Papst Johannes Paul II. besucht Fatima 1982
Apostolischen Reise nach Portugal |
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von Papst
Johannes Paul II.
12. bis 15. Mai 1982
Allgemeiner Hinweis: Was bei der Lektüre von Wortlautartikeln der Lehramtstexte zu beachten ist |
Inhaltsverzeichnis
- 1 Hintergrund
- 2 Mittwoch, den 12. Mai 1982
- 2.1 Ansprache bei seiner Ankunft in Lissabon
- 2.2 Ansprache an die Repräsentanten der Laienorganisationen in der Kathedrale von Lissabon
- 2.3 Ansprache in der Antonius-Kirche in Lissabon
- 2.4 Grußbotschaft an den portugiesischen Staatspräsidenten in Lissabon
- 2.5 Grußbotschaft an die Autoritäten der Republik Portugal in Lissabon
- 2.6 Ansprache bei der Gebetsstunde in Fatima
- 3 Donnerstag, den 13. Mai 1982
- 3.1 Ansprache an die portugiesischen Bischöfe in Fatima
- 3.2 Predigt bei der feierlichen Messe in Fatima
- 3.3 Weiheakt an die Gottesmutter in Fatima
- 3.4 Ansprache an die Priester, Ordensleute und Seminaristen in Fatima
- 3.5 Ansprache an die Mitarbeiter des Heiligtums in Fatima
- 3.6 Ansprache beim Abschied von Fatima
- 3.7 Ansprache an das Diplomatische Korps in Lissabon
- 4 Freitag, den 14. Mai 1982
- 4.1 Predigt bei der Messe mit dem Landvolk in Vila Viçosa beim Heiligtum "Nossa Senhora da Conceição
- 4.2 Ansprache beim Besuch der Katholischen Universität in Lissabon
- 4.3 Ansprache bei der ökumenischen Begegnung mit Vertretern der christlichen, islamischen und jüdischen Bekenntnisse in Lissabon
- 4.4 Predigt bei der Meßfeier mit der Jugend in Lissabon
- 5 Samstag, den 15. Mai 1982
- 5.1 Ansprache bei der Ankunft in Coimbra
- 5.2 Ansprache an die Repräsentanten von Wissenschaft und Kultur beim Besuch der Universität von Coimbra
- 5.3 Predigt bei der Eucharistiefeier mit den Familien im Wallfahrtsort Sameiro (Braga)
- 5.4 Ansprache bei der Begegnung mit den Arbeitern von Praça dos Aliados in Porto
- 5.5 Ansprache vor dem Abflug von Porto
- 6 ANHANG: Grußbotschaften des Papstes
- 7 Weblinks
Hintergrund
Am 13. Mai 1981, als Johannes Paul II. nach seiner Generalaudienz im Papamobil um 17, 17 Uhr durch die Menge fuhr und die Leute begrüßte, trafen ihn Schüsse. Der Papst schrieb der Jungfrau von Fatima den glücklichen Ausgang des Attentats zu, das ihn fast das Leben gekostet hätte. Ein Jahr nach dem Anschlag, besuchte er Fatima und schmückte die Krone der Jungfrau mit der Pistolenkugel, die man aus ihm heraus operiert hatte.
Mittwoch, den 12. Mai 1982
Ansprache bei seiner Ankunft in Lissabon
Überschrieben: "Kleines Vaterland eines großen Volkes"
Exzellenz,
Herr Staatspräsident,
Herr Kardinal-Patriarch und
meine Herren Erzbischöfe und Bischöfe,
sehr geehrte Damen und Herren,
liebe portugiesische Freunde!
1. Ich danke Gott, und ich danke allen für die große Freude, mit der ich heute den Boden Portugals betrete. Ich danke Ihnen, Exzellenz, Herr Staatspräsident, für Ihre ehrenvolle Anwesenheit in Ihrem persönlichen Namen und als Repräsentant des gastfreundlichen und angesehenen Volkes dieses edlen "Landes der hl. Maria", an das ich durch Eure Exzellenz diese meine erste Botschaft richte.
Gelobt sei Jesus Christus!
Mit diesen Worten der Versöhnung und des Friedens, zur Erneuerung der Herzen und des Geistes in der Liebe habe ich mein Amt als Bischof von Rom und Oberhirte der Universalkirche angetreten; mit ihnen möchte ich euch zu Beginn dieser meiner Pilgerreise nach Portugal begrüßen. Sozusagen als symbolische Begrüßung habe ich soeben den Heimatboden Portugals geküsst. Es ist eine einfache, sich wiederholende, aber bedeutungsvolle Geste, die mich jedesmal neu tief bewegt, die aber einen festen, gleichbleibenden Grund - die eine Liebe Jesu Christi - hat. Den neuen Freunden, denen ich jeweils begegne, weist sie wohl Unterschiede auf. Zunächst bedeutet diese Geste meinerseits Freundschaft, die geweckt wird durch die Freundschaft, die mich umgibt und die in mir eine tiefe Dankbarkeit weckt. Euch allen meinen herzlichen Dank!
Ich wünsche, dass dieser Dank von allen angenommen wird, die hier unter verschiedenen Titeln Portugal vertreten und sich um das Zustande kommen meiner Reise bemühten, indem sie mich eingeladen haben und an der Organisation dieser Reise mitarbeiteten; das gilt insbesondere für die kirchlichen Amtsträger, meine Brüder im Bischofsamt, die hierher gekommen sind, um mich im Namen der Kirche dieses Landes, das ich so sehr liebe, willkommen zu heißen.
2. Ich bin nach Portugal gekommen, um einen Wunsch zu verwirklichen, den ich als Mann der Kirche schon lange hege, und mit dem Anliegen, Fatima unmittelbar kennenzulernen; ich bin hier, um den freundlichen Einladungen meiner Brüder im Bischofsamt und Seiner Exzellenz des Herrn Staatspräsidenten nachzukommen und um dem Wunsch vieler Portugiesen zu entsprechen, den diese in zahlreichen Briefen, die mich in letzter Zeit erreichten, wie auch mündlich zum Ausdruck brachten; ich bin heute hier dank Gott, der "reich ist an Erbarmen". Diese meine Pilgerfahrt steht unter dem einen Gedanken: Fatima; anschließend werde ich meine Marienpilgerfahrt fortsetzen nach Vila Vicosa, Sameiro und Cidade da Virgem (Stadt der Jungfrau). Auf dem Hinweg nach Fatima und auf dem Rückweg wiederhole ich im Herzen den Dankeshymnus Unserer Lieben Frau, weil Gott mir beim Attentat am 13. Mai des vergangenen Jahres das Leben gerettet hat. So will ich anbetend wiederholen:
"Meine Seele preist die Größe des Herrn, und mein Geist jubelt über Gott, meinen Retter" (Lk 1, 46-47).
Weil mein Besuch auch pastoraler Natur ist, möchte ich gemeinsam mit meinen Brüdern im Bischofsamt und dadurch, dass ich sie stärke, die Gemeinschaft fördern und in Demut und Schlichtheit Christus und seine Botschaft verkündigen und vermitteln: die "menschliche Dimension" des Erlösungsgeheimnisses kundtun, in der der Mensch die Größe, die Würde und den Wert seines Menschseins finden kann.
So empfinde ich, als Hirt mit den Hirten und als Pilger mit der pilgernden Kirche in Portugal, in diesem Augenblick das Bedürfnis, meiner größten Anerkennung und Wertschätzung für die christlichen Traditionen dieses gesegneten Landes Ausdruck zu geben, des kleinen Vaterlandes eines großen Volkes, das stolz ist auf kühne und gar abenteuerliche Taten, die es im Laufe seiner Geschichte vollbracht hat. Diese bot den Söhnen dieser Nation Gelegenheit und providentiellen Anlass, den Glauben zu verbreiten, den sie in der Wiege empfangen hatten, in einem Werk der Evangelisierung, das die katholische Welt - und nicht sie allein - anerkennt, bewundert und für das sie dankt: Von den Urwäldern des Amazonas bis zu den nördlichen Regionen Japans, über Afrika und Indien wurde der Name Christi von hochherzigen portugiesischen Missionaren verkündet.
3. Aber da man nicht evangelisieren kann, wenn man nicht evangelisiert, worden ist, spreche ich hier auch der lebendigen und dynamischen Kirche, die identisch ist mit der Mehrheit des portugiesischen Volkes, meine Anerkennung aus; sie vermochte im Laufe der Jahrhunderte durch Treue zum Erlöser des Menschen - der hier vor allem in seinen Geheimnissen der Passion und der Eucharistie verehrt wird -, durch die Verehrung Unserer Lieben Frau, die zur Königin und Schutzpatronin Portugals proklamiert wurde, und in Treue zum HI. Stuhl in Rom ihre Entscheidung für Christus aufrechtzuerhalten und der Welt Heilige vom Format eines hl. Antonius von Lissabon zu schenken; ich komme auch, um diesem universalen Heiligen in diesem Antonius-Gedenkjahr meine Huldigung zu erweisen.
Sei gegrüßt Portugal, mit deinem ehrlichen, hochherzigen, geduldigen, arbeitsamen und würdevollen Volk, Land der Märtyrer, Heiligen und heldenmütigen Diener des Evangeliums Christi! Diese kurze Erinnerung und Würdigung deiner Vergangenheit verbindet sich in mir in dieser Stunde der Freude mit dem hoffnungsvollen Blick in deine Gegenwart, von der wir in diesen Tagen sprechen werden, und in deine Zukunft, von der ich wünsche, dass sie für alle deine Söhne, von Minho bis Algarve, von den verschiedenen Inselregionen und wo immer sie sich befinden, erfolgreich, friedlich und glücklich sein möge; ebenso für die über die Welt zerstreuten Auswanderer und für jene, die in die Heimat zurückgekehrt sind und hier ihr Leben neu aufzubauen versuchen; schließlich ergehen an alle ohne Ausnahme meine besten Wünsche. Diese Wünsche vertraue ich jetzt schon im Gebet Unserer Lieben Frau von Fatima an, der Gottesmutter, der Mutter der Kirche und der Völker, unter deren Schutz ich diesen meinen Besuch in Portugal stelle. Zugleich rufe ich auf dieses so geliebte Land den Segen des allmächtigen und barmherzigen Gottes herab.
Ansprache an die Repräsentanten der Laienorganisationen in der Kathedrale von Lissabon
Überschrieben: "In tiefer Gemeinschaft mit der Hierarchie"
Gelobt sei unser Herr Jesus Christus!
Vielen Dank, Brüder und Schwestern, für die Freundschaft und die Freude dieser Begegnung hier, im Herzen des alten und herrlichen, geschichtsträchtigen und von Leben pulsierenden Lissabon!
Ich danke Eurer Eminenz Herrn Kardinal-Patriarchen Dom Antonio Ribeiro! Er hat mich soeben mit freundlichen Worten begrüßt und den Gefühlen nicht nur der Gläubigen der Kirche des Patriarchats Lissabon - das hier so ehrenvoll vertreten ist - Ausdruck gegeben, sondern aller, die gern an dieser Begegnung mit dem Papst, der ersten im engeren kirchlichen Rahmen, in der berühmten "casa Lusitania" teilnehmen würden. Es ist ein Augenblick des Jubels und der Dankbarkeit, sagte Eure Eminenz; und ich wünsche aus ganzem Herzen, dass es auch ein Augenblick der Glückseligkeit und der inneren Erfüllung für alle sein möge, die sicher sind, dass der Herrn bei uns ist, die wir hier "in seinem Namen" versammelt sind (vgl. Mt 18, 20).
1. Von der Liebe Christi dazu bewegt, komme ich zu einem Besuch, der pastoraler Natur ist; und ich komme vor allem als PilgeI: nach Fatima, um dort in Verehrung und Dankbarkeit "das Erbarmen des Herrn" mit Maria, der Magd des Herrn, zu preisen. Jeder Ort und jede Begegnung mir ohne Zweifel sehr willkommen - sind auch eine Etappe auf meiner Pilgerreise, um der Gottesmutter zu danken und mit ihr und durch sie dem Allmächtigen, der "Großes an mir getan hat" (vgl. Lk 1, 49).
Historische Sendung in der Weltgeschichte
Bei der Vorbereitung auf diese große Begegnung in der herrlichen alten Kathedrale dachte ich an euch und betete mit großer Liebe für euch; und während ich mich über diese Stadt informierte, versuchte ich mir die Figuren der Vergangenheit und der Gegenwart auf dieser Bühne vorzustellen, wo sich allmählich das Reich Christi durchgesetzt hat, woran die eindrucksvolle Statue erinnert, die nicht in der Geste der Macht, sondern der Hingabe jetzt die Stadt beherrscht; Herrschen heißt, für Christus dienen und lieben.
2. In meinem Lob an Gott für das Evangelisierungswerk, das hier vollbracht oder hier begonnen wurde, habe ich an die Festigkeit jahrhundertealter Wurzeln der Katholiken Portugals gedacht, deren Vorfahren ihnen mit der Erfüllung ihrer historischen und religiösen Sendung in der Weltgeschichte - die ohne diese heldenmütigen Vorkämpfer vielleicht anders aussähe - eine an Ruhm und Verantwortung reiche Erbschaft übertragen haben: ein Ruhm, dem ich in dieser Stunde Bewunderung zolle; und eine Verantwortung, die ich, was ihre kirchliche Dimension betrifft, hier hervorheben möchte. Es sei mir gestattet, diese Überlegungen im besonderen an die katholischen Laien zu richten.
Seht, Brüder und Schwestern, die ihr hier die Laien vertretet, ich bezweifle nicht, dass ihr um diese Vergangenheit wisst und dass ihr es in ihrem Licht als Ehre empfindet, die Gegenwart zu erleben, und euch bemüht, eine Zukunft zu bauen, die immer mehr dem Plan Gottes, des Schöpfers, Erlösers und Herrn der Geschichte, entspricht. Auf diese Gewissheit, die sich mit der Gewissheit von der Macht des Meisters und Herrn der Kirche verbindet, der "feststehendes Prinzip und beständiges Zentrum des Auftrags ist, den Gott selbst den Menschen anvertraut hat" (Redemptor hominis, Nr. 11), gründet sich die große Hoffnung, mit der ich auf die katholischen Laien eures Landes blicke.
Die Kirche Gottes in ihrer Gesamtheit und unmittelbar jene, die im ganzen gesegneten "Land der hl. Maria" lebt, betet, kämpft und hofft, baut auf euch, die ihr bereit seid, mit Christus zusammenzuarbeiten, der nicht gekommen ist, um sich bedienen zu lassen, sondern zu dienen (vgl. Mt 20, 28), aus Treue gegenüber dem Vater und aus Treue gegenüber dem Menschen.
3. Ihr habt euch für Christus in der Kirche entschieden; diese Wahl, die mit dem Empfang des unschätzbaren Geschenkes der Taufe ein für allemal getroffen wurde, wurde euch am Tag der Erstkommunion bewusst, durch das Sakrament der Firmung bestätigt und in der Folge durch das ganze sakramentale Leben, dessen "Quelle und Höhepunkt immer die Eucharistie ist" (Lumen gentium, Nr. 11), gestärkt.
Worin besteht nun eure Berufung, Verantwortung und Sendung als Laien?
Das wisst ihr wohl: Der Laie gehört zum Volk Gottes, das in dieser Welt auf dem Weg zur himmlischen Heimat ist. Ihr seid von Christus erworben und geheiligt worden, der euch um einen großen Preis losgekauft hat: nicht mit Gold oder Silber, sondern mit seinem kostbaren Blut (vgl. 1 Petr 1, 18). Und ihr seid zur Heiligkeit berufen worden, wobei ihr Christus selbst in seiner Ganzhingabe an den Vater und an die Brüder als Vorbild habt: "Wie er, der euch berufen hat, heilig ist, so soll auch euer ganzes Leben heilig werden" (I Petr 1, 15). Aber achtet darauf, dass die Heiligkeit weniger ein Verdienst als eine Gnade ist, die euch gewährt wurde:
Die Liebe Gottes ist ausgegossen in eure Herzen durch den Heiligen Geist, der euch gegeben ist (vgl. Röm 5, 5).
Die Christen haben sich von Anfang an als die in großem Maße vom Herrn Bevorzugten verstanden. Sie kamen zusammen, um zu danken, indem sie gemeinsam das Geschenk schlechthin - die Eucharistie feierten. Diese Zusammenkunft ist von solcher Bedeutung, dass die Christen sich bald nach ihr benannt haben. Sie selbst sind die Kirche, und symbolisch gaben sie auch dem Ort der Zusammenkunft den Namen Kirche. Ihr seid von Gott zum Leben in der Gemeinschaft der Kirche berufen worden. Und wiederum handelt es sich um eine Gnade: es war der Herr, der euch in der Kirche zusammenrief, der euch zur Kirche machte, verbunden mit dem ganzen Leib der Kirche, der über die ganze Welt verstreut ist.
Die Gnade Gottes, die euch zuteil wurde, ist Zeichen dafür, dass ihr von ihm geliebt werdet. Christsein bedeutet also nicht zunächst die Übernahme einer Menge von Aufgaben und Verpflichtungen, sondern heißt: sich von Gott lieben zu lassen wie Christus, der vom Vater geliebt wird und sich von ihm geliebt fühlt: "Der Vater liebt mich" (Joh 10, 17). Unser Glaubensbekenntnis beginnt mit den Worten: "Ich glaube an Gott, den Vater." Darin ist die ganze christliche Haltung zusammengefaßt: uns von Gott lieben lassen wie von einem Vater. Jeder von uns wird von Gott geliebt und als sein Kind anerkannt. Deshalb ist es immer möglich, sich vertrauensvoll an ihn zu wenden. Das hat uns Christus, gleichsam als älterer "Bruder", gelehrt.
4. Als von Gott Geliebte werdet ihr sicher fragen: Was müssen wir als Laien tun? Der Christ darf sich niemals auf eine rein passive Haltung beschränken, darauf, nur zu empfangen. Einem jeden ist aber im Einklang mit der Ausgießung des Geistes zum Nutzen der Gemeinschaft eine verschiedene Gabe gegeben.
Von daher, aus der Natur der Getauften selbst, rührt die Forderung nach dem Apostolat in der Kirche, die Sakrament ist, von Christus eingesetzt, um alle Menschen zu erreichen, und deshalb unaufhörlich vom Heiligen Geist beseelt wird.
Eure Sendung als Laien ist daher im wesentlichen die Heiligung der Welt durch eure persönliche Heiligung mit dem Ziel, die Welt zu erneuern. Das Zweite Vatikanische Konzil, das sich eingehend mit den Laien und ihrer Rolle in der Kirche befaßt hat, betonte sehr deutlich ihre Ausrichtung auf die Welt. Der Laie ist der Christ, der in der Welt lebt, der verantwortlich ist für den christlichen Aufbau der irdischen Ordnung in ihren verschiedenen Bereichen: u. a. in Politik, Kultur, Kunst, Industrie, Handel, Landwirtschaft.
Apostolat des einzelnen Laien
Die Kirche muss in allen Bereichen der menschlichen Tätigkeit präsent sein, und nichts Menschliches darf ihr fremd sein. Und ihr seid es in der Hauptsache, liebe Laien, die ihr sie präsent machen müßt. Würde man die Kirche anklagen, in irgend einem Bereich zu fehlen oder sich um ein menschliches Problem nicht zu kümmern, wäre das gleichbedeutend damit, über das Fehlen kluger Laien oder die mangelnde Mitarbeit von Christen in jenem bestimmten Bereich des menschlichen Lebens bekümmert zu sein. Deshalb richte ich einen inständigen Appell an euch: Lasst nicht zu, dass die Kirche in irgendeinem Bereich des Lebens eurer geliebten Nation fehlt! Alles muss von dem Sauerteig des Evangeliums Christi durchdrungen und von seinem Licht erleuchtet werden. Das zu tun ist euer Auftrag!
5. Mit dem Apostolat des einzelnen Laien, das in persönlichen Aktivitäten und vor allem im christlichen Zeugnis besteht, müssen sich die Gemeinschaftsformen des Apostolats verbinden, in denen sich die Laien zusammenschließen, um gemeinsam bestimmte Zielsetzungen zu verwirklichen. Die beiden Formen schließen sich gegenseitig nicht aus, sondern ergänzen einander. Keine Gemeinschaftsform des Apostolats ist ohne das persönliche Zeugnis aller Mitglieder wirksam. Andererseits ist angesichts der modernen Anforderungen, die weit über die Fähigkeiten und Möglichkeiten des einzelnen hinausgehen, eine gemeinsame Anstrengung erforderlich, um die Frohbotschaft in das Herz der Zivilisation hineinzutragen.
Es gibt viele Bewegungen und Organisationsformen des Laienapostolats; alle sind wichtig und nützlich, wenn sie von echtem Geist kirchlichen und christlichen Dienstes durchdrungen sind. Jede dieser Bewegungen hat ihre eigenen Ziele, mit eigenen Methoden auf ihrem Gebiet und in ihrem Bereich; aber es ist unumgänglich, sich der Komplementarität bewusst zu bleiben und Bande der Liebe untereinander zu knüpfen, so dass der Dialog eine gewisse Verbundenheit der Bemühungen und eine tatsächliche Zusammenarbeit bewirkt. Wir gehören zu ein und derselben Kirche. Wir müssen uns gegenseitig zum Guten anspornen. Wir alle müssen gemeinsam für dieselbe Sache arbeiten. Christus ist nur einer. Auch wenn es viele Dienste und Tätigkeiten gibt, arbeiten wir alle für das gleiche Ziel: nämlich, dass Christus verkündet werde, dass die Menschen zum Heil gelangen, dass dem gemeinsamen Wohl gedient und schließlich dass Gott in allen Dingen verherrlicht werde.
In Treue zur Wahrheit
6. Das selbstlose Erleben und mutige Zeugnis eurer Identität geht, das wissen wir, über die bloßen gesellschaftlichen Qualifikationen hinaus; es fordert etwas zutiefst Persönliches, das euch in die "Seinsgemeinschaft" der Jünger Christi, in den "Weinstock", der Christus selbst ist, einbezieht, damit ihr mit ihm und mit den Brüdern "eins" seid und eine Einheit der Kräfte und Absichten bildet, damit das eigene Leben göttlich und menschlich fruchtbar wird und sich die Tätigkeiten gemeinsam entwickeln.
Als unerläßliche Forderungen lassen sich schon erkennen: die Pflege des Glaubens und des religiösen Lebens, der häufige Empfang der Sakramente, die Pflicht zu ständigem Gebet und die über den einfachen Nutzen hinausgehende Notwendigkeit der Treue gegenüber dem Stuhl Petri, der tiefen Gemeinschaft mit der Hierarchie, indem ihr euch gut in die Vorhaben der Ortskirche einfügt, euren Bischöfen anhängt und mit den nationalen Bischofskonferenzen, dem Klerus und den Ordensleuten zusammenarbeitet; dann die Forderung nach wirklichkeitsnah organisierten und von der Liebe geprägten Vereinigungen: "Daran werden alle erkennen, dass ihr meine Jünger seid: wenn ihr einander liebt, wie ich euch geliebt habe" (Joh 13, 34-35).
Der Dialog, die Präsenz und die Eingliederung in die Welt, mit der sich das letzte Konzil so eingehend befaßte, können Furcht auslösen oder in Versuchung führen. Aber ihr wisst, Brüder und Schwestern, dass der Herr auch an die Zeit, in der wir heute leben, dachte, als er voll Liebe empfahl: "Euer Herz beunruhige sich nicht" (Joh 14, 27). Und als er sich in diesem Zusammenhang an den Vater wandte, betete er für jeden von uns mit den Worten: "Vater, heilige sie in der Wahrheit; dein Wort ist Wahrheit" (Joh 17, 17).
In Treue zur Wahrheit, Brüder und Schwestern, haben wir weiter teil am Königtum Christi, indem wir unseren Dienst tun, wie der Herr und Meister es getan und gelehrt hat. Das ist der Weg: Christen in der Innigkeit persönlicher Vertrautheit; Christen am häuslichen Herd, als Eheleute, Väter, Mütter und Kinder in der Familie, der "Hauskirche"; Christen auf der Straße, als Männer und Frauen, die sich zufällig dort befinden; Christen im Leben der Gemeinschaft, am Arbeitsplatz, in der Begegnung mit Berufskollegen und Unternehmern, in der Gruppe, in der Gewerkschaft, bei der Unterhaltung, in der Freizeit; Christen in der Gesellschaft, ob sie nun ein hohes Amt bekleiden oder einfache Dienste verrichten; Christen in der Anteilnahme am Schicksal ihrer minder begünstigten Brüder; Christen in der Teilnahme am sozialen und politischen Leben und schließlich immer Christen in der Gegenwart und Verherrlichung Gottes, des Herrn über Leben und Geschichte.
Und so wünsche ich, Brüder und Schwestern, das Herz erfüllt von Zuversicht und Liebe, dass ihr "auf das, was immer wahrhaft, edel, recht, was lauter, liebenswert ist, bedacht seid! ... und der Gott des Friedens wird mit euch sein" (PhiI 4, 8-9).
Wenn ihr nun in euer Heim zurückkehrt, bringt euren Familien den Segen des Papstes.
Habt Mut! Voll Liebe in Christus erteile ich euch den Apostolischen Segen.
Ansprache in der Antonius-Kirche in Lissabon
Überschrieben: "Das Gebet ist die Seele der Evangelisierung"
Sehr geehrter Herr Präsident und geehrte Mitglieder des Stadtrates von Lissabon!
Liebe Söhne des hl. Franziskus, meine Brüder und Schwestern!
1. Dankbar für die ehrenvolle Anwesenheit des verehrten Stadtrats und für eure Anwesenheit begrüße ich alle in franziskanischer Freude. Und mit dem Wort des Apostels wende ich mich sofort an die geliebten Franziskaner: "Zunächst danke ich meinem Gott durch Jesus Christus für euch alle, weil euer Glaube in der ganzen Welt verkündet wird" (Röm 1, 8). Und dazu hat in außerordentlicher Weise der hl. Antonius beigetragen, den wir in dieser Stunde und an diesem Ort verehren. Hier, in diesem Haus, das bei passender Gelegenheit in ein Oratorium für die Mitglieder des Lissaboner Stadtrats umgewandelt wurde, ist am Ende des 12. Jahrhunderts der hl. Antonius von Lissabon geboren, der auch Antonius von Padua heißt. Nach einem zutreffenden Ausspruch meines Vorgängers Leo XIII. ist er "der Heilige der ganzen Welt". Im Monat Mai, genau am 30. Mai, begehen wir den 750. Jahrestag seiner Heiligsprechung, ein Ereignis, mit dem viele volkstümliche Traditionen verbunden sind.<ref>vgl. Leon de Kerval, Sancti Antonii de Padua Vitae duae (Paris 1904), 116-117.</ref>
In diesem Jahr wird in der ganzen Welt auch die 800-Jahr-Feier der Geburt des hl. Franz von Assisi gefeiert. Wir haben also doppelt Grund, uns zu freuen. Und ich möchte in dieser Stunde die Worte Papst Pius' XII. zu meinen eigenen machen und ausrufen: "Exulta, Lusitania felix! Freue dich, glückliches Portugal!" Insbesondere ihr, Franziskaner und Franziskanerinnen Portugals, freut euch! Freuen sollen sich die Autoritäten und die Bevölkerung von Lissabon! Freut euch, alle Portugiesen, über die ganze Welt hin!
2. Die franziskanische Bewegung - und das ist für mich Grund zur Genugtuung und Freude - hat sich tief in die Seele der Bevölkerung Portugals eingeprägt; und keineswegs nur in die des einfachen und ungebildeten Volkes: Wie bekannt hat sich der Heilige Stuhl mehrmals an die Söhne des hl. Franziskus gewandt, damit sie als seine Vermittler und Wortführer vor den Monarchen und dem Adel Zwistigkeiten schlichteten und die Beteiligten mit Demut mehr als mit Härte an ihre Pflichten erinnerten.
Die missionarische Berufung der portugiesischen Franziskaner in unmittelbarer Nachfolge des hl. Antonius wird in der Tat von Fra Lourenc;o aus Portugal im 13. Jahrhundert bezeugt, nachdem er von Papst Innozenz IV. in den Orient entsandt worden war.<ref>Vgl. Antonio Franchi, La svolta politico-ecclesiastica tra Roma e Bisanzio 1249-1254 (Rom 1981), 15, 16,37,74, 123, 127, 128, 161, 214.</ref> Und man weiß, dass die Ordensregel der Minderbrüder ein ganzes Kapitel über die Missionen enthält.<ref>Regula Bullata, cap 12, Regula non Bullata, cap, 16, ed. Caietanus Esser OFM, Opuscula Sanctis Patris Francisci Assisiensis (Grottaferrata 1978), 237-238, 268-271.</ref> Dieser Geist führte sie nach Afrika, Indien, Brasilien, nach Ceylon und in den Fernen Osten. So weist die Anwesenheit der Söhne und Töchter des hl. Franziskus in Portugal, in den Ländern protugiesischer Sprache auf den verschiedenen Kontinenten reiche Werke der Glaubensverkündigung, der sozialen Hilfe, des Schulunterrichts und Pfarrdienstes auf.
Ich möchte hier die Bedeutung der kleinen, bescheidenen Klausurklöster hervorheben, wo der lebendige Geist des Gründers und der hl. Klara fortlebt, wo sie unaufhörlich darum beten, dass die vielfältige und aktive Arbeit der anderen Brüder und Schwestern "nicht den Geist des Gebets und der Frömmigkeit auslösche, dem alle übrigen Dinge dienen sollen", wie es die Regel sagt.<ref>Regula Bullata, cap 5. ed Esser. Opuscula.231.</ref> Wie würde ich mich freuen, wenn ich Zeit hätte, mit euch Betrachtungen über diesen Punkt anzustellen! Das Gebet ist immer die Seele der Evangelisierung, die Seele des ganzen Apostolats, unsere große geistliche Kraft.
3. Inspiriert von der ausstrahlenden Begeisterung für den hl. Antonius auch unter der Jugend gingen vor allem im vorigen Jahrhundert von Portugal verdienstvolle Initiativen zugunsten der Jugend aus, die sich dann auf andere Teile der Welt ausweiteten. Möge diese Erinnerung an den hl. Antonius Ansporn sein, um das franziskanische Interesse für die Jugend zu verstärken im Einklang mit den Weisungen der Universalkirche und im Geiste der Zusammenarbeit mit den Ortskirchen, im Sinn der Ausrichtung des hl. Franziskus und des hl. Antonius.
Und ich möchte nicht ohne ein wohlwollendes Wort für den Dritten Orden schließen, von dem ich weiß, dass er unter euch tätig ist und sich erneuert. Es ist die Hoffnung der Kirche und die Zuversicht des Papstes, dass sich der Orden in Übereinstimmung mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil durch neue Kräfte und mit dem Enthusiasmus dessen erneuert, der sich als "Sauerteig in der Masse" und Teilhaber an der Sendung Christi fühlt.
4. Die Biographie des weltweit verehrten wundertätigen Heiligen aus Portugal ist euch, geliebte Söhne und Töchter des hl. Franziskus, wohlbekannt: Von der Domschule hier nebenan zieht er nach Säo Vicente de Fora und weiter nach Santa Cruz de Coimbra, in Liebe zum Evangelium und zu Gott, auf der Suche nach einer größeren Verinnerlichung und Verlebendigung des Ordensideals, dem er als ganz junger Mann bei den Augustinermönchen gefolgt war. Nach der Priesterweihe in Coimbra läßt sein sehnsüchtiger Wunsch nach einer radikaleren Antwort auf den göttlichen Anruf in ihm den Vorsatz größerer Hingabe und Liebe zu Gott reifen in dem brennenden Verlangen, Missionar und Märtyrer in Afrika zu werden. Mjt diesem Vorsatz wurde er Franziskaner.
Die Vorsehung jedoch schickte Bruder Antonius nach Italien und Frankreich. In seinen ersten Erfahrungen als Franziskaner nimmt er, dem Ideal getreu, die Widrigkeiten an und antwortet voll Freude auf die göttlichen Pläne, im vollen Einsatz hochherzigen Dienstes; er predigt und lehrt die Brüder Theologie, in geduldiger Haltung wie der Bauer, der geduldig wartet, bis der Früh- und Spätregen fällt, bis irgendwann der Herr kommt (vgl. lak 5, 7). Was für eine schöne Lebenslehre, Brüder und Schwestern! Er beendet dann sein kurzes Leben, indem er als demütiger Diener das Amt des Ministers oder Obern im Orden ausübte. Zu seinem Tod im Alter von kaum vierzig Jahren könnte man die Worte aus dem Buch der Weisheit wiederholen: "Früh vollendet, hat der Gerechte doch ein volles Leben gehabt" (Weish 4, 13).
Seine Lehre und seine Predigt sowie sein Leben als Ordensbruder und Priester sind gekennzeichnet von seiner Liebe zur Kirche, wie sie von der Regel empfohlen wird.<ref> Regula non Bullata, cap. 17, ed. Esser, Opuscula, 271. </ref> "Ein kundiger Ausleger der Heiligen Schrift, ein ausgezeichneter Theologe bei der Erforschung der Dogmen, ein berühmter Lehrer und Meister bei der Behandlung von asketischen und mystischen Themen", wie Papst Pius XII. schrieb,<ref>Papst Pius XII., Apostolisches Schreiben Exulta, Lusitania felix, AAS 38 (1946) 201. Lopes, S. Antonio de Lisboa. 296-297.</ref> verkündet er mit aller Eindringlichkeit das Wort Gottes (vgl. 2 Tim 4,2), getrieben vom Wunsch des Verkündigers, "die Verirrten auf die rechten Wege zurückzuführen". Er tut dies jedoch mit der Freiheit des Herzens eines Armen, treu gegenüber Gott und treu seiner Antwort an Gott, in Anhänglichkeit an Christus und in Übereinstimmung mit den Weisungen der Kirche. Eine wahre Gemeinschaft mit Christus verlangt, dass in der Praxis ein wirklich harmonischer Einklang mit der von den legitimen Hirten geleiteten Kirche gepflegt wird und besteht.
5. Der "Doctor Evangelicus" spricht auch zu den Menschen unserer Zeit, indem er sie vor allem auf die Kirche als Werkzeug des Heils Christi hinweist. Die ehrliche Sprache des Heiligen und seine wunderbar wiedergefundene Stimme scheinen die Ewigkeit seiner Botschaft sicherzustellen. Die Stimme von Bruder Antonius ist durch seine Predigten noch immer lebendig und durchdringend; insbesondere seine Leitlinien enthalten einen lebendigen Appell an die Ordensleute unserer Tage, die vom Zweiten Vatikanischen Konzil dazu aufgerufen wurden, die Heiligkeit der Kirche und die Treue zu Christus als Mitarbeiter der Bischöfe und Priester zu bezeugen.<ref>S. Antonii Patavini. O. Min, Doctoris Evangelici Sermones Dominicales et Festivi, Dominica II de Adventu (II, Padua 1979),478-491. Henrique Pinto Rema OFM. Santo Antonio de Lisboa. Obras Completas, III (Lissabon 1970),39-43. </ref>
Sehr bekannt ist der Gruß brief des hl. Franziskus an Bruder Antonius, wo er schreibt: "Es freut mich, dass du die Brüder Theologie lehrst, wenn du nur bei diesem Studium den Geist des Gebets und der Frömmigkeit nicht auslöschst, wie er in der Regel enthalten ist".<ref> Epist. ad Sanctum Antonium, ed. critica Esser. Opuscula cap IV, 95. Henrique Pinto Rema OFM, Santo Antonio de Lisboa. Obras Completas, I (Lissabon 1970), XVII.</ref> Und ein hochgeschätzter Theologe versichert, dass der "Doctor Evangelicus" diesem Prinzip treu zu bleiben vermochte: " ... das Beispiel Johannes des Täufers begeisterte ihn; und aus dieser Begeisterung wurde Licht: eine Lampe, die brannte und leuchtete".<ref>Vgl. Francisco da Gama Caeiro, Santo António de Lisboa, I (Lissabon 1967), 147-148.</ref> Aus diesem Grund erscheint der hl. Antonius in der Geschichte als Vorläufer der Franziskanischen Schule, die von der theoretischen und praktischen Zielsetzung des Wissens bestimmt ist.
6. Liebe Brüder und Schwestern!
Ich weiß, dass der Herr Kardinal-Patriarch, der Stadtrat von Lissabon und die franziskanische Ordensfamilie Anstrengungen unternehmen, um in dieser Stadt eine große Kirche zu errichten, die künftige Kathedrale, die dem hl. Antonius geweiht sein soll, auch um der Verehrung der über die Welt verstreuten portugiesischen Gemeinden ein Denkmal zu setzen. Eine schöne und lobenswerte Initiative! Gebe Gott, dass sie alle Portugiesen um den großen hl. Antonius versammle, in Einheit des Glaubens und im Einklang der Herzen zur Ehre Gottes.
Doch dieser irdische Tempel muss vor allem Ausdruck euer selbst sein, die "ihr euch als lebendige Steine zu einem geistigen Haus aufbauen lasst" (vgl. 1 Petr 2, 5), mit dem Leben, dem apostolischen Amt und Dienst, die immer Träger der Werte des Evangeliums sein müssen. Möge das Beispiel des hl. Antonius euer Herz tief durchdringen, damit ihr als Verkünder des Heiles und der Güte Christi und als Diener seiner Kirche durch das Zeugnis und die Verkündigung 'der Frohbotschaft sein Werk fortsetzt. Euer geweihtes Leben und eure Mitwirkung bei der Verbreitung des Evangeliums sind für mich in meiner Sendung als Oberhirte der Gesamtkirche Grund zu Ermutigung und Freude. Möge Gott euch beistehen und viele andere dazu berufen, Christus im Ordensleben nachzufolgen im Geist des "Poverello von Assisi", so wie der hl. Antonius sich mit diesem Geist zu identifizieren wusste. Durch seine Fürsprache erbitte ich allen "Friede und Heil" mit meinem Apostolischen Segen.
Anmerkungen
<references />
Grußbotschaft an den portugiesischen Staatspräsidenten in Lissabon
Überschrieben: Der Sendungsauftrag Portugals
Hochverehrte Exzellenz
Herr General Antonio Ramalho Eanes,
Präsident der portugiesischen Republik!
1. Ich bin Ihrer Exzellenz sehr dankbar für die feinfühlige Gastfreundschaft, mit der Sie mich soeben empfangen haben. Und ich möchte Ihnen in diesem Augenblick noch einmal für Ihre ehrenvolle Anwesenheit auf dem Flugplatz bei meiner Ankunft in Portugal danken.
Durch Ihre Exzellenz danke ich auch dem ganzen geliebten portugiesischen Volk und seinen hervorragenden Repräsentanten für den Einsatz und die Bereitschaft, mit der sie meine Reise in das "Land der Heiligen Maria" möglich gemacht haben. Was diese Bereitschaft angeht, möchte ich die Einladung hervorheben, die von Ihrer Exzellenz an mich persönlich ergangen ist; Sie haben sich dem Wunsch der Bischöfe Portugals angeschlossen, der schon vor langem vom Herrn Kardinal-Patriarchen von Lissabon, Msgr. Antonio Ribeira, in seiner Eigenschaft als Vorsitzender der Portugiesischen Bischofskonferenz ausgesprochen worden war. Die ganze spürbare Hochachtung - diese Einladungen und Ehrenbezeigungen, mit denen man den Nachfolger des hl. Petrus auf dem Römischen Stuhl ehren wollte - bezieht sich natürlich nicht auf meine Person: Die Ehrerbietung gilt dem Oberhirten der Universalkirche, der persönlich Portugal besucht; sie gilt letzten Endes dem Herrn und Meister der Kirche, Jesus Christus, der ein unauslöschliches Heimatrecht in der Geschichte des Menschen besitzt.
Ich bin zu einem Pastoralbesuch in Portugal; und vor allem auf einer Pilgerfahrt nach Fatima; und gleichzeitig freue ich mich, den Geboten der Freundschaft nachkommen zu können, der alten Freundschaft, die zwischen diesem geliebten Land und dem Heiligen Stuhl in.Rom besteht.
Historische Beziehungen zu Rom
2. Die Bande zwischen Portugal und dem Römischen Stuhl des Petrus sind in der Tat sehr alt. Der Augenblick, da in der Heimat der lusitanischen Stämme zur Römerzeit auf der Iberischen Halbinsel zum ersten Mal der gesegnete Name Christi erklang, verliert sich im Nebel der Geschichte. Und damals haben die Stämme Lusitaniens mit dem christlichen Glauben auch die Kirche angenommen, die Jesus Christus selbst auf dem "Felsen" Petrus errichten wollte, dem er die Verantwortung für das Lehramt und den Dienst am ganzen über die Erde verstreuten Volk Gottes anvertraut hat. Schrittweise wurden organische Beziehungen hergestellt als Ausdruck der Liebe und Treue zu der einen, katholischen Kirche bei den Gläubigen der Diözesen dieser Regionen zwischen Braga und Ossonoba, in den Grenzen des Gebietes, das heute von Minho bis Algarve reicht.
Rückblickend glaube ich behaupten zu können, dass die Liebe der Gläubigen dieser Gebiete zum Römischen Papst nur übertroffen worden sein dürfte von ihrer frommen Verehrung für Christus, den Erlöser - in den Geheimnissen der Passion und Eucharistie -, und zur Muttergottes, die unter dem Titel eines ihrer schönsten Vorrechte - der Unbefleckten Empfängnis - zur "Königin" und Schutzpatronin Portugals bestimmt und ausgerufen wurde;<ref> Vgl. "Auto da aclamaçao de N. Senhora da Conceiçao como Padroeira de Portugal", pelas Cortes de Lisboa em 1646. </ref> diese Frömmigkeit beseelt ständig den Gottesdienst und das Festhalten an den übrigen religiösen Pflichten, die tiefe Zeichen in der Geschichte und im Leben des geliebten portugiesischen Volkes hinterlassen haben.
