Donum vitae (Wortlaut)
Donum vitae |
---|
Kongregation für die Glaubenslehre
im Pontifikat von Papst
Johannes Paul II.
22. Februar 1987
über die Achtung vor dem beginnenden menschlichen Leben und die Würde der Fortpflanzung
Allgemeiner Hinweis: Was bei der Lektüre von Wortlautartikeln der Lehramtstexte zu beachten ist |
Inhaltsverzeichnis
- 1 VORWORT
- 2 EINFÜHRUNG
- 3 TEIL I: DIE ACHTUNG VOR DEM MENSCHLICHEN EMBRYO
- 3.1 1. Welche Achtung schuldet man dem menschlichen Embryo aufgrund seiner Natur und seiner Identität?
- 3.2 2. Ist die vorgeburtliche Diagnostik moralisch erlaubt?
- 3.3 3. Sind therapeutische Eingriffe am menschlichen Embryo erlaubt?
- 3.4 4. Wie sind Forschungen und Experimente* mit menschlichen Embryonen und Föten moralisch zu bewerten?
- 3.5 5. Wie ist die Benutzung der durch In-vitro-Befruchtung erlangten Embryonen zu Forschungszwecken moralisch zu bewerten?
- 3.6 6. Welches Urteil ist über die anderen Verfahren zur Manipulation von Embryonen im Zusammenhang mit den "Techniken menschlicher Replikation" abzugeben?
- 4 TEIL II: EINGRIFFE IN DIE MENSCHLICHE FORTPFLANZUNG
- 4.1 A. DIE HETEROLOGE KÜNSTLICHE BEFRUCHTUNG
- 4.2 B. DIE HOMOLOGE KÜNSTLICHE BEFRUCHTUNG
- 4.2.1 4. Welches Band ist aus moralischer Sicht zwischen Fortpflanzung und ehelichem Akt erforderlich?
- 4.2.2 5. Ist die homologe In-vitro-Befruchtung moralisch erlaubt?
- 4.2.3 6. Wie ist die künstliche homologe Besamung aus moralischer Sicht zu bewerten?
- 4.2.4 7. Welches moralische Kriterium ist bezüglich des Eingriffs des Arztes in die menschliche Fortpflanzung aufzustellen?
- 4.2.5 8. Das Leiden wegen ehelicher Unfruchtbarkeit
- 5 TEIL III: MORAL UND STAATLICHE GESETZGEBUNG
- 6 SCHLUSSBEMERKUNG
- 7 Anmerkungen
- 8 Weblinks
VORWORT
Die Kongregation für die Glaubenslehre ist von verschiedenen Bischofskonferenzen wie auch von einzelnen Bischöfen, von Theologen, Ärzten und Vertretern der Wissenschaft bezüglich der Übereinstimmung der Grundsätze der katholischen Moral mit den biomedizinischen Techniken befragt worden, die Eingriffe in die Anfangsphase des menschlichen Lebens und in die Fortpflanzungsvorgänge selbst ermöglichen. Die vorliegende Instruktion, Frucht einer umfangreichen Befragung und besonders einer sorgfältigen Bewertung bischöflicher Erklärungen, will nicht die gesamte Lehre der Kirche über die Würde des beginnenden menschlichen Lebens und der Fortpflanzung neu vorlegen, sondern möchte im Licht der vorangegangenen Aussagen des Lehramtes spezifische Antworten auf die in diesem Zusammenhang hauptsächlich erhobenen Fragen bieten.
Die Darlegung ist wie folgt gegliedert: Eine Einführung ruft die grundlegenden anthropologischen und moralischen Prinzipien in Erinnerung, die für eine angemessene Bewertung der Probleme und für die Ausarbeitung der Antworten auf diese Fragen notwendig sind; der erste Teil hat die Achtung des menschlichen Wesens vom ersten Augenblick seiner Existenz an zum Thema; der zweite Teil begegnet den moralischen Fragestellungen, die die Eingriffe der Technik in die menschliche Fortpflanzung aufgeworfen haben; der dritte Teil bietet einige Orientierungen über die Beziehungen zwischen dem Sittengesetz und der staatlichen Gesetzgebung über die den menschlichen Embryonen und Föten*) geschuldete Achtung in bezug auf die Zulässigkeit der Techniken künstlicher Fortpflanzung.
*) Die Ausdrücke „Zygote“, „Prä-Embryo“, „Embryo“ und „Fötus“ können in der Begrifflichkeit der Biologie aufeinanderfolgende Entwicklungsstadien eines menschlichen Wesens bedeuten. Die vorliegende Instruktion macht von diesen Begriffen ohne Scheu Gebrauch, indem sie jedem von ihnen die gleiche ethische Bedeutung zuweist, um die Frucht der menschlichen Zeugung, sei sie nun sichtbar oder nicht, vom ersten Augenblick ihrer Existenz an bis zur Geburt zu bezeichnen. Der Grund für diesen Sprachgebrauch wird im Text erklärt (vgl. I, 1).
EINFÜHRUNG
1. Die biomedizinische Forschung und die Unterweisung der Kirche
Das Geschenk des Lebens, das Gott als Schöpfer und Vater dem Menschen anvertraut hat, verlangt von diesem, sich des unschätzbaren Wertes solchen Lebens bewusst zu werden und die Verantwortung dafür zu übernehmen: Dieses grundlegende Prinzip muss in den Mittelpunkt der Überlegung gestellt werden, um die moralischen Probleme zu klären und zu lösen, die die künstlichen Eingriffe in das beginnende Leben und in die Fortpflanzungsvorgänge aufgeworfen haben.
Dank des Fortschritts der biologischen und medizinischen Wissenschaften kann der Mensch über immer wirksamere therapeutische Mittel verfügen, aber er kann auch neue Macht erwerben, mit unvorhersehbaren Folgen für das menschliche Leben an seinem Beginn selbst und in seinen ersten Stadien. Verschiedene Verfahren ermöglichen heute Eingriffe nicht nur zur Unterstützung, sondern auch zur Beherrschung der Fortpflanzungsvorgänge. Derartige Techniken gestatten es dem Menschen, „sein eigenes Schicksal in die Hand zu nehmen“, aber sie setzen ihn auch „der Versuchung aus, die Grenzen einer vernunftgemäßen Herrschaft über die Natur zu überschreiten“.<ref>Johannes Paul II., Ansprache an die Teilnehmer des 81. Kongresses der italienischen Gesellschaft für Innere Medizin und des 82. Kongresses der italienischen Gesellschaft für Allgemeinchirurgie, 27. Oktober 1980: AAS 72 (1980) 1126. </ref> So sehr sie einen Fortschritt im Dienst am Menschen bedeuten können, bringen sie doch auch schwerwiegende Risiken mit sich. Von vielen kommt daher ein dringender Aufruf, bei den Eingriffen in die Fortpflanzung mögen die Werte und Rechte der menschlichen Person gewahrt werden. Die Anfragen nach Klärung und Orientierung kommen nicht nur von den Gläubigen, sondern auch von denen, die jedenfalls eine Sendung der Kirche, die „erfahren in allem Menschlichen“ <ref>Paul VI., Ansprache vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen, 4. Oktober 1965: AAS 57 (1965), 878; Enzyklika Populorum progressio, 13: AAS 59 (1967), 263. </ref> ist, im Dienst der „Zivilisation der Liebe“<ref>Paul VI., Homilie bei der heiligen Messe zum Abschluß des Heiligen Jahres, 25. Dezember 1975: AAS 68 (1976) 145; Johannes Paul II., Enzyklika Dives in misericordia, 30: AAS 72 (1980) 1224.</ref> und des Lebens anerkennen. Das Lehramt der Kirche tritt nicht im Namen einer besonderen Kompetenz im Bereich der Naturwissenschaften auf, sondern will, nach Kenntnisnahme der Daten der Forschung und Technik, ihrem vom Evangelium kommenden Auftrag und ihrer apostolischen Pflicht gemäß die Morallehre vorlegen, die der Würde der Person und ihrer ganzheitlichen Berufung entspricht. Sie tut es, indem sie die moralischen Urteilskriterien für die Anwendung der wissenschaftlichen Forschung und besonders der auf das menschliche Leben und seine Anfänge bezogenen Technik darlegt. Solche Kriterien sind die Achtung, die Verteidigung und die Förderung des Menschen, sein „ursprüngliches und grundlegendes Recht“ auf Leben,<ref>Johannes Paul II., Ansprache an die Teilnehmer der 35. Generalversammlung des Weltärztebundes, 29. Oktober 1983: AAS 76 (1984) 390. </ref> seine Würde als Person, mit einer Geistseele begabt, mit moralischer Verantwortung<ref>Vgl. Erklärung Dignitatis humanae, 2. </ref> ausgestattet und zur seligen Gemeinschaft mit Gott gerufen.
Das Eingreifen der Kirche ist auch in diesem Bereich getragen von der Liebe, die sie dem Menschen schuldet, dem sie hilft, seine Rechte und Pflichten zu erkennen und zu achten. Diese Liebe nährt sich aus den Quellen der Liebe Christi: Indem sie das Geheimnis des fleischgewordenen Wortes betrachtet, erkennt die Kirche auch das „Geheimnis des Menschen“<ref>Pastoralkonst. Gaudium et spes, 22; Johannes Paul II., Enzyklika Redemptor hominis 8: AAS 71 (1979) 270–272.</ref>; indem sie das Evangelium des Heiles verkündet, offenbart sie dem Menschen seine Würde und lädt ihn ein, seine Wahrheit in voller Weise zu entdecken. So legt die Kirche erneut das göttliche Gesetz vor, um das Werk der Wahrheit und Befreiung zu tun.
Denn es geschieht aus Güte – um den Weg des Lebens zu weisen –, dass Gott den Menschen seine Gebote gibt und die Gnade, sie zu befolgen; und es ist ebenfalls aus Güte – um ihnen zu helfen, auf demselben Weg auszuharren –, dass Gott immer allen seine Vergebung anbietet. Christus hat Mitleid mit unserer Gebrechlichkeit: Er ist unser Schöpfer und unser Erlöser. Möge sein Geist die Herzen für das Geschenk des Friedens Gottes und für das Verständnis seiner Gebote öffnen.
2. Wissenschaft und Technik im Dienst an der menschlichen Person
Gott hat den Menschen nach seinem Bild und Gleichnis erschaffen: „Als Mann und Frau schuf er sie“ (Gen 1, 27) und vertraute ihnen den Auftrag an, „die Erde zu beherrschen“ (Gen 1, 28). Die wissenschaftliche Grundlagenforschung und die angewandte Forschung sind bezeichnender Ausdruck dieser Herrschaft des Menschen über die Schöpfung. Wissenschaft und Technik, kostbare Hilfen für den Menschen, wenn sie sich in seinen Dienst stellen und seine umfassende Entwicklung zum Wohle aller fördern, können nicht für sich allein den Sinn des Daseins und des menschlichen Fortschritts aufzeigen. Auf den Menschen hingeordnet, dem sie ihr Entstehen und ihr Wachstum verdanken, empfangen sie von der Person und ihren moralischen Werten her den Aufweis ihrer Zielsetzung und das Bewusstsein ihrer Grenzen.
Es wäre deshalb illusorisch, die moralische Neutralität der wissenschaftlichen Forschung und ihrer Anwendungen zu fordern; andererseits kann man die Orientierungsmaßstäbe nicht aus der bloßen technischen Effizienz ableiten, noch von dem Nutzen, den sie einigen zum Schaden anderer bringen können oder, noch schlimmer, von den herrschenden Ideologien. Daher erfordern Wissenschaft und Technik aus ihrer innersten Bestimmung heraus die unbedingte Achtung der grundlegenden Kriterien der Moral: Sie müssen also im Dienst der menschlichen Person stehen, ihrer unveräußerlichen Rechte sowie ihres wahren und ganzheitlichen Wohls gemäß dem Plan und dem Willen Gottes.<ref>Vgl. Pastoralkonst. Gaudium et spes, 35. </ref> Die rasche Entwicklung der technologischen Entdeckungen macht die Forderung nach Achtung der hier in Erinnerung gebrachten Kriterien noch drängender: Eine Wissenschaft ohne Gewissen kann zu nichts anderem führen als zum Untergang des Menschen. „Unsere Zeit braucht mehr als die vergangenen Jahrhunderte diese Weisheit, damit alle neuen Entdeckungen des Menschen auch immer menschlicher werden. Das künftige Geschick der Welt gerät nämlich in Gefahr, wenn nicht weisere Menschen hervortreten.“<ref>Pastoralkonst. Gaudium et spes, 15. Vgl. auch Paul VI., Enzyklika Populorum progressio, 20: AAS 59 (1967) 267; Johannes Paul II., Enzyklika Redemptor hominis, 15: AAS 71 (1979) 286–289; Apostolisches Schreiben Familiaris consortio, 8: AAS 74 (1982) 89.</ref>
3. Anthropologie und Eingriffe auf biomedizinischem Gebiet
Welche moralischen Maßstäbe muss man anlegen, um die heute im Umfeld der Biomedizin gestellten Probleme zu klären? Die Antwort auf diese Frage setzt eine angemessene Auffassung über die Natur der menschlichen Person in ihrer leiblichen Dimension voraus.
