen Volk einbürgerte. Auch haben die Rosenkranzbruderschaften zugenommen, die Mitgliederzahl wuchs beständig und auch ein inneres Wachsen in der Frömmigkeit war festzustellen. Gelehrte literarische Veröffentlichungen erschienen darüber und fanden weite Verbreitung. Der Monat Oktober schließlich, den Wir ganz durch den Rosenkranz geheiligt wissen wollten, stand allüberall im hellen, ungewöhnlichen Schein dieser festlichen Verehrung.
Der heilige Dominikus und die Irrlehre der Albigenser
3 In diesem Jahr nun, von dem das 20. Jahrhundert seinen Anfang nimmt, würden Wir Uns einer Pflichtvergessenheit schuldig machen, würden Wir jene günstige Gelegenheit versäumen, die Uns Unser ehrwürdiger Bruder, der Bischof von Tarbes, sein Klerus und die Bevölkerung von Lourdes von sich aus dargeboten haben: Es handelt sich um die Errichtung von fünfzehn Altären in dem zu Ehren der Rosenkranzkönigin erbauten ehrwürdigen Gotteshaus, die auf die 15 Rosenkranzgeheimnisse konsekriert werden sollen.
4 Wir ergreifen diese Gelegenheit um so lieber, weil es sich hier um jene Gegenden Frankreichs handelt, auf die sich so viele und so große Gnaden der seligsten Jungfrau herniedersenkten. Dieser Boden erhielt einst seine Berühmtheit durch die Anwesenheit des heiligen Ordensstifters, des hl. Dominikus, und hier finden wir auch die ersten Anfänge des heiligen Rosenkranzes. Es ist ja für keinen Christen etwas Neues, wenn Wir darauf hinweisen, dass der heilige Vater Dominikus aus Spanien nach Frankreim kam, um die Irrlehre der Albigenser zu bekämpfen; diese Irrlehre hielt sich aber gerade um diese Zeit in den Tälern der Pyrenäen auf und hatte sich gleich einer ansteckenden, verderbenbringenden Krankheit über fast ganz Aquitanien verbreitet. Da war es nun Dominikus, der durch seine erstaunliche Lehrtätigkeit und seine Predigt über die Liebe Gottes und die heiligen Glaubensgeheimnisse in jenen vom Irrtum umdüsterten Gegenden wieder das Licht der Wahrheit entfachte.
5 Das sind in der Tat die Wirkungen, die die einzelnen Heilsgeheimnisse, die wir im Rosenkranz bewundern, hervorbringen. Dadurch, dass wir diese öfter erwägen und betrachten, nimmt der Christ geistig auf eine unmerkliche Weise allmählich auch den göttlichen Inhalt dieser Geheimnisse in sich auf, so dass sie ihm in Fleisch und Blut übergehen. Unmerklich entwickelt er in seinem Leben eine drängende Tatkraft, die aber mit völliger innerer Ruhe gepaart ist. Dies wiederum befähigt ihn, Schicksalsschläge tapfer und mit Gleichmut zu ertragen und seine ganze Hoffnung auf die unvergänglichen Güter einer besseren Heimat zu setzen. Vor allem aber erfährt der Glaube eine Verfestigung und Vertiefung, und ohne diesen sind wir schutzlos preisgegeben all den gegenwärtigen Bedrängnissen und nicht minder wehrlos ausgeliefert all dem, was uns bedroht. Dominikus kam nun unter Eingebung und Fügung Gottes als erster auf den Gedanken, die Gebete zu Maria mit den Geheimnissen unserer Erlösung in bestimmter Reihenfolge zu verbinden und das Ganze erhielt zutreffend den Namen Rosenkranz. Denn so oft wir mit dem Engelswort Maria als "die Gnadenvolle" grüßen, bringen wir ihr dadurch, dass wir diese Lobgebete wiederholen, gleichsam herrlich duftende Rosen zum Geschenke dar. Und wenn uns die hohe Würde Mariens in den Sinn kommt, dann denken wir daran, dass ihr diese Gnade von Gott durch "die gebenedeite Frucht ihres Leibes" zuteil geworden ist. Endlich erinnern wir uns im Rosenkranz an all die einzigartigen Verdienste Mariens, durch die sie mit ihrem Sohn Jesus an der Erlösung des Menschengeschlechtes mitgewirkt hat. Was war das doch für ein herrlicher, ganz in Liebe getauchter Gruß, als damals Gabriel sie grüßte und sie nun fühlte, dass sie vom Heiligen Geiste empfangen hatte!