Wie man weiß, möchte die Kirche überall, wo man ihr begegnet, der persönlichen und gesellschaftlichen Berufung ihrer Mitglieder dienen können, die ja zugleich Mitglieder einer bestimmten politischen Gemeinschaft sind. Aufgrund ihrer geistlichen Sendung und Zuständigkeit verbindet sie sich natürlich nicht mit einer bestimmten Gesellschaft und bindet sich an kein politisches System; aber sie will überall Zeichen sein für die transzendentale Bestimmung des Menschen; und das tut sie, indem sie die Wahrheit des Evangeliums verkündet und durch ihre Lehre und das Zeugnis ihrer Gläubigen alle Bereiche menschlichen Wirkens erhellt.<ref> Vgl. Gaudium et spes, Nr. 76.</ref>
In dieser Sicht stellen sich also die Beziehungen der portugiesischen Nation zum Stuhl Petri dar, die, wie man weiß, im Laufe der Zeit die feste Form der Anerkennung und Verbindlichkeit angenommen haben (vor drei Jahren konnte ich in diesem Sinne zu meiner Freude in der Kirche des hl. Antonius der Portugiesen in Rom am Festgottesdienst zu seiner 800- Jahr-Feier teilnehmen). Der Pflicht bewusst, die ihr von der Sendung auferlegt wird, den Menschen zu helfen, die nach einer Antwort auf die ewige Frage nach dem Sinn des gegenwärtigen und zukünftigen Lebens und der Beziehung zwischen beiden suchen, hat die Kirche auch hier immer versucht, mit dem Menschen zu gehen, aus dem Wunsch heraus, ihm einen Dienst zu erweisen.
In diesem Licht ist der Weg zu sehen, der von der Kirche und von Portugal durch seine freundschaftlichen Beziehungen zum Römischen Stuhl gemeinsam zurückgelegt wurde und der dem Land in der Person seiner Könige durch meinen Vorgänger Benedikt XIV. den Ehrennamen der "treuesten" Nation eingebracht hat.<ref> Vgl. Breve Apostolicum vom 23.12.1748: Bullarium Romanum, Venetiis Tip. Gatti/1778, t. III, S, 1. </ref>
3. Wie das anderswo und bei anderen Völkern vorkommt, zeigt sich auch die Geschichte Portugals nicht frei von dem Wechsel aus Licht und Schatten in den verschiedenen Aspekten des Lebens seiner Bevölkerung, doch auf dem Grund von all dem bestehen gleichsam als Koordinaten viele Dinge weiter, die nicht geändert wurden und nicht geändert werden können. Die Kirche glaubt - wie man weiß - wirklich, dass "der Schlüssel, der Mittelpunkt und das Ziel der ganzen Menschheitsgeschichte in Jesus Christus gegeben ist, der derselbe ist gestern, heute und in Ewigkeit".<ref> Gaudium et spes, Nr. 10. </ref> Und Portugal hat sich insgesamt, mit der Mehrheit seiner Bevölkerung, in den grundsätzlichen geschichtlichen Entscheidungen für Christus, den Erlöser des Menschen, entschieden, wie die Wappenfelder der Nationalflagge und das Kreuz auf seiner Karavelle in der Heldenzeit der Entdeckungen zu beweisen scheinen.
Immer ist Christus das Angebot der Kirche, die in die Zeit und den Raum der Welt gestellt ist und dadurch mit dem Menschengeschlecht und seiner Geschichte wirklich und aufs engste verbunden ist; sie hat den Wunsch, dem Menschen in seiner Würde und seiner Öffnung für den Geist, in der vollen Wahrheit seiner Existenz, seines persönlichen und zugleich gemeinschaftlichen Seins, zu dienen.<ref> Vgl. Redemptor hominis, Nr. 14. </ref>
Unter den wechselvollen Ereignissen, die in der Geschichte und im Leben Portugals hervorragen, fällt an erster Stelle das Phänomen der Abwanderungen ins Auge, die in ferne Zeiten zurückreichen: Viele seiner Söhne verließen in der Vergangenheit wie auch heute die Heimat unter Trennungsschmerz und Momenten der Unsicherheit, um anderswo nach einer Verbesserung der Lebensbedingungen zu suchen. Der Verlust dieser Söhne, zweifellos ein Verlust für dieses Land, brachte für die Länder, in denen sie sich niederließen, gewöhnlich einen Vorteil mit sich.
Unter denen, die, um zu überleben, oder aus anderen Gründen von hier aufbrachen, befanden sich auch Tausende, die leidenschaftlich begeistert von ihrem Ideal Christus waren - die portugiesischen Missionare -, die mit dem Schiff von hier aufbrachen, um das Christentum in die verschiedenen Kontinente zu tragen. Ein historisches Denkmal dafür, das - wie ich unterrichtet wurde - noch immer besteht, ist der sogenannte "papiar christiano", was in einigen Gegenden Südostasiens soviel heißt wie "portugiesisch sprechen", der es erlaubt, in allen Teilen der Welt zahllose Männer und Frauen als von den Portugiesen christianisierte Katholiken und ihre Nachkommen auszumachen.
Diese tapferen Missionare, die Diener Christi und seiner Kirche und der Ruhm Portugals waren, brachten mit ihrem glühenden Eifer, mit ihrer totalen, hochherzigen Hingabe so vielen in der Welt verstreuten Brüdern geistliche Hilfe, versäumten es dabei aber nicht, auch zu ihrer Entwicklung beizutragen, indem sie ihnen behilflich waren, Fortschritte in der Befriedigung ihrer grundlegenden Lebensbedürfnisse zu machen und die Menschenwürde hochzuhalten. Während sie also die Frohbotschaft vom Heil verkünden, bieten sie zugleich einen menschlichen Dienst an; und auch dafür verdienen sie unsere Bewunderung und Anerkennung.
4. Die Portugiesen, die zu Hause geblieben sind, haben ihre Geschichte nicht ohne Schwierigkeiten erlebt, aber sie vermochten im Verlauf dieser Geschichte außergewöhnliche Eigenschaften, wie Mut, Widerstandsfähigkeit in Prüfungen und Gefahren und Ausdauer, an den Tag zu legen, Eigenschaften, welche die sittliche Verfassung und die geistige Kraft kennzeichnen, die heute wie gestern den Söhnen und Töchtern dieser Nation in ihrem Lebenskampf helfen und sie beseelen müssen, während sie erhobenen Hauptes mit Würde und Hoffnung in die Zukunft blicken. Mit der verantwortungsbewussten Teilnahme und dem hochherzigen Beitrag zum Gemeinwohl aller müssen weiterhin die Beseitigung der Armut, die Hilfe für die Randgruppen der Gesellschaft oder die völlig Entwurzelten, die Aussicht auf Arbeit für alle - insbesondere die lebhaften Jugendlichen dieses Landes -, die Strukturierung der Lebensverhältnisse, Hilfe und Sicherheit auf wirtschaftlichem und sozialem Gebiet, was für das Gesundheitswesen, Unterricht, Arbeit, Familie und Alter gilt, ein entschiedenes gemeinsames Engagement eines Volkes darstellen, das sich der typischen Werte seiner Gemeinschaft bewusst und stolz darauf ist, diese Werte im politischen und gesellschaftlichen Leben zu bezeugen.
Das Geschichtsbewusstsein und der christliche Glaube der Portugiesen, der sich nicht von der Forderung nach einer ehrlichen Beziehung zur Wahrheit als Vorbedingung der echten Freiheit trennen läßt, sollten sie auch heute unbedingt davon überzeugen, dass nur die Liebe aufbauen kann, ohne deshalb den berechtigten gesunden und verantwortlichen Pluralismus auszuschalten; und dass der Schlüssel auch zur Lösung ihrer Probleme und ihres Glücks in dem menschlichen und christlichen Sinn der Werte besteht, sich an der Gerechtigkeit erwärmt und in der Solidarität, Brüderlichkeit und Liebe unter den Menschenbrüdern sein Maß findet.
Eine Kraft für die Verständigung der Völker
5. Es ist mein Wunsch, dass Portugal, seiner geschichtlichen Leitlinie folgend, mit seinem Charisma der Universalität und der mühelosen Integration auch weiterhin eine Kraft für die Verständigung zwischen den Völkern sein möge, besonders zwischen denen, die enge kulturelle Verwandtschaft zu ihm besitzen. Die portugiesischen Emigranten und Missionare sind in alle Teile der Welt gegangen und haben, wo sie eintrafen, den Namen ihres Landes geliebt und hochgehalten. Möge das auch weiterhin Quelle der menschlichen und geistlichen Inspiration für ihren Platz in der Welt sein und Portugal den Ruhm seiner leuchtendsten Tage erhalten. Die "Casa Lusitana", das "portugiesische Heim", hat noch immer einen edlen Sendungsauftrag. Und möge sein durch die Jahrhunderte hindurch bewahrtes und gepflegtes christliches Glaubenserbe in den heutigen Ausdrucksformen seiner Identität, die aus ihm das "schöne, am Meer gelegene Vaterland eines heroischen Volkes" machte, "das mit Gottes Gnade singt ... " - wie einer eurer Dichter sagt -, ein ständiger Impuls bleiben, der dieses edle Land zu einem Wohlstand gelangen läßt, der das Glück aller Portugiesen in einem Klima arbeitsamer Harmonie, des Wohlergehens und des Friedens zum Ausdruck bringt!
Noch einmal danke ich Ihrer Exzellenz für den liebevollen und ehrenvollen Empfang; und auf das ganze geliebte portugiesische Volk, dass Sie zu seinem Repräsentanten gewählt hat, rufe ich die reichsten Segnungen des allmächtigen und barmherzigen Gottes herab.
Anmerkungen
<references />
Grußbotschaft an die Autoritäten der Republik Portugal in Lissabon
Überschrieben: "Die Hoffnungen des portugiesischen Volkes"
Herr Ministerpräsident!
Herr Parlamentspräsident!
Meine Herren Minister,
sehr geehrte Damen und Herren,
Exzellenzen!
1. Ich fühle mich geehrt und dankbar für die Möglichkeit, in der Person Eurer Exzellenzen die Inhaber der Exekutive und Legislative dieser edlen Nation zu begrüßen, die mich bei meiner Pilgerfahrt nach Fatima und meinem Pastoralbesuch auf portugiesischer Erde mit großer Begeisterung und Hochherzigkeit empfängt.
Das für meinen Besuch bewiesene Interesse, die ehrende Anwesenheit bei meiner Ankunft und jetzt diese Begegnung haben mich überzeugt, dass man über meine Person hinaus demjenigen huldigen wollte, den ich hier als Hirt der Universalkirche zu vertreten habe; voll Bewegung möchte ich für alle Aufmerksamkeiten und die gute Aufnahme danken, in der ich sogleich die bekannte Religiosität und den tiefverwurzelten christlichen Glauben der geliebten Portugiesen erkennen konnte. Gelobt sei Gott! Und während ich hier meiner Dankbarkeit Ausdruck gebe, sehe ich in Euren Exzellenzen alle Personen und Institutionen vertreten, denen - aus jeweils verschiedenen Gründen - Dank dafür gebührt.
2. Da ich in diesem glücklichen Augenblick mit einer so erlesenen Vertretung Portugals zusammenkomme, möchte ich Sie vor allem der großen Wertschätzung für die hohe Sendung versichern, mit der Sie im Dienst des Gemeinwohls der ganzen Nation betraut sind. Gebe Gott, dass Sie sich bei der Erfüllung Ihres Auftrags immer von einem Verständnis des Menschen mit allen seinen Werten und seiner Würde und von einem Verlangen leiten lassen, konkret allen Portugiesen zu dienen, die Sie mit dieser ehrenvollen Sendung, die zugleich eine Verpflichtung ist, beauftragt haben.
Der großen Sache des Menschen dienen
Auf Sie richten sich die Erwartungen und Hoffnungen des gelobten portugiesischen Volkes, das mit Recht stolz ist auf eine ruhmreiche erlebte und erlittene Geschichte, in der seine Identität als Volk zum Ausdruck kommt, in der Verheißungen enthalten sind und sich das Kraftpotential abzeichnet für, den Aufbau einer immer würdigeren Zukunft, in Treue zur eigenen Seele und ohne Unterbrechung der historischen Kontinuität.
3. Meine Reisen haben, wie man weiß, immer einen vorwiegend apostolischen Charakter mit bestimmten apostolischen Zielsetzungen; es ist meine Absicht, mit ihnen eine Initiative fortzusetzen, die meine Vorgänger begonnen haben, vor allem Papst Paul VI., den zu empfangen Portugal einmal die Freude hatte. Da das einen wichtigen Teil meiner Sendung als Nachfolger des Apostels Petrus ausmacht, hat mein Wunsch, die über die Welt verstreute Kirche durch meine Präsenz anzuregen, mich heute zur Begegnung mit der Kirche in Portugal geführt, wo die katholische Kirche die große Mehrheit der Bevölkerung repräsentiert. Wenn ich mich im Namen Christi und aus Liebe zu Christus, dem Erlöser des Menschen und Mittelpunkt des Universums und der Geschichte, als Pilger auf diese Reisen begebe, fühle ich mich immer als Überbringer einer Botschaft über den Menschen in seiner ganzen Wahrheit.
Während die Kirche ihre eigene geistliche Sendung entfaltet und immer die größte Achtung für die notwendigen und berechtigten Institutionen der zeitlichen Ordnung zu bewahren wünscht, unterläßt sie niemals, alles zu würdigen und sich über alles zu freuen, was die Kraft, die vollständige Wahrheit des Menschen zu leben, fördert; sie kann nicht umhin, zu den Bemühungen zu gratulieren, die zum Schutz und zur Verteidigung der Grundrechte und Grundfreiheiten aller Menschen unternommen werden; und sie freut sich und dankt dem Herrn des Lebens und der Geschichte, wenn Planungen und Programme - politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Charakters - sich an der Achtung und der Liebe der Menschenwürde inspirieren bei der Suche nach der "Gesellschaft im Zeichen der Liebe".
4. In dieser Haltung und mit Freude über jedes erfolgreiche Zusammenwirken, das darauf hinzielt, jedes Ungleichgewicht zu beheben, das die Gesellschaft und die ganze Menschheit bedroht - Störungen, die bei den Betroffenen Angst sowie deprimierende und oft erniedrigende Entbehrungen hervorrufen -, weiß die Kirche die Menschen zu würdigen, die die Aufgabe haben, die Prozesse zur Überwindung einer solchen Situation einzuleiten und durchzuführen. Neben sachlicher Zuständigkeit und gutem Willen ist nicht weniger die Fähigkeit zu schätzen, diese entscheidenden Prozesse unter dem Druck "entgegengesetzter Zeichen" zum guten Ende zu führen.
In ihrer Treue zu dem Menschenverständnis, das ihr von ihrem Herrn und Meister Jesus Christus anvertraut wurde, läßt die Kirche nicht davon ab, das zu empfehlen, was der großen Sache des Menschen dienen kann. Während sie von den technischen Seiten der Reformen oder Veränderungen absieht, bleibt sie bei der Überzeugung, die sich im Geist, im Herzen und im freien Willen der Menschen findet, und besteht darauf, dass man vor allem einen Wandel herbeiführen müsse, damit die Neuerungen an das Gemeinwohl gebunden werden, denn es wird nur dann eine Verbesserung geben können, wenn alle einbezogen sind. Unumgänglich ist darum eine ständige Bildung der Menschen, ein Wachsen in Menschlichkeit im Sinne der Mitverantwortung bei der Leitung der eigenen Geschicke, angefangen von Unterweisung und Information auf allen Ebenen, über die sogenannte "Lebensqualität", die Kultur und alles, was zu den täglichen Notwendigkeiten des Daseins gehört, bis hin zur Mitwirkung innerhalb der legitimen Freiheit und eines Pluralismus, der immer erleuchtet ist von einem unerläßlichen gegenseitigen Verständnis, das die gemeinsame Suche nach dem größeren Wohl für alle zu befruchten sucht.
5. Ich weiß: Sie sind sich der Tatsache bewusst, dass trotz der Mitverantwortung aller an der Gesellschaft, die gewahrt bleiben und ständig wachsen muss, die Initiative und die menschlich vernünftige Richtung der Lebensvorgänge großenteils von den Regierenden abhängt. Sie wissen, dass Uneigennützigkeit und Unterscheidungsvermögen Hand in Hand gehen müssen, um bei der Wahrnehmung des Auftrags gefährliche Verwirrungen auszuschließen: nämlich durch Parteimeinungen, die die volle Wahrheit über den Menschen verkürzen oder ignorieren und die echte menschliche Solidarität preisgeben durch Manipulationen, die sich von selber durch die Interessen verraten, die sie zum Schaden des Menschen vertreten oder bezwecken.
Meine Herren! Dem Herzen aller Menschen guten Willens wird immer all das willkommen sein, was für die edle Sache des Menschen getan wird: - um jedem Menschen zu erleichtern, immer mehr Mensch zu werden, indem er sich bemüht, die Spaltung zu überwinden, die er dann in sich erfährt, wenn er sich einerseits in seinen Wünschen und Hoffnungen auf ein besseres Leben unbegrenzt fühlt und andererseits unter dem Zwang vielfältiger Notwendigkeiten seiner irdischen Existenz steht; um den Armen zu helfen, den am Rand der Gesellschaft Lebenden und allen, die von Unglück und Heimsuchungen verschiedener Art betroffen sind, die oft unverdient sind und ihnen nicht erlauben, ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen;
- um denen' beizustehen, die sich gezwungen sehen, das "notwendige Übel" der Auswanderung zu wählen, um ein besseres persönliches, familiäres und gesellschaftliches Leben zu finden, damit sie keine großen moralischen Schäden erleiden;
- um jedem zu ermöglichen, seiner Berufung zu folgen, und, falls er sich für die Familie entscheidet, die Heiligkeit all ihrer Werte und all ihrer Aufgaben bei der Zeugung und Erziehung ihrer Kinder respektieren zu können;
- um zu verhindern, dass die Jugend, vor allem die entrechtete und weniger vom Glück begünstigte, die menschliche Würde und den Sinn für die sittlichen Werte verliert, indem sie Wege einschlägt, die sie an den Rand der Gesellschaft drängt, dorthin, wo Armut und Elend sich mit Verkommenheit und Verbrechen verbinden, bis zu den Extremen der Revolte und Gewalttätigkeit;
- um allen Arbeit zu sichern und die Nachteile der Urbanisierung zu vermindern, die, wenn sie aus verschiedenen Gründen unproportioniert wächst, nicht mehr dem Menschen angemessen ist;
- schließlich um jedem Menschen die Achtung vor den Rechten Gottes möglich zu machen, des Schöpfers aller Dinge und Herrn der Geschichte, der - es sei mir gestattet, das in diesem Augenblick auszusprechen - uns in Christus den "Schlüssel" zu dem "Geheimnis" gegeben hat, das der Mensch für den Menschen ist.
Es geht um das Allgemeinwohl
So ist also Ihre Aufgabe unermesslich, aber wunderbar; Ihre Sendung ist edel und sie verdient allen Einsatz, allen Stolz und alle Begeisterung. Es geht um das Allgemeinwohl; es geht darum, eine Nation immer größer und aus dem Vaterland eine annehmbare Wohnung für das eigene Volk zu machen. Die gute Arbeit der Inhaber und Verwalter der Macht läßt sich - ein Gedanke, den ich hier wiederhole - am Wohlbefinden, am Glück, am Frieden und an der Freude derer erkennen, denen die Macht dient.
Ich wünsche Euren Exzellenzen alles Gute; und indem ich meinen Dank wiederhole, wünsche ich Ihnen, dass Sie in einem immer mehr vom Ideal echter menschlicher und brüderlicher Beziehungen beseelten und glücklicheren Portugal die Früchte Ihrer Sendung und Ihres Dienstes erkennen können, mit dem Schutz der Muttergottes von Fatima und dem Segen des allmächtigen und barmherzigen Gottes.
Ansprache bei der Gebetsstunde in Fatima
Überschrieben: "Seid konsequent, hütet das Erbe des Glaubens!"
Hochwürdigster Herr Bischof von Leiria Alberto Cosme do Amaral,
hochwürdigste Herren Kardinäle, Erzbischöfe und Bischöfe,
meine lieben Brüder und Schwestern!
Gelobt sei Jesus Christus!
1. Und gelobt sei seine Mutter, die allerseligste Jungfrau Maria! Ja, mit und durch Maria strömt in diesem Augenblick aus meinem Herzen das Gebet, das hier so oft wiederholt und gesungen wird: Mein Gott, ich glaube, ich bete an, ich hoffe und ich liebe Dich!
Dieser erste Gruß, den ich anbetend auf diesem gesegneten Boden von Fatima ausspreche, gilt der Heiligsten Dreifaltigkeit: Gelobt sei Gott, der voll Erbarmen ist, für die große Liebe, mit der er uns geliebt hat! Wir, die wir in seinem Wort, dem Sohn, erschaffen und durch das Blut desselben Sohnes gerettet wurden, sind seine Hausgenossen geworden und wurden auf dem Fundament der Apostel aufgebaut, um im Heiligen Geist zur Wohnung Gottes erbaut zu werden (vgl. Eph 2, 4 ff.); wir müssen ohne Unterlaß wiederholen: Mein Gott, ich glaube, ich bete an, ich hoffe und ich liebe Dich.
Gegrüßet seist Du, Maria!
Gebenedeit bis Du! Gebenedeit ist die Frucht Deines Leibes, Jesus! Um Deine Verheißung zu erfüllen, 0 Herrin, möchte ich beim Betreten Deines Fatima-Heiligtums Dich, geliebte Mutter, mit den Worten grüßen, die Du uns gelehrt hast, damit wir sie vor unseren Brüdern verkünden: "Meine Seele preist die Größe des Herrn, und mein Geist jubelt über Gott, meinen Retter" (Lk 1, 46-47).
2. Und nun möchte ich euch alle, liebe Brüder und Schwestern, die ihr mich hört, herzlich grüßen. Ich möchte an euch einen brüderlichen Friedensgruß richten und meiner großen Freude Ausdruck geben, hier, an diesem Ort, bei euch sein zu dürfen. Alle Dankbarkeit, die mich erfüllt, will ich mit euch teilen. Die Dankbarkeit, die mich hierherführte, um euch nicht nur am Evangelium, sondern auch an meinem eigenen Leben teilnehmen zu lassen (vgl. Tess 2, 8).
Ja, in dieser Haltung - die ja auch die eure ist - möchte ich euch danken. Ihnen, Herr Bischof von Leiria, danke ich, dass Sie die Empfindungen aller zum Ausdruck brachten; ich danke für die herzlichen Willkommensworte sowie für die wiederholten Einladungen, die Sie an mich gerichtet haben, dieses Fatima-Heiligtum zu besuchen. Allen danke ich für die herzliche Aufnahme, die sie mir bereitet haben.
3. Dankbarkeit, Gemeinschaft, Leben! Diese drei Worte geben den Sinn meines Hierseins an diesem Tag wieder. Und sicher darf ich auch eure Anwesenheit im gleichen Sinn deuten. Fatima ist der Höhepunkt meiner Portugalreise. Darum möchte ich euch jetzt etwas anvertrauen: Schon seit längerem hatte ich die Absicht - wie ich bei Gelegenheit meiner Ankunft in Lissabon sagte -, nach Fatima zu kommen. Aber nach dem Attentat auf dem Petersplatz vor einem Jahr eilten meine Gedanken, kaum hatte ich das Bewusstsein wiedererlangt, sofort zu diesem Heiligtum, um dem Herzen Mariens, das mich aus der Gefahr errettet hat, meinen Dank zu bringen. Ich werde nicht müde, zu wiederholen, dass ich alles, was geschehen ist, als einen besonderen Schutz der Gottesmutter betrachte. Und den Zufall - es gibt ja im Plan der Vorsehung keine reinen Zufälle - habe ich als einen Anruf gesehen und vielleicht sogar als einen Hinweis auf die Botschaft, die vor 65 Jahren durch drei Kinder des einfachen Landvolkes, die drei Hirtenkinder von Fatima, wie sie weltweit bekannt sind, von diesem Ort aus verkündet wurde.
4. Und so bin ich nun unter euch, als Pilger unter Pilgern, eingegliedert in diese Gemeinschaft der pilgernden, der lebendigen, der heiligen und sündigen Kirche, um dem Herrn zu danken, "denn seine Huld währt ewig" (Ps 135, 1). Ich möchte heute in eurer Gegenwart, geliebte Brüder und Schwestern, noch einmal wiederholen, was ich bei der ersten Audienz nach dem Attentat am 17. Oktober 1981 bereits sagen durfte. Diese Worte sind ein Widerhall dessen, was an jenem 13. Mai des vergangenen Jahres geschehen ist. Sie sind Ausdruck meiner Dankbarkeit gegenüber dem Höchsten, gegenüber unserer Mutter und Herrin, gegenüber den heiligen Schutzpatronen und allen, die mittelbar oder unmittelbar dazu beigetragen haben, mein Leben zu retten und meine Gesundheit wiederherzustellen: Dank dem Herrn ist mein Leben nicht vernichtet worden. Ja, "sein Erbarmen ist nicht zu Ende" (KlgI3, 22). So habe ich zum ersten Mal am Rosenkranzfest bekannt. Ich wiederhole es heute in Fatima, an diesem Ort, an dem so vieles uns an den Rosenkranz erinnert - an das Rosenkranzgebet -, wie die kleinen Hirten es beteten. Der Rosenkranz, der Psalter, ist und wird immer wieder ein Gebet des Dankes, der Liebe und der vertrauensvollen Bitte bleiben: das Gebet zur Mutter der Kirche! 5. Wie die meisten von euch, meine lieben Pilger, komme auch ich als Pilger nach Fatima: in meinen Händen den Rosenkranz, auf meinen Lippen den Namen Mariens und in meinem Herzen das Lied auf die Barmherzigkeit Gottes: Auch an mir hat der Mächtige Großes getan ... Er erbarmt sich von Geschlecht zu Geschlecht.
In der Vorbereitung auf diese Begegnung mit euch konnte ich mir der althergebrachten und tiefen Tradition eurer Marienverehrung bewusst werden. Sie kommt nicht nur in den großen Glaubenskundgebungen oder in den großen Stunden der Geschichte dieses geliebten protugiesischen Volkes, sondern auch und vor allem im Alltagsleben und in den Gebräuchen der Menschen, der Familien und der Gemeinschaften zum Ausdruck, so dass sie eure ganze Kultur durchdringt. Jahrhundertelang, ja wir können sagen, immer schon wollten die Religion und das christliche Leben, besonders beim einfachen Volk und vom Grund der portugiesischen Tradition auf, eine gültige Interpretation der Kultur, der Sprache und der Lebensgewohnheiten des Volkes sein. Im gewissen Sinn war das Leben auf den Glaubensvollzug ausgerichtet und organisiert; und in diesem Glaubensvollzug steht die Gottesmutter im Vordergrund. Solche Erkenntnisse waren mir ein Grund zur Freude. Und nun, da ich mit eigenen Augen eure innige Marienliebe sehe, wird meine Freude um so größer.
Seid konsequent, hütet das Erbe des Glaubens, der geistigen Werte und der Rechtschaffenheit des Lebens, das ihr von euren Vorfahren im Licht und mit dem Segen der heiligen Jungfrau empfangen habt; es ist ein reiches und ein gutes Erbe. Und lasst mich euch ein Geheimnis in Erinnerung rufen, das euch helfen wird, dieses Erbe zu wahren. Es ist sehr einfach und eigentlich kein Geheimnis mehr: "Betet, betet viel; betet jeden Tag den Rosenkranz."
6. Dankbarkeit, Gemeinschaft, Leben: Das sind die Empfindungen, die uns, die wir als Pilger hierherkamen, einen. Wir, die wir hier an demselben Ort vereint sind, wir, die wir die gegenwärtige Generation der Kirche bilden, für die Pfingsten schon Wirklichkeit geworden ist; wir sind vereint "mit Maria, der Mutter Jesu", und möchten bekunden, dass wir "an der Lehre der Apostel ... , an der Gemeinschaft und am Brechen des Brotes und an den Gebeten" festhalten (vgl. Apg 2, 42).
Wir sind gekommen "im Geist des Gebetes und der Buße" zu diesem Ort, den mein Vorgänger Paul VI., dessen wir in dankbarer Verehrung gedenken, schon mit seiner Gegenwart geehrt hatte. Wir sind gekommen zu diesem Ort, der geheiligt ist durch die Gebete und Opfer vieler Generationen von Pilgern. In der einen Haltung und in der einen Liebe sind wir gekommen, vor allem um zu danken und um das göttliche Erbarmen anzurufen: Wir wollen beten um die Treue zu Gott und um die Treue in Christus zu den Menschen, unseren Brüdern; wir wollen beten, dass Friede und Liebe herrschen im Schoß der Kirche unter denen, die sich als Christen bekennen, und in der großen Menschheitsfamilie.
In der frohen Erwartung, bei der morgigen Eucharistiefeier all das voll verwirklichen zu dürfen, lasst uns von diesem Augenblick an diese unsere Wallfahrt in der Eucharistie leben und uns Gott durch das Unbefleckte Herz Mariens in Bereitschaft und Danksagung darbringen. Lasst uns in Christus, dem Erlöser, Gott unsere Opfer darbringen und das Gebet der Sühne und Stellvertretung wiederholen: Herr, "Jesus, aus Liebe zu dir, zur Sühne für die Sünden und für die Bekehrung der Sünder".
Mögen morgen alle, nach diesen Stunden des Zwiegesprächs mit Christus, mit "dem Vater, der im Himmel ist", und mit Maria, unserer Mutter, erneuert durch den Heiligen Geist, "der uns gegeben ist", von dieser Pilgerfahrt voll Freude zurückkehren, Gott loben und die Beliebtheit des ganzen Volkes erlangen (vgl. Apg2, 47); derer, die nicht kommen konnten, und derer, die nicht kommen wollten, denen aber in gleicher Weise unser herzlicher Gruß, unser Wohlwollen und unser Gebet gelten.
7. Ihr wisst sicher, dass ich schon in meiner Jugend gern Wallfahrten gemacht habe. Und in meinen apostolischen Reisen als Nachfolger Petri - von Mexiko bis Äquatorialguinea - waren die Besuche der Marienwallfahrtsorte immer Höhepunkte meiner Begegnungen mit dem Volk Gottes, das auf dieser Erde verstreut ist, und mit allen unseren Brüdern und Schwestern in der großen Menschheitsfamilie. Jedesmallege ich alles, was ich im Dienst der heiligen Kirche Gutes getan haben mag oder was ich noch werde tun können, in die Hände der seligsten Jungfrau Maria. Und jedesmal bewegt mich dies so tief wie beim ersten Mal.
Jetzt schon möchte ich hier in diesem Fatima-Heiligtum in eurer aller Anwesenheit wiederholen: Totus Tuus - Dir, 0 Mutter, ganz zu eigen! Ich bitte Dich, bring mich selbst und alle diese Brüder und Schwestern dem Vater des Erbarmens als eine Gabe der Dankbarkeit dar und bedecke Du unsere Armut mit Deinem und Deines göttlichen Sohnes Verdienst. Mögen wir alle angenommen, gesegnet und in unseren guten Vorsätzen gestärkt werden, die wir Dir gleichsam als geistliches Blumengebinde schenken. Wir wollen Dein Wort, 0 Mutter, befolgen; "was er euch sagt, das tut!" (vgl. Joh 2,4).
Und nun, o unsere Herrin, gib uns Deinen mütterlichen Segen!
Donnerstag, den 13. Mai 1982
Ansprache an die portugiesischen Bischöfe in Fatima
Überschrieben: Kirchliche Einheit aufbauen, ohne Konflikte zu ignorieren
Hochwürdige und liebe Brüder im Bischofsamt!
1. Der Nachfolger Pe tri hat heute das Glück und die Freude, mit euch hier in Fatima, wo eure Bischofskonferenz ihre Vollversammlungen zu halten pflegt, zusammenzukommen. Diese Tatsache, die in sich sekundär ist, hat dennoch eine eigene Bedeutung: Die Tatsache, dass ich hier physisch unter euch bin, bringt konkret zum Ausdruck, dass ich geistig schon öfter hier war und von nun an jedesmal, wenn ihr euch an diesem Ort versammeln werdet, geistig in eurer Mitte sein werde.
Diese Stunde brüderlichen Zusammenseins mit euch im Rahmen meiner Wallfahrt nach Fatima und eines Pastoralbesuches in Portugal möchte ich dazu benutzen, um mit euch über einige Gesichtspunkte eurer Sendung als Hirten eures Volkes und als Bischofskonferenz nachzudenken. Wie ihr wisst, hat das Zweite Vatikanische Konzil die Bedeutung der Bischofskonferenzen als Elemente der Gemeinschaft und Ausdruck der brüderlichen Liebe des Episkopates unter sich in Unterordnung und in Einheit mit dem Nachfolger Petri neu ins Licht gestellt.
Und in dieser tiefen Einheit möchte ich euch heute hier mit dem Friedenskuss begrüßen, liebe Brüder. Ich grüße den Vorsitzenden, Herrn Bischof Manuel de Almeida Trindade, und jeden von euch Bischöfen, die ihr die Portugiesische Bischofskonferenz bildet.
Die in diesem Heiligtum besonders lebendige und erfahrbare Nähe Unserer Lieben Frau trägt dazu bei, unsere Zusammenkunft zu einem ausdrucksvollen Abbild jenes "Obergemaches" zu machen, in dem nach der Apostelgeschichte die Elf einmütig im Gebet verharrten mit Maria, der Mutter Jesu (vgl. Apg 1, 14), und wo aller Wahrscheinlichkeit nach am Pfingstmorgen Petrus und die anderen Apostel mit Maria beisammen waren.
Möge dieser kurze, aber intensive Augenblick, den wir hier "mit Maria" erleben, für uns alle und für die Kirche in Portugal ein wahres Pfingsten sein. Möge der Heilige Geist bei uns sein mit seinem Licht und seiner Kraft, der Geist des Vaters und des Sohnes.
2. Soweit ich durch Kontakte, die ich mit einigen von euch und mit euren Gläubigen in Rom hatte, die menschliche Wirklichkeit eures Landes kennenlernen konnte, haben einige Gesichtspunkte im Zusammenhang mit dem konkreten geschichtlichen Augenblick besonderen Eindruck bei mir hinterlassen.
Herausforderungen beantworten
Es handelt sich hier ohne Zweifel um einen Übergang. Wie bei allen Übergängen, vor allem wenn sie sehr rasch und tiefgehend verlaufen, haben wir es auch mit einem kulturellen Wandel zu tun. Dabei zeigen sich - teils getrennt, teils vermischt - Begeisterung und Unsicherheit, Mut und Angst, optimistische Offenheit der Zukunft gegenüber und das Bedürfnis, feste Werte der Vergangenheit zu bestätigen, wenn nicht zurückzugewinnen. Und dies, weil sehr oft solche Werte im Augenblick des Überschwangs geopfert werden.
In diesem Portugal, das ein modernes Land sein' möchte im Rahmen des Europas unseres Jahrhunderts, bewundere ich das eigenartige Zusammenspiel typisch traditioneller Momente, die in einer langen und traditionsreichen Geschichte wurzeln zusammen mit anderen Eigenschaften, die bedingt sind durch die Öffnung auf die Zukunft hin.
Was die Problematik der Pastoral angeht, die notwendigerweise von den Ereignissen in der Gesellschaft und auf politischer Ebene beeinfIußt wird, überrascht es mich nicht, dass im Portugal von heute neben einer tiefen Religiosität, von der die Menschenmassen, die ich jetzt in Fatima sehe, nur einen Teilaspekt bilden, die aber im Leben der Pfarreien in bestimmten Teilen des Landes noch stärker zum Ausdruck kommt, auch ein unverkennbares Zeichen dessen zu sehen ist, was ich zusammenfassend hier Säkularismus nennen möchte: Agnostizismus unter den Akademikern, Studenten und in breiten Kreisen der Jugend; eine gewisse Lebensauffassung oder ein gewisser Humanismus ohne Gott; große Probleme im Bereich der Familien, vor allem, was die Unauflöslichkeit der Ehe angeht; eine Aufweichung der Gewissen und der damit zusammenhängende Verfall der Sitten; das Streben nach Wohlstand um jeden Preis.
Die Kirche kann diese Tatsachen nicht einfach ignorieren, weil sie eine geistliche und religiöse, eine ethische und humane Dimension haben. Die Kirche besitzt Kriterien und Prinzipien, die sie zur Stellungnahme zwingen angesichts der vielen konkreten Probleme, die im Kontext dieses Umbruchs oder, genauer, dieses Wandels zutage kommen. Sie ist darum besorgt, von den Widersprüchen und Herausforderungen eines solchen Kontextes nicht überrollt zu werden. Sie versucht im Gegenteil, diese Herausforderungen deutlich zu machen und sie zu beantworten, bevor sie zu unlöslichen Problemen werden.
Geistige Strömungen kritisch überprüfen
3. In dieser Hinsicht haben die Hirten der Kirche eine Sendung von großer Bedeutung, die, aufgrund ihres bischöflichen Charismas und eines spezifischen göttlichen Auftrags, nur sie erfüllen können. Wenn sie sich dieser Aufgabe nicht stellen, wird niemand es an ihrer Statt tun.
Diese Aufgabe des Bischofs steht im inneren Zusammenhang mit seinem Hirtencharisma, einem der wichtigsten Charismen seines Amtes.
Wenn die Zeit nicht so kurz und das Programm nicht so ausgefüllt wäre, würde ich dem Wunsch nachgeben und gründlicher mit euch über dieses Charisma sprechen, das uns vom hl. Johannes im wunderbaren zehnten Kapitel seines Evangeliums beschrieben wird. In einem Gleichnis und seiner Erklärung spricht Jesus über den Hirten im Licht seines eigenen Auftrags als guter Hirt. Sehr viel wäre zu sagen über den Hirten, der die Schafe bei ihren Namen ruft; der sein Leben für sie hingibt; der sie gegen die Räuber oder gegen den Wolf verteidigt. Wir könnten zusammen einige der schönsten Seiten vom hl. Augustinus oder dem hl. Gregorius dem Großen lesen., in denen der erste das Hirtenamt als "officium amoris" (Liebesdienst) und der zweite im Hinblick auf die Seelsorge als "ars artium" (Kunst der Künste) bezeichnet.
Hier möchte ich nur eine der Aufgaben des Hirten herausstellen: die Leitung der Herde. Leiten heißt vorausgehen. Vorausgehen, um den Weg auszukundschaften: Um die Tiefe der Wasserströme zu ermessen, um Gefahren aufzusprüren, um das Vorwärtskommen zu sichern; vorausgehen, um die Richtung zu zeigen und zu vermeiden, dass man auf Irrwege gerät. Gerade in Zeiten der Unsicherheit und des Wandels ist dieser kostbare Dienst der Leiter unersetzlich, und gesegnet ist das Volk, das in seinen Bischöfen solche Führer findet.
Wenn die Bischöfe eines Landes durch die Gnade des Heiligen Geistes, durch die Tugend, durch die Gaben, die sie mit Eifer und Gebet gepflegt haben, und durch eine solide Ausbildung fähig sind, klar zu unterscheiden und die Zeichen der Zeit zu deuten, werden viele in ihnen den finden, der inmitten zweideutiger Wirklichkeiten die Situationen, Strömungen des Geistes und Ideologien kritisch überprüfen kann und so die Zweifel auf dem Weg beseitigt. Wenn sie nicht nur Führer, sondern auch Väter sind, werden sie imstande sein, neue, wenn auch schwierige Wege zu zeigen und ihre Herde zu ermutigen, diese einzuschlagen und die Anziehungskraft der leichteren, aber meist trügerischen Wege zu überwinden.
Die Kirche, vor allem die Kirche in Portugal und im besonderen der Teil, auf dem die Last des höchsten Hirtenamtes ruht, weiß, dass ihr portugiesischen Bischöfe euch eurer Sendung als Hirten und Führer bewusst seid. Zögert nicht, sie weiter auszuführen. Vor allen Dingen, wenn es darum geht, inmitten einer verwirrenden Vielfalt von möglichen Richtungen den sicheren Weg zu weisen.
In diesem Zusammenhang habe ich schon oft wiederholt, dass die Kirche nicht das Recht für sich in Anspruch nimmt, jemandem ihre Lehre aufzuzwingen, aber das Recht und die Pflicht hat, sie in Demut und Liebe anzubieten. Einen Gedanken aufnehmend, den Paul VI. in Evangelii nuntiandi aussprach, möchte ich sagen: Wenn wir, die Bischöfe, mutig den Weg der Kirche verkünden, können die, die unser Angebot nicht annehmen, weil sie es verachten oder weil sie voreingenommen sind, irren, aber unser Gewissen wird uns nichts vorzuwerfen haben. Wenn wir dagegen aus Müdigkeit oder Furcht, aus Menschenfurcht oder Unsicherheit gegenüber unseren eigenen Überzeugungen das, was wir für Wahrheit halten, anzubieten versäumen, und aus diesem Grund jemand das Evangelium und Christus nicht kennenlernt, wird dieser nicht in die Irre gehen, aber wir werden nicht ohne Schuld sein.
4. An einem gewissen Punkt trifft sich das Charisma des Hirten und Leiters mit dem des Erziehers im Glauben. Einen Menschen oder eine Gemeinschaft führen, einem Wandlungsprozess in der Ausführung des Bischofsamtes die Richtung geben bedeutet, zum Glauben zu erziehen. Je mehr ich den Glauben eures Volkes in mich aufnehme, vor allen Dingen den Glauben des einfachen Volkes, um so mehr bewundere ich diesen Glauben wegen der tief in der Tradition verankerten Seele dieses Volkes. Ich bewundere seine Spontaneität und Schlichtheit. Ich bewundere die konkreten Taten, die er auslöst, die Haltungen, die er in bezug auf Gott und seinen Sohn Jesus weckt, auf das Leid und den Tod, auf die anderen Menschen und die Ereignisse, auf die heutige Welt und die Zukunft. Auf der anderen Seite sehe ich, dass dieser Glaube gefährdet ist und, wie Paul VI. schon in Evangelii nuntiandi geschrieben hat, sogar von vielen schädlichen Kräften angegriffen wird, dass er in seiner Integrität, ja sogar in seiner Existenz bedroht ist; und das, weil aufgrund von geschichtlichen Gegebenheiten, die wir hier nicht untersuchen können, die Festigkeit dieses Glaubens nicht seiner Spontaneität entspricht und seine Tiefe nicht seiner Echtheit.