Denn nur in der Richtung ihrer wahren Natur kann sich die menschliche Person als „geeinte Ganzheit“<ref>Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Familiaris consortio, 11: AAS 74 (1982) 92. </ref> verwirklichen: Nun ist diese Natur aber zugleich leiblich und geistig. Kraft seiner substantiellen Vereinigung mit einer Geistseele kann der menschliche Leib nicht nur als ein Gefüge von Geweben, Organen und Funktionen angesehen noch auf gleiche Weise wie der Tierkörper bewertet werden, denn er ist konstitutiver Teil der Person, die sich durch ihn manifestiert und ausdrückt.
Das natürliche Sittengesetz drückt die Ziele, Rechte und Pflichten aus, die sich auf die leibliche und geistige Natur der menschlichen Person gründen, und schreibt sie so zugleich vor. Deshalb kann es nicht als Normativität des bloß Biologischen angesehen, sondern muss als vernunftgemäße Ordnung definiert werden, der entsprechend der Mensch vom Schöpfer gerufen ist, sein Leben und seine Handlungen zu leiten und zu regeln und insbesondere den eigenen Leib zu gebrauchen und über ihn zu verfügen.<ref>Vgl. Paul VI., Enzyklika Humanae vitae, 10: AAS 60 (1968) 487–488.</ref> Eine erste Schlussfolgerung kann aus diesen Prinzipien gezogen werden: Ein Eingriff am menschlichen Leib betrifft nicht nur die Gewebe, Organe und ihre Funktionen, sondern hat auch auf verschiedenen Ebenen mit der Person selbst zu tun. Und insofern trägt er auch moralische Bedeutung und Verantwortlichkeit, vielleicht implizit, aber doch wirklich. Johannes Paul II. bekräftigte vor dem Weltärztebund in aller Deutlichkeit: „Jeder Mensch besteht in seiner unwiederholbaren Einmaligkeit nicht nur aus Geist, sondern auch aus Leib. So berührt man im Leib und durch den Leib die Person als solche in ihrer konkreten Wirklichkeit. Die Würde des Menschen achten bedeutet demzufolge, diese Identität des aus Leib und Seele einen Menschen (corpore et anima unus) zu wahren, wie das II. Vatikanische Konzil (Pastoralkonst. Gaudium et Spes, 14,1) sagt. Auf der Basis dieser anthropologischen Sicht muss man die grundlegenden Kriterien für die notwendigen Entscheidungen im Fall von Eingriffen finden, die nicht streng therapeutischer Art sind, zum Beispiel solchen, die eine Verbesserung der biologischen Beschaffenheit des Menschen zum Ziel haben.“<ref>Johannes Paul II., Ansprache an die Teilnehmer der 35. Generalversammlung des Weltärztebundes, 29. Oktober 1983: AAS 76 (1984) 393. </ref>
Die Biologie und die Medizin tragen mit ihren Anwendungsformen zum ganzheitlichen Wohl des menschlichen Lebens bei, wenn sie der an Krankheit und Schwachheit leidenden Person in Achtung vor ihrer Würde als Geschöpf Gottes zu Hilfe kommen. Kein Biologe oder Arzt kann sich aufgrund seiner wissenschaftlichen Kompetenz vernünftigerweise anmaßen, über Ursprung und Ziel der Menschen zu entscheiden. Diese Norm muss man in besonderer Weise im Bereich von Sexualität und Fortpflanzung anwenden, in dem Mann und Frau die grundlegenden Werte des Lebens und der Liebe verwirklichen.
Gott, der Liebe und Leben ist, hat Mann und Frau die Berufung zu einer besonderen Teilhabe an seinem Geheimnis personaler Gemeinschaft wie auch an seinem Werk als Schöpfer und Vater eingeprägt.<ref>Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Familiaris consortio, 11: AAS 74 (1982) 91–92. Vgl. auch Pastoralkonst. Gaudium et spes, 50.</ref> Deshalb besitzt die Ehe spezifische Güter und Werte in bezug auf die Vereinigung und die Fortpflanzung, die nicht mit denen vergleichbar sind, welche bei niedrigeren Formen des Lebens bestehen. Solche Werte und Sinngehalte der personalen Ordnung bestimmen aus moralischer Sicht den Sinn und die Grenzen künstlicher Eingriffe in die Fortpflanzung und den Ursprung menschlichen Lebens. Diese Eingriffe sind nicht etwa deshalb abzulehnen, weil sie künstlich sind. Insofern zeigen sie die Möglichkeiten ärztlicher Kunst auf, aber man muss sie aus moralischer Sicht bewerten, indem man sie auf die Würde der menschlichen Person bezieht, die gerufen ist, die göttliche Berufung zum Geschenk der Liebe und zum Geschenk des Lebens zu verwirklichen.
4. Grundlegende Kriterien für ein moralisches Urteil
Die grundlegenden Werte, die mit den Techniken der künstlichen Fortpflanzung verbunden sind, sind zwei: das Leben des menschlichen Wesens, das ins Dasein gerufen wird, und die Einzigartigkeit seiner Weitergabe in der Ehe. Das moralische Urteil über solche Techniken künstlicher Zeugung muss infolgedessen in Bezugnahme auf diese Werte formuliert werden.
Das physische Leben, durch das der menschliche Lebensweg in der Welt beginnt, schöpft sicherlich in sich nicht den ganzen Wert der Person aus, noch stellt es das höchste Gut des Menschen dar, der zur Ewigkeit berufen ist. Trotzdem ist es in gewisser Weise der „fundamentale“ Wert, gerade weil sich alle anderen Werte der menschlichen Person auf das physische Leben gründen und sich von da aus entfalten.<ref>Hl. Kongregation für die Glaubenslehre, Erklärung zur vorsätzlichen Abtreibung, 9: AAS 66 (1974) 736–737. </ref> Die Unverletzlichkeit des Rechts auf Leben des unschuldigen menschlichen Wesens „vom Augenblick der Empfängnis an bis zum Tode“<ref>Johannes Paul II., Ansprache an die Teilnehmer der 35. Generalversammlung des Weltärztebundes, 29. Oktober 1983: AAS 76 (1984) 390. </ref> ist ein Zeichen und ein Erfordernis der Unverletzlichkeit der Person selbst, der der Schöpfer das Geschenk des Lebens gemacht hat.
Im Vergleich mit der Weitergabe der anderen Lebensformen im Universum hat die Weitergabe des menschlichen Lebens ihre Einzigartigkeit, die sich aus der Einzigartigkeit der Person selbst ableitet. „Die Weitergabe des menschlichen Lebens ist von Natur aus einem personalen und bewussten Akt anvertraut und als solcher den heiligsten Gesetzen Gottes unterstellt. Diese Gesetze sind unveränderlich und unverletzlich; niemand darf sie mißachten und übertreten. Darum darf man keine Mittel gebrauchen und keinen Methoden folgen, die bei der pflanzlichen und tierischen Fortpflanzung erlaubt sein können.“<ref>Johannes XXIII., Enzyklika Mater et magistra, III: AAS 53 (1961) 447. 13 </ref>
Die Fortschritte der Technik haben heute eine Zeugung ohne sexuelle Beziehung ermöglicht, und zwar mittels des Zusammenführens der Keimzellen in vitro, die zuvor von Mann und Frau gewonnen wurden. Aber das, was technisch möglich ist, ist nicht auch deshalb schon moralisch annehmbar. Die Besinnung der Vernunft auf die grundlegenden Werte des Lebens und der menschlichen Fortpflanzung ist infolgedessen unentbehrlich, um zu einer moralischen Wertung solcher Eingriffe der Technik am menschlichen Wesen schon von den ersten Stadien seiner Entwicklung an zu kommen.
5. Unterweisungen des Lehramtes
Das Lehramt der Kirche bietet seinerseits auch in diesem Bereich der menschlichen Vernunft das Licht der Offenbarung an: Die Lehre vom Menschen, wie sie das Lehramt darlegt, enthält viele Elemente, welche die hier anstehenden Probleme erhellen.
Vom Augenblick der Empfängnis an muss jedes menschliche Wesen in absoluter Weise geachtet werden, weil der Mensch auf der Erde die einzige Kreatur ist, die Gott „um ihrer selbst willen gewollt“ hat<ref>Pastoralkonst. Gaudium et spes, 24. </ref>, und die Geistseele jedes Menschen von Gott „unmittelbar geschaffen“ ist<ref>Vgl. Pius XII., Enzyklika Humani generis: AAS 42 (1950) 575; Paul VI., Professio fidei: AAS 60 (1968) 436. </ref>; sein ganzes Wesen trägt das Abbild des Schöpfers. Das menschliche Leben ist heilig, weil es von seinem Beginn an „der Schöpfermacht Gottes“ <ref>Johannes XXIII., Enzyklika Mater et magistra, III: AAS 53 (1961) 447; vgl. Johannes Paul II., Ansprache an die an einem Studienseminar „Über die verantwortliche Elternschaft“ teilnehmenden Priester, 17. September 1983: Insegnamenti di Giovanni Paolo II, VI, 2 (1983) 562: „Am Anfang jeder menschlichen Person steht ein schöpferischer Akt Gottes: Kein Mensch kommt durch Zufall ins Dasein; er ist immer der Zielpunkt der schöpferischen Liebe Gottes.“ </ref> bedarf und für immer in einer besonderen Beziehung zu seinem Schöpfer bleibt, seinem einzigen Ziel.<ref>Vgl. Pastoralkonst. Gaudium et spes, 24. </ref> Nur Gott ist der Herr des Lebens von seinem Anfang bis zu seinem Ende: Niemand darf sich, unter keinen Umständen, das Recht anmaßen, ein unschuldiges menschliches Wesen direkt zu zerstören.<ref>Vgl. Pius XII., Ansprache an die medizinisch-biologische Vereinigung „St. Lukas“, 12. November 1944: Discorsi e Radiomessaggi IV (1944–1945) 191–192. </ref>
Die menschliche Fortpflanzung erfordert das verantwortliche Mitwirken der Eheleute mit der fruchtbaren Liebe Gottes<ref>Vgl. Pastoralkonst. Gaudium et spes, 24. </ref>; das Geschenk des menschlichen Lebens muss innerhalb der Ehe mittels der spezifischen und ausschließlichen Akte der Eheleute verwirklicht werden gemäß den Gesetzen, die ihnen als Personen und ihrer Vereinigung eingeprägt sind.<ref>Vgl. Pastoralkonst. Gaudium et spes, 51: „Wenn es sich daher um das Zusammengehen von ehelicher Liebe und verantwortlicher Weitergabe des Lebens handelt, hängt die sittliche Qualität der Handlungsweise nicht allein von der guten Absicht und Bewertung der Motive ab, sondern auch von objektiven Kriterien, die sich aus dem Wesen der menschlichen Person und ihrer Akte ergeben und die sowohl den vollen Sinn gegenseitiger Hingabe als auch den einer wirklich humanen Zeugung in wirklicher Liebe wahren.“</ref>
TEIL I: DIE ACHTUNG VOR DEM MENSCHLICHEN EMBRYO
Eine aufmerksame Betrachtung dieser Unterweisung des Lehramts und der oben erwähnten Vernunfterkenntnisse erlaubt, eine Antwort auf die vielfältigen moralischen Probleme zu geben, die durch die technischen Eingriffe am menschlichen Wesen in den Anfangsstadien seines Lebens und in die Abläufe seiner Empfängnis aufgeworfen wurden.