Die neuen Irrlehren
6 Erstaunlicherweise ist diese alte Irrlehre der Albigenser in unseren Tagen zu neuem Leben erwacht. Wohl hat sie unter dem Einfluß von anderen Irrlehren den Namen geändert und verbirgt trügerisch unter einem anderen Gewand ihre verführerische Lehre. Wiederum schleicht sie durch die Lande und vergiftet und verpestet weithin christliche Völker und das Ende ist Verderben und Ruin. Aufs tiefste beklagen Wir jenes Unwetter und jenen Sturm, der sich vor allem in Frankreich gegen die religiösen Genossenschaften erhoben hat, sowie gegen alle religiösen Einrichtungen und caritativen Anstalten, die sich um Kirche und Volk so hochverdient gemacht haben.
7 Wenn Wir aber auch unter diesen schlimmen Ereignissen schwer leiden und wenn auch diese Bedrängnisse der Kirche schwer auf Uns lasten, so wurde Uns doch ein glückverheißendes Zeichen gerade von dort aus gegeben, in dem das Heil und die Rettung sich ankündigt. Wir erblicken dieses Zeichen einer günstigen Wendung der Dinge, das übrigens die erhabene Himmelskönigin bestätigt, gerade darin, dass im Heiligtum von Lourdes, wie schon erwähnt, im kommenden Oktober soviel Altäre eingeweiht werden sollen, wie es Geheimnisse im heiligen Rosenkranz gibt.
8 Es läßt sich kaum etwas denken, wodurch wir uns besser die Huld und Gnade Mariens verdienen und erwerben könnten, als jenen Erlösungsgeheimnissen, bei denen Maria nicht bloß äußerlich zugegen war, sondern bei denen sie auch mitwirkte, unsere tiefste Verehrung zu bezeugen, sie der Reihe nach sich vor Augen zu führen und sich in sie zu versenken. Wir sind auch felsenfest überzeugt, dass die jungfräuliche Gottesmutter und unsere liebevollste Mutter sich gnädig erweist all diesen Wünschen und Bitten, die diese unzähligen Scharen von Pilgern dort in bester Absicht ihr vorbringen. Wir sind überzeugt, dass Maria ihr Flehen mit dem der Wallfahrer aufs engste vereint, damit diese so vereinten Gebete gleichsam den Himmel bestürmen und das barmherzige Herz Gottes erweichen. O möchte doch so die mächtige jungfräuliche Mutter, die einst "in ihrer Liebe mitwirkte, dass Gläubige in der Kirche wiedergeboren wurden"(S. Augustinus, De Sancta Virginitate, c. 6), auch heute sich in unserer Zeit als Mittlerin unseres Heiles erweisen! Möge sie jenes vielfältige Ungetüm der Gottlosigkeit entscheidend bändigen, das ganz Europa mit seinen Fangarmen bedroht! Möge sie Ruhe und Frieden den verzagten Herzen zurückgeben! Möge der Tag beschleunigt werden, wo man im öffentlichen und privaten Leben zurückkehrt zu Jesus Christus, der "immerdar jene erretten kann, die durch ihn Gott sich nahen" (1 Hebr 7. 25)!
Über die bevorstehende Festfeier in Lourdes
9 Unserem ehrwürdigen Bruder, dem Bischof von Tarbes und seinen geliebten Söhnen, dem Klerus und Volk von Lourdes bekunden Wir inzwischen Unser Wohlwollen. Wir haben ferner verfügt, dass Wir allen ihren Wünschen auch im einzelnen, soweit sie nämlich Uns übermittelt worden waren, durch dieses apostolische Schreiben Unsere Zustimmung geben. Das authentische Schriftstück ließen Wir auch allen Unseren ehrwürdigen, im Hirtenamt tätigen Brüdern, den Patriarchen, Erzbischöfen, Bischöfen und allen übrigen Vorstehern auf dem katholischen Erdkreis zugehen, damit auch sie mit Uns in dieser heiligen Freude einig sind.
10 Mit dem Wunsch, dass dies alles die Ehre Gottes mehre und der ganzen katholischen Kirche zum Segen gereiche, erteilen Wir kraft Unserer apostolischen Gewalt durch dieses Schreiben die Vollmacht, dass Unser geliebter Sohn Benedikt Maria, der heiligen Römischen Kirche Kardinal Langénieux, in Unserem Namen und Unserer Autorität die Einweihung des neuen Gotteshauses in Lourdes zu Ehren Gottes und der seligsten Jungfrau vom heiligen Rosenkranz vornehmen darf; zugleich gestatten Wir diesem Unserem geliebten Sohn bei der Festfeier das Tragen des Palliums wie sonst in seinem Erzbistum; ferner wiederum in Unserem Namen und in Unserer Autorität nach der Feier die Erteilung des Apostolischen Segens mit den gewöhnlichen Ablässen an das versammelte Volk.
am 8. September 1901, im 24. Jahre Unseres Pontifikates