Eure erste Pflicht gegenüber dem Glauben eures Volkes ist, ihn anzuerkennen und zu schätzen; seine authentischen Ausdrucksformen zu respektieren; ihn zu verteidigen gegen die Kräfte, die ihn gefährden, ihn zu festigen; ihn von möglichen Elementen des Aberglaubens zu befreien und ihm einen tieferen theologischen Gehalt zu geben. Alles in allem, es ist eure Pflicht, diesen Glauben im Licht des Wortes Gottes und des Lehramtes der Kirche zu bilden, ihn durch eine wirkliche Katechese zu nähren. Ich erkenne die Mühen, die ihr in diesem Sinn auf euch genommen habt und immer auf euch nehmt, an, und ich möchte euch ermutigen, auf diesem Wege weiter voranzuschreiten, vor allen Dingen, was die Initiativen im Hinblick auf die christliche Bildung der Jugend und der Erwachsenen angeht.
Aber auch der Glaube der Söhne und Töchter dieses Landes, die eine Ausbildung auf dem Gebiet der Wissenschaften, der Technik und der Künste erhalten haben, ist nicht weniger bedroht; sie brauchen einen Glauben, der dem Niveau ihres menschlichen Wissens entspricht. Das um so mehr, als sie dank ihres geistigen Niveaus dazu berufen sind, verantwortungsvolle, einflussreiche und entscheidende Positionen in der Gesellschaft einzunehmen.
Die Forderungen und die Mittel, den Glauben zu vertiefen, sind im ersten und im zweiten Fall verschieden. Aber die Pflicht der Hirten bleibt die gleiche. Die Mühen, die ihr auf euch genommen habt und weiter auf euch nehmen werdet als Erzieher zum Glauben, damit diejenigen, die euch anvertraut sind, einen bewussteren und sichereren Glauben erlangen, damit dieser Glaube tiefer verwurzelt und nicht mehr so oberflächlich, damit er mehr engagiert und nicht so individualistisch ist, damit dieser Glaube sich mehr in Initiativen und weniger introvertiert ausdrückt, kommen nicht nur euren Gläubigen, sondern der ganzen Gesellschaft zugute. Das gilt besonders für viele eurer Christen, die in den verschiedensten Bereichen des gesellschaftlichen Lebens große Verantwortung tragen.
Der an sich richtige Gedanke, dass es nicht eure Sache als Bischöfe ist, technische, politische oder wirtschaftliche Beiträge zum sozialen Wandel eures Landes zu leisten, darf euch nicht lähmen. Seid sicher, dass ihr wenn ihr euer Amt ausübt und die Menschen und Gemeinschaften, die Gott euch anvertraut, im Glauben erzieht - Christen vorbereitet, die, innerlich umgewandelt, die Welt durch technische Lösungen umwandeln werden, die sie ihrer Rolle entsprechend der Gemeinschaft anbieten.
In diesem Sinn besitzt die Kirche und kündet sie einen Humanismus, der in der geoffenbarten Wahrheit verankert ist, eine Weltanschauung, die im Evangelium gründet, eine Wertskala, die vom Glauben erleuchtet ist. Fürchtet euch nicht und zögert nicht, euch all diesen Wahrheiten zu stellen. Seid gewiss, dass ihr als Erzieher im Glauben einen Dienst am Menschen leistet.
5. Hier soll nun auch ein anderer, sehr bedeutungsvoller Aspekt der Sendung der Bischöfe herausgestellt werden. Ich meine eure Aufgabe als Erzieher, Garanten und Bewahrer der kirchlichen Gemeinschaft.
Einige Hoffnungen
Der göttliche Meister hat in der Stunde des Abschieds von seinen Aposteln mit eindeutigen und eindringlichen Worten den theologischen und geistlichen Wert der Einheit der Kirche herausgestellt. Die Geschichte hat ihrerseits öfter gezeigt, dass die Kirche Trägerin eines großen Kräftepotentials ist und dass sie auf wunderbare Weise ihre Sendung erfüllt, wenn sie Zeugnis von der Einheit gibt; dass sie aber leider gelähmt bleibt, wenn ihr das Zeugnis der Einheit fehlt. In der dogmatischen Konstitution Lumen gentium beschreibt das Zweite Vatikanische Konzil sehr deutlich diese Dimension des kirchlichen Lebens, wenn es die Kirche definiert als Zeichen der Einheit der Menschen mit Gott und der Menschen untereinander, damit sie Samen, Prinzip und Sauerteig der Einheit im Schoß der Menschheit werden kann.
Eure Sendung als Bischöfe besteht darin, Prinzip und Zeichen dieser Einheit, ihre geduldigen und beharrlichen Bauleute zu sein.
Es ist offensichtlich, dass diese Einheit zuerst unter den Bischöfen und im Schoß der Bischofskonferenz existieren muss. Euer pastoraler Dienst setzt voraus, dass eine tiefe, feste Gemeinschaft unter euch herrscht. Fundamente dieser Gemeinschaft, stärkere Fundamente als alles, was sie zerstören könnte, sind der eine Herr, der euch berufen hat, die eine Wahrheit, der ihr dient, das eine Heil in Jesus Christus, das ihr verkündet, und die brüderliche Liebe, die euch in dieser Einheit zusammenhält. Möge dieses kollegiale Engagement in der Mitarbeit, von dem ihr so oft in der Vergangenheit Zeugnis gegeben habt, euch weiterhin motivieren, gemeinsam euren Dialog über Initiativen auf Lokal- und Nationalebene fortzuführen im Geist wahrer und verantwortungsvoller Gemeinschaft.
Im Schoß eurer Priesterkollegien muss sich der Aufbau dieser kirchlichen Gemeinschaft fortsetzen.
Die Konzilsdokumente stellen die alte Wahrheit des Priesterkollegiums, das bei der Leitung der Teilkirchen um den Bischof versammelt ist, in ein neues Licht. Wenn es die Konstituierung von Priesterräten empfiehlt und andere Arten der Zusammenarbeit nahelegt, möchte das Konzil, dass die Harmonie zwischen dem Bischof und seinen Priestern, welche die Liturgie und die Theologie immer in wunderbarer Weise zum Ausdruck gebracht haben, sich in konkrete Taten und Handlungen umsetzt.
Damit diese Gemeinschaft zugleich affektiv und effektiv sei, muss sie jeden Tag gesucht und gepflegt werden. Sie verlangt von beiden Seiten Anstrengung und nicht selten auch die Überwindung von Barrieren und Widerstand. Das klare und sichtbare Zeugnis dieser Gemeinschaft weckt die Einheit auf anderen Ebenen.
An zweiter Stelle denke ich an die Einheit, die ihr durch eure Priester unter den Gläubigen aufbauen müßt.
Viele Spannungen gefährden und verunsichern diese Einheit. Das Etikett "konservativ" oder "progressiv" und Entscheidungen für eine spirituelle Sicht der Kirche oder eine andere, die von größerem Engagement geprägt ist, oder die Vorliebe für diese oder jene kirchlichen Bewegungen: all das und noch viel schwerwiegendere Fragen werden nicht selten zum Anlaß tiefer Uneinigkeit in der kirchlichen Gemeinschaft. Nicht zu reden von der immer neuen Versuchung, es in der Kirche zu Oppositionen und Klassenkämpfen kommen zu lassen, wie sie sich zum großen Nachteil in der Gesellschaft entwickeln.
Es ist Pflicht der Bischöfe, in Einheit mit ihren Priestern nicht nur den Ursachen dieser Uneinigkeit abzuhelfen, sondern die einheitsfördernden Elemente zu stärken. Ihr wisst gut, dass der Aufbau der kirchlichen Einheit nicht darin besteht, Konflikte zu ignorieren oder ihre Tragweite nicht sehen zu wollen, die die Saat der Uneinigkeit sind. Der Aufbau der kirchlichen Einheit besteht darin, die einigenden Kräfte zu entdecken und zu fördern, den Sauerteig der Einheit zu schaffen und lebendig zu erhalten, damit die Dinge, die zur Einheit führen, zum guten Schluss stärker sind als solche, die die Trennung hervorrufen.
In dieser Hinsicht werden die Mühen eines Bischofs um den Aufbau der Einheit belohnt durch den Beweis dieser Einheit.
6. Ich möchte diese Überlegungen nicht schließen, ohne euch einige Hoffnungen anzuvertrauen in der Gewissheit, dass sie euren Erwartungen entsprechen und dass diese Begegnung dazu dienen wird, euch zu ermutigen, euch weiter für die Dinge einzusetzen, die ich jetzt in Erinnerung rufen möchte.
Das erste Feld ist das der Priester- und Ordensberufe.
Die Kirche hat sich daran gewöhnt, von eurem Land sehr viele Priester und Ordensleute zu erhalten, die verfügbar sind für den Dienst an der Kirche, sei es in eurer Heimat, sei es in der Mission anderer Länder.
Es wäre unsinnig, zu denken, dass Gott in Portugal und in anderen Ländern nicht mehr nach jungen, fähigen und hochherzigen Christen ruft, um sie zum Priesteramt oder zum Ordensleben zu führen. Es ist notwendig und sogar dringend, dass wir verstehen, diese Jugend anzusprechen, ihr ein anspruchsvolles Ideal anzubieten, eine klarumrissene Identität, ein Tätigkeitsfeld, das sie anregt, ihr ganzes Leben dafür hinzugeben. Mehr als irgend jemand sonst sind die Bischöfe dazu aufgerufen, an so viele Jugendliche wie möglich, die Einladung Jesu Christi weiterzugeben; ihnen kommt auch die nicht geringere Pflicht zu, dieser Jugend die entsprechenden Ausbildungsmöglichkeiten anzubieten, sie in ihrem Ideal zu unterstützen und ihnen das Leben in einer solchen Perspektive zu zeigen, dass sie sich dafür begeistern.
Schenkt weiterhin eure ganze Aufmerksamkeit der Katechese. Nur sie kann, wenn sie gut orientiert ist, was die Methode und den Inhalt angeht, eurem Volk die Möglichkeit schenken, im Glauben zu wachsen.
Ihr habt in den portugiesischen Bischöfen der älteren und jüngeren Vergangenheit vorbildliche Hirten, die die Erfordernisse der Katechese erkannt und sich eingesetzt haben, sie unter ihren Gläubigen zu fördern, die Sinn für ihre Zweckmäßigkeit hatten, die es verstanden, sorgfältig die Wahrheiten zu vermitteln und die eine pastorale Sensibilität besaßen in der Suche nach einer den Empfängern der Katechese angemessenen Ausdrucksweise. Als Symbol möchte ich die Gestalt des ehrwürdigen Fra Bartolomeu dos Martires in Erinnerung rufen, des großen Erzbischofs von Braga, einer Hauptfigur des Konzils von Trient, reich an Tugend und apostolischem Eifer.
7. Schließlich möchte ich meine pastorale Sorge für die Familie und ihre authentischen Werte mit euch teilen.
Ich bin mir bewusst, in einem Land zu sein, das im Lauf der Geschichte die Institution der Familie und ihre authentischen Werte immer für einen Grundpfeiler seiner Kultur gehalten hat. Es ist bekannt, dass im Mittelpunkt der Kultur, die Portugal über seine Grenzen hinaus bis in die neue Welt hinein, die es entdeckte, ausgestahlt hat, immer die Liebe und die Ehrfurcht vor den Werten der Familie gestanden hat.
Wie ich es im Apostolischen Schreiben Familiaris consortio betonen konnte, haben diese Werte nichts an Bedeutung für die Gegenwart verloren: Der Weg zu einem vollen und christlichen Humanismus geht notwendigerweise über sie; und die Vernachlässigung dieser Werte ist sicher eine der Wurzeln der schweren moralischen Krise, die uns alle beunruhigt.
Der Umbruch, den ich oben erwähnt habe und der charakteristisch ist für die augenblickliche geschichtliche Situation Portugals, berührt in der Hauptsache die Familie. Er fordert sie heraus, damit sie ihre wahren Werte anerkennt und bestätigt und auf die falschen verzichtet, die vielleicht in sie eingedrungen sind. Er berührt sie auch empfindlich in ihrem eigentlichen Wesen: in der interpersonellen Einheit, der Liebe als Hingabe der eigenen Person, als gegenseitige Hilfe, als Vergebung und Selbstüberwindung, in der Einheit, der Stetigkeit, der Treue und der Fruchtbarkeit dieser Liebe, der Intimität und der Hochherzigkeit, der Ehrfurcht und der Liebe in der Erziehung der Kinder usw.
Ich möchte euch dazu auffordern, der Familie in eurer Sorge als Hirten und Führer immer einen vorrangigen Platz einzuräumen. Setzt eure gemeinsamen Überlegungen fort, um die Situation der Familie in den verschiedenen sozialen Schichten dieses Landes klären zu können: die großen Werte, die sie besitzt, die Übel, die sie bedrohen, und die Hilfen, die sie braucht. Und mit der breiten Mitarbeit der verschiedenen kirchlichen Instanzen oder sogar der außerkirchlich zuständigen Instanzen geht daran, auf lange Sicht hin einen Plan auszuarbeiten, nicht nur zur Verteidigung und Rettung der Familie, sondern auch und vor allen Dingen zu ihrer positiven Förderung. Schließt in diese Familienpastoral alle Bereiche ein, von der Erziehung zur Liebe bis hin zur Hilfe, die den Familien zukommt, die in Krisen geraten, die mehr oder weniger tief und schwerwiegend sind.
Sichtbares Prinzip der Einheit
Ihr wisst, wenn ihr alles in dieser Beziehung schon Verwirklichte fortsetzt, leistet ihr der Kirche im Rahmen eurer spezifischen Sendung einen großen Dienst, denn die Familien sind ja ihre lebendigen Zellen; und indirekt wird euer Dienst in diesem Bereich auch der portugiesischen Gesellschaft zum Vorteil gereichen.
Hochwürdige und liebe Brüder!
Ich danke Gott, der mir in seiner Gnade die Gelegenheit dieser Begegnung mit euch geschenkt hat. Ich brauche euch nicht zu wiederholen, dass im Rahmen des Lebens und der Tätigkeit des Papstes die Augenblicke, die er mit seinen Brüdern im Bischofsamt verbringt, um mit ihnen über wesentliche Fragen des Lebens und der Tätigkeit der Kirche in wahrer, verantwortlicher Kollegialität nachzudenken, zu den intensivsten gehören. Der Papst kann nie vergessen, dass er in Lumen gentium als sichtbares Prinzip der Einheit bezeichnet wird unter der Hinzufügung, dass er dies vor allen Dingen im Hinblick auf die Bischöfe ist.
Darum möchte ich, nachdem ich Gott gedankt habe, auch euch danken, dass ihr diese Zusammenkunft gewünscht habt. Jedem von euch und der Ortskirche, die er repräsentiert: das Presbyterium eines jeden, seine Ordensleute, seine Familien und alle Menschen, die ihm anvertraut sind, grüße ich von Herzen und segne sie von Herzen im Herrn. Ich bitte Gott, dass er über euch wacht, über eure pastoralen Sorgen, eure Erfolge und eure Mühen. Möge Gott euch in eurer Arbeit beistehen und immer segnen.
Und möge von dieser Höhe von Fatima aus Unsere Liebe Frau euch beschützen mit ihrem mütterlichen Blick, wenn ihr im ganzen Land euch für das Reich ihres Sohnes einsetzt.
Predigt bei der feierlichen Messe in Fatima
Überschrieben: "Die Gottesmutter ist Mutter des Menschen geworden"
1. "Und von jener Stunde an nahm sie der Jünger zu sich" (Joh 19, 27). Mit diesen Worten schließt das Evangelium der heutigen Liturgie in Fatima. Der Name jenes Jüngers war Johannes. Gerade er, Johannes, Sohn des Zebedäus, Apostel und Evangelist, hörte vom Kreuz herab die Worte Christi: "Siehe, deine Mutter." Zuvor hatte Christus zu seiner Mutter gesagt: "Frau, siehe, dein Sohn."
Dies war ein wunderbares Testament. Beim Verlassen dieser Welt gab Jesus seiner Mutter einen Menschen, der für sie wie ein Sohn sein sollte: Johannes. Ihn vertraute er ihr an. Und infolge dieses Geschenkes und dieser Überantwortung wurde Maria die Mutter des Johannes. Die Gottesmutter ist Mutter des Menschen geworden.
Von jener Stunde an nahm Johannes sie zu sich und wurde der irdische Beschützer der Mutter seines Meisters; es ist ja Recht und Pflicht der Söhne, für ihre Mutter zu sorgen. Vor allem aber wurde Johannes durch den Willen Christi der Sohn der Gottesmutter. Ja, in Johannes wurde jeder Mensch zu ihrem Sohn.
2. "Er nahm sie zu sich", das kann auch bedeuten, wenn man es wörtlicher übersetzt: "in seine Wohnung." Ein besonderes Zeichen für die Mütterlichkeit Mariens den Menschen gegenüber sind die Orte, wo sie ihnen begegnet, die Häuser, in denen sie wohnt, Häuser, .in denen man eine besondere Nähe der Mutter spürt.
Solche Orte und Häuser gibt es in sehr großer Zahl. Und von ganz unterschiedlicher Art: von den kleinen Altären in den Wohnungen und den Kapellen an den Straßen, in denen das Antlitz der Gottesmutter aufleuchtet, bis zu den größeren Kapellen und Kirchen, die zu ihrer Ehre errichtet wurden. Einige Orte jedoch gibt es, an denen die Menschen besonders lebhaft an die Gegenwart der Mutter erinnert werden. Manchmal strahlen solche Orte ihr Licht in große Entfernungen aus und ziehen die Menschen von weither an. Ihr Ausstrahlungsbereich können eine Diözese sein, ein ganzes Land, manchmal auch mehrere Länder und sogar mehrere Kontinente. Das sind die marianischen Heiligtümer.
An all diesen Orten verwirklicht sich auf wunderbare Weise jenes einmalige Testament unseres gekreuzigten Herrn: Hier weiß sich der Mensch übergeben und überantwortet an Maria; dorthin eilt der Mensch, um mit ihr wie mit der eigenen Mutter zusammen zu sein; ihr öffnet der Mensch sein Herz und sagt ihr alles: "Er nimmt sie bei sich auf", d. h. mitten in seine Lebensprobleme, die zuweilen schwierig sein können - persönliche Probleme oder solche von anderen, Probleme der Familie, der Gesellschaft, der Völker, der ganzen Menschheit.
3. Ist es nicht so im Wallfahrtsort Lourdes im nahen Frankreich? Nicht genauso in J asna G6ra in Polen, dem Heiligtum meines Volkes, wo in diesem Jahr das 600jährige Jubiläum gefeiert wird? Es scheint, dass dort wie in so vielen anderen Marienheiligtümern in aller Welt besonders echt und kraftvoll die Worte der heutigen Liturgie widerhallen: "Du bist ... der Stolz unseres Volkes" (ldt 15, 9) und auch jene anderen: " .. .in der Not unseres Volkes ... hast du entschlossen den Untergang von uns abgewehrt, du bist vor unserem Gott auf geradem Weg gegangen" (ldt 13, 20).
Diese Worte erklingen in Fatima wie ein besonderes Echo auf die Erfahrungen nicht nur des portugiesischen Volkes, sondern auch zahlreicher anderer Völker und Nationen auf diesem Erdball. Ja sie sind sogar ein Echo der Erfahrung der gesamten heutigen Menschheit, der ganzen Menschheitsfamilie.
4. Ich bin heute hierhergekommen, weil genau am selben Tag des vergangenen Jahres auf dem Petersplatz in Rom das Attentat auf das Leben des Papstes geschehen ist, ein Ereignis, das auf geheimnisvolle Weise zusammentraf mit dem Jahrestag der ersten Erscheinung von Fatima, die am 13. Mai des Jahres 1917 stattfand.
Diese beiden Daten sind derart zusammengetroffen, dass ich glaube, darin einen besonderen Ruf zu diesem Besuch heute und hier zu erkennen. Und so bin ich nun hier. Ich bin gekommen, um der göttlichen Vorsehung an diesem Ort zu danken, den die Gottesmutter in so auffallender Weise erwählt zu haben scheint. "Misericordiae Domini, quia non sumus consumpti" - "Der Barmherzigkeit Gottes ist es zu danken, dass wir nicht dahingerafft wurden" (Klgl 3, 22, Vulgata), so rufe ich noch einmal mit den Worten des Propheten. Ich bin hierhergekommen, um vor allem die Ehre Gottes selbst zu preisen: "Gepriesen sei der Herr, unser Gott, der Himmel und Erde geschaffen", so rufe ich mit den Worten der heutigen Liturgie (Jdt 13, 18).
Und an den Schöpfer des Himmels und der Erde richte ich auch jenen besonderen Lobpreis, der sie selbst ist, die reine Mutter des menschgewordenen Wortes Gottes: "Meine Tochter, du bist von Gott, dem Allerhöchsten, mehr gesegnet als alle anderen Frauen auf der Erde ... Die Erinnerung an dein Vertrauen soll in Ewigkeit nicht aus den Herzen der Menschen entschwinden, die sich an die Macht Gottes erinnern. Gott möge dir ewigen Ruhm schenken und dich reich mit seinem Segen belohnen" (Jdt 13, 18-20).
Die Grundlage dieses Lobgesanges, den die Kirche in ihrer Freude hier wie an so vielen Orten der Erde emporsteigen läßt, liegt in der einmaligen Erwählung einer Tochter des Menschengeschlechtes zur Gottesmutter. Darum sei vor allem Gott selbst angebetet: Vater, Sohn und Heiliger Geist. Hochgepriesen und verehrt sei Maria, das Urbild der Kirche, als "Wohnstatt der Heiligsten Dreifaltigkeit".
5. Seit der Stunde, da Jesus, am Kreuze sterbend, zu Johannes sprach: "Siehe, deine Mutter", und seit dem Tage, da "der Jünger sie zu sich nahm", hat sich das Geheimnis der geistigen Mutterschaft Mariens in einer grenzenlosen Weite geschichtlich verwirklicht. Mutterschaft bedeutet Sorge für das Leben des Kindes. Wenn nun Maria die Mutter aller Menschen ist, dann ist ihre Sorge für das Leben des Menschen auf alle gerichtet. Die Sorge einer Mutter umfaßt den ganzen Menschen. Die Mutterschaft Mariens beginnt mit ihrer mütterlichen Sorge für ihren Sohn Jesus. Für ihn hat sie unter dem Kreuz Johannes angenommen und hat so jeden Menschen und den ganzen Menschen angenommen. Im Heiligen Geist umfängt Maria alle mit einer einzigartigen Sorge. Er ist es ja, wie wir im Credo bekennen, der "das Leben gibt". Er gibt die Fülle des Lebens, das zur Ewigkeit führt.
Die geistige Mutterschaft Mariens ist deshalb eine Teilhabe an der Kraft des Heiligen Geistes, an dem, der "das Leben gibt". Zugleich ist sie der demütige Dienst derer, die von sich sagt: "Siehe, ich bin die Magd des Herrn" (Lk 1, 38).
Im Lichte des Geheimnisses der geistigen Mutterschaft Mariens versuchen wir die außerordentliche Botschaft zu verstehen, die von Fatima aus mit dem 13. Mai 1917 in der Welt zu erschallen begann und über fünf Monate hin bis zum 13. Oktober desselben Jahres weiter zu hören war.
6. Die Kirche hat immer gelehrt und verkündigt es noch, dass die Offenbarung ihre Vollendung gefunden hat in J esus Christus, der ihre Erfüllung ist, und dass "keine neue öffentliche Offenbarung mehr zu erwarten ist vor der Erscheinung unseres HerrnJ esus Christus in Herrlichkeit" (Zweites VatikanischesKonzil, Dogm. Konst. über die göttliche Offenbarung, Nr. 4). Darum wertet und beurteilt die Kirche Privatoffenbarungen nach dem Maß ihrer Übereinstimmung mit jener einen öffentlichen Offenbarung.
Wenn die Kirche die Botschaft von Fatima angenommen hat, dann vor allem darum, weil sie eine Wahrheit und einen Ruf enthält, die in ihrem wesentlichen Inhalt die Wahrheit und der Ruf des Evangeliums selbst sind.
"Kehrt um, (tut Buße) und glaubt an das Evangelium!" (Mk 1, 15): Das sind die ersten Worte des Messias, die er an die Menschheit richtet. Die Botschaft von Fatima ist in ihrem wesentlichen Kern der Ruf zur Umkehr und Buße, wie im Evangelium. Dieser Ruf ist zu Beginn des 20. Jahrhunderts ergangen; er richtet sich darum in besonderer Weise an dieses Jahrhundert. Die Hohe Frau dieser Botschaft liest gleichsam die "Zeichen der Zeit" mit besonderer Eindringlichkeit, die Zeichen unserer Zeit! Der Ruf zur Buße ist mütterlich sanft und zugleich stark und bestimmt. Die Liebe, die sich "an der Wahrheit freut" (vgl. 1 Kor 13,6), versteht es, klar und entschieden zu sein. Der Ruf zur Buße verbindet sich wie immer mit dem Ruf zum Gebet. In Übereinstimmung mit der Tradition vieler Jahrhunderte weist die Frau der Botschaft von Fatima auf den Rosenkranz hin, den man zu Recht "das Gebet Mariens" nennen kann: das Gebet, durch das sie sich in vorzüglicher Weise mit uns verbunden fühlt. Sie selbst betet mit uns. Dieses Gebet umfaßt die Probleme der Kirche, auch die des Hl. Stuhls, die Probleme der ganzen Welt. Ferner wird an die Sünder erinnert, damit sie sich bekehren und gerettet werden, sowie an die Seelen der Verstorbenen im Fegfeuer.
Die Worte der Botschaft richteten sich damals an Kinder im Alter von 7 bis 10 Jahren. Kinder, wie auch Bernadette von Lourdes, sind bei diesen Erscheinungen der Gottesmutter besonders bevorzugt. Daraus erklärt sich auch, dass ihre Sprache einfach ist, nach dem Maß der Auffassungskraft jener Kinder. Die Kinder von Fatima sind die Gesprächspartner der Frau der Botschaft geworden und sogar ihre Helfer. Eines von ihnen lebt noch heute.
7. Mit den Worten am Kreuz: "Frau, sieh, dein Sohn" öffnet Jesus in neuer Weise das unbefleckte Herz seiner Mutter und offenbart ihr die neue Dimension und Tragweite der Liebe, zu der sie im Heiligen Geist durch die Kraft des Kreuzesopfers berufen war.
Die Worte von Fatima klingen wie ein Echo dieser Dimension der mütterlichen Liebe, die mit ihrem Schein den ganzen Weg des Menschen zu Gott umfängt: den Weg hier auf Erden und den Weg, der durch den Ort der Läuterung über die Erde hinausführt. Die Sorge der Mutter des Heilandes ist die Sorge um das Heilswerk, um das Werk ihres Sohnes, ist die Sorge um das Heil, das ewige Heil aller Menschen. 65 Jahre nach jenem 13. Mai 1917 kann man schwerlich übersehen, dass diese Heilsliebe der Mutter in besonderer Weise unserem Jahrhundert gilt.
Im Licht der mütterlichen Liebe verstehen wir die ganze Botschaft der Frau von Fatima. Was sich dem Weg des Menschen zu Gott direkt entgegenstellt, ist die Sünde, das Verharren in der Sünde und schließlich die Leugnung Gottes; die geplante Streichung Gottes aus der Gedankenwelt des Menschen, die Abtrennung aller irdischen Tätigkeit von ihm, die Zurückweisung Gottes von seiten des Menschen.
Das ewige Heil des Menschen ist jedoch nur in Gott zu finden. Die Zurückweisung Gottes durch den Menschen führt, wenn sie endgültig wird, notwendig zur Zurückweisung des Menschen durch Gott (vgl. Mt7, 23; 10, 33), zur Verdammung.
Kann die Mutter, die mit der ganzen Kraft ihrer vom Heiligen Geist genährten Liebe das Heil eines jeden ersehnt, zu dem, was dieses Heil von Grund auf gefährdet, schweigen? Nein! Sie kann nicht schweigen! Deshalb ist die mütterliche Botschaft der Frau von Fatima zugleich so kraftvoll und entschieden. Sie wirkt streng - wie die Predigt Johannes des Täufers am Jordan. Sie ruft und mahnt: zur Buße, zum Gebet, zum Rosenkranz.
Diese Botschaft wendet sich an jeden Menschen. Die Liebe der Mutter des Heilandes reicht so weit wie das Heilswerk. Sie bemüht sich um alle Menschen unserer Zeit und zugleich um die Gesellschaft, die Nationen, die Völker, um die von Glaubensabfall und sittlichem Verfall bedrohte Gesellschaft. Der Zusammenbruch der Sittlichkeit führt aber zum Niedergang der Gesellschaft.
8. Christus sagte am Kreuz: "Frau, siehe, dein Sohn." Mit diesem Wort eröffnete er in neuer Weise das Herz seiner Mutter. Wenig später durchbohrte die Lanze des Soldaten die Seite des Gekreuzigten. Dieses durchbohrte Herz wurde Zeichen der im Tod des Lammes geschehenen Erlösung.
Das unbefleckte Herz Mariens, das durch die Worte "Frau, siehe, dein Sohn" geöffnet wurde, steht in geistlicher Verbindung zum Herzen des Sohnes, das von der Lanze des Soldaten geöffnet wurde. Das Herz Mariens ist von derselben Liebe zum Menschen und zur Welt geöffnet worden, mit welcher Christus den Menschen und die Welt geliebt hat und sich am Kreuz dahingab bis zum Lanzenstoß des Soldaten.
Die Welt dem unbefleckten Herzen Mariens weihen heißt, dass wir uns mit der Fürsprache dieser Mutter dem Lebensquell selber nahen, der auf Golgatha entsprang. Aus dieser Quelle sprudelt ununterbrochen Erlösung und Gnade. Andauernd geschieht in ihr Genugtuung für die Sünden der Welt. Andauernd ist sie Ursprung neuen Lebens und neuer Heiligkeit. Die Welt dem unbefleckten Herzen der Mutter weihen heißt, sich wieder unter das Kreuz ihres Sohnes stellen, ja diese Welt dem durchbohrten Herzen des Heilandes weihen, sie wieder zur Quelle der Erlösung bringen. Die Erlösung ist immer größer als die Sünde des Menschen und die "Sünde der Welt". Die Macht der Erlösung übersteigt unendlich alle Formen des Bösen im Menschen und in der Welt.
Das Herz der Mutter weiß darum wie sonst keines im ganzen Kosmos, dem sichtbaren und dem unsichtbaren. Und deshalb ruft sie! Und zwar nicht nur zur Umkehr; sie ruft, dass wir uns von ihr, der Mutter, helfen lassen bei der Rückkehr zur Quelle der Erlösung.
9. Sich Maria weihen heißt, sich von ihr helfen lassen bei der Überantwortung seiner selbst und der Menschheit, an Ihn, der heilig ist, unendlich heilig; das heißt, sich helfen lassen von ihr, deren Mutterherz unter dem Kreuz für die Liebe zu jedem Menschen, zur ganzen Welt geöffnet wurde; sich helfen lassen, die Welt, den Menschen, die Menschheit, alle Völker dem unendlich Heiligen darzubringen. Die Heiligkeit Gottes wurde offenbar in der Erlösung des Menschen, der Völker, der ganzen Welt; und diese Erlösung geschah durch das Opfer am Kreuz. "Für sie heilige ich mich", hatte Jesus gesagt (Joh 17, 19). Durch die Macht der Erlösung wurden Welt und Mensch geheiligt, dem unendlich Heiligen geweiht. Sie wurden der erbarmenden Liebe selbst dargebracht und anvertraut.
Die Mutter Christi lädt uns nachdrücklich ein, uns in dieser Weihe der Welt mit der Kirche des lebendigen Gottes zu verbinden in jener Überantwortung, durch welche die Welt, die Menschheit, die Völker, jeder einzelne in der Kraft der Erlösungstat Christi dem ewigen Vater dargebracht werden - im durchbohrten Herzen des gekreuzigten Erlösers. Die Mutter des Erlösers mahnt und verhilft zu diesem Mitvollzug der Weihe, der Überantwortung der Welt, der uns dem durchbohrten Herzen des Gekreuzigten aufs innigste verbindet.
10. Der Weckruf von Fatima ist inhaltlich im Evangelium und in der ganzen Tradition so tief verwurzelt, dass sich die Kirche dieser Botschaft verpflichtet fühlt. Ihre Antwort gab der Diener Gottes Pius XII. (dessen Bischofsweihe genau am 13. Mai 1917 stattfand), als er die Menschheit und besonders die Völker Rußlands dem unbefleckten Herzen Mariens weihte. Hat er damit nicht die rechte Antwort auf den im Evangelium gründenden Ruf von Fatima gegeben?
Das Zweite Vatikanische Konzil hat in der Dogmatischen Konstitution über die Kirche (Lumen gentium) und in der Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute (Gaudium et spes) ausführlich die Gründe für die Beziehung erörtert, die die Kirche mit der Welt von heute verbindet. Zugleich ist seine Lehre über die besondere Gegenwart Mariens im Geheimnis Christi und der Kirche in jenem Akt zur vollen Entfaltung gelangt, mit dem Paul VI. Maria auch "Mutter der Kirche" genannt hat und dadurch auf tiefste Weise den Charakter ihrer Einheit mit der Kirche und ihrer Sorge für die Welt, für die Menschheit, für jeden Menschen und für alle Nationen aufgezeigt hat, nämlich ihre Mutterschaft. In dieser Weise ist das Verständnis für den Sinn der Weihe noch vertieft worden, welche die Kirche vollziehen soll, indem sie zum Herzen der Mutter Christi und unserer Mutter ihre Zuflucht nimmt.
11. Wie tritt heute Johannes Paul II., der Nachfolger Petri, der das Werk von Pius, Johannes, Paul fortsetzt und besonderer Erbe des Zweiten Vatikanischen Konzils ist, vor die Mutter des Sohnes Gottes in ihrem Heiligtum in Fatima?
Er tritt vor sie hin, indem er noch einmal mit Bangen jenen mütterlichen Ruf zur Buße und Umkehr liest: jenen eindringlichen Ruf des Herzens Mariens, der vor 65 Jahren in Fatima erklungen ist. In der Tat, er liest ihn mit bangem Herzen, weil er sieht, wie viele Menschen und Gesellschaftsgruppen, wie viele Christen in die entgegengesetzte Richtung gegangen sind, als sie ihnen von der Botschaft von Fatima angegeben worden ist. Ein solch starkes Bürgerrecht hat die Sünde in der Welt gefunden, und so weit hat sich die Leugnung Gottes in den Ideologien, Auffassungen und Programmen der Menschen ausgebreitet!
Aber gerade deswegen ist die Einladung zu Buße und Umkehr im Geist des Evangeliums, die durch die Worte Mariens an uns gerichtet worden ist, immer aktuell. Heute noch aktueller als vor 65 Jahren und dazu noch dringlicher. Deswegen wird dies auch das Thema der nächsten Bischofssynode im kommenden Jahr sein, auf die wir uns schon vorbereiten. Der Nachfolger Petri tritt auch auf als Zeuge der ungeheuren Leiden der Menschen, als Zeuge der fast apokalyptischen Bedrohungen, die über den Nationen und über der Menschheit lasten. Diese Leiden sucht er mit seinem eigenen schwachen menschlichen Herzen zu umfangen, während er dem Geheimnis des Herzens Mariens, des unbefleckten Herzens Mariens, gegenübertritt. Im Namen dieser Leiden und eingedenk des Bösen, das sich in der Welt ausbreitet und den Menschen, die Nationen, die Menschheit bedroht, kommt der Nachfolger Petri hierher mit einem um so größeren Glauben in die Erlösung der Welt, in die Liebe des Erlösers, die immer stärker, immer mächtiger ist als alles Böse.
Wenn das Herz sich zusammen krampft wegen der Sünde in der Welt und der Vielfalt der Bedrohungen, die sich über der Menschheit zusammenballen, so weitet sich dasselbe menschliche Herz andererseits in der Hoffnung, wenn wir noch einmal vollziehen, was schon meine Vorgänger getan haben: nämlich die Welt dem Herzen der Mutter weihen, ihr besonders jene Völker weihen, die dessen vor allem bedürfen. Dieser Akt will besagen: die Welt demjenigen zu weihen, der unendlich heilig ist. Diese Heiligkeit bedeutet Erlösung, bedeutet Liebe, die stärker ist als das Böse. Keine "Sünde der Welt" kann jemals diese Liebe überwinden. Ein weiteres Mal soll dies geschehen. Denn der Ruf Mariens gilt nicht nur für ein einziges Mal. Er bezieht sich auch auf die neuen Generationen entsprechend den immer neuen "Zeichen der Zeit". Man muss stets darauf zurückkehren. Man muss diesen Ruf immer wieder von neuem aufgreifen.
12. Der Verfasser der Geheimen Offenbarung schrieb: "Ich sah die Heilige Stadt, das neue Jerusalem, von Gott her aus dem Himmel herabkommen; sie war bereit wie ein Braut, die sich für ihren Mann geschmückt hat. Da hörte ich eine laute Stimme vom Thron her rufen: Seht das Zelt Gottes unter den Menschen! Er wird in ihrer Mitte wohnen, und sie werden sein Volk sein; und Gott selbst wird mit ihnen sein" (Offb 21, 2 ff.).
Aus diesem Glauben lebt die Kirche. Mit diesem Glauben wandert das Gottesvolk. "Das Zelt Gottes unter den Menschen" befindet sich schon auf der Erde. In ihm findet sich das Herz der Braut und der Mutter Maria, geschmückt mit dem Juwel der unbefleckten Empfängnis: das Herz der Braut und Mutter, das unter dem Kreuz durch das Wort des Sohnes für eine neue große Liebe zum Menschen und zur Welt geöffnet worden ist; das Herz der Braut und Mutter, das um alle Leiden der Menschen und der Gesellschaft in dieser Welt weiß.
Das Volk Gottes ist auf Pilgerschaft auf den Straßen dieser Welt in Richtung auf die Endzeit. Es pilgert nach dem ewigen Jerusalem, zum "Zelt Gottes unter den Menschen". Dort "wird (Gott) jede Träne aus ihren Augen wischen: Der Tod wird nicht mehr sein, nicht Trauer noch Klage noch Mühsal. Denn die alte Welt ist vergangen" (Offb 21, 4). Jetzt aber dauert "die alte Welt" noch fort. Gerade sie bildet den zeitlichen Raum für unsere Pilgerschaft. Deswegen schauen wir auf den, "der auf dem Thron sitzt und spricht: Siehe, ich mache alles neu" (vgl. ebd., Vers 5).
Zusammen mit dem Evangelisten und Apostel suchen wir mit den Augen des Glaubens "den neuen Himmel und die neue Erde" zu sehen, da der frühere Himmel und die frühere Erde schon vergangen sind.
Dennoch bestehen "der Himmel von früher und die Erde von früher" um uns und in uns auch noch weiter. Wir können das nicht ignorieren. Dies läßt uns erkennen, welch immense Gnade dem Menschen gegeben worden ist, als inmitten dieser Pilgerschaft am Horizont des Glaubens in unserer Zeit dieses "große Zeichen: eine Frau" (vgl. Offb 12, 1), aufgeleuchtet ist.
In der Tat, zu Recht können wir wiederholen: "Gesegnet bis du, Tochter, vor dem höchsten Gott mehr als alle Frauen, die auf Erden leben! ... durch dein rechtes Verhalten vor unserem Gott ... hast du unseren Sturz überwunden" (Jdt 13, 18-20).
Du bist wahrhaft gesegnet!
Hier und in der ganzen Kirche, im Herzen eines jeden Menschen und in der ganzen Welt: Sei gepriesen, o Maria, unsere liebe Mutter!
Weiheakt an die Gottesmutter in Fatima
Überschrieben: "Umfange unsere Welt mit Deiner mütterlichen Liebe"
1. "Unter Deinen Schutz und Schirm fliehen wir, o heilige Gottesmutter!"
Mit den Worten dieses Gebetes auf den Lippen, mit denen sich die Kirche Christi seit Jahrhunderten an Dich wendet, knie ich heute an diesem Ort, den Du, Mutter, erwählt hast und in besonderer Weise liebst.
Dabei weiß ich mich mit allen Oberhirten der Kirche durch jenes besondere Band geeint, durch das wir eine Körperschaft und ein Kollegium bilden, so wie Christus die Apostel mit Petrus geeint sehen wollte.
In solcher Einheit verbunden, spreche ich die Worte dieses Weihe aktes, in den ich noch einmal die Hoffnungen und Ängste der Kirche in der Welt von heute einschließen möchte.
Vor vierzig Jahren und zehn Jahre danach hat Dein Diener, Papst Pius XII., angesichts der schmerzlichen Erfahrungen der Menschheitsfamilie die ganze Welt und vor allem jene Völker, denen Deine besondere Liebe und Sorge galt, Deinem unbefleckten Herzen anvertraut und geweiht.
Diese Welt der Menschen und Völker habe auch ich heute vor Augen, da ich die Überantwortung und Weihe, die von meinem Vorgänger auf dem Stuhl Petri vollzogen wurde, erneuern möchte: die Welt des zweiten Jahrtausends, das sich seinem Ende zuneigt, die Welt unserer Zeit, unsere heutige Welt! Der Worte des Herrn eingedenk: "Geht zu allenVölkern und macht alle Menschen zu meinen Jüngern ... Seid gewiss: Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt" (Mt 28, 19-20), ist sich die Kirche auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil ihrer Sendung in dieser Welt neu bewusst geworden.