1. Welche Achtung schuldet man dem menschlichen Embryo aufgrund seiner Natur und seiner Identität?
Jedes menschliche Wesen muss – als Person – vom ersten Augenblick seines Daseins an geachtet werden. Die Einführung von Verfahren der künstlichen Befruchtung hat verschiedenartige Eingriffe an menschlichen Embryonen und Föten möglich gemacht. Die verfolgten Ziele sind verschiedener Natur, nämlich diagnostischer und therapeutischer, wissenschaftlicher und kommerzieller Art. Aus alldem entstehen schwerwiegende Probleme. Kann man von einem Recht sprechen, Experimente an menschlichen Embryonen zu wissenschaftlichen Forschungszwecken vorzunehmen? Welche Normen oder welche Gesetzgebung müssen für diese Materie erarbeitet werden? Die Antwort auf solche Probleme setzt eine vertiefte Reflexion über die Natur und die wahre Identität – man spricht vom „Status“ – des menschlichen Embryos voraus.
Die Kirche hat ihrerseits auf dem II. Vatikanischen Konzil dem heutigen Menschen von neuem ihre gleichbleibende und sichere Lehre vorgelegt, wonach das „menschliche Leben von der Empfängnis an mit höchster Sorgfalt zu schützen ist. Abtreibung und Tötung des Kindes sind verabscheuungswürdige Verbrechen.“<ref>Pastoralkonst. Gaudium et spes, 51. </ref> Jüngst erklärte die vom Hl. Stuhl veröffentlichte Charta der Familienrechte: „Menschliches Leben muss vom Augenblick der Empfängnis an absolut geachtet und geschützt werden.“<ref>Hl. Stuhl, Charta der Familienrechte, 4: L’Osservatore Romano, 25. November 1983.</ref> Diese Kongregation weiß um die aktuellen Diskussionen über den Beginn des menschlichen Lebens, über die Individualität von menschlichen Wesen und über die Identität der menschlichen Person. Sie erinnert an die Lehren, die in der Erklärung zur vorsätzlichen Abtreibung enthalten sind: „Von dem Augenblick an, in dem die Eizelle befruchtet wird, beginnt ein neues Leben, welches weder das des Vaters noch das der Mutter ist, sondern das eines neuen menschlichen Wesens, das sich eigenständig entwickelt. Es würde niemals menschlich werden, wenn es das nicht schon von diesem Augenblick an gewesen wäre. Die neuere Genetik bestätigt diesen Sachverhalt, der immer eindeutig war . . ., in eindrucksvoller Weise. Sie hat gezeigt, dass schon vom ersten Augenblick an eine feste Struktur dieses Lebewesens vorliegt: eines Menschen nämlich, und zwar dieses konkreten menschlichen Individuums, das schon mit all seinen genau umschriebenen charakteristischen Merkmalen ausgestattet ist. Mit der Befruchtung beginnt das Abenteuer des menschlichen Lebens, dessen einzelne bedeutende Anlagen Zeit brauchen, um richtig entfaltet und zum Handeln bereit zu werden.“<ref>Hl. Kongregation für die Glaubenslehre, Erklärung zur vorsätzlichen Abtreibung, 12–13: AAS 66 (1974) 738. </ref> Diese Lehre bleibt gültig und wird außerdem, wenn dies noch notwendig wäre, von neueren Forschungsergebnissen der Humanbiologie bestätigt, die anerkennt, dass in der aus der Befruchtung hervorgehenden Zygote* sich die biologische Identität eines neuen menschlichen Individuums bereits konstituiert hat.
*Die Zygote ist die Zelle, die durch die Vereinigung der beiden Gameten entsteht. (Red. Anm.: Gameten sind die befruchtungsfähige Eizelle und die befruchtungsfähige Samenzelle.)
Sicherlich kann kein experimentelles Ergebnis für sich genommen ausreichen, um eine Geistseele erkennen zu lassen; dennoch liefern die Ergebnisse der Embryologie einen wertvollen Hinweis, um mit der Vernunft eine personale Gegenwart schon von diesem ersten Erscheinen eines menschlichen Wesens an wahrzunehmen: Wie sollte ein menschliches Individuum nicht eine menschliche Person sein? Das Lehramt hat sich nicht ausdrücklich auf Aussagen philosophischer Natur festgelegt, bekräftigt aber beständig die moralische Verurteilung einer jeden vorsätzlichen Abtreibung. Diese Lehre hat sich nicht geändert und ist unveränderlich.<ref>Vgl. Paul VI., Ansprache an die Teilnehmer des XXIII. Nationalen Kongresses der Katholischen Juristen Italiens, 9. Dezember 1972: AAS 64 (1972) 777.</ref> Deshalb erfordert die Frucht der menschlichen Zeugung vom ersten Augenblick ihrer Existenz an, also von der Bildung der Zygote an, jene unbedingte Achtung, die man dem menschlichen Wesen in seiner leiblichen und geistigen Ganzheit sittlich schuldet. Ein menschliches Wesen muss vom Augenblick seiner Empfängnis an als Person geachtet und behandelt werden, und infolgedessen muss man ihm von diesem selben Augenblick an die Rechte der Person zuerkennen und darunter vor allem das unverletzliche Recht jedes unschuldigen menschlichen Wesens auf Leben.
Dieser Verweis auf die kirchliche Lehre liefert das grundlegende Kriterium für die Lösung der verschiedenen Probleme, die durch die Entwicklung der biomedizinischen Wissenschaften auf diesem Gebiet entstanden sind: Da er als Person behandelt werden muss, muss der Embryo im Maß des Möglichen wie jedes andere menschliche Wesen im Rahmen der medizinischen Betreuung auch in seiner Integrität verteidigt, versorgt und geheilt werden.
2. Ist die vorgeburtliche Diagnostik moralisch erlaubt?
Wenn die vorgeburtliche Diagnostik das Leben und die Integrität des Embryos und des menschlichen Fötus achtet und auf dessen individuellen Schutz oder Heilung ausgerichtet ist, ist die Antwort positiv.
Die vorgeburtliche Diagnostik lässt tatsächlich den Zustand des Embryos und des Fötus erkennen, solange er sich noch im Mutterleib befindet. Sie erlaubt die frühzeitigere und wirksamere Durchführung oder Planung einiger therapeutischer, medizinischer oder chirurgischer Eingriffe.
Eine solche Diagnostik ist erlaubt, wenn die angewandten Methoden – mit der Zustimmung der entsprechend informierten Eltern – das Leben und die Integrität des Embryos und seiner Mutter wahren, ohne sie unverhältnismäßigen Risiken auszusetzen.<ref>Die Verpflichtung, unverhältnismäßige Risiken zu vermeiden, erfordert eine wirkliche Achtung der menschlichen Wesen und die Lauterkeit der therapeutischen Absichten. Dies schließt ein, dass der Arzt „vor allem sorgfältig die eventuellen negativen Folgen abwägen muss, welche die notwendige Anwendung einer bestimmten Untersuchungstechnik auf den Embryo haben kann, und den Rückgriff auf diagnostische Verfahren meidet, über deren ehrenhafte Finalität und grundsätzliche Unschädlichkeit man keine ausreichenden Garantien besitzt. Und wenn – wie es häufig bei menschlichen Entscheidungen vorkommt – ein Risiko in Kauf genommen werden muss, muss er dafür Sorge tragen festzustellen, dass es gerechtfertigt ist durch eine wirkliche Dringlichkeit der Diagnose und der Wichtigkeit der Resultate, die damit zugunsten dieses Embryos gewinnbar sind“ (Johannes Paul II., Ansprache an die Teilnehmer der Tagung der „Bewegung für das Leben“, 3. Dezember 1982: Insegnamenti di Giovanni Paolo II, V, 3 [1982] 1512). Diese Präzisierung des „verhältnismäßigen Risikos“ muss man auch in den folgenden Abschnitten dieser Instruktion vor Augen haben, und zwar immer dann, wenn dieser Begriff auftaucht.</ref> Aber sie steht in schwerwiegender Weise im Gegensatz zum Moralgesetz, falls sie – je nachdem, wie die Ergebnisse ausfallen – die Möglichkeit in Erwägung zieht, eine Abtreibung durchzuführen. So darf eine Diagnose, die das Bestehen einer Mißbildung oder einer Erbkrankheit anzeigt, nicht gleichbedeutend mit einem Todesurteil sein. Deshalb würde die Frau schwerwiegend unerlaubt handeln, die die Diagnostik mit der bestimmten Absicht verlangte, eine Abtreibung vorzunehmen, falls die Resultate das Vorliegen einer Mißbildung oder Anomalie bestätigten. In gleicher Weise würden der Ehegatte, die Eltern oder jeder andere gegen die Moral handeln, falls sie der Schwangeren die Diagnose mit dem gleichen Ziel rieten oder auferlegten, gegebenenfalls bis zur Abtreibung zu gehen. Genauso würde sich der Spezialist der unerlaubten Beihilfe schuldig machen, der beim Durchführen der Diagnose und beim Mitteilen des Ergebnisses absichtlich dazu beitrüge, eine Verbindung zwischen vorgeburtlicher Diagnose und Abtreibung herzustellen. Verurteilen muss man schließlich als Verletzung des Rechts auf Leben in bezug auf den Ungeborenen und als Eindringen in die ursprünglichen Rechte und Pflichten der Eheleute eine Richtlinie oder ein Programm der staatlichen Autoritäten des Gesundheitswesens oder wissenschaftlicher Organisationen, die in irgendeiner Weise die Verbindung zwischen vorgeburtlicher Diagnose und Abtreibung begünstigten oder sogar die Schwangeren dazu brächten, sich einer planmäßigen vorgeburtlichen Diagnostik mit dem Zweck zu unterziehen, Föten, die von Mißbildungen oder Erbkrankheiten betroffen sind bzw. solche übertragen, zu vernichten.
3. Sind therapeutische Eingriffe am menschlichen Embryo erlaubt?
Wie bei jedem medizinischen Eingriff an Patienten müssen die Eingriffe am menschlichen Embryo unter der Bedingung als erlaubt angesehen werden, dass sie das Leben und die Integrität des Embryos achten und für ihn nicht unverhältnismäßige Risiken mit sich bringen, sondern seine Heilung, die Besserung seines Gesundheitszustandes oder sein individuelles Überleben zum Ziel haben.
Welcher Art auch immer die medizinische Therapie ist, sei sie nun chirurgischer oder anderer Natur, ist die nach entsprechender Information freie Zustimmung der Eltern erforderlich, gemäß den im Fall von Kindern vorgesehenen berufsethischen Regeln. Die Anwendung dieses moralischen Prinzips kann im Fall des Lebens von Embryonen oder von Föten subtile und besondere Vorsichtsmaßnahmen erfordern.
Die Erlaubtheit und die Kriterien für solche Eingriffe sind von Johannes Paul II. klar ausgedrückt worden: „Ein rein therapeutischer Eingriff, dessen Zweck die Heilung verschiedener Krankheiten ist – wie etwa jener, der auf Missbildungen der Chromosomen zurückzuführen sind –, kann grundsätzlich als wünschenswert betrachtet werden, vorausgesetzt, dass er auf eine wahre Förderung des persönlichen Wohles des Individuums zielt, ohne seine Integrität zu verletzen oder seine Lebensbedingungen zu verschlechtern. Ein solcher Eingriff entspricht tatsächlich in seiner Logik der Tradition der christlichen Moral.“<ref>Johannes Paul II., Ansprache an die Teilnehmer der 35. Generalversammlung des Weltärztebundes, 29. Oktober 1983: AAS 76 (1984) 392.</ref>
4. Wie sind Forschungen und Experimente* mit menschlichen Embryonen und Föten moralisch zu bewerten?
* Da die Ausdrücke „Forschung“ und „Experiment“ häufig äquivalent und zweideutig benutzt werden, erscheint es notwendig, die ihnen im vorliegenden Dokument beigelegte Bedeutung zu präzisieren. 1) Unter Forschung wird jede induktiv-deduktive Vorgehensweise verstanden, die darauf zielt, die systematische Untersuchung eines vorliegenden Phänomens im menschlichen Bereich zu fördern oder eine aus früheren Untersuchungen hervorgegangene Hypothese zu überprüfen. 2) Unter Experiment wird jede Forschung verstanden, in der das menschliche Wesen (in den verschiedenen Abschnitten seiner Existenz: als Embryo, Fötus, Kind oder Erwachsener) den Gegenstand darstellt, mittels dessen oder an dem die Wirkung einer gegebenen Behandlungsmethode (z. B. eine pharmakologische, theratogene, chirurgische etc.), sei sie nun bekannt oder noch nicht bekannt, geprüft werden soll.