Darum, o Mutter der Menschen und Völker, die Du "alle ihre Leiden und Hoffnungen kennst" und mit mütterlichem Herzen an allen Kämpfen zwischen Gut und Böse, zwischen Licht und Finsternis, Anteil nimmst, die unsere heutige Welt erschüttern, höre unser Rufen, das wir unter dem Antrieb des Heiligen Geistes direkt an Dein Herz richten, und umfange mit Deiner mütterlichen und dienenden Liebe diese unsere Welt, die wir Dir anvertrauen und weihen, erfüllt von Sorge um das irdische Heil der Menschen und Völker. Vor allem überantworten und weihen wir Dir jene Menschen und Völker, die dieser Überantwortung und Weihe besonders bedürfen.
"Unter Deinen Schutz und Schirm fliehen wir, o heilige Gottesmutter!" Verschmähe nicht unser Gebet in unseren Nöten! Verschmähe es nicht! Nimm an den Akt unseres demütigen Vertrauens und unserer Überantwortung!
2. "Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat" (Joh 3, 16). Diese Liebe hat bewirkt, dass der Gottessohn sich selbst geweiht hat: "Für sie heilige ich mich, damit auch sie in der Wahrheit geheiligt sind" (Joh 17, 19). Kraft dieser Weihe sind die Jünger aller Zeiten dazu berufen, sich für die Rettung der Welt einzusetzen und für den Leib Christi, die Kirche, zu ergänzen, was an seinen Leiden noch fehlt (vgl. 2 Kor 12, 15; Kol1, 24).
Vor Dir, Mutter Christi, vor Deinem unbefleckten Herzen, möchte ich mich heute zusammen mit der ganzen Kirche unserem Erlöser in dieser seiner Heiligung für die Welt und die Menschen verbinden; nur in seinem göttlichen Herzen findet ja solche Heiligung die Kraft, Verzeihung zu erlangen und Sühne zu leisten.
Die Kraft dieser Weihe dauert durch alle Zeiten und erreicht alle Menschen, Völker, Nationen; sie überwindet alles Böse, welches der Fürst der Finsternis im Herzen des Menschen und in seiner Geschichte wecken kann und in unseren Zeiten auch tatsächlich weckt.
Mit dieser Weihe unseres Erlösers verbindet sich durch den Dienst des Nachfolgers Pe tri die Kirche, der mystische Leib Christi. Wie notwendig ist doch diese in Einheit mit Christus vollzogene Weihe für die Menschheit und für die W~lt, für unsere heutige Welt! Die Erlösungstat Christi muss ja von der Welt mitvollzogen werden durch die Kirche.
Wie weh tut uns alles, was sich in der Kirche und in jedem von uns der Heiligkeit und der Weihe entgegenstellt! Wie weh tut es uns, dass die Einladung zu Buße, Umkehr und Gebet nicht jene Aufnahme fand, die ihr zukam! Wie weh tut es uns, dass viele so halbherzig die Erlösungstat Christi mitvollziehen! Daß unser irdisches Leben so ungenügend ergänzt, "was an den Leiden Christi noch fehlt" (J Kol1, 24)!
Selig all jene, die dem Ruf der ewigen Liebe Folge leisten! Selig jene, die in nimmermüder Hochherzigkeit sich Tag für Tag von Dir, 0 Mutter, bewegen lassen, zu tun, was Dein Jesus sagt (vgl. Joh 2,5) und Kirche und Welt das zuversichtliche Zeugnis eines Lebens geben, das sich am Evangelium ausrichtet.
Selig über alles Du, Magd des Herrn, die dem göttlichen Anruf in vollkommenster Weise folgt! Sei gegrüßt, die Du der erlösenden Weihe Deines Sohnes Dich ganz verbindest!
Mutter der Kirche! Erleuchte das Volk Gottes auf den Wegen des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe! Hilf uns, die Wahrheit der Weihe Christi für die gesamte Menschheitsfamilie und die heutige Welt in ihrer ganzen Fülle zu leben!
3. Wenn wir Dir, 0 Mutter, die Welt, alle Menschen und alle Völker, anvertrauen, so vertrauen wir Dir dabei auch diese unsere Weihe für die Welt an und legen sie in Dein mütterliches Herz.
O unbeflecktes Herz, hilf uns, die Gefahr des Bösen zu überwinden, das sich so leicht in den Herzen der heutigen Menschen einnistet und dessen unvorstellbare Auswirkungen über unserer Gegenwart lasten und den Weg in die Zukunft zu versperren scheinen.
Von Hunger und Krieg: befreie uns!
Von Atomkrieg, unkontrollierbarer Selbstzerstörung und jeder Art des Krieges: befreie uns!
Von den Sünden gegen das Leben des Menschen von seinen Anfängen an: befreie uns!
Vom Haß und von der Missachtung der Würde der Söhne und Töchter Gottes: befreie uns!
Von jeder Ungerechtigkeit im sozialen, nationalen und internationalen Leben: befreie uns!
Von leichtfertiger Übertretung der Gebote Gottes: befreie uns!
Vom Versuch, in den Herzen der Menschen die Wahrheit Gottes zu ersticken: befreie uns!
Von den Sünden gegen den Heiligen Geist: befreie uns, befreie uns! Höre, Mutter Christi, diesen Hilfeschrei, in welchem die Not aller Menschen zu Dir ruft, die Not ganzer Völker!
Noch einmal zeige sich in der Geschichte der Welt die unendliche Macht der erbarmenden Liebe. dass sie dem Bösen Einhalt gebiete! dass sie die Gewissen wandle! In Deinem unbefleckten Herzen offenbare sich allen das Licht der Hoffnung!
Ansprache an die Priester, Ordensleute und Seminaristen in Fatima
Überschrieben: "In einer Epoche wahren Säkularismus"
Liebe Priester, Brüder und Schwestern!
1. Gnade sei mit euch, Barmherzigkeit und Friede in der Wahrheit und in der Liebe des Heiligen Geistes, der uns gegeben ist (vgl. 1 Thess 1, 1; Röm 5,4). Diese Worte des hl. Paulus bringen die Wünsche zum Ausdruck, die ich an diesem Nachmittag bei dieser Begegnung an euch richten möchte; in diesem Augenblick, der für mich und sicher auch für euch sehr bedeutungsvoll ist. Es ist mir eine große Freude, es ist schön, mit euch Priestern, Ordensleuten und Seminaristen von Portugal - zusammenzukommen, euch begrüßen und das Wort an euch richten zu dürfen.
Jede Begegnung mit gottgeweihten Menschen oder mit Menschen, die sich auf die Ganzhingabe an Gott vorbereiten, erfüllt mich mit Freude, Dankbarkeit und Hoffnung; es ist, als würde ich jedesmal eine einmalige und sehr tiefe Begegnung mit Menschen, die mir sehr nahe stehen, erfahren. Auch ich bin Priester durch die Gnade Jesu Christi; und täglich wächst meine Liebe und Hochschätzung für das Priestertum und das gottgeweihte Leben, für das, was sie für die Sendung, das Leben und den Schatz der Kirche, des mystischen Leibes des Herrn, bedeuten. Der Papst liebt euch alle im Herrn!
Der mütterliche und liebevolle Blick Mariens umfängt uns, die wir in diesem brüderlichen Einklang der Herzen für das ganze Leben verbunden sind und hier in gewisser Weise die geheimnisvolle Wirklichkeit erleben, "Leib" unserer Kirche zu sein. Hier in Fatima, an diesem Ort, an dem die Mutter Jesu so geliebt und verehrt wird, grüße ich sie von Herzen, und ich fordere euch alle auf, ihr leuchtendes Vorbild zu betrachten. Als der "ältere Bruder" erbitte ich im Namen aller ihren mütterlichen Segen und wiederhole: ,;Mutter der Barmherzigkeit, zeige uns Jesus, die gebenedeite Frucht Deines Leibes."
Mit ihrem Segen und unter ihrem Schutz erheben wir vertrauensvoll unsere Herzen zu Gott, unserem Vater, um ihm zu danken und ihn zu loben: weil er uns liebt und weil er uns zuerst geliebt hat (vgl. 1 Joh 4, 10); nicht wir und nicht unsere Eltern haben die Initiative ergriffen, haben entschieden, dass wir geschaffen und getauft wurden, dass wir der Kirche eingegliedert wurden. Die Initiative ist ausgegangen von der "Urliebe", dem ursprungslosen Ursprung, aus dem der Sohn gezeugt wird und der Heilige Geist durch den Sohn hervorgeht. Ja, es war unverdiente Initiative des übergroßen Erbarmens und der Güte Gottes, des Vaters, dass wir aus freien Stücken geschaffen und überdies gnadenhaft berufen wurden, Anteil zu haben an seinem Leben und an seiner Herrlichkeit in dieser Gemeinschaft der Kirche, die die unsere ist (vgl. Ad gentes, Nr. 2). Gepriesen sei der Herr!
2. Und nun, weil unsere Herzen sich Gott zugewandt haben, wenden wir unseren Blick nochmals hin zur Mutter. Stellen wir uns vor, welche liebevolle und segensreiche Antwort sie uns gibt: "Jesus Christus? Du kannst ihn in seinen Zeichen entdecken. Und es gibt viele solcher Zeichen!" Und in diesem Augenblick wird vielleicht sie, Maria - zu meiner Beschämung -, hinzufügen: "Das Zeichen ist der Papst. Geh über seine Person hinaus, denn er leiht sie ihm nur: J esus Christus." Mit diesem Bild möchte ich in aller Schlichtheit zum Ausdruck bringen, wie tief ich meine Grenzen empfinde und zugleich wie sehr ich mich Christus und euch gegenüber verantwortlich fühle.
Ich denke jetzt an die Augenblicke, die der Herr in Vertrautheit mit "den Seinen" verbrachte, mit jenen, die er nicht mehr "Knechte, sondern Freunde" (vgl. Joh 15, 14) nannte; denen er seine Geheimnisse anvertraute und für die er sein Herz öffnete: denen er sein Mitleid mit den Volksscharen anvertraute, die waren wie "die Schafe, die keinen Hirten haben" (Mt 9, 36), wie die Ernte, für die es nur "wenige Arbeiter" gibt (ebd. Vers 37); denen er die Voraussetzungen des Ja zu dieser Arbeit beschrieb - nicht materielle Sicherheit (vgl. Mt 10, 9), nicht persönliche Fähigkeiten (vgl. ebd. Vers 20), nicht einfach guter Wille (vgl. Joh 15,14), aber die Bereitschaft, die aus einem einfachen Herzen quillt, das Vertrauen auf Gottes Kraft (vgl. Mt 10, 16) voll von Furcht und Mut (vgl. ebd. Vers 27). Ja, zu seinen Freunden sprach Jesus offen und über das, was sie interessierte.
Und genau das möchte der Papst heute tun, ohne etwas anderes sein zu wollen als "Zeichen", als euer aller großer Freund.
3. Ihr Priester und Ordensleute habt in Hochherzigkeit euer Leben dem Dienst des Evangeliums geweiht. Ihr seid "erwählt" (Joh 15, 16); und heute seid ihr die, die Gott gerufen hat; euch hat er die wunderbare Gabe dieser besonderen Berufung anvertraut für seine ganze Kirche, damit ihr hingeht und Frucht bringt, eine Frucht, die bleibt (vgl. ebd.). Ihr seid Gottesgabe an die Kirche von Portugal. Ich freue mich mit euch und ich danke Gott für eure hochherzige Präsenz auf diesem ständig reifendem Feld, für eure Mitarbeit im Dienst und in der Verkündigung der Frohbotschaft.
Ihr könnt sicher sein, Gott kennt gut eure Schwierigkeiten, das Ertragen der "Last der Arbeit" und der "Hitze" über den ganzen Tag (Mt20, 12); und er ist treu, er wird es nie an der notwendigen Gnade der Beharrlichkeit fehlen lassen, damit ihr der Berufung eure stets frohe Antwort geben könnt. Und ich bin sicher, dass euch nie die Hochherzigkeit und Bereitschaft fehlen wird. Und es könnte auch nicht anders sein. Nachdem wir so viele und vielfältige Gnaden empfangen haben und noch so viele andere von Gott erwarten, würden wir uns nicht schämen - so fragt ein heiliger Bischof - ihm das einzige Entgelt zu verweigern, um das er bittet: die Liebe zu ihm und zu unserem Nächsten? Würden wir es wagen, unser Herz dem Vater gegenüber zu verschließen und uns weigern, in Wahrheit seine Kinder zu sein und den anderen, unseren Brüdern, zu dienen? (vgl. Gregor von Nazianz, Predigten, De pauperum amore, 23; PG 35, 887).
4. Wie gern würde ich jedem von euch persönlich begegnen, um mit ihm über seinen liebevollen Dialog mit Gott zu sprechen; über diese persönliche Geschichte, diese sicher wunderbare Geschichte, die am Tag eurer Taufe angefangen hat und sich fortsetzte bis zu dem Tag, an dem ihr alles "verlassen habt", um Christus zu folgen; diese Geschichte, die dann weitergeht auf eurem Weg mit ihm als von Gott Gerufene. Aber weil das nicht möglich ist, möchte ich hier euch allen sagen, was ich jedem einzelnen anvertraut hätte: Christus ist der einzige Sinn, das Maß und das Ziel eures Lebens; der Christus der Seligpreisungen, der radikalen Ganzhingabe "um des Himmelreiches willen".
Und so könnten wir jede einzelne der Seligpreisungen betrachten. Weil dies aber den Rahmen unserer Möglichkeiten sprengt, nehmen wir als Beispiel den Geist der Armut: "Selig, die arm sind vor Gott, denn ihnen gehört das Himmelreich" (Mt 5, 3).
In einer Gesellschaft, die das Haben so hoch einschätzt, in der die immer neue Suche nach Wohlstand vorzuherrschen scheint, die sich so oft vom Luxus faszinieren läßt, der in unmittelbarem Kontrast zu schreiendem Elend steht, iS,t die Armut, vor allem der Geist der Armut, eine Herausforderung. Eine Herausforderung für alle: für die Reichen und für die materiell Armen, eine Herausforderung in besonderer Weise für jene, die die evangelische Armut gelobt haben.
Die evangelische Armut ist mehr als der einfache Verzicht auf materielle Güter; sie ist das Sich-Preisgeben, das "Sich-Verlieren" in Gott. Christus hat einmal von einem Kaufmann erzählt, der eine kostbare Perle auswählte. Um sie zu erwerben, verkaufte er alles, was er hatte (vgl. Mt 13, 46). Er verdeutlichte so, wie jene, die weise zu handeln wissen, die Gabe der Unterscheidung bekommen für die Güter, die einen größeren Wert haben. Nach einer solchen Wahl wagte es Petrus eines Tages, Christus zu fragen, welche diese höheren Werte sind, für die er alles verlassen hatte, um dem Meister zu folgen; und er erhielt die bekannte Antwort: das Hundertfache und das ewige Leben (vgl. Mt 19, 27-29).
Wenn wir die Wahl, die auch wir getroffen haben, im Licht dieser Antwort, die Petrus erhielt, neu überdenken, werden wir es dann wagen, wir und die anderen, zu prüfen, ob die Verheißung des Herrn sich erfüllt hat? Sind unsere innere Haltung und unser äußeres Verhalten ein Ausdruck des ruhigen Besitzes dieses "Hundertfachen" und der Hoffnung auf das ewige Leben? Oder wird es eher scheinen, als verließen wir nicht "alles" - Fragen, "Hypothesen" ohne Hypothese, menschliche "Sicherheiten", "Bindungen", die uns nicht erlauben, uns in das Meer der Risiken zu stürzen - und "erhielten" deshalb nicht mehr als jeder andere, der nicht erwählt wurde und der seine ganze Kraft für das diesseitige Leben einsetzt?
5. Wie ihr wisst, Brüder und Schwestern, ist es nicht damit getan, alles zu verlassen: Wir müssen Christus folgen und uns ständig darum bemühen, uns mit ihm und mit seiner Sache zu identifizieren. Wir sind in der Welt, sind aber nicht von dieser Welt; wir sind bestellt, unter den Menschen Zeichen der Wahrheit und der Gegenwart Christi für die Welt zu sein. Wir haben ihm unser ganzes Sein zur Verfügung gestellt, unser konkretes Tun, damit er weiter umherzieht und Gutes tut (vgl. Apg 10, 38).
Diese unsere Hingabe, diese" Übereignung", hat uns ein Merkmal aufgeprägt, das nunmehr unsere Identität ausmacht. Mit unserer ganzen Würde als Person gehören wir Christus. Alle, die uns sehen, müssen ohne Schwierigkeiten erkennen können, was diese unsere einzige Identität ist. Um das gegenseitige Kennenlernen zu erleichtern, ist es heute üblich, dass bei Treffen und Konferenzen die Teilnehmer eine sichtbare Karte tragen mit ihrem Foto und ihren Personalien; so kann ohne Schwierigkeiten jeder einzelne identifiziert und bei seinem Namen gerufen werden. So müßte es auch mit uns sein: Die anderen müßten in Stille oder in Offenheit einen Dialog mit uns eingehen können, mit dem Priester, dem Ordensmann oder der Ordensfrau und sogar mit dem Seminaristen, nachdem sie diese identifiziert haben, nachdem sie sie bei ihrem Namen, als" von Gott Erwählte", gerufen haben, weil diese im äußeren Verhalten und in der Haltung erkenntlich geworden sind.
So wie es schwer ist, in einer Konsumgesellschaft die evangelische Armut zu leben und zu bezeugen, ist es auch schwer, in einer Epoche des wahren Säkularismus Zeichen des Religiösen, des absoluten Gottes zu sein. Die Tendenz zur Nivellierung, ja sogar zur Umkehrung der Werte fördert die Anonymität der Person: Man möchte wie die anderen sein, man möchte nicht auffallen. Es ist jedoch charakteristisch für den Ruf Christi, "Salz" und "Licht" für die Welt zu sein (vgl. Mt 5, 13 ff.); und das gilt in besonderer Weise für die, die sich ihm ganz weihen. Auch bleibt die ganze Kraft seiner Verheißung noch erhalten: "Wer sich nun vor den Menschen zu mir bekennt, zu dem werde auch ich mich vor meinem Vater im Himmel bekennen" (Mt 10,32).
Liebe Brüder und Schwestern!
Wegen seiner Einzigartigkeit wurde der Meister mit wenig schmeichelhaften Bezeichnungen genannt (Mt 10,24). Und der Jünger ist ja nicht mehr als der Meister. Die ersten Jünger hatten uns bezeugt, dass sie sich freuten, "weil sie gewürdigt worden waren, für seinen Namen Schmach zu erleiden" (Apg 5, 42); und die jetzige Generation der Kirche muss Trägerin dieses Zeugnisses sein.
6. Die Treue zu Gott und den Menschen setzt innere und geistige Freiheit voraus; sie ist auch unersetzliche Bedingung für die fruchtbare Teilhabe an der Sendung Christi. Unsere Berufung ist Gabe auf diese Sendung hin. Ihr seid gerufen, für das Reich Gottes zu arbeiten. Bei diesen Gedanken möchte ich ein wenig verweilen und mit euch über das apostolische und pastorale Engagement nachdenken.
Die Aufgaben der Kirche und in der Kirche sind vielfältig: vom Amt bis hin zu den einfachen und verborgenen Diensten und zu den Arbeiten, die eine gewisse Ausbildung voraussetzen; bei Menschen verschiedener Stände, aber immer für die Menschen. Aus diesem Grund rief der Heilige Geist viele Initiativen hervor, um den verschiedenen Herausforderungen und Bedürfnissen der Zeiten und Orte zu entsprechen. Ein rascher Blick auf alle, die hier versammelt sind, genügt, um die Vielfalt dieser Dienstformen im Reiche Gottes zu erkennen; ihr alle, die ihr hier versammelt seid, gebt Zeugnis von der ständigen Lebendigkeit der Kirche; von ihrer Sorge für die Menschen, die die Stifter der Ordensfamilien und apostolischen Bewegungen - jeder in seiner Art und mit seinen eigenen Verdiensten - zum Ausdruck gebracht haben.
Aber der gemeinsame Nenner, das hervorragende Mittel und der beste Weg, um als Glied der Kirche an der Sendung Christi teilzuhaben, ist die einzelne Person und das Zeugnis ihres Lebens. Die anderen Mittel und Wege, die in den verschiedenen Werken und Initiativen zum Ausdruck kommen und bei den Adressaten der Evangelisierung mehr oder weniger Anklang finden, sollten das, was ihr seid, nie in den Schatten stellen oder gar in Vergessenheit geraten lassen: Ihr seid Priester, Ordensmänner, Ordensfrauen. Selbst dort, wo ihr aus berechtigten Gründen weltliche Berufe auszuüben habt, soll das nur subsidiär geschehen und immer eurem eigentlichen Stand und eurer Aufgabe untergeordnet sein.
Nie und um keinen Preis dürft ihr diese Identität verkürzen. Niemals dürft ihr das genaue Ziel des apostolischen Amtes und Dienstes, zu denen ihr gerufen wurdet, vergessen: unsere Brüder, die Menschen unserer Tage, zur Gemeinschaft mit der Heiligsten Dreifaltigkeit führen. Der Trend, im Eigentum, in der Wissenschaft, im Ansehen und in der Macht die Sicherheit des Lebens zu suchen, wird in unseren Tagen immer größer. Die Treue zu allen Verpflichtungen, die ihr mit der Priesterweihe und mit der Hingabe eures Lebens an Gott übernommen habt, euer hochherziges Leben in der Armut, der Jungfräulichkeit und dem Gehorsam, ist für die Menschen eine Warnung vor dieser falschen Sicherheit. Euer Leben erinnert die Menschen an ihre eschatologische Dimension; ihr seid ein Hinweis auf das "Himmelreich", dem ihr eure Liebe geweiht habt.
7. Eure pastorale und apostolische Fruchtbarkeit wird immer abhängen von dem Maß eurer Treue zu Christus, zu dieser Verpflichtung zur Liebe. Diese Treue ist es, die das Herz frei macht und den Geist mit der Liebe zu Christus und zu seinen Brüdern in der Welt entzündet (vgl. Perfectae caritatis, Nr. 1 und 12). Das Fundament dieser Treue ist die Pflege der Einheit mit dem Herrn; die ständige und tiefe Erneuerung durch das Gebet und das sakramentale Leben, um der Gnade im eigenen Leben Raum zu geben. "Denn getrennt von mir könnt ihr nichts vollbringen", sagt der Herr (Joh 15, 5).
Diese Gedanken, Brüder und Schwestern, bilden den Kern meiner heutigen Botschaft an euch: Wenn das vollkommene Gleichgewicht zwischen eurem Leben mit Gott und eurer Tätigkeit bei den Menschen nicht erhalten bleibt, ist euer Engagement in der Evangelisierung, ja, seid ihr selbst als Evangelisierte gefährdet. Das Gebet ist die Seele eures Einsatzes für das Reich: das liturgische Gebet, zentriert um die Eucharistie; das Empfangen der Eucharistie in jener Reinheit des Gewissens, die den Empfang des Bußsakramentes in seiner ganzen Tjefe, ohne jegliche Verkürzung, voraussetzt; das Stundengebet, das den Rhythmus einer ständigen Anbetung bestimmt, "im Geist und in der Wahrheit", bewusst vollzogen in Anwesenheit der Jungfrau Maria, die im Gebet verharrt, der Magd des Herrn, des Vorbilds aller, die dem Herrn dienen wollen.
8. Diese Forderung des Lebenszeugnisses macht uns aufmerksam und wachsam für die Pflicht, das Heil in Christus zu verkündigen, so, wie es Petrus zum Ausdruck bringt: "Wir können unmöglich schweigen" (Apg4, 20). Immer wird sich irgendeine Gelegenheit bieten, die Saat auszustreuen; aber es kann sich immer nur um die Saat der Wahrheit und des Guten handeln; und sie wird nur Frucht bringen, wenn sie begleitet wird vom ständigen Gebet und der Betrachtung, vom Studium des Wortes Gottes, entsprechend dem authentischen Lehramt der Kirche.
Heute informieren die großartigen Kommunikationsmittel über alles, aber nicht immer mit gebührender Distanz und Objektivität; darum bedürfen viele eines klärenden Wortes, der Orientierung und der Hilfe, um unterscheiden zu können. Bleibt darum immer offen für die Vertiefung des Wissens und das Festhalten an der Wahrheit, die ihr in Christus schon erkannt habt (vgl. Joh 14, 6); in dieser Liebe und Treue zur Wahrheit richtet euch aus nach dem Motto des hl. Franz von Assisi: den Glauben dorthin bringen, wo Zweifel herrscht.
Es ist vor allem die Wahrheit, durch die man Einheit schafft; aus der Einheit der Geister wird leicht die Einheit der Herzen, die Einheit der Ausrichtungen auf das eine Ziel. Ein Reich, das in sich selbst gespalten ist, kann nicht bestehen (vgl. Lk 11, 17). Geteiltes Apostolat zerstört sich selbst. Und wir wissen, dass das Apostolat sich teilen wird, wenn es der Versuchung des Exklusivismus unterliegt, wenn es sich gegen die berechtigte Verschiedenheit der Gaben und Charismen richtet. Oder auch, wenn es der Versuchung der Isolierung erliegt im Hinblick auf die Arbeit der anderen, ohne sich in gemeinsame Pastoralprogramme oder -pläne einzuordnen. Selbst wenn es eine Verschiedenheit der Gaben, Dienste und Werke gibt, ist der Ursprung derselbe: "Jedem aber wird die Offenbarung des Geistes geschenkt, damit sie anderen nützt" (1 Kor 12, 7).
9. Als ich eure schöne Sprache erlernte, habe ich mir einen Satz aus der Volksweisheit gemerkt: "Wenn man miteinander redet, versteht man einander." Die Einheit der Kräfte der Arbeiter der Evangelisierung setzt Eintracht voraus; und diese kann nur entstehen durch den wahren Dialog, in dem auch die affektive Komponente eine Rolle spielt. Wie schön und wichtig ist es, einander als Brüder zu begegnen auf einer Ebene, die tiefer liegt als die Mitteilung rein abstrakter Begriffe: einander begegnen auch in Freundschaft, um geistige Güter miteinander zu teilen und sich als Mensch verstanden zu fühlen in der freiwilligen und echten Armut des Geistes. Jedesmal, wenn eine solche Begegnung zustande kommt mit den Amtsbrüdern, mit denen, die das gleiche Leben und das gleiche Apostolat teilen - die Erfahrung wird es euch gewiss lehren -, wird unser Sinn für die Teilhabe am Leben und an der Sendung Christi erneuert. Der Herr und Meister selber hat es uns ja gesagt: "Daran werden alle erkennen, dass ihr meine Jünger seid: wenn ihr einander liebt" (Joh 13, 35).
Und hier könnten wir unsere Überlegungen weiterführen über den Wert dieses Dialogs der Liebe in verschieden spezifischen Lebensbedingungen und Situationen. Ich möchte nur zwei von ihnen herausgreifen:
- Die alten Menschen (Priester, Ordensmänner und Ordensfrauen) in diesem Internationalen Jahr der Alten und der Behinderten: An sie alle richte ich ein Wort herzlicher Teilnahme und brüderlichen Grußes und ich möchte ihnen sagen: Ihr seid heute noch genauso wichtig und bedeutungsvoll für die Kirche Christi, wie ihr es gestern gewesen seid. Mit dem hl. Petrus Chrysologus bitte ich euch, macht eure Herzen zu einem Altar und mit eurem ganzen Vertrauen bietet Gott euren Leib dar als Opfer in Glaube und Hochherzigkeit! Der Papst liebt euch und segnet euch!
- Die Beziehungen zu den koordinierenden Autoritäten: Hier bringt der Dialog, der auf der Bereitschaft zu loyaler und gehorsamer Mitarbeit gründet, unermessliche Vorteile für beide Teile, indem sie sich gegenseitig persönlich bereichern können und so den geistlichen Schatz der Kirche und die Wirksamkeit der Evangelisierungsarbeit fördern.
Wenn ich den Begriff des Dialogs erweitern darf, möchte ich sagen, dass wir, damit wir der Gefahr einer fortschreitenden Verarmung unseres Priester- oder Ordenslebens entkommen, die Kontakte mit den Quellen unserer ursprünglichen Formung und Ausbildung erhalten müssen, ja, uns um Fortbildung bemühen müssen. Wenn unsere Verkündigung der frohen Botschaft zeitgemäß sein soll, ist der Dialog mit der Kultur unseres Milieus unerläßlich. Damit die Gründe der Hoffnung, die uns erfüllt (vgl. 1 Petr 3, 15) und die wir anderen vermitteln möchten, angenommen werden, müssen wir um eine ständige Aktualisierung unserer Ausdrucksformen ringen.
10. Die Freude dieser unserer Begegnung wäre nicht vollkommen, wenn wir nicht einen kurzen geistigen Besuch den Brüdern und Schwestern machen würden, die ihr Leben der Kontemplation geweiht haben, die in stiller Sammlung und Klausur der eigenen Ganzhingabe "um des Himmelreiches willen" leben. Was wollen wir ihnen sagen? Wir wollen ihnen zµallererst unseren brüderlichen Dank zum Ausdruck bringen für das, was sie sind und was sie für uns bedeuten; für das, was sie si,nd und was sie für die Sendung der Gemeinschaft der Kirche und für die Welt bedeuten. Sie sind ja in besonderer Weise im Herzen und im Geheimnis der Kirche verankert. Das beschauliche Leben ist von vitaler Bedeutung für die Kirche und für die Menschheit, denn diese brauchen den lebenspendenden Sauerstoff der erneuernden Gnade, die durch das Gebet und das verborgene Opfer unserer lieben beschaulichen Brüder und Schwestern vermittelt wird.
Ihr stilles Opfer ist eine Proklamation des absoluten Gottes, und es fordert die Menschen, ihre Brüder und Schwestern, heraus, nach dem Sinn des Lebens zu fragen, ihre Liebe, die in der Anbetung und im Gebet zum Ausdruck kommt, ergießt sich über die Geschichte der Menschen: der Menschen, die den Herrn der Geschichte schon kennen und solcher, die ihn und das Heil, das er für uns bereithält, noch nicht erkennen; die einen und die anderen müssen ja im menschlichen Zusammenleben ständig neu die Gerechtigkeit und die Brüderlichkeit aufbauen nach den Plänen Gottes.
Und jetzt, während meiner Wallfahrt nach Fatima, möchte ich wiederholen, was mir immer in den Sinn kommt, wenn ich zu Kontemplativen spreche: Betet und opfert für uns und für alle, die auch beten, für diejenigen, die nicht beten können, für diejenigen, die nie zu beten gelernt haben, und für die, die nicht beten wollen! Und möge der Gott des Friedens immer bei euch sein!
11. Und an die neuen Brüder - die Seminaristen und jene, die sich auf die Ganzhingabe ihres Lebens an Gott vorbereiten - möchte ich auch ein besonderes Wort der Ermutigung, der Brüderlichkeit und des Vertrauens richten. Ihr habt einen besonderen Platz im Herzen des Papstes, in der Hoffnung der Kirche und besonders in der Kirche dieses Landes, die eine so reiche Tradition an Priester- und Ordensberufen hat. In euch sehe und grüße ich alle zum priesterlichen oder Ordensleben Berufenen ganz Portugals. Ich kann euch sagen, mit welcher Sehnsucht ich zurückdenke an die Zeit meines Theologiestudiums und wie sehr ich mich freue, heute bei euch sein zu dürfen!
Aber selbst diese Freude wird auch hier in Portugal getrübt durch Schatten, die uns erinnern an den Ausspruch des Herrn: "Die Ernte ist groß, aber es gibt nur wenig Arbeiter" (Lk 10, 2). Und, ausgehend von dieser Erinnerung, möchte ich mich an alle richten, die von dieser Frage berührt werden - und das ist im Grunde das ganze Volk Gottes -, damit sie sich mit aller Kraft dem Apostolat der geistlichen Berufe widmen: durch inständiges Gebet, durch das gute Beispiel vor allem jener, die schon erwählt wurden; durch eine angemessene pastorale Tätigkeit, die in der Familie anfängt und über die verschiedenen Gemeinschaften wie die Schule sich erstreckt bis zu den Plänen und Programmen der Gesamtpastoral. Ich weiß, dass ihr in dieser Hinsicht schon viel tut, und ich möchte, dass meine Worte euch trösten und ermutigen, weiterzumachen.
Und all denen, die in den Priesterseminaren und Ausbildungsstätten ihre ganze Kraft einsetzen, um im Sinn der Mutter Kirche diese hoffnungsvollen Berufe zu pflegen, damit sie Frucht bringen in heiligen Priestern und Ordensleuten, möchte ich meine ganze Hochschätzung zum Ausdruck bringen und wiederholen, was sie sicher schon wissen: Ihr seid nicht allein, die ganze Kirche begleitet euch in eurer hochherzigen und kostbaren Tätigkeit. Ihr wisst, dass der Papst euch unterstützt und schätzt, wie es auch eure Bischöfe und Ordensobern tun. Möge auf eurer Mitarbeit ständig der Segen Gottes ruhen!
Und ihr, meine jungen Freunde, strebt nach diesen Idealen. Lebt das Leben und setzt ihm ein edles Ziel. Ihr steht in einem Lebensabschnitt, in dem ihr sehr viel mit Gott über die Menschen sprechen müßt, damit ihr später mit den Menschen über Gott sprechen könnt. Sicher ist euch ein Sprichwort bekannt, das ich aber dennoch in Erinnerung rufen möchte: "Viel Studium viel Wissen; viel Nachdenken viel Weisheit; viel Tugend viel Frieden." Nur Mut!
Brüder und Schwestern!
Der Arme im Geiste ist der, der glaubt, der sich dem Evangelium von der Liebe und dem Erbarmen Gottes hingibt und es in seinem Alltag lebt; der wahrhaft Geweihte ist derjenige, der in sich selbst und in seinem Leben die absolute Herrschaft Gottes zum Tragen kommen läßt, der "über alles und in allem" sein möchte (1 Kor 15, 28); der Bote des Evangeliums ist der, der die frohe Botschaft, die er in seinem Herzen trägt und die ihn innerlich verwandelt und geistig frei macht, verkündet. Seid eurer hohen Berufung treu!
Und möge die Jungfrau Maria, die Mutter der Kirche, Unsere Liebe Frau von Fatima, immer in eurem Leben gegenwärtig sein mit ihrem Vorbild und ihrem Schutz. Möge sie euch Ausgewogenheit, Trost und Freude von ihrem Sohn, Jesus Christus, erflehen, in dessen Namen ich euch von ganzem Herzen segne.
Ansprache an die Mitarbeiter des Heiligtums in Fatima
Überschrieben: "Ich weiß um den Wert eurer Dienste"
Liebe Brüder und Schwestern im Herrn!
1. Aus dem Herzen kommt mir ein Wort großer Sympathie und Anerkennung für euch alle, Dienerinnen Unserer Lieben Frau von Fatima, und andere Mitarbeiter, die hier den Pilgern behilflich sind, und auch für euch, Arbeiter, die ihr eure Kräfte für die Werke dieser großartigen Einrichtung einsetzt. Es will mir scheinen, als hätte an der tiefen und unvergeßlichen Freude über meine Pilgerfahrt nach Fatima etwas gefehlt, wenn ihr nicht einen tiefempfundenen, anregenden und herzlichen" Willkommensgruss" entboten hättet.
Die Meßfeier heute vormittag hat in mir wieder die dankbare Erinnerung an viele andere Pilgerreisen wachgerufen, an denen ich in meinem Heimatland - vor allem zum Heiligtum von Jasna G6ra und Tschenstochauund auf meinen apostolischen Reisen durch die Welt - von Guadalupe bis Fatima - zu meiner Freude teilnehmen konnte.
Ich weiß aus unmittelbarer Erfahrung gut um den Wert eurer Dienste und eurer Hingabe, durch die ihr den Pilgern beisteht und helft, dass sie sich an diesem gesegneten Ort wohl fühlen können. Aber ich kenne auch und schätze noch mehr das, was ihr, bewusst oder unbewusst, voll Großmut und Opfergeist tut, um ihnen die Gelegenheit zu einer liebevollen Begegnung durch die Himmelskönigin mit dem Vater im Himmel zu bieten und im Herzen jedes Pilgers den Glauben und die christliche Lebenshaltung zu bestärken. Oft entsteht hieraus eine Neubegegnung mit sich selbst und eine zunehmende Gelehrigkeit gegenüber der Stimme Mariens, deren mütterliche Anrufe sich konzentrieren in: "Was er (Christus) euch sagt, das tut" (Joh 2, 5). Und wie viele, wie viele kehren dank eurer Hilfe und Anteilnahme mit der inneren Bereitschaft heim, neue oder auch vergessene Wege der Buße, des Gebetes, der Redlichkeit, der Güte, der Gerechtigkeit und der Gnade zu gehen.
2. Nachdem ihr euch kindlich Unserer Lieben Frau geweiht habt, seid ihr durch euren Dienst an euren Brüdern, besonders den Kranken und Bedürftigsten, auch Werkzeuge des barmherzigen Gottes; und das gereicht euch zum Heil, denn ihr hört das Wort des Meisters im Hinblick auf das ewige Leben: "Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan" (Mt 25, 40). Und außerdem vollbringt ihr mit euren sichtbaren Taten der Menschlichkeit und Nächstenliebe das Werk der Evangelisierung: "den Armen wird das Evangelium verkündet" (Lk 7, 22).
Glaubt nicht, dass es anders geschehen soll: Die Frohbotschaft muss vor allem durch das Zeugnis verkündet werden, verbunden mit der Bereitschaft, zu verstehen und anzunehmen; ferner auch durch die ganz einfache und spontane Bekundung und Ausstrahlung des Glaubens an Werte, die über den allgemeingängigen Werten stehen, und der Hoffnung auf etwas, das man nicht sieht und das man sich nicht vorstellen kann. Kraft dieser Bezeigung der Liebe ohne Worte werden gewiss im Herzen derer, die eure "guten Werke" sehen, folgende Fragen aufkommen: Warum sind sie und handeln sie so? Was ist es oder wer ist es, der sie beseelt und sie so gütig sein läßt? (vgl. Evangelii nuntiandi, Nr. 21)
Gebe Gott, dass ihr euch weiterhin von dieser "Hoffnung, die euch erfüllt" (J Petr 3, 15), erleuchten lasst und diese euch ermutigt, auch in Zukunft mit Ausgewogenheit, Freude und Liebe eure hochherzig übernommenen Aufgaben als eure christliche Berufung zu erfüllen; trachtet danach, dass diese Aufgaben Ausdruck eurer kindlichen Verehrung für die Muttergottes und unsere Mutter seien.
3. Und euch, meine lieben Arbeiter, meine Brüder, möchte ich sagen: Seid gewiss, dass für das, was ihr seid und was ihr hier repräsentiert, der Papst euch hochschätzt; der Papst ist, wie ihr wohl wisst, der Stellvertreter Christi, des Erlösers, der es nicht unter seiner Würde hielt, das Evangelium, das Wort der ewigen Weisheit, zu verkündigen; im Gegenteil, der es mit ganzer Liebe in seinen Werken verwirklicht hat, das Evangelium, das auch "Evangelium der Arbeit" ist, weil der, der als Zimmermann "es verkündete, selbst ein Mann der Arbeit war, der Handwerkerarbeit" (vgl. Laborem exercens, Nr. 26).
Ihr wisst, dass ich vor kurzem ein langes Schreiben - eine Enzyklika - über die menschliche Arbeit verfaßt habe, aus welcher ihr ersehen könnt, welchen Wert ich der Arbeit und vor allem allen arbeitenden Menschen im Rahmen meines Sendungsauftrages beilege, insbesondere wenn sie die Arbeit mit einem Gott zugewandten Herzen verrichten und sich bewusst sind, dass sie mit ihrer Arbeit das Schöpfungswerk, das Er in seiner Güte für uns vollbracht hat, fortsetzen und daran mitarbeiten. Deshalb hinterlasse ich euch als Erinnerung an diese kurze Begegnung, als Unterpfand der Freundschaft, von der ich möchte, dass sie immer zwischen uns bestehen bleibt, weil Gott unser gütiger Vater ist und wir alle in Christus Brüder sind, folgende Gedanken: Wenn ihr für euch und für eure Familien den Lebensunterhalt verdient, denkt immer daran, dass Gott euch sieht; übt eure Tätigkeit aus wie einer, der an der Vervollkommnung der göttlichen Schöpfung mitarbeitet, wie einer, der einen persönlichen Beitrag zur Verwirklichung der Pläne Gottes in der Geschichte leistet. Verherrlicht darum stets Gott, indem ihr ihm eure Arbeit so darbringt, dass ihr sie in Nächstenliebe und in einen Dienst an der Gesellschaft verwandelt, deren Glied ihr seid. Eure Arbeit ist nicht nur für den irdischen Fortschritt wichtig, sondern auch für das Reich Gottes, zu dem wir alle berufen sind und an dem teilzuhaben ich euch wünsche - jetzt in dieser Zeit und auf ewig im Himmel.
Ich bete für euch und hoffe, dass ihr eurerseits dasselbe tut; ich erbitte für euch - durch die Fürsprache Unserer Lieben Frau von Fatima - reiche Gnaden an Güte, Gelassenheit und Leben in Christus. Und in dieser Gesinnung erteile ich euch und durch euch allen euren Lieben aus ganzem Herzen meinen Apostolischen Segen.
Ansprache beim Abschied von Fatima
Überschrieben: Mutter des göttlichen Erbarmens
Liebe Brüder und Schwestern!
Jetzt ist für mich der Augenblick gekommen, wo ich Fatima verlassen muss, um meine apostolische Reise, meine pastorale Mission in eurem Heimatland fortzusetzen.
Ich bin zu einem "Magnifikat" mit euch gekommen, das alle Handlungen und Zeremonien dieser Pilgerfahrt durchzieht; die Muttergottes sollte den Vorsitz führen; ich als ihr Sohn, Bruder unter Brüdern, habe daran teilgenommen, um meine Brüderlichkeit im Glauben zu bekräftigen und als Nachfolger des hl. Apostels Petrus Herold und Sprecher der Muttergottes und unserer Mutter zu sein, indem ich das Erbarmen des Allerhöchsten, das Geheimnis der Beziehung zwischen Gerechtigkeit und göttlicher Liebe, das im Tod und in der Auferstehung Jesu Christi geoffenbart wurde, verkünde (vgl. Dives in misericordia, Nr. 4).
Ich habe die Pilgerreise mit dem Hymnus auf das Erbarmen Gottes im Herzen begonnen; und beim Abschied will ich euch sagen, dass dieser Hymnus in meiner Seele noch immer nachklingt: "Von den Taten deiner Huld, Herr, will ich ewig singen" (Ps 89, 2), im Chor mit der heutigen Generation der Kirche, dessen erste Solistin die Mutter des göttlichen Erbarmens ist. Durch das Opfer ihres Herzens, vor allem zu Füßen des Kreuzes, hat sie in einzigartiger Weise teil an der Offenbarung des Erbarmens: Sie will uns immer auf den Wegen des Erbarmens zur Hoffnung führen: zu "Jesus Christus, unserer Hoffnung" (1 Tim 1, 1).
Wir kommen hierher, um in der Haltung dankbarer Liebe zu dem Herrn zu beten, "der voll Erbarmen und Mitleid ist" (Jak 5, 11). Da wir uns bewusst sind, wie sehr wir es persönlich nötig haben, uns auch weiterhin an das göttliche Erbarmen zu wenden, beten wir: "Erlaß uns, Herr, unsere Schuld" (vgl. Mt 6, 12); und da wir uns zutiefst bewusst sind, wie sehr die Menschen unserer Zeit ihn beleidigen und ablehnen, beten wir mit Christus am Kreuz: "Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun" (Lk 23,34).
Aber wir beten auch, bewegt vom Impuls der Liebe, zu allen Menschen, die unsere Brüder sind, und wünschen das wahrhaft Gute für sie alle ohne Ausnahme: Kinder, Jugendliche, Erwachsene, Familienväter, Alte und Kranke, wo überall auf der weiten Welt sie sich befinden mögen. Und wir möchten, dass sie das wissen. Ja, wir wünschen, dass die ganze Menschheitsfamilie von dem erfahre, was "Gott uns schenkt" (vgl. Joh 4, 10) in Jesus Christus, von der Gabe der Liebe und des Erbarmens, dass sie sich angespornt fühle, Erbarmen zu üben, was für den Weg des Friedens unerläßIich ist, und das Wort zu hören, das auf diesem Berg von Fatima erklingt und von jenem Berg in Galiläa herkommt: "Selig die Barmherzigen, denn sie werden Erbarmen finden" (Mt 5, 7).
"Immer wird in meiner Seele", dessen könnt ihr sicher sein, "dieser unsterbliche Ruf ,Fatima, lebe wohl!'" lebendig sein, nachdem wir hier gemeinsam unsere Gebete zum Himmel emporgesandt haben, wobei wir uns vom Glauben, von der Hoffnung und der Liebe leiten ließen. Die Stunde des Abschieds ist gekommen. Aber ich glaube, dass wir auch weiterhin in der Liebe Christi eng verbunden sein werden, wenn wir jetzt in Freude voneinander scheiden und unsere "Buße und unser Gebet", ein Gebot dieser Liebe, erfüllt haben.
Ich bin euch allen zutiefst dankbar, die ihr euch hier in Fatima engagiert und mit Fleiß und Begeisterung dafür gearbeitet habt, diese Pilgerfahrt bis in die kleinsten Einzelheiten zu organisieren. Gewiss habt ihr das alles zur Verherrlichung Gottes und in Verehrung für die Muttergottes getan; aber bestimmt wird auch die Liebe zum Papst eine Rolle gespielt haben: Ich danke allen!
Und damit die Freude dieser Begegnung anhalte und sich immer wieder erneuere, hinterlasse ich euch, während ich euch "Gott befohlen!" sage, mit meinem Segen zum Abschied die Worte der Mutter: "Was er Christus - euch sagt, das tut!" Vergeßt das nicht!
Es segne euch Gott, der Allmächtige, der Vater, der Sohn und der Heilige Geist!
Betet für den Papst! Lebt wohl! Auf Wiedersehen bis zum nächsten Mal!
Ansprache an das Diplomatische Korps in Lissabon
Überschrieben: "Die portugiesische Kultur: Schlüssel zum Verständnis großer Völker"
Exzellenzen!
Meine Damen, meine Herren!
1. Ich bin in dieses teure Land Portugal vor allem aufgrund einer Pilgerfahrt zur Muttergottes von Fatima gekommen wie auch zu einem Pastoralbesuch bei den Söhnen und Töchtern dieses Landes, die fast einhellig dem katholischen Glauben angehören, und zu einer Begegnung mit ihren Regierenden, die gleichfalls die Freundlichkeit hatten, mich einzuladen und herzlich zu empfangen. Es war mein Wunsch, mich wenigstens in einigen größeren Städten aufzuhalten und mit den verschiedenen Schichten in Kontakt zu treten. Aber ich legte darüber hinaus Wert darauf, einen Augenblick den bei der portugiesischen Regierung akkreditierten ausländischen Diplomaten vorzubehalten, da ich mir der Bedeutung Ihrer Mission für den Frieden, die Sicherheit und die brüderlichen Beziehungen zwischen den Völkern lebhaft bewusst bin.
Ich freue mich, in Ihrer Person alle von Ihnen vertretenen Länder begrüßen zu können; ich hatte die Freude, dank der freundlichen Einladung der staatlichen Behörden und der Ortsbischöfe bereits eine Reihe dieser Länder zu besuchen, und bewahre die Erinnerung an die freundliche Aufnahme durch Ihre Landsleute. Im übrigen haben viele von Ihnen Kollegen, die für ihre Länder eine diplomatische Vertretung beim Hl. Stuhl wahrnehmen. Mit ihnen zusammenzutreffen und ihnen die Sorgen der Kirche, insbesondere was den internationalen Frieden betrifft, anzuvertrauen, ist für mich immer willkommen und ergiebig. Ich erlaube mir, auch mit Ihnen darüber zu sprechen.
2. Zunächst stelle ich fest, dass Sie Ihre Aufgabe in einem Land wahrnehmen, das Ihrem Auge und Ihrem Herzen sehr anziehende Aspekte bietet, die geeignet sind, Ihre Erfahrung zu bereichern. Die Geschichte Portugals ist in einer alten Kultur verwurzelt, die sich im Einflussbereich der lateinischen Länder entfaltet hat und daher von christlichen Werten geprägt ist. Gleichzeitig aber hat sich Portugal den fernsten und verschiedenartigsten Horizonten anderer Kontinente geöffnet. So hat die portugiesiche Nation weiten Gebieten Südamerikas, Afrikas und selbst Asiens ihr Zeichen aufgeprägt. Wenn sie nun in immer engerer Verbindung mit den Ländern dieses Kontinentes, an dessen geistiger und wirtschaftlicher Einheit sie Anteil hat, im besonderen ihre europäische Zugehörigkeit betont, bleiben ihre weit vertreitete Kultur und Sprache ein Schlüssel zum Verständnis der Geschichte und vieler aktueller Züge der großen Völker, die - jenseits der Weltmeere - nun ihr Schicksal selbst in die Hand genommen haben.
Zugleich denke ich an die nähergelegenen Länder, die heute so viele portugiesische Gastarbeiter aufnehmen. Ich wünsche daher, dass die Zeit Ihrer diplomatischen Mission in Lissabon Sie nicht nur mit den politischen, sozialen und wirtschaftlichen Gegebenheiten dieses Landes vertraut macht, sondern auch mit allen kulturellen Reichtümern, die dieses dynamische Volk hervorgebracht hat. Möge Ihre Sympathie auch alle jene einschließen, die in der Welt in den Genuß der portugiesischen Kultur gekommen sind!
3. Sie selbst vertreten im Namen Ihrer Regierungen beim portugiesischen Staat Ihre Heimatländer mit ihren unterschiedlichen Interessen. Der diplomatische Weg, der Ihre Aufgabe ist, setzt ausgeprägtes Beobachtungsvermögen und Hellhörigkeit voraus sowie die Kunst der Verhandlung, um Verständigung, Einvernehmen und Zusammenarbeit durch vernünftige Mittel zu fördern. Die Diplomaten sind also berufen, ihrem Land zu dienen, aber auch - und das wünsche ich von Herzen - dem Wohl aller Völker, das heißt den Voraussetzungen, die die Sicherheit und den Fortschritt aller gewährleisten. Denn jedes Land trägt seinerseits aus gutem Grund dafür Verantwortung, dass die Elemente des friedlichen internationalen Zusammenlebens sich immer weniger voneinander trennen lassen. Das setzt eine gewisse Zahl von Überzeugungen voraus, von denen ich bereits mehrmals vor Diplomaten oder Verantwortlichen der internationalen Gemeinschaft gesprochen habe und die ich mir heute Ihnen in Erinnerung zu bringen erlaube.
4. Da ist zunächst der normale Zugang der Völker zur politischen Unabhängigkeit, die ihren Repräsentanten die Möglichkeit gibt, die Angelegenheiten ihrer Nation frei zu führen im Interesse und mit der Verantwortung all ihrer Landsleute. Allerdings muss diese Freiheit echt sein, und es darf keine Einmischung anderer Nationen geben, auch nicht auf dem Umweg über landfremde Ideologien. Jede politische Macht hat in der Tat nur im Streben nach dem Gemeinwohl aller Sinn und Berechtigung. Und sie findet ihre Begrenzung in der Annahme internationaler Vereinbarungen und der Achtung vor den Grundrechten des Menschen, von denen keines verletzt werden darf und die vom Gewissen des Menschen und, für die Gläubigen, vom Schöpfer des Gewissens, dem Schöpfer des Menschen, garantiert werden.
Die Diplomatie befaßt sich insbesondere mit den Kontroversen, die zwischen den Völkern entstehen. Sie können tatsächlich zu örtlichen Konflikten ausarten, die wegen des Verlustes an Menschenleben, wegen der sinnlosen Zerstörungen und der Gefühle der Feindschaft, die sie manchmal nachhaltig zwischen den Nationen entfachen, sehr zu bedauern sind. Sie könnten sogar ausgedehntere Kriege zur Folge haben mit kaum kalkulierbaren Gefahren einer Vernichtung. Solche Kontroversen haben im allgemeinen ernste Grundlagen, aber sie nehmen einen solchen Umfang an, weil sie häufig von den Leidenschaften angestachelt werden, Leidenschaften, die die Situation komplizieren und keine objektive Sicht der realen Wirklichkeit mehr erlauben. Eben hier ist die Rolle der Diplomaten wichtig, damit die Probleme ruhig erörtert und vernünftige Lösungen gefunden werden, ohne das Recht zu mißachten und den legitimen Nationalstolz zu verletzen.
Im übrigen wird es schwer sein, den Frieden aufrechtzuerhalten, solange die Kluft, die zwischen den wohlhabenden Völkern und jenen klafft, die oft nicht einmal über das Lebensminimum verfügen, sich noch weiter vergrößert. Es ist eure Ehre und eure Pflicht als Sachverständige, die ersten zu sein, die die Bedeutung solcher Dinge - ich denke z. B. an die Nord-Süd-Beziehungen - erfassen und dazu beitragen, das ihrer Umgebung begreiflich zu machen.
5. Der Rahmen dieser kurzen Begegnung erlaubt mir nicht, noch weiter und ausführlicher an viele ernste Probleme zu erinnern, die sich im Bereich der Gerechtigkeit, des Friedens und der Entwicklung stellen. Aber ich muss wenigstens die schwierige und traurige Situation derjenigen hervorheben, die dem Boden ihres Heimatlandes entrissen wurden.
Was Portugal betrifft, so musste und konnte es eine beträchtliche Anzahl protugiesischer Staatsbürger aufnehmen, die die Überseegebiete verlassen hatten, als diese die Unabhängigkeit erlangten, und man kann sich unschwer die schwierige Situation dieser Menschen vorstellen und die enorme Belastung für dieses Land, das größte Anstrengungen unternahm, um sie zu integrieren und ihnen einen neuen Lebensraum zu bieten.
An manchen Orten der Welt ist die Situation der Männer, Frauen und Kinder, die keine Heimat mehr haben, besonders schwierig, ja ich möchte sagen, tragisch. Ich möchte von den Flüchtlingen sprechen, die wegen ihrer politischen Meinungen, ihrer religiösen Empfindungen, ihrer anderen Volkszugehörigkeit oder einfach infolge der durch Kriege und Revolutionen herbeigeführten Umwälzung solcher Angst, solchem Druck oder solchen Existenzschwierigkeiten, solchem Mangel an Freiheit oder gar Bedrohungen ausgeliefert sind, dass sie praktisch gezwungen sind, in ein Exil fern ihrer Heimat zu gehen, d. h. manchmal unter Lebensgefahr zu fliehen und, in Flüchtlingslagern zusammengepfercht, darauf zu warten, dass sie in einer eventuellen Wahlheimat völlig mittellos in irgendeiner Weise ein anderes Leben aufnehmen können.
Das ist eine der schrecklichen Wunden, an denen unsere heutige Zeit leidet, als wären die Menschen nicht mehr imstande, einen Lebensplatz für ihresgleichen bereitzustellen. Eine Situation, die all jenen am Herzen liegen muss, die in den internationalen Angelegenheiten Verantwortung tragen. Wie bereits am 6. Mai 1980 vor dem Diplomatischen Korps in Nairobi und bei anderen Gelegenheiten wiederhole ich meinen Appell an die Autoritäten jeder Nation, sie mögen es sich zur Ehre anrechnen, allen ihren Mitbürgern zu gestatten, in gerechter Freiheit bei ihnen zu leben, ohne sie zum Exil zu zwingen, während ich die Aufnahmeländer und die internationale Gemeinschaft herzlich ermutige, den jetzigen Flüchtlingen zu einem wahrhaft menschlichen Leben zu verhelfen.
Exzellenzen, meine Damen und Herren, eben Sie sind dazu berufen, für die Vorbereitung immer menschlicherer Wege zu arbeiten, wie das Ihrer vornehmen Mission entspricht. Ich bete zu Gott, er möge Ihnen sein Licht und seine Kraft schenken, damit Sie so gut als möglich hierzu beitragen können, und bitte ihn, Sie persönlich, Ihre Familien und Ihre Länder zu segnen. Allen und jedem einzelnen spreche ich noch einmal meine herzlichen Wünsche aus und danke Ihnen, dass Sie so freundlich waren, an dieser Begegnung teilzunehmen.
Freitag, den 14. Mai 1982
Predigt bei der Messe mit dem Landvolk in Vila Viçosa beim Heiligtum "Nossa Senhora da Conceição
Überschrieben: "Von schöpferischem Geist und gesunder Konkurrenz getragen"
Lieber Bruder Maurilio de Gouveia, Erzbischof von Evora,
liebe Brüder im Bischofsamt, Exzellenzen,
liebe Brüder und Schwestern und
liebe Bauern und Landarbeiter auf portugiesischem Boden!
1. "Geht auch ihr in meinen Weinberg! Ich werde euch geben, was recht ist" (Mt 20, 4).
In diesen so wie in anderen Abschnitten des Evangeliums drückt Jesus seine Gedanken durch Gleichnisse aus, deren Inhalt aus seiner Umwelt genommen ist. Sehr oft nimmt der göttliche Meister in ihnen Bezug auf die Landarbeit. So geschieht es in dem Text, den wir im heutigen Wortgottesdienst gehört haben, dem Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg. Christus nimmt seine Beispiele aus der Welt, die seinen Hörern bekannt ist, um sie in die übernatürliche und unsichtbare Wirklichkeit des Reiches Gottes einzuführen. In dieser Weise wollte er den Menschen sein geistliches Reich nahebringen.
Der Mann, der in Rechtschaffenheit als freies und vernunftbegabtes Wesen arbeitet, setzt das Schöpfungswerk fort und verwirklicht seine Gemeinschaft mit Gott; er wird des Heiles teilhaftig und kommt nach und nach zur vollen Teilhabe am göttlichen Leben. In dieser Perspektive möchten wir eine Betrachtung über dieses Gleichnis mit euch allen anstellen, liebe Söhne aus dem Land Portugal, vor allen Dingen aus den Gebieten von Ribatejo, Alentejo und Algarve, und auch mit euch, liebe Zigeuner und Wallfahrer, die ihr von anderen portugiesischen Städten oder aus dem Nachbarland Spanien kommt. Ich danke dem Herrn Erzbischof von Evora für seine freundlichen Begrüßungsworte und auch dem jungen Arbeiter, der seine und seiner Mitarbeiter Gefühle zum Ausdruck gebracht hat.
Auch ich grüße euch und möchte euch allen, die ihr schwere Landarbeit verrichten müßt, sagen: Meine Gegenwart hier sowie die Gegenwart des Herrn Erzbischofs von Evora und der anderen portugiesischen und spanischen Bischöfe ist ein konkretes Zeichen dafür, dass die Kirche eure berechtigten Anliegen der Gerechtigkeit, des Fortschritts und des Friedens in der Ausübung eures Berufes versteht und anerkennt. Die Kirche, der Papst, die Bischöfe Portugals sind mit euch. Sie möchten euch helfen, Unverständnis und Ungerechtigkeit zu überwinden, um den Ärmsten und Schutzlosesten ihre Hand zu reichen im Rahmen ihres Sendungsauftrags, damit alle am Fortschritt und den hohen menschlichen und christlichen Werten einer würdigen und fruchtbaren Arbeit teilnehmen können. Hier, im Heiligtum Unserer Lieben Frau von Vila Vi~osa, unter dem Blick der "Königin Portugals", gekrönt von König Johannes IV., möchten wir unsere Gedanken vortragen und den Heiligen Geist, den Geist der Wahrheit und der Liebe, bitten, uns zu erleuchten und uns beizustehen. 2. Das Gleichnis der Arbeiter im Weinberg, das wir eben gehört haben, enthält zwei wichtige Wahrheiten der übernatürlichen Ordnung. Die erste dieser Wahrheiten ist, dass die Gerechtigkeit des Reiches Gottes auch hergestellt wird durch Menschenwerk, durch die Arbeit der Menschen im Weinberg des Herrn. Jeder ist zu dieser Arbeit aufgerufen, damit er auf verschiedene Weise in den vielfältigen Augenblicken und Situationen des irdischen Lebens der Menschen die Welt aufbaue. Die zweite Wahrheit ist, dass die Gabe des Gottesreiches, das der Menschheit geschenkt wurde, jedes Maß übersteigt, das Menschen benutzen, um das Verhältnis zwischen Verdienst und Belohnung, zwischen Arbeit und Lohn zu messen. Diese Gabe transzendiert den Menschen. Weil sie übernatürlich ist, kann sie nicht mit rein menschlichen Kriterien gemessen werden.
Das Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg und die anderen, die wir im heutigen Wortgottesdienst gehört haben, regen uns zu Überlegungen über die menschliche Arbeit an, vor allen Dingen über die Landarbeit in der Perspektive der Ordnung und der Gerechtigkeit, die in der Gesellschaft herrschen sollten.
Wie ihr wisst, hat die Kirche sehr viel an ihrer Aufmerksamkeit den Problemen der sogenannten sozialen Frage geschenkt, vor allen Dingen im Laufe des letzten Jahrhunderts. ObwOhl die Kirche ihre Aufmerksamkeit in erster Linie der Industrie und der Industriearbeit geschenkt hat, stellt die Arbeit der Landarbeiter ebenfalls einen ausdrücklichen und bedeutenden Teil der Lehre der Kirche seit der Ezyklika Rerum novarum Leos XIII. dar. So hat schon Pius XI. den negativen Einfluss des Industriekapitalismus auf die Landwirtschaft festgestellt, und er bedauerte die Situation so vieler Landarbeiter, die "unter schlechteren Lebensbedingungen zu leiden hätten, bar jeder Hoffnung, Anteil am Grund und Boden zu gewinnen, und infolgedessen zum Proletarierdasein verurteilt waren, wenn nicht angemessene und wirksame Mittel eingesetzt werden" (Quadragesimo anno III, Nr. 59).
Aber es war vor allen Dingen Papst Johannes XXIII., der selber dem Landvolk entstammte und den Problemen des Landlebens besondere Aufmerksamkeit schenkte, indem er der Landwirtschaft die Stellung einräumte, die ihr gebührt. In Mater et magistra empfiehlt er nicht nur die Überwindung der Unterschiede zwischen den einzelnen Bereichen innerhalb eines jeden Landes, sondern er behandelt auch die Frage auf internationaler Ebene. Er zeigt die Notwendigkeit, nach einem neuen Gleichgewicht zu suchen unter der solidarischen Zusammenarbeit der reichen Industrieländer mit den armen Ländern, die noch in Entwicklung begriffen sind und deren Landwirtschaft noch rückständig ist.
In unserer Zeit, die gekennzeichnet ist durch soziale und wirtschaftliche Spannungen, herrscht immer noch eine einseitige Sicht des Fortschrittes, die vor allen Dingen die Industrialisierung im Blick hat. Aber es ist tröstlich festzustellen, dass man immer mehr die Dringlichkeit betont, der Landwirtschaft die ihr gebührende Stellung im Rahmen der Entwicklung eines jeden Landes und des internationalen Fortschritts einzuräumen. Noch vor kurzer Zeit haben eure Bischöfe im Licht der Enzyklika Laborem exercens die Notwendigkeit aufgezeigt, "entschieden gegen die chronischen Schwierigkeiten der Landwirtschaft Portugals anzugehen im Hinblick auf die Anerkennung der Würde und der Rechte der Männer, der Frauen und der Familien auf dem Land".
Mit Recht stellten sie fest, "dass es nicht genügt, die Rechte zu proklamieren", sondern dass man dringend "wirtschaftliche, soziale und kulturelle Bedingungen schaffen muss, damit diese Rechte respektiert werden können und die Landarbeiter, vor allen Dingen die Jugend, ermutigt werden, sich auf dem Land niederzulassen und Landarbeit zu verrichten". Es ist eine Herausforderung für alle, und die Landarbeiter selbst können nicht umhin, auf diese Herausforderung zu antworten, indem sie sich neuen Formen des Zusammenschlusses und der Zusammenarbeit sowie angemessenen Initiativen zur technischen und kulturellen Modernisierung öffnen.
3. Damit unsere Sicht der Probleme der Landwirtschaft der Wirklichkeit entspricht, müssen wir - in Fortsetzung der Tradition der Soziallehre der Kirche - von der Würde und Stellung des Menschen in der Welt ausgehen. Der Mensch ist es ja, der die Arbeit verrichtet, und um der Menschen willen muss die menschliche Arbeit auf der Gerechtigkeit gründen, die von einer wahren und echten Liebe zum Nächsten inspiriert und verwirklicht werden muss.
Der achte Psalm, den wir eben gebetet haben, hilft uns verstehen, was der Mensch in Gottes Gedanken und in der Schöpfungsordnung ist. In der Gegenwart des Herrn fragt sich der Psalmist: Was ist der Mensch? In einer gewissen Weise wird die Frage Gott selbst gestellt: "Sehe ich den Himmel, das Werk deiner Finger, Mond und Sterne, die du befestigt: Was ist der Mensch, dass du an ihn denkst, das Menschenkind, dass du dich seiner annimmst?" (Vers 4ff.).
Diese Zeilen sprechen von der Kleinheit des Menschen im Vergleich zu den großen' Werken der Schöpfung. Gleichzeitig verkünden sie seine unvergleichliche Würde. In der Tat denkt Gott an den Menschen und sorgt für ihn trotz seiner Kleinheit. Die Würde des Menschen tritt noch klarer hervor in dem Satz, den der Psalmist hinzufügt: "Du hast ihn als Herrscher eingesetzt über das Werk deiner Hände, hast ihm alles zu Füßen gelegt" (Vers 7).
In der Enzyklika Laborem exercens habe ich die herausragende Gestalt des "Menschen, der arbeitet", rühmen wollen. Dieser ist der wesentliche Schlüssel zum Verständnis und zur Lösung der sozialen Probleme. Mit dem Wort "Arbeit" bezeichne ich jede menschliche Tätigkeit, von der einfachsten und bescheidensten bis zur höchsten. Die Kriterien und allgemeinen Prinzipien, die in dieser Enzyklika dargelegt werden, müssen auch auf die Landarbeit angewandt werden; der "Würde der Landarbeit" habe ich einige Seiten meiner Enzyklika gewidmet (Nr. 21).
4. Liebe Landarbeiter, Männer und Frauen, liebe Jugend und liebe alte Menschen!
Auch an euch richtet der Herr des Weinbergs, des Evangeliums die Einladung: "Geht auch ihr in meinen Weinberg! Ich werde euch geben, was recht ist." Dieser Satz, auch kurz, führt uns doch hin zur Betrachtung verschiedener Probleme, deren Lösung nur erreicht werden kann, wenn grundsätzliche ethische Prinzipien universaler Geltung, auf denen der echte Fortschritt der Gesellschaft gründet, angewandt werden. In ihrer Anwendung muss man die besonderen Situationen, die verschiedenen Weisen und Entwicklungen jeder menschlichen Zone berücksichtigen. Das heißt, man muss auf die Forderungen der Gerechtigkeit schauen, moralisch das an die erste Stelle zu setzen, was aus der ganzheitlichen Wahrheit vom Menschen folgt.
Die heutige Welt lebt trotz des riesigen wissenschaftlichen und technischen Fortschritts in der Furcht vor einer großen Katastrophe, die ihre großen Erfolge ins Gegenteil umkehren könnte, wenn der Krieg die Oberhand gewinnt über den Frieden. Darum müssen die Rüstungsausgaben reduziert werden, damit in allen Ländern ein Mindestmaß an Bedingungen, die für ihre ganzheitliche Entwicklung erforderlich sind, zur Verfügung steht vor allen Dingen im Bereich der Landwirtschaft und der Nahrungsmittelversorgung. Die Situation äußerster Armut einiger menschlicher Gruppen in vielen Ländern, die eine unterentwickelte Landwirtschaft besitzen, beleidigt die Würde von Millionen von Menschen, die gezwungen werden, in entwürdigendem Elend zu leben. Es ist darum dringend notwendig, den Landarbeitern die Möglichkeit zu geben, auf konkrete Weise ihre fundamentalen Menschenrechte wahrzunehmen.
5. In der ersten biblischen Lesung, die aus dem Buch des Propheten Amos entnommen ist, spricht man vom Wiederaufbau von Ruinen, also von "Wiederaufbau". Wenn es schwierig ist zu bauen ist es noch viel schwieriger, nach einer gewissen Zeit des Abstiegs neue Formen des Gleichgewichts und der Erneuerung zu finden, um überalterte Vorstellungen oder Entwicklungen zu überwinden und mehr und besser zu produzieren.
Innerhalb des gesamten Entwicklungsplans des Landes, der den konkreten Gegebenheiten und der eigenen Kultur angemessen ist, muss die harmonische und fortschreitende Entwicklung der Landwirtschaft im Rahmen eines Gesamtprogramms für die verschiedenen Sektoren der Volkswirtschaft, das die fundamentalen menschlichen Ziele berücksichtigt, gesehen werden; das heißt, nicht nur die effektive Steigerung der Produktion, sondern auch die gerechte Verteilung des Arbeitsproduktes muss berücksichtigt werden. Bei einer solchen Eingliederung in ein Gesamtprogramm muss man darauf bedacht sein, geeignete Infrastrukturen zu gewährleisten, geeignete Kredite, moderne Verkehrs- und Arbeitsmittel mit entsprechendem landwirtschaftlichen Binnen- und Außenhandel, getragen von schöpferischem Geist und gesunder Konkurrenz.
6. "Ich werde euch geben, was recht ist", sagt der Herr des Weinbergs im Gleichnis des Evangeliums. Das sind Worte von grundlegender Bedeutung, denn sie stehen in Beziehung zu der schweren Problematik des gerechten Lohns, der Menschenrechte und der Würde des Landarbeiters (Laborem exercens, Nr. 16-23). Bei diesem Punkt ist es unerläßIich, die wichtige Stellung des Landarbeiters anzuerkennen, möge es sich um Landbesitzer oder um einfache Landarbeiter ohne Besitz handeln. Die großen Unternehmen müssen das Land nutzen, um mit angemessener Beteiligung der Landarbeiter immer mehr zu produzieren, wobei der Ertrag und der Nutzen dem Anrecht eines gerechten Lohnes derjenigen untergeordnet wird, die zur Produktion beitragen, ohne die soziale Funktion des Eigentums aus dem Blick zu verlieren.
Darum müssen die Initiativen und die gemeinsamen Aktionen großer landwirtschaftlicher Genossenschaften geschätzt werden, ohne dass man den wirtschaftlichen Wert kleinerer landwirtschaftlicher Betriebe von Familien und sogar von Einzelpersonen unterschätzt, die die Möglichkeit haben, ihren eigenen Landbesitz zu bebauen. Das Beste wäre, wenn die Landarbeiter ihren eigenen Grund und Boden bebauen könnten und landwirtschaftliche Betriebe entstünden, die wirklich funktionierten.
7. Liebe Landwirte und Landarbeiter! Im Geist wahrer Zusammenarbeit müßt ihr den Fortschritt der Landwirtschaft voranbringen und diese als einen wesentlichen Faktor der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung eures Vaterlandes sehen. Versucht darum, Initiative zu entwickeln, indem ihr die Einstellung fähiger junger Arbeiter in euren landwirtschaftlichen Betrieben fördert. Erlaubt mir, euch in Erinnerung zu rufen, dass die in Laborem exercens angeführten Grundaussagen über den Menschen, der arbeitet, insbesondere über den Landarbeiter, auch auf die Frau, die auf dem Land arbeitet, anzuwenden sind.
Wie ihr sehr gut wisst, gibt es keinen landwirtschaftlichen Fortschritt ohne die notwendige Berufsausbildung, die Schritt hält mit der Modernisierung der Methoden und Mittel der Landwirtschaft. Darum möchten wir hier die Mühe aller derer herausstellen, die in Portugal auf diesem Gebiet arbeiten.
In dem schon zitierten Dokument erinnern eure Bischöfe an die Tatsache, dass die Bodenreform nicht benutzt werden darf, um parteiliche Ziele zu erreichen, denn sie berührt das Leben der Menschen, die in der Landwirtschaft in einer solchen Weise und Tiefe engagiert sind, dass es kriminell wäre, sie in ein Parteiinstrument umzuwandeln. Die Bodenreform muss die Reform der Landwirtschaft in Portugal sein im Sinne einer personbezogenen Landarbeit. Es ist wichtig, hier zu unterstreichen, dass diejenigen, die die Autonomie und die verantwortungsvolle Teilnahme der Landarbeiter und aller Bürger bei der Schaffung der sozialen Gerechtigkeit zur Anwendung bringen, die Freiheit des anderen respektieren.
8. Noch einmal, liebe Landarbeiter, greifen wir zurück auf das Gleichnis des Weinbergs. Es zeigt uns, dass der Mensch nicht allein in der Welt, in der Gesellschaft, in einem Staat oder in einem Land lebt, sondern dass er zugleich berufen ist, im Reich Gottes zu leben, von dem das Bild vom Weinberg spricht. Die menschliche Arbeit auf dem Land (und für das Land) und der Aufbau des Reiches Gottes stimmen miteinander überein und bilden die Einheit.
Das Gottesreich kann nicht mit Dimensionen gesellschaftlicher und irdischer Ordnung gemessen werden. Es entsteht nicht nur durch Verdienst, sondern auch durch die Gnade, vor allem durch die Gnade, die jedes Verdienst erst möglich macht. Als Frucht der Gnade und des Verdienstes ist das Reich Gottes eine Belohnung, die nicht dem Verdienst entspricht, wie es der Lohn für geleistete Arbeit wäre. Das Reich Gottes ist in erster Linie eine übernatürliche Gabe: eine Gabe, die jedes Verdienst übersteigt.
Wir alle sind Bürger unserer himmlischen Heimat. Unsere Arbeit ist von außerordentlicher Bedeutung für das Erreichen des Ge~einwohls. Aber wir sind auch Bürger des Reiches Gottes, das nicht von dieser Welt ist und das zu uns als göttliche Gabe und als christliche Berufung kommt.
Der Herr lädt uns ein, dieser Berufung zu antworten und uns mit ihm zu vereinen durch das Gebet, das unserer Arbeit als Christen Würde verleiht. "Ora et labora - Bete und arbeite", so lautet ein altes Prinzip, das der hl. Benedikt seinen Mönchen schenkte. Wenn wir der Arbeit das Gebet hinzufügen, wird das Gebet uns Mut, Ausdauer und Ruhe geben, um die Schwierigkeiten und das Unverständnis zu überwinden; es wird unsere Arbeit froher gestalten mit einer größeren Ausstrahlung in unser christliches Leben für den Aufbau einer besseren und glücklicheren Gesellschaft.
Ich freue mich hier, euch die traditionelle und christliche Gestalt des Landarbeiters auf diesem portugiesischen Boden in Erinnerung zu rufen. So, wie man mir erzählt hat, hat er beim Läuten des Angelus am Morgen oder am Nachmittag oder am Abend, wenn er schon zu Hause ist, für einige Augenblicke seine Arbeit unterbrochen, um seine Gedanken auf Gott zu richten und zu dem zu beten, der Spender aller Gaben ist.
9. O Herr, unser Gott, wie groß ist Dein Name auf der ganzen Erde! Hier, in diesem Heiligtum der heiligen Jungfrau Maria, der Immacolata, erhebt der Bischof von Rom heute zu Dir seine Hände, seine Gedanken und sein Herz, geeint mit allen Söhnen und Töchtern des Landes Portugal, geeint in besonderer Weise mit denen, die mit der Arbeit ihrer Hände und im Schweiße ihres Angesichts auf dem Land arbeiten.
In Einheit mit ihnen erflehe ich, 0 Vater der Güte und Herr des Weltalls, Deinen Segen für ihre harte Arbeit. Segne, 0 Herr, ihre Felder und ihre Mühen! Möge Dein Segen herabkommen auf ihre Familien und alle ihre Gemeinden! Segne, Herr, ihre Heimat! Segne Portugal!
O Schöpfer der Welt, Frucht der Arbeit dieser Menschen sind das Brot und der Wein, die wir Dir täglich im eucharistischen Opfer darbringen, damit sie umgewandelt werden in den Leib und das Blut Deines Sohnes Jesus Christus. Es ist eine Arbeit, die notwendig ist für die heilige Eucharistie!
Mögen diese Länder, mögen alle Felder Portugals, von Minho und Tnlsos-Montes und Algarve, gesegnet werden mit reicher Ernte! Möge die Gnade Deines Reiches die Herzen und all ihre Bewohner erfüllen!
In Deinem Reich der Gerechtigkeit, des Friedens und der Liebe gib, Herr, dass sie alle die ewige Belohnung erlangen, Du bist diese Belohnung und zugleich das heiligende Band, das sie in Liebe und Frieden für immer einen wird.
Ansprache beim Besuch der Katholischen Universität in Lissabon
Überschrieben: "Die ganze und vollständige Wahrheit präsentieren"
Herr Kardinal Großkanzler,
Herr Rektor,
meine Herren Professoren und Studenten der Portugiesischen Katholischen Universität,
liebe Brüder und Schwestern in Christus!
"Daher beuge ich meine Knie vor dem Vater ... und bitte ... , dass ihr in eurem Innern durch seinen Geist an Kraft und Stärke zunehmt. Durch den Glauben wohne Christus in eurem Herzen. So werdet ihr mehr und mehr von der ganzen Fülle Gottes erfüllt" (Eph 3, 14 ff.).
1. Für mich ist es ein Grund zur Freude, euch persönlich hier am Hauptsitz der Portugiesischen Katholischen Universität begrüßen zu können. Es ist die Freude dessen, der sich unter der Jugend wohl fühlt und in sie große Hoffnungen setzt, es ist eine Freude über eure Freude, die auf mich ansteckend wirkt, Freude aber auch, weil die Katholische Universität Teil meines eigenen Lebens ist, als ewige Dankbarkeit für all das, was sie mir gegeben hat und was sie vor allem in Krakau mir ermöglichte zu geben, und Freude als Gruß. Ich bin gewissermaßen hier, um ein Wiedersehen zu feiern. Vielen Dank!
In euch und durch euch sehe ich die vielen katholischen Professoren und Studenten, die über das ganze Vaterland verstreut in den verschiedenen Universitäten und höheren Lehranstalten lehren und lernen. Allen gilt mein herzlicher Gruß, meine Sympathie, Hochachtung und Anerkennung dafür, dass sie auf das gleiche Ideal ausgerichtet sind, nämlich mit Christus zu gehen und dazu beizutragen, in ihrem Bereich sein Reich zu verwirklichen,
Ich wende mich hauptsächlich an die jungen Menschen, denen ich sagen möchte: Auf euch richten sich Blicke voller Hoffnung, die ihr sicherlich nicht enttäuschen werdet. Ihr gebt euren Eltern, Verwandten und Freunden Anlaß, auf euch stolz zu sein; von euch erwartet man Festigkeit in der durch die Ausstrahlung der christlichen Kultur und Zivilisation nicht von moralischen und religiösen Werten zu trennenden Gesamtvorstellung vom Menschen, vom Leben, von der Gesellschaft. So wie ihr seid, stellt ihr das Versprechen für eine gerechtere, menschlichere und mehr brüderliche Welt dar; das ist ein Versprechen, das ihr dann einlösen werdet, wenn ihr euch dessen bewusst und interessiert seid, eure Entscheidung, eure Verpflichtung mit Christus so zu leben, "dass ein wenig Sauerteig den ganzen Teig durchsäuert" (1 Kor 5, 6). '
2. Wir begegnen uns heute in dieser jungen Universität. Sie ist eine Institution, die notwendig war für "ein Land mit katholischer Tradition, wo das Christentum das vorherrschende geistige Klima bestimmt, aus dem das Bewusstsein der Portugiesen seine Nahrung zieht", so schrieben meine Brüder, die Bischöfe, bei der feierlichen Eröffnung im Jahre 1967. Obwohl jung an Jahren, hatte sie sich bald nach der Entstehung mit einer alten Tradition und einem kostbaren Erbe beladen, das zugleich der Ruhm der Nation war und immer auf dem hohen Ansehen in der Welt der Philosophen- und Theologenschulen von Coimbra und den beim Konzil von Trient beteiligten Theologen basierte.
Schon wegen dieses Erbes war die Gründung der Katholischen Universität in Portugal auch eine weitblickende Tat; dies drückte der Episkopat selbst 1965 mit folgenden Worten aus: Man beschließt, die Katholische Universität zu gründen "angesichts dessen, was bereits als ,geistiger Zerfall von Europa' bezeichnet wurde, um auf Universitätsebene und mit Hilfe der wissenschaftlichen Methode die ganze und vollständige Wahrheit, nach der unser Herz verlangt, und die Schlüssel zur Erschließung des ,Mysteriums' anzubieten, das der Mensch kennenlernen möchte, wenn er fragt, wer er ist, woher er kommt und wohin er geht; die ganze Problematik der menschlichen Kultur - der Humanismus, die soziale Ordnung, der Sinn der Geschichte - hängt von der Antwort auf diese Fragen ab" (Schreiben vom 16. Januar 1965).
Trotz der Schwierigkeiten nicht nur finanzieller Art, von denen ich bei den Vorbereitungen zu diesem Treffen erfahren habe, ist die göttliche Vorsehung dem guten Willen derer, die auf sie vertrauen, zu Hilfe gekommen. Gebe Gott, dass dies weiterhin der Fall sein wird, damit die Katholische Universität zur Verwirklichung ihrer Ziele ihren Weg fortsetzen kann und in zunehmendem Maß an Achtung gewinnt.
3. Wie ihr euch erinnert, habe ich zu Beginn meines Pontifikats an die gesamte Kirche eine Apostolische Konstitution, Sapentia christiana, gerichtet, in der die Definition der Ziele und einige Richtlinien für die katholischen höheren Bildungsanstalten enthalten sind. Die Forschungsund Lehrtätigkeit, eingefügt in das Leben der kirchlichen Gemeinschaft und den Bedingungen der gegenwärtigen, sich schnell und grundlegend wandelnden Welt angemessen, muss in einem ständigen Überdenken des Wissenschaftsbereichs zusammenlaufen, um in christlichem Sinn die Kultur zu informieren.
Wenn es zutrifft, dass das Ziel der Universität die Bildung der Menschen durch den Menschen und für den Menschen ist, dann muss auch eine Katholische Universität die Bildung von Menschen zum Ziel haben, welche diese, weil sie eine Stellung zugunsten des Menschen beziehen, zur Begegnung mit Christus führt, für den und durch den alles geschaffen wurde, "denn Gott wollte mit seiner ganzen Fülle in ihm wohnen, um durch ihn alles zu versöhnen ... , der Frieden gestiftet hat am Kreuz durch sein Blut" (Kol1, 19-20).
Hüterin der Offenbarung
4. Ich habe schon bei anderen Anlässen gesagt, dass es eine wichtige Plattform gibt, die auf dem "Eckpfeiler" Christus, dem "Zentrum des Kosmos und der Geschichte", ruht (Redemptor hominis, Nr. 1), und auf der das Gebäude einer Universität oder höheren Lehranstalt, die sich als katholisch bezeichnet, errichtet werden muss.
Das erste Element oder die Grundlage dieser gesamten Plattform wird sich aus Kompetenz und Ernsthaftigkeit der Forschung und der Lehre zusammensetzen mit dem umfassenden Grundgedanken des Menschen als Person in Beziehung zu Gott und zur Natur, eingegliedert in die Menschheitsfamilie; dies ist eine Wirklichkeit, die ein adäquates Verständnis der Geschichte und einen klaren und kritischen Realismus bei der Prüfung der Fakten und der Probleme fordert, ohne je das echte Wohl der Gemeinschaft und der ganzen Gesellschaft aus den Augen zu verlieren.