Die medizinische Forschung muss sich der Eingriffe in lebende Embryonen enthalten, es sei denn, es bestehe die moralische Sicherheit, dass weder dem Leben noch der Integrität des Ungeborenen und der Mutter ein Schaden droht, und unter der Bedingung, dass die Eltern nach entsprechender Information ihre freie Zustimmung zu diesem Eingriff gegeben haben. Daraus folgt, dass jede Forschung, auch wenn sie sich lediglich auf die Untersuchung des Embryos beschränkte, unerlaubt würde, wenn sie wegen der angewandten Methoden oder der herbeigeführten Wirkungen eine Gefahr für die körperliche Unversehrtheit oder das Leben des Embryos bedeutete.
In bezug auf die Experimente muss man die generelle Unterscheidung zwischen denjenigen voraussetzen, die keine direkten therapeutischen Zielsetzungen haben, und solchen, die eindeutig therapeutisch für das Subjekt selbst sind. Zum anderen muss man der Sache nach zwischen dem Experiment mit noch lebenden Embryonen und dem Experiment mit toten Embryonen unterscheiden. Wenn sie leben, müssen sie, ob lebensfähig oder nicht, wie alle menschlichen Personen geachtet werden; das nicht direkt therapeutische Experiment mit Embryonen ist unerlaubt.<ref>Vgl. Johannes Paul II., Ansprache an die Teilnehmer eines Treffens der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften, 23. Oktober 1982: AAS 75 (1983) 37: „Ich verurteile ausdrücklich und offiziell experimentelle Eingriffe am menschlichen Embryo, da ein menschliches Wesen vom Augenblick der Zeugung bis zum Tod für keinen wie immer gearteten Zweck mißbraucht werden darf.“ </ref>
Keine Zielsetzung, auch wenn sie als solche ehrenwert ist, wie die Voraussicht eines Nutzens für die Wissenschaft, für andere menschliche Wesen oder für die Gesellschaft, kann in irgendeiner Weise Experimente mit noch lebenden Embryonen oder Föten rechtfertigen, seien sie nun lebensfähig oder nicht, im Mutterleib oder außerhalb von ihm. Die Zustimmung nach vorhergehender Information, die für klinische Versuche am Erwachsenen normalerweise verlangt wird, kann von den Eltern nicht geleistet werden; diese können weder über die körperliche Integrität noch über das Leben des Ungeborenen verfügen. Andererseits bringen Versuche mit Embryonen und Föten stets die Gefahr, ja sogar in der Mehrzahl der Fälle die sichere Voraussicht eines Schadens für ihre physische Integrität oder sogar ihres Todes mit sich.
Den menschlichen Embryo oder den Fötus als Gegenstand oder Mittel für Experimente zu benutzen, stellt ein Verbrechen gegen deren Würde als menschliche Wesen dar, denen dasselbe Recht auf Achtung wie dem schon geborenen Kind und jeder menschlichen Person zusteht. Die vom Heiligen Stuhl veröffentlichte Charta der Familienrechte erklärt: „Die Achtung vor der Würde des menschlichen Wesens schließt jede Art von experimenteller Manipulation oder Verwertung des menschlichen Embryos aus.“<ref>Hl. Stuhl, Charta der Familienrechte, 4 b: L’Osservatore Romano, 25. November 1983. </ref> Die Praxis, menschliche Embryonen in vivo oder in vitro für experimentelle oder kommerzielle Zwecke am Leben zu erhalten, steht in völligem Widerspruch zur menschlichen Würde.
Im Fall eines eindeutig therapeutischen Experiments kann die Zuhilfenahme von Pharmaka oder noch nicht vollständig erprobter Methoden erlaubt sein, wenn es sich nämlich um die Anwendung experimenteller Behandlungsmethoden zum Wohl des Embryos selbst handelt, um in einem letzten Versuch – mangels anderer sicherer Therapien – dessen Leben zu retten.<ref>Vgl. Johannes Paul II., Ansprache an die Teilnehmer der Tagung der „Bewegung für das Leben“, 3. Dezember 1982: Insegnamenti di Giovanni Paolo II, V, 3 (1982) 1511: „Unannehmbar ist jede Art von Experiment mit dem Fötus, das dessen Integrität schädigen oder seinen gesundheitlichen Zustand verschlimmern könnte, es sei denn, es handelt sich um einen letzten Versuch, ihn vom Tod zu retten.“ Hl. Kongregation für die Glaubenslehre, Erklärung zur Euthanasie, 4: AAS 72 (1980) 550: „In Ermangelung anderer Mittel ist es mit Zustimmung des Kranken zulässig, sich der von den Fortschritten der Medizin zur Verfügung gestellten Heilmittel zu bedienen, auch wenn sich diese noch im Versuchsstadium befinden und nicht ohne Risiko sind.“</ref>
Die Leichen menschlicher Embryonen und Föten, seien sie nun vorsätzlich abgetrieben oder nicht, müssen geachtet werden wie die sterblichen Überreste von anderen menschlichen Wesen. Besonders dürfen sie nicht Verstümmelungen oder Obduktionen ausgesetzt werden, solange ihr Tod nicht mit Sicherheit festgestellt wurde, und nicht ohne die Zustimmung der Eltern oder der Mutter. Darüber hinaus muss immer die moralische Forderung bestehen bleiben, dass dabei keine Beihilfe zu einer gewollten Abtreibung stattgefunden hat und dass die Gefahr des Ärgernisses vermieden wird. Auch im Fall verstorbener Föten muss, wie bei den Leichen Erwachsener, jede kommerzielle Praxis als unerlaubt erachtet und verboten werden.
5. Wie ist die Benutzung der durch In-vitro-Befruchtung erlangten Embryonen zu Forschungszwecken moralisch zu bewerten?
Die in vitro gezeugten Embryonen sind menschliche Wesen und Rechtssubjekte: Ihre Würde und ihr Recht auf Leben müssen schon vom ersten Augenblick ihrer Existenz an geachtet werden. Es ist unmoralisch, menschliche Embryonen zum Zweck der Verwertung als frei verfügbares „biologisches Material“ herzustellen.
In der üblichen Praxis der In-vitro-Befruchtung werden nicht alle Embryonen in den Mutterleib übertragen; einige werden zerstört. So wie sie die vorsätzliche Abtreibung verurteilt, verbietet die Kirche auch jeden Anschlag auf das Leben dieser menschlichen Wesen. Es ist nötig, auf die besondere Schwere der freiwilligen Zerstörung der menschlichen Embryonen hinzuweisen, die nur zum Zweck der Forschung – sei es mittels künstlicher Befruchtung, sei es mittels „Zwillingsspaltung“ – in vitro hergestellt worden sind. Der Forscher, der so handelt, setzt sich an die Stelle Gottes und macht sich, auch wenn er sich dessen nicht bewusst ist, zum Herrn des Geschicks anderer, insofern er sowohl nach Belieben auswählt, wen er leben lässt und wen er zum Tod verurteilt, als auch insofern er wehrlose Menschen umbringt.
Aus demselben Grund sind Beobachtungs- und Versuchsmethoden, die in vitro gewonnenen Embryonen Schaden zufügen oder sie schwerwiegenden und unverhältnismäßigen Risiken aussetzen, moralisch unerlaubt. Jedes menschliche Wesen muss um seiner selbst willen geachtet werden und darf nicht auf den bloßen und einfachen Wert eines Mittels zum Vorteil anderer herabgewürdigt werden. Es entspricht deshalb nicht der Moral, in vitro hervorgebrachte menschliche Embryonen bewusst dem Tod auszusetzen. Infolge der Tatsache, dass sie in vitro hergestellt wurden, bleiben diese nicht in den Mutterleib übertragenen und als „überzählig“ bezeichneten Embryonen einem absurden Schicksal ausgesetzt, ohne Möglichkeit, ihnen sichere und moralisch einwandfreie Überlebensmöglichkeiten bieten zu können.
6. Welches Urteil ist über die anderen Verfahren zur Manipulation von Embryonen im Zusammenhang mit den "Techniken menschlicher Replikation" abzugeben?
Die Techniken der In-vitro-Befruchtung können die Möglichkeit für andere Formen biologischer oder genetischer Manipulation menschlicher Embryonen eröffnen, und zwar: Versuche oder Pläne zur Befruchtung zwischen menschlichen und tierischen Keimzellen und zur Austragung menschlicher Embryonen in tierischen Gebärmüttern; das hypothetische Vorhaben oder den Plan, künstliche Gebärmütter für den menschlichen Embryo zu konstruieren. Diese Verfahren widersprechen der dem Embryo eigenen Würde als eines menschlichen Wesens und verletzen gleichzeitig das Recht jeder Person, innerhalb der Ehe und durch die Ehe empfangen und geboren zu werden.<ref>Niemand kann vor seinem Dasein ein subjektives Recht auf Beginn seiner Existenz geltend machen; es ist jedoch legitim, das Recht des Kindes zu bejahen, einen ganz und gar menschlichen Ursprung durch die der personalen Natur des menschlichen Wesens entsprechende Empfängnis zu haben. Das Leben ist ein Geschenk, dem sowohl das Subjekt, das es empfängt, als auch die Subjekte, die es weitergeben, in würdiger Weise entsprechen müssen. Diese Präzisierung muss man auch für das, was zur künstlichen menschlichen Fortpflanzung gesagt werden wird, vor Augen haben. </ref> Auch die Versuche und Hypothesen, die darauf abzielen, ein menschliches Wesen ohne jede Verbindung mit der Sexualität mittels „Zwillingsspaltung“, Klonierens oder Parthenogenese zu gewinnen, stehen im Gegensatz zur Moral, weil sie sowohl der Würde der menschlichen Fortpflanzung als auch derjenigen der ehelichen Vereinigung widersprechen.
Auch das Einfrieren der Embryonen, selbst wenn es zur Garantie der Lebenserhaltung des Embryos durchgeführt wird (Kryokonservierung), stellt eine Beleidigung der dem menschlichen Wesen geschuldeten Achtung dar, insofern es sie schwerwiegenden Gefahren des Todes oder der Schädigung ihrer physischen Integrität aussetzt, sie zumindest zeitweise der mütterlichen Aufnahme und Austragung entzieht und sie einer von weiteren Verletzungen und Manipulationen bedrohten Lage aussetzt.
Einige Versuche, in das chromosomale oder das genetische Gut einzugreifen, sind nicht therapeutischer Natur, sondern zielen auf die Produktion menschlicher Wesen, die nach dem Geschlecht oder anderen vorher festgelegten Eigenschaften ausgewählt werden. Diese Manipulationen stehen im Gegensatz zur personalen Würde des menschlichen Wesens, seiner Integrität und seiner Identität. Sie können daher in keiner Weise gerechtfertigt werden im Blick auf mögliche wohltätige Folgen für die künftige Menschheit.<ref>Vgl. Johannes Paul II., Ansprache an die Teilnehmer der 35. Generalversammlung des Weltärztebundes, 29. Oktober 1983: AAS 76 (1984) 391.</ref> Jede Person muss um ihrer selbst willen geachtet werden: Darin besteht die Würde und das Recht jedes menschlichen Wesens schon von seinem Beginn an.
TEIL II: EINGRIFFE IN DIE MENSCHLICHE FORTPFLANZUNG
Unter „künstlicher Fortpflanzung“ oder „künstlicher Befruchtung“ werden hier die verschiedenen technischen Verfahren verstanden, die darauf abzielen, eine menschliche Empfängnis in anderer Weise als durch die sexuelle Vereinigung von Mann und Frau zu erreichen. Die Instruktion handelt von der Befruchtung einer Eizelle im Reagenzglas (In-vitro-Befruchtung) und von der künstlichen Besamung mittels Übertragung vorher gewonnenen Samens in die Geschlechtsorgane der Frau.
Ein erster Punkt für die moralische Bewertung derartiger Techniken ergibt sich aus der Betrachtung der Umstände und Folgen, die diese in bezug auf die dem menschlichen Embryo geschuldete Achtung mit sich bringen. Die Durchsetzung der Praxis der In-vitro-Befruchtung hat unzählige Befruchtungen und Zerstörungen menschlicher Embryonen gefordert. Noch heute setzt sie üblicherweise eine gesteigerte Eizellenbildung der Frau voraus: mehrere Eizellen werden entnommen, befruchtet und einige Tage lang in vitro kultiviert. Im allgemeinen werden nicht alle in die Geschlechtsorgane der Frau übertragen; einige gewöhnlich als „überzählig“ bezeichnete Embryonen werden zerstört oder eingefroren. Manchmal werden einige der eingepflanzten Embryonen aus verschiedenen eugenischen, wirtschaftlichen oder psychologischen Gründen geopfert. Eine derartige frei gewollte Zerstörung menschlicher Wesen oder ihre Verwertung zu verschiedenen Zwecken, zum Schaden ihrer Integrität und ihres Lebens, widerspricht der schon in Erinnerung gebrachten Lehre bezüglich der vorsätzlichen Abtreibung.