Das zweite Element muss in dem gemeinsamen Ziel liegen, auf das sich die Dynamik solcher Universitäten und Institutionen richtet: Allen, die diese besuchen, muss eine solide Ausbildung durch die Vermittlung hervorragendster Kenntnisse von Wissenschaft und Technik gegeben werden, die sie zusammen mit christlicher Bildung befähigen, eine persönliche Synthese von Kultur und Glauben zu finden, so dass sie gerüstet sind, verantwortungsvolle Aufgaben in der Gesellschaft zu übernehmen, wo sie als Christen Zeugnis geben müssen.
Damit die beiden vorgenannten Elemente verwirklicht werden, müssen die Katholischen Universitäten und ähnliche Einrichtungen in ihrem eigenen Bereich unter ihren Angehörigen - Professoren, Studenten und allen dort Tätigen - über einen Gemeinschaftsgeist hinaus echte Gemeinschaften bilden, in denen gelebtes Christentum sich die Sympathie aller erringt: eine Gemeinschaft, in der das Studium und die wissenschaftliche Forschung ernsthaft, mit der Wahrheit als Ziel, im Rahmen und in der Atmosphäre des gemeinsamen christlichen Lebens betrieben werden. Ich bin sicher, dass ihr vom Sinn eurer Identität beseelt seid, die euch als Katholiken ausweist und keine soziale Qualifizierung sein darf, sondern sich in Leben und Zeugnis umsetzen muss. Die Bejahung Gottes und seiner Rechte als Schöpfer und Herr, seiner Offenbarung und der katholischen Kirche als Hüterin und Deuterin dieser Offenbarung, ausgestattet mit einem lebendigen Lehramt, sind das Fundament, auf das der baut, der mit Christus "sammelt" und nicht "zerstreut" (Lk 11, 23). Die stete Bewusstmachung des kirchlichen Charakters eurer Institutionen muss euch dazu veranlassen, euch immer zu bemühen, zum Besten der Universalkirche und eurer Ortskirchen, in deren Einzugsbereich ihr lebt und arbeitet, zu wirken.
5. Aufgrund langjähriger Erfahrung als Universitätslehrer hebe ich immer wieder die Aufgabe der Universität an deren beiden "Werkbänken" hervor, nämlich, dort wo gearbeitet wird und wo sich ihre Vitalität manifestiert: jene der Forschung und jene der wissenschaftlichen Lehre. Beide Tätigkeiten entwachsen dem Wunsch zu wissen, einem aus dem innersten Herzen des Menschen kommenden Verlangen nach mehr Wahrheit durch Fülle der Liebe.
Um ihre Zielsetzung zu erreichen, braucht sie entsprechende Arbeitsinstrumente; sie muss ununterbrochen ihre Methoden auf den neuesten Stand bringen, damit sie Ansehen in der Kulturwelt genießt; sie muss auf Glaubwürdigkeit achten und auf wissenschaftlichem Gebiet jenen Beitrag leisten, den die Kulturwelt und die Kirche von ihr erwarten.
Von zufälligen Faktoren kann man nie Wahrheiten und echtes Wissen erwarten; sie sind Errungenschaften, für die man die geeigneten Mittel haben muss, wobei Ernsthaftigkeit und Eifer in der kontinuierlichen, geduldigen und koordinierten Forschung die Voraussetzung sind. Ist der Gegenstand der Forschung aber der Mensch - das habe ich mehrfach schon hervorgehoben -, dann darf man in der Gesamtheit seiner Natur niemals die geistige Dimension aus dem Auge verlieren, da man sonst Gefahr läuft, sich in eine verarmte Vorstellung vom Menschen selbst zu verlieren. Es ist Pflicht des Christen, in seiner Forschung und in seiner Lehre verkürzte Vorstellungen von der menschlichen Wirklichkeit abzulehnen und sich bei seiner Arbeit vom Glauben an die Schöpfung des Menschen durch Gott und an die von Christus verwirklichte Auferstehung leiten zu lassen.
6. Wie man wohl weiß, hat die Kirche in Treue zu ihrem göttlichen Stifter, der die Wahrheit als Weg echter Befreiung bezeichnete (Joh 8, 32), immer Institutionen unterstützt, die mit der Lehre und der Suche nach Wahrheit sowie der Bezwingung der Welt durch die Wissenschaft befaßt waren; in historischer Sicht kann man sogar sagen, dass ihr der ehrwürdige Titel "Universitätsgründerin" zusteht, wobei die auf sie zurückgehenden Universitäten im Laufe der Zeit zu Musterbeispielen für diese Art von Instituten geworden sind.
Wie das Zweite Vatikanische Konzil nachdrücklich hervorgehoben hat, gibt es zwischen Kultur und Glauben keinen Widerspruch, im Gegenteil, es kann zu einer gegenseitigen Erleuchtung und Bereicherung kommen. Hier ergibt sich nun eine besondere Verantwortung für die christlichen Wissenschaftler und die katholischen höheren Bildungseinrichtungen, nämlich, dazu beizutragen, das große Ungleichgewicht zwischen der allgemeinen Kultur und der Vertiefung des Glaubens zu beseitigen, das sich in nicht wenigen Fällen frühzeitig verhärtet hat und zu unvermeidbaren Auswirkungen im christlichen Verhalten und seiner Präsenz in der Welt geführt hat.
Mehr als Vermittlung von Wissen
7. In einer Katholischen Universität steht jede Aktivität unter dem unerläßIichen Vorzeichen der intellektuellen Aufrichtigkeit und akademischen Gewissenhaftigkeit im Rahmen des Evangelisierungsauftrags der Kirche. Wie ihr in der bereits angeführten Apostolischen Konstitution Sapientia christiana lesen konntet, hat dieser Evangelisierungsauftrag das Ziel , "die Frohe Botschaft allen Schichten der Bevölkerung zu bringen , .. und mit dem Licht des Evangeliums ihre Werke, ihre Initiativen und ihr ganzes Leben zu durchdringen" (ebd., Proemia, Nr. 1), So wird es hier für jeden einzelnen der Protagonisten des akademischen Lebens sein bei der Einfügung in die Rolle, die ihm bei diesem gemeinsamen Werk gebührt. Ich weiß, dass ihr euch dieser Aufgabe bewusst seid und dass es um euch zu helfen, mit Christus in der Kirche zu gehen - auch bei euch nicht an Initiativen zu einem pastoralen Bildungsplan fehlen wird; ich bin sicher, dass Bischöfe, Priester, Ordensleute und engagierte Laien - kurz alle seelsorgerisch Tätigen - höchstes Interesse für die menschliche und christliche Förderung der Universitätsmitglieder aufbringen werden, um Gott Eingang in die Programmierung und Durchführung der akademischen Tätigkeiten zu verschaffen, damit von hier das religiöse Lob der Weisheit sich erheben kann.
8. Wenn ich an den Professor schlechthin, insbesondere aber an den Lehrer heiliger Disziplinen und vor allem an den Theologen denke, dann glaube ich, dass es allgemeine Überzeugung und Erwartung ist, in ihm etwas mehr als einen einfachen Vermittler von Wissen zu sehen, d. h. einen Erzieher zum christlichen Leben. Tatsächlich sollte ein Mann oder eine Frau, die in einem katholischen Lehrinstitut erzogen wurden, normalerweise vorbereitet sein, das Leben nicht nur mit beruflicher Kompetenz und Schaffensdrang in Angriff zu nehmen. Sie müssen sich als Christen fühlen. Vor allem als Christen, denen bewusst ist, dass der eigene Bildungsstand und die Berufsausbildung als persönlicher erworbener Wert auch dafür von Gott geschenkt werden, um der Gemeinschaft dort zu dienen, wohin sie zu wirken gerufen werden. Diese Überzeugung müßten sie auch aus der Lehre und dem Zeugnis der Professoren gewinnen können.
Ich wende mich besonders an die Theologen und möchte noch einmal die Gelegenheit benutzen, ihnen meinen Dank und meine Anerkennung für ihre Arbeit auszusprechen. Diese Arbeit, ebenfalls geleitet von der Idee, dass theologisches Wissen "ein Talent" ist (Mt 25, 16), wie auch von der sozialen Funktion der Wissenschaft als einem persönlichen Gut, verfügt über einen Raum wissenschaftlicher Autonomie und über Wege legitimer Freiheit, jener Freiheit, zu der Christus uns befreit (GaI5, 1 ff.); aber alle diese Wege führen über den Glauben, der, der Wahrheit gehorsam, durch die Liebe wirkt.
Dieser obligatorische Durchgang läßt diese Wege zusammenfließen in die Bindung mit dem Lehramt und der Hierarchie, was die Freiheit der Forschung, der persönlichen Meinung und wissenschaftlicher Debatten nicht aufhebt. Wie man weiß, braucht die Hierarchie, während sie die Richtlinien der katholischen Einheit gibt, gleichzeitig die theologische Arbeit, der sie vieles entnehmen kann.
Dem Reich Gottes dienen
Weiter werden diese Wege bestimmt durch das Recht der kirchlichen Gemeinschaft darauf, informiert und im Sinn des Glaubens geformt zu sein. So kann man unter einem nichtspezialisierten Publikum keine Hypothesen oder frei zwischen Experten und Fachleuten diskutierte Auffassungen verbreiten, die dann von den Gläubigen nicht ohne Beunruhigung aufgenommen werden. Auch wenn es zwischen der Ebene der Evangelisierung und der Ebene der theologischen Forschung eine Verbindung gibt, darf man nicht vergessen, dass es eine Pädagogik und Imperative in der Abstufung der Botschaft gibt.
Die Sorge, dem Reich Gottes mit aller Liebe zu dienen, muss den Weg der Theologen in ihrer Arbeit leiten. Wenn immer dieser Liebe andere, weniger konstruktive oder klare Ziele übergeordnet werden, könnte die Benutzung dieses Gutes, das man besitzt, zum Mißbrauch führen und Rückwirkungen im Bereich der Nächstenliebe haben, die niemals ungebührlich ist noch ihren Vorteil sucht ... , "sondern sich freut an der Wahrheit" (J' Kor 13, 6). Dies natürlich, ohne die Autonomie in Frage zu stellen, die der Wissenschaft zusteht, welche nicht einfach Helferin des Glaubens ist.
Das soeben dargelegte Prinzip mit seinen praktischen Implikationen gilt nicht nur für die Theologen und die Diener der Sakralwissenschaften, sondern für alle: Je größer das kulturelle Gut eines Menschen ist, desto mehr muss es als Wert "für die anderen" bewusst aktiv, verantwortlich und christlich genutzt werden. Denken und geistig schaffen ist eine Verantwortung; und für die intellektuell tätigen Katholiken ist es ein unumstößliches Prinzip, gut zu denken, und zwar im Licht der menschlichen Würde und in dem Licht, das der Meister, die ewige Weisheit, uns in seiner Person gegeben hat, als er sagte: "Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, wird nicht in der Finsternis umhergehen" (Joh 8, 12).
Liebe Brüder und Schwestern!
Ihr werdet euch sicher an eine Frage erinnern, die ich mir zu Anfang meines Pontifikats stellte, die ich mit der gesamten Kirche - mit einem vom Zweiten Vatikanischen Konzil beseelten und erweiterten Bewusstsein - in der Phase des Suchens, auf vielen Gebieten, teilen wollte: "In welcher Weise muss man es fortsetzen?" In die damals gegebene Antwort, die ständig in meinem Geist lebendig ist, legte ich die Zusammenfassung all dessen, was ich euch mitteilen wollte: "Die einzige Ausrichtung des Geistes, die einzige Zielsetzung des Intellekts, des Willens und des Herzens ist für uns dieses: hin zu Christus, dem Erlöser des Menschen; zu Christus, dem Erlöser der Welt" (Redemptor hominis, Nr. 7).
Ich möchte euch noch einmal meine Freude zum Ausdruck bringen, die ich bei diesem Besuch und Treffen empfing und möchte euch versichern, dass ich euch in Freundschaft verbunden bleiben werde; ich hoffe, dass auch ihr mich als Freund betrachten werdet; im Gebet werden wir unsere Freundschaft pflegen. Ich bitte die Gottesmutter, den Sitz der Weisheit, welche Portugal mit besonderer Liebe im Heiligtum von Fatima - dem Ziel meiner jetzigen apostolischen Pilgerreise - verehrt, dass sie euch mit ihrem mütterlichen Mantel beschütze und spende euch von Herzen meinen Segen.
Ansprache bei der ökumenischen Begegnung mit Vertretern der christlichen, islamischen und jüdischen Bekenntnisse in Lissabon
Überschrieben: Dem Weg des Erbarmens folgen
Verehrte Herren und meine Brüder!
1. Voll Dankbarkeit für die ehrenden Worte und die Wünsche, die an mich gerichtet wurden, will ich die hier anwesenden Vertreter der christlichen Gemeinschaften, des Judentums und des Islams begrüßen, indem ich allen meine brüderliche Achtung und Wertschätzung zum Ausdruck bringe, Die Tatsache, dass wir heute gemeinsam den Glauben an den einen, lebendigen, allmächtigen und barmherzigen Gott, den Schöpfer aller Dinge, bekennen können, würde schon hinreichen, mir diese Begegnung angenehm zu machen; ich freue mich, dass uns diese Gelegenheit zum Zeugnis geboten wurde, die zugleich ein Akt der Huldigung und der Demut vor unserem Gott ist.
Uns verbindet in gewisser Weise der Glaube und ein in vielen Punkten ähnliches Engagement, nämlich durch gute Werke die Kohärenz unserer jeweiligen religiösen Einstellung zu beweisen, und auch der Wunsch, dass unsere Verehrung des Schöpfers aller Dinge anderen Beispiel und Hilfe sein könne bei ihrer Suche nach Gott, bei der Öffnung für das Überirdische, bei der Anerkennung des geistigen Wertes der menschlichen Person und manchmal auch bei der KlarsteIlung der Grundlage und bleibenden Quelle ihrer Rechte. Das ist - wie wir wissen - die Vorbedingung zur Bildung von Kriterien für die Wertschätzung der menschlichen Person, die sich nicht auf die "praktische Nützlichkeit" beschränken, sondern die unantastbare Würde des Menschen zu schützen vermögen. Was die Christen betrifft, stellt der gemeinsame Glaube an Christus, den Erlöser, ein besonderes Motiv der Einheit und des Zeugnisses dar.
2. Die moderne Gesellschaft erscheint uns gespalten oder sogar in großem Umfang geneigt, von Gott und von der Religion "abzusehen", und ganz den materiellen und irdischen Dimensionen des Menschen und des Lebens zugewandt: bewunderswürdige Fortschritte auf allen Gebieten sorgen für großen Wohlstand, scheinen aber bei einigen eine Umkehrung und den Ersatz von Werten zu fördern. Durch die Anerkennung und Verkündigung der geistigen und religiösen Werte werden wir gewiss eine allgemeine lebendige Vorahnung und unter Menschen in normalen Verhältnissen eine gewisse begriffliche Vorstellung von der Wirklichkeit eines existenten Schöpfers wecken und leiten können.
Andererseits gibt es in Treue zu der Religion, zu welcher man sich bekennt, immer einen Freiraum menschlicher Solidarität, weil wir, überzeugt von dem Gut, das der Glaube an Gott für uns darstellt, den spontanen Wunsch spüren, dieses Gut mit anderen zu teilen, Mit aller Ehrfurcht gesagt, können wir uns zum Zeichen des Allmächtigen machen, der für viele der "unbekannte Gott" ist, für andere sich trügerisch in irdischen Kräften zeigt, die unerbittlich von Tod und Vergänglichkeit gekennzeichnet sind.
3. Unsere Kontakte, der Dialog und die Anerkennung der unleugbaren geistlichen Reichtümer jeder Religion, die christliche Zusammengehörigkeit und, wenn möglich, das gemeinsame Gebet können die Konvergenz der Bemühungen begünstigen, der Selbsttäuschung, eine neue Welt ohne Gott aufbauen zu können und der Leere eines rein anthropozentrischen Humanismus zuvorzukommen. Ohne die religiöse Dimension und, was noch schlimmer ist, ohne religiöse Freiheit verarmt der Mensch oder wird um eines seiner Grundrechte betrogen. Und diese Verarmung des Menschen wünschen wir alle zu vermeiden.
So werden wir, wenn wir auch von menschlicher Solidarität motiviert über das Gebet, die Befolgung der Gebote und die Beobachtung der Gerechtigkeit zu einem konsequenten religiösen Leben gelangen, durch unsere Hilfe bei der Suche nach Gott zum Wohl unseres Nächsten und zum Gemeinwohl der Menschheit beitragen. Und das läßt sich verwirklichen: - durch persönliche Redlichkeit und durch Beobachtung der Sitten im privaten und öffentlichen Leben, indem wir der zunehmenden Lockerung der Prinzipien von Moral und Gerechtigkeit sowie der sittlichen Laxheit Einhalt gebieten;
- durch Respektierung des Lebens und der Familie und ihrer Werte, indem wir die Förderung unserer Mitmenschen, was ihr Menschsein und ihre Würde betrifft, und die Festigung der unersetzlichen Fundamente eines geordneten Zusammenlebens in der Gesellschaft begünstigen;
- durch Pflege des echten Sinnes und der praktischen Handhabung der menschlichen Arbeit sowie durch mutige und kluge Beteiligung am gesellschaftlichen und politischen Leben, wobei wir das Wohl aller und den Aufbau der Gesellschaft und der Welt überall auf der Erde immer konformer mit den Plänen und Weisungen Gottes suchen, denn nur so kann es für uns eine gerechtere, friedlichere und von brüderlicher Liebe erfüllte Welt geben.
4. Wie Sie wissen, komme ich als Pilger nach Portugal, um vor allem Gottes Erbarmen zu preisen. Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass der barmherzige Gott diese seine Eigenschaft immer mehr in der ganzen Menschheitsfamilie widergespiegelt sehen möchte; das echte Erbarmen scheint mir unentbehrlich dafür zu sein, den Beziehungen unter den Menschen eine Form und Festigkeit zu geben, die von tiefer Achtung für alles Menschliche und für die Brüderlichkeit inspiriert sind.
Die Christen sind in der Tat dazu aufgefordert, dem Herrn Jesus, dem Vorbild des Erbarmens, nachzufolgen. Auch das Judentum betrachtet das Erbarmen als ein grundlegendes Gebot. Und der Islam erkennt in seinem Glaubensbekenntnis Gott diesen Beinamen zu. Abraham, unser gemeinsamer Vorfahre, lehrt alle - Christen, Juden und Muslime -, diesem Weg des Erbarmens und der Liebe zu folgen.
Es sei mir gestattet, meine Worte mit einem Gebet an den barmherzigen Gott zu beschließen: O Unaussprechlicher, von dem die ganze Schöpfung spricht, o Allmächtiger, der die Menschheit niemals nötigt, sondern sie nur zum Guten einlädt und anleitet, o von Mitleid Erfüllter, der das Erbarmen unter allen Menschen verbreitet sehen möchte: möge er uns stets auf seinen Wegen führen, möge, er unsere Herzen mit seiner Liebe seinem Frieden und seiner Freude erfüllen und uns segnen!
Predigt bei der Meßfeier mit der Jugend in Lissabon
Überschrieben: "Keine Evangelisierung ohne ein jugendliches Herz"
1. Das Reich Gottes ist nahe!
Ja! "Sagt den Leuten: das Reich Gottes ist euch nahe!" (Lk 10, 9). Mit diesen Worten hat Jesus Christus die 72 Jünger bei der Aussendung ermahnt, die Botschaft zu verkünden, wie wir es gerade im Evangelium gehört haben.
Aber diese Worte sind auch an die Christen aller Zeiten gerichtet: vor allem an uns, die wir hier im Namen des Herrn versammelt sind in Kontinuität mit den Jüngern, die sie direkt hörten.
Sie sind besonders an euch Jugendliche gerichtet, die ihr an diesem Nachmittag voll Begeisterung und voll Freude in so großer Zahl hier versammelt seid, um eure Verfügbarkeit für Christus und den Wunsch, eine menschlichere und christlichere Welt aufzubauen, zum Ausdruck zu bringen. Ihr seid die Träger dieser großen Hoffnung der Menschheit, der Kirche und des Papstes. Gott hat mir die Gnade gegeben, die Jugend sehr zu lieben. Deshalb würde ich gern zu euch sprechen, wie ein Freund zu seinem Freund spricht, mit jedem einzelnen, von Auge zu Auge, von Herz zu Herz. "Das Reich Gottes ist nah!" Und fast möchte ich sagen: Diese Worte gelten besonders euch jungen Portugiesen, Kinder eines Volkes von Missionaren, die diese Botschaft verbreitet haben, wie Herr KardinalPatriarch Antonio Ribeiro hervorgehoben hat.
Herr Kardinal, Dank für Ihre Worte. Sie ermutigen mich, und ich nehme sie als Versprechen der Kontinuität an und grüße alle, deren Empfindungen sie ausgedrückt haben. Und in dieser Stunde bezeuge ich im Namen der gesamten Kirche den Dank für das große Evangelisierungswerk der Missionare von Portugal.
Das Reich Gottes ist wirklich nahe! Es hat sich dem Menschen endgültig genähert. Es ist unter uns und in uns.
Die Nähe des Reiches Gottes besteht vor allem in der Tatsache, dass Gott gekommen und Mensch geworden ist. Er ist nahe in Christus; er ist nahe durch Christus, in ihm ist tatsächlich das Reich uns so nahe, dass es in gewissem Sinn schwierig wird, sich eine größere und innigere Nähe vorzustellen. Kann Gott dem Menschen näher sein als durch seine Menschwerdung?
Obwohl so nahe in Christus, unserem Herrn und Erlöser, steht das Reich Gottes immer dem Menschen gegenüber. Es wird den Menschen als eine Aufgabe, die erfüllt, ein Ziel, das erreicht werden muss, vorgestellt. Die Menschen können in den verschiedenen Dimensionen ihrer Existenz sich ihm nähern oder von ihm entfernen. Vor allem können sie dazu gelangen, es in sich selbst zu erfahren und es in sich selbst aufzubauen. Aber sie können es auch aus den Augen verlieren, von der Zukunftsaussicht abirren. Sie können sich sogar dagegenstellen. Sie können auch versuchen, es vom Menschen zu entfernen; sie können den Menschen von ihm entfernen und es ihm entziehen.
Christus kam jedoch in die Welt, um die Menschen in das Reich Gottes zu führen, um das Reich in ihren Herzen und unter ihnen zu errichten. Mehr noch: Christus selbst vertraute dieses Reich den Menschen an. Er rief sie, für das Reich Gottes zu arbeiten. Und diese Arbeit trägt den Namen "Evangelisierung" .
2. Das Wort "Evangelisierung" kommt von "Evangelium", was "Frohe Botschaft" heißt. Das Reich Gottes wird auf diesem Fundament der Frohen Botschaft errichtet. Mehr noch: es ist selbst die Frohe Botschaft. Es ist die Verkündigung der endgültigen Erlösung des Menschen. Und hier könnte man fragen: Was ist "Erlösung"?
Halten wir uns an die Worte von Jesaia, die wir in der ersten Lesung der heutigen Messe gehört haben: "Der Geist des Herrn ruht auf mir; denn der Herr hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine frohe Botschaft bringe und alle heile, deren Herz zerbrochen ist, damit ich den Gefangenen die Entlassung verkünde und den Gefesselten die Befreiung, damit ich ein Gnadenjahr des Herrn ausrufe" (Jes 61, 1-2).
Diese Worte des Propheten warteten viele Jahrhunderte auf den Augenblick, in der Synagoge von Nazaret von dem gelesen zu werden, der als "Sohn des Zimmermanns" galt: Jesus von Nazaret. Nachdem er sie gelesen hatte, sagte er: "Heute hat sich das Schriftwort, das ihr eben gehört habt, erfüllt" (Lk 4, 21). Die Worte des Jesaia, die Jesus von Nazaret als Programm seiner Mission auffaßte, enthalten genau die gute Nachricht von der Erlösung.
Was ist also die Erlösung? Sie ist der Sieg des Guten über das Böse, verwirklicht im Menschen in allen Dimensionen seiner Existenz. Die eigentliche Überwindung des Bösen hat bereits Erlösungscharakter. Die endgültige Form der Erlösung besteht für den Menschen darin, sich vom Bösen ganz zu befreien und die Fülle des Guten zu erlangen. Diese Fülle heißt und ist in der Tat die ewige Erlösung. Sie verwirklicht sich im Reiche Gottes als eine eschatologische Wirklichkeit des ewigen Lebens. Sie ist eine Realität der "zukünfigen Zeit", die durch das Kreuz Christi mit seiner Auferstehung begann.
Alle Menschen sind zum ewigen Leben gerufen. Sie sind zur Erlösung gerufen,
Seid ihr euch dessen bewusst? Seid ihr, meine jungen Freunde, euch dessen bewusst? dass alle Menschen berufen sind, mit Gott zu leben, und dass sie ohne ihn den Schlüssel zu ihrem eigenen Geheimnis verlieren?
3. Dieser Aufruf zum Heil kommt von Christus. Er hat für den Menschen "Worte des ewigen Lebens" (Joh 6, 68) und wendet sich an den Menschen, so wie er unter den gegebenen Umständen ist; er wendet sich an den konkreten Menschen, der auf der Erde lebt. Er wendet sich besonders an den leidenden Menschen. Wie wir in der ersten Lesung gehört haben, kommt er, damit er "alle heile, deren Herz zerbrochen ist .. ' den Trauernden ... Schmuck bringe anstelle von Schmutz, Freudenöl statt Trauergewand, Jubel statt der Verzweiflung" (Jes 61,2-3).
Aber er wendet sich auch an euch Jugendliche!
Ja, an euch Jugendliche: weil euer Geist in besonderer Weise von der wesentlichen Problematik des Heils mit all ihren Hoffnungen und Spannungen, Leiden und Siegen geprägt ist.
Man weiß, wie sehr ihr gegen die Spannung zwischen Gut und Böse empfindlich seid, die in der Welt und in euch besteht. In eurem Inneren leidet ihr beim Anblick des Triumphes der Lüge und Ungerechtigkeit; ihr leidet, weil ihr euch nicht in der Lage fühlt, Wahrheit und Gerechtigkeit siegen zu lassen; ihr leidet, weil ihr entdeckt, gleichzeitig hochherzig und egoistisch zu sein. Ihr möchtet nützlich sein und euch immer bei Unternehmungen zugunsten der Unterdrückten einsetzen, aber ... ihr fühlt euch von so vielen Dingen verraten und von anderen angezogen, die euch die Flügel stutzen. Spontan lehnt ihr das Böse ab und wünscht das Gute. Manchmal aber habt ihr Schwierigkeiten beim Feststellen und Annehmen der Tatsache, dass es, um zum Guten zu gelangen, notwendig ist, Verzicht auf sich zu nehmen, Anstrengung, Kampf und das Kreuz; so erging es jenem jungen Mann, der nach der Vollkommenheit suchte und Jesus folgen wollte, der aber nicht verstehen und annehmen konnte, dass er dafür auf die materiellen Güter verzichten sollte.
Vor allem, liebe Jugend, habt ihr neben diesen Spannungen eine fast natürliche Begabung zur Evangelisierung. Man kann nicht ohne jugendliche Begeisterung evangelisieren, ohne jugendliches Herz, ohne das Zusammenspiel von Eigenschaften, die die Jugend im Überfluss besitzt:
Freude, Hoffnung, Klarheit, Mut, Kreativität, Idealismus ... Ja, eure Empfindsamkeit und eure spontane Hochherzigkeit, der Hang zu allem, was schön ist, machen jeden von euch zu einem "natürlichen Verbündeten" Christi. Darüber hinaus findet ihr nur in Christus die Antwort auf eure Probleme und Beunruhigungen. Und ihr wisst warum: Er war der Mensch, der am meisten liebte; er hat uns ein "Gesetz" der Liebe, sein Evangelium, hinterlassen, das, der Sprache des Konzils nach, "die Freiheit der Kinder Gottes verkündet; jede Art von Knechtschaft verwirft, die letztlich aus der Sünde stammt; sorgfältig die Würde des Gewissens und seine freie Entscheidung respektiert; unablässig dazu mahnt, alle menschlichen Talente im Dienst an Gott und zum Wohl der Menschen Frucht bringen zu lassen; alle endlich der Liebe aller empfiehlt" (Gaudium et spes, Nr. 41).
Erlösung ist ein Sendungsauftrag
Letztlich rettet nur die Liebe. Und ich wiederhole: Heilsproblematik d. h. der Sieg des Guten über das Böse - ist ein Grundthema des menschlichen Lebens. Das menschliche Leben verläuft ganz in seinem Umkreis. Deshalb ist das "Heil" eines jener Themen, die besonders in die Seele der Jugend eingeschrieben sind. Mit Scharfsinn muss man es zu lesen verstehen und es ehrlich leben und Tat werden lassen.
4. Die Erlösung ist ein Sendungsauftrag. Christus ist gekommen, um uns zu sagen, dass das Heil - d. h. das Reich Gottes - ein Sendungsauftrag ist. Er ist auch gekommen, uns zu lehren, wie wir es erlangen können.
Zu den 72 Jüngern, die er ausschickte, "zu zweit voraus in alle Städte und Ortschaften, in die er selbst gehen wollte", sagte Christus: "Die Ernte ist groß, aber es gibt nur wenig Arbeiter. Bittet also den Herrn der Ernte, Arbeiter für seine Ernte auszusenden" (Lk 10, 2).
Die Kirche erinnert uns oft an diese Worte. Sie erinnert uns vor allem daran, um uns zum Gebet für die Priester- und Ordensberufe aufzufordern, für die Berufung zum Missionsdienst.
Liebe Jugend, es genügt aber nicht zu beten, dass der Herr Berufungen erwecke. Man muss selbst auf den Ruf hören, den er an uns richten möchte, und es darf uns nicht an Mut fehlen, hochherzig auf diesen Ruf zu antworten. Die christlichen Gemeinden brauchen Priester, die sie mit dem Wort und dem Leib Christi nähren: Sie brauchen das Ordensleben, das Zeichen Gottes und die Hingabe an Gott zum Wohl der Brüder. Möchtet ihr nicht die Gegenwart des Herrn in der heutigen Welt weiterführen, "den Kindern antworten, die ,um Brot betteln und keiner bricht es ihnen'" (KlgI4, 4)?
Von der Evangelisierung sprechen, an die missionarischen Aufgaben hier in Portugal erinnern heißt, sich einen der positivsten Aspekte der Geschichte eures Landes zu vergegenwärtigen. Von hier sind viele Missionare, eure Vorfahren, ausgezogen, welche die frohe Botschaft der Erlösung anderen Menschen brachten, nach Osten und Westen (Japan, Indien, Afrika, Brasilien ... ); und noch heute sind die Früchte dieser Missionare sichtbar. Und viele dieser Missionare waren so jung wie ihr. Wie sollte man hier in Lissabon nicht u. a. des Beispiels von San João de Brito, des jungen Mannes aus Lissabon, gedenken, der das bequeme Hofleben aufgab und nach Indien zog, um die Heilsbotschaft den Allerärmsten und den Ausgestoßenen zu bringen, der sich mit ihnen identifizierte und seine Treue zu Christus und den Brüdern mit dem Zeugnis des Martyriums besiegelte.
Jungen und Mädchen von Portugal: Erhebt die Augen und schaut "die goldenen Felder der Ernte", die auf die Arbeiter warten.
5. Wir haben vom Priesteramt, dem Ordensleben und der Missionsarbeit als Formen der Berufung gesprochen, die eine besondere Bedeutung für die Evangelisierung haben und für die die Kirche besonders betet. Man fühlt sich zu diesem Gebet durch die Worte des Herrn gerufen: "Bittet also den Herrn der Ernte, Arbeiter für seine Ernte auszusenden" (Lk 10,2).
Aber die Worte des Herrn Jesus über die "große Ernte" und die Arbeiter müssen wir noch in einem viel grundlegenderen und gleichzeitig breiteren Rahmen verstehen als in jenem, in dem wir die Formen der Berufung in der Kirche eben erwähnt haben.
"Arbeit in uns selbst"
Wenn Christus von der "Ernte", von der "großen Ernte" und den "Arbeitern" spricht, will er uns, seinen Zuhörern, zunächst zu verstehen geben, dass das "Reich Gottes", d. h. das "Heil", die große Aufgabe aller Menschen ist. Jede Person muss sich als "Arbeiter" fühlen, als verantwortlich für das eigene Heil: als zur "Ernte" gerufener Arbeiter. Jeder Mensch muss sich das Heil ehrlich "verdienen". Das ist wesentlich für das gesamte Werk der Evangelisierung.
"Ernte" heißt also, sich selbst missionieren. Jeder ist durch das Wort Gottes zu dieser Arbeit gerufen, insbesondere jeder Junge und jedes Mädchen. Wir können nicht andere bekehren, wenn wir zuvor nicht uns selbst bekehrt haben. Wir können nicht zum Heil anderer beitragen, solange wir nicht selbst auf dem Heilsweg sind.
Wir haben diesen langen Heilsweg mit dem Tag unserer Taufe begonnen, als wir mit der Verwerfung des Bösen das Gute in Jesus Christus gewählt haben; wir haben damit begonnen, das neue Leben zu leben, die Frucht seines Todes und seiner Auferstehung. Dieses Leben muss sich ständig weiter entfalten. Dafür ist er bei uns geblieben, in der Kirche: er blieb vor allem in den Sakramenten; er blieb in der Eucharistie und in der Buße. Ihr alle, meine lieben jungen Freunde, wisst ihr die Quellen des Lebens zu schätzen? Wißt ihr der Einladung Jesu - des Brotes des Lebens! - zu entsprechen, indem ihr bewusst an der Eucharistie teilnehmt mit dem Wunsch, in der Fülle zu leben, das Böse zu besiegen und das Gute zu erringen? Und wenn es wegen der Sünde, der Unvollkommenheit oder der Schwäche notwendig ist, wisst ihr den Weg der Umkehr und der Versöhnung zu gehen, indem ihr das Bußsakrament, die Vergebung und das Leben sucht? Bildet euer Gewissen und seid dem Herrn treu, der liebt und verzeiht.
6. Während wir mit der "Arbeit in uns selbst" beginnen, sehen wir klar, dass wir nicht "Arbeiter am eigenen Heil" sein können, ohne gleichzeitig an die anderen zu denken. Das Problem des eigenen Heils ist mit der Frage des Heils der anderen organisch verbunden. Auch dies ist wesentlich für die Evangelisierung. Der Mensch beginnt sein Leben als Empfangender. Mit der Geburt findet er sich in einer von anderen, vor allem von den Nächststehenden bereiteten Welt: Eltern, Brüder und Schwestern. Dort empfängt das Kind alles, von der Nahrung bis zur Bildung. Es lernt dort sprechen, gehen und zusammenleben. Wenn der junge Mensch sich seines Reichtums und seiner Fähigkeiten bewusst wird, dann versucht er von der kindlichen Phase des Nehmens in die Phase des Gebens hinüberzuwechseln. Die vorgefundene Welt befriedigt ihn nicht, er will "seine Welt" schaffen. Es ist der Zeitpunkt der großen Entscheidung im Leben. Es ist der Augenblick, wo sich die grundlegende Orientierung abzeichnet und vorbereitet, die den Rest des Lebens kennzeichnen wird.
Dieser Übergang vom Nehmen zum Geben, von der Abhängigkeit zur Eigenverantwortlichkeit geschieht nicht ohne Krise. Es ist vorwiegend eine Krise des Wachstums und der Reife. Oft wird der Jugendliche nicht verstanden und versteht sich selbst nicht. Er will nicht mehr als Kind behandelt werden, fühlt sich aber noch nicht als Erwachsener. Oft schwankt er in seinem Inneren.
Anderseits scheint alles in ihm in Gärung zu sein; er entdeckt Werte, die Geschlechtlichkeit, die Liebe und Ideale; und er entdeckt auch die wahre Dimension des Glaubens. Eine großartige Entdeckung für euch, liebe Jugend!
Die Welt erscheint euch nun nicht mehr ein Mythos, sondern eine große Aufgabe, die sich euch stellt; euer Leben ist nun nicht mehr ein Geschenk. Es wird eine Verpflichtung. Eure Einstellung ist nicht eingeschränkt durch die Erwartung, alles vorbereitet zu finden. Zwei große Sorgen rücken mit der Aussicht auf die Zukunft auf euch zu: die Vorbereitung auf den Beruf und die Vorbereitung auf den Lebensstand. Diese beiden Sorgen beschäftigen euch bisweilen so sehr, dass ihr ungeduldig werdet. Eure jugendliche Spannung kann man zusammenfassend definieren als eine Spannung zwischen dem "schon" und dem "noch nicht". Ihr fühlt bereits die Verantwortung, habt aber noch keine Gelegenheit, sie zu beweisen. Ihr wollt schon zum Allgemeinwohl beitragen, sei es mit Ideen oder Taten, aber noch bietet sich dazu keine Chance.
Das ist nun genau der Augenblick, der große Augenblick der Entscheidung und der Vorbereitung eurer Zukunft, in dem ihr Christus noch mehr braucht. Von ihm geleitet, könnt ihr euren Beruf und eure Zukunft wählen, indem ihr das Allgemeinwohl und die Forderungen des Gottesreiches, die Forderungen des Glaubens bejaht. Ihr seid aufgerufen, für das Heil der anderen zu "arbeiten", und zwar zur gleichen Zeit, in der ihr für euer Heil arbeitet. Ihr seid aufgerufen, Apostel zu sein, die gute Nachricht zu verkünden, ungeachtet eurer Zukunftsentscheidungen. Seid hochherzig: Wählt mit Liebe und bereitet euch gut vor. Bereitet euch aufrichtig und würdig auf den Beruf vor; bereitet euch auf den von euch gewünschten Lebensstand vor; wenn ihr die Ehe anstrebt, dann seid ernsthaft und respektvoll gegen den Menschen, der eines Tages mit euch das Leben und die Ideale der Familie im Sinne Gottes teilen wird.
7. Wahrlich, die "Ernte ist groß". Wichtig ist nur, dass jeder von uns zum "Arbeiter" im Sinn des Evangeliums wird. Die "Ernte" bezeichnet die Frucht der menschlichen Arbeit. Sie bezeichnet zur gleichen Zeit die Gabe, die uns durch die Schöpfung erreicht.
Das Heil, von Christus dem Menschen als seine Aufgabe gestellt, ist gleichzeitig und vor allem eine Gabe. " ... ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen, der auf euch herabkommen wird; und ihr werdet meine Zeugen sein in Jerusalem und in ganz Judäa und Samarien und bis an die Grenzen der Erde" (Apg 1, 8). Das sind die letzten Worte, die der auferstandene Christus nach der Apostelgeschichte auf der Erde vor seiner Himmelfahrt gesprochen hat. Hier befinden wir uns in dem liturgischen Abschnitt, der von der Auferstehung bis Pfingsten reicht: Deshalb sind diese Worte für uns von besonderer Aktualität.
Vom Heiligen Geist erhielten die Menschen die Kraft, ihr Heil zu wirken; d. h., das Heil ist für die Menschen eine persönliche und gemeinschaftliche Aufgabe, die mit der Kraft des Heiligen Geistes verwirklicht werden muss, Deshalb bedeutet sie vor allem eine Gabe. Es ist eine große Gabe, über die Gott mit dem Menschen etwas teilt, was wesentlich das Seine ist. In einem gewissen Sinn "gibt er sich selbst dem Menschen": Er schenkt sich selbst' in Christus.
Er schenkt sich, um die Kraft der Wahrheit und der Liebe zu sein, die den "neuen Menschen" formt, der fähig ist, die Welt zu verwandeln: Kraft der Wahrheit, die sich als Forderung des Gewissens und der menschlichen Würde manifestiert, die die Entscheidungen der Liebe fällt; der Liebe, die sich nähert, vereint, erhebt, aufbaut und heilt, wenn wir anderen die Hand in menschlicher, christlicher und kirchlicher Brüderlichkeit reichen. Er schenkt sich insbesondere in den Sakramenten - Taufe, Firmung, Buße, Eucharistie -, durch die die Gnade gespendet oder vermehrt wird, die vom Abendmahlssaal bis zu uns gekommen ist als das lebendige Brot, und als "Kraft", die uns Tag für Tag bis zu unserer Auferstehung zum ewigen Leben (vgl. Joh 6, 51.58) Christus schenkt, um mit dem Vater zu leben. Deshalb müssen wir immer das Heil als Gnade erfahren und uns ihm wie einer Aufgabe widmen. Je mehr wir um die Größe dieser Gnade wissen, desto glühender werden wir uns dieser Sendung hingeben, desto ernsthafter werden wir die "Erntearbeiter" sein. Hier liegt der Grund des Problems; das ist der lebendige Kontext der Evangelisierung.
8. Der auferstandene Christus beruft seine Jünger zur Evangelisierung, indem er ihnen sagt: "Ihr werdet meine Zeugen sein" (Apg 1, 8). Das ist das Schlüsselwort!
Wir werden Zeugen Christi, wenn in uns - wie in den Jüngern des Evangeliums - das Problem des Heils reift, das Problem der Berufung in das Reich Gottes. Wenn wir uns ihm stellen und es uns zu eigen machen, dann identifizieren wir uns mit ihm: wenn es unserem ganzen Leben und unserem Handeln eine Richtung gibt.
Jugendliche, Jungen und Mädchen, Söhne und Töchter des Portugals von heute: Schaut auf die vielen, die euch vorausgegangen sind, auch sie sind Kinder dieses Vaterlandes, Kinder seiner Kultur und seiner Sprache, seiner Leiden und seiner Siege.
Wie viele von ihnen sind dem Ruf Christi in völliger Hingabe ihres Lebens gefolgt! Von der heiligen Königin Isabel bis Johannes de Deus, von Antonius bis João de Brito - um nur von den kanonisierten Heiligen zu sprechen -, auf verschiedenen Wegen haben alle sich in der Liebe Gottes bewegt, liebten das Ideal der Wahrheit und Liebe und ließen sich vom Geist Christi führen.
Und wer möchte behaupten, dass euch jungen Portugiesen von heute mit eurer Begeisterung und Freude Christus weniger am Herzen liegt, dass ihr weniger verfügbar und ihm weniger ergeben seid als die Menschen der Vergangenheit? Ja, Christus vertraut euch! Die Kirche vertraut euch! Der Papst vertraut euch!
Hört, liebe Jugend, hört noch einmal den Ruf Christi: Seid seine Zeugen!
Samstag, den 15. Mai 1982
Ansprache bei der Ankunft in Coimbra
Überschrieben: "Die Tradition von Coimbra hochhalten"
Gelobt sei unser Herr Jesus Christus!
1. Ich danke dem Herrn Bischof von Coimbra, Msgr. João Alves, für seine herzlichen Begrüßungsworte! Ich danke Ihren Exzellenzen für Ihre ehrenvolle Anwesenheit! Dank meinen Brüdern im Bischofsamt! Dank allen Brüdern und Schwestern in Christus!
Wenn ich etwas von dieser berühmten Stadt Coimbra las oder hörte, verbanden sich in meinem Geist stets folgende Gedanken: Heiligkeit und Schönheit, Geschichte und Leben.
- Heiligkeit, die sich vor allem mit den Namen des hl. Teutonius und der hl. Königin Isabella und irgendwie auch mit dem hl. Antonius verbindet; - Schönheit, mit welcher Gott diese Gegend des portugiesischen Landes ausgestattet hat, und Schönheit, die vom Menschen in Kunst, Literatur und Musik geschaffen wurde;
- Geschichte, die unter dem Rost der Jahrhunderte verlorenging: vom "Conimbriga" der Römer über die Anfänge der Nation bis zu den 800 Jahren portugiesischen Lebens und portugiesischer Kultur;
- Leben schließlich, das mit dieser sympathischen Bevölkerung in Zusammenhang steht, aus welcher die jungen Studenten dieses berühmten "portugiesischen Athen" hervorragen, die sogenannte "Combriccola", der ich - wenn es gestattet ist - sagen möchte: Seht, der Papst zählt auf euch! Oder, besser, Christus zählt auf euch!
2. Aber jetzt liegt Coimbra vor meinen Augen und ist an die Stelle der Vorstellungen und Ideen getreten. Coimbra, das seid ihr. Ihr alle: der Klerus, die Ordensleute und die Gläubigen dieser Diözese; ihr Seminaristen; ihr Väter und Mütter, Jugendliche und Kinder; ihr, denen bedeutende Aufgaben obliegen, und ihr, die ihr einfache Dienste verrichtet; ihr, "die Geringsten" - wie euch der Herr genannt hat -, ihr alle, die ihr an Leib oder Seele leidet, wobei ich besonders an die Kranken in den verschiedenen Krankenhäusern der Stadt denke; alle, alle, ohne dass ich irgend jemanden vergessen möchte. Der Papst grüßt alle, er will alle ermutigen und segnen.
Coimbra, das seid ihr! In euch sehe ich konkret Schönheit und Leben ausgedrückt; und in der Hoffnung, die sich in eurer Geschichte bestätigt, sehe ich die Heiligkeit, die ich euch wünsche und durch die Fürsprache eurer Schutzheiligen für euch erbitte, deren Andenken ihr gewiss hoch halten wollt, wenn ihr die Tradition von Coimbra hoch haltet durch die Treue zu Gott, durch Christus, in der heiligen Kirche.
3. Aber es sei mir gestattet, meinen Horizont zu erweitern und die Gefühle meiner Seele zum Ausdruck zu bringen, um die ganze Region das Zentrum von Portugal - von Leiria bis Castelo Branco und Guarda und von A veiro bis Viseu zu umarmen, die hier gut vertreten ist: durch ihre Bischöfe und die Gläubigen der Diözese (mir scheint, sie sind zahlreich), die zur Begegnung mit dem Papst, dem Nachfolger des hl. Petrus, hierhergekommen sind. Ich grüße alle ganz herzlich! Allen wünsche ich alles Gute! Für alle wiederhole ich - und ich möchte es als Erinnerung hinterlassen - ein Wort, das der erste Papst geschrieben hat, der Apostel und Fischer aus Galiläa; ich spreche es hier, in Portugal, und in einer Gegend, wo es viele Fischer gibt, denen meine ganze Sympathie gehört: Durch Christus "seid ihr zum Glauben an Gott gekommen ... , so dass ihr an Gott glauben und auf ihn hoffen könnt. Der Wahrheit gehorsam, ... hört nicht auf, einander von Herzen zu lieben" (I Petr 1,21 ff.). Und seid gewiss, dass der barmherzige Gott euch sehr liebt.
Indem ich euch alle mit "dem Kuss der Liebe" begrüße, erbitte ich für alle durch die Fürsprache der heiligen Jungfrau Gottes Gnade. Mit meinem Apostolischen Segen.
Ansprache an die Repräsentanten von Wissenschaft und Kultur beim Besuch der Universität von Coimbra
Überschrieben: Dem Verlust der Kultur liegt eine Krise der Wahrheit zugrunde
Eure Magnifizenz,
meine Herren Professoren und Studenten dieser Universität,
meine Damen und Herren!
1. Es ist für mich ein Augenblick großer Freude, hier in dieser Universität zu sein, die eine der ältesten von Europa und eng mit dem Wirken der Kirche verbunden ist. Von Beginn an unter den Schutz Gottes und der allerseligsten Jungfrau gestellt, hat sie im Laufe ihrer Geschichte auch eine formelle Verpflichtung für die Verteidigung der Lehre von der Unbefleckten Empfängnis der allerseligsten Jungfrau Maria übernommen. Deswegen spüre ich hier das Pochen einer langen Tradition marianischer Verehrung, die auf die höchste Stufe nationaler Kultur erhoben ist. Ich begrüße besonders seine Magnifizenz, den Herrn Rektor, der mich empfangen hat; ich begrüße den Lehrkörper - die ordentlichen und außerordentlichen Professoren und Assistenten - sowie die lieben Studenten und alle, die mit der Gemeinschaft der geistigen Arbeit an dieser berühmten Universität verbunden sind. Ich begrüße sehr herzlich alle KuIturschaffenden dieser edlen Nation, die hier anwesend oder vertreten sind.
Ich erkenne den Wert ihrer Arbeit zum Besten der Menschen an, ich komme und begegne Ihnen mit Hochachtung und habe an die langen Jahre gedacht, in denen ich in meiner Universität gearbeitet habe, und an die glücklichen Erfahrungen, die dieses Zusammenleben mir gab. Wir sind alle überzeugt, dass eine neue Zivilisation in Einklang mit den Bestrebungen und Erfordernissen unserer Epoche zuerst durch den Verstand und danach erst durch die Hände geformt werden muss. Kulturschaffende, euch obliegt die grundlegende Aufgabe, für die Zukunft zu planen, sie auf den unschätzbaren Werten eurer kulturellen Tradition und dem unerschöpflichen Reichtum der portugiesischen Seele aufzubauen. Ich bin hier als Freund, der sein Herz mit Vertrauen in der Bereitschaft zur Anregung für die gemeinsamen Probleme öffnet.
2. Sie wissen sicher, wie sehr die Kirche der Kultur dankbar ist und wie sie deren Förderung anerkennt. Sie ist außerordentlich an der Kultur interessiert, da sie wohl weiß, was diese für den Menschen bedeutet. Weder auf individueller noch auf gesellschaftlicher Ebene wird sich die menschliche Persönlichkeit voll entfalten können, das ist nur über die Kultur möglich.
Kontakte mit neuen Welten
Dies scheint einleuchtend, wenn wir bedenken, dass die Kultur in ihrer tiefsten Wirklichkeit nur die besondere Weise ist, die ein Volk hat, um die eigenen Beziehungen zur Natur, zwischen seinen Angehörigen und mit Gott zu pflegen, um ein wahrhaft menschliches Lebensniveau zu erreichen; es ist der "Stil des Gemeinschaftslebens" , der ein bestimmtes Volk charakterisiert. Unter den verschiedenen Kulturen nimmt die portugiesische Kultur einen Ehrenplatz ein. Sie ist eine reiche und jahrhundertealte Kultur mit ganz bestimmten Zügen, die sie klar von anderen Völkern unterscheidet. Sie drückt die eigene Art der Portugiesen, "in der Welt zu sein", ihre eigene Lebensvorstellung und ihre religiöse Daseinsdeutung aus. Es ist eine im Verlauf von 800 Jahren - solange die Nation bestehtgeschmiedete Kultur, die durch die vielen und langen Kontakte, die Portugal in seiner Geschichte mit den verschiedensten Völkern mehrerer Kontinente gehabt hat, Bereicherungen erfahren hat.
An dieser Stelle möchte ich an die bewundernswerte zivilisatorische Leistung erinnern, welche die Portugiesen zusammen mit der Evangelisierung über Jahrhunderte hinweg in allen Teilen der Welt, in die sie gekommen sind, vollbracht haben. In diesem Rahmen der Kontakte mit neuen Welten und in diesem kulturellen Kontakt muss man sich Luis de Camöes und seine "Lusiaden" vorstellen, sein Hauptwerk, das mit vollem Recht zu den Standardwerken der Weltliteratur zählt. Ich möchte auch auf den bedeutenden Beitrag hinweisen, den Ihr Land durch die Entdeckungen für die Entwicklung der Wissenschaft geleistet hat. Von den vielen Namen, die wir zitieren könnten, möchte ich nur Pedro Nunes, den Erfinder des "Nonius", und den Arzt und Naturwissenschaftler Garcia de Horta anführen. Selbst im Bereich der Kunst hat diese Begegnung von Zivilisationen in eurem unverwechselbaren "Stile manuelino" ihren Ausdruck gefunden.
3. Die Kultur ist dem Menschen eigen, sie kommt vom Menschen und ist für den Menschen bestimmt.
Die Kultur ist dem Menschen eigen. Wenn man in der Vergangenheit den Menschen definieren wollte, berief man sich fast immer auf die Vernunft oder die Freiheit oder die Sprache. Neue Fortschritte der kulturellen und der philosophischen Anthropologie zeigen, dass man eine nicht weniger gen aue Definition der menschlichen Wirklichkeit erhält, wenn man sich auf die Kultur bezieht. Diese charakterisiert den Menschen und unterscheidet ihn von anderen Wesen nicht weniger klar als der Verstand, die Freiheit und die Sprache. Solche Wesen haben tatsächlich keine Kultur, sie sind nicht Schöpfer der Kultur; sie sind höchstens passive Empfänger kultureller Anstöße, die der Mensch in die Tat umgesetzt hat. Um heranzuwachsen und zu überleben, sind sie von der Natur mit gewissen Instinkten und bestimmten Hilfsmitteln sowohl für das Überleben als auch für die Verteidigung ausgerüstet; der Mensch dagegen besitzt statt dessen den Verstand und die Hände, welche das Organ seiner Organe sind, da der Mensch mit ihrer Hilfe sich mit Werkzeugen ausrüsten kann, um seine Zielsetzungen zu erreichen.<ref> Vgl. Thomas von Aquin , S. Theol. I, 76, 5 ad 4.</ref>
Kultur bedeutet Gesamtheit der Werte
Die Kultur kommt vom Menschen! Dieser erhält unentgeltlich von der Natur eine Gesamtheit von Fähigkeiten, von Talenten, wie das Evangelium sie bezeichnet, und mit seiner Intelligenz, seinem Willen und seiner Arbeit muss er sie entwickeln und nutzbringend anwenden. Die Pflege der Talente, sowohl von seiten des Individuums als auch von seiten der sozialen Gruppe, mit der Absicht, sie und sich selbst zu vervollkommnen und die Natur zu beherrschen, baut die Kultur auf. So verwirklicht der Mensch mit der Bebauung des Landes den Schöpfungsplan Gottes; mit der Pflege der Wissenschaften und der Künste arbeitet er für die Erhöhung der menschlichen Familie und um zur Kontemplation Gottes zu kommen.
Die Kultur ist für den Menschen. Dieser ist nicht nur Schöpfer von Kultur, sondern darüber hinaus ihr Hauptempfänger. In den zwei grundlegenden Bedeutungen, Bildung des Individuums und geistige Bildung der Gesellschaft, hat die Kultur die Verwirklichung der Person in allen ihren Dimensionen, mit allen ihren Fähigkeiten im Auge. Das höchste Ziel der Kultur ist, den Menschen als Mensch, den Menschen als Persönlichkeit, d. h. jeden Menschen als einziges und unwiederholbares Exemplar der menschlichen Familie, zu entwickeln.
In dieser Weise verstanden, umfaßt die Kultur das ganze Leben eines Volkes: die Gesamtheit der Werte, die es beseelen und, da alle Bürger daran teilhaben, diese verbindet auf der Basis des gleichen "persönlichen und kollektiven Bewusstseins";<ref> Evangelii nuntiandi, Nr. 18. </ref> die Kultur umfaßt auch die Formen, in denen die Werte sich ausdrücken und Gestalt annehmen, d. h. die Sitten, die Sprache, die Kunst, die Literatur, die Institutionen und die Strukturen des sozialen Zusammenlebens.
4. Der Mensch ist als kulturelles Wesen - Sie wissen das, meine Damen und Herren - nicht vorgefertigt. Er muss sich mit eigenen Händen formen. Aber nach welchem Plan? Welches Modell, falls es eines gibt, muss er vor Augen haben? Es hat im Verlauf der Geschichte nicht an Vorschlägen zu einem solchen Modell gefehlt. Und hier tritt, wie man weiß, die Bedeutung der philosophischen Anthropologie in den Vordergrund.
Um gültig zu sein, muss ein kulturelles Projekt der geistigen Dimension den Primat einräumen, jener Dimension, die ein Mehr an "Sein" höher achtet als ein Mehr an "Haben".
Ich erlaube mir bei dieser Gelegenheit an das, was ich den Vertretern der UNESCO sagte, zu erinnern: "Kultur ist das, wodurch der Mensch als solcher mehr Mensch wird, mehr Mensch ist, besser zum ,Sein' gelangt. Das ist auch die Grundlage für die fundamentale Unterscheidung zwischen dem, was der Mensch ,ist', und dem, was er hat, zwischen Sein und Haben. Die Kultur steht immer in wesentlicher und notwendiger Beziehung zu dem, was der Mensch ist, während ihre Beziehung zu dem, was er hat, zu seinem ,Haben', nicht nur zweitrangig, sondern völlig relativ ist. Das ganze ,Haben' des Menschen ist nur so weit bedeutsam für die Kultur, ist nur in dem Maß ein Kultur schaffender Faktor, wie es dem Menschen als Hilfsmittel zu einem volleren ,Sein' als Mensch dient, wie es ihm verhilft, in vollerem Sinne Mensch in allen Dimensionen seines Daseins und in allem, was seine Menschlichkeit auszeichnet, zu sein".<ref> Ansprache an den Exekutivrat der UNESCO, 2. 6. 1980, Nr. 7. </ref> Das Ziel der kulturellen Wahrheit ist folglich, aus dem Menschen eine Persönlichkeit zu machen, einen vollkommen entwickelten Geist, der fähig ist, die allseitige Verwirklichung seiner Fähigkeiten anzustreben.
Geschichtlich gesehen versuchte jede Gesellschaft, jede Nation, jedes Volk ein menschliches Projekt auszuarbeiten, ein Menschheitsideal, um die Bürger nach ihm zu bilden, wobei allgemein den geistigen Werten die Vorrangstellung zuerkannt wird.
Wie Sie wissen, hat die Kirche ebenfalls einen Plan der Menschlichkeit, der vom Zweiten Vatikanischen Konzil wiederbelebt und vorgelegt wurde. In voller Übereinstimmung mit den Forschungsergebnissen der philosophischen und kulturellen Anthropologie hat das Konzil bestätigt, dass die Kultur ein wesentliches Bildungselement ist und deswegen mit allen Mitteln gefördert werden muss. Dies sind die Worte des Konzils: Die Kultur muss die Perfektion des Menschen anstreben, denn "wenn er sich den verschiedenen Fächern, der Philosophie und Geschichte, der Mathematik und Naturwissenschaft, widmet und sich künstlerisch betätigt, dann kann er im höchsten Grad dazu beitragen, dass die menschliche Familie zu den höheren Prinzipien des Wahren, Guten und Schönen und zu einer umfassenden Weltanschauung kommt".<ref> Gaudium et spes, Nr. 57. </ref>
Anregungen durch den Glauben
5. Mit dem Vorschlag ihres Menschheitsideals beabsichtigt die Kirche nicht, die Autonomie der Kultur zu verneinen. Ganz im Gegenteil, sie achtet sie hoch, so wie sie den Menschen hochachtet; für beide verteidigt sie offen die freie Initiative und die autonome Entwicklung. Da die Kultur unmittelbar der rationalen und sozialen Natur des Menschen entspringt, braucht sie konstant, um sich entwickeln zu können, wahre Freiheit und echte Selbständigkeit. Mit Grund also, da die Rechte der Person und der Einzel- und Gesamtgemeinschaft - wie evident ist - immer geschützt sind, braucht die Kultur einen Freiheitsraum, muss sie respektiert werden und muss ihre Unabhängigkeit in bezug auf politische und wirtschaftliche Kräfte bewahren können.<ref> Vgl. Gaudium et spes, Nr. 59. </ref>
Die Geschichte jedoch lehrt uns, dass der Mensch und die von ihm geschaffene Kultur die Autonomie mißbrauchen können, auf die sie ein Anrecht haben. Die Kultur wie ihre Schöpfer können in Versuchung geraten, für sich selbst eine absolute Unabhängigkeit vor Gott zu beanspruchen. Sie können sogar versuchen, sich gegen ihn aufzulehnen. Für uns, die wir das Glück des Glaubens an Gott haben, ist diese Feststellung schmerzlich.
Die Kirche ist sich dieser Realität bewusst. Diese ist ein Teil - Sie wissen das, meine Damen und Herren - des ewigen Kampfes zwischen Gut und Böse. Von Natur aus ist die Kirche berufen, auf das Gute hinzuweisen und das Böse zu heilen oder auszurotten. Von Christus erhielt sie den Auftrag, den konkreten Menschen, den geschichtlichen Menschen in seinem ganzen Wesen, äußerlich und innerlich, persönlich und gesellschaftlich, geistig, moralisch und kulturell, vor dem Bösen zu retten. Einer der Wege zur Erfüllung dieses Sendungs auftrags der Kirche ist die Förderung der Kultur, verstanden als Bildung der Persönlichkeit, als geistige Grundlage, als soziale Information.
In der Sicht der Kirche ist Kultur keine Sache, die mit dem Glauben nichts zu tun hat, sondern eine, die von diesem tiefe und fruchtbare Anregungen empfangen kann.
Man darf die Beziehung der Kultur zum Glauben nicht rein passiv auffassen. Die Kultur ist nicht nur Träger der Erlösung und Erhöhung, sondern kann auch Mittlerin und Mitarbeiterin sein. So bediente sich Gott einer besonderen Kultur, als er sich dem auserwählten Volk offenbarte; das gleiche tat Jesus Christus, der Sohn Gottes: Seine Menschwerdung war zugleich eine kulturelle Inkarnation. "In gleicher Weise nimmt die Kirche, die im Lauf der Zeit in je verschiedener Umwelt lebt, die Errungenschaften der einzelnen Kulturen in Gebrauch, um die Botschaft Christi in ihrer Verkündigung bei allen Völkern zu verbreiten und zu erklären, um sie zu erforschen und tiefer zu verstehen, um sie in der liturgischen Feier und im Leben der vielgestaltigen Gemeinschaft der Gläubigen besser Gestalt werden zu lassen".<ref> Gaudium et spes, Nr. 58. </ref>
In unserer Zeit sucht die Kirche - ohne ihre Tradition aufzugeben, aber ihres universellen Auftrags bewusst - den Dialog mit den verschiedenen Formen der Kultur: Sie bemüht sich, das zu finden, was das herrliche Erbe des menschlichen Geistes verbindet, und läßt nichts unversucht, um allen Kulturen, allen ideologischen Vorstellungen und allen Menschen guten Willens näherzukommen, auch wenn der Einklang der Kultur mit dem Glauben nicht immer ohne Schwierigkeiten möglich ist.
Kultureller Fortschritt durch Zivilisation?
6. Meine Damen und Herren! Sie alle haben erkannt, dass mehr oder weniger überall die Lebensbedingungen des heutigen Menschen auf sozialem und kulturellem Gebiet tiefgreifende Veränderungen erfahren haben. An diesem Punkt kann man von einer "neuen Ära der menschlichen Geschichte sprechen".<ref> Gaudium et spes, Nr. 54. </ref> Die Entwicklung und der Fortschritt der Zivilisation, durch die Vorherrschaft der Technik gekennzeichnet, bieten für die Verbreitung der Kultur neue Möglichkeiten, welche durch die erstaunliche Entwicklung in den Natur-, Human- und Sozialwissenschaften und durch die außerordentliche Perfektionierung und Koordinierung der Kommunikationsmittel gegeben sind.
Wir freuen uns aus erklärlichen Gründen darüber und sind der Wissenschaft und ihren Hauptgestalten dafür sehr dankbar.
Aber dieser große Fortschritt, dem man schwerlich die Anerkennung echter menschlicher Größe verweigern kann, ruft auch Bedenken hervor. Nicht selten drängt sich uns die Frage auf: Macht dieser Fortschritt, dessen Urheber und Schrittmacher der Mensch ist, das Leben auf der Erde "menschlicher"? Wird der Mensch als solcher durch all diesen Fortschritt besser? Das heißt: Stellt er sich geistig reifer dar, ist er seiner Würde bewusster, verantwortungsvoller, aufgeschlossener gegenüber den anderen - insbesondere gegenüber den Schwächsten und Bedürftigsten und schließlich bereitwilliger, allen zu helfen?<ref> Vgl. Redemptor hominis, Nr. 15. </ref>
Krise der Metaphysik
Es scheint heute kein Zweifel darüber zu bestehen, dass die moderne Kultur, seit Jahrhunderten Seele der westlichen Gesellschaft und - durch diese - weitgehend auch anderer Gesellschaften, eine Krise durchmacht: Sie stellt sich bereits nicht mehr als beseelendes Prinzip der Gesellschaft dar, die sich ihrerseits als aufgelöst und in Schwierigkeiten befindlich darbietet, wenn es um die Durchführung ihrer eigentlichen Aufgabe geht, nämlich den Menschen innerlich in seinem ganzen Sein wachsen zu lassen. Diesem Verlust der Kultur an Kraft und Einfluss scheint eine Krise der Wahrheit zugrunde zu liegen. Der Sinn der Wahrheit hat allerseits eine ernsthafte Erschütterung erfahren. Bei näherer Betrachtung erweist sich, dass es sich im Grunde um eine Krise der Metaphysik handelt. Ihr folgt die Entwertung des Wortes, dessen Geringschätzung ihren Ursprung in einer gewissen Unschlüssigkeit und im Mißtrauen zwischen den Personen hat. Ängstlich fragt sich der Mensch: Wer bin ich eigentlich? Die objektive Betrachtung der Wahrheit findet man oft durch eine mehr oder weniger spontane, subjektive Anschauung ersetzt. Die objektive Moral macht einer individuellen Ethik Platz, in der jeder für sich die Handlungsnorm bestimmen und verlangen kann, dass er nur dieser Norm folgt. Die Krise verschärft sich, wenn die Leistungsfähigkeit die Funktion eines Wertes übernimmt. Die Folge sind dann Manipulationen aller Art, und der Mensch fühlt sich mehr und mehr verunsichert; er hat den Eindruck, in einer Gesellschaft zu leben, die keine Gewissheit und Ideale zu bieten hat und deren Wertvorstellungen verwirrt sind.
7. In der Durchführung der Mission, die mir durch den geheimnisvollen Plan der Vorsehung anvertraut worden ist, bei meinen apostolischen Pilgerreisen in die Welt, beseelt mich immer der Wunsch, Träger einer Botschaft zu' sein und mit dem bescheidenen, für mich aber unentbehrlichen Anteil, der in meiner Macht steht, dazu beizutragen, dass als Punkt der Begegnung aller, die guten Willens sind, beim Aufbau einer menschenwürdigen Welt im Geist und im Herzen ein echtes Bewusstsein vom Menschen vorherrsche.
Im Prozess dieser Konvergenz der guten Willen nehmen die Zentren und Menschen der Kultur einen besonderen Platz ein. Es handelt sich in der Tat darum, das Bewusstsein der Menschen zu beeinflussen und die Gesellschaft geistig anzuregen; hierbei werden nicht nur Institutionen wie die von mir hier vertretene Kirche, sondern auch Zentren und Strukturen, deren Aufgabe die Schaffung und Förderung der Kultur ist, eine führende Rolle spielen. Sie kennen meine Gefühle großer Hochachtung und Anerkennung für die Verantwortung, die ich den Universitäten unserer Zeit zuerkenne. Sie sind für mich einer jener Orte, vielleicht sogar der wichtigste, in dem die Berufung des Menschen zur Erkenntnis wie auch die grundlegende Bindung des Menschen an die Wahrheit als Ziel der Erkenntnis tägliche Realität, gewissermaßen tägliches Brot wird für die, die sie besuchen, und für viele andere, die die Realität der sie umgebenden Welt und die Geheimnisse ihrer Menschlichkeit zu erkennen suchen.<ref> Vgl. Ansprache an den Exekutivrat der UNESCO, Nr. 19. </ref>
Gründe zur Hoffnung
Meine Damen und Herren, Intellektuelle und Menschen der portugiesischen Kultur: Die Situation mag verzweifelt, als Vorläuferin einer neuen Apokalypse erscheinen. Aber in Wirklichkeit ist es nicht so. Für die Menschheit des Jahres 2000 gibt es bestimmt eine Lösung und viele Gründe zur Hoffnung. Es genügt, dass alle Menschen guten Willens, vor allem diejenigen, welche sich zum Glauben an Christus bekennen, sich ernsthaft um eine tiefgreifende Erneuerung der Kultur im Licht einer gesunden Anthropologie und der Prinzipien des Evangliums bemühen. Ich glaube, dass Sie bereits vom Verlangen beseelt sind - und das sind auch die Wünsche, die ich ausspreche -, einen Aspekt des Menschen und ein echtes Bewusstsein von der menschlichen Person in Ihrer edlen Arbeit zu kultivieren. In Ihrer Tradition bewahren Sie so viele Zeichen, so viele Elemente der Universalität, der Öffnung gegen andere Völker, der Schätzung und Anerkennung edler Gefühle. Es scheint, dass man über die Jahrhunderte hinweg dem Herzen mehr Gewicht gibt als den intellektuellen Konstruktionen. Die von Portugal in der Welt verbreitete Zivilisation hat, das kann man sagen, der Person besondere Beachtung geschenkt. Darauf vertrauend möchte ich hier einen Appell wiederholen, der Ihnen, wie ich annehme, bekannt ist: "Öffnet, ja reißt die Tore weit auf für Christus. Öffnet ... die weiten Bereiche der Kultur, der Zivilisation und des Fortschritts seiner rettenden Macht! Habt keine Angst! Erlaubt Christus, zum Menschen zu sprechen",<ref> Homilie bei Übernahme des obersten Hirtenamtes, 22. 10. 1978. </ref> auch in Portugal, dem ich, wie auch Ihnen allen, viel Glück wünsche.
Anmerkungen
<references />
Predigt bei der Eucharistiefeier mit den Familien im Wallfahrtsort Sameiro (Braga)
Überschrieben: "Die Zukunft des Menschen hängt von der Familie ab"
1. "Fürchte dich nicht, Abram, ich bin dein Schild, dein Lohn wird sehr groß sein! Abram antwortete: Herr, mein Herr, was willst du mir schon geben? Ich gehe doch kinderlos dahin, und Erbe meines Hauses ist Elieser aus Damaskus. Und Abram sagte: Du hast mir ja keinen Nachkommen gegeben; also wird mich mein Haussklave beerben. Da erging das Wort des Herrn an ihn: Nicht er wird dich beerben, sondern dein leiblicher Sohn wird Erbe sein. Er führte ihn hinaus und sprach: Sieh doch zum Himmel hinauf und zähl die Sterne, wenn du sie zählen kannst! Und er sprach zu ihm: So zahlreich werden deine Nachkommen sein!" (Gen 15, 1-5).
Die wunderbare Geschichte Abrahams, des "Vaters unseres Glaubens", die die Lesung der heutigen Liturgie in Erinnerung ruft, stellt zwei wesentliche Wahrheiten heraus. Ihnen sollen unsere Aufmerksamkeit und unser Gebet während dieser Eucharistiefeier gelten.
Die erste Wahrheit ist, dass die Zukunft des Menschen auf der Erde an die Familie gebunden ist. Die zweite ist, dass der göttliche Heilsplan und die Heilsgeschichte durch die Familie hindurchgeht.
Zu einem "Familientreffen" - einem Treffen der Familie der Kinder Gottes - sind wir zusammengekommen, um das eucharistische Opfer zu feiern und diese Wahrheiten zu vertiefen.
Gestattet mir, dass ich an erster Stelle die portugiesischen Familien grüße, die hier von einer großen Zahl von Eheleuten und Familien der Stadt und Erzdiözese Braga und verschiedener Gegenden Portugals vertreten werden. Ich bin gekommen, um hier ein Wort der Ermutigung zu sagen, die wesentlichen Werte der Ehe in besonderer Weise herauszustellen.
Ein Grußwort möchte ich auch an die Bewegungen und Organisationen richten, die im Bereich der Familie arbeiten, vor allem solche kirchlichen Charakters, die sich einsetzen bei der Ehevorbereitung, andere bei der Vertiefung der Ehespiritualität, andere bei der Lösung der Probleme, die im Schoß der Familie selbst entstehen. Ich möchte sie ermutigen, diese solide, weite und gut artikulierte Familienpastoral weiterzuführen, die vielen protugiesischen Heimen zum Wohl gereicht.
Mögen die Familien dieses Landes sich in der Liebe und in der Reinheit als Abbild der Liebe Christi zu seiner Kirche (vgl. Eph 5,25) festigen und so weiterhin die Sendung erfüllen, die Gott ihnen anvertraut hat. Lasst uns in diesem Sinne bei dieser Eucharistiefeier beten in der Überzeugung, dass auch für Portugal die Zukunft über die Familie geht (vgl. Familiaris consortio, Schluss).
2. In der Familie wurzelt und von der Familie ist mehr als von anderen Gesellschaften, Institutionen oder Umfeldern die Zukunft des Menschen abhängig. Diese wesentliche Wahrheit ergab sich aus dem Gespräch Abrahams mit Gott, das wir vor einigen Augenblicken in dieser eindrucksvollen Passage der Genesis gehört haben.
"Dein Lohn wird sehr groß sein", so versprach der Herr seinem Freund, "Herr, mein Herr, was willst du mir schon geben? Ich gehe doch kinderlos dahin", so fragte Abraham mit einer gewissen Skepsis (Gen 15, 2). Dieser trostlosen Niedergeschlagenheit Abrahams folgte seine Freude, als "zu der Zeit, die Gott angegeben hatte" (Gen 21, 2), Sara ihm einen Sohn schenkte.
Die Zukunft des Menschen ist vor allem der Mensch selbst. Es ist der Mensch, der aus dem Menschen geboren wird: von einem Vater und einer Mutter, von einem Mann und einer Frau. Darum entscheidet sich die Zukunft des Menschen in der Familie.
Die Ehe ist das Fundament der Familie, so wie die Familie das Endziel der Ehe ist. Es ist unmöglich, die eine von der anderen zu trennen. Man muss sie zusammen im Licht der Zukunft des Menschen betrachten.
Das ist eine offensichtliche Wahrheit, und dennoch ist sie eine bedrohte Wahrheit. Aus vielerlei Gründen neigt die Menschheit dazu, ihre eigene gegenwärtige und zukünftige Existenz mehr nach Kategorien der Produktivität, d. h. nach Kategorien von Mitteln, als in der Dimension des dem Menschen entsprechenden Ziels zu werten.
Verschiedene Gegebenheiten scheinen ein solches Denken zu erklären und zu rechtfertigen. Man kann sogar sagen, dass der Mensch so denkt "mit Rücksicht auf den Menschen", weil er besorgt ist, seine Existenz auf Erden zu sichern. Soviel läßt sich in dieser Hinsicht aus den augenblicklichen Veröffentlichungen auf den Gebieten der Demographie oder der Wirtschaft herauslesen.
Dennoch begehen wir beim Nachdenken über den Menschen und über seine Zukunft auf der Erde einen wesentlichen Fehler, wenn wir von Kategorien seiner Produktivität und der Produkte, die er auf der Erde herstellt, ausgehen. Der Mensch ist dann nicht mehr der wesentliche und erste Wert. Er ist nicht mehr Ziel, sondern Mittel.
So weicht unser Denken vom Denken des Schöpfers ab, der den Menschen als einziges Geschöpf um seiner selbst willen geschaffen hat (vgl. Gaudium et spes, Nr. 24).
Und gerade in diesem Punkt ist die Aufgabe der Familie und ihre Berufung unersetzlich. Auch die Familie möchte von ihrem Wesen her den Menschen um seiner selbst willen in den Mittelpunkt stellen; sie formt sich als Gemeinschaft von Personen um des Menschen willen: des konkr~n Menschen, der immer einzig und unwiederholbar ist, Mann, Frau, Vater, Mutter, Sohn und Tochter.
Darum ist die Familie in der Atmosphäre unserer gegenwärtigen Welt _ vor allen Dingen der "reichen Welt", der Welt der hohen materiellen Kultur - bedroht. Sie bleibt dennoch die Quelle der Hoffnung für die Welt. Trotz allem wird in ihr die Zukunft des Menschen entschieden; und gestattet mir, präziser zu sagen, des Menschen in Portugal, der sich dafür einsetzt, die Fundamente zu vertiefen, auf denen Fortschritt, Gleichgewicht, Eintracht und Frieden gründen.
3. "Sieh doch zum Himmel hinauf und zähl die Sterne, wenn du sie zählen kannst ... So zahlreich werden deine Nachkommen sein" (Gen 15, 5), spricht der Herr zu Abraham. Der Sohn, der geboren werden soll, wird der Anfang der Familie und des Geschlechtes sein, der Gründer des Stammes und des Volkes.
Der Mensch ist nicht dazu bestimmt, allein zu sein. Er kann nicht bestehen auf der Erde, wenn er allein ist. Er ist dazu berufen, sein Leben in Gemeinschaft zu verbringen. Darum kommen Gemeinschaften zustande, die erste und fundamentalste von ihnen ist eben die Familie. Und durch diese Gemeinschaften, von denen die erste die Familie ist, wächst der Mensch und reift er als Mensch heran. Der Mensch, der in der ehelichen Gemeinschaft zwischen Mann und Frau zur Welt kommt, verdankt also seine Erziehung der Familie.
Die Erziehung zielt dahin, die tiefste Bedeutung dieses Wortes zu verwirklichen, den Menschen zu "vermenschlichen". Der Mensch, der vom ersten Augenblick seiner Empfängnis im Mutterschoß Mensch ist, lernt nach und nach "Mensch zu sein"; und dieses wesentliche Lernen ist mit der Erziehung identisch. Der Mensch ist die Zukunft der Familie und der ganzen Menschheit, aber seine Zukunft ist unlöslich mit der Erziehung verbunden.
Die Familie hat das erste und grundlegende Recht, zu erziehen, aber sie hat auch die erste und grundlegende Pflicht, zu erziehen. In Erfüllung dieser wesentlichen Pflicht, die mit ihrer Berufung eng verbunden ist, nährt sich die Familie von den Quellen des großen Schatzes der Menschheit, der die Kultur ist; und, genauer noch, die Kultur des Umfeldes, in dem sie wurzelt.
Die Ehe: Zeichen der treuen Liebe Gottes
So wird der Mensch Erbe der Vergangenheit, die sich in ihm nach und nach umwandelt in Zukunft: nicht nur in die Zukunft der eigenen Familie, sondern auch die Zukunft des eigenen Volkes und der ganzen Menschheit.
Parallel mit diesem normalen Zyklus der Familie, der Geburt und Erziehung des Menschen, verläuft organisch der göttliche Heilsplan, der von Anfang an auf den Menschen zugeschnitten ist mit dem ehelichen Bund und der - nach dem Sündenfall - in J esus Christus bestätigt und erneuert wurde. In Jesus Christus erreicht der göttliche Heilsplan seiner Vollendung.
4. Liebe Brüder und Schwestern! Mein Wunsch ginge dahin, dass ich in dem Augenblick, da ich euch diese allgemein gültigen Prinzipien in Erinnerung rufe, nichts anderes tun musste, als Gott zu danken und mich mit den portugiesischen Familien zu freuen, weil diese Wahrheiten von ihnen beachtet und angewandt werden:
- die Prinzipien, die den Menschen in den Mittelpunkt der Institution Familie stellen;
- die Verpflichtungen und die praktischen Weisungen hinsichtlich der Rolle der Kultur und der Aufgabe der Erziehung.
Aber angesichts der raschen Verbreitung sozialer Ereignisse, die die Mentalität und das Verhalten der lebendigen Zellen unserer Gesellschaft und der Menschen beeinflussen, kann ich nicht umhin, hier an das menschliche und christliche Gewissen zu appellieren, denn die große Sache der Familie steht im Mittelpunkt des Interesses aller; ich appelliere an die Einsatzbereitschaft der für die Kultur unmittelbar Verantwortlichen, vor allen Dingen für die sogenannte "Massenkultur" , der für die Erziehung Verantwortlichen, der Pastoralarbeiter; schließlich möchte ich mich an alle wenden, die dazu beitragen können, der Ehe und Familie günstige Lebensbedingungen zu erhalten; diese haben ja mit der Gabe, Leben weiterzugeben, die schwere Pflicht, ihre Kinder zu erziehen.
Und ihr, liebe Familienväter und -mütter, die ihr euch bewusst seid, dass euer Heim die erste Schule ist, in der die Kinder, die Gott euch geschenkt hat, die menschlichen Werte erlernen, seid ihr euch auch der anderen großen Pflicht bewusst, die euch auferlegt wurde? dass ihr alles tut und auch alles fordert, damit eure Kinder sich im Leben harmonisch entwikkein, damit sie wachsen können und getragen werden von einer menschlichen und christlichen Ausbildung? "Die Kirche" begrüßt darum "jene weltlichen Autoritäten und Gemeinwesen, die dem Pluralismus der heutigen Gesellschaft Rechnung tragen, für die gebührende religiöse Freiheit sorge'n und so den Familien dazu verhelfen, dass ihren Kindern in allen Sc~len eine Erziehung nach den sittlichen und religiösen Grundsätzen der Familie erteilt werden kann" (Gravissimum educationis, Nr. 7).
5. Die erste Wahrheit über die Familie, die soeben dargestellt wurde, wird durch das Ereignis der Darstellung Jesu im Tempel ins Licht gerückt. Das Ereignis, das wir eben im Bericht des hl. Lukas gehört haben. Vergegenwärtigen wir uns, was geschah: Nach dem Gesetz des Alten Testaments wird ein Kind vierzig Tage nach seiner Geburt in den Tempel gebracht. Maria brachte ihr Kind in den Tempel, um sich dem gesetzlich festgelegten Ritus der Reinigung der Mutter, die empfangen hat, zu unterwerfen. Mit ihr geht auch Josef zum Tempel, um das bei solchen Gelegenheiten vorgeschriebene Opfer darzubringen. Das Kind, das in der Nacht von Bethlehem geboren wurde, das Kind Mariens, wurde so des geistlichen Erbes Israels, seines Volkes, teilhaftig.
Gleichzeitig brachte dieses Kind ein anderes geistiges Erbe mit: das Erbe der ewigen Liebe des Vaters, der "die Welt so sehr geliebt (hat), dass er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat" (vgl. Joh 3, 16).
Mit Jesus Christus wird das göttliche Erbe des ewigen Lebens nicht nur in das Leben Israels, sondern auch in das Leben der ganzen Menschheit aufgenommen. Diese Wirklichkeit kommt in den prophetischen Worten zum Ausdruck, die Simeon, als er das Kind erblickte, spricht: "Nun läßt du, Herr, deinen Knecht, wie du gesagt, in Frieden scheiden. Denn meine Augen haben das Heil gesehen, das du vor allen Völkern bereitet hast, ein Licht, das die Heiden erleuchtet und Herrlichkeit für dein Volk Israel" (Lk 2, 29-32).
Derselbe Simeon deutet in seinen inspirierten und prophetischen Worten an, dass es zugleich ein schwieriges Erbe ist, das man empfängt. Er sagt zur Mutter des Neugeborenen: "Dieser ist dazu bestimmt, dass in Israel viele durch ihn zu Fall kommen und viele aufgerichtet werden, und er wird ein Zeichen sein, dem widersprochen wird. Dadurch sollen die Gedanken vieler Menschen offenbar werden. Dir selbst aber wird ein Schwert durch die Seele dringen" (Lk 2, 34).
6. Die göttliche Gabe des Bundes und der Gnade sind von Anfang an mit der Familie verbunden. Darum ist die Ehe in einem gewissen Sinn von Anfang an Sakrament, als Symbol der künftigen Menschwerdung des Wortes Gottes. Sakrament, das Christus im Wort des Evangliums und im Geheimnis seiner Erlösung bestätigt und zugleich erneuert hat.