Die Verbindung zwischen der Befruchtung in vitro und der frei gewollten Vernichtung menschlicher Embryonen bestätigt sich allzu häufig. Das ist bezeichnend: Mit diesen Verfahren, deren Zielsetzungen scheinbar entgegengesetzt sind, werden das Leben und der Tod den Entscheidungen des Menschen unterworfen, der sich so selbst zum Herrn über Leben und Tod nach Belieben macht. Diese Dynamik von Gewalt und Herrschaft kann gerade bei denen unbemerkt bleiben, die sie benutzen wollen und sich ihr dabei unterwerfen. Die in Erinnerung gebrachten Fakten und die kalte Logik, die sie verbindet, müssen für ein moralisches Urteil über die FIVET (In-vitro-Befruchtung und Embryoübertragung) in die Überlegungen einbezogen werden: Die Abtreibungsmentalität, die sie möglich gemacht hat, führt so – ob man will oder nicht – zu einer Herrschaft des Menschen über Leben und Tod von seinesgleichen, die zu einer radikalen Erbauslese werden kann.
Doch derartige Mißbräuche entbinden nicht von einer vertieften und weitergehenden ethischen Reflexion über die künstlichen Fortpflanzungstechniken, in sich selbst betrachtet, indem man, soweit es überhaupt möglich ist, von der Zerstörung der in vitro erzeugten Embryonen absieht. Die vorliegende Instruktion wird deshalb an erster Stelle die Probleme, die von der heterologen künstlichen Befruchtung (II, 1–3)* aufgeworfen werden, in Betracht ziehen und anschließend jene, die mit der homologen künstlichen Besamung (II, 4–6)** verbunden sind.
Bevor wir jede von ihnen ethisch beurteilen, werden die Grundsätze und Werte betrachtet, die die moralische Beurteilung jedes dieser Verfahren bestimmen.
* Die Instruktion versteht unter der Bezeichnung heterologe künstliche Befruchtung oder Zeugung die Techniken, die darauf ausgerichtet sind, in künstlicher Weise eine menschliche Empfängnis herbeizuführen, und zwar ausgehend von Keimzellen, die mindestens von einem Spender stammen, der von den in der Ehe verbundenen Gatten verschieden ist. Solche Techniken können von zweierlei Art sein:
a) heterologe FIVET: Die Technik, die darauf ausgerichtet ist, eine menschliche Empfängnis herbeizuführen, und zwar durch die In-vitro-Begegnung von Keimzellen, die mindestens von einem Spender stammen, der von den in der Ehe verbundenen Gatten verschieden ist.
b) künstliche heterologe Besamung: Die Technik, die darauf ausgerichtet ist, eine menschliche Empfängnis herbeizuführen, und zwar durch die Übertragung von Samen in die Geschlechtsorgane der Frau, der von einem vom Ehemann verschiedenen Spender stammt.
** Die Instruktion versteht unter homologer künstlicher Befruchtung oder Zeugung die Technik, die darauf ausgerichtet ist, eine menschliche Empfängnis herbeizuführen, und dabei von den Keimzellen zweier verheirateter Eheleute ausgeht. Die homologe künstliche Befruchtung kann mittels zweier verschiedener Methoden verwirklicht werden: a) homologe FIVET: Die Technik, die darauf ausgerichtet ist, eine menschliche Empfängnis herbeizuführen, und zwar durch die In-vitro-Begegnung der Keimzellen verheirateter Ehegatten. b) homologe künstliche Befruchtung: Die Technik, die darauf ausgerichtet ist, eine menschliche Empfängnis herbeizuführen, und zwar durch die Übertragung des Samens des Ehemannes in die Geschlechtsorgane der Ehefrau.
A. DIE HETEROLOGE KÜNSTLICHE BEFRUCHTUNG
1. Warum muss die menschliche Fortpflanzung in der Ehe stattfinden?
Jedes menschliche Wesen muss immer als Geschenk und Segen Gottes aufgenommen werden. Aus moralischer Sicht muss jedoch eine gegenüber dem Ungeborenen wahrhaft verantwortliche Zeugung die Frucht der Ehe sein.
Die menschliche Fortpflanzung hat nämlich kraft der personalen Würde der Eltern und Kinder spezifische Eigenschaften: Die Zeugung einer neuen Person, durch die Mann und Frau mit der Macht des Schöpfers mitarbeiten, soll Frucht und Zeichen des gegenseitigen personalen Sich-Schenkens der Eheleute sein, ihrer Liebe und ihrer Treue.<ref>Vgl. Pastoralkonst. Gaudium et spes, 50. </ref> Die Treue der Eheleute in der Einheit der Ehe umfasst die gegenseitige Achtung ihres Rechtes, dass der eine nur durch den anderen Vater oder Mutter wird.
Das Kind hat ein Recht darauf, innerhalb der Ehe empfangen, ausgetragen, auf die Welt gebracht und erzogen zu werden: Gerade durch die sichere und anerkannte Beziehung zu den eigenen Eltern kann es seine eigene Identität entdecken und menschlich heranreifen.
Die Eltern finden im Kind eine Bestätigung und Ergänzung ihrer gegenseitigen Hingabe: Es ist der lebendige Widerschein ihrer Liebe, das bleibende Zeichen ihrer ehelichen Gemeinschaft, die lebendige und unauflösliche Einheit ihres Vater- und Mutterseins.<ref>Vgl. Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Familiaris consortio, 14: AAS 74 (1982) 96.</ref>
Kraft der Berufung und der sozialen Verantwortung der Person tragen das Wohl der Kinder und der Eltern zum Wohl der Gesellschaft bei. Die Lebenskraft und das Gleichgewicht der Gesellschaft erfordern, dass die Kinder im Schoß einer Familie zur Welt kommen und dass diese fest auf der Ehe gegründet ist.
Die Überlieferung der Kirche und die anthropologische Reflexion erkennen in der Ehe und in ihrer unauflöslichen Einheit den einzig würdigen Ort einer wahrhaft verantwortungsvollen Fortpflanzung.
2. Entspricht die heterologe künstliche Befruchtung der Würde der Eheleute und der Wahrheit der Ehe?
Durch die FIVET und die heterologe künstliche Besamung wird die menschliche Empfängnis mittels der Begegnung von Keimzellen herbeigeführt, die wenigstens von einem Spender herrühren, der von den in der Ehe verbundenen Gatten verschieden ist. Die heterologe künstliche Befruchtung widerspricht der Einheit der Ehe, der Würde der Eheleute, der den Eltern eigenen Berufung und dem Recht des Kindes, in der Ehe und durch die Ehe empfangen und zur Welt gebracht zu werden.<ref>Vgl. Pius XII., Ansprache an die Teilnehmer des IV. Internationalen Kongresses katholischer Ärzte, 29. September 1949: AAS 41 (1949) 559. Nach dem Plan des Schöpfers „verlässt der Mann Vater und Mutter und bindet sich an seine Frau, und sie werden ein Fleisch“ (Gen 2,2). Die Einheit der Ehe, die an die Schöpfungsordnung gebunden ist, ist eine Wahrheit, die der natürlichen Vernunft zugänglich ist. Die Tradition und das Lehramt der Kirche beziehen sich häufig auf das Buch Genesis, sowohl direkt als auch über die Stellen des Neuen Testamentes, die sich darauf beziehen: Mt 19,4-6; Mk 10, 5-8; Eph 5,31. Vgl. Athenagoras, Legatio pro christianis, 33: PG 6, 965–967; Hl. Johannes Chrysostomus, In Matthaeum homiliae, LXII, 19, l; PG 58, 597; Hl. Leo d. Gr., Epistula ad Rusticum, 4: PL 54, 1204; Innozenz III., Epist. Gaudemus in Domino: DS 778; II. Konzil von Lyon, IV sess.: DS 860; Konzil von Trient, XXIV sess.: DS 1798, 1802; Leo XIII., Enzyklika Arcanum divinae sapientiae: ASS 12 (1879– 80) 388–391; Pius XI., Enzyklika Casti connubii: AAS 22 (1930) 546–547; II. Vatikani-sches Konzil, Pastoralkonst. Gaudium et spes, 48; Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Familiaris consortio, 19: AAS 74 (1982) 101–102; CIC, can. 1056. </ref>
Die Achtung vor der Einheit der Ehe und der ehelichen Treue erfordern, dass das Kind in der Ehe empfangen wird; das Band, das zwischen den Eheleuten besteht, gewährt ihnen objektiv und unübertragbar das ausschließliche Recht, dass der eine nur durch den anderen Vater oder Mutter wird.<ref>Vgl. Pius XII., Ansprache an die Teilnehmer des IV. Internationalen Kongresses katholischer Ärzte, 29. September 1949: AAS 41 (1949) 560; Ansprache an die Kongreßteilnehmer des katholischen italienischen Hebammenverbandes, 29. Oktober 1951: AAS 43 (1951) 850; CIC, can. 1134.</ref> Der Rückgriff auf die Keimzellen einer dritten Person, um den Samen oder die Eizelle zur Verfügung zu haben, bedeutet einen Bruch der gegenseitigen Verpflichtung der Eheleute und eine schwere Verfehlung in Hinblick auf eine wesentliche Eigenschaft der Ehe, nämlich ihre Einheit. Die heterologe künstliche Befruchtung verletzt die Rechte des Kindes, beraubt es der Kind-Beziehung zu seinen elterlichen Ursprüngen und kann das Reifen seiner persönlichen Identität behindern. Sie bedeutet außerdem einen Angriff auf die gemeinsame Berufung der Eheleute, die zur Vater- oder Mutterschaft berufen sind: Sie beraubt objektiv die eheliche Fruchtbarkeit ihrer Einheit und Integrität; sie bewirkt und manifestiert einen Bruch zwischen genetischer Elternschaft, Austragungselternschaft und Erziehungsverantwortung. Eine solche Veränderung der persönlichen Beziehungen im Inneren der Familie hat ihre Auswirkung auf die staatliche Gesellschaft: Was die Einheit und die Festigkeit der Familie bedroht, ist Quelle von Streit, Unordnung und Ungerechtigkeiten im gesamten sozialen Leben.
Diese Gründe führen zu einem negativen moralischen Urteil über die heterologe künstliche Befruchtung. Demnach ist moralisch unerlaubt die Befruchtung einer verheirateten Frau mit dem Samen eines von ihrem Ehemann verschiedenen Mannes; ebenso unerlaubt ist die Befruchtung der Eizelle, die von einer anderen Frau stammt, mit dem Samen des Ehemannes. Zudem kann die künstliche Befruchtung einer unverheirateten Frau, sei sie nun ledig oder verwitwet, moralisch nicht gerechtfertigt werden, wer auch immer der Spender ist.
Der Wunsch, ein Kind zu haben, die Liebe der Eheleute, die eine anders nicht überwindbare Sterilität beheben möchte, stellen verständliche Beweggründe dar; aber subjektiv gute Absichten bringen die heterologe künstliche Befruchtung weder mit den objektiven und unveräußerlichen Eigenschaften der Ehe noch mit der Achtung der Rechte des Kindes und der Eheleute in Einklang.
3. Ist die "Ersatzmutterschaft" * moralisch erlaubt?
* Unter der Bezeichnung „Ersatzmutter“ versteht die Instruktion: a) die Frau, die einen in ihre Gebärmutter eingepflanzten Embryo austrägt, der ihr genetisch fremd ist, weil er durch die Vereinigung der Keimzellen von „Spendern“ erlangt wurde mit der Verpflichtung, das Kind nach seiner Geburt demjenigen zu übergeben, der eine solche Austragung in Auftrag gegeben oder vereinbart hat; b) die Frau, die einen Embryo austrägt, zu dessen Zeugung sie mit der Spende ihrer eigenen Eizelle beigetragen hat, die durch Besamung mit dem Samen eines von ihrem Gatten verschiedenen Mannes befruchtet wurde mit der Verpflichtung, das Kind nach seiner Geburt demjenigen zu übergeben, der die Austragung in Auftrag gegeben oder vereinbart hat.