In der Kraft des Heiligen Geistes schließen Mann und Frau miteinander den Ehebund, der durch göttlichen Beschluss "von Anfang an" unlösbar ist. Diese Unlöslichkeit wurzelt in der natürlichen Ergänzung von Mann und Frau, und sie wird durch die gegenseitige Verpflichtung persönlicher Ganzhingabe besiegelt und für das Wohl der Kinder gefordert. Im Licht des Glaubens wird auch ihr letzter Sinn erkenntlich. Er besteht darin, Frucht, Zeichen und Anspruch der absolut treuen Liebe zu sein, "die Gott dem Menschen, die Christus seiner Kirche entgegenbringt". Mit diesen Worten habe ich die traditionelle Lehre der Kirche in dem Apostolischen Schreiben Familiaris consortio (vgl. Nr. 20) neu dargelegt, um der Bitte der Bischöfe aus allen Teilen der Erde zu entsprechen, die bei der Synode in Rom die Probleme der christlichen Familie in der heutigen Welt studierten.
Sicher stimmt diese Lehre nicht mit dem Denken so vieler unserer Zeitgenossen überein, die es für unmöglich halten, eine Verpflichtung zur Treue für das ganze Leben auf sich zu nehmen. Die Synodenväter waren sich bewusst, dass die aktuellen, ideologischen Strömungen ihrem Denken entgegengesetzt sind. Sie erklärten dennoch, dass es spezifische Aufgabe der Kirche ist, "die Frohbotschaft von der Endgültigkeit jener ehelichen Liebe einzuprägen, die ihr Fundament und ihre Kraft aus Jesus Christus hat" (ebd., Nr. 20), und sie erklärten, dass eine solche Sendung nicht allein von der Hierarchie übernommen werden kann; auch ihr, christliche Eheleute, seid dazu berufen, in der Welt ein immer neues Zeichen zu setzen "für die unerschütterliche Treue, mit der Gott in Jesus Christus alle Menschen und jeden Menschen liebt!" (ebd.).
7. Jedem Menschen: auch dem oder denjenigen, die sich der Tatsache einer gescheiterten Ehe stellen müssen. Gott hört nicht auf, die zu lieben, die sich getrennt haben, auch die nicht, die eine neue, unerlaubte Verbindung eingegangen sind. Er begleitet weiterhin solche Menschen mit der bleibenden Treue seiner Liebe. Er weist unentwegt hin auf die Heiligkeit des verletzten Gesetzes, und zugleich fordert er dazu auf, die Hoffnung nicht aufzugeben.
Als Widerschein der Liebe Gottes schließt auch die Kirche die getrennten und wiederverheirateten Eheleute nicht von ihrer pastoralen Sorge aus:
Ganz im Gegenteil, sie stellt ihnen die Heilsmittel zur Verfügung. Sie hält zwar an der Praxis fest, die in der Heiligen Schrift begründet ist, solche Menschen nicht zur eucharistischen Gemeinschaft zuzulassen, weil ihre konkrete Lebenssituation objektiv dem entgegengesetzt ist, was die Eucharistie bedeutet und wirkt. Aber die Kirche fordert sie dazu auf, das Gotteswort zu hören; die heilige Messe zu besuchen, im Gebet und in den Werken der Liebe auszuharren, ihre Kinder im christlichen Glauben zu erziehen, den Geist und die Werke der Buße zu pflegen, um auf diese Weise die Gnade Gottes auf sich herabzuflehen und sich auf ihren Empfang vorzubereiten (vgl. Familiaris consortio, Nr. 84).
Die Kirche ist sich dessen bewusst, dass sie mit dieser Lehre in der Welt "Zeichen des Widerspruchs" ist. Die prophetischen Worte, die Simeon angesichts des Kindes gesprochen hat, können auf Christus in seinem Leben und auch auf die Kirche in ihrer Geschichte angewandt werden. So oft sind Christus und sein Evangelium und die Kirche "zum Zeichen des Widerspruchs" geworden. Vor allen Dingen im Hinblick auf das, was im Menschen nicht "von Gott" ist, sondern von der Welt oder sogar vom Fürsten der Finsternis.
Selbst wenn er das Übel bei seinem Namen nennt und ihm entschieden Widerstand leistet, kommt Christus immer der menschlichen Schwäche entgegen. Er sucht das verlorene Schaf. Er heilt die Wunden der Seelen. Er tröstet den Menschen mit seinem Kreuz. Das Evangelium enthält keine Forderungen, denen der Mensch mit der Gnade Gottes und mit seinem eigenen Willen nicht entsprechen kann. Ganz im Gegenteil, die Forderungen des Evangliums haben das Wohl des Menschen zum Ziel, seine wahre Würde.
8. Die Sicht der Ehe und der Familie, nach der ihr euch ausrichten sollt, liebe Brüder und Schwestern, muss geprägt werden von dem Licht, das Christus gebracht hat. Diese Sicht muss Frucht eines lebendigen Lebens sein.
"Aufgrund des Glaubens gehorchte Abraham dem Ruf, wegzuziehen in ein Land, das er zum Erbe erhalten sollte; und er zog weg, ohne zu wissen, wohin er kommen würde" (Hebr 11, 8).
Dieser göttliche Ruf, den Abraham eines Tages vernommen hat, ist auch an jeden von uns gerichtet, an erster Stelle durch die Taufe. Durch die Taufe sind wir dazu berufen, Miterben der göttlichen Verheißung zu sein und unser Leben als eine Pilgerfahrt in das verheißene Land oder in die ewige Stadt, deren Architekt und Erbauer Gott selber ist, zu betrachten. Ihr wisst, dass die Kirche von dieser Lebensauffassung aus sich ständig darum bemüht, zu verkünden, dass die Rechte des Menschen den Rechten Gottes, des höchsten Herrn, untergeordnet sind; und unter diesen Rechten nimmt das Recht auf Leben immer den ersten Rang ein. In der Ehe sind Mann und Frau dazu berufen, den Schatz des Lebens anderen Menschen weiterzugeben durch eine menschlich verantwortete Vater- und Mutterschaft.
In der Folge der vom Zweiten Vatikanischen Konzil bestätigten Normen und der Enzyklika Humanae vitae und in der Absicht, die Meinung der Synodenväter während der letzten Synode festzuhalten, habe ich in dem kürzlich herausgegebenen Apostolischen Schreiben Familiaris consortio wieder in Erinnerung gerufen, dass es zu den Grundrechten der Eltern gehört zu bestimmen, wie viele Kinder sie haben möchten und gleichzeitig das Notwendige für ihren Unterhalt und eine würdige Erziehung zu erhalten. Darum verurteilt die Kirche als eine schwere Verletzung der menschlichen Würde und der Gerechtigkeit alles, was die Freiheit der Eheleute im Hinblick auf die Weitergabe des Lebens und die Erziehung der Kinder in irgendeiner Weise beeinträchtigt.
Ich fühlte mich dazu verpflichtet, auch eine "lebensfeindliche Haltung" zu verurteilen, die das heutige Denken mehr und mehr durchdringt.
Gott sagt jedem Menschen: Nimm das Leben, das du selber empfangen hast, an! Er sagt es durch seine Gebote und durch die Stimme der Kirche; er sagt es uns direkt durch die Stimme des menschlichen Gewissens, eine mächtige Stimme, die nicht überhört werden darf trotz anderslautender Stimmen, trotz all dem, was man unternimmt, um die Stimme des Gewissens zum Schweigen zu bringen.
Der zugleich leibliche und geistliche Charakter der ehelichen Vereinigung, die immer von der persönlichen Liebe getragen werden muss, muss dazu führen, die Sexualität zu achten und zu fördern "in ihrer echten und voll menschlichen Dimension und sie niemals als Objekt zu ,benutzen', damit die personale Einheit von Leib und Seele nicht aufgelöst und so die Schöpfung Gottes in ihrer intimsten Verflechtung von Natur und Person nicht verletzt wird" (ebd. 32).
Die Verantwortung bei der Zeugung menschlichen Lebens - des Lebens, das in einer Familie zur Welt kommen soll - ist groß vor Gott!
9. Mit Hilfe der Mitwirkung der Eltern an der Schöpfertätigkeit möchte Gott Vater jedesmal neu einen neuen Nachkommen des Menschengeschlechts ins Leben rufen. Er möchte auch ihn dazu bringen, Miterbe der göttlichen Verheißung zu werden und sich aufzumachen auf den Weg in das Land, das in Jesus Christus allen Menschen verheißen wurde. Die Familie ist der Ort der göttlichen Berufung des Menschen. Die christlichen Eheleute und Eltern müssen sich dieser Verantwortung bewusst sein, und sie müssen nach bestem Willen zur göttlichen Berufung dieses neuen Menschen beitragen, indem sie ihm eine christliche Erziehung schenken, vor allen Dingen jene "Katechese", die das Vorbild des Lebens ist. Auch die Berufe, die zur Verwirklichung der Heilssendung der Kirche unerläßlich sind, wachsen in christlichen Familien, der Wiege künftiger Priester, Ordensleute, Missionare und Apostel!
Wenn auch das Werk der Erziehung heute von großen Schwierigkeiten begleitet ist, müssen die christlichen Eltern mutig und vertrauensvoll ihre Kinder aufgrund der wesentlichen Werte des menschlichen Lebens formen, und sie dürfen nie vergessen, dass sie verantwortlich sind für die Hauskirche, ihre Heime; dass sie berufen sind, in den Kindern die große Kirche zu erbauen (vgl. Familiaris consortio, Nr. 38) und, wer weiß, sie zu erbauen durch ihre Kinder, die von Gott berufen werden. Und wenn Gott tatsächlich eure Kinder zum Dienst in seinem Reich beruft, liebe Väter und Mütter, seid hochherzig ihm gegenüber, so wie er euch gegenüber hochherzig gewesen ist.
10. Ich freue mich, diese Eucharistie mit euch zu feiern und mit euch über die Familie nachzudenken, ausgerechnet hier im Heiligtum von Sameiro, einem Denkmal der Liebe des portugiesischen Volkes zur allerseligsten Jungfrau Maria, die hier verehrt wird unter dem Titel der Unbefleckten Empfängnis. Die vielen Brautleute, die hier ihre Hochzeit in diesem Heiligtum feiern möchten, tun es sicher in der Absicht, ihr künftiges Heim unter den besonderen Schutz der Gottesmutter zu stellen. Möge diese Frömmigkeit ein Garant sein für die Tragfähigkeit der christlichen Familien dieser Gegend und bestätigen, was der Herr Erzbischof vorhin gesagt hat: dass in dieser Gegend im allgemeinen die Familien auf einem christlichen Fundament gründen und dass in ihnen häufig Priester-, Ordens- und missionarische Berufe geweckt werden. Ich danke Gott dafür.
Ich danke auch dem Herrn Bischof Eurico Dias Nogueira für die herzlichen und freundlichen Worte, die er an mich gerichtet hat. Auch Sie grüße ich, Herr Erzbischof, so wie alle Autoritäten, alle Bürger der Stadt Braga ebenso wie die Bewohner dieser schönen Gegend von Minho und Tras-os-Montes (der Diözesen Viana da Castello, Braganr;:a, Miranda und Vila Real), alle ohne Ausnahme: Bischöfe, Priester, Ordensleute und Gläubige - ohne die zahlreichen Spanier zu vergessen, die mit ihren Hirten aus dem benachbarten Galizien hierhergekommen sind. Und so richte ich meine herzlichen Grüße in Christus Jesus auch an alle Auswanderer der portugiesischen Familien.
Wenn ich an das denke, was ich für die Geschichte der Stadt und der Erzdiözese in mich aufgenommen habe, möchte ich mit besonderer Freude herausstellen, wie hoch der Prozentsatz der christlichen Praxis unter dem Volk, der Besuch der Sonntagsmesse und der Empfang der anderen Sakramente ist. Möge es auch in Zukunft so bleiben, hier und in ganz Portugal. Möge die Treue zu Gott in der Treue zur Vergangenheit erhalten bleiben. Und hier hat die Familie eine unersetzliche Aufgabe zu erfüllen.
Brüder und Schwestern! Das Sakrament der Ehe, das eure Familien gründete und sie lebendig erhält, ist groß!
Die Sendung eurer Familien ist groß:
- die Zukunft des Menschen auf der Erde hängt von der Familie ab;
- der göttliche Heilsplan und die Heilsgeschichte gehen über die menschliche Familie.
Unbefleckte Jungfrau, Unsere Liebe Frau von Sameiro, Mutter des "Kindes", das gesetzt wurde zum "Zeichen des Widerspruchs": Mit Deinem Sohn J esus Christus, dessen Worte Du in Deinem Herzen bewahrt und betrachtet hast, schenke allen Familien Portugals die Gnade, das Wort Gottes hören und im Herzen treu bewahren zu können! Mutter des göttlichen Wortes in der heiligen Familie von Nazaret, erflehe diesen Familien die Harmonie, die Liebe und die Gnade! dass in ihnen "das Zeichen" nie zum Widerspruch werde, dass der Liebe des barmherzigen Gottes nie widersprochen werde, die in Jesus Christus offenbar wurde! Amen.
Ansprache bei der Begegnung mit den Arbeitern von Praça dos Aliados in Porto
Überschrieben: In der Arbeit ahmt der Mensch den Schöpfer nach
Lieber Bruder Erzbischof-Bischof von Porto,
liebe Brüder im Bischofsamt, Exzellenzen,
liebe Brüder und Schwestern,
Arbeiter Portugals!
1. Ich weiß die freundlichen und herzlichen Worte lebhaft zu schätzen, mit denen mich der Herr Erzbischof-Bischof von Porto soeben willkommen geheißen hat, und ebenso das Grußwort des Arbeiters, der gesprochen hat. Sie haben sich damit zu Interpreten der feinfühligen Empfindungen der Diözesangemeinde und der Arbeiter gemacht. Herzlichen Dank!
Friede dieser Versammlung! Friede dieser Stadt und allen, die hier wohnen! Mit diesen Worten und mit großer Freude richte auch ich herzliche Grüße an alle: an die Stadt Porto, diese "alte, sehr edle, immer treue und unbesiegte Stadt Porto" - wie auf ihrem Wappen zu lesen ist; die Ortskirche von Porto, den Bischof, die Weihbischöfe, Priester, Ordensmänner, Ordensfrauen und alle Gläubigen der Diözese und die ganze hochherzige Bevölkerung von Porto sowie auch die lebhafte und arbeitsame Bevölkerung dieser nördlichen Region, die hier anwesend und vertreten ist. Mein Gruß gilt aber speziell den Vertretern der Arbeitswelt: besonders euch Männern und Frauen, die in der Industrie, ~m Handel und in den Dienstleistungsbetrieben arbeiten. Es ist eine große Freude für mich, heute diese Augenblicke in eurer Mitte zu erleben. Ich bewahre als tiefe persönliche Erfahrung, dass ich selbst der konkreten Welt der Arbeit angehörte. Und ich bin Gott dafür dankbar.
Der Mensch als Mittelpunkt der Schöpfung
Gestern bin ich in Vila Vir;:osa mit den Landarbeitern Portugals zusammengetroffen; da durfte eine Begegnung mit den Arbeitern eurer Bereiche nicht fehlen. Diese Begegnung will die Liebe und die Hoffnung bekunden, durch die der Papst sich mit den Arbeitern verbunden fühlt: Liebe und Hoffnung, die aus der tiefen Überzeugung kommen, dass die christlichen Werte in lebendiger und zunehmender Weise auch in der Welt der Arbeit gegenwärtig sein müssen. Ihr nehmt einen besonderen Platz in meinem Herzen ein. Eure legitimen Rechte und eure Wünsche, eure Ängste und eure Freuden, die Sorge um eure Familien und der selbstlose Eifer, von dem ihr bei der Suche nach dem Gemeinwohl beseelt seid, sind in meinem Geist gegenwärtig.
2. Ihr seid Arbeiter! Schon dieses Wort allein ruft in mir eine ganze Welt von Gedanken wach. Eure Anwesenheit spricht bereits vom Wert der Arbeit und läßt mich an euren Gesichtern die Botschaft ablesen, die ich in dieser Stunde an euch richten möchte.
In euren Gesichtszügen erkenne ich die Züge Christi, der als der Zimmermann aus Nazaret bekannt war; in euren Gesichtszügen, die in diesem Augenblick von festlicher Freude erstrahlen, erkenne ich den Ausdruck des Vertrauens; eingeprägt in eure Gesichtszüge sehe ich aber auch das Leid und das Kreuz der täglichen harten Arbeit. Nicht so sehr ich, sondern ihr, liebe Arbeiter, sprecht heute durch eure Identität.
Gern würde ich in diesem Augenblick allen die schwieligen Hände drücken, um sie wie einen Beweis für eure Berufsarbeit zu spüren. Wenn ihr jemandem zum Zeichen der Freundschaft die Hand gebt, lasst ihr damit den Gesprächspartner die Last und den Wert eurer Arbeit spüren. Edel ist die Hand, die arbeitet! Die Hand, die die Welt verwandelt! Die Hand, die eine neue Wirklichkeit für eine menschlichere Gesellschaft errichtet. Die wohltuende Hand, die zum Vorteil und Wohl der Menschheit arbeitet.
Ich bin nach Porto gekommen, um die Arbeit zu ehren und zu preisen. Ich weiß gut, dass die Bevölkerung dieser Stadt und dieser Region und ganz Portugals immer stolz auf ihre Gewissenhaftigkeit in der Arbeit, auf ihre Hochschätzung der Arbeit gewesen ist. Es wurde mir berichtet, dass Porto als "Stadt der Arbeit" bekannt ist. Was also könnte ich hier anderes tun, als die "Frohe Botschaft", das "Evangelium der Arbeit" verkünden?
3. In meiner jüngsten Enzyklika über die menschliche Arbeit, die anläßlich des 90. Jahrestages von Rerum novarum, dem großen Dokument Papst Leos XIII. über die soziale Frage, herauskam, wollte ich in besonderer Weise "dem Menchen im weitgespannten Rahmen jener Wirklichkeit, die die Welt der Arbeit darstellt", Anerkennung zuteil werden lassen, und zwar im Lichte des Geheimnisses Christi, um den Reichtum und zugleich die ganze Mühsal der menschlichen Existenz zu enthüllen.
Die Kirche, die an den Menschen glaubt und für den Menschen denkt, sieht es als Teil ihrer Sendung an, "immer wieder auf die Würde und die Rechte der arbeitenden Menschen hinzuweisen und die Situationen anzuprangern, in denen diese Würde und diese Rechte vedetzt werden, und auch ihren Teil dazu beitragen, diesen Änderungen eine solche Richtung zu geben, dass dabei ein echter Fortschritt für den Menschen und die Gesellschaft entsteht" (Laborem exercens, Nr. 1).
Denn gemäß dem ursprünglichen Plan Gottes ist der Mensch ja dazu berufen, Herr der Erde zu sein und durch die Überlegenheit seines Verstandes und die Arbeit seiner Hände diese Erde "zu beherrschen" (Gen 1, 28): Er ist der Mittelpunkt der Schöpfung. "Der erste Grundpfeiler des Wertes der Arbeit - und somit ihrer Würde - ist der Mensch selbst." Die Würde des arbeitenden Menschen muss Ausgangsbasis und Richtschnur sein, wenn es darum geht, irgendeine Form manueller oder geistiger Arbeit zu bewerten. Hauptperson und Ziel der Arbeit, ihr eigentlicher Schöpfer und Urheber, auch in ihren bescheidensten und einförmigsten Tätigkeiten, ist tatsächlich immer der Mensch als Person. Also der "als Bild Gottes" erschaffene Mensch.
4. Das Überhandnehmen der materialistischen Zivilisation in unserer Welt neigt dazu, die subjektive Dimension der Arbeit, die sich auf die Würde des Menschen gründet, auf den zweiten Platz zu verdrängen. In dieser Lage besteht die Gefahr, dass die Arbeiter zu Maschinen werden, zu gesichtslosen Wesen, zu einer gestaltlosen, entpersönlichten Masse, mächtigen Kräften ausgeliefert, die keineswegs immer die Interessen dessen im Auge haben, der arbeitet: die Interessen des Menschen, der Familie und der Gemeinschaft.
Das Problem ist nicht neu, wie ihr wisst. Die Erfindung der Maschine hat der menschlichen Arbeit natürlich eine neue Dimension gegeben. Wenn die Verwendung des Werkzeuges eine Verlängerung und Verstärkung des menschlichen Armes darstellte, so trachtete die Maschine, ihn zu ersetzen. Durch die Erfindung der Maschine hoffte der Mensch, den Gebrauch der Muskelkraft auszuschalten und sich einer Last zu entledigen.
Obgleich die Maschinen die Lebensbedingungen der Arbeiter verbessert haben, musste man nach dem ersten Überschwang der Neuerung feststellen, dass die mechanische Präzision und die Geschwindigkeit, die täglich beschleunigt wurde, neue Lebensbedingungen für den Menschen schaffen. Die Maschine legt dem Menschen ihren Rhythmus auf; bei der großen Fülle von Nachteilen, die daraus erwachsen, hat niemand mehr für etwas Zeit.
Das sollte aber nicht so sein. Auch wenn man seine Lebensverhältnisse und seinen Lebensstandard verbessern will, widerspricht es seiner Würde, den "als Bild und Ebenbild Gottes" geschaffenen Menschen einer Produktionskraft zu unterwerfen, die ausschließlich auf den materiellen Wohlstand und den Gewinn ausgerichtet ist, indem sie sich den Perspektiven der menschlichen und geistlichen Ordnung verschließt.
Wenn die Arbeit für den Menschen und nicht der Mensch für die Arbeit da ist, muss die fortschrittliche Lösung der Probleme der Welt der Arbeit in dem Bemühen gesucht werden, ein gerechteres, christlicheres und menschlicheres Bewusstsein entstehen zu lassen.
5. Nur mit diesem Bewusstsein als Grundlage wird man die Probleme der Welt der Arbeit, angefangen von dem schwierigen und heiklen Problem der Beziehung zwischen Kapital und Arbeit, zwischen Eigentümer und Arbeiter, zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, in geeigneter Weise in Angriff nehmen können.
Keine der beiden Elemente des Problems darf unterschätzt werden: Ohne Kapital gibt es keine Arbeit. Darum leisten die Besitzer oder Bereitsteller des Kapitals ein großes Werk zugunsten des Gemeinwohls, wofür sie die Anerkennung und Achtung aller verdienen, weil sie neue Möglichkeiten der Arbeit und Beschäftigung erschließen. Andererseits darf die menschliche Arbeit nicht nur als Kapital gesehen werden. Sie geht absolut darüber hinaus. Der Mensch ist nicht für die Maschine, sondern die Maschine für den Menschen gemacht worden. Das Argument, dass die Maschinen nicht stillstehen dürften, kann nicht den Versuch rechtfertigen, den Menschen zum Sklaven der Maschine und ihres Arbeitstempos zu machen und ihn dadurch der verdienten Erholung und einer wahrhaft menschlichen Lebensweise zu berauben.
Tiefgreifende Veränderungen in der jüngsten Zeit lassen zwar einerseits den echten Willen erkennen, ein Klima wirtschaftlichen Wohlstandes und immer vollkommenerer sozialer Gerechtigkeit zu schaffen, verbergen jedoch nicht die unvermeidlichen Spannungen, die Ratlosigkeit und Schwäche, welche die Suche nach Lösungen und Anpassungen in der Folge der großen Veränderungen im sozialen und politischen Bereich bisweilen begleiten.
Unter diesen Umständen muss jeder Bürger die Verpflichtung übernehmen, durch ernsthafte und getreue Arbeit ehrlich am Aufbau einer immer besseren nationalen Gemeinschaft mitzuarbeiten, wo die soziale Gerechtigkeit - so lautet der neue Name für das Gemeinwohl - gefördert und zu allen Zeiten die Würde der Person respektiert werden soll. Im Licht dieses Gemeinwohls muss die Zweckmäßigkeit und Berechtigung mancher Ansprüche und Forderungen beurteilt werden, die, während sie die legitimen Interessen der Arbeiter zu verteidigen scheinen, nicht selten der ganzen Gemeinschaft schweren Schaden zufügen.
Einsatz für ein gerechtes Gut
6. Es ist sicher, liebe Arbeiter, dass ihr niemals die beste Lösung für eure Probleme erreichen könnt, wenn jeder von euch isoliert bleibt. Damit ihr an der Lösung der sozialen Probleme teilnehmen könnt, habt ihr auch das Recht, Vereinigungen oder Verbände zu bilden mit dem Ziel, die Lebensinteressen der in den verschiedenen Berufszweigen beschäftigten Menschen zu verteidigen. Diese Interessen sind bis zu einem gewissen Punkt für alle die gleichen; aber jede Arbeit, jeder Beruf besitzt seine eigene Besonderheit, die sich in diesen Organisationen widerspiegeln sollte. Wie ihr euch denken könnt, beziehe ich mich hier auf die Gewerkschaften. Die katholische Soziallehre vertritt nicht die Ansicht, dass die Gewerkschaften nur Ausdruck der Klassen-Struktur der Gesellschaft seien, und sie ist auch nicht der Ansicht, dass sie Exponenten eines Klassenkampfes seien, der unvermeidlich das gesellschaftliche Leben beherrsche. Freilich nehmen sie am Kampf zugunsten der sozialen Gerechtigkeit, der berechtigten Ansprüche der Arbeitenden in den verschiedenen Berufen teil. Dieser Kampf muss jedoch, wie ich bereits in der zitierten Enzyklika Laborem exercens gesagt habe, "als ein normaler Einsatz für ein gerechtes Gut angesehen werden: in diesem Fall für das Wohl, das den Bedürfnissen und Verdiensten der nach Berufen zusammengeschlossenen Arbeitnehmer entspricht. Es ist aber kein Kampf ,gegen' andere" (Nr. 20).
Es liegt daher auch in eurer Hand, nach einer Lösung für eure Probleme zu suchen. Niemals jedoch mit Haß oder Gewaltanwendung.
Das Christentum lehrt uns, alle Menschen zu lieben, auch wenn wir unsere Interessen verteidigen und um die Anerkennung unserer Ansprüche kämpfen. Man darf nicht bloß an sich selbst und an seine eigene soziale Klasse denken. Alles muss dem Gemeinwohl untergeordnet werden. Es ist weder gerecht noch christlich, dass eine Klasse, weil sie aufgrund der Stellung, die sie innerhalb der Gesellschaft einnimmt, und aufgrund der Kampfkraft, die sie zu erlangen vermochte, über größere Möglichkeiten zur Druckausübung verfügt, den anderen überlegen ist und dabei die legitimen Rechte der anderen missachtet. Jeder Mensch und jede Klasse muss, wenn sie Gerechtigkeit für sich fordert, in gleicher Weise die Förderung der Gerechtigkeit und der Rechte der anderen im Auge haben. 7. In diesem Gedankengang taucht am Ende die Situation derjenigen auf, die "keine Gelegenheit haben" und denen es darum auch versagt ist, "Stimme" zu besitzen: die Arbeitslosen. "Es ist bekannt - schrieben kürzlich eure Bischöfe in einem Hirtenbrief -, dass in unserem Land eine ernste Beschäftigungskrise herrscht, die unerträgliche Situationen im persönlichen, fa'miliären und sozialen Bereich mit sich bringt." Die Worte, mit denen sie fortfahren, mache ich mir jetzt zu eigen: "Es muss alles versucht werden; um in möglichst kurzer Zeit dieses entscheidende Problem zu lösen oder zu verringern ... Es ist ein echtes Gebot der Vaterlandsliebe und der Moral, dass alle interessierten Kräfte Meinungsverschiedenheiten, gegenseitige Beschuldigungen und Konflikte beiseitelegen und sich in konzentrierter Anstrengung um einen Plan zur raschen Verringerung der Arbeitslosigkeit bemühen, der wirklich die nationale Gemeinschaft als ganze verpflichtet. Bei dieser Zielsetzung darf sich niemand davon befreit halten, die notwendigen Opfer zu bringen."
Man spürt in unseren Tagen die allgemeine Hoffnung auf Arbeit. Arbeiten heißt, sich aktiv in den menschlichen Entwicklungsprozess eingliedern und dadurch in Beziehung zu den anderen nützlich werden. Dieser Wunsch zur Mitarbeit an den großen Werken der Gemeinschaft, der sie angehört, ist der menschlichen Person angeboren. Jeder scheint seinen Teil der Verantwortung wahrzunehmen. In der Tat muss jeder Mensch, der in diese Welt eintritt, seinen realen Beitrag zum menschlichen Fortschritt in dem Sinne leisten, dass die Welt selbst den wahren Bestrebungen des Menschen vollkommener gerecht werden kann. Deshalb verlangt die Erwägung der subjektiven und der sozialen Werte der Arbeit, dass in jeder politischen Gemeinschaft nicht nur die Bedeutung und Wichtigkeit der Arbeit selbst, sondern auch das Recht auf Arbeit anerkannt werden und dass alles versucht wird, die Arbeitslosigkeit und die Unterbeschäftigung zu beseitigen.
8. In Beziehung zu diesem Problem der Arbeitslosigkeit steht irgendwie auch das Problem der gerechten Entlohnung. Ohne je zu vergessen, dass das Privatvermögen immer unter sozialer Hypothek steht und daher dem Gemeinwohl dienen muss, scheint es hier angebracht, an die Kriterien für die Festsetzung des gerechten Lohnes zu erinnern. Das bleibt auf alle Fälle der konkrete Nachweis für jedes sozialwirtschaftliche System. Aber ich bin sicher, dass man es nicht unterlassen wird, ihm stets die gebührende Aufmerksamkeit zu widmen.
Ich zweifle gleichfalls nicht daran, dass man versuchen wird, sich noch mit einem anderen Phänomen zu konfrontieren, das in verschiedenen Ländern enorme Ausmaße angenommen hat und das in Portugal sehr stark zu spüren ist: die Emigration mit allen ihren Auswirkungen und im Zusammenhang damit das Phänomen der Urbanisierung.
Es ist, liebe Brüder und Schwestern, jedoch höchste Zeit, dass wir unser Gespräch zum Abschluss bringen. Und ich will das nicht ohne einen besonderen Hinweis auf eure Familien tun. Während ich euch, Arbeiter, sehe, denke ich auch an die Menschen, die euch lieb und teuer sind: an eure Ehefrauen, eure Mütter, eure Kinder und eure Kranken. Ich denke an alle, die zu eurem Zuhause und zur Familie gehören.
Ihr, die ihr euch bei der Arbeit müht, um euer häusliches Heim zu erhalten und eure Kinder zu ernähren, bleibt weiterhin den gesunden überlieferten Werten der portugiesischen Familie treu! Liebt weiterhin eure Familie! Denn auch ihr braucht eure Familie!
Lasst nicht zu, dass die Arbeit zur Zersetzung des Familienlebens führt. Lasst nicht zu, dass ein bestimmter Lebensstil Eltern und Kinder auseinanderreißt. Lasst nicht zu, dass euer Heim nur mehr ein Ort ist, wo man die Mahlzeiten einnimmt und schläft! Ihr müßt die Erzieher eurer Kinder sein!
Einen wichtigen Platz nimmt die Mutter ein. Von ihr hängt großenteils das Wohlergehen der Familie ab. Sie soll sich nicht aus Geldmangel, wegen der niedrigen Löhne, dazu gezwungen sehen, die Zeit opfern zu müssen, die sie unter normalen Umständen dem Haushalt und der Erziehung der Kinder widmen würde. Sie soll niemals das Opfer unmenschlicher Zustände werden. Und wenn sie eine Arbeit außerhalb des Hauses annehmen muss, soll das nicht auf Kosten tieferer Güter gehen und sie nicht vom häuslichen Herd, vom Ehemann und den Kindern entfernen!
Noch ein letzter Appell an euch Arbeiter! Öffnet eure Familien Christus, dem Arbeiter! Die Gegenwart des Herrn wird eure Häuser erleuchten, sie wird euch eure Würde als Arbeiter und eure Sendung in der Familie besser verstehen lassen.
9. Liebe Arbeiter!
Zum Abschluss erinnere ich euch noch einmal an den hohen Adel eurer Arbeit: Ich wünsche euch, dass sie euch nie mißfällt; dass ihr niemals einer leichtfertigen Demagogie nachgebt und euch von Ideologien täuschen lasst, die sich dem Religiösen verschließen. Ihr träumt von einer wenig menschlichen Welt, wenn ihr nur darum bemüht seid, jeden Tag mehr zu haben. Als Menschen, als Personen und als Arbeiter soll euch stets das Ideal anspornen, immer mehr zu sein.
Wie schon bei anderen Gelegenheiten rufe ich auch hier die Seligpreisung in Erinnerung: "Selig, die arm sind vor Gott, denn ihnen gehört das Himmelreich." Die Besitzenden müssen in innerer Umkehr, ohne die keine gerechte und stabile Gesellschaftsordnung zu erreichen ist, den Armen ihr Herz öffnen; und jene, die über keine Güter verfügen, müssen auch lernen, die Armut im Geist zu leben, damit die materielle Armut sie nicht ihrer Menschenwürde beraubt, die stets wichtiger ist als alle irdischen Güter. pas "Evangelium der Armut" in seiner erregendsten und schönsten Form ist von Christus geschrieben und verkündet worden. Er, der Gott war, ist in allem, die Sünde ausgenommen, uns gleich geworden und widmete die meisten Jahre seines Erdenlebens der manuellen Arbeit, womit er die Arbeit und die Erholung in das Erlösungswerk aufnahm, zu dessen Verwirklichung er in die Welt gekommen war.
"Ähnlichkeit" mit Gott
Aber in Gottes Plan ordnete sich die Arbeit "von Anfang an" ein in die großartige Perspektive des "Lasst uns Menschen machen als unser Abbild" (Gen 1, 26), wie wir am Anfang des Buches Genesis lesen. Begegnen wir nicht bereits hier der ersten Formulierung des "Evangeliums der Arbeit"? Die Begründung für die Würde der Arbeit liegt in dieser "Ähnlichkeit" mit Gott. Darum ahmt der Mensch, wenn er arbeitet, Gott, seinen Schöpfer, nach, weil er - und nur er - in sich eingeprägt die Ähnlichkeit und Ebenbildlichkeit mit Gott trägt. Um zu arbeiten, muss man Mensch, muss man Person sein; um zu arbeiten, muss man "Abbild und Ebenbild" Gottes sein.
Daraus folgt, dass die Würde der Arbeit sich nicht nur auf den natürlichen Aspekt, sondern auch auf die geistliche Dimension stützt. Sie ist natürlich ein Vorrecht des Menschen als Person; sie ist ein Faktor der menschlichen Selbstverwirklichung und sie ist Dienst an der Gemeinschaft der Menschen.
Meine Pilgerfahrt zu den verschiedenen Stätten und Orten in Portugal war ganz gekennzeichnet von der Gegenwart Mariens: Fatima, Vila Vir;:osa, Sameiro!
Wenn ich diese apostolische Reise in der Stadt Porto beende, so tue ich das wiederum im Schatten Mariens. Ist Porto etwa nicht die "civitas Virginis", die Stadt der heiligen Jungfrau, die in ihrem Wappen das Bild der Muttergottes zeigt?
Unserer Lieben Frau vertraue ich alle an, die hier leben und am Aufbau einer menschlicheren und christlicheren Welt arbeiten, ihr vertraue ich die Arbeiter Portugals an, indem ich sie bitte, sie möge alle zu Jesus Christus, dem Erlöser des Menschen, führen!
Ansprache vor dem Abflug von Porto
Überschrieben: "Ich nehme eine kostbare Bereicherung mit"
Exzellenz,
sehr geehrter Herr Staatspräsident!
Liebe Freunde in Portugal!
Meine lieben Brüder und Schwestern in Jesus Christus!
1. Die Stunde des Abschieds, des Abschiedsgrußes an euch ist gekommen. Das ist immer ein Augenblick voller Erinnerungen und Gefühle. Wir wollen ihn dazu benützen, die Zeit, die wir miteinander verbracht haben, noch einmal lebendig zu machen, um die Freundschaft zu bekräftigen und schließlich nicht zu vergessen, alles uns Mögliche zu tun, damit wir uns nahe bleiben. Bei alledem überwiegt in mir in diesem Augenblick das Gefühl der Dankbarkeit: der aufrichtigen Dankbarkeit für die große Herzlichkeit, mit der ich überall empfangen wurde, wo ich während dieser kurzen, aber intensiven Pilgerreise durch Portugal vorüberkam oder Station machte.
Bevor ich fortreise, möchte ich allen meine aufrichtige Dankbarkeit zum Ausdruck bringen: Sr. Exz. dem Herrn Staatspräsidenten, der mich mit seiner Anwesenheit hier in diesem Augenblick beehrt; meinen Brüdern, den Bischöfen Portugals, die mir in so vielfältiger Weise ihre brüderliche Liebe bezeigt haben, indem sie diese Begegnung als günstige Gelegenheit benutzten, die Gemeinschaft, die uns in der einen Kirche Christi verbindet, fester zu knüpfen; der Regierung und allen zivilen und militärischen Autoritäten, die sich mit Umsicht und Freundlichkeit darum bemühten, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, damit das Programm meines Pastoralbesuches verwirklicht werden konnte, und all ihre Hilfe und ihren Einsatz dafür aufgeboten haben. Allen lieben Freunden in Portugal herzlichen Dank!
Bei diesem Dank und diesem Abschiedsgruß möchte ich niemanden vergessen. Ich kann mich unmöglich an alle Personen, Gruppen und Institutionen wenden, denen ich meine Dankbarkeit ausdrücken möchte. Mögen sich alle Portugiesen und besonders die gläubigen Katholiken, alle Männer und Frauen, alle Söhne und Töchter dieses "Landes der Gottesmutter", die, denen ich zu meiner Freude persönlich begegnet bin, und die, die mich in irgendeiner Weise mit Hilfe der Massenmedien - denen ich gleichfalls danken will - begleitet haben, mögen sie alle sich in meine Hochachtung eingeschlossen fühlen.
2. Im Herzen nehme ich das Hochgefühl mit mir, das ich bei den unaufhörlichen Äußerungen der Zuneigung empfunden habe, mit denen ihr mich in diesen Tagen umgeben habt, Äußerungen einer so spontanen und begeisterten Herzlichkeit, die ich niemals werde vergessen können. Es wurde mir erzählt, dass in Portugal auf dem Land die Türen immer offenstehen. Ich habe die Türen der Herzen offen gefunden. Stellt euch vor, ich sei eingetreten und hätte jeden von euch mit eurem typischen "Salve-os-Deus! - Grüß Gott!" begrüßt.
Beim Verlassen dieses Landes, wo sich die glorreichen Traditionen der Vergangenheit in mutiger Öffnung auf eine vielversprechende Zukunft mit den wichtigen Neuerungen der Gegenwart verbinden, möchte ich meine hohe Wertschätzung für die verschiedenen Komponenten der Gesellschaft wiederholen, indem ich meine besten Wünsche ausspreche, dass dank der einträchtigen und treuen Zusammenarbeit der ständige Fortschritt in Gerechtigkeit, Freiheit und Frieden immer weiter verwirklicht werde.
Dem Land Portugal hat die Jungfrau Maria eine einzigartige Vorliebe reserviert, die Anlaß zu Ruhm und Ehre gibt und zugleich Grund zu einer besonders festen Anhänglichkeit an das Evangelium ist. Alle Gläubigen sollten sich dessen lebhaft bewusst sein und sich um die Pflege der menschlichen und christlichen Werte bemühen, die diese Nation groß gemacht haben.
Ich habe in diesen Tagen persönlich die Schätze an Güte, Herzlichkeit und Glauben feststellen können, die dieses starke und liebenswerte Volk auszeichnen. Insbesondere in Fatima, zu Füßen Mariens, habe ich die Seele der ganzen Nation schwingen gespürt. Ja, die Seele des katholischen Portugals: Wieviel hat sie mir in diesen Tagen auch ohne Worte gesagt! Und wieviel habe auch ich ihr mitteilen wollen - durch Worte, Handlungen und durch Schweigen! Es war für mich eine außerordentlich tiefe geistliche Erfahrung, an die ich im Innersten meines Herzens eine schöne Erinnerung bewahre. Und im Herzen bewahre ich auch eure Gesichter, liebe Brüder und Schwestern in Portugal, die flehenden Blicke eurer Kranken und das sanfte Lächeln eurer Kinder. Es ist eine kostbare Bereicherung, die ich mit mir nehme und von der ich bei der Ausübung meines täglichen pastoralen Dienstamtes Gebrauch machen werde.
Mit der Versicherung meiner Gebete, in denen ich den Herrn darum anflehe, dass die großen christlichen und humanen Grundprinzipien, die diese Nation geleitet haben, weiterhin ihr Leben mit dem Sinn für Gott und für die Solidarität erleuchten mögen, steigt aus der Tiefe meiner Seele diese Bitte:
Auf alle Portugiesen komme der Segen Gottes herab, der reiche Gaben des Lichtes, der Freude und des Friedens mit sich bringen möge!
Und damit wir diese Gnaden erlangen, werde uns die Fürsprache derjenigen zuteil, die Portugal eine einzigartige Bekundung liebevoller Aufmerksamkeit ihres mütterlichen Herzens vorbehalten hat, der Muttergottes von Fatima.
Auf Wiedersehen! Lebt wohl!
ANHANG: Grußbotschaften des Papstes
Im Verlauf seiner Portugalreise sandte der Papst folgende Telegramme an die Staatsoberhäupter der Länder, die er überflog.
Sr. Exz. Sandro Pertini
Präsident der Italienischen Republik Rom
In dem Augenblick, in dem ich den Boden des geliebten Italiens verlasse, um meine apostolische Pilgerreise nach Portugal anzutreten, richten sich in geziemender Weise meine Gedanken, verbunden mit herzlichen Wünschen, auf Ihre Person und das italienische Volk, über das ich vom Herrn die Gnade des Friedens und eines wirksamen Fortschritts herabrufe.
Sr. Majestät Don Juan Carlos I.
König von Spanien
Madrid
Beim Überfliegen Spaniens während meiner Pilgerreise nach Fatima sende ich Ihnen, Majestät, und dem geliebten spanischen Volk meine herzlichsten Grüße und besten Wünsche für Frieden und Wohlstand in Christus. Während ich mit tiefer Freude und Hoffnung an meinen bevorstehenden und langersehnten Besuch in Spanien denke, erteile ich aus ganzem Herzen meinen Apostolischen Segen.