Nein, und zwar aus denselben Gründen, die zur Ablehnung der heterologen künstlichen Befruchtung führen: Denn sie steht im Gegensatz zur Einheit der Ehe und zur Würde der Fortpflanzung der menschlichen Person. Die Ersatzmutterschaft stellt einen objektiven Verstoß gegenüber den Pflichten der Mutterliebe, der ehelichen Treue und der verantwortlichen Mutterschaft dar; sie beleidigt die Würde und das Recht des Kindes, von den eigenen Eltern empfangen, ausgetragen, zur Welt gebracht und erzogen zu werden; sie führt zum Schaden der Familie eine Trennung zwischen den physischen, psychischen und moralischen Elementen ein, aus denen die Familie besteht.
B. DIE HOMOLOGE KÜNSTLICHE BEFRUCHTUNG
Nachdem die heterologe künstliche Befruchtung für unannehmbar erklärt wurde, stellt sich die Frage nach der moralischen Bewertung der Verfahren der homologen künstlichen Befruchtung FIVET und der künstlichen Besamung zwischen den Eheleuten. Vorher ist eine prinzipielle Frage zu klären.
4. Welches Band ist aus moralischer Sicht zwischen Fortpflanzung und ehelichem Akt erforderlich?
a) Die Kirche unterstreicht in ihrer Lehre über die Ehe und die menschliche Fortpflanzung „die von Gott bestimmte unlösbare Verknüpfung der beiden Sinngehalte – liebende Vereinigung und Fortpflanzung –, die beide dem ehelichen Akt innewohnen. Diese Verknüpfung darf der Mensch nicht eigenmächtig auflösen. Seiner innersten Struktur nach befähigt der eheliche Akt, indem er die Eheleute aufs engste miteinander vereint, zugleich zur Zeugung neuen Lebens, entsprechend den Gesetzen, die in die Natur des Mannes und der Frau eingeschrieben sind.“<ref>Paul VI., Enzyklika Humanae vitae, 12: AAS 60 (1968) 488–489. </ref> Dieses auf die Natur der Ehe und auf die innige Verknüpfung ihrer Güter gegründete Prinzip bringt wohlbekannte Folgen auf der Ebene der verantwortlichen Vaterschaft und Mutterschaft mit sich. „Wenn die beiden wesentlichen Gesichtspunkte der liebenden Vereinigung und der Fortpflanzung beachtet werden, behält der eheliche Akt voll und ganz den Sinngehalt gegenseitiger und wahrer Liebe und seine Hinordnung auf die erhabene Aufgabe der Elternschaft.“<ref>Ebenda, 489.</ref>
Dieselbe Lehre bezüglich des Bandes zwischen den Sinngehalten des ehelichen Aktes und zwischen den Gütern der Ehe klärt das moralische Problem der homologen künstlichen Befruchtung, denn „es ist nie erlaubt, diese verschiedenen Aspekte dermaßen zu trennen, dass man entweder die Absicht zur Zeugung oder die eheliche Beziehung positiv ausschließt“.<ref>Pius XII., Ansprache an die Teilnehmer des II. Weltkongresses in Neapel über die menschliche Fruchtbarkeit und Sterilität, 19. Mai 1956: AAS 48 (1956) 470. </ref> Die Kontrazeption beraubt vorsätzlich den ehelichen Akt seiner Öffnung auf die Fortpflanzung hin und bewirkt so eine gewollte Trennung der Ziele der Ehe. Die homologe künstliche Befruchtung bewirkt objektiv eine analoge Trennung zwischen den Gütern und Sinngehalten der Ehe, indem sie eine Fortpflanzung anstrebt, die nicht Frucht eines spezifischen Aktes ehelicher Vereinigung ist.
Deshalb ist es erlaubt, eine Befruchtung zu wünschen, wenn sie Ergebnis eines „ehelichen Aktes ist, der aus sich heraus zur Zeugung von Nachkommenschaft geeignet ist, auf den die Ehe ihrer Natur nach hingeordnet ist und durch den die Ehegatten ein Fleisch werden“.<ref>CIC, can. 1061. Gemäß diesem Kanon ist der eheliche Akt jener, durch den die Ehe vollzogen wird, wenn ihn die Ehegatten „auf menschliche Weise miteinander gesetzt haben“. </ref> Aber die Fortpflanzung ist aus moralischer Sicht ihrer eigenen Vollkommenheit beraubt, wenn sie nicht als Frucht des ehelichen Aktes, also des spezifischen Geschehens der Vereinigung der Eheleute, angestrebt wird.
b) Der moralische Wert der innigen Bindung, die zwischen den Gütern der Ehe und zwischen den Sinngehalten des ehelichen Aktes besteht, gründet auf der Einheit des menschlichen Wesens, der Einheit des Leibes und der Geistseele.<ref>Vgl. Pastoralkonst. Gaudium et spes, 14. </ref> Die Eheleute drücken einander ihre personale Liebe in der „Sprache des Leibes“ aus, die deutlich den Ausdruck gegenseitiger Hingabe mit der Bestimmung zur Elternschaft verbindet.<ref>Vgl. Johannes Paul II., Generalaudienz, 16. Januar 1980: Insegnamenti di Giovanni Paolo II, III, 1 (1980) 148–152.</ref> Der eheliche Akt, durch den die Eheleute einander ihre Selbsthingabe kundtun, drückt zugleich die Öffnung zum Geschenk des Lebens aus: Er ist ein untrennbar leiblicher und geistiger Akt zugleich. In ihrem Leib und durch ihren Leib vollziehen die Gatten die Ehe und können Vater und Mutter werden. Um die Sprache des Leibes und seine naturgegebene Fülle zu achten, muss die eheliche Vereinigung in der Achtung vor der Öffnung auf die Fortpflanzung hin erfolgen, und die Zeugung einer Person muss Frucht und Ziel der ehelichen Liebe sein. Der Ursprung des menschlichen Wesens ist so Frucht einer Zeugung, die „nicht nur an die biologische, sondern auch an die geistige Vereinigung der Eltern gebunden ist, die im Bund der Ehe geeint sind“.<ref>Johannes Paul II., Ansprache an die Teilnehmer der 35. Generalversammlung des Weltärztebundes, 29. Oktober 1983: AAS 76 (1984) 393. </ref> Eine außerhalb des Leibes der Eheleute erlangte Befruchtung bleibt gerade deswegen der Sinngehalte und der Werte beraubt, die sich in der Sprache des Leibes und der Vereinigung der menschlichen Personen ausdrücken.
c) Nur die Achtung vor dem Band, das zwischen den Sinngehalten des ehelichen Aktes besteht, und die Achtung vor der Einheit des menschlichen Wesens gestatten eine der Würde der Person entsprechende Fortpflanzung. In seinem einmaligen und unwiederholbaren Ursprung muss das Kind in seiner personalen Würde gleich denen geachtet und anerkannt werden, die ihm das Leben schenken. Die menschliche Person muss in die Zeichen der Einheit und der Liebe ihrer Eltern aufgenommen werden; die Zeugung eines Kindes muss deshalb die Frucht gegenseitiger Schenkung sein<ref>Vgl. Pastoralkonst. Gaudium et spes, 51. </ref>, die sich im ehelichen Akt verwirklicht, in dem die Eheleute – als Diener und nicht als Herren – am Werk der Schöpfer-Liebe teilnehmen.<ref>Vgl. Pastoralkonst. Gaudium et spes, 50.</ref> Der Ursprung einer menschlichen Person ist in Wirklichkeit Ergebnis einer Schenkung. Der Empfangene muss die Frucht der Liebe seiner Eltern sein. Er kann nicht als Produkt eines Eingriffs medizinischer Techniken gewollt oder empfangen werden: Dies würde bedeuten, ihn zum Objekt einer wissenschaftlichen Technologie zu erniedrigen. Niemand darf das Auf-die-Welt-Kommen eines Kindes den Bedingungen technischer Effizienz unterwerfen, die nach den Maßstäben von Kontrolle und Beherrschung bewertet werden.
Die moralische Bedeutung des Bandes, das zwischen den Sinngehalten des ehelichen Aktes und zwischen den Gütern der Ehe besteht, die Einheit des menschlichen Wesens und die Würde seines Ursprungs erfordern, dass die Zeugung einer menschlichen Person als Frucht des spezifisch ehelichen Aktes der Liebe zwischen den Eheleuten angestrebt werden muss. Es zeigt sich also, welch große Wichtigkeit das Band, das zwischen Fortpflanzung und ehelichem Akt besteht, auf anthropologischem und moralischem Gebiet hat, und so erklärt sich die Position des Lehramts bezüglich der homologen künstlichen Befruchtung.
5. Ist die homologe In-vitro-Befruchtung moralisch erlaubt?
Die Antwort auf diese Frage hängt eng von den eben erwähnten Grundsätzen ab. Sicherlich kann man die rechtmäßigen Anliegen der unfruchtbaren Eheleute nicht außer acht lassen; einigen von ihnen erscheint der Rückgriff auf die homologe FIVET als einziges Mittel, um ein aufrichtig gewünschtes Kind zu bekommen: Man fragt sich, ob in diesen Situationen nicht die Gesamtheit des ehelichen Lebens genüge, um die der menschlichen Fortpflanzung entsprechende Würde zu sichern. Man erkennt an, dass die FIVET sicherlich fehlende eheliche Beziehungen nicht zu ersetzen vermag<ref>Vgl. Pius XII., Ansprache an die Teilnehmer des IV. Internationalen Kongresses katholischer Ärzte, 29. September 1949: AAS 41 (1949) 560: „Es wäre falsch zu glauben, dass die Möglichkeit, auf dieses Mittel (die künstliche Befruchtung) zurückzugreifen, die Ehe zwischen Personen gültig machen könnte, die unfähig sind, sie zu schließen aufgrund des ,impedimentum impotentiae'.“ </ref> und nicht den spezifischen Akten der ehelichen Vereinigung vorgezogen werden darf, wenn man die Gefahren, die sie für das Kind mit sich bringen kann, und die Mängel des Verfahrens vor Augen hat. Aber – so fragt man – falls es unmöglich wäre, die Sterilität, die Ursache von Leid ist, anders zu beheben, kann dann die homologe In-vitro-Befruchtung nicht eine Hilfe, ja sogar eine Therapie darstellen, und kann deshalb dann nicht deren moralische Zulässigkeit angenommen werden?
Der Wunsch nach einem Kind – oder zumindest die Bereitschaft dazu, das Leben weiterzugeben – ist aus moralischer Sicht für eine verantwortliche menschliche Zeugung erforderlich. Doch diese gute Absicht ist für eine moralisch positive Bewertung der In-vitro-Befruchtung zwischen Eheleuten nicht ausreichend. Das Verfahren der FIVET muss in sich selbst bewertet werden; es kann seine endgültige moralische Bewertung weder aus dem ehelichen Leben in seiner Gesamtheit herleiten, in das es sich einfügt, noch von den ehelichen Akten, die ihm vorangehen, noch von denen, die ihm folgen mögen.<ref>Eine analoge Frage wurde von Paul VI. behandelt, Enzyklika Humanae vitae, 14: AAS 60 (1968) 490–491. </ref>
Es ist schon daran erinnert worden, wie unter den Umständen, in denen sie üblicherweise praktiziert wird, die FIVET die Zerstörung menschlicher Wesen mit sich bringt, eine Tatsache, die sich gegen die schon vorgelegte Lehre über die Unerlaubtheit der Abtreibung richtet.<ref>Vgl. oben: I, 1 f.</ref> Aber auch in dem Fall, in dem alle Vorsichtsmaßnahmen zur Vermeidung des Todes dermenschlichen Embryonen angewandt würden, bewirkt die homologe FIVET die Trennung der auf die menschliche Befruchtung ausgerichteten Handlungen vom ehelichen Akt. Deshalb muss man die eigentliche Natur der homologen FIVET in Betracht ziehen und dabei auch von der Verbindung zur Abtreibung absehen.
Die homologe FIVET wird außerhalb des Leibes der Eheleute mit der Hilfe der Handlungen dritter Personen durchgeführt, deren Kompetenz und technische Leistung den Erfolg des Eingriffs bestimmen; sie vertraut das Leben und die Identität des Embryos der Macht der Mediziner und Biologen an und errichtet eine Herrschaft der Technik über Ursprung und Bestimmung der menschlichen Person. Eine derartige Beziehung von Beherrschung widerspricht in sich selbst der Würde und der Gleichheit, die Eltern und Kindern gemeinsam sein muss.
Die Empfängnis in vitro ist Ergebnis einer technischen Handlung, die die Befruchtung vornehmlich bestimmt; sie ist nicht Ausdruck und Frucht eines spezifischen Aktes ehelicher Vereinigung; weder wird sie tatsächlich so herbeigeführt noch wird sie positiv angestrebt als Ausdruck und Frucht eines spezifischen Aktes der ehelichen Vereinigung. Selbst wenn man sie im Kontext der tatsächlich bestehenden ehelichen Beziehungen betrachtet, ist in der homologen FIVET die Zeugung der menschlichen Person objektiv der ihr eigenen Vollkommenheit beraubt: nämlich Zielpunkt und Frucht eines ehelichen Aktes zu sein, durch den die Eheleute „im Schenken des Lebens an eine neue menschliche Person zu Mitarbeitern Gottes“ werden.<ref>Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Familiaris consortio, 14: AAS 74 (1982) 96.</ref>
Diese Gründe lassen verstehen, warum in der Lehre der Kirche der eheliche Liebesakt als der einzige der menschlichen Fortpflanzung würdige Ort angesehen wird. Aus denselben Gründen bleibt auch der sog. „einfache Fall“ – also ein homologes FIVET-Verfahren, das von jeder kompromittierenden Verbindung mit der Abtreibungspraxis, der Zerstörung von Embryonen und der Masturbation frei wäre – eine moralisch unerlaubte Technik, weil sie die menschliche Fortpflanzung der ihr eigenen und naturgemäßen Würde beraubt.
Sicherlich ist die homologe FIVET nicht von all der ethischen Negativität belastet, die man in der außerehelichen Fortpflanzung vorfindet; Familie und Ehe bleiben weiterhin der Raum für die Geburt und die Erziehung des Kindes. Dennoch – in Übereinstimmung mit der traditionellen Lehre über die Güter der Ehe und die Würde der Person – bleibt die Kirche aus moralischer Sicht bei der Ablehnung der homologen In-vitro-Befruchtung; diese ist in sich unerlaubt und steht in Widerspruch zur Würde der Fortpflanzung und der ehelichen Vereinigung, selbst wenn alles getan wird, um den Tod des menschlichen Embryos zu vermeiden.
Obwohl die Art und Weise, in der die menschliche Empfängnis in der FIVET herbeigeführt wird, nicht gebilligt werden kann, muss man doch jedes Kind, das auf die Welt kommt, als lebendiges Geschenk der göttlichen Güte annehmen und mit Liebe aufziehen.
6. Wie ist die künstliche homologe Besamung aus moralischer Sicht zu bewerten?
Die homologe künstliche Besamung innerhalb der Ehe kann nicht zugelassen werden, mit Ausnahme des Falls, in dem das technische Mittel nicht den ehelichen Akt ersetzen, sondern ihn erleichtern und ihm helfen würde, sein natürliches Ziel zu erreichen.
Die Unterweisung des Lehramts zu diesem Thema ist schon dargelegt worden.<ref>Vgl. Antwort des Hl. Offiziums, 17. März 1897: DS 3323; Pius XII., Ansprache an die Teilnehmer des IV. Internationalen Kongresses katholischer Ärzte, 29. September 1949; AAS 41 (1949) 560; Ansprache an die Kongreßteilnehmer des katholischen italienischen Hebammenverbandes, 29. Oktober 1951: AAS 43 (1951) 850; Ansprache an die Teilnehmer des II. Weltkongresses in Neapel über menschliche Fruchtbarkeit und Sterilität, 19. Mai 1956: AAS 48 (1956) 471–473; Ansprache an die Teilnehmer des VII. Internationalen Kongresses der Internationalen Gesellschaft für Hämatologie, 12. September 1958: AAS 50 (1958) 733; Johannes XXIII., Enzyklika Mater et magistra, III: AAS 53 (1961 ) 447. </ref> Sie ist nicht bloß Ausdruck besonderer historischer Umstände, sondern sie fußt auf der Lehre der Kirche über die Verknüpfung zwischen ehelicher Vereinigung und Fortpflanzung sowie auf der Betrachtung der personalen Natur des ehelichen Aktes. „Der eheliche Akt ist seiner natürlichen Struktur nach eine persönliche Handlung, ein gleichzeitiges unmittelbares Zusammenwirken der Eheleute. Dieses ist wegen der Natur derer, die hier tätig sind, und wegen der Eigenart des Aktes der Ausdruck gegenseitiger Hingabe, die nach einem Wort der Heiligen Schrift zur Einheit in einem Fleisch führt.“<ref>Pius XII., Ansprache an die Kongreßteilnehmer des katholischen italienischen Hebammenverbandes, 29. Oktober 1951: AAS 43 (1951 ) 850.</ref> Deshalb „verwirft“ das moralische Gewissen „jedoch nicht notwendigerweise die Anwendung gewisser künstlicher Hilfsmittel, die einzig dazu dienen, den natürlichen Akt zu erleichtern oder dem normal vollzogenen Akt zu seinem Ziel zu verhelfen“.<ref> Pius XII., Ansprache an die Teilnehmer des IV. Internationalen Kongresses katholischer Ärzte, 29. September 1949: AAS 41 (1949) 560. </ref> Wenn das technische Mittel den ehelichen Akt erleichtert oder ihm hilft, seine natürlichen Ziele zu erreichen, kann es moralisch bejaht werden. Falls sich hingegen der technische Eingriff an die Stelle des ehelichen Aktes setzen sollte, ist er moralisch unerlaubt.
Die den ehelichen Akt ersetzende künstliche Besamung ist wegen der freiwillig bewirkten Trennung zwischen den beiden Bedeutungen des ehelichen Aktes verboten. Die Masturbation, mit deren Hilfe normalerweise der Same gewonnen wird, ist ein weiteres Zeichen für diese Trennung; auch wenn sie in Hinblick auf die Fortpflanzung geschieht, bleibt diese Handlung ihrer Bedeutung auf die Vereinigung hin beraubt: „denn es fehlt ihr . . . eine von der sittlichen Ordnung geforderte geschlechtliche Beziehung, jene nämlich, die, den vollen Sinn gegenseitiger Hingabe als auch den einer wirklich humanen Zeugung in wirklicher Liebe‘ realisiert“.<ref>Hl. Kongregation für die Glaubenslehre, Erklärung zu einigen Fragen der Sexualethik, 9: AAS 68 (1976) 86, welche die Pastoralkonst. Gaudium et spes, 51, zitiert. Vgl. Dekret des Hl. Offiziums, 2. August 1929: AAS 21 (1929) 490; Pius XII., Ansprache an die Teilnehmer des XXVI. Kongresses der italienischen Gesellschaft für Urologie, 8. Oktober 1953: AAS 45 (1953) 678. </ref>
7. Welches moralische Kriterium ist bezüglich des Eingriffs des Arztes in die menschliche Fortpflanzung aufzustellen?
Die ärztliche Handlung darf nicht nur in bezug auf ihre technische Dimension, sondern muss auch und vor allem im Verhältnis auf ihr Ziel hin bewertet werden, das im Wohl der Personen und in ihrer leiblichen und seelischen Gesundheit besteht. Die moralischen Richtlinien für den medizinischen Eingriff in die Fortpflanzung leiten sich von der Würde der menschlichen Personen, von ihrer Geschlechtlichkeit und ihrem Ursprung ab.
Die Medizin, die auf das ganzheitliche Wohl der Person hingeordnet sein will, muss die spezifisch menschlichen Werte der Geschlechtlichkeit achten.<ref>Johannes XXIII., Enzyklika Mater et magistra, III: AAS 53 (1961) 447.</ref> Der Arzt steht im Dienst der Personen und der menschlichen Fortpflanzung: Er hat keine Vollmacht, über sie zu verfügen oder über sie zu entscheiden. Der medizinische Eingriff achtet die Würde der Personen dann, wenn er darauf abzielt, den ehelichen Akt zu unterstützen, indem er seinen Vollzug erleichtert oder ihm sein Ziel zu erreichen hilft, sobald er in normaler Weise vollzogen worden ist.<ref>Vgl. Pius XII., Ansprache an die Teilnehmer des IV. Internationalen Kongresses katholischer Ärzte, 29. September 1949: AAS 41 (1949) 560.</ref>
Im Gegensatz dazu kommt es bisweilen vor, dass der medizinische Eingriff technisch den ehelichen Akt ersetzt, um eine Fortpflanzung herbeizuführen, die weder dessen Ergebnis noch dessen Frucht ist: In diesem Fall steht der medizinische Akt nicht, wie es sein sollte, im Dienst an der ehelichen Vereinigung, sondern eignet sich die Funktion der Fortpflanzung an und widerspricht so der Würde und den Rechten der Eheleute und des Ungeborenen.
Die Humanisierung der Medizin, die heute von allen nachdrücklich gefordert wird, verlangt die Achtung der ganzheitlichen Würde der menschlichen Person an erster Stelle in dem Akt und in dem Augenblick, in dem die Eheleute einer neuen Person das Leben weitergeben. Es ist daher folgerichtig, auch einen dringlichen Appell an die katholischen Ärzte und Forscher zu richten, vorbildliches Zeugnis für die Achtung zu geben, die dem menschlichen Embryo und der Würde der Fortpflanzung geschuldet ist. Die Ärzte und das medizinische Pflegepersonal der katholischen Krankenhäuser und Kliniken sind in besonderer Weise aufgerufen, den eingegangenen moralischen Verpflichtungen, die oft auch in rechtliche Satzungen gefaßt sind, Ehre zu machen. Die Verantwortlichen dieser katholischen Krankenhäuser und Kliniken, von denen viele Ordensleute sind, werden sich mit ganzem Herzen dafür einsetzen und sicherstellen, dass die moralischen Normen dieser Instruktion sorgfältig befolgt werden.
8. Das Leiden wegen ehelicher Unfruchtbarkeit
Das Leiden der Eheleute, die keine Kinder bekommen können oder die befürchten, ein behindertes Kind auf die Welt zu bringen, ist ein Leid, das alle verstehen und angemessen würdigen müssen.
Von seiten der Eheleute ist der Wunsch nach einem Kind natürlich: Er drückt die Berufung zur Vaterschaft und zur Mutterschaft aus, die der ehelichen Liebe eingeprägt ist. Dieser Wunsch kann noch stärker sein, wenn das Ehepaar an einer Sterilität leidet, die unheilbar zu sein scheint. Freilich gewährt die Ehe den Gatten nicht das Recht, ein Kind zu haben, sondern nur das Recht, diejenigen natürlichen Akte zu vollziehen, die aus sich heraus auf die Fortpflanzung hin ausgerichtet sind.<ref>Vgl. Pius XII., Ansprache an die Teilnehmer des II. Weltkongresses in Neapel über menschliche Fruchtbarkeit und Sterilität, 19. Mai 1956: AAS 48 (1956) 471–473. </ref>
Ein Recht im wahren und eigentlichen Sinn auf das Kind widerspräche dessen Würde und dessen Natur. Das Kind ist nicht etwas Geschuldetes und kann nicht als Eigentumsobjekt aufgefaßt werden: Es ist vielmehr ein Geschenk, „das vorzüglichste“<ref>Pastoralkonst. Gaudium et spes, 50. </ref> und das am freiesten gegebene der Ehe; es ist lebendiges Zeugnis der gegenseitigen Hingabe seiner Eltern. Deswegen hat das Kind das Recht – wie erinnert worden ist –, die Frucht des spezifischen Aktes der ehelichen Hingabe seiner Eltern zu sein, und hat ein Recht darauf, vom ersten Augenblick seiner Empfängnis an als Person geachtet zu werden.
Allerdings ist die Sterilität, was auch immer die Ursachen und die Prognose sein mögen, sicherlich eine harte Prüfung. Die Gemeinschaft der Gläubigen ist aufgerufen, das Leid derer, die einen berechtigten Wunsch nach Vater- und Mutterschaft nicht erfüllen können, zu erhellen und mitzutragen. Die Eheleute, die sich in dieser schmerzlichen Lage befinden, sind aufgerufen, in ihr die Gelegenheit für eine besondere Teilnahme am Kreuz des Herrn zu entdecken, eine Quelle geistlicher Fruchtbarkeit. Die unfruchtbaren Ehepaare dürfen nicht vergessen, dass „das eheliche Leben auch dann nicht seinen Wert verliert, wenn die Zeugung neuen Lebens nicht möglich ist. Die leibliche Unfruchtbarkeit kann den Gatten Anlaß zu anderen wichtigen Diensten am menschlichen Leben sein, wie Adoption, verschiedene Formen erzieherischer Tätigkeit, Hilfe für andere Familien, für arme oder behinderte Kinder.“<ref>Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Familiaris consortio, 14: AAS 74 (1982) 97.</ref>
Viele Forscher haben sich im Kampf gegen die Sterilität eingesetzt. Einige sind, unter vollständiger Wahrung der Würde der menschlichen Fortpflanzung, zu Ergebnissen gelangt, die vorher unerreichbar schienen. Die Wissenschaftler müssen also ermutigt werden, mit ihren Forschungen fortzufahren, um den Ursachen der Sterilität vorzubeugen und ihnen abhelfen zu können, so dass die unfruchtbaren Ehepaare in Achtung ihrer personalen Würde und der des Ungeborenen zur Fortpflanzung gelangen.
TEIL III: MORAL UND STAATLICHE GESETZGEBUNG
Die moralischen Werte und Pflichten, die die staatliche Gesetzgebung auf diesem Gebiet achten und schützen muss
Das unverletzbare Recht auf Leben jedes unschuldigen menschlichen Individuums, die Rechte der Familie und der Institution Ehe stellen grundlegende moralische Werte dar, weil sie den wesensgemäßen Zustand und die ganzheitliche Berufung der menschlichen Person betreffen; gleichzeitig sind sie konstitutive Elemente der staatlichen Gesellschaft und ihrer Ordnung.
Aus diesem Grund erfordern die neuen auf dem Gebiet der Biomedizin eröffneten technologischen Möglichkeiten das Eingreifen der politischen Autoritäten und des Gesetzgebers, weil ein unkontrollierter Rückgriff auf solche Techniken zu unvorhersehbaren und schädlichen Folgen für die staatliche Gesellschaft führen könnte. Der Verweis auf das Gewissen jedes einzelnen und auf die Selbstbeschränkung der Forscher kann nicht ausreichen, um die personalen Rechte und die öffentliche Ordnung zu wahren. Wenn der Gesetzgeber, der für das Gemeinwohl verantwortlich ist, nicht wachsam ist, könnte er seiner Vorrechte von Forschern beraubt werden, welche die Menschheit im Namen von biologischen Entdeckungen und von angeblichen Verfahren zur „Verbesserung“, die sich davon ableiten, zu beherrschen sich anmaßen. Die „Erbauslese“ und die Diskriminierungen zwischen den Menschen könnten legitimiert werden: Dies würde eine Vergewaltigung und einen schwerwiegenden Anschlag gegen die Gleichheit, die Würde und die grundlegenden Rechte der menschlichen Person bedeuten.
Das Eingreifen der politischen Autorität muss sich an den Grundsätzen der Vernunft ausrichten, welche die Beziehungen zwischen zivilem und moralischem Gesetz regeln. Aufgabe des staatlichen Gesetzes ist es, das Allgemeinwohl der Personen durch die Verteidigung der Grundrechte, der Förderung des Friedens und der öffentlichen Moral zu sichern.<ref>Erklärung Dignitatis humanae, 7.</ref> In keinem Lebensbereich darf das staatliche Gesetz an die Stelle des Gewissens treten noch Normen über Angelegenheiten vorschreiben, die über seine Zuständigkeiten hinausgehen; es muss bisweilen in Hinblick auf die öffentliche Ordnung Dinge zulassen, die es nicht verbieten kann, ohne dass daraus ein noch größerer Schaden erwüchse. Die unveräußerlichen Rechte der Person aber müssen von der zivilen Gesellschaft und von der politischen Autorität anerkannt und geachtet werden: Diese Rechte des Menschen hängen weder von den einzelnen Individuen noch von den Eltern ab und stellen auch nicht ein Zugeständnis der Gesellschaft und des Staates dar. Sie gehören zur menschlichen Natur und wurzeln in der Person kraft des Schöpfungsaktes, aus dem sie ihren Ursprung genommen hat.
Unter diese fundamentalen Rechte muss man in diesem Zusammenhang zählen:
a) das Recht auf Leben und auf leibliche Unversehrtheit jedes menschlichen Wesens vom Augenblick der Empfängnis an bis zum Tod; b) die Rechte der Familie und der Ehe als Institution und – in diesem Zusammenhang – das Recht des Kindes, von seinen Eltern empfangen, auf die Welt gebracht und erzogen zu werden. Zu diesen beiden Themen müssen hier einige weitere Betrachtungen angestellt werden.
In verschiedenen Staaten haben einige Gesetze die direkte Beseitigung Unschuldiger gestattet: In dem Augenblick, in dem ein positives Gesetz eine Kategorie von Menschen des Schutzes beraubt, den die zivile Gesetzgebung ihnen gewähren muss, leugnet der Staat die Gleichheit aller vor dem Gesetz. Wenn die Staatsmacht sich nicht in den Dienst der Rechte jedes Bürgers stellt, und in besonderer Weise dessen, der am schwächsten ist, dann werden die Grundmauern des Rechtsstaates untergraben. Die politische Autorität kann folglich nicht zulassen, dass menschliche Wesen mit Hilfe von solchen Verfahren ins Dasein gerufen werden, durch die sie unzulässigen Risiken ausgesetzt werden, an die oben erinnert wurde. Wenn das positive Gesetz und die politischen Autoritäten den Techniken künstlicher Übertragung des Lebens und den damit verbundenen Experimenten Anerkennung gewähren würden, würden sie die von der Legalisierung der Abtreibung geschlagene Bresche noch weiter aufreißen.
Als Folge der Achtung und des Schutzes, die man dem Ungeborenen vom Augenblick seiner Empfängnis an zusichern muss, muss das Gesetz die geeigneten Strafmaßnahmen für jede gewollte Verletzung seiner Rechte vorsehen. Das Gesetz darf nicht dulden – im Gegenteil, es muss ausdrücklich verbieten –, dass menschliche Wesen, und seien sie auch im embryonalen Stadium, als Versuchsobjekte behandelt, verstümmelt oder zerstört werden mit dem Vorwand, sie seien überflüssig oder unfähig, sich normal zu entwickeln.
Die politische Autorität ist gehalten, der Institution der Familie, auf der die Gesellschaft gründet, den rechtlichen Schutz zu garantieren, auf den sie ein Anrecht hat. Gerade durch die Tatsache, dass sie im Dienst an den Personen steht, muss die politische Autorität auch im Dienst der Familie stehen. Das staatliche Gesetz darf seinen Schutz nicht denjenigen Techniken künstlicher Fortpflanzung gewähren, die zum Vorteil dritter Personen (Ärzte, Biologen, Wirtschaftskreise oder Regierungsmächte) das an sich ziehen, was ein den Beziehungen der Eheleute innewohnendes Recht ausmacht; ferner darf es nicht die Spendung von Keimzellen zwischen Personen, die nicht legitim verheiratet sind, gesetzlich zulassen.
Da sie der Familie Stütze gewähren muss, muss die Gesetzgebung zudem die Embryo-Banken, die Besamung post mortem und die „Ersatzmutterschaft“ verbieten.
Es gehört zu den Pflichten der öffentlichen Autorität, dafür zu sorgen, dass das staatliche Gesetz in all dem, was die Rechte des Menschen, des menschlichen Lebens und der Institution der Familie betrifft, nach den grundlegenden Regeln des moralischen Gesetzes ausgerichtet ist. Die Politiker müssen sich durch ihr Einwirken auf die öffentliche Meinung einsetzen, in diesen entscheidenden Punkten die weitestmögliche Übereinstimmung in der Gesellschaft zu erreichen und diese dort zu bestärken, wo sie geschwächt zu werden oder abzunehmen droht.
In vielen Ländern machen es die Legalisierung der Abtreibung und die rechtliche Toleranz gegenüber unverheirateten Paaren schwieriger, die Achtung der grundlegenden Rechte zu erreichen, an die diese Instruktion erinnert. Es ist zu wünschen, dass sich die Staaten nicht die Verantwortung aufladen, diese schädlichen Situationen sozialer Ungerechtigkeit noch zu verschlimmern. Im Gegenteil, es ist zu wünschen, dass die Nationen und die Staaten sich alle der kulturellen, ideologischen und politischen Verflechtungen bewusst werden, die mit den Techniken der künstlichen Fortpflanzung verbunden sind, und dass sie die notwendige Weisheit und den Mut finden, gerechtere Gesetze zu erlassen, die das menschliche Leben und die Institution Ehe achten.
Die staatliche Gesetzgebung liefert heute in vielen Ländern gewissen Praktiken eine ungerechtfertigte Legitimierung; sie erweist sich als unfähig, diejenige Moralität zu garantieren, die den naturgemäßen Erfordernissen der menschlichen Person und den „ungeschriebenen Gesetzen“ entspricht, die der Schöpfer in das Herz des Menschen eingeprägt hat. Alle Menschen guten Willens müssen sich einsetzen, besonders in ihrem Berufsbereich und in der Ausübung ihrer Bürgerrechte, damit die moralisch unannehmbaren staatlichen Gesetze und die unerlaubten praktischen Verhaltensweisen geändert werden. Zudem muss die „Verweigerung aus Gewissensgründen“ gegenüber derartigen Gesetzes angeregt und anerkannt werden. Ja, mehr noch, im moralischen Bewusstsein vieler, besonders unter den Spezialisten biomedizinischer Wissenschaften, beginnt mit Schärfe die Forderung nach passivem Widerstand gegen die Legitimierung von Praktiken aufzuflammen, die in Widerspruch zu Leben und Würde des Menschen stehen.
SCHLUSSBEMERKUNG
Die Verbreitung der Technologien des Eingriffs in die Vorgänge der menschlichen Fortpflanzung wirft schwerwiegendste moralische Probleme in Beziehung auf die dem menschlichen Wesen von seiner Empfängnis an geschuldete Achtung, in bezug auf die Würde der menschlichen Person, ihrer Geschlechtlichkeit und der Weitergabe des Lebens auf. In Erfüllung ihrer Aufgabe, die Lehre der Kirche zu fördern und zu schützen, richtet die Kongregation für die Glaubenslehre in diesem Dokument einen neuen, besorgten Aufruf an all diejenigen, die wegen ihrer Stellung oder wegen ihres Einsatzes einen positiven Einfluß ausüben können, damit in der Familie und in der Gesellschaft dem Leben und der Liebe die geschuldete Achtung zuteil wird: an diejenigen, die für die Bildung der Gewissen und der öffentlichen Meinung verantwortlich sind, an die Wissenschaftler, an die in medizinischen Berufen Tätigen, an die Juristen und an die Politiker. Sie wünscht, dass alle die Unvereinbarkeit begreifen, die zwischen der Anerkennung der Würde der menschlichen Person und der Geringschätzung des Lebens und der Liebe besteht, zwischen dem Glauben an den lebendigen Gott und dem Ansinnen, über Herkunft und Schicksal eines menschlichen Wesens willkürlich bestimmen zu wollen. Insbesondere richtet die Kongregation für die Glaubenslehre eine vertrauensvolle Aufforderung und eine Ermutigung an die Theologen und besonders an die Lehrer der Moral, dass sie die Inhalte der Unterweisungen des Lehramtes vertiefen und den Gläubigen immer mehr zugänglich machen mögen – im Licht einer gültigen Anthropologie der Geschlechtlichkeit und der Ehe, im Kontext der notwendigen interdisziplinären Vorgehensweise. So wird man die Gründe und die Gültigkeit dieser Lehre immer besser verstehen: Indem die Kirche Gottes den Menschen gegen die Auswüchse seiner eigenen Macht verteidigt, erinnert sie ihn an seinen wahren Adel; nur auf diese Weise wird man der Menschheit von morgen die Möglichkeit sichern können, in der Würde und Freiheit zu leben, die sich aus der Achtung vor der Wahrheit herleiten. Die präzisen Hinweise, die in dieser Instruktion vorgelegt werden, sollen daher nicht die Anstrengung der Reflexion aufhalten, sondern ihr vielmehr – in der unverzichtbaren Treue zur Lehre der Kirche – einen erneuten Impuls geben. Im Licht der Wahrheit über das Geschenk des menschlichen Lebens und der Moralprinzipien, die daraus folgen, ist jedermann eingeladen, in seinem eigenen Verantwortungsbereich wie der barmherzige Samariter zu handeln und auch das kleinste unter den Menschenkindern als seinen Nächsten zu erkennen (vgl. Lk 10, 29-37). Das Wort Christi findet hier ein neues und besonderes Echo: „Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan“ (Mt 25, 40).
Papst Johannes Paul II. hat bei einer dem unterzeichneten Präfekten gewährten Audienz, im Anschluss an die Vollversammlung dieser Kongregation, die vorliegende Instruktion gebilligt und ihre Veröffentlichung angeordnet.
am 22. Februar 1987, dem Fest Kathedra Petra.
Joseph Card. Ratzinger
Präfekt
Alberto Bovone
Sekretär
Anmerkungen
<